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Wei Chen
Aus welcher Welt kommst du gerade? Das Ballett beansprucht den grössten Teil meiner Zeit. Den anderen Teil verbringe ich in einer völlig anderen Welt, die ich mit den Augen meiner kleinen Tochter zu sehen versuche. Meine Frau Mélissa tanzt ebenfalls am Opernhaus. Gemeinsam jonglieren wir ständig mit den Bedürfnissen dieser zwei Welten, die beide absoluten Einsatz und Konzentration erfordern.
Was macht das Ballett Zürich für dich so besonders?
Trotz der vielen unterschiedlichen Charaktere innerhalb unseres Ensembles finden wir uns immer wieder in dem gemeinsamen Bemühen, das Beste aus unserer Kunst herauszuholen. Das schweisst uns zusammen, und nur so ist es möglich, das sehr weit gespannte Repertoire des Balletts Zürich in höchster Qualität zu präsentieren.
Worauf freust du dich in Cathy Marstons Ballett The Cellist?
Zum ersten Mal werde ich ein Instrument verkörpern! Das ist eine sehr vielfältige Aufgabe. Zum einen steht dieser Cello-Tänzer wirklich für das Instrument, aber er steht auch für ein Talent, das darauf wartet, entdeckt zu werden. Er verkörpert die Liebe zur Musik, wird zum Zufluchtsort in schwierigen Situationen und symbolisiert die Erinnerung an die grosse Cellistin Jacqueline du Pré.
Welches Bildungserlebnis hat dich besonders geprägt?
Nach Abschluss meiner Tanzausbildung war es nicht einfach, ein Engagement zu finden. Beim Juniorballett des Houston Ballet entdeckte ich dann, wie bewegend Kunst sein kann. Dort habe ich gelernt, dass Talent sich für wahre Kunst immer mit Leidenschaft verbinden muss.
Welches Buch würdest du niemals aus der Hand geben?
Ein Buch, das ich von meiner Schwester bekommen habe: Tuesdays with Morrie von Mitch Albom. Es sind die Memoiren eines erfolgreichen Sportjournalisten, der seinen ehemaligen Soziologieprofessor wiedertrifft, als bei ihm ALS diagnostiziert wird. Morrie hält seinem einstigen Studenten eine letzte Vorlesung über das Leben. Es ist ein hoffnungsvoll stimmendes Buch mit einer grossartigen Perspektive.
Welche Musik kannst du immer wieder hören?
Ein Album, das ich immer wieder höre, ist Hush von dem einzigartigen Vokalkünstler Bobby McFerrin und dem Cellisten Yo-Yo Ma. Obwohl beide einen ganz unterschiedlichen Background haben, gelingt ihnen gemeinsam eine geistreiche und humorvolle Sicht auf die klassische Musik.
Mit welchem Künstler würdest du gern essen gehen?
Im Grunde mit jedem Künstler, der eine leidenschaftliche Botschaft zu vermitteln hat.
Wie wird die Welt in 100 Jahren aussehen?
Ich würde mir wünschen, dass die Welt bis dahin einige ihrer brennendsten aktuellen Probleme überwunden haben wird. Dass Menschen mit anderen Ansichten nicht vorverurteilt werden, sondern empathische Gespräche führen können und sich endlich besser verstehen. Wir werden die Dinge niemals alle auf die gleiche Weise sehen, aber vielleicht gelingt es uns irgendwann, eine andere als die eigene Meinung gelten zu lassen.
Wei Chen stammt aus den USA. Nach einem Engagement beim Royal Ballet of Flanders ist er seit 2013 Mitglied des Balletts Zürich und war hier in verschiedensten Rollen zu sehen. In Cathy Marstons Ballett «The Cellist» wird er das Cello von Jacqueline du Pré verkörpern.