MAG 27
Yen Han tanzt Giselle
Sol Gabetta Cello Montag, 25. Mai 2015 19.30 Uhr, Tonhalle Zürich
© Marco Borggreve
Barocke Meisterwerke und Raritäten Vivaldi: Ouvertüre «La verità in cimento», Doppelkonzerte für Violine, Cello und Orchester RV 532 und 547 Chelleri: Cellokonzert G-Dur WD 531 Dall’ Abaco: Concerto a più strumenti D-Dur op. 5 Nr. 6 C.P.E Bach: Sinfonie G-Dur Wq. 182 J. S. Bach: Brandenburgisches Konzert Nr. 3 G-Dur BWV 1048 Platti: Cellokonzert c-Moll WD 669
Vorverkauf Tonhalle Zürich, 044 206 34 34, www.tonhalle.ch Jecklin, Musik Hug, Jelmoli, SBB-Eventschalter, BIZZ
Medienpartner:
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Editorial 1
Alles schwebt Verehrtes Publikum, seien Sie sehr vorsichtig, wenn sich am 28. März der Vorhang zu unserer nächsten Ballettpremiere hebt, und berühren Sie bitte nicht die Figuren auf der Bühne. Sie sind nämlich alle sehr fein gearbeitet und sehr, sehr zerbrechlich. Die Materie, aus der sie bestehen, setzt sich zusammen aus Anmut, Grazie, Luft und Emotionen. Sonst nichts. Wir haben sie in der Dramaturgie auf eine grosse Waage gestellt – der Zeiger schlug nicht einen Millimeter aus. Die Figuren wiegen nichts. Sie schweben. Wir haben auch mit dem Fingerknöchel sachte gegen die Körperoberfläche geklopft – es tönte nach hauch dünnem Porzellan. Aber glauben Sie bloss nicht, diese Fi guren seien künstlich! Es sind Tänzerinnen und Tänzer des Balletts Zürich. Sie leben und fühlen und erzählen die Ge schichte von Giselle, dem Inbegriff des romantischen Balletts. Um ein solches klassisches Ballett auf die Bühne zu bringen, braucht man das hohe Wissen um die tausend Nuancen einer grossen Tanztradition. Man braucht Tänzer, die im klassischen Stil ausgebildet sind und alle Positionen und Figuren exactement beherrschen, und man braucht eine ausreichend grosse Compagnie, um die grossformatigen Szenen des klassischen Balletts besetzen zu können. In der Schweiz gibt es nur noch eine einzige Compagnie, die all diese Voraussetzungen mitbringt – das Ballett Zürich. Des halb ist es für unseren Ballettdirektor Christian Spuck Ver gnügen und Pflicht zugleich, die Werke des klassischen Balletts im Zürcher Repertoire zu pflegen und durch Neu produktionen lebendig zu halten.
Nur ganz wenige Choreografen sind in der Lage, den Zau ber des klassischen Balletts in seiner ganzen Feinstofflichkeit zu erfassen. Der Franzose Patrice Bart, der Choreograf un serer neuen Giselle, gehört zu ihnen. Er ist selbst schon eine Tanzlegende. Kein Geringerer als Rudolf Nurejew war sein Lehrmeister. Ein halbes Jahrhundert lang hat er zunächst als Tänzer, dann als Ballettmeister und Choreograf am traditions reichen Ballett der Opéra de Paris gewirkt. So wurde er zu einem wertvollen Hüter der innersten Geheimnisse des klas sischen Balletts. Und die sind in keinem Buch niedergeschrie ben und auf keiner DVD dokumentiert. Sie werden mündlich von Künstler zu Künstler weiter gegeben, und Patrice Bart hat im Laufe seines langen Ballettlebens so viel Wissen um «Essenz und Aroma» des klassischen Tanzes auf sich vereint, dass man ihn eigentlich zum Weltkulturerbe erklären müsste. Vorher choreografiert er aber erst einmal unsere Giselle, die aus dem Geist der Uraufführungschoreografie des 19. Jahr hunderts schöpft. Sein ästhetischer Ansatz schlägt eine sti listische Brücke zurück in die Vergangenheit, ist aber trotz dem keine Museumarbeit. Man könnte sagen, Bart choreo grafiert (um einen Begriff aus der Welt der Alten Musik zu verwenden) «historisch informiert», freilich mit Tänzern und dem ästhetischen Empfinden von heute. Sie sehen, verehrtes Publikum, unsere Giselle-Neupro duktion verspricht ein Ballettereignis von ausserordentlichem Rang zu werden. Lassen Sie es sich nicht entgehen. Claus Spahn
MAG 27/ März 2O15 Unser Titel zeigt Yen Han. Über ihre Interpretation der Giselle gibt sie auf Seite 22 Auskunft (Foto Florian Kalotay)
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Inhalt 3
Romantik pur. Solisten des Balletts Zürich präsentieren Szenen aus Giselle von Patrice Bart
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Yen Han – Vom Glück, Giselle zu sein.
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Das Ich – ganz ausser sich. Dorion Weickmann über die Verbindung von Tanz, Tod und Ekstase. Ein Essay
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6 Oper aktuell 7 Drei Fragen an Andreas Homoki 9 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 30 Die geniale Stelle
Porträt 32 Fragebogen 34 Kalendarium und Serviceteil 35 Sibylle Berg 40
DIE VASE!!!
Eine Ming-Vase ist das kostbarste Erbstück im Hause Chen. Plötzlich geht sie zu Bruch. Wer war das? Wie man auf den Fotos aus unserer Oper «Rote Laterne» sieht, hatten die Ahnen, die als untote Geister durch das Haus spuken, ihre Finger im Spiel. Eine zerbrechende Vase kann dem Technischen Direktor viel Kopfzerbrechen bereiten. Warum, lesen Sie auf Seite 9.
Fotos Monica Rittershaus
Oper aktuell 6
Unser neues Saisonbuch erscheint! Die aktuelle Spielzeit ist noch lange nicht zu Ende, da wartet schon das Saisonbuch für eine neue Spielzeit auf unsere Besucher: Am 24. März veröffentlichen wir das Programm für die Saison 2015/16. Wir stellen es der Presse, unseren Freunden, Spon soren und Aktionären vor, und am gleichen Tag finden es auch alle regis trierten Opernbesucher in ihrem Brief kasten. Im Opernhaus wird es eben falls überall erhältlich sein. Lassen Sie sich überraschen von unserem reichen künstlerischen Angebot für 2015/16!
Liederabend Julia Kleiter
Liebe besingen und bejubeln dann ausgewählte Werke von Gustav Mahler, darunter das schwerelose Lied Liebst du um Schönheit, das vitale Frühlingsmorgen oder das gutgelaunte Rheinlegendchen. Den Abschluss machen bekannte Schubert-Lieder wie Gretchen am Spinnrade, Ganymed oder Frühlingsglaube. Für das letzte Werk an diesem Abend, Der Hirt auf dem Felsen, stösst Robert Pickup dazu, Solo-Klarinettist der Philhar monia Zürich.
Berichtigung In der letzten Ausgabe des MAG ist uns in der Übersichtstabelle «Anna Netrebko – Stationen einer Karriere» ein Fehler unterlaufen. Der Auftritt als Violetta Valéry war nicht der einzige von Anna Netrebko am Zürcher Opernhaus: Die Sopranistin hat auch in drei Don-Giovanni-Vorstellungen mitgewirkt.
Mittwoch, 15. April 2015, 19.00 Uhr,
Als Donna Anna war sie am 6., 9., und 11.
Opernhaus
November 2011 zu hören.
Foto: Daniel Kleiter
Seit Jahren bezaubert Julia Kleiter das Zürcher Publikum mit ihrer kristall klaren Sopranstimme, sei es als Pamina, Zdenka, Sophie, Donna Elvira oder zuletzt als Contessa in Mozarts Le nozze di Figaro. Als nächstes gastiert die sympathische Deutsche mit einem Liederabend am Zürcher Opernhaus. Gemeinsam mit ihrem langjährigen Pianisten Michael Gees, der bereits ihr Partner bei mehreren Lied-CDs war (etwa bei Hugo Wolfs Italienischem Liederbuch mit Julia Kleiters Onkel Christoph Prégardien), ist sie am 15. April mit Wer ken von Johannes Brahms, Gustav Mahler und Franz Schubert zu hören. Den Auftakt machen ausge wählte Lieder, die Brahms als Volks liedbearbeiter zeigen: Seine Deutschen Volkslieder hat der Komponist nach eigenen Angaben mit «soviel Liebe und Verliebtheit geschrieben, wie noch nie etwas». Den Frühling und die
Drei Fragen an Andreas Homoki 7
Mit Giselle ist die nächste Premiere am Opernhaus Zürich dem Ballett gewidmet. Wie läuft das Ballett im dritten Jahr der Ära Spuck? Wir sind mit dem Erfolg des Balletts Zürich mehr als zufrieden, nicht nur in künstlerischer Hinsicht, sondern auch an der Kasse! Das ist heutzutage durchaus nicht selbstverständlich. Die meisten innovativen Choreografen sind auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und arbeiten daher häufig an kürzeren Formen, während das Publikum eher grosse Handlungsballette bevorzugt. Unser Ballettdirektor Christian Spuck hat keine Scheu vor grossen Formen und kreiert regelmässig abendfüllende Werke. Mit Romeo und Julia, Leonce und Lena oder Anna Karenina hat er nicht nur das klassische Ballett-Publikum im Sturm erobert, denn viele Zuschauer möchten auch im Ballett spannende Geschichten erleben. Ich bin über zeugt, dass diese grosse Akzeptanz der Grund ist, warum auch unsere mehrteiligen, abstrakten Abende auf eine grosse Neugier beim Publikum treffen, wie wir es jetzt bei Strings erleben. Dazu ist Christian Spuck nicht nur als Direktor, sondern auch als Choreograf ein ästhetischer Spagat gelungen. Und er zeigt uns mit Giselle, dass das klassische Ballett auch heute noch eine künstlerische Aktualität hat. Welchen Stellenwert hat für Sie die Sparte Ballett im Opernhaus? Für mich sind Ballett und Oper zwei Seiten der gleichen Medaille des Musiktheaters, weshalb beide Sparten völlig gleichberechtigt nebeneinander stehen müssen. In der Vergangenheit war das oft anders, weil die Compagnien zwar immer wieder eigene Produktionen erarbeitet haben, aber gleichzeitig stark durch Balletteinlagen in Oper und Operette Anspruch genommen wurden. Sie standen
dadurch allzu oft im Schatten der Oper. Balletteinlagen in Opern begegnet man aber mittlerweile eher selten. Vor allem in den 1960er und ’70er Jahren haben sich viele Ballettcompagnien dank guter Choreografen und Ballettdirektoren allmählich emanzipiert und konnten sich stärker darauf konzentrieren, ihre Kunstform weiterzu entwickeln. Leider wird das Ballett in vielen Theatern gegen über der Oper noch immer benachteiligt, beispielsweise durch knappere Probenzeiten auf der Bühne. In Zeiten, als Dekorationen für das Ballett aus nur wenigen Prospekten und Stoffhängern bestanden, mag das seine Berechtigung gehabt haben. Heute sind jedoch auch im Ballett die Ansprüche an Dekorationen und Aufbauten gestiegen, wes halb ich grossen Wert darauf lege, dem Ballett vergleich bare Probebedingungen zu bieten wie der Oper. Ende Januar trat das Ballett Zürich in Tel Aviv, Bilbao und Oviedo auf. Warum sind Gastspiele wichtig für eine Compagnie? Es ist sehr erfreulich, dass das Ballett Zürich unter der erfolgreichen Leitung von Christian Spuck in der Ballett szene so gut angekommen ist, dass die Gastspielreisen zunehmen, wie erst kürzlich so erfolgreich nach Tel Aviv und Spanien! Gastspiele sind wichtig als Visitenkarte für ein Haus und fördern die Dynamik und den guten Zusammenhalt einer Compagnie. Ballettvorstellungen sind aufgrund der manchmal einfacheren Dekorationen leichter zu transportieren als Opernproduktionen. Auch ist der Personalaufwand häufig geringer, da viele Produk tionen mit Musik vom Tonband oder mit kleineren musikalischen Besetzungen auskommen. Weil das zum Beispiel für Festivals bezahlbarer ist, kann das Ballett häufiger gastieren als ein Opernensemble mit Chor und Orchester.
