MAG 56: Lunea

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MAG 56

Heinz Holliger komponierte ÂŤLuneaÂť


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Editorial

Uraufführungszauber Verehrtes Publikum, wann wird an einem Opernhaus eigentlich Theatergeschichte geschrieben? Wenn ein Dirigent über viele Jahre hinweg den musikalischen Ton eines Hauses prägt; wenn berühmte Sängerinnen ihre wichtigsten Rollen auf ihrer heimischen Bühne präsentie­ ren; Regisseure mit wegweisenden Inszenierungen für Furore sorgen oder Tenöre an einem Haus zum Weltstar heranreifen. Das alles kann denkwürdig sein. Aber viel mehr noch wird Theatergeschichte geschrieben, wenn Opernhäuser neue Werke aus der Taufe heben. Die Kenner wissen bis heute, dass Mozarts Don Giovanni in Prag und Bizets Carmen an der Pariser Opéra Comique uraufgeführt wurden, und die Welt­ premiere von Verdis Traviata am Teatro La Fenice in Venedig kein Erfolg war. Gloriose Sängerauftritte und spektakuläre Regiearbeiten kommen und gehen, aber Uraufführungsdaten bleiben. Auch das Opernhaus Zürich kann in seinen Annalen auf bedeutende Urauffüh­ rungen verweisen. Alban Bergs Lulu beispielsweise wurde am 2. Juni 1937 in der fragmentarischen, zweiaktigen Fassung in Zürich uraufgeführt. Paul Hindemiths Oper Mathis der Maler hat hier 1938 das Licht der Welt erblickt, ebenso wie Arnold Schön­ bergs Moses und Aron im Jahr 1957 oder Bohuslav Martinůs Griechische Passion vier Jahre später. Zu den bedeutenden Uraufführungen der jüngeren Zeit gehören Heinz Holligers Oper Schneewittchen im Jahr 1998 oder Beat Furrers Musiktheater invocation im Jahr 2003. Und nun ist es wieder soweit: Am 4. März 2018 wird zum ersten Mal Lunea erklingen, die neue Oper von Heinz Holliger, dem wohl bedeutendsten lebenden Komponisten der Schweiz. Die Proben laufen auf Hochtouren, die Besetzung könnte hochkarätiger nicht sein. Der 79-jährige Komponist – agil und geistesschnell, streng und humorvoll wie eh und je – steht selbst am Dirigentenpult. Kein Geringerer als der international gefeierte deutsche Bariton Christian Gerhaher gibt die zentrale Rolle des wahnsinnigen Künstlers Nikolaus Lenau, um den die Oper kreist. Juliane Banse singt (wie vor zwanzig Jahren in Holligers Schneewittchen) die weibliche Hauptrolle. Intendant Andreas Homoki ist der Regisseur. Natürlich weiss man bei einem Uraufführungstermin vorab nie, wie geschichts­ trächtig er sein wird. Aber gerade deshalb, verehrtes Publikum, sollten Sie es nicht ver­­säumen, eine Vorstellung von Heinz Holligers Lunea zu besuchen. Die Oper bie­tet neunzig Minuten Sinne und Intellekt gleichermassen herausforderndes, zeitgenössi­ sches Musiktheater. Sie hat alles, was einen Opernbesuch spannend macht: expressive, betörende Musik, grossartige Stimmen, überraschendes Theater. Und das Beste: Sie werden die Ersten sein, die es erleben. Claus Spahn

MAG 56/ Februar 2018 Unser Titelbild zeigt Heinz Holliger, den Komponisten von «Lunea». Lesen Sie ein Interview auf Seite 10. (Foto Florian Kalotay)

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Inhalt

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A m 4. März kommt die neue Oper «Lunea» von Heinz Holliger zur Uraufführung. Ein Gespräch mit dem Schweizer Komponisten E ine Uraufführung ist immer eine besondere Herausforderung: Re­gis­seur Andreas Homoki und Haupt­dar­steller Christian Gerhaher über ihren Umgang mit zeitgenössischem Musiktheater

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Die Sopranistin Juliane Banse hat am Opernhaus Zürich bereits die Urauf­­füh­ rung von Holligers «Schnewittchen» gesungen. Nun ist sie in «Lunea» zu er­ leben. Volker Hagedorn hat sie getroffen

Ab dem 18. März ist Andreas Homokis Inszenierung von Wagners «Fliegendem Holländer» zurück im Spielplan. Steven Humes schildert seine Sicht auf die Partie des Daland

