Beat Kappeler: Vermögen für alle. Wer die bessere Verteilung hemmt, und wie wir sie erreichen

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BEAT KAPPELER Wer die bessere Verteilung hemmt, und wie wir sie erreichen FÜRVERMÖGENALLE

Beat Kappeler Vermögen füralle Wer diebessere Verteilung hemmt, undwie wir sieerreichen NZZ Libro

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 2022 NZZ Libro, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel Umschlag:Janet Levrel, Leipzig Gestaltung, Satz:3w+p, Rimpar Druck, Einband:CPI books GmbH, Leck Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks,des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigungauf anderen Wegen und der SpeicherunginDatenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfallnur in den Grenzen der gesetzlichenBestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN Print 978-3-907396-03-2 ISBN E-Book 978-3-907396-04-9 NZZ Libro ist ein Imprint der Schwabe Verlagsgruppe AG.

Bibliografische Informationder Deutschen Nationalbibliothek

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Inhalt 1 Konsumieren oder investieren? 9 Die Vermögen in Zahlen Wieaussagekräftig sind Statistiken? 10 Die Gesellschaftlässt sich verändern 12 Selbstsorge statt Fürsorge 13 Personelle und funktionelle Verteilung 14 Primär- und Sekundärverteilung 16 Positionelle Güter 16 2 Warum sich das Vermögen konzentrierte 19 Die Finanzialisierung der Werte 19 Die Vorteile der Aktie 26 Die Nachteile der Aktie 27 Teilreserve-Banken und ihre Kreditkunden 29 Finanzialisierung und Konzentration 30 Der Kreislaufder Vermögensverteilung 32 Piketty und die Vermögenskonzentration:ein ehernes Gesetz? 33 Einflüsse der Informationstechnik 34 Oligopoleund Marktmacht 35 Der Anteil der Globalisierung 37 3 Wie eine bessereVerteilung sabotiert wird 39 Finanzspritzen für die Volkswirtschaft schaffen Ungleichheit 39 Cantillonder Seher, Law der Sünder 40 Notenbanken als Garanten der Kreditvermögen 40 Die Kreditwirtschaft seit dem New Deal 42 Der wachsende Staatsanteil 44 Der fiskalische Keil 45 Das Regulierungskorsett 46 5

Die Rolle der Gewerkschaften 47 Effektivität von Besteuerungen 49 4 Wege zur Eigentümergesellschaft 53 Eine Firma im Besitz ihrer Angestellten:John Lewis 53 Partnerfirmen 55 Liquidation was bleibt? 57 Die «Voucher-Privatisierung»nach 1989 58 Eine Volkswirtschaft aus Partnerschaften 59 Firmen ohne Finanzialisierung 61 Genossenschaften Finanzialisierung an der Kette 63 Stiftungen als Unternehmen 65 Die neuen App-Firmen 66 5 Eine Alternative: die Aktie entschleunigen 71 Alte und neue Anlagewelten 71 Rappaport 72 Der Staat stabilisiert und panzert das Aktiensystem 75 Wenn die Aktionäre haften, werden sie umsichtig 76 Periodischer Börsenhandel, wie mit Wechseln in Piacenza seinerzeit 78 Eingebundene Aktionäre 79 Eingebundene Boni-Empfänger 81 6 Finanzialisierungfür alle 83 Täter, nicht Geschützte 84 Tokens:Vermögensrevolution auf Blockchains 84 Individuelle Mitarbeiteraktien 85 Die amerikanischen ESOPs 87 Weitere Modelleder Mitarbeiterbeteiligung 88 Staatliche Förderungen 89 Mitarbeiteraktionärevia Pensionskassen 90 Gewinnbeteiligung via Barauszahlung 92 Vermögensanteileder Mitarbeiter in Europa 93 Iversen/Soskice:Demokratie und Wohlstand 93 Programmefür die «working poor» 94 6

Die radikalen Lösungendes Robert J. Shiller 95 7 Modellestaatlicher Umverteilung 99 SouveräneFonds 99 Die progressive Konsumsteuer (Progressive Income Tax) 100 «Birth endowment» der Baby-Scheck 100 Sekundärverteilung durch Steuern 102 Wohneigentum 103 Die allgemeine Bodensteuer (Henry George) 104 Unzeitgemässe Überlegungen zum Vermögenserhalt 107 Schluss in sieben Punkten 109 Anmerkungen 110 Über den Autor 112 7

Im gleichen Jahr 2022 stiegen die Energiepreise derartig, dass Millionen Haushalte in Not gerieten sie konnten auf kein Vermögen zurückgreifen.