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Claude Monet, Chrysanthemenbeet, 1897 (Detail), Privatsammlung / Utagawa Hiroshige, Die See vor Satta in der Provinz Suruga, 1858 (Detail), Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst, © bpk
LUCERNE FESTIVAL ZU OSTERN 21. – 29. März 2015
Teodor Currentzis – Magier am Dirigentenpult Mittwoch, 25. März | 19.30 Uhr | KKL Luzern Musica Aeterna | Teodor Currentzis Dirigent | Nadine Koutcher Sopran Johann Sebastian Bach Brandenburgisches Konzert Nr. 3 G-Dur BWV 1048 Kantate Ich bin vergnügt mit meinem Glücke BWV 84 Jean-Philippe Rameau Ausgewählte Instrumentalwerke und Auszüge aus Opern und Ballettmusiken Karten und Informationen zum vollständigen Programm: +41 (0)41 226 44 80 | www.lucernefestival.ch
Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 9
Illustration: Laura Jurt
Die verirrte Scherbe Mitten in der Orchesterhauptprobe unserer Oper Rote Laterne, drei Tage vor der Premiere: Langsam fahren die Wände des Bühnenbildes auf, und ich blicke auf den roten Tisch, auf dem dieses wertvolle Familienerbstück, eine grosse MingVase, steht. Stand, müsste ich nun sagen, denn schon fällt sie vom Tisch und zerbricht in tausend Scherben. Sekunden später wird die bis dahin sehr geordnet laufende Probe plötzlich vom Dirigenten unterbrochen. Sämtliche Hälse der an der Probe beteiligten Mitarbeitenden recken sich und versuchen in den Graben zu schauen. Von dort hört man einen wütenden französischen Ausdruck, den ich hier nicht wiedergeben möchte, gefolgt von der lautstarken Ansage, dass nichts in den Orchestergraben fallen dürfe! Der Stein des Anstosses war eine kleine weisse Scherbe, die beim Vasensturz von der Bühne in den Graben bis zu den zweiten Geige geflogen war. Ich stimme mit dem Dirigenten vollkommen überein: So etwas darf nicht geschehen. Bei der Probe ein paar Tage zuvor, bei der wir bereits eine identische Vase vom Tisch stossen liessen (der Fall der Vase ist inszeniert und ein wichtiger Moment im Stück), rutschten die Scherben maximal bis zum Souffleurkasten. Eine 10 Zentimeter hohe Blende an der Bühnenkante hätte weitergleitende Teile gestoppt. Wie konnte es passieren, dass trotzdem eine Vasenstück weit in den Graben flog? Nachforschungen ergaben, dass die Vase von den Darstellern auf der Bühne viel zu stark vom Tisch geschubst
worden war. Der obere Teil der Vase erfuhr beim Fallen und Auftreffen auf den Boden eine massive Beschleunigung Rich tung Orchestergraben, wodurch sich die Scherbe beim Auf prall mit solcher Wucht aus der Vase löste, dass sie im hohen Bogen 14 Meter weit (!) bis zur zweiten Geige geflogen ist. Durch eine Veränderung der «Schubs»-Technik (die Vase fällt nun eher senkrecht vom Tisch) erreichten wir bei der Generalprobe und auch bei den nächsten Vorstellungen, dass die Scherben nicht mehr auch nur in die Nähe des Orchester grabens flogen. Die Vase ist natürlich eine echte Vase: Sie besteht aus drei Giesskeramikteilen, die von den Theaterplastikern in extra dafür hergestellten Gussformen gegossen und nach dem Aushärten nahtlos zusammengeklebt wurden. Nach einem sorgfältigen Feinschliff wurde die Vase von den Theatermalern mit den klassischen blauen Motiven von Ming-Vasen bemalt und hochglänzend lackiert. Das schreibt sich schnell, ist aber ein sehr aufwändiger Vorgang, der mit äusserster Sorgfalt durchgeführt werden muss. Und das für 16 identi sche Vasen für Vorstellungen und Proben! Somit wird tatsächlich bei jeder Vorstellung eine durchaus wertvolle Vase zerstört, wie es der Komponist im Libretto verlangt. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich
Blindtext 11
Giselle Am 28. März hat das romantische Ballett «Giselle» am Opernhaus Zürich Premiere. Patrice Barts Choreografie spürt dem Zauber der Uraufführungszeit nach. Für unsere Fotostrecke haben wir Solisten der Produktion gebeten, ausgewählte «Giselle»-Szenen in unserer Montagehalle zu präsentieren. Fotos Stefan Deuber
links: Herzog Albrecht (Denis Vieira) trauert um Giselle. rechts: Nach ihrem Tod ist Giselle (Yen Han) zu einem Geist, einer Wili, geworden.
rechts: Myrtha (Viktorina Kapitonova) ist die Königin der Wilis und rächt die verlassenen Bräute. links: Noch einmal tanzt Giselle als Wili mit Albrecht. Ihre unsterbliche Liebe verleiht ihm die Kraft, den Tanz bis zur rettenden Morgendämmerung durchzuhalten.
oben: Albrecht legt Blumen an Giselles Grab nieder. rechts: Myrtha kennt keine Gnade.
Nurejew war mein Lehrmeister Die französische Ballettlegende Patrice Bart über die Kunst, ein romantisches Ballett zum Leben zu erwecken Patrice Bart, fast 175 Jahre sind seit der Uraufführung von Giselle vergangen. Was zieht uns bis heute in den Bann dieses Balletts? Giselle ist das unerreichte Meisterwerk des romantischen Balletts. Das Libretto aus dem romantischen Geist Théophile Gautiers, die Vorlage von Heinrich Heine und die Musik von Adolphe Adam sind eine glückliche Verbindung mit der Choreografie von Coralli und Perrot eingegangen. Es ist ein sehr komplexes Werk. Mit Giselle haben die beiden Uraufführungschoreografen eine der anspruchsvollsten Rollen für eine Primaballerina geschaffen, die von den grössten Tänzerinnen der Ballettgeschichte interpretiert wurde. Von Generation wurde der Giselle-«Code» von Ballerina zu Ballerina, aber auch von Ballettmeister zu Ballettmeister weitergegeben. Und jeder wollte daran Anteil haben. Giselle gilt als Inkarnation des romantischen Balletts, aber was heisst das genau? Mit der Romantik, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, beginnt die geistige Gegenbewegung zum Rationalismus der Aufklärung. Man versucht die Kräfte des Gefühls, der Fantasie, des Unbewussten zu wecken und die dem Bewusstsein nicht zugänglichen Bereiche zu erfassen. Bevorzugte Themen sind die Rätsel und Abgründe der menschlichen Seele, das Unergründlich-Geheimnisvolle der Natur und der Ausbruch aus der Begrenzung der bürgerlichen Gesellschaft, und genau diese Themen stehen im Zentrum des romantischen Balletts. Die Ballerina wird zur zentralen Figur des Bühnengeschehens. Ihr Tanz, vor allem auf Spitze, vermittelt einen schwebenden
Eindruck. Oft sind es geheimnisvoll-bedrohliche Schauplätze wie Waldlichtungen oder Ruinen bei Mondlicht, an denen die Handlung spielt. Hauptfiguren des romantischen Balletts sind Elementarwesen wie Luft-, Wasser- oder Erdgeister, die auf den Mann eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausüben. Eine besondere Faszination bezieht Giselle natürlich auch aus der Tatsache, dass der Tanz hier selbst zum Thema gemacht wird. Giselle ist Tänzerin in der Handlung. Nicht nur Giselle, sondern auch ihre Winzerfreundinnen im ersten Akt sind von dieser Leidenschaft für den Tanz erfüllt. Nachdem Giselle an der Verzweiflung über ihre unerfüllte Liebe gestorben ist, wird sie zur Wili, einer jener Geistererscheinungen verlassener Bräute, die ihre untreuen Liebhaber zu Tode tanzen. Das ganze Ballett ist eine Apotheose des Tanzes. Ihre Karriere ist über 50 Jahre hinweg mit der Pariser Opéra verbunden, wo Sie ein halbes Jahrhundert Ballettgeschichte mitgeschrieben haben. Es stimmt, ich habe dort mein ganzes Leben verbracht. Sämtliche Stufen einer Tanz-Laufbahn habe ich durchlaufen. Ich habe im Corps de ballet begonnen, brachte es zum Étoile der Pariser Oper, war Assistent von Rudolf Nurejew, wurde Chef des Balletts, war Associate Director. Vor allem die Erfahrungen aus meiner sechsjährigen Zusammenarbeit mit Rudolf Nurejew haben entscheidend dazu beigetragen, dass ich selbst Choreograf wurde.
Giselle 19
Haben Sie selbst in Giselle getanzt? Albrecht war immer meine Lieblingsrolle. Es ist eine Traumrolle für jeden klassischen Tänzer. Man kann so viele Seiten eines Charakters zeigen. Am Anfang ist er der sich als Dorfbewohner ausgebende Edelmann, der auf eine etwas machohafte Art seinen Spass sucht. Doch ehe er sich’s versieht, verliebt er sich in Giselle und betritt durch sie eine für ihn völlig neue Gefühlswelt. Mit dem Tod Giselles erfährt die Rolle eine dramatische Steigerung. Dabei hat mich immer fasziniert, dass die Musik die ganze Geschichte erzählt und einen fast automatisch in die jeweilige Stimmung versetzt. Wenn man gern spielt, macht sie es einem leicht und trägt einen durch das Stück. Dieser Albrecht, der der naiven Giselle den verliebten Bauernjungen vorgaukelt, ist aber alles andere als ein Sympathieträger … Natürlich ist er ein Lügner, und seine Unehrlichkeit ist ein entscheidender Wesenszug. Er ist ja nicht nur unaufrichtig gegenüber Giselle, sondern auch gegenüber
Musik eröffnet Welten. Auch für behinderte Menschen.