Opernhaus aktuell – 6 Drei Fragen an Andreas Homoki – 7 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 9 Die geniale Stelle – 32 Der Fragebogen – 38 Kalendarium und Serviceteil – 39 Auf dem Nachhauseweg – 44

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Fotos: Florian Kalotay

Komponisten-Kalligrafie Wie fängt ein Komponist an, die vielen Noten zu Papier zu bringen, die ihm Tag und Nacht durch den Kopf gehen? Heinz Holliger hatte, als er seine neue Oper für das Opernhaus Zürich komponierte, immer einen Ausdruck des Librettos bei sich und schrieb seine Ideen und sprachlichen Gedankenblitze mit Bleistift direkt um die Textzeilen herum. So ist eine erste Partiturskizze in Form eines kalligrafischen Rätsel- und Wunderwerks entstanden, das musikalisch schon sehr viel von dem enthält, was am 4. März in der Uraufführung von Holligers Oper «Lunea» zu hören sein wird. Wir zeigen hier die Skizzen auf der ersten Librettoseite. Frei nach Eichendorff: Schläft ein Lied in allen Zeichen.


Opernhaus aktuell

Liederabende

Die Philharmonia Zürich auf Tournee

5. Philharmonisches Konzert

Diana Damrau singt Wolf und Strauss

Mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks

Benjamin Schmid spielt Ermanno Wolf-Ferrari

Bevor sie ab April als Donizettis Maria Stuarda auf der Bühne des Opern­ hauses Zürich steht, ist Diana Damrau in einem Liederabend zu erleben. Gemeinsam mit dem Pianisten Helmut Deutsch widmet sie sich im ersten Teil ihres Programms dem Italienischen Liederbuch von Hugo Wolf. In den charmanten, oft doppelbödigen Minia­ turen gelingt es Wolf, die Aussage des Textes musikalisch mit höchster Prägnanz einzufangen – ganz gleich, ob es sich dabei etwa um eine schwärmerisch-überschwängliche Liebeserklärung handelt oder um eine kleine, gut plat­ zierte Boshaftigkeit. Der zweite Teil ist Kompositionen von Richard Strauss gewidmet. Eine Rarität sind die nur selten mit Klavier zu hörenden Vier letzten Lieder. Montag, 19 März 2018, 19 Uhr Hauptbühne

Michael Volle singt Schuberts «Winterreise» Michael Volle ist in Zürich nicht nur als Interpret grosser Mozart-, Wagneroder Verdi-Partien bekannt, auch als einfühlsamer Liedgestalter hat er hier schon oft auf der Bühne gestanden. Bevor der Frühling so richtig Einzug hält, interpretiert der Bariton gemeinsam mit dem Pianisten Helmut Deutsch Franz Schuberts Winterreise. Die 24 Lieder nach Gedichten von Wilhelm Müller bilden den Höhepunkt in Schuberts Liedschaffen und gleichzeitig den Gipfel romantischer Liedkunst. Mittwoch, 4 April 2018, 19 Uhr Hauptbühne

Die Philharmonia Zürich war im Januar gleich zweimal mit der französischen Pianistin Hélène Grimaud auf Tournee – und erntete viel Lob. Unter Leitung des Generalmusikdirektors Fabio Luisi führte die erste Reise nach Madrid, Valencia, Alicante und Oviedo. In der Kritik der Tageszeitung El Mundo über das Konzert in Alicante wird Luisis «lyrisch-dramatisches Dirigat» ebenso ge­lobt wie der flexible Orchesterklang. Das Onlineportal bachtrack.com geht in der Kritik des Madrider Konzerts be­ sonders auf die Interpretation der 5. Sin­ fonie von Tschaikowski ein: «Nichts», heisst es dort, «fehlte in dieser ausserge­ wöhnlichen Version»: der ausgeglichene Streicherapparat wird ebenso hervor­ gehoben wie die überwältigenden Blech­ bläser, die sensiblen Holzbläser und die kraftvolle Perkussion. Auch in Valen­ cia wird das Konzert der Philharmonia als «eines der besten der Saison» ge­ priesen (Valencia Plaza): Das Rondo des 4. Klavierkonzerts von Beethoven sei von einer Frische, «als ob es gerade zum ersten Mal aufgeführt worden wäre»; die Präzision des Orchesters wird mit einem «Schweizer Uhrwerk» ver­ glichen, das aber niemals starr, sondern immer elastisch und warm klinge. Unter Teodor Currentzis führte das zweite Gast­spiel ins Wiener Konzerthaus; das G-Dur-Klavierkonzert von Ravel und Strawinskys Feuervogel-Suite standen auf dem Programm: «Das Orchester liess keine Wünsche offen», heisst es in der Kritik des Standard, die «viel Energie bei Currentzis und ebenso viel Präzision bei der Philharmonia» vermerkte. Hoch­ gelobt wurde auch unser Schlagzeuger Hans-Peter Achberger, der kurzfristig das Dirigat von Dieter Ammanns glut übernahm: «Er überraschte damit doppelt, indem er das zwanzigminütige Stück auswendig dirigierte und dabei absolut souverän agierte», heisst es im Standard, auch die Krone am Sonntag bescheinigte ihm «hohes Können».