1Konsumieren oder investieren?

Das scheinen eindrücklicheBelege der Vermögenskonzentration zu sein.

Dennochhat man es hier nur mit den Folgen der Vermögenslage zu tun:mit Konsum in seiner Variante des Luxus einerseits und in der Variante täglicher Sorge andererseits. Daswirkliche Vermögen, das sind Maschinenhallen,Dienstleistungsfirmen, Patente, Transportflotten, Netze.Die Netzfirma Amazon ist Vermögen, die Jacht des Jeff Bezos ist Zugabe.

Diese realen Kapitalien sind Produktionsmittel, die Werte schaffen helfen, die wiederum Einkommen verschaffen. Der Konsum dagegen gibt diese Einkommen aus, verschwenderisch oder vorsichtig. Wer wenig verdient,gibt das meiste im Konsum aus, wer viel Einkommen hat, spart einiges davon, investiert in neue Anlagen, sichert sich neues Vermögen und daraus weitere Einkommen.

Schon der laufende Konsum war einProblem.

Damit argumentiert dieses Buch:Findet man Wege für die wenigerVermögenden,ebenfalls etwas anzusparen, um Vermögen nebendem Konsum zu bilden, dann verteiltsich das Vermögen des Landesbesser. Was kümmern uns also die Reichen mit ihren Villen, Pools, Privatjets und Jachten! Das ist das Ende der Kette. DerAnfang sind Vermögenswerte, Produktionsstätten,Firmen. Wirbefassen uns hier mit dem Wesentlichen dem Vermögen, an dem die Mehrheit Anteil hat, dem Vermögen der einfachen Leute,der Arbeitenden. 9

Genau dies ist das Bild, das viele sich machen:Reiche Leute trinken Champagner, wohneninVillen mit Pool, fliegen im Privatjet und vergnügen sich auf ihrer Jacht.

Anfang2022 macht Jeff Bezos Schlagzeilen:Damit seine neue Jacht aus der Werft auslaufen kann, soll eine historische Brücke in Rotterdam abgebaut werden. Die Arroganz des Vermögenden lässt sich kaum eindrücklicher aufzeigen.

Da wäre der von dem italienischen Statistiker Corrado Gini entwickelte GiniKoeffizient, der auf 1geht, wenn einer alles besitzt, und der 0beträgt,wenn das Vermögen gleichverteiltist. Die Spanne aller Darstellungen geht also nur von 0 bis 1und ist wenig anschaulich. So hatte erwartungsgemäss im Jahr 2020 Russland mit einer der höchsten Vermögenskonzentrationen die Zahl 0,879, die USA 0,852, Deutschland0,816,die Schweiz 0,702. Die Bedeutungdieser Zahlen ist aber schwer verständlich. Immerhin erscheinen dieVermögensverteilungen verschiedener Länder in einer engen Spanne von 0,7bis 0,87. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht:Die Haushalte mit wenigVermögen bilden sozusagen eine Reserve für die bessereVermögensstreuung. Da sollte und da kann etwas geschehen. Dazu soll dieses Buchbeitragen.1 Besser vorstellen kann man sich Verhältniszahlen, etwa wie viele Anteile am Gesamtvermögen die obersten 10 Prozent (siehe Grafik)oder die untersten 20 Prozent besitzen. Optisch dargestellt wird dieses prozentualeVerhältnis zwischen Volkseinkommen und Einkommensempfangenden oft durch dieLorenzKurve.

