Technik
Studiobericht W homadewho Auf ihrem zweiten Longplayer The Plot pflegen Whomadewho wieder detailverliebt und mit großer Präzision die diskotypischen Stilkonstanten Perkussion-Loops, Oktav-Basslinien und Zap-Claps – und entwickeln gleichzeitig ein vielschichtiges Songwriting, das auch abseits der Tanzfläche funktioniert. Ein guter Anlass also, die drei Dänen in ihrem bevorzugten Mietstudio zu treffen, dem Sun-Komplex in Kopenhagen. TEXT: Numinos
Ein Interview mit den drei quirligen Dänen Whomadewho ist ähnlich anstrengend wie ein Zoobesuch mit einer Vorschulklasse von hyperaktiven Kindern, die ihr Ritalin an die Enten verfüttert haben: Mastermind und Schlagzeuger Tomas Barfod, Sänger und Bassist Tomas Høffding und Gitarrist Jeppe Kjellberg strotzen nur so vor Agilität und haben mehr Flausen im Kopf als Kopenhagen HotdogBuden. Doch wenn es mal kurz gelingt, einen der Spaßvögel davon abzuhalten, nach dem nächsten „Øl“ (Bier) zu fi schen oder eine HutModenschau aufzuführen, dann kann man durchaus interessante Einblicke in die Arbeitsweise von WMW gewinnen. Denn die drei ergänzen sich nicht nur beim Rumblödeln, sondern sind in manchen Momenten auch in der Lage, ihre überschüssigen Energien in das
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kollektive Modulieren von Parameterfahrten an Synthesizern zu stecken. So machen sie ganz einfach das frickelige Einzeichnen von Modulationsverläufen am Rechner überfl üssig. „Fast alle Synthies sind live, ohne Midi eingespielt“, berichtet Tomas Høffding. „Denn wenn man zu dritt an einem Synthie schraubt, kriegt man auch ohne Automation ziemlich wilde Modulationsfahrten hin.“ Dabei gestaltet sich die eigentliche Ideenfi ndung laut Jeppe Kjellberg ebenfalls weitgehend demokratisch: „Wir haben eigentlich nie die Situation, dass einer von uns unbedingt eine Idee durchsetzen will, und die anderen wollen nicht. Man spielt einen Schnipsel vor, und dann gibt es in der Regel eine eindeutige Zweidrittel-Mehrheit.“ Sieht man WMW entspannt im technisch überragend ausgestatteten und äußerst komfortablen Sun-Studio sitzen, dann kann man nur schwer glauben, dass die Arbeiten an The Plot ursprünglich ganz woanders angefangen haben: Zunächst haben sich die drei in einem Proberaum in einer alten Fabrik eingeschlossen und dort auch mit den Aufnahmen begonnen. Eine Erfahrung, die Jeppe Kjellberg als „interessanten Ansatz zur Erfi ndung neuer Ideen“ beschreibt. Die daraus resultierenden Aufnahmen seien ihnen dann aber zu gewöhnlich und zu Rockband-artig gewesen: „Deshalb sind wir wieder zu der alten Technik zurückgekehrt, die wir auch schon für das erste Album verwendet haben. Dass nämlich Tomboy [alias Tomas Barfod, Anm. d. A.] uns einen fertigen Drumgroove vorspielt und wir darauf in ziemlich langen Jamsessions spielen. Wir nehmen davon dann in der Regel zwei bis vier Takte –
nicht einen, das macht es zu statisch. Wir haben es anfänglich auch ohne Loops probiert, aber das klingt am Ende irgendwie zu gewöhnlich, zu wenig elektronisch. Ich meine, egal wie tight du spielst, wenn du es am Ende nicht loopst, klingt es irgendwie zu ... biologisch [lacht].“ Allerdings entstehen weitaus geringere Anteile der von Barfod vorgegebenen Rhythmusfundamente an echter Drum-Hardware, als man vielleicht glauben mag: Er verwendet eigentlich nur drei Snaredrums und zwei Hihats. Sein Arsenal an Perkussionsinstrumenten (darunter auch die viel geklöppelten Cowbells) ist hingegen beachtlich und stammt zu großen Teilen von einer Chinareise, von der er mit Koffern voll Schlagwerk zurückkehrte. „Bei einem Euro pro Woodblock oder Cowbell konnte ich einfach nicht widerstehen“, erinnert er sich lachend. DER RUHENDE POL Bei den Ortswechseln, die das neue Album mit sich brachte, bildet das Gesangsmikrofon sozusagen einen ruhenden Pol – es kommt schon seit dem ersten Album bei allen Aufnahmen zum Einsatz. WMW verwenden ein Shure SM7 – einen der vielleicht besten Geheimtipps, die es als Alternative zu den populären Mikrofonlegenden von Neumann, Telefunken oder Brauner gibt. Vielleicht liegt der geringe Bekanntheitsgrad dieses Mikros an seiner unscheinbaren Optik oder daran, dass viele Musiker den Hersteller aufgrund des omnipräsenten SM57 eher im Bereich Livemikros verorten. Dabei wurde sogar schon Michael Jacksons Stimme mit einem SM7 in Stromimpulse verwandelt.