Das Violinkonzert D-Dur des in Venedig geborenen Komponisten Ermanno Wolf-Ferrari steht ganz in der Tradition der grossen Violinkonzerte des 19. Jahrhunderts. Von der gewandelten Musiksprache des 20. Jahrhunderts und der Entstehungszeit während des Zweiten Weltkrieges bleibt das Werk völlig unberührt. In tiefer Bewunderung für die amerikanische Geigerin Guila Bustabo geschrieben, scheint die hoch­ romantische Komposition ganz nach innen gewendet und der Zeit enthoben. Der österreichische Geiger Benjamin Schmid hat das Konzert bereits in einer hochgelobten Aufnahme eingespielt und interpretiert es nun mit der Philhar­ monia Zürich unter der Leitung von Gustavo Gimeno. Im selben Konzert er­ klingt zudem die Achte Sinfonie G-Dur von Antonín Dvořák, die ganz dem folkloristisch-­böhmischen Idiom ver­ pflich­tet ist. Sonntag, 25 März 2018, 19.30 Uhr Hauptbühne

Ballett Zürich

Mit Tolstoi in Hongkong Mit Anna Karenina gastiert das Ballett Zürich beim Hong Kong Arts Festival. Zum Auftakt des renommiertesten asiatischen Theater- und Musikfestivals geben die Zürcher Tänzerinnen und Tänzer vom 23. bis 25. Februar 2018 in der Acht-Millionen-Metropole vier Vorstellungen von Christian Spucks erfolgreichem Handlungsballett.

Illustration: Anita Allemann,  Foto: Frank Blaser

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Wir wollen Vielfalt! Nach wie vor wird Neues vom Opern­publikum oft zögerlich aufge­ nommen, eine Uraufführung wie Heinz Holligers Lunea birgt deutlich mehr Risiko für ein Opernhaus als die Neuinszenierung eines Repertoire­ stücks. Warum ist es trotzdem not­ wendig, Uraufführungen zu wagen? Wir leben in einer Zeit, in der das eigentlich Selbstverständliche zur Aus­ nahme geworden ist. Vor drei Jahr­ hunderten hätte niemand daran gedacht, historische Opern aufzuführen, man ging eigentlich nur in neue Opern oder neue Vertonungen bekannter Stoffe. Mittlerweile hat die Kunstform Oper über vier Jahrhunderte einen Werkkanon hervorgebracht, den wir auch pflegen müssen. Denn in dem Moment, in dem wir die alten Werke nicht mehr spielen, existieren sie nur noch in Papier­form oder auf Tonträgern. Und die guten Werke des Repertoires haben ja eine zeit­ lose Qualität, sind nach wie vor in­ haltlich relevant. Man muss sich also ein bisschen anstrengen, um Raum für das Zeitgenössische zu schaffen. Das tun wir aber gern und mit Freude, weil es interessant ist, neue Wege zu gehen, die man mit historischen Stoffen nur be­ dingt beschreiten kann. Unsere 80 Mil­ lionen Subventionen fliessen ja auch nicht dafür, dass wir kommerziell erfolg­ reich sind, sondern dafür, dass wir uns ein gewisses Risiko leisten. Aus den Subventionen entsteht also auch eine Ver­ pflichtung. Wenn wir nur kommer­ziell erfolgreich arbeiten wollten, müssten wir Musical zeigen – eine erfolgreiche Pro­ duktion mit wenig Personal, die dreissig Jahre lang gespielt werden kann. Aber das wäre das Gegenteil dessen, was wir wollen. Wir wollen Vielfalt! Wieso fiel Ihre Wahl auf Holliger? Heinz Holliger ist einer der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten weltweit und der Doyen der Schweizer Kom­ ponisten. Was liegt also näher, als ihm den Auftrag zu erteilen, eine neue Oper