Dass Vermögen nicht gleich verteiltsind,ist eine Binsenwahrheit. Besitzen aber die oft geschmähten reichsten 0,01 Prozent der Bevölkerung tatsächlich diehalbe Welt und ist dieser Trend unaufhaltsam?Statistiken können eine gewisse Vorstellung von Verteilungund Entwicklung geben,dochmit Statistiken kann man vieles beweisen. Im Internet finden sie sich in reicher Auswahl, dieLeserinnen und Leser mögen sich dort umsehen. Wir lassen hier die blosse Zahlenhuberei und sichten stattdessen die Arten, wie man Vermögenskonzentrationen darstellt.

Wie aussagekräftig sind Statistiken?

Durchschnittswerte sind nicht sehr aussagekräftig. Der Median zeigt die Mitte der Vermögensverteilung, wenn darunter und darüber gleich viele Vermögensträger vorkommen. Der Mittelwert wiederum, alsoalle Vermögen zusammen geteilt durch die Haushalte,sagt mehr über den allgemeinen volkswirtschaftlichen Reichtumaus als über die Verteilung. Folgendesanschauliche Beispiel zeigt den Unterschied zwischen Median und Mittelwert:Wenn bei einem Klassentreffen Bill Gates teilnimmt, springt der Mittelwert der «anwesenden Vermögen», also der klassische Durchschnitt, in schwindelnde Höhen, ungefähr auf 100 Milliarden Dollar geteilt durch 20 Klassenkameraden. Der Median aber verändert sich kaum, ob Bill Gates nun im Raum ist oder ausserhalb er steht sozusagen am Rand der 20 Klassenkameraden;und ob er 100 oder 10 Millionen Dollar besitzt: Der Median, also der Kamerad in der Mitte beziehungsweise der mittlere Wert, 10

DieVermögeninZahlen

verschiebtsich vielleicht vom Zehnten mit 200 000 DollarVermögen zum Elften mit 220 000 Dollar Vermögen.

Ausgewählte die Verteilung Nettovermögens

des

Indikatoren für

der privaten Haushalte Anteil der untersten 40 % Anteil der obersten 10 % Anteil der obersten 5% Anteil der obersten 1% Österreich 1,0 55,6 43,5 25,5 Finnland 2,2 45,2 31,4 13,3 Frankreich 2,7 50,6 37,3 18,6 Deutschland0,5 59,8 46,3 23,7 Italien 4,5 42,8 29,7 11,7 USA 0,1 79,5 68,0 42,5 Quelle:OECD Wealth Distribution Database, oe.cd/wealth, 2015. Anteil der untersten 54,6 % Anteil der obersten 12,9 % Anteil der obersten 5,8 % Anteil der obersten 0,78 % Schweiz 1,4 %81,8 %68,5 %40,8 % Quelle:Gesamtschweizerische Vermögensstatistik der natürlichen Personen 2018, Eidg. Finanzdepartement, Bern. 11

Aber diese Vermögenswerte, von denen hier die Rede ist, etwa jene der Wikipedia-Tabellen, stammen meistens aus den Steueranlagen der Staaten.Sie übersetzen das Haushaltsvermögen, die Firmenanteile, Aktien, den Hausbesitz in Zahlen. Der Besitz an Produktionsmitteln, auf dieesfür dieStellung in der Gesellschaftankommt,ist aber nicht auf derart wenige konzentriert, wie die Statistiken melden, etwa auf diebesagten 0,01 Prozent. Denn jeder Gewerbetreibende, jeder Bauer, jeder selbstständige Taxifahrer oder Velokurier,jede Reinigungskraft, die auf eigene Rechnung arbeitet, sie alle haben ihre eigenen Produktionsmittel, ihrSachvermögen, das Einkommen erzeugt. Insgesamt wiegen diese Vermögen zusammen wohl schwererals die in Steuerstatistiken leichter in Zahlen fassbaren Bar- und Börsenvermögen. Die Statistiken übertreiben einerseits alsodie Konzentration. Sie geben andererseits ein sehr wichtiges Element des Vermögensbesitzes nicht wieder, nämlich

die Verfügungsrechte.Wer produzierendes Vermögen besitztwie Industrieanlagen, Dienstefirmen, einen Bauernhof, Immobilien, der verfügt in bestimmten

Und schliesslich gilt natürlich:Gleichverteilt ist nicht unbedingt gerecht, und ungleich verteilt ist nicht von vornhereinungerecht. Aber das wird uns in der Folge so wenig wie die Statistiken beschäftigen. Hier soll nicht moralisiert werden, hier wird ermittelt, wie Vermögen gestreut werden kann.