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Und auch Whomadewho-Sänger Tomas Høffding möchte den robusten Schallwandler nicht mehr missen, denn der interne luftgefederte Schockabsorber eliminiert nahezu jede mechanische Geräuschübertragung. Weil das Mikro außerdem noch einen integrierten Poppschutz hat, kann er es bei seinen Gesangsaufnahmen direkt in der Hand halten. Auf seinen markanten Falsettgesang angesprochen, erklärt Høffding, dass er damit nicht etwa an den typischen Sound der Familie Gibb anknüpfen will. Er musste fast zeitgleich mit der Gründung von Whomadewho eine Stimmbandoperation über sich ergehen lassen – und danach sang er, um seine geschundene Kehle zu schonen, vorwiegend mit jener diskotypischen Kopfstimme. Er empfand diese Gesangstechnik als weniger anstrengend. Im Nachhinein hat sich das Høffding zufolge als glückliche Wahl herausgestellt. Denn heute kann er auch nach zwei Konzerten in Folge, mit Halsschmerzen von der Klimaanlage im Flieger (auf dem aktuellen Album klingt das im opulent arrangierten „I Lost My Voice“ an) und akutem Schlafentzug noch ein weiteres Konzert singen. Und obgleich der Gesang auf WMWStücken zunächst zeitgemäß trocken klingt, offenbart ein genaues Hinhören, dass häufi g eine kurze, seltsam statische Rauminformation die Vocals umgibt. Um diesen Effekt zu erreichen, beschneidet Barfod mit einem sehr steilfl ankigen EQ rigoros die Hallinformation: „Ich mag es, wenn der Hall auf der Stimme schon ein bisschen radiomäßig verwaschen klingt, weshalb ich den Frequenzbereich des Hallsignals unten und oben ziemlich stark begrenze.“
WENN DU ES AM ENDE NICHT LOOPST, KLINGT ES ZU BIOLOGISCH. Nummer in ein großes Studio mit einer wundervollen Konsole wie hier gegangen, wo der Track für sich genommen dann perfekt gemischt wurde, haben uns nachher aber trotzdem für die Version entschieden, die wir bei uns am Rechner gemischt hatten – einfach weil der große Studiosound teilweise zu rockig und brillant klingt und dann nicht wirklich zu unserer Musik passt.“ Man dürfe auch nicht vergessen, dass in so einem prachtvollen Studio jede Stunde Geld koste, erklärt Barfod. Am eigenen Rechner könne man hingegen stundenlang mit freakigen Sachen experimentieren, ohne dass im Hintergrund die Uhr läuft. Bei solchen Ausführungen lässt sich ziemlich eindeutig raushören, dass Barfod im Herzen ein Homerecorder geblieben ist, der sich mit der Popularität seines Projekts Whomadewho und den daraus resultierenden Studiobudgets noch nicht vollständig anfreunden konnte. Aber das muss er ja auch nicht, denn die drei albernen Dänen haben ihre musikalisch glanzvollsten Momente ohnehin beim Toben auf der Bühne. The Plot ist bei Gomma/Groove Attack erschienen.
EQUIPMENT (auszugsweise): Mischpult: Studer 900 Outboard: 2 x Universal Audio 6176 2 x Neve 3314a Preamp/EQ 6 x Neumann PV 76 Preamp Neumann PEV Mastering EQ 3 x NTP EQs 3 x Danfield Kompressor/Expander (dänischer SSL-Klon) Instrumente: 77 Fender Precision Bass (kommt bei nahezu allen Tracks zum Einsatz) Roland Jupiter 4 Roland Juno 60 Access Virus Indigo Sonor 80’s Mahagoni Drums Yamaha 7” Wood Snare Slingerlang 4,5“ Snare Mikrofon: Shure SM7a Soundkarte: Lynx Aurora 8 Monitoring: Yamaha NS 10
URTEILE AUS DER DISTANZ Der Entstehungsweg von The Plot führte Whomadewho schlussendlich ins Kopenhagener Sun-Studio. Dort wurden zwar auch nur Teile des Albums abgemischt. Dank des Ortswechsels konnte die Band aber immerhin das eigene Material mit der nötigen Distanz beurteilen. „Wir entscheiden fast immer von Fall zu Fall, wo wir mischen und vor allem, welche Mischung wir am Ende verwenden“, sagt Barfod. „Wir sind sehr häufi g schon mit einer
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