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Drei Sonaten Op. 10
Sonate Nr. 5 in C-Moll, Op. 10, Nr. 1
Komponiert 1795-98, veröffentlicht 1798 Der Gräfin Anna Margarete von Browne gewidmet I. Allegro molto e con brio II. Adagio molto III. Prestissimo
Sonate Nr. 6 in F-Dur, Op. 10, Nr. 2
Komponiert 1795-98, veröffentlicht 1798 Der Gräfin Anna Margarete von Browne gewidmet I. Allegro II. Allegretto III. Presto
Sonate Nr. 7 in D-Dur, Op. 10, Nr. 3
Komponiert 1795-98, veröffentlicht 1798 Der Gräfin Anna Margarete von Browne gewidmet I. Presto II. Largo e mesto III. Menuetto: Allegro IV. Rondo: Allegro
Die Sonaten Op. 10 markieren einen bedeutenden Richtungswechsel im Klavierschaffen Beethovens. Während die Grande Sonata ihr Material nur allmählich enthüllte, ist der Beginn von Op. 10, Nr. 1 ungestüm, mit einer dramatisch aufsteigenden Geste, die uns direkt in den Satz hineintreibt. Dieser weist einen sicheren Sinn für formale Rhetorik auf, kontrastiert kantiges und lyrisches Material und bewahrt gleichzeitig eine starke thematische Einheit. Der zweite Satz vermittelt ein Gefühl der Atempause und führt zum klassischen Stil der ornamentalen Melodie zurück, aber die Intensität kehrt im letzten Satz mit einem stark komprimierten Prestissimo wieder. Der Satz rauscht vorbei und atmet erst gegen Ende mit der seltsamen neapolitanischen Des-Harmonie vor dem abschließenden C-Dur wieder auf. Die Auflösung erhebt sich aus einem Zustand der Erschöpfung, der eher durch das frenetische Tempo des Finales verursacht wird, als eine Art epischer Triumph von C-Dur über C-Moll zu sein.
Wie Op. 10, Nr. 1 beginnt auch die zweite Sonate mit einem ersten Satz voll komprimierter Dramatik. Die Musik ist abwechselnd spielerisch, lyrisch und dramatisch, aber immer mit einem starken Sinn für Form und Vorwärtsdrang. Die Verspieltheit ist am deutlichsten zu Beginn der Reprise zu erkennen, wenn D-Dur an die Stelle der Tonika F-Dur tritt, nur damit dieser falsche Schritt im weiteren Verlauf der Musik ‚korrigiert‘ werden kann. Der dramatischste Abschnitt ist die Durchführung, in der Beethoven das harmlose Kadenzmuster vom Ende der Exposition auf ein ausgedehntes Abenteuer mitnimmt. Ungewöhnlicherweise gibt es in Op. 10, Nr. 2 keinen langsamen Satz. Der Mittelsatz ist ein Menuett, das mit seinen einleitenden Oktaven im tiefen Register und dem Moll-Modus ein Gefühl von Melancholie erzeugt, während der akkordische Mittelteil im Kontrast zu einem sehr sanften DesDur steht. Wie in der vorherigen Sonate hat das Finale eine prägnante und lebhafte Sonatenform, die hier durch einen hektischen Kontrapunkt, der ständig im Begriff zu sein scheint, zu einer Fuge zu werden, zusätzlichen Auftrieb erhält.
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Die letzte Sonate, Op. 10, Nr. 3 kehrt in die viersätzige Form zurück. Das einleitende Presto wird, wie die ersten Sätze von Op. 2, Nr. 2 und Op. 2, Nr. 3, durch das Erweitern des Tonumfangs im Seitensatz ausgedehnt, ist aber vor allem durch die außergewöhnliche Entwicklung der ersten vier Töne des Werkes – eines absteigenden Skalenabschnitts – bemerkenswert, die während des gesamten Satzes in verschiedenen Gestalten erscheinen, einschließlich des sanft läutenden glockenartigen Abstiegs kurz vor dem Ende des Satzes. Der langsame Satz Largo e mesto ist eine der außergewöhnlichsten Einfälle aus Beethovens
Anfängen, eine Vorahnung der sehr persönlichen langsamen Sätze seiner späten Quartette. Das Einleitungsmaterial ist an sich einfach und dreht sich um die Tonika D. Aber es ist bewegend, besonders da es von ausdrucksstarken Dissonanzen überlagert und durch dramatische Gesten unterstrichen wird. Bei seiner Apotheose taucht das düstere Anfangsthema ins tiefe Register ein, bevor es sich mit Leidenschaft zu einer starken Kadenz erhebt, begleitet von schmückenden, synkopierten Arpeggios. Danach hört sich das Hauptmotiv des Themas fast schmerzhaft verletzlich an – eine nackte Melodie, gefolgt von einem Akkord, dann von Oktaven, einem ergreifenden Halbton und einem abschließenden D im Bass.
Der dritte Satz stellt den Dur-Modus wieder her und erreicht eine klassische Eleganz, die selbst der rustikalere Stil des Trio-Abschnitts nicht stören kann. Das Finale ist ein brillanter und verblüffender Satz. Es ist zweifellos ein Rondo, aber so anders als bei Op. 2 und Op. 7; es scheint eine gänzlich andere Art von Satzaufbau zu sein. Die früheren Rondos hatten breite Einleitungsthemen, die anmutig oder, im Fall von Op. 2, Nr. 3, wie ein lebhafter Tanz waren. Im Gegensatz dazu ist das Hauptthema dieses Rondos kaum als ein Thema zu bezeichnen, es besteht nur aus drei Noten, metrisch und harmonisch mehrdeutig und von erwartungsvollen Pausen durchsetzt. Dieses Gefühl der Instabilität bleibt während des gesamten Satzes erhalten; Kadenzen werden vermieden, und sogar die zentrale Episode endet, gerade als sie in Fahrt zu kommen scheint. Die Instabilität dieses Rondo-Themas erlaubt es Beethoven, mit ihrer Individualität und Tonalität zu spielen, und erst am Ende, wenn das Motiv zu einem Bass wird, beruhigt sie sich, und die harmonische und metrische Mehrdeutigkeit wird bis zu einem gewissen Grad gebändigt. Dieser Satz ist ein perfektes Beispiel für Beethovens Fähigkeit, sich der Herausforderung der formalen Konventionen der unmittelbaren Vergangenheit zu stellen und sie in etwas völlig Neues und Unverwechselbares zu verwandeln.
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