Dank Ihrer Spende ermöglicht die Stiftung Cerebral behinderten Menschen Musiktherapie. Unterstützen Sie das Musiktherapie-Projekt der Stiftung Cerebral für cerebral bewegungsbehinderte Menschen. Sie sind auf Hilfe angewiesen: Auf jede Spende, auf alle, die mit einem Legat über ihr Leben hinaus Gutes tun wollen, und auf Unternehmen, welche einzelne Projekte finanzieren. Die Stiftung Cerebral unterstützt Betroffene und ihre Familien in der ganzen Schweiz.
Helfen verbindet
Schweizerische Stiftung für das cerebral gelähmte Kind Erlachstrasse 14, 3001 Bern, Tel. 031 308 15 15, Postkonto 80-48-4, www.cerebral.ch
seiner Verlobten Bathilde und der Hofgesellschaft. Es ist eine Herausforderung für jeden Interpreten, ihn so darzustellen, dass man trotzdem Anteil an seinem Schicksal nimmt. Hat sich Ihre Auffassung Albrechts beim Wechsel der Perspektive vom Tänzer zum Choreografen verändert? Mich hat Albrecht von Beginn meiner Tänzerkarriere an interessiert, und ich habe versucht, mich auch von den grossen Interpreten der Rolle inspirieren zu lassen. Serge Lifar, einen der besten Darsteller des Albrecht, habe ich am Ende seiner Karriere selbst noch erlebt. Auch wenn da tänzerisch nicht mehr alles perfekt war, so hat er mich doch hingerissen mit seiner Darstellung. Andere Tänzer zu beobachten, ist immer hilfreich. Ich habe da unheimlich viel für meine eigene Interpretation gelernt. Als ich anfing, Giselle als Choreograf für die Bühne wiederzubeleben, habe ich mich auch mit den anderen Rollen des Balletts im Detail auseinandergesetzt, um die ganz unterschiedlichen Charaktere richtig zu erfassen. Und im Laufe meines Lebens hat sich mein Wissen in der Beschäftigung mit Giselle ständig erweitert. Sechs oder sieben Mal habe ich das Ballett inzwischen auf die Bühne gebracht, wobei ich immer offen für Adaptionen bin, zu denen mich die verschiedenen Giselles und Albrechts inspirieren. Jede neue Version ist mit den jeweiligen Interpreten verbunden, denn jede Compagnie bringt unterschiedliche Voraussetzungen mit. Giselle wurde 1841 in Paris uraufgeführt, doch für die Werkgeschichte war auch Marius Petipa wichtig, der das Ballett in St. Petersburg weiterentwickelte. Dem kann ich nicht ganz zustimmen. Die Veränderungen, die Petipa an Giselle vornahm, betrachte ich eher als eine Art Missverständnis. In Russland hat man Giselle an den dortigen Stil angepasst, der wenig mit dem zu tun hatte, was sich Théophile Gautier und Adolphe Adam in Paris ausgedacht hatten. Im ersten Akt wurde beispielsweise ein grosses Solo für Giselle eingefügt, dessen Musik nicht von Adolphe Adam, sondern von Ludwig Minkus stammt. Aber bis heute ist die Rollenauffassung vieler Ballerinen natürlich von der Petipa-Tradition geprägt, und man kommt nur schwer daran vorbei. Welche Quellen benutzen Sie für Ihre Inszenierung? Meine Fassung baut auf zwei Säulen auf. Das ist zum einen der unverfälschte französische Stil, den ich mir im Laufe der Jahre an der Pariser Oper angeeignet habe. Und es sind Erkenntnisse, die ich der 1984 verstorbenen Mary Skeaping, einer ehemaligen Ballerina aus England,
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Sie berufen sich auf Coralli und Perrot, aber worin besteht der choreografische Anteil von Patrice Bart? Das ist eine gute Frage. Niemand kann sagen, wie diese Ballette im 19. Jahrhundert genau ausgesehen haben. Wir verfügen heute zwar über ein grosses Wissen, aber den exakten Ablauf der Choreografie kennt keiner. Man kann ein romantisches Ballett heute nicht mehr so inszenieren wie 1841. Ein respektvoller Umgang mit der Tradition ist mir wichtig, doch das bedeutet nicht, in Ehrfurcht zu erstarren. Ich sehe meine Verantwortung vor allem in der Reorganisation der Choreografie und versuche, ausgehend von meiner Tänzererfahrung, Kleinigkeiten dazu zu erfinden. Gerade wenn man diese Ballette am Leben erhalten will, muss man einige Aspekte der Choreografie reor ganisieren, vor allem in den pantomimischen Szenen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, als würden in diesen Szenen Komödienschauspieler aus dem 19. Jahrhundert agieren. Das ist nicht mehr zeitgemäss. Gerade in den
Pantomimen versuche ich zu verkürzen und zu reduzieren. Den Tänzern sage ich: «Macht das so, wie ihr es draussen auf der Strasse machen würdet, im normalen Leben. Gestikuliert nicht wie schlechte Tänzer! Seid normal! Wenn ihr ‹Hallo› sagt, ist das auch nicht mit einem Redeund Gestenschwall verbunden.» Das Geheimnis besteht in der Kombination von Reduktion und Genauigkeit. Nur wenn die Interpretation genau und im Einklang mit der Musik ist, wird sie verstanden. Als Teil einer grossen Balletttradition sind Sie besonderen Erwartungen ausgesetzt, was die Authentizität angeht. Wie wird diese Tradition eigentlich bewahrt? Die Überlieferung erfolgt mündlich als ein Weitergeben persönlicher Erfahrung. In fünfzig Jahren ist da einiges zusammengekommen. Ich habe keine Bücher, keine Aufzeichnungen. Gar nichts. Natürlich lese ich viel über Aufführungsgeschichte und schaue mir Filmaufnahmen von Ballerinen aus der Vergangenheit an. Ich habe Lifar gesehen und die unvergleichlich Yvette Chauviré, für mich die wunderbarste Giselle überhaupt. Da lernt man so viel über die Essenz und das «Aroma» dieser Ballette. Am Ende sollte man keine Ansammlung von tänzerischen Attraktionen, sondern ein Stück sehen. Davon muss man die jungen Tänzer überzeugen. Und sich selbst. Sonst funktioniert es nicht. Es ist beeindruckend, wie die Tänzer hier in Zürich ein wirkliches Gespür für ihre Rollen entwickeln und eine Geschichte erzählen wollen. Die Arbeit am tänzerischen Detail ist sehr wichtig. Der romantische Stil definiert sich zum grossen Teil über Kopfpositionen. Es geht um Handbewegungen, um Blicke. Aber all diese Details müssen an der richtigen Stelle sitzen und mit der Musik verbunden sein.
Foto: Stefan Deuber
verdanke. 1925 tanzte sie in der Compagnie von Anna Pavlova und trat in zahlreichen Giselle-Versionen auf. Sie stellte umfangreiche Recherchen in den Archiven der Pariser Oper an und rekonstruierte viele Details der ersten Giselle-Aufführungen. Als profunde Kennerin des Balletts in seiner französischen Urform versuchte sie, das romantische Ballett des 19. Jahrhunderts einem heutigen Publikum zu erschliessen, unter anderem mit einer berühmt gewordenen Inszenierung für das London Festival Ballet im Jahr 1971. Durch Mary Skeaping habe ich begriffen, dass Giselle etwas ganz Besonderes ist und man eine neue Version möglichst eng mit der Entstehungszeit verbinden muss. Von dieser Position aus kann man Giselle mit frischem Leben erfüllen.