Zusammenhängen

DieGesellschaft lässt sich verändern WährendHunderten von Jahren war mindestens die Hälfte der europäischen Bevölkerung mausarm und lebte am Existenzminimum. Zwar liess nicht alle das Elend der Armen unberührt, doch wurde die Not der Einzelnen nur punktuell gelindert durch Almosen von mildtätigen Vermögenden oder kirchliche Einrichtungen. Der Rest war halt Schicksal. Im 19. Jahrhundert, und besonders nach 1880, begann sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass Elend und Armut einerseits und immense Vermögenshäufung andererseits nicht naturgegeben sind, sondern verändert werden können:

Die Gesellschaft, nicht die Natur schafft solche Zustände. In der Folgezeit führte etwa allein schon der Bau vonKanalisationen dazu, dass die Menschen gesünder, langlebiger, leistungsfähiger wurden. Schulbildung erhöhte ihre Chance, eine bessere Arbeit zu finden. Erste soziologische Studien zeigten Mechanismen der Armutsowie Möglichkeiten, den sozialen Aufstieg zu fördern und die Stellung der Frauen zu verbessern. Frühsozialisten entwarfen utopische Gesamtbilder für ein besseres Leben. Sozialisten griffen zur Selbsthilfe und organisierten genossenschaftliche Läden, Wohnungen, Medien. Kommunistenanalysierten und revolutionierten mit unerbittlicher Systematik. Liberale vertrauten auf das immer breitere Wachstumder Einkommen, dann der Vermögen.Freihandel, einesichere Währung, Sparkassen und Banken dientendazu. Die patronale Fürsorge vieler Unternehmer sorgte für Wohnsiedlungen, Krippen, gründeteSparkassen und Lehrwerkstätten. Mit Gesamtarbeitsverträgen, in DeutschlandTarifverträge,regelten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände immer mehr Detailsdes Arbeitens Arbeits12

über die dort Arbeitenden oder Wohnenden. Diese Verfügungsrechte dürften hingegen konzentrierter sein, als die Statistiken zeigen, denn wer Vermögen nur als Barvermögen auf Banken,Geldanlagen in Fonds, in Pensionskassen oder Versicherungen hat, kannreich sein, tritt aber seine Verfügungsrechte an derenLenker und Leiter ab.

zeit, Ferien, Löhne.Der Staat seinerseits tat das auch;ererklärte die Verträge allgemeinverbindlich.

Dabei zeigen heutige wissenschaftlicheStudien und Statistiken ergänzend oder gar entgegen den im 19. Jahrhundert entdeckten gesellschaftlichen Eingriffsmöglichkeiten, dass auch die Selbstsorge der Menschen ihre Lage, sogar ihre Vermögen bestimmt. Denn die verfügbaren Mittel und das allgemeine Wissen habengewaltig zugenommen. Jeder Einzelne kann heute unabhängig von den Verstrickungen der Gesellschaft und nebenallen umsorgenden Ämtern selbst dafür sorgen, gebildet, gesund,aktiv und bemittelt zu sein. Selbstsorge bestimmt den Alkoholkonsumder Menschen und ihren Tabakkonsumebenso wie ihre Bildungsbeflissenheit, ihre Körperpflege oder ihre Sparsamkeit.

Jeder ist auch ein Täter und nicht nur einOpfer. Doch das alte Opfer-Narrativ verhindert noch dieses neue Selbstverständnis. Spukt nicht noch immer in unseren Köpfen der Ruf der anwaltschaftlichen Politiker nach einem «umfassenden Schutz»als Programm, um «alle Lücken des sozialen Netzes»endlich zu schliessen?Das Ergebnis:Die Bürger werden ebenso von aussen geleitet durch Staat, Beamte, Verwaltungsverfahren, Netze und Grossfirmen wie vor 140 Jahren. Und die Vermögen sind ebenso ungleich verteilt.