zu komponieren? Dieser Auftrag ent­ stand aus der Nähe des Opernhauses zu Heinz Holliger und aus dem persön­ lichen Kontakt. In meiner ersten Spiel­ zeit am Opernhaus Zürich haben wir seinen Liederzyklus Lunea mit Christian Gerhaher uraufgeführt. Das war eine sehr freundschaftliche Begegnung mit diesen beiden Künstlern. Der Zyklus wurde zum Ausgangspunkt einer Oper, in der Christian Gerhaher die Haupt­ rolle singt. Man kann also im Opernhaus produktiv wirken, indem man Dinge anstösst, die sich dann weiterentwickeln. Lunea inszenieren Sie selbst. Worin besteht für Sie als Regisseur die Herausforderung, eine Uraufführung auf die Bühne zu bringen? Die grösste Herausforderung ist, dass man das Stück nicht vorher hören kann. Wenn ich eine Inszenierung vorbereite, beschäftige ich mich normalerweise sehr mit der Musik. Der Annäherungs­ prozess ist ein anderer, wenn das nicht möglich ist. Der Bühnenbildent­ wurf muss bereits viele Monate vor Probenbeginn fertig sein, und der Ent­ wurf für Lunea ist entstanden, ohne dass wir die Musik wirklich kannten. Also musste die Bühnenkonzeption variabel sein, um diese Bilder herzustellen. Wenn man eine Uraufführung macht, hat man die besondere Verpflichtung, die Struktur und das Werk sehr genau abzu­ bilden und die eigene Interpretation zurückzustellen. Holliger geht sehr vom Text aus, komponiert aber eine ges­ti­ sche, theatrale Musik. Ich denke, hier ist ein sehr interessantes Musiktheater entstanden; es ist aufregend, der erste zu sein, der das auf die Bühne bringt! Und es ist toll, wenn der Komponist bei den Proben ist und man fragen kann: Wie ist diese Szene gedacht, warum hast du an dieser Stelle diese Musik kom­ poniert? Eine aussergewöhnliche und für mich sehr fruchtbare Situation.

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DIE OPER KOMMT INS KINO

LE NOZZE DI FIGARO SO 18.03.2018, 11.00 UhR

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AUFZEIChNUNG VON DEN SALZBURGER FESTSPIELEN OPER IN 4 AKTEN VON WOLFGANG AMADEUS MOZART Mit: ADAM PLAChETKA, LUCA PISARONI, ANETT FRITSCh Dirigent: DAN ETTINGER regie: SVEN-ERIC BEChTOLF Dauer: 3 h 12 Min Preise: Preise: ChF 42.– / 40.– (AhV, Legi), ChF 36.– (Arthouse Kinokarte)

Do 19. 04. 2018, 20.00 Uhr: DON PASQUALE, L I V E aus der Mailänder Scala Mi 16. 05. 2018, 20.00 Uhr: LE CORSAIRE, L I V E aus der Mailänder Scala Do 07. 06. 2018, 19.45 Uhr: BORIS GODUNOV, L I V E aus der Opéra de Paris Weitere KinOpera Termine unter www.arthouse.ch / kinopera Mit der Kinokarte.ch günstiger auch an die Live-Events: www.arthouse.ch / kinokarte

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu?