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Hier in Zürich arbeiten Sie einmal mehr mit der grossen italienischen Bühnen- und Kostümbildnerin Luisa Spinatelli zusammen, die viele Aufführungen an den bedeutendsten Theatern der Welt ausgestattet hat. Was ist das Geheimnis Ihrer Zusammenarbeit? Luisa Spinatelli verfügt über eine unerschöpfliche Kenntnis der verschiedenen Stilepochen und beeindruckt mich immer wieder mit ihrem untrüglichen Stilempfinden und ihrem Zeitgefühl. Ihre Ausstattungen bestechen durch eine Detailtreue, die immer aus dem jeweiligen Geist einer Epoche abgeleitet ist. Wir haben uns entschlossen, bei unserer Giselle das gängige Mittelalter-Ambiente zu verlassen und unsere Inszenierung im 19. Jahrhundert, zur Zeit der Romantik, anzusiedeln. Das funktioniert sehr gut, weil es konsequent aus dem Geist des Librettos und der Musik entwickelt ist, und es gewährt eine neue Perspektive auf die Choreografie von Coralli und Perrot. Wie erleben Sie Ihre Zusammenarbeit mit dem Ballett Zürich? Was ist anders als in Paris? Mich hat vor allem die Lebendigkeit überrascht, die man hier vom Direktor bis zu den Tänzern spürt. Es ist nicht diese typische Stimmung einer Ballettcompagnie, wo sich gelegentlich eine gewisse Routine breit macht. Jeden Tag spüre ich die Freude, mit der alle bei der Sache sind. Im 21. Jahrhundert haben sich hier wie überall moderne Aspekte in den Vordergrund geschoben, es geht nicht mehr um Tradition allein. Deshalb erkläre ich hier sehr viel. Vielen Tänzern ist die Handlung von Giselle vertraut, aber ich erläutere die einzelnen Situationen immer noch einmal. Wir sind nicht an der Pariser Oper, wo man mit Balletten wie diesem sein ganzes Leben verbringt. Das Ballett in Paris ist sehr viel hierarchischer organisiert, was in Zeiten eines gewandelten Demo kratieverständnisses gelegentlich natürlich auch zu Problemen führen kann. Aber Ballett funktioniert anders. Ich würde es mit einer Pyramide vergleichen – mit einer Person an der Spitze und einer breiten Basis. Und gerade jungen Tänzern kann man nur schwer erklären, warum jemand Giselle tanzt und ein anderer «nur» Bauer ist. Sie haben auch viele eigene Ballette kreiert, wie etwa Das flammende Herz, La Petite Danseuse de Degas oder Tschaikowsky. Wie würden Sie Ihren eigenen Stil beschreiben? Mein Stil ist geprägt vom Einfluss vieler Künstler, mit denen ich im Laufe der Jahre zusammengearbeitet habe, aber in erster Linie, wie schon angedeutet, von Rudolf Nurejew, dessen Assistent ich war und mit dem mich eine enge
Freundschaft verband. Von ihm habe ich nicht nur gelernt zu choreografieren, sondern auch sehr viel über die Auswahl von Ausstattern, Lichtdesignern, Dirigenten erfahren … Theaterpraxis eben. Rudolf war für mich nicht nur ein grosser Tänzer, sondern ein wirklicher Theatermensch. Manchmal wird mir vorgeworfen, ihn zu kopieren. Aber das stimmt nicht. Die Zusammenarbeit mit ihm hat mich geprägt, das ist in mein Blut übergegangen. Ich habe meine eigene Art – meine eigene Musikalität, meine Energie. Choreografie ist für mich keine wahllose Positionierung von Tänzern, sondern fast wie die Komposition eines Gemäldes. Gerade in Giselle ist es nicht zuletzt auch die hohe Kunst der Geometrie. Die allerdings darf nicht der bestimmende Eindruck sein, sondern es geht um das Leben, mit dem man die Geometrie erfüllt. Das Gespräch führte Michael Küster
GISELLE Ballett von Patrice Bart nach Jean Coralli und Jules Perrot Musik von Adolphe Adam (1803 –1856) Zürcher Neufassung Choreografie Musikalische Leitung Bühnenbild und Kostüme Lichtgestaltung Uraufführung
Patrice Bart Ermanno Florio/ Paul Connelly (12, 15, 17, 19, 22 Mai) Luisa Spinatelli Martin Gebhardt
Ballett Zürich Junior Ballett Philharmonia Zürich Statistenverein am Opernhaus Zürich
Exklusiver Partner Ballett Zürich
ab
Premiere Weitere Vorstellungen Einführungsmatinee
28 März 2015 29 März, 4, 10, 12 (2 Vorstellungen), 19, 23, 26 Apr 2015 12, 15, 17, 19, 22 Mai 2015 22 März 2015
28. Juni 1841, Ballett der Opéra de Paris
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Just being Giselle Wenn es eine Rolle gibt, die wirklich jede Ballerina gern tanzen möchte, so ist das Giselle. Das Winzermädchen, das von Herzog Albrecht betrogen wird, ihm als Wili vergibt und so sein Leben rettet, ist ein Charakter, der mich in seiner Fragilität und seiner übergrossen Liebe und Leidenschaft immer wieder in seinen Bann zieht. In Giselle verbinden sich Lyrik und Dramatik. Was es so schwer macht, diese Rolle zu tanzen, ist die entwaffnende Reinheit dieses Mädchens, die mit einer ungeheuren tänzerischen Präzision einhergehen muss. Ich war vierundzwanzig, als ich in Heinz Spoerlis Inszenierung hier in Zürich erstmals als Giselle auftrat. Federico Bonelli, der heute als Solist im Londoner Royal Ballet tanzt, war mein Herzog Albrecht. Wahrscheinlich war
ich damals zu jung für diese Rolle, die man in diesem Alter doch mehr spielt, als sie wirklich zu leben. Inzwischen hat meine Giselle-Interpretation an Tiefe gewonnen. Gefordert sind ja nicht nur das korrekte Ausführen von Schritten und der richtige Stil, sondern es geht vor allem darum, in die romantische Atmosphäre, in die Stimmung des Stücks, einzutauchen und sie dem Publikum zu vermitteln. Das gelingt mir heute natürlicher als damals, und sicher bringe ich jetzt auch mehr Lebenserfahrung in meine Interpretation hinein. Da das Ballett relativ kurz ist, hat man nur wenig Zeit, den Charakter zum Leben zu erwecken und diese Rolle zu kreieren. Hinzu kommt, dass die beiden Akte in ihrer Anlage ganz unterschiedlich sind. In vielen Szenen wird die Ge-
Foto: Danielle Liniger
Die Ballerina Yen Han über ihre Interpretation einer Traumrolle
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Rolle zu finden. Ich erinnere mich, dass ich am Anfang mei ner Laufbahn Szene für Szene des Balletts analysiert und genau für mich definiert habe, wann und wo ich wie zu sein hätte. Heute versuche ich einfach, Giselle zu sein. Die Situa tion und die Umgebung zu erspüren und mit meinen Schritten die Rolle aus mir herauswachsen zu lassen. Man hat auch in der genau definierten Form des romantischen Balletts, wie zum Beispiel bei einer Arabesque, alle Möglich keiten und die Freiheit, durch Bewegung den Charakter zu erschaffen. Gleich am Anfang zum Beispiel kann man mit den Sprüngen Giselles sehr viel von ihrer Frische verraten und ihre Lebenslust zeigen. Und da ist das klassisch-roman tische Ballett dann plötzlich gar nicht so weit vom modernen Ballett entfernt. Notiert von Michael Küster
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MEDIE
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schichte durch Pantomime erzählt, und da muss ich jedes Mal sehr genau abwägen, was zu viel und was zu wenig ist. Wie zeige ich die Naivität dieses Mädchens, das so voller Lebenslust ist und ganz in seiner Leidenschaft für Albrecht, aber auch in seiner Passion für den Tanz aufgeht? Giselle nimmt alles, was sie tut, überaus ernst, und es ist ihre Nai vität, aus der letztlich die Dramatik des Geschehens erwächst. Sie glaubt an das, was man ihr erzählt – egal, ob es sich um Albrechts Liebesschwüre oder den unheimlichen Bericht ihrer Mutter über das Schicksal der Wilis handelt. Das macht sie verletzlich. Dass Giselle am Ende des ersten Akts verrückt wird, glaube ich nicht. Die Erkenntnis, dass sie einer Lüge aufgesessen ist, löst einen Schock aus, an dem sie zugrunde geht. Eine gute Verbindung zum Interpreten des Albrecht ist ganz wichtig. Wir müssen präzise aufeinander reagieren. Albrecht sollte Reife und Männlichkeit ausstrahlen, denn Giselle verfällt dem Charme dieses selbstbewussten Mannes. Er vermittelt ihr ein Gefühl von Sicherheit und lässt sie ihm Vertrauen und Liebe schenken. Was die tänzerische Seite der Rolle angeht, so mag ich diesen klassischen Stil mit seiner Portion Bournonville und der typisch französischen Fussarbeit. Eine absolut saubere Technik ist Grundvoraussetzung. Dieser Stil kommt mit ganz kleinen Bewegungen aus und verzichtet auf bombas tische Sprünge. Alles ist sehr fein und delikat. Nicht nur bei den Schritten, sondern in der gesamten Koordination des Körpers ist Feinheit und Erfahrung beim Umsetzen der Gesten und Posen gefordert. Wie hält man den Kopf, wo sind die Arme? Und dann ist da natürlich der berühmte zweite, weisse Akt auf einer fast leeren Bühne. Es ist gar nicht so einfach, es mühelos und «nach nichts» aussehen zu lassen. Für das Publikum muss der Eindruck entstehen, man würde durch die Luft schweben. Wie ein Seidenschal, der sich pausenlos im Wind bewegt. Das gelingt jedoch nur, wenn man nicht nur den Eindruck dieser Weichheit erzeu gen, sondern gleichzeitig die geforderte Akkuratesse, gerade in der Beinarbeit, gewährleisten kann. Natürlich ist Giselle auch die Geschichte der grossen Ballerinen, die in den vergangenen fast 175 Jahren am My thos dieses Balletts mitgeschrieben haben. Mich hat vor allem die Giselle der italienischen Tänzerin Carla Fracci inspiriert. Die Primaballerina der Mailänder Scala und des American Ballet Theatre hat die Rolle mit Partnern wie Rudolf Nure jew, Mikhail Baryshnikov und – auch in einer berühmten Verfilmung – Erik Bruhn getanzt, und sie verkörpert für mich genau jene Reinheit, von der die Glaubhaftigkeit der Ge schichte so entscheidend abhängt. Doch auch wenn man all die grossen Ballerinen im Hinterkopf hat, muss man sie doch auch hinter sich lassen, um zur eigenen Interpretation der
Das Ich, ganz ausser sich «Giselle» führt in das Schattenreich der Wilis. Das sind betrogene Jungfrauen, die Männer in einen Tanzrausch zum Tode zwingen. Welche Verbindung gehen Ekstase, Tod und christliches Ethos in diesem faszinierenden Stoff ein? Ein Essay von Dorion Weickmann
Giselle
Foto: Tom Ziebinski
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Ein Kreuz, ein Grabhügel, ein Schwarm weiss gewandeter Gestalten, die Passanten tödlich umgarnen – bis jemand diese Zerstörungsmission boykottiert: Giselle, ou les Wilis, 1841 uraufgeführt, gilt als Inbegriff der Ballettromantik. Es begegnen und verlieben sich: ein Winzermädchen und ein Herzog, der, an Herkunft und standesgemässe Verlobte gebunden, seine Annäherungsversuche inkognito unternimmt. Dieser Betrug, einmal entdeckt, bringt das Mädchen um den Verstand. In einem Irrsinnsanfall entleibt es sich selbst und muss fortan als Wiedergängerin im Schattenreich der Wilis umhergeistern. Von einer herrschsüchtigen Domina angestachelt, locken dort Unglücksgeschöpfe wehrlose Männer an und hetzen sie nächtens auf einer Waldlichtung in den Tod. Auch dem treulosen Aristokraten droht dieses Los, doch Giselle bewahrt ihn vor dem Untergang – und bringt zuletzt das Opfer einer doppelten Entsagung. Mehr Gefühlsturbulenz, mehr Herzschmerz, Hingabe und romantische Verklärung lässt sich schlechterdings kaum vorstellen. Taugt das Kruzifix zwischen den Bäumen also nur als christliches Dekor einer irdischen Leidenschaft? Als Camouflage für eine profane Tragikromanze? Der Verdacht liegt nahe. Denn zunächst schmiedet Giselle eine unheilige Allianz aus Lust, Tanz und Tod. Mögen bibelfeste Bewohner des 19. Jahrhunderts die zwei erstgenannten auch als teuflische Laster verdammen, so gründet der Drei-Bund doch auf einer Wesensverwandtschaft: Lust, Tanz und Tod vermögen den Menschen von sich selbst und seiner Routine zu entfernen, ja seiner ganzen Existenz zu entrücken. Indem sie ihm die Sinne vernebeln und sein Bewusstsein an die Schwelle zum Nichts tragen. Oder die Schleusen der Ekstase öffnen, hinter denen das Ich sich auflöst. Vordergründig erzählt Giselle von einer Geistes- und Herzensverwirrung. Aber dahinter lauern Sünde und Sühne, Betrügen und Bereuen, Männermord und Frauenmartyrium. So durchdringen sakrale Motive ein augenscheinlich höchst weltliches Handlungsgewebe und bebildern nichts anderes als eine Passion. Einen Leidensweg, der von der Allgewalt der Liebe kündet, und von der finalen Ohnmacht des Bösen. Was als erzromantisches Ballett daherkommt, wurzelt in Werten, die das Abendland aus seiner religiös regierten Vergangenheit ins säkulare Zeitalter verlängert hat: Sittlichkeit, Anstand und christliche Moral gehören schliesslich auch
im 19. Jahrhundert noch zum Glaubensbekenntnis eines aufgeklärten Citoyen. Zu Frankreichs Kardinalromantikern, unter denen zugegebenermassen die Kunst als einzig seligmachende Liturgie firmierte, zählen Théophile Gautier und Jules-Henri Vernoy de Saint-Georges, die Librettisten von Giselle. Die Urfassung aus ihrer Feder hat Patrice Bart, bis 2011 Erster Ballettmeister der Pariser Oper, schon 1996 einer Revision unterzogen. Für das Ballett Zürich wagt er sich nun an eine neue Version, die den Umrissen der literarischen Vorlage genauso treu bleiben wird wie den Raffinessen der Choreografie, mit der Jules Perrot und Jean Coralli 1841 die Premiere an der Pariser Oper bestückten. Bart, in Tuchfühlung mit Frankreichs glorreichem Tanzerbe gross geworden, huldigt damit einer Tradition, die von einer Tänzergeneration auf die nächste kam. Zwar hat die Überlieferung von Giselle ab den 1860er Jahren schriftlichen Niederschlag gefunden, doch eine lückenlose Dokumentation des Originals fehlt.