Für finanziellen Ausgleich, Lebenssicherung in allen Lagen, Bildung, Gesund heitsversorgung oder Datenschutz ist allein der Staat zuständig.

Die ungleichen Lebenslagen, sogar bezüglich Krankheiten oder der unterschiedlich langen Lebenserwartungen,werdendaher von vielen auf «die Gesellschaft»zurückgeführt.

Diese «fürsorgenden»Staaten sind nun überanstrengt, hochverschuldet, die Steuern und Abgaben wurden erdrückend, dieumsorgenden, umverteilenden 13

Doch fast alle diese Massnahmen regelten die Einkom men, kaum das Vermögen. Selbstsorge statt Fürsorge Als Ergebnis dieses «soziologischen Zeitalters», wie es der Soziologe Ralf Dahrendorf nannte,sehen viele heuteden Menschen nicht als selbstständig agierenden, von eigenen Interessen geleiteten Handelnden, sondern als anwaltschaftlich durch die Erkenntnisse der Soziologie, durch wohlmeinende Politik und gesellschaftliche Einrichtungen zu vertretenden Kleinbürger ein fremdgesteuertes Rädchen im Getriebe der Gesellschaft. Alle sind angestellt, alle müssen arbeitsrechtlich geschützt werden wie in den «Kathedralen der Arbeit»der 1970er-Jahre, der Automobilindustrie in Wolfsburg, in Turin, in Billancourt oder Detroit.

In unseren Köpfen muss eine Wende stattfinden. Besinnen wir uns zurück auf «gesellschaftliche» Mechanismen, die dieMenschen wieder selbstbestimmt und selbstverantwortlich machen, die ihnen die Lebenseinkommen und dieVermögen direkt zuführen,nicht über wohlmeinende Umverteiler mit ihren Katalogen vonAnträgen, Berechtigungen, Bedingungen. In diesem Buch sehen wir den Menschen als Täter, als Handelnden, nicht als Opfer. Wir sehen die neuenNetze als Chance, sich darin einzuklinken, ohneden umfassenden Staat als Rahmen.

Ebenso rückt das Buch die wild gewordenen Finanzkreisläufe in den Fokus und sucht Lösungen für eine Umverteilung der durch Aktienverschachtelungen, Fonds und Börsenkonstruktionen geballten Vermögen.

Aber es geht nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualitätinnerhalb der Vermögensanteile. Denn einerseits bilden sie produktives, gewinntragendes Realvermögen, andererseits sind sie eben blosse Nominalwerte wie Sparguthaben und Obligationen. Den «Konsumschutt» lassen wir besser beiseite:Eine Jacht, ein Auto sind kein Sachvermögen ausser das Auto für einen Taxifahrer und der Privatjet für einen Piloten, der damitAufträgeausführt. Die Qualität die Verfügungsrechte sind eben in den Statistiken nicht mitgemeint. Nominalwerte sind nur Guthaben mit festem Zins ohne Gewinn-und Verfügungsrechte. Diesen 14

Beamtenheere gross. «Umfassenden Schutz»zuversprechen war eine Anmassung und Übertölpelung der Bürger, weil man ihnen nicht im Vorausdie Rechnung präsentierte:die ebenso umfassende Unterwerfung unterVorschriften, Gesuche und Kontrollen,die Eingliederungindie Massengesellschaft abhängig Angestellter. Nach der Finanzkrise 2008, nochmehr nach den Tausendmilliarden-Paketen der Covid-Krise, schienen diese Umverteilungen aller Art an Vermögenlose wenig zu kosten die Geldschöpfung der Notenbanken deckte die Defizite.

Personelle und funktionelleVerteilung Die populärste Sicht auf die Verteilung der Vermögen ist die auf die Verteilung zwischen Personen. Stellt man sich die gesamte Bevölkerung bezüglichVermögen in einer Reihe aufgestellt vor, dann stehen am Anfangdas eine Prozent der Reichstenoder das Promille der Superreichenund am anderen Ende, ja oft schon von der Mitte an jene, die kaum etwas mehr als den Hausrat besitzen. Diese Aufreihung macht keinen Unterschied, ob die Vermögen bar auf Bankkonten liegen, aus Aktienoder Gewerbebetrieben bestehen, im Boden stecken oder in einer Kunstsammlung.