Rechts. Hoch. Links. Runter

Illustration: Anita Allemann

Heute haben wir das Bühnenbild für die Uraufführung von Heinz Holligers neuer Oper Lunea zum ersten Mal aufgebaut. Wir nennen das «Erste TE», was für Techni­ sche Einrichtung steht. Lunea ist kein «schwerer Brocken» wie Wagners Parsifal, bei dem wir mehrere Tonnen Material auf die Bühne bringen müssen, aber auch kein leichtes Werk! Denn obwohl die Bühnentechnikerinnen und Bühnentechniker heute vergleichsweise wenig Gewicht zu tragen haben, ist es doch ein technisch sehr an­spruchs­ volles Stück. Die techni­sche Raffinesse liegt darin, dass der Regisseur Andreas Homoki und sein Bühnen­bildner Frank Schlössmann bei jedem Szenenwechsel eine Wand quer durch den offenen Bühnenraum fahren lassen wollen. Während sich die Wand im Zeit­lupentempo vor die Szene schiebt, findet dahinter ein Umbau des Büh­nenbildes statt. Die Wand wischt sozusagen das Bühnenbild weg und gibt beim Herausfahren wie von Zauberhand verändert den Blick auf ein neues frei. Dass unsere Bühnentechnikerinnen und Bühnentechniker diese 23 Szenen­wechsel (denn das Stück besteht aus 23 Bildern) von Hand vornehmen müssen – und zwar unsichtbar und absolut lautlos! – soll hier gar nicht das Thema sein. Das wird das Team in den kommenden Bühnenproben perfekt einstudieren. Das vordringliche Problem war zunächst die Bewegung der Wand selbst zu ermöglichen, denn sie soll immer von der gleichen Seite aus den Raum durchschneiden. Ein Hin und Her, was technisch natürlich das Praktischste und Einfachste wäre, ist von der Regie nicht ge­ wünscht. Daher mussten wir folgenden technischen Vorgang organisieren: Die Wand hängt soweit links, dass sie vom Zuschauerraum aus nicht sichtbar ist. Auf Kommando fährt sie in den Sichtbereich und durch das Bild, bis sie rechts wieder ausser Sicht und hinter dem Portal­rahmen des Bühnenbildes verschwunden ist. Anschliessend fährt die Wand nach oben und wird oberhalb der Bühnenöffnung – nicht sichtbar – wieder nach links geführt, abgesenkt und der Kreislauf kann von Neuem beginnen. Klingt einfach, ist aber erstaunlich aufwendig! Die Wand hängt für diesen Vorgang in einer langen Schiene, die unsere Schnür­ meister computergesteuert hochziehen und herunterlassen können. Horizontal wird die Wand mit Hilfe eines Seiles bewegt. Um zu verhindern, dass die ganze Konstruk­ tion bei dieser seitlichen Bewegung zu schwingen beginnt, mussten wir ein stabiles Gerüst auf den Bühnenboden schrauben, an der die Schiene so befestigt ist, dass sie hoch und runter fahren, aber nicht hin und her schwingen kann. Der Regisseur möchte natürlich, dass die Wandfahrten sekundengenau auf die Musik passieren, und zwar immer genau in der Geschwindigkeit, in der sie auch ge­ probt wurden. Deswegen müssen wir auch die seitlichen Wandfahrten mithilfe des Computers und Seilkonstruktionen steuern, die allerdings so knifflig sind, dass ich bei der exakten Beschreibung etliche Knoten in die Sätze machen müsste. Daher nur so viel: Es kommen Kranhaken (die wir Punktzüge nennen), etliche Seilrollen, genau austarierte Gewichte und viel technisches Gehirnschmalz zum Einsatz. Und während ich diesen letzten Satz schreibe, sind die Schnürmeister gerade dabei, die unzähligen Fahrten akribisch zu programmieren, damit morgen, auf der ersten Bühnenprobe, alle Fahrten wie gewünscht ablaufen. Immer von der einen Seite zur anderen. Und sekundengenau zur Musik. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

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In Lenaus Kopf Nikolaus Lenau war ein erfolgreicher Dichter des Biedermeier und eine faszinierende Künstlerpersönlichkeit, ein Vielbegabter und rastlos Suchender, ein Mann der Frauen und wahnsinnig. Der Schweizer Komponist Heinz Holliger hat ihm sein neues Musiktheaterwerk gewidmet, das am 4. März am Opernhaus Zürich uraufgeführt wird



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Herr Holliger, wann haben Sie an­ gefangen, sich für den Dichter Nikolaus Lenau zu interessieren? Ich kannte ihn als Lyriker seit langer Zeit und konnte gut nachvollziehen, dass seine Gedichte viele Komponisten zum Schreiben angeregt haben. Er ist ja einer der meistvertonten Lyriker des 19. Jahrhunderts. Aber die ganz grosse Faszination ging für mich nicht von seinen Gedichten aus. Ich fand sie ver­ gleichsweise konventionell. Um das Jahr 2000 habe ich dann in einer Berliner Buchhandlung Lenaus «Notizbuch aus Winnenthal» gefunden und sofort ge­ kauft. Darin entdeckte ich so unglaubli­ che Sätze wie: «Bin ich eine Alpenlerche oder ein Kondor – ein singender Punkt am Himmel oder eine jauchzende Welt­ kugel?» Das hat mich sofort gepackt, auch weil es Parallelen zu Hölderlin gibt, den ich ja ausser­ordentlich schätze.