Ein pittoreskes Tableau: Waldmystik, Lebenshunger, Rachgier und Erlösungsfantasien Wer angesichts solcher Widrigkeiten das historisch Verbürgte neu beleben will, muss Verlorenes ergänzen – ohne Sinn und Stil der Ursprungsmatrix zu verfehlen. Dieser Herausforderung sind nur Experten gewachsen, hochspezialisierte Fachleute wie Patrice Bart, deren kunstvoll geschulte Körper lebenden Archiven gleichen, in denen die Geschichte des Tanzes aufbewahrt wird. Sie wissen genau um die geistigen, künstlerischen und handwerklichen Quellen, die unter der Oberfläche eines Klassikers wie Giselle pulsieren – und auch, wie sich dieses historisch geronnene Material ins Fliessen bringen lässt. Entsprechend feinfühlig, detailgenau und geschichtsbewusst bildet Patrice Bart das kanonische Œuvre des 19. Jahrhunderts nach. Von Coppélia (ebenfalls 1996) bis Das Flammende Herz (2009) hat er etliche Werke von entstellenden Schlacken befreit oder gar dem Vergessen entrissen. Keine Frage, dass auch seine Zürcher Giselle-Inszenierung das Tradierte sorgfältig abtasten und zeigen wird,
warum diese Inkunabel des Repertoires sich seit bald 175 Jahren auf den Opernspielplänen behauptet. Dafür sorgt zum einen die reizvolle und vielfarbige Choreografie, dafür sorgt aber auch der Stoff, der sich aus menschlichen Universalien zusammensetzt. Als da sind: Liebe, Sehnsucht, Verrat, Wahn-Ideen, Tod, Revanche und Vergebung. Das pittoreske Tableau der Emotionen wird Patrice Bart traditionsgemäss in zwei Aufzügen entrollen: Von der idyllischen Paysannerie des ersten Akts schwenkt es zur ätherischen Waldmystik des zweiten, vom Lebenshunger des ländlichen Jungvolks zur Rachgier der jungfräulichen Nachtwesen, deren Mordgelüste sich aus Opfer- und Erlösungsfantasien nähren. Dabei tun sich zwischen Kultur und Natur, Dorfgemeinschaft und dichtem Forst, Abgründe auf, die den
Zwiespalt des neuzeitlichen Daseins offenbaren: Hinter den Zivilisationsfassaden bleibt der Mensch an seine Affekte, Ängste und Triebe gefesselt. Zugleich rührt das Geschehen an überzeitliche Gefühle, beschwört allgegenwärtige Träume und Traumata, um deren Macht am Schicksal eines jungen Mädchens vorzuführen. Wer denkt sich Spukgestalten wie diese Wilis aus, und wozu? Das Libretto knüpft an Heinrich Heines Elementargeister an, eine volksmythologische Sammlung. Der Dichter rekapituliert darin eine slawischen, «gespenstischen Tänzerinnen» namens «Wilis» gewidmete Erzählung über «Bräute, die vor der Hochzeit gestorben sind.» Diese Geschöpfe finden keine Ruhe, weil in ihren Leibern «noch jene Tanzlust» steckt, «die sie im Leben nicht befriedigen konnten». Um Mitternacht steigen sie deshalb aus den Gräbern, und wer vorbeikommt, «muss mit ihnen
Juliette 27
tanzen, sie umschlingen ihn mit ungezügelter Tobsucht, … bis er tot niederfällt.» Diesen «Bacchantinnen» zu entgehen, ist unmöglich: «Ihr Antlitz, obgleich schneeweiss, ist jugendlich schön, sie lachen so schauerlich heiter, so frevelhaft liebenswürdig, sie nicken so geheimnisvoll lüstern, so verheissend». Das vampireske Spektakel fusst, wie Heine erklärt, in einer traurigen Alltagserfahrung. Wo der Sensenmann «blühende Bräute» niedermäht, malt das Volk sich aus, wie die Verblichenen den «entbehrten Freuden» nachjagen. In einer Orgie, die Lust und Tod zusammen zwingt, einer Ausschweifung, die auf Entgrenzung zielt und in Ekstase gipfelt. Gautier und Saint-Georges haben diese Sage aufgegriffen und an eine Figur geheftet, die erst von Verzückung, dann von Verrückung überwältigt wird und sich schliesslich selbst
zur Märtyrerin der Liebe macht. Die tanznärrische Giselle schenkt ihr Herz einem Schwindler, stolpert über diese Erkenntnis in ein Wahn-Delirium, erdolcht sich – und rettet den Unhold dennoch edelmütig aus aller Gefahr, als ihm das Todesbataillon der Wilis nach dem Leben trachtet. Doch sind die tapfere Heldin und ihre von ingrimmiger Beutegier gepeitschten Widersacherinnen einander völlig fremd? Eher scheint hier wie dort der gleiche Dämon am Werk, einer, der das Bewusstsein trübt und den Körper als Schauplatz und Austragungsort, als Repräsentanz innerster Gefühle in Beschlag nimmt. Diese bis ins Ekstatische gesteigerte Besessenheit ist – jenseits aller romantischen Verbrämung – ein christlich hinterlegtes Phänomen. Nicht umsonst hat es seine ikonische Spiegelung zuallererst in einem römischen Kirchenraum erfahren.
Giselle 28
Hochbarocke Pilaster säumen die Wände von Santa Maria della Vittoria, zwischen den Säulen prangt, mitten im Querschiff, ein Relief. Es zeigt noble Zuschauer, die hinter halbhohen Balustraden thronen, steinerne Zeugen einer Szene, die sich vor ihren Augen auf einer Art Bühne ereignet: Ein Seraphim, lieblich lächelnd, beugt sich über eine darnieder liegende Gestalt. Ihre Augäpfel sind verdreht, die Lippen wie in Trance geöffnet, der Körper wölbt sich dem Engel entgegen. In der Hand des himmlischen Gesandten schillert ein goldener Pfeil, den er der Besinnungslosen augenblicklich ins Herz stossen wird – zu ihrer innigsten Verzückung. Die Frau, die Giovanni Lorenzo Bernini 1645 in dieser Doppelskulptur verewigt hat, ist die Heilige Teresa von Ávila (1515 – 1582). Ihrer späteren Aussage nach hat sie der Pfeil eines christlichen Amors durchbohrt und in einen Liebesrausch gestürzt, eine amour fou mit Gott. Hintergründig hat der Bildhauer den Moment der Verzückung als theaterhaftes, fast tänzerisches Schauspiel ausgedeutet, dessen Ausgang die Ordensfrau schriftlich festhielt: Als der Himmels-
Giselle vergibt ihrem treulosen Geliebten. Sie wird zu einer Heiligen im Gewand einer Ekstatikerin bote die Spitzwaffe herauszog, war ihr, «als nähme er mein Herz mit, und ich blieb erfüllt von flammender Liebe zu Gott. Der Schmerz war so stark, dass ich klagend aufschrie. Doch zugleich empfand ich eine so unendliche Süsse, dass ich dem Schmerz ewige Dauer wünschte.» Die Beteiligung des Fleisches an dieser Ekstase hat Bernini so unverhohlen herausgemeisselt, dass die sinnliche Magie der Episode, ja deren erotische Tönung schon den Zeitgenossen auffiel. Dem religiösen Eifer wohnen Lustschmerz und Schmerzlust inne, wie sie irdischer kaum ausfallen könnten. Wo Teresa hingerissen dem metaphysischen Mirakel frönt, träumt Giselle von unsterblicher Liebe und fiebert dieser Wonne, wie Gautier und Saint-Georges im Libretto verfügten, «verrückt nach Tanz und Vergnügen» entgegen. Was passiert, wenn ihr Sehnen vergeblich bleibt, der Geliebte sich als Falschspieler entpuppt, weiss sie nur allzu gut: «Wenn Du mich betrügst, muss ich sterben», erklärt Giselle dem Herzog, und so geschieht es. Dennoch verzeiht sie dem Treulosen, ja sie widersteht der Versuchung, ihn – wie es die Königin der Wilis befiehlt – mit «wollüstigen Posen» zu bestricken und es damit den anderen Verderberinnen gleichzutun. Wo die lebende Giselle
kein Tanz-Amüsement ausgelassen hat, tritt ihr untotes Pendant als die Tugendhaftigkeit selbst auf den Plan, gerade so keusch, dass es Gottvater gefallen könnte. Und wirklich vollbringt Giselle noch eine letzte, ganz und gar christliche Tat, bevor sie endgültig ins Grab sinkt. Sie entsagt allem Verlangen und bedeutet dem Herzog, er möge seine Verlobte heiraten – mithin die Frau, an deren Existenz ihre Liebes illusion zerschellt ist. Heilig werden Menschen gesprochen, die ein Martyrium erlitten haben, im Namen ihres Bekenntnisses gestorben sind oder der Christenheit ein tugendsames Vorbild waren. Ist Giselle eine «Heilige» im Gewand der Ekstatikerin, Berninis Teresa verschwistert? Zumindest porträtiert das Ballett ein Mädchen, dessen Liebesdurst und Tanzhunger keine Grenzen kennt, das gewillt ist, sich einem anderen besinnungslos auszuliefern – und dabei einem Betrüger aufsitzt. Infolgedessen gerät sein Ich zwar ausser sich, doch es erfährt eine Läuterung und geht daraus wundersam gewandelt hervor – als Verzeihende und Verzichtende, die sich zur Patronin des Übeltäters aufschwingt. Und die Wilis? Ihre Ekstase kennt kein Pardon, sondern nur das Gift der Gnadenlosigkeit. Mit der Heiligen Teresa haben sie nichts gemein, aber mit einer anderen Spezies, die Männer gewissermassen reflexartig verspeist: die Gottesanbeterinnen genannten Insekten, deren Vorderarme andächtig gefaltet scheinen, was sie nicht davon abhält, ihre Partner post coitum zu verzehren. Gautier und Saint-Georges haben sich an Heinrich Heine gehalten, der wiederum an slawische Märchen und weibliche Plagegeister, die wie Heuschrecken über die Männer herfallen. So schliesst sich der Kreis biblischer und ekstatischer Anspielungen, die Giselle in sich birgt. Warum dieses Ballett ein epochales Signaturstück ist, wird Patrice Barts Neuauflage mit dem Ballett Zürich beweisen, ob mit oder ohne mythologischen Überbau. Im Übrigen muss man kein Tanz-Gnostiker sein, um das Giselle-Mysterium zu ergründen. Wer sich den Freuden des Zuschauens voller Unschuld überlässt, der wird einer Ekstase teilhaftig, die ihn ohne Vorwarnung ereilt – sofern er sich von der Verzückung des Tanzes anstecken lässt! •
Blindtext 29
Die Fotografien zu diesem Text stammen von dem jungen polnischen Künstler Tom Ziebinski. Er schreibt über seine Arbeit: «Ich hatte immer das Gefühl, Fotografie müsse ein Geheimnis enthalten, weil heutzutage alles so offenkundig und erklärbar ist. Deshalb habe ich mich entschieden, den menschlichen Körper auf ganz ungewöhnliche Art zu zeigen. Ohne Gesicht und mit nur schemenhaft angedeuteten Konturen ruft er ein Gefühl der Beklemmung hervor, das den Betrachter berühren soll. Ich wollte ausserdem, dass die Fotos nicht von Erotik dominiert werden. Eine schwierige Aufgabe, denn Sexualität lässt sich ja eigentlich nie ausklammern.»
