Groove #136 - Studiobericht

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Müssten wir uns einen idealen Gesprächspartner für diese Rubrik backen, könnte auf der Zutatenliste stehen, dass der Betreffende einer der geistigen Väter der omnipräsenten DAW Ableton Live ist, dabei seit Jahren schon ein stilbildendes Musikprojekt vorantreibt, sich aktiv und theoretisch mit den Fragen zeitgemäßer Musikdarbietung beschäftigt und vielleicht sogar als Professor für Sounddesign an der Universität der Künste in Berlin lehrt. Warum dann nicht den Ofen auslassen und direkt einen Studiobesuch bei Robert Henke alias

Monolake machen?

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ir treffen Henke in seiner Studiowohnung in Berlin-Kreuzberg. Da, „wo es vor ein paar Jahren noch überhaupt nicht hip war und jetzt plötzlich nur Spanier und Australier rumlaufen, und an der Kindertagesstätte ein Schild mit dem Hinweis ‚Dieser Laden ist nicht zu mieten!‘ hängt“, sagt der gebürtige Bayer schmunzelnd. Der Blick in den tageslichtdurchfluteten Studio­raum verrät: Der 43-Jährige kann mindestens drei Sachen gut: Ordnung, sowie alte Synthesizer und grüne Zimmerpflanzen pflegen. Denn die kleine, aber erlesene Auswahl von Klangmaschinen (darunter ein rarer PPG Wave 2.3 und Synclavier II) wird von allerlei Grünzeug flankiert und alle miteinander scheinen sich augenscheinlich in bestem Zustand zu befinden.

Glücklich machende Abhöre In dem grundsätzlich gut geschnittenen Raum mit kaum parallel verlaufenden Wänden, bestand die wesentliche Maßnahme zur Verbesserung der Akustik darin, sehr lange mit verschiedenen Positionen der Abhörmonitore zu experimentieren, berichtet Henke und verfällt, angesprochen auf seine – auch in kundigen Studiokreisen nahezu unbekannten – Monitore der Schweizer Manufaktur Strauss, in hemmungsloses Schwärmen: Ein Freund von ihm arbeite in einem Studio in Basel und der habe ihm immer wieder von den Boxen erzählt. Er sei in solchen

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Sachen ein großer Skeptiker, nach einem Hör-Besuch allerdings dann doch sehr beeindruckt gewesen. Danach habe er sich aber immer noch gedacht: „Gut, der Raum ist ja auch super, daher der tolle Sound.“ Dann aber traf er in Berlin einen Filmtonmeister, der ebenfalls mit Monitoren von Strauss arbeitet und sie zu einem Probehören mit in sein Studio brachte. „Tja, von da an war klar, dass ich sie einfach haben muss. Ich weiß nicht, ob das nun die besten aller möglichen Lautsprecher sind, aber mich persönlich machen sie immer wieder extrem glücklich“, sagt Henke strahlend.

Zweiteilige Klangebenen

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Eine präzise Abhörsituation ist unerlässlich für die Musik, die er als Monolake produziert, denn wie zum Beweis sind die meisten der Stücke seines neuen Albums G h o s t s in zwei – sich beinahe plastisch vor dem Hörer aufklappende – Klang­ ebenen gegliedert: Im Vordergrund ultratrocken, bis zum kleinsten Transienten-Gipfel ausproduzierte Percussion- und Drumsounds, im Hintergrund nebulöse, schemenhaft durch den Raum mäandernde Flächen, die sich alle Mühe geben, sich jeder klaren Zuordnung zu einer Tonart zu entziehen. Diese Zweiteilung findet ihre Entsprechung in der Produktionsweise: Perkussive Klänge fertigt Henke nämlich bevorzugt mit Klangkörpern wie Gongs, Becken und handelsüblichen Fruchtschalen aus Metall an, die er meistens mit einem Sony PCM D-50 Fieldrecorder aufnimmt. „Und wenn ich es ordentlich machen will, dann nehme ich ein Paar EarthworksMikros mit Kugelcharakteristik und geh damit direkt in Motu Ultralite (Audio-Interface, Anm. d. A.)“, ergänzt er. Drums konstruiert Henke hingegen oft von Grund auf in „seinem Baby“ – Abletons Operator-Synth: „Ich mag ja so vermeintlich oldschoolige Sounds sehr gerne und eine Snare ist leicht zu bauen: ein oder zwei Sinus-Oszillatoren, vielleicht mit ein wenig Pitch-Hüllkurve, dazu etwas Rauschen, alle drei mit einer eigenen Lautstärken-Hüllkurve und das Ganze dann noch entsprechend filtern und der Spaß kann beginnen. Das ist ja das Schöne am Operator, er sieht nicht sonderlich hip aus, aber gerade so Basics gehen damit wirklich problemlos und man hat dennoch viele Möglichkeiten.“ Vor allem im Bereich Rhythmus und Editing zeigt sich dann auch die Seite von Henke, die dem typischen Mausschubser entspricht – gewissermaßen sein Ableton-Ego. Denn obwohl seine Drumspuren sehr „getrommelt“ wirken, kommt dabei nicht mal ein Drumpad