Es gilt meist der Steuerwert.

Abhilfe sahen viele im Umsturz der ganzen Eigentumsordnung, in Konfiska tionen. Will und kannman die bestehende Vermögensverteilung aber nicht konfiszieren,dann kann mansie für die Zukunft umsteuern. Die Mechanismen dieser Konzentration können umgenutzt werden, um die Vermögen besser zu streuen.

qualitativen Unterschieden trägt die Sicht der funktionellen Verteilung besser Rechnung.

Stellen wir uns die Bevölkerung gemässihren wirtschaftlichen Funktionen, ihren Stellungeninzwei Gruppen aufgeteilt vor:die Gruppe der Kapitaleigentümer und die der Unselbstständigen. Deneinen fliessen Gewinne aus Gewerbe, Dividenden aus Aktiengesellschaften und Einkünfte aus Zinsen und aus Mieten zu, den anderen die Löhne, für die sie in den Firmen der Kapitaleigentümer arbeiten.

Doch diebloss funktionelle Sicht täuscht. In Wirklichkeit kann eine Person in beidenvolkswirtschaftlichen Lagern sein als Kapitalbesitzer und als Arbeitnehmer. Ein Grossaktionär, der von seiner Firma angestellt ist, zählt in dieser Sicht als Arbeitnehmer, und ein Arbeitnehmer, der viel gespart und angelegt hat und seinerseits Kapitaleinkommen durch Mieten bezieht, steht mit den Aktionären auf der gleichen Seite der funktionellen Verteilung. Ein kümmerlich wirtschaftender Kleinladenbesitzer verdient oft weniger als ein Arbeitnehmer, steht also in der personellen Einkommensreihe hintan, obwohl er in der Gruppe der Gewerbetreibenden und damit statistisch bei den Kapitaleinkommen auf der funktionellen Seite der Einkommensströme steht. Die meistenWirtschaftsbürger 15

Damit zeigt sich, dass die Vermögensverteilung, wie sie heute besteht, die daraus folgenden Einkommenweitgehend bestimmt. Denn wer aus seinem eher grossen Einkommenineinem Jahr sparen kann, wer reales Vermögen in Firmen, Gewerbe,Aktien oder Liegenschaften bildet, der hat sich für das folgende Jahr in der Vermögensverteilung vorgearbeitet. Der erfolgreiche und sparsame Taxifahrer kauft einen zweiten Wagen, der Bauer eineschnellere Erntemaschine, der Industrielleeine Verpackungsanlage. Die Bezüger abstrakter Einkommen Aktionäre, Sparkontenbesitzer investieren weiter damit.Und alle beziehen darausin den folgenden Jahren wieder mehr Einkommen. Eherlinke Theoretiker haben, seit Karl Marx, darauseinen unerbittlichen Trend zur Konzentration von Reichtum und Einkommen gefolgert. Diese «These der Vergeblichkeit»inallem, womit man sich abstrampelt, um gesellschaftlichund finanziell voranzukommen, ist weitverbreitet.

Die Primärverteilung zeigt sich in den Löhnen,Gewinnen, Zinseinkommen, Dividenden, die im Jahresverlaufaus den Vermögensanteilen des Inlandsprodukts entstehen. Diese spontane Verteilung verändert der Staat, wenn er Einkommen besteuert, Abgaben und Gebühren erhebt und andererseits diese Mittel in Zuschüssen, Renten, Unterstützungen und Subventionen verteilt. Damit verändert sich die Einkommensverteilung der «erstenRunde», die Primärverteilung, zu einer «zweitenRunde», zur Sekundärverteilung. Doch diese neue Verteilung lenkt nur jährlich wiederkehrend die verfügbaren Einkommender Haushalte in andere Hände, sie verändert die Verteilung des Realvermögens nicht.