Die geniale Stelle 30
Teufelswerk Ein Akkord in Franz Schuberts «Gretchen am Spinnrade» op. 2
Unruhige Bewegung in schattenhaftem d-Moll, eine in sich kreisend dahinhuschende Sechzehntellinie von geringem Tonumfang, ein ungleichmässig pochender Bass: Gretchen sitzt am Spinnrad und versucht, ihre Gedanken zu beherrschen, die immer wieder zu dem Mann schweifen, den sie liebt. Über der monotonen Klangfläche erhebt sich die Singstimme, mit einer fast ängstlich aus kleinen Tonschritten geformten Linie, die erst spät den Umfang eine Oktave über schreitet – nämlich an der Stelle, wo das entscheidende Wort fällt: «und ach, sein Kuss». Diese Stelle vertont Schubert auf paradoxe Weise. Schon vorher, als Gretchens Gedanken mehr und mehr vom Körper des begehrten Mannes, seinen Augen, seinen Händen, seinem Mund beherrscht wurden, hatte sich der Klang zu nehmend aufgehellt und nach Dur gewendet. Gleichzeitig war die harmonische Bewegung noch unruhiger geworden und hatte immer entferntere Tonarten gestreift. Dennoch mag der Hörer für den Kulminationspunkt dieser Entwicklung – bei dem Wort «Kuss» – einen triumphalen Dur-Akkord erwarten, der das ganze Glück des Mädchens ausdrückt, das sich geliebt glaubt. Stattdessen aber erklingt eine Dissonanz: ein A-Dur-Septakkord. Die Musik erstarrt für einen Moment, das Surren des Spinnrads hört auf, alles erstirbt in diesem Klang, der doch nicht stehenbleiben kann, weil seine innere Spannung die Auflösung in eine Konsonanz erfordert. Aber nach der heftigen harmonischen Bewegung der unmittelbar vorangehenden Takte bietet dieser Akkord doch so etwas wie einen Rettungsanker im Sturm. Immerhin ermöglicht seine regelgerechte Auflösung die Rückkehr in die vertrauten Gefilde der Grundtonart d-Moll. Aber nun geschieht etwas Unerwartetes und Erschreckendes: Die Oberstimme des Akkords bewegt sich einen Halbton nach oben, und verwandelt so den liegenden Klang in einen verminderten Septakkord. Und mit dem hat es eine ganz besondere Bewandtnis. Bei flüchtigem Hinsehen mag man diesen Akkord, der aus drei kleinen Terzen aufgebaut zu sein scheint, als durchaus wohlklingend ansehen, doch bei näherer Betrachtung zeigt er ein anderes Gesicht und erweist sich als aus zwei ineinander verschränkten verminderten Quinten gebildet. Die verminderte Quinte aber ist ein Intervall,
das den Musikern als eine so starke und hässliche Dissonanz gilt, dass es üblich geworden ist, es als «diabolus in musica» zu bezeichnen, als den «Teufel in der Musik». Dass Schubert einen solchen Akkord durch einen kleinen «teuflischen» Trick an dieser Stelle auftauchen lässt, ist also ein hintergründiger Kommentar: Es ist der Teufel, der diese Liebesbeziehung eingefädelt hat, die Gretchen im Moment glücklich macht und sie schliesslich ins Verderben stürzen wird. Aber so, wie Goethes Teufel eine ambivalente Gestalt ist («ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft»), verweist auch diese Stelle nicht nur auf den Untergang, sondern auch auf die mögliche Rettung: Während der «gewöhnliche» Septakkord nur in zwei Ton arten – in diesem Falle D-Dur oder d-Moll – aufgelöst werden kann, gibt es beim verminderten nicht weniger als acht Möglichkeiten. Darunter wären hier so entfernte wie As- oder gar H-Dur. Diese Gegebenheiten der Harmonik verweisen symbolisch darauf, dass Gretchen die Möglichkeit eines Ausbruchs aus ihrer Welt offensteht. Aber – um es mit Bertolt Brecht zu sagen – «die Verhältnisse, sie sind nicht so». Gretchen ist zu sehr eingebunden in ihre Kleinbürgerwelt, in der schon die kleinste Abweichung von der Norm als «teuflisch» gilt und schwer geahndet wird. Und sie ist so sehr Produkt dieser Verhältnisse, dass sie das auch selbst für richtig hält. Folgerichtig kehrt die Musik nach einem Moment des Schreckens in die Grundtonart zurück, das Spinnrad dreht sich wieder. Gretchen wird die Tür in ein anderes Leben nicht durchschreiten, ebenso wenig wie die Kerkertür, die ihr ebenfalls vom Teufel geöffnet werden wird. Und vielleicht hat sie nicht einmal bemerkt, dass sich ihr für einen Moment der Weg in das ganz Andere eröffnet hat. Dieser Gedankengang ist in Goethes Text nicht enthal ten. Schubert hat ihn hinzugefügt, und so die ergreifende Wucht der Gretchen-Tragödie in einem genial erfundenen musikalischen Detail zusammengedrängt. Werner Hintze Schuberts «Gretchen am Spinnrade» wird Julia Kleiter am 15. April in ihrem Zürcher Liederabend singen.
Porträt 32
Die Wilis Der Tanz ist charakteristisch bei den Luftgeistern; sie sind zu ätherischer Natur, als dass sie prosaisch gewöhnlichen Ganges, wie wir, über diese Erde wandeln sollten. Indessen, so zart sie auch sind, so lassen doch ihre Füsschen einige Spuren zurück auf den Rasenplätzen, wo sie ihre nächtlichen Reigen gehalten. Es sind eingedrückte Kreise, denen das Volk den Namen Elfenringe gegeben. In einem Theile Oestreichs gibt es eine Sage, die mit den vorhergehenden eine gewisse Ähnlichkeit bietet, ob gleich sie ursprünglich slawisch ist. Es ist die Sage von den gespenstischen Tänzerinnen, die dort unter dem Namen «die Wilis» bekannt sind. Die Wilis sind Bräute, die vor der Hochzeit gestorben sind. Die armen jungen Geschöpfe können nicht im Grabe ruhig liegen, in ihren toten Herzen, in ihren toten Füssen blieb noch jene Tanzlust, die sie im Leben nicht befriedigen konnten, und um Mitternacht stei gen sie hervor, versammeln sich truppenweis an den Heer strassen, und wehe dem jungen Menschen, der ihnen da begegnet. Er muss mit ihnen tanzen, sie umschlingen ihn mit ungezügelter Tobsucht, und er tanzt mit ihnen, ohne Ruh und Rast, bis er tot niederfällt. Geschmückt mit ihren Hochzeitkleidern, Blumenkronen und flatternde Bänder auf den Häuptern, funkelnde Ringe an den Fingern, tanzen die Wilis im Mondglanz, eben so wie die Elfen. Ihr Antlitz, obgleich schneeweiss, ist jugendlich schön, sie lachen so schauerlich heiter, so frevelhaft liebenswürdig, sie nicken so geheinmisvoll lüstern, so verheissend, diese toten Bacchan tinnen sind unwiderstehlich. Das Volk, wenn es blühende Bräute sterben sah, konnte sich nie überreden, dass Jugend und Schönheit so jählings gänzlich der schwarzen Vernichtung anheimfallen, und leicht entstand der Glaube, dass die Braut noch nach dem Tode die entbehrten Freuden sucht.
Illustration: Lina Müller
Aus: Heinrich Heine: Über Deutschland. Elementargeister.
Der Fragebogen 34
Was fällt Ihnen auf, wenn Sie in Zürich ankommen? Wenn ich durch die Altstadt gehe, bin ich immer wieder überrascht, dass ich mich in einer richtigen Stadt befinde, an einem Fluss bin und gleichzeitig einen kurzen Blick auf die Alpen werfen kann! Was würden Sie sofort verändern, wenn Sie König der Schweiz wären? Die Unterscheidung zwischen «Kleiner Portion» und «Grosser Portion» in den Restaurants verbieten. Die «Grosse Portion» würde ich obligatorisch machen. Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück? Mit meinem Sohn in einer heruntergekommenen Hafen-Bar Karten zu spielen und gleichzeitig auf eine Fähre zu warten. Was wäre das grösste Unglück? Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Welche Rolle spielt Musik bei Ihrer Arbeit? Mein Arbeitsumfeld ist eigentlich sehr still, deshalb bekommt die Musik viel Raum: Der fette Verstärker in meinem Studio hämmert den ganzen Tag alle Arten von Sounds. Für die gute Laune. Eher ruhigere Musik, um die Konzentration zu stärken, heisse Rhythmen, um sich an einem grauen Nachmittag anzutreiben. Wer ist Ihr Lieblingsschriftsteller? Mit grossem Vergnügen lese ich gerade Houellebecq, nachdem ich mich jahrelang nicht für diesen Autor erwärmen konnte. Sein Buch Elementarteilchen mochte ich damals nicht. Es ist aber intelligent, sehr gut geschrieben und so scharfsinnig. Und überhaupt nicht pessimistisch! Ihre Lieblingsfilme? Ich liebe das Kino grundsätzlich. Wegen der Geschichten und der Bilder natürlich. So finde ich sogar an mittel mässigen Filmen Gefallen. Nur ein, zwei gute Szenen reichen mir, ein Schauspieler zum Beispiel, eine spezielle Location, und schon hat sich ein Film für mich gelohnt. Ihr liebstes Laster? Optimismus? Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Nichts ist überflüssig in meiner Wohnung! Vor allem nicht diese runde Regenbogen-Postkarte mit den zwei Löchern,
durch die man hindurchsehen kann und überall Regen bögen erblickt! Welche Eigenschaften schätzen Sie bei Ihren künstlerischen Partnern? Wissen in Kunstgeschichte, Wissen um den kreativen Prozess. Das würzt ein Gespräch und fördert die Kreativität. Wo finden Sie die Inspiration für Ihre Arbeit? Überall. Man weiss nie im Voraus, was eine Idee auslösen wird. Wenn ich in einem Projekt stecke, ist meine Aufmerksamkeit natürlich bereits fokussiert. Wenn ich zum Beispiel die Visuals für die Oper entwerfe, wo Farb kombinationen eine wichtige Rolle spielen, sammle ich Farbmuster aus Büchern, Filmen oder was ich an einer Mauer sehe. Was mögen Sie an der Kunstform Oper? Die Tatsache, dass alles live gespielt wird und dass alles vor meinen Augen zusammenkommt. Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Liebe, Kunst, Motorräder.