Die Illustration auf Seite 10/11 zeigt eine historische Kleckso­gra­fie von Justinus Kerner, einem Dichterfreund von Nikolaus Lenau, der (vor Hermann Rorschach!) mit Hilfe von Tintenklecksen und Papierfaltungen sym­metrische Figuren schuf, die er spielerisch und mit romantischer Fantasie gegen­ständ­ lich interpretierte.

Winnenthal ist eine Nervenheilanstalt bei Stuttgart, in die Lenau im Oktober 1844 eingeliefert wurde. Ja, das Büchlein gehört zu den letzten dichterischen Äusserungen von Lenau. Ein regelrechter Durchbruch meiner Begeisterung für Lenau kam dann mit der Lektüre seiner sogenannten Zettel. Der Ton, der darin angeschlagen wird, hat mich unglaublich fasziniert, weil er so fern ist von der Sprache der Gedichte. Es ist eine Sprache von einer für die damalige Zeit atem­be­ raubenden Kühnheit und Neuheit. Das liest sich, als ob es fünfzig Jahre später entstanden wäre, als ob Franz Kafka, Georg Trakl oder Georg Heym es geschrieben hätten. Das ist natürlich genau meine Welt. Mit welcher Intention hat Lenau diese «Zettel» geschrieben? Für ihn waren es schnell aufs Papier ge­ worfene Tagebuchnotizen. Sie sind, anders als seine Gedichte, nicht gereimt und in freier Rhythmik verfasst. Seine Lyrik krankt ein wenig daran, dass er die Konventionen des biedermeierlichen Gedichteschreibens bedient. In den Zetteln aber bricht sich eine entfesselte Sprache Bahn, die man diesem Dichter gar nicht zugetraut hätte.

Wann sind die Zettel entstanden? Genau weiss man es nicht, aber wahr­ scheinlich in den letzten vier Jahren vor dem Nervenschlag, den Lenau 1844 erlitten hat, und von dem er sich nicht mehr erholte. Sein Schwager Anton Schurz, der auch Lenaus erster Biograf war, hat die Zettel gesammelt. Sie wurden 1906 veröffentlicht, damals ohne nennenswertes öffentliches Echo. Die Zettel sind also enstanden, bevor Lenau wahnsinnig wurde? Kurz vorher, ja. Haben sich da schon Bewusstseins­­­ veränderungen bei ihm bemerkbar gemacht? Seine Freunde haben in dieser Zeit selt­ sa­me Veränderungen in seinem Ver­­ halten festgestellt. Er habe zwanghaft immer die gleichen Sätze gesagt. Er reiste rastlos in Expresskutschen zwischen Wien und Stuttgart hin und her, war nirgendwo mehr zu Hause, suchte bei Frauen vergeblich nach Halt in seinem Leben. Es waren eben diese Lenauschen Gedankenblitze, die sie zu Musik in­ spiriert haben? 23 davon habe ich zunächst für Stimme und Klavier vertont und für Christian Gerhaher geschrieben, der sie vor fünf Jahren hier am Zürcher Opernhaus uraufgeführt hat. Aber ich habe immer gespürt, dass da noch mehr drinnen steckt. Die Worte sind wie Blitze, die in alle möglichen Richtungen aufzucken. Sie sind von grosser Strahlkraft. Hinter, über und unter ihnen tun sich schwin­del­­­ erregende Räume auf. Da habe ich mich als Komponist herausgefordert ge­ fühlt, diese Räume mit Musik auszu­loten und auszugestalten. Es war aber nicht nur Lenaus Sprache, die sie begeistert hat, sondern auch dessen Leben. Für mich wurde er immer mehr zu einer faszinierenden Figur, die es zu ent­ decken galt. Lenaus Begabungen müssen unglaublich vielfältig gewesen sein. Er wurde in Ungarn geboren, hat in Buda­ pest Medizin, Agrikultur, Philosophie


