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Drei Sonaten, Op. 31
Sonate Nr. 16 in G-Dur, Op. 31, Nr. 1
Komponiert 1802, 1803-1804 veröffentlicht I. Allegro vivace II. Adagio grazioso III. Rondo: Allegretto – Presto
Sonate Nr. 17 in D-Moll, Op. 31, Nr. 2, ‚Sturm‘
Komponiert 1802, 1803-1804 veröffentlicht I. Largo – Allegro II. Adagio III. Allegretto
Sonate Nr. 18 in Es-Dur, op. 31, Nr. 3 ‚Die Jagd‘
Komponiert 1802, 1803-1804 veröffentlicht I. Allegro II. Scherzo: Allegretto vivace III. Menuetto: Moderato e grazioso IV. Presto con fuoco
Die Sonaten Op. 31 sind Paradebeispiele dafür, wie Beethoven in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts mit seiner musikalischen Sprache experimentierte. Die zweite Sonate der Reihe bietet den radikalsten Ansatz und ist die einzige in Moll. Der Name ‚Sturm‘ wurde dem Werk nach einer Bemerkung beigefügt, die Beethoven gemacht haben soll, um das Stück mit Shakespeare in Zusammenhang bringen zu können. Die Bedeutung von Shakespeare für das Werk ist oft bestritten worden, aber es besteht kein Zweifel an der stürmischen Natur des ersten Satzes. Er ist außergewöhnlich mit seinen anfänglich langsamen Arpeggien eines A-Dur-Akkords und dem anschließenden dramatischen Wechsel von langsamen und schnellen Abschnitten. Es handelt sich um Musik, die sowohl als Einleitung als auch als Hauptthema fungiert, formale Konventionen herausfordert und einen intensiven Dialog der Emotionen herstellt. Beethoven geht in der Reprise noch weiter, wenn er der Musik eine zusätzliche Dimension hinzufügt, ein gedämpftes und distanziertes Rezitativ. Diese Beobachtung bestätigt, was wir vielleicht die ganze Zeit über vermutet hatten – dass es sich um ein instrumentales Schauspiel, eine Oper für Soloklavier handelt.
Die ersten Sätze der beiden anderen Sonaten dieser Reihe sind nicht so offensichtlich experimentell wie die des Sturms, aber beide erkunden die Beziehung zwischen Form und Material. Op. 31, Nr. 1 verwendet Material von äußerster Einfachheit – eine abwärts fallende, verzierte Tonleiter und die Wiederholung des Tonika-Akkords, wobei der Komponist sich den Scherz gestattet, die rechte Hand etwas verfrüht zum Einsatz zu bringen und dadurch die Synchronizität beider Hände über den Haufen zu werfen. Der spielerische Humor zieht sich durch den ganzen Satz und enthält einige überraschende harmonische Wendungen, wie z.B. die muntere Tanzmelodie des Seitenthemas, die in der unerwarteten Tonart H-Dur erscheint. Die Einleitung von Op. 31, Nr. 3 ist in ihrer Art ebenso außergewöhnlich wie die des Sturms, wobei die harmonische Abfolge so gestreckt wird, dass sich die Vorbereitung auf die Tonika verlängert und die Auflösung spät und fast oberflächlich erfolgt. Dies schafft eine reiche, lyrische Zweideutigkeit mit einem Hauch von Humor und stellt wichtige Fragen darüber, wie Musik zu beginnen und zu enden hat. Es ist ein Spiel, das den ganzen Satz über beibehalten wird; selbst die Schlusskadenzen sind noch etwas rätselhaft.
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Auch die mittleren Sätze zeigen interessante unterschiedliche Ansätze. Das Adagio grazioso von Op. 31, Nr. 1 ist eine breitangelegte Instrumentalarie, mit reicher Ornamentik, die auf faszinierende
Weise zwischen einem volkstümlichen und einem gehobeneren Musikstil angesiedelt ist. Das Adagio von Op. 31, Nr. 2 könnte auch im Sinne einer Instrumentalarie gesehen werden, aber es ist doch eher introspektiv. Die anfängliche Melodie ist in kleine Abschnitte auf verschiedene Register des Klaviers unterteilt, und erst im zweiten Hauptthema des Satzes wird ein konventionelleres Gespür für Melodie und Begleitung erreicht. Op. 31, Nr. 3 hat keinen langsamen Satz, sondern ein kontrastierendes Paar von Mittelsätzen: zuerst ein Scherzo in Sonatenform und dann ein Menuett. Das Scherzo macht oft Gebrauch von einem staccatoartigen Einsatz der linken Hand, der manchmal humorvoll wirkt und eine puckische, elfenhafte Welt heraufbeschwört. Das folgende Menuett ist würdevoll, fast hymnisch, und steht nicht nur im Kontrast zum vorhergehenden Scherzo, sondern auch zu dem verspielteren Menuettstil, mit dem der erste Satz des Werkes begann.
Das Finale von Op. 31, Nr. 1 ist ein Rondo; die der beiden anderen Werke sind Sonatenformen. Alle beziehen sich in irgendeiner Weise auf ihre Kopfsätze. Der Rondo-Refrain von Op. 31, Nr. 1 ist eine einfache Gavotte-ähnliche Melodie, die über einem Pedalton auf der Dominante präsentiert wird. Der Satz verläuft ungestört bis zum SchlussRefrain, der vor einem abschließenden Presto in abwechselnd schnelle und langsame Abschnitte aufgebrochen wird. Der komische Effekt des Schlusses ist eindeutig ein Verweis auf den Stil des ersten Satzes des Werkes. Das Finale von Op. 31, Nr. 2 ist ein kontinuierliches Moto Perpetuo aus Sechzehntelnoten, das sich in einem ständigen Schleifenprozess bewegt, der manchmal in leidenschaftlichere Ausbrüche zerfällt, die an den Sturm des ersten Satzes erinnern. Die Kreisbewegung des Themas flektiert die Form, während die Hauptmerkmale des Satzes immer wieder zurückkehren und in einem ruhigen Abschluss gipfeln. Die Eleganz dieses Satzes kontrastiert mit dem Fuoco-Stil des Finales von Op. 31, Nr. 3. Es handelt sich um eine Musik, die mit einer wilden Grimmigkeit galoppiert, häufig außer Kontrolle zu geraten droht, letztlich aber alle Zweideutigkeiten des ersten Satzes in einen kraftvollen klanglichen Abschluss bannt, eine Strategie, die inzwischen als für Beethoven typisch gilt.
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