FRANÇOIS BERTHOUD ist Künstler und Mode-Illustrator. Er gestaltet Visuals und Plakate für das Opernhaus Zürich, gerade hat er eine neue Serie für die Spielzeit 2015/16 fertig gestellt
Kalendarium 35
März 2O15
April 2O15
21 Sa
Do Anna Bolena 2
14.OO
Führung durch das Opernhaus
Treffpunkt Billettkasse, CHF 1O
Rote Laterne 19.OO
22 So 11.15
Oper von Christian Jost, Misch-Abo C, Preise E
Einführungsmatinee «Giselle»
Bernhard Theater, CHF 1O
Brunchkonzert
11.15
Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 6O
Robin Hood
14.OO
Abenteueroper von Frank Schwemmer, Libretto von Michael Frowin, Freier Verkauf, Kindervorstellung, CHF 2O–6O
Mahler Sechste Sinfonie
19.3O
5. Philharmonisches Konzert Konzert-Abo, Preise P1
19.OO
Sa 4
14.OO
Oper von Gaetano Donizetti Donnerstag-Abo A, Preise G
Führung durch das Opernhaus
Treffpunkt Billettkasse, CHF 1O
Giselle
2O.OO
Ballett von Patrice Bart AMAG-Volksvorstellung, Preise VV
Mo 6 Leonce und Lena
14.OO
Ballett von Christian Spuck Wahl-Abo, Preise C
Lucia di Lammermoor
2O.OO Wiederaufnahme Oper von Gaetano Donizetti AMAG-Volksvorstellung, Preise VV
23 Mo Lunchkonzert 12.OO
Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 2O
24 Di Anna Bolena
19.OO
Quinzaine des Réalisateurs Filmfestival Cannes: 4 Preise
Oper von Gaetano Donizetti Belcanto-Abo, Preise G
Französischer Filmpreis César: 9 Nominationen
25 Mi Rote Laterne
19.OO
Oper von Christian Jost Mittwoch-Abo A, Preise E
27 Fr Rote Laterne
19.OO
28 Sa 14.OO
Oper von Christian Jost Freitag-Abo A, Preise E
Ballett-Führung mit Mini-Workshops
Ballettsaal B, CHF 1O
Giselle Premiere
19.OO
Ballett von Patrice Bart Premieren-Abo A, Preise E
29 So Giselle 14.OO
Ballett von Patrice Bart Premieren-Abo B, Preise D
Anna Bolena
2O.OO
Oper von Gaetano Donizetti Sonntag-Abo D, Preise G
LES
COMBATTANTS Ein Film von THOMAS CAILLEY www.filmcoopi.ch
AB 16. APRIL IM KINO
Kalendarium 36
Mi Strings 8
Choreografien von Christian Spuck, William Forsythe und Edward Clug Mittwoch-Abo B, Preise B
1O Fr
Führung Bühnentechnik
19.OO
16.OO
Treffpunkt Billettkasse, CHF 2O
Giselle 19.OO
Sa 11
14.OO
Ballett von Patrice Bart, Ballett-Abo, Preise D
Unterwegs mit Ohrwurm Squillo
Für 6- bis 9-Jährige Treffpunkt Billettkasse, CHF 1O
Stücke Entdecken «Giselle» 14.3O
für 12- bis 16-Jährige, Ballettsaal B, CHF 2O
Führung durch das Opernhaus 15.OO
Treffpunkt Billettkasse, CHF 1O
Lucia di Lammermoor
19.OO
12 So
11.15
Oper von Gaetano Donizetti Kombi-Abo, Preise E
11.15
Ballettgespräch Christian Spuck, Choreografen und Tänzern
Studiobühne, CHF 1O
Brunchkonzert
11.15
Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 6O
Lucia di Lammermoor
14.OO
Oper von Gaetano Donizetti Sonntag-Abo B, Preise E
Giselle
14.3O
2O.OO
Familien-Workshop «Giselle»
Ballettsaal A, CHF 2O
Ballett von Patrice Bart Wahl-Abo, Preise D
Einführungsmatinee «La traviata»
Ballett von Patrice Bart Freier Verkauf, Preise D
Giselle
19.3O
19 So
Oper von Giuseppe Verdi Premieren-Abo A, Preise G
Bernhard Theater, CHF 1O
Giselle
14.OO
La traviata Premiere
19.OO
Ballett von Patrice Bart Sonntag-Abo C, Preise D
Mode·Leder·Pelze Kaiserstrasse 42 D-79761 W a l d s h u t Tel. 0049 7751 3486 www.kueblerpelz.com
15 Mi Liederabend Julia Kleiter 19.OO
Lieder-Abo, CHF 6O
16 Do Lucia di Lammermoor
19.OO
Oper von Gaetano Donizetti Donnerstag-Abo B, Preise E
Fr 17 Robin Hood
1O.3O
Abenteueroper von Frank Schwemmer, Libretto von Michael Frowin, Geschlossene Vorstellung
Leonce und Lena
19.OO
18 Sa 14.3O
Ballett von Christian Spuck nach dem Lustspiel von Georg Büchner, Misch-Abo C, Preise C
Familien-Workshop «Giselle»
Ballettsaal A, CHF 2O
ZiegenVelourslederMantel
Kalendarium 37
2O Mo Lunchkonzert
Mai 2O15
Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 2O
Fr La traviata 1
Montagsgespräch mit Matti Salminen
12.OO
19.OO
Restaurant Belcanto, CHF 1O
21 Di La traviata
19.OO
Oper von Giuseppe Verdi Premieren-Abo B, Preise F
22 Mi Lucia di Lammermoor 19.OO
Oper von Gaetano Donizetti Mittwoch-Abo A, Preise E
23 Do Giselle 19.OO
Ballett von Patrice Bart Misch-Abo B, Preise D
24 Fr La traviata
19.3O
Oper von Giuseppe Verdi Freitag-Abo B, Preise F
25 Sa
Führung durch das Opernhaus
14.OO
15.3O
Treffpunkt Billettkasse, CHF 1O
Führung in die Maske
Treffpunkt Billettkasse, CHF 2O
Lucia di Lammermoor
19.OO
Oper von Gaetano Donizetti Belcanto-Abo, Preise E
26 So Fidelio Wiederaufnahme
14.OO
Oper von Ludwig van Beethoven Wahl-Abo, Preise E
Giselle
2O.OO
Ballett von Patrice Bart, Freier Verkauf, Preise D
28 Di La traviata 19.OO
Oper von Giuseppe Verdi Dienstag-Abo B, Preise F
19.OO
Sa 2
15.3O
Oper von Giuseppe Verdi, Verdi-Abo, Preise F
Geschichten erzählen mit Musik
Für 4- bis 9-Jährige und ihre Eltern Kreuzstrasse, CHF 12/2O
Fidelio
19.OO
Oper von Ludwig van Beethoven Deutsche Oper-Abo, Preise E
So 3 La traviata
14.OO
15.3O
Oper von Giuseppe Verdi Sonntag-Abo A, Preise F
Geschichten erzählen mit Musik
Für 4- bis 9-Jährige und ihre Eltern Kreuzstrasse, CHF 12/2O
Rameau
2O.OO
6. Philharmonisches Konzert Konzert-Abo, Preise P1
Di Fidelio 5
19.OO
Mi 6
15.3O
Oper von Ludwig van Beethoven Dienstag-Abo A,Preise E
Geschichten erzählen mit Musik
Für 4- bis 9-Jährige und ihre Eltern Kreuzstrasse, CHF 12/2O
La traviata
19.OO
Fr 8
16.OO
Oper von Giuseppe Verdi Mittwoch-Abo B, Preise F
Führung Bühnentechnik
Treffpunkt Billettkasse, CHF 2O
Fälle (Slutchai) Premiere
19.OO
Oper von Oscar Strasnoy Studiobühne, CHF 5O/35
29 Mi Fidelio
19.OO
Oper von Ludwig van Beethoven Misch-Abo A, Preise E
Opernhaustag
Die Werkseinführung findet jeweils 45 min. vor der Vorstellung statt.
BILLETTKASSE + 41 44 268 66 66
Serviceteil 38
BILLETTKASSE Öffnungszeiten: Mo-Sa 11.00 Uhr bis Vorstellungsbeginn, an Tagen ohne Vorstellung bis 18.00 Uhr. Sonntags jeweils ab 1,5 Stunden vor Vorstellungsbeginn. T +41 44 268 66 66, Mo-Sa, 11.30-18.00 Uhr / F +41 44 268 65 55 / tickets@opernhaus.ch Opernhaus Zürich AG, Falkenstrasse 1, CH-8008 Zürich VORVERKAUF Tickets für sämtliche Vorstellungen der Saison 14/15 sind unter www.opernhaus.ch und an der Billettkasse des Opernhauses erhältlich. Für schriftliche Kartenbestellungen sowie Bestellungen per Fax und E-Mail wird eine Bearbeitungsgebühr von CHF 5 erhoben. Die Benachrichtigung über die Platzzuteilung erfolgt in Form einer Rechnung, nach deren Begleichung die Karten per Post zugestellt werden. Für die postalische Zusendung von tele fonisch oder online gebuchten Karten sowie bei deren Abholung an der Billettkasse wird eine Gebühr von CHF 5 erhoben. Online tickets können auch kostenfrei zuhause ausgedruckt werden. AMAG-VOLKSVORSTELLUNGEN Die AMAG-Volksvorstellung ermöglicht es Theaterliebhabern, das Opernhaus Zürich zu einem deutlich reduzierten Preis zu besuchen. Die regelmässig stattfindenden AMAG-Volksvorstel lungen werden in der kalendarischen Übersicht dieses Magazins, online in unserem Monatsspielplan sowie per Newsletter an gekündigt. Die AMAG-Volksvorstellungen gelangen jeweils einen Monat vorher in den Verkauf. Fällt der Tag des Verkaufs-
beginns auf einen Sonn- oder Feiertag, beginnt der Vorverkauf am Öffnungstag davor. Schriftliche Kartenbestellungen sind nicht möglich. Der Maximalbezug für diese Vorstellungen liegt bei 4 Karten pro Person. OPERNHAUS-TAG Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 5O% Ermässigung für die gekennzeichnete Vorstellung. Fällt der Opernhaustag auf einen Sonntag, können die ermässigten Tickets bereits ab Samstag erworben werden. Die Termine finden Sie im Kalendarium dieses Magazins und werden Ihnen auf Wunsch regelmässig per E-Mail mitgeteilt. Newsletter abonnieren unter: www.opernhaus.ch/newsletter ERMÄSSIGUNGEN Das Opernhaus Zürich bietet unterschiedliche Ermässigungen für Kinder, Schüler, Studenten, Lernende und KulturLegi-Inhaber, AHV- und IV-Bezüger. Informationen hierzu finden Sie unter www.opernhaus.ch/besuch oder in unserem Saisonbuch. MAG ABONNIEREN MAG, das Opernhaus-Magazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.
