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Die ‚Appassionata‘
Sonate Nr. 23 in F-Moll, Op. 57, ‚Appassionata‘
Komponiert 1804-05, veröffentlicht 1807 Graf Franz von Brunsvik gewidmet I. Allegro assai II. Andante con moto III. Allegro ma non troppo – Presto
Hier haben wir eine Sonate, die, anders als die Sonate Op. 54, nie aus dem Rampenlicht geriet. Der Titel Appassionata wurde wieder einmal von einem Verleger hinzugefügt, ist aber von jeher ein Teil der Identität dieses Werkes geblieben. Wie bei der Waldsteinsonate macht Beethovens Verknüpfung des langsamen Satzes mit dem Finale deutlich, dass er die Sätze zunehmend nicht episodisch, sondern als Teil eines zusammenhängenden strukturellen Ganzen betrachtet. Der in Rumänien geborene Komponist und Theoretiker Philip Herschkowitz hat sogar die Möglichkeit vorgeschlagen, sie als eine Sonate zu betrachten, die im Wesentlichen aus einem einzigen Satz besteht. Es erfordert wohl ein wenig Kreativität, diesen Gedanken gänzlich zu übernehmen, aber es ist eine zum Nachdenken anregende Idee, weil sie unterstreicht, wie einheitlich und zusammenhängend Beethovens Herangehensweise an die Sätze ist und wie mit dieser Sonate – und anderen aus dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts – das Wesen der Klaviersonate neu erfunden wurde.
Die einleitenden Oktaven sind einfach und seltsam; dies ist Musik, die an der Grenze zu stehen scheint, unbeständig und doch voll fruchtbarer Möglichkeiten. Diese Unruhe taucht später im Satz wieder auf, wenn As-Dur gegen Ende der Exposition in ein unerwartetes As-Moll abgleitet. Interessanterweise lässt Beethoven darauf nicht eine Wiederholung der Exposition folgen (dies ist das erste seiner Sonaten-Allegros zu Beginn, das keine Expositionswiederholung hat), sondern eine Umwandlung von As-Moll in E-Dur, eine von der Tonika ziemlich entfernte Tonart. Selbst der Moment der Reprise ist nicht ganz sicher, da Beethoven die Rückkehr zur Tonika provisorisch macht. Wie in der Waldsteinsonate wird die Coda erweitert und wiederholt die wichtigen Themen des Satzes. Und bei all den raffinierten Kunstgriffen, Motive
und Harmonie auf außergewöhnliche Weise zum Aufbau einer großen Struktur zu nutzen, ist das Bemerkenswerteste an diesem Satz der Eindruck eines fast unaufhaltsamen Fortschreitens von diesem ersten suggestiven Moment an bis hin zum Ende der verlängerten Coda. Der zweite Satz ist im Gegensatz dazu relativ statisch und abschnittsweise aufgebaut. Auf ein einfaches Thema folgen drei Variationen, nach denen eine Rückkehr zum Thema dann in das Finale mündet. Die relative Einfachheit dieses Satzes ist etwas überraschend, aber sie spielt eine wichtige strukturelle Rolle im Kontext einer zusammenhängenden und im Wesentlichen variablen dreisätzigen Struktur. Das Finale kehrt zu einer komplexeren musikalischen Form zurück, die wiederum auf der Wiederholung und Durchführung einiger kleiner Ideen zu beruhen scheint. Wie der zweite Satz von Op. 54 wird auch dieser in einem nahezu konstanten Strom von Sechzehntelnoten vorgetragen. Der Pianist und Musikwissenschaftler Charles Rosen hat den Satz als Sonatenform beschrieben, allerdings im Stil eines Rondos. Wenn wir dieser Beschreibung Herschkowitz’ Idee hinzufügen, dass es sich um den letzten Teil einer einsätzigen Variationsstruktur handelt, können wir sowohl die Einheit als auch die Multidimensionalität des Werkes spüren. Und all dies wird in einem Kontext erreicht, der gestenreich und dramatisch ist und zu einem dynamischen Abschluss führt.