im Studio
The
Orb
Neueren Berechnungen zufolge ist der uns bekannte Kosmos ungefähr 13,7 Millionen Jahre alt. The Orb gibt es seit 24,5 Jahren, was – in Zeiträumen irdischer elektronischer Musik gemessen – dem schon ziemlich nahekommt.
Das von Nukleus Alex Paterson und Jimmy Cauty (später eine Hälfte von KLF) initiierte und heute von Counterpart Thomas Fehlmann kongenial
g e s i d e k i c k t e Ambient-Techno-Dub-Kontinuum, in dessen weitverzweigten Klangnebeln Namen wie Youth (Killing Joke), Kristian Weston oder auch Steve Hillage ein- und wieder auftauchten, ist eines der beständigsten elektroakustischen Leuchtfeuer im terrestrischen Wellenchaos. Für ihr aktuelles Album T h e O r b s e r v e r I n T h e S t a r h o u s e luden die beiden nun keinen Geringeren als Dub-Pionier und Zeitenüberdauerer Lee Scratch Perry in ihren ruralen Außenposten Gut Sternhagen in der Uckermark ein.
W
ir treffen Thomas Fehlmann und Alex Paterson in der charmant rustikalen Küche des Gutshauses oder, um genauer zu sein, des Verwaltungstrakts, denn das eigentliche Herrschaftshaus des bereits im vierzehnten Jahrhundert erstmalig erwähnten Anwesens ist im vergangenen Jahrhundert den Flammen zum Opfer gefallen. Fehlmann kaufte zusammen mit Lebensgefährtin Gudrun Gut die Ruine und brachte sie mit viel Liebe zum Detail wieder in einen bewohnbaren – ja sogar als Ferienwohnung vermietbaren – Zustand. Dennoch, vielleicht auch glücklicherweise, wirkt das Ensemble inmitten eines alten, eingewachsenen Parks fast wie von der Welt vergessen. „Man wird hier einfach durch nichts gestört und kann sich ganz in die Arbeit vertiefen. Ich meine, wir hatten Lee (Scratch Perry) hier ganz für uns allein. Seine Managerin – sonst eigentlich immer irgendwo in seiner Nähe – ist am zweiten Morgen zurück nach Berlin gefahren, weil es hier einfach nichts gibt. Kein Café, keine Bar, keinen Club und vor allem nichts, wo man shoppen könnte“, berichtet Paterson lachend.
in Berlin-Charlottenburg, wo in der Regel der finale Mixdown an einer 40-Kanal Soundtracks-Konsole stattfindet und alle Stücke noch mal eine komplette „Analogisierung“ erfahren. Denn während der Produktion arbeiten die beiden Produzenten weitgehend digital am Rechner, wo Ableton Live seinen Dienst verrichtet. Fast schon entschuldigend gesteht Fehlmann, dass bei der Dynamikbearbeitung ausschließlich Plugins zum Einsatz kommen – sogar „nur“ die internen von Live: „Es dient uns beiden und unserer Arbeit einfach zu sehr, mit dem Rechner zu arbeiten. Wir sind ja keine ‚Tekky-Boys‘, die jahrelang am perfekten Sound frickeln. Die Arbeit mit dem groben Pinsel ist auch einfach notwendig, weil wir in dem Zeitfenster, wo wir uns sehen, zu Ergebnissen kommen wollen. Plugins sind da für uns am einfachsten greifbar, zumal wir in der Regel schnelle, manchmal sogar raue – nicht lehrbuchhafte, wenn du so willst – Einstellungen vornehmen. Das ist letztlich ja ein Teil des Orb-Trademark-Sounds, dieses Ungeschliffene, was im Ergebnis sehr viel von unserem spontanen Vibe überträgt.“
Arbeiten mit dem groben Pinsel
Tatsächlich ist es genau diese Herangehensweise, die für den charaktervollen, stellenweise sogar bewusst angemufften Sound von The Orb entscheidend ist, und der sich heutzutage – noch mehr als in den frühen neunziger Jahren – von vielen der oft fast schon pornografisch exponierten Hochglanzproduktionen unserer Tage markant unterscheidet. Entscheidend ist aber wohl auch, dass die
Das Refugium bildet allerdings nur eine Hälfte der Arbeitspraxis im Hause The Orb. Gut Sternhagen ist der Ort für die Ideenfindung, das Experimentieren und Recordingsessions. Die zweite Homebase ist dagegen Fehlmanns akustisch aufwendig optimierter Studioraum
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D e r Ba n d - Fa k t o r
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