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zum Einsatz, wie Henke erzählt: „Ich bin ganz schlecht mit dem Klopfen in Echtzeit, aber ich liebe es, Hüllkurven genau zu justieren oder Midi-Noten durch das Taktraster zu schieben.“ Auch klangliche Effekte, die nach Plugins klingen, wie beispielsweise die vermeintliche Sidechain-Kompression auf „Existence of Time“, sind das Ergebnis händischer Frickelarbeit: „Das ist einfach ein schönes Editing rund um die Beats. Meine Musik ist ja nicht so sonderlich komplex, da ist es nicht schwer, einen Bass ein wenig leiser zu machen, wenn auf der gleichen Zählzeit eine Kickdrum liegt“, erklärt er. Die zweite, klanglich dahinter liegende und nebulös weichgezeichnete Ebene spiegelt Henkes Leidenschaft für Analog-Hardware wider: „Das Alesis Quadraverb ist ein sehr spezieller Kumpel von mir, mein erster Hall überhaupt und eine sehr charmante Maschine. Rauscht arg, hat aber einen sehr eigenen Klang.“ Dieses Hallgerät ist dann auch die erste Anlaufstelle für den Yamaha DX-27, den er für gerade einmal 40 Euro bei Ebay ersteigert hat. „Die Geräte anzuschmeißen hat so etwas schön Nostalgisches und es ist auch angenehm, mal für ein paar Minuten nicht in einen Bildschirm zu starren“, sagt Henke und ergänzt, dass er zwei Jahre lang versucht hat, nur mit dem Laptop zu arbeiten, es ihm aber letztendlich fehlte, von diesen alten Instrumenten umgeben zu sein: „Das hat nichts Rationales, aber das braucht es auch nicht. Es geht ja darum, Kunst zu machen. Und was immer nötig ist, um ein Ergebnis zu bekommen, ist sinnvoll.“

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spürbar: „Absolut! Live erlaubt es ja, die Sends auf sich selbst zurückzukoppeln. Damit lassen sich großartige FeedbackInstrumente bauen: Wir brauchen ein wenig Rauschen, egal woher. Das schicken wir in den Send. Im Return Track befinden sich: EQ8, Simple-Delay mit 10ms, ein Saturator im Waveshaper-Modus und einer im AnalogClip-Modus. So, der Trick ist jetzt folgender: Man aktiviert den Send in diesem Track, damit der sich selbst rückkoppeln kann. Dann dreht man ein Band von dem EQ8 voll auf und spielt mit der Frequenz und mit den Settings des Waveshapers. Damit kann man ganz absurde, flötenähnliche Klänge erzeugen oder Alphörner oder Bässe. Nur stimmbar ist das Ganze kaum, man muss die Ergebnisse dann vielleicht wieder aufnehmen und tunen. Aber es macht großen Spaß!“ Text: N u m i n o s Fotos: R a g n a r

Schmuck Das Album Ghosts von Monolake ist bereits bei Imbalance Computer Music erschienen. Zu empfehlen ist auch der Besuch von Henkes aktueller „The Ghosts In Surround“-Tour.

Hard- und Software MacBook Pro Ableton Live Studiotagebücher Danach gefragt, wie er auf die Harmonien und Akkorde MaxMSP / Max4Live kommt, antwortet Henke: „Dudeln, zuhören, editieren und Altiverb dann auch gerne in Live mit den verschiede Warp-Modi Melodyne Teile davon transponieren und ineinanderfaden.“ Eine Zeit Metasynth lang habe er sich sogar die Mühe gemacht, auf Notenpa- diverse Audio-Interfaces pier Akkordfolgen aufzupinseln. „Das Ergebnis stand aber iPad in keinem Verhältnis zur Verkrampfung“, sagt er und lacht. diverse Midi-Controller Seine Notizbücher hingegen hat er immer in Griffweite. Diese – für einen Vorreiter der rechnergestützten Musik- Klangerzeuger produktion – erstaunlich undigitale Art seine Ideen festzu- Yamaha DX-27, SY-77, TG-77 halten, hat sich Henke auf Reisen angewöhnt. Oft seien es SCI Prophet VS nur To-do-Listen, die er darin notiert, manchmal aber auch PPG Wave 2.3 ein konkreter Plan für ein Stück und seine Struktur, ein Max- NED Synclavier II Patch, der Aufbau eines Live-Sets oder eine Denkhilfe, wenn Oberheim Xpander es darum geht, ein bisschen Mathe für Surround-Panning- Ensoniq ASR-10 Steuerung oder Filter zu machen. Häufig stünden in den diverse Gongs, Kladden aber auch solche Dinge wie: „Track xyz, Bassline Becken, kürzen?“ und dann drei Monate später steht daneben: Metallteile „Unsinn!“ oder „Ja!“, sagt er schmunzelnd und ergänzt, dass es natürlich auch eine schöne Vorstellung sei, sich Outboard diese Studiotagebücher in zwanzig Jahren noch einmal Alesis Quadraverb anzuschauen. Lexicon PCM 80 Yamaha SPX 900

Rezept: Feedback-Instrument

Auf die Frage, ob er, als einer der Väter von Live, uns noch einen Kniff mit auf den Weg geben möchte, antwortet Henke begeistert, und der ganze Enthusiasmus, mit dem er selbst seine Musik produziert, und auch die Art und Weise, wie er sie als Professor vermittelt, wird augenblicklich

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Monitoring Strauss SE-NF-3 Mastering Monitore Genelec 8020

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