Ins Opernhaus für CHF 15
Für Leute zwischen 16 und 26 Jahre www.opernhaus.ch/clubjung
Serviceteil 39
BILLETTPREISE
SPONSOREN
Platzkategorien
1
Preisstufe A
2
3
4
5
92 76 65 43 16
Preisstufe B
141
126
113
56
2O
Preisstufe C
169
152
13O
56
2O
Preisstufe D
198
173
152
92
32
Preisstufe E
23O
192
168
95
35
Preisstufe F
27O
216
184
98
38
Preisstufe G
32O
25O
22O
98
38
Preisstufe VV
75
59
44
25
15
Kinderoper K
6O
5O
4O
3O
2O
Preisstufe P1
95
8O
65
5O
35
Preisstufe P2
125
1O5
85
65
4O
Legi (Preisstufen A-C)
35
25
2O
18
13
Legi (Preisstufen D-G)
45
33
25
2O
15
Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER
ab PRODUKTIONSSPONSOREN EVELYN UND HERBERT AXELROD FREUNDE DER OPER ZÜRICH WALTER HAEFNER STIFTUNG SWISS RE ZÜRICH VERSICHERUNGSGESELLSCHAFT AG
WALTER B. KIELHOLZ STIFTUNG KPMG AG LANDIS & GYR STIFTUNG LINDT UND SPRÜNGLI (SCHWEIZ) AG MARSANO BLUMEN AG STIFTUNG MERCATOR SCHWEIZ FONDATION LES MÛRONS
PROJEKTSPONSOREN AMAG AUTOMOBIL- UND MOTOREN AG
Alle Preise in CHF
EGON-UND-INGRID-HUG-STIFTUNG
BAUGARTEN STIFTUNG FAMILIE CHRISTA UND RUDI BINDELLA RENÉ UND SUSANNE BRAGINSKY-
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AG PRO HELVETIA, SCHWEIZER KULTUR STIFTUNG ELSE VON SICK STIFTUNG SWISS CASINOS ZÜRICH AG PROFESSOR ARMIN WELTNERSTIFTUNG
STIFTUNG CLARIANT FOUNDATION FREUNDE DES BALLETTS ZÜRICH
IMPRESSUM Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch, T + 41 44 268 64 00, info@opernhaus.ch Intendant Generalmusikdirektor Ballettdirektor Verantwortlich Redaktion Gestaltung Fotografie Bildredaktion Anzeigen Schriftkonzept und Logo Druck Illustrationen
Andreas Homoki Fabio Luisi Christian Spuck Claus Spahn (Chefdramaturg) Sabine Turner (Direktorin für Marketing, PR und Sales) Beate Breidenbach, Kathrin Brunner, Fabio Dietsche, Michael Küster, Claus Spahn Carole Bolli, Martin Schoberer, Florian Streit, Giorgia Tschanz Florian Kalotay, Danielle Liniger Stefan Deuber Christian Güntlisberger Nathalie Maier Studio Geissbühler Multicolor Print AG Laura Jurt (9,40) Lina Müller (33)
ERNST GÖHNER STIFTUNG MAX KOHLER STIFTUNG KÜHNE-STIFTUNG RINGIER AG GEORG UND BERTHA SCHWYZER- WINIKER-STIFTUNG VONTOBEL-STIFTUNG ZÜRCHER FESTSPIELSTIFTUNG ZÜRCHER KANTONALBANK GÖNNER ABEGG HOLDING AG ACCENTURE AG JOSEF ACKERMANN ALLREAL ARS RHENIA STIFTUNG ART MENTOR FOUNDATION LUCERNE AVINA STIFTUNG BANK JULIUS BÄR BERENBERG SCHWEIZ BEYER CHRONOMETRIE AG ELEKTRO COMPAGNONI AG STIFTUNG MELINDA ESTERHÁZY DE GALANTHA
MAG kooperiert mit dem Studiengang Redaktionelle Fotografie der Schweizer Journalistenschule MAZ
FITNESSPARKS MIGROS ZÜRICH FRITZ-GERBER-STIFTUNG
FÖRDERER CONFISERIE TEUSCHER FRANKFURTER BANKGESELLSCHAFT (SCHWEIZ) AG GARMIN SWITZERLAND HOREGO AG SIR PETER JONAS LUZIUS R. SPRÜNGLI ELISABETH STÜDLI STIFTUNG ZÜRCHER THEATERVEREIN
Sibylle Berg denkt über Operngefühle nach 40
Die Eifersucht gehört zu den ganz grossen Themen der Oper, auch in Donizettis Anna Bolena. Wie soll man mit diesem bösen nagenden Gefühl im wirklichen Leben umgehen? Nur an das Gefühl zu denken, schnürt den Atem ein. Und lässt mich einsam werden. Denn Eifersucht ist ein Leiden, über das man nicht mal gepflegt plaudern kann, es sei denn, man kann pathologisierende Blicke ignorieren. Es sei denn, man kann dumme Ratschläge überhören. Ein selbstbewusster Mensch kenne sie nicht, heisst es. Wenn der Partner einen nicht schätze, sei man selber Schuld, heisst es. Eifersucht scheint die Krankheit zu sein, die ein persönliches Manko voraussetzt. Schaut man sich allerdings die Herkunft des Wortes an (Studienräte bitte diese Stelle überspringen), so spricht einiges (indoeuropäisch ai = Feuer; althochdeutsch eiver = das Herbe, Bittere, Erbitterung; althochdeutsch suht = Krankheit, Seuche) dafür, dass man es mit einem ernsten Zustand zu tun hat. Hormone im Ausnahmezustand, Herzschmerzen, Atemnot. Das soll alles seinen Ursprung in einem mangelnden Selbstwertgefühl haben? Folge einer schlechten Erziehung? Für was sollen wir denn noch alles selber verantwortlich sein? Atomkraftwerke? Abstürzende Flugzeuge? Heute hätte ich die Kraft, Freunde, die meine Eifersucht belächeln, mit spitzen Worten abzustrafen und ihrem «Ach komm, stell dich nicht so an» mit einem Monolog zu antworten, der so ginge: «Hör zu, Kameradin, ich kenne all die hohlen Sätze, dass man einen Menschen nicht besitzen kann, dass man dem Partner Freiheit geben muss, damit er bleibt. Das ist alles Stuss. Natürlich wollen wir den Menschen, den wir lieben, besitzen. Wir wollen seinen Körper, seinen Geist, seine Treue. Wir wollen ihn nicht verlieren. Weder an den
Tod noch an einen anderen Menschen, was ungefähr dasselbe meint – er ist weg. So wie unsere Eltern vielleicht weg waren, oder wie wir es als Kleinkind befürchteten, wann immer sie die Wohnung verliessen, die geliebten Menschen, die Eltern, die einzigen Bewohner der Erde, ohne die wir sterben würden. So wollen wir das auch bei unserer Liebe nicht. Da draussen lauert das Elend, lauern andere Menschen, die genau unseren Partner für sich wollen, denn er oder sie ist das Beste, was ihnen passieren könnte. Er oder sie ist aber – verdammt nochmal – das Geschenk, das wir bekommen haben und nicht teilen wollen. Wer will das schon? Also ist es deshalb unser gutes Recht, Menschen, die sich zu nahe an unseren Menschen wagen, einen Einkaufswagen in die Kniekehlen zu rammen, und es besorgniserregend zu finden, wenn wir Personen am Telefon nicht hören, nur ihr Atmen hören und ihre Anspannung vor dem Sprung, mit dem sie unsere Liebsten erlegen wollen. Und wenn du das nicht fühlst, du abgeklärter Idiot, wenn es dir egal ist, deinen Menschen an einen anderen Menschen zu verlieren, dann werde Buddhist, geh ins Kloster oder liebe weiter nur dich selbst und hör endlich auf, verdammt nochmal, mich so mitleidig anzusehen. Eifersucht entstellt das sanfteste Gesicht, macht dich klein, hässlich, hilflos, nicht liebenswert, darum geht es. Es nicht wert zu sein, eine Liebe zu haben, jemanden, der einen für das Zentrum der Welt hält. Das fürchten wir. Austauschbar zu sein, wie wir doch alle wissen, dass wir nur ein Individuum unter Milliarden sind und der Welt egal. Allein. Vergessen. Vermodert. Gras darüber. Das, mein Freund, ist Eifersucht.» Sibylle Berg
Illustration: Laura Jurt
Eifersucht
Blindtext 20
Fabio Luisi und die Philharmonia Zürich präsentieren einen dynamischen Livemitschnitt von Hector Berlioz’ «Symphonie fantastique» sowie eine Doppel-CD mit ausgewählten Ouvertüren und Zwischenspielen von Richard Wagner. Giuseppe Verdis «Rigoletto» in der gefeierten Inszenierung von Tatjana Gürbaca ist mit George Petean, Aleksandra Kurzak und Saimir Pirgu in den Hauptrollen die erste DVD-Veröffentlichung aus dem Opernhaus Zürich auf dem neuen Label Philharmonia Records. Ab sofort weltweit und im Opernhaus Zürich erhältlich www.philharmonia-records.com
Teamgeist. Das verbindet uns mit dem Intendanten und dem Ballettdirektor des Opernhauses Zürich. Andreas Homoki und Christian Spuck stehen hinter einem Ensemble, das mit Harmonie, Disziplin und Können die Leidenschaft für Musik, Gesang und Tanz auf ein breites Publikum überträgt. Der gemeinsame Wille, unermüdlich das Beste zu bieten, kennzeichnet auch unsere Arbeit für alle Kunden in der Schweiz. Deshalb unterstützt UBS das Opernhaus Zürich seit 1987 als Partner.
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