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und einiges mehr studiert, nichts davon abgeschlossen und hat schon damals angefangen zu dichten. Er war gleich­ zeitig einer der genialsten Gitarren­ spieler, die es damals gab. Später spielte er eine Guarneri-Geige, und viele Be­ rufsmusiker meinten, er hätte einer der grossen Geiger seiner Zeit werden können. Lenaus Begabungen waren so vielfältig, dass sie gar kein rechtes Flussbett fanden, worin die ganze Ener­ gie hätte abfliessen können. Er war adelig und für einen Dichter finanziell relativ unabhängig. Aber ihn trieben revo­lutionäre Gedanken um, er war ra­di­­kal antiklerikal eingestellt, und neben Heinrich Heine gehörte er in der da­­ maligen Zeit zu den wenigen, denen der Antisemitismus ein Horror war. Poli­ tisch höchst inkorrekt, wurde er von der Zensur Metternichs gequält und war ständig auf der Flucht zwischen Wien und Stutt­gart. Das führte dazu, dass er das gesamte Europa für kaputt und korrupt hielt. Gemeinsam mit einfachen schwäbischen Bauern emigrierte er des­halb nach Amerika, wurde dort übers Ohr gehauen und kehrte nach einem Jahr völlig desillusioniert zurück. Wieder daheim, nannte er die Vereinig­ ten Staaten von Amerika «verschwei­ nigte» Staaten von Amerika. Die Leute dort seien ge­nau­­so geldgierig und korrupt wie zu Hause, und es gäbe dort keine Nachti­gal­len. Lenau war als Halb­wüchsiger ein Haudegen und mi­t­ leidloser Vogel­fänger. Aber er inszenierte sich auch, mit einer Husarenuniform und in teurem Samt gehüllt, als der gla­ mouröse Dichter aus der Puszta. Er war janusköpfig, ein nie auszumachender, unberechen­barer Mensch. Sein Leben hat – wie die Musik – etwas Meta­sprach­ liches. Die fängt auch erst an, wenn die Normalität an ihr Ende kommt. Wie war sein Verhältnis zu den Frauen, bei denen er ja gut ankam? Ebenso rastlos, unstet, doppelgesichtig. Die stärkste Bindung hatte er zu Sophie von Löwenthal, der Ehefrau seines Freundes Max von Löwenthal, die er leidenschaftlich liebte. Mit ihr unterhielt er einen ausgedehnten Briefwechsel, wo­ bei er jeden Brief zweimal schrieb, einen

förmlichen, offiziellen – in der dama­ ligen Zeit war es üblich, dass man sich eintreffende Briefe im Kreis von Freun­ den und Familien vorlas – und einen heimlichen, ungezügelten, in dem er schrieb, was er eigentlich hatte schreiben wollen. Diese heimlichen Briefe schla­ gen ebenfalls einen entfesselten, schwär­ merischen Ton an. Es sind durch keine Konventionen eingehegte Wortkaska­ den. Ursprünglich wollte ich etwas von ihnen in meine neue Oper aufnehmen, aber sie waren mir dann zu obsessiv nur auf das Thema der leidenschaftlichen Liebe zu Sophie ausgerichtet. Das kann einem mit der Zeit ein bisschen auf die Nerven gehen. Aber diese Parallel­ welten, die sich in der Korrespondenz mit Sophie auftun, haben mich sehr interessiert. Ich fühle mich ja immer an­ gezogen von Menschen, die innerlich zerschnitten sind. Die Vertonung der Lenau-Aphoris­ men haben Sie dann orchestriert. Dies war der Nukleus für die heutige Oper, die ebenfalls Lunea heisst. Was hat Ihnen das sichere Gefühl gege­ ben, dass man aus dem Liederzyklus Musiktheater machen kann? Lunea ist kein Liederzyklus, das wäre die falsche Bezeichnung. Die 23 Zettel sind in ihrer Zusammenstellung nicht in einer Bogenform aneinandergereiht. Die könnte man auch ganz anders kom­ binieren. Ich habe sie als Blätter be­ zeichnet wie Lebensblätter, die man vom Kalender abreisst oder Laubblätter, wie sie im Herbst von den Bäumen fallen. Mich hat gerade die Offenheit der Text­ ebene gereizt. Es sind schlaglichtartige Impulse, expressive Kraftzentren, die in dem Stück Raum greifen. So ist die Komposition auch entstanden. Ich habe ständig direkt auf die Librettoseiten kleine Notenfragmente und Skizzen geschrieben, bis die Seiten übersät waren von meinen Notizen. Später erst habe ich alles zusammengefügt und in eine zeitliche Ordnung gebracht, wobei die Abfolge der 23 ursprünglichen «Zettel» mein Librettist Händl Klaus festgelegt hat. Das war mir lieber so, weil ich mich für keine Reihenfolge entscheiden konnte. Es ist eben kein biografischer