In jeder Gesellschaft können Wissenschaftler oder Künstler mehr Einfluss haben als Reiche oder Funktionäre.Solche Werte, Positionen, Ränge erklären ja auch, warum nicht alle Menschen nur nach maximalem Reichtum streben. Das Menschenbild des Homo oeconomicus irrt sich, wenn es sich den Menschen als nur auf seinen geldwerten Vorteil bedacht, mit einem Taschenrechner im Kopf vorstellt. Der Mensch ist viel allgemeinerselbstbezogen, sein Interesse erstreckt sich manchmal auf Reichtum, manchmal auf Einfluss oder gesellschaftlichen Rang, er strebt nach Ansehen durch Leistung, aber auch durch Altruismus und durch Wohltätigkeit.

habenein Bein auf beiden Seitender funktionellen Verteilung. Zwei scharf getrennte,unerbittlich gegeneinandergesetzte funktionelle Klassensind eine Illusion, sind Theorie. Kommunistische Parteien,die Derartiges behaupten, konnten bei Wahlen nur niedrigste einstellige Prozentanteile erreichen, weil dieWähler eine viel buntere Welt vorAugen hatten.

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Primär- undSekundärverteilung Will der Staat in die Einkommensverteilung eingreifen, dann führt er die spontane, dieprimäre Verteilung der laufenden Entgelte zu einer Sekundärverteilung.

Positionelle Güter Neben den rein wirtschaftlichen Vermögenswerten weist jede Gesellschaft aber auch «positionelle Güter» auf:Status, Machtpositionen, das Ansehen in Kultur und Wissenschaft. Auch darausleiten sichHierarchien ab, ergebensichVerfügungsrechte politischer Art. So wird eine kommunistische Gesellschaft mit voller Gleichverteilung oder mit Staatsbesitz aller Güter immer doch Funktionäre aufweisen, die Weisungsrechteausüben und damit positionelle Güter innehaben und sich damit über die anderen erheben.

Viele dieser positionellen Güter sind nicht vermehrbar. Es gibt nur einen obersten Chef im Unternehmen oder in einer Verwaltung, nur einen Politiker pro Sitz und nur einen Staatschef, nur einen Papst und nur einen Nobelpreis im Jahr. Vermehrbar und veränderbar aber ist das Vermögen wirtschaftlicher Art. Daher fordert dieses Buch:«Vermögen für alle!» Auf dem Weg dorthin gibt es einige Fragen zu klären und Hindernisse zu überwinden, die Ursachen von Vermögenskonzentrationund die Hürden, die einer gleichmässigeren Verteilungim Weg stehen, sollen hier herausgearbeitet werden.

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Der Superstaat knöpft sich Beat Kappeler dieses Problem vor. Weshalb ballen sich Vermögen? Wer sabotiert die bessere Verteilung? Und was ist dagegen zu tun?

Kann eine Gesellschaft bestehen, wenn jene, die hohe Vermögen haben, immer mehr Reichtum anhäufen können, und jene ohne Vermögen trotz grosser Anstrengungen kaum auf einen grünen Zweig kommen? Diese Entwicklung beunruhigt sowohl Verfechter der Markt- und Eigentumsgesellschaft als auch ihre Kritiker. Nach seinem Erfolgsbuch

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9 783907 396032

Das Buch untersucht die ökonomischen und gesellschaftlichen Ursachen für die Zweiteilung der Menschen in Besitzende und Nicht-Besitzende. Es analysiert, wie die nanziellen Abläufe – Geldmenge, Aktien, Kreditwesen und anderes – die Verteilung beein ussen. Kappeler seziert die «Finanzialisierung», also den zunehmenden Trend, ohne reale Güterproduktion nur mit Finanzinstrumenten Kapital zu akkumulieren. Ohne Scheu vor Tabubrüchen zeigt er, wie solche Instrumente gerade zur besseren Vermögensverteilung eingesetzt werden können oder auch, wie Unternehmen mit Formen der Mitarbeiterbeteiligung besser auf die Teilhabe aller hinwirken können. Anstelle einer einzigen, grossen Lösung klären sich so vielfältige Chancen der Vermögensstreuung, die eigentlich vor der Tür liegen. ISBN 978-3-907 396-03-2

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