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Bogen, der sich über das Werk spannt. Man könnte sagen, jedes Blatt fängt wieder bei Null an. Die existierenden Lunea-Vertonungen habe ich in die Oper integriert. Sie sind eingeschoben wie Choräle in einer Bach-Passion. Sie wollten auf keinen Fall das Leben eines Künstlers vertonen? Nein. Alle Filme etwa, die das Leben eines Komponisten biografisch vor­ führen, gehen mir auf die Nerven. Da­ gegen bin ich ziemlich allergisch. Was war dann die dramatische Situa­ tion, die Sie sich vorgestellt haben? In meiner Vorstellung war Lenaus Nerven­schlag der Auslöser des Musik­ theaters, ein «Riss», wie Lenau den Schlaganfall selbst bezeichnet hat, der mitten durchs Gesicht geht. Die eine Hälfte ist gelähmt, die andere ist noch durchblutet. Dieser Nervenschlag kam mir vor wie die Symmetrieachse eines völlig asymmetrischen Lebens. Ich wollte, von ihm ausgehend, die Zeit bis zu Lenaus Verdämmern über sechs Jahre hinweg fassen und gleichzeitig zurück­ gehen bis in seine Jugend. Ich wollte wichtige Lebens- und Schaffensstationen, gleichzeitig vor- und zurückspulend, zur Darstellung bringen und die Wahr­ nehmung der Zeit völlig durcheinander­ ­bringen. Die Zeit zu dehnen und zu stauchen, anzuhalten und rückwärts lau­ fen zu lassen – das kann eben nur die Musik und keine andere Kunstform. Ich wollte Lenaus Doppelgesichtigkeit mu­ si­kalisch ausdrücken. Vieles im Li­bret­to und in der Partitur ist palyndromisch konzipiert. Die 23 Blätter haben in der Mitte eine Symmetrieachse. Nach elf­ einhalb Blättern taucht das Wort FEUER auf, Sinnbild für das Verbrennen eines Dichterblatts. Einen Takt später erscheint das Wort REUE(F). Das ist spiegel­ symmetrisch angelegt, exakt in der Mitte des Stücks. Danach sind die Szenen zum Teil rückwärts geschrieben, auch einzelne Worte. Aus «schuldig» wird «gidlusch», aus «grab» wird «barg» usw. Die Konstruktion darf man sich jetzt aber auch nicht zu geometrisch vor­ stellen.

Nein, überhaupt nicht. Es ist alles fragmentarisch und kaleidoskopartig in­ einander verschachtelt. Die Mosaiksteine fügen sich am Ende zwar zu einer Gesamtform, aber die Reihenfolge ist für den Zuhörer nicht unmittelbar nach­ voll­ziehbar. Es ist wie in einem Traum, in dem sich das Geträumte ja auch von einem kontinuerlichen Zeitverlauf löst. Im Traum kann ein ganzes Leben in zwei Sekunden vorüberziehen. Es gibt Sprünge, Rückblenden, parallele Zeit­ebenen. Als wir zum ersten Mal über ein mög­ liches Opernprojekt sprachen, waren Sie skeptisch, ob es Sie noch einmal zur Bühne drängt. Wie denken Sie heute darüber? Sind Sie doch ein Musiktheatraliker? Ich habe es versucht und wollte es unbe­ dingt. Ich habe Zeit meines Lebens eine grosse Nähe zum Theater verspürt. Mein Bruder war Regisseur. Wir haben schon als Kinder ständig Theater ge­ spielt. Im Alter zwischen 16 und 19 Jahren habe ich acht Schauspielmusiken geschrieben und war Hauskomponist in der Schauspielklasse von Margarete Schell, der Mutter von Maria und Maximilian Schell. Ich habe wirklich den Staub der Theaterbühne inhaliert. Ich fühle mich nur nicht zu Hause in der Welt der konventionellen Oper, wo oft Worte gesungen werden, die gar nicht der Musik bedürfen. Wie meinen Sie das? Witolt Lutosławski, einer der ganz Gros­ sen unter den Komponisten des ver­ gangenen Jahrhunderts, hat einmal ge­ sagt: «Ich kann keine Oper schreiben, weil da ständig Dinge gesungen werden, die man genauso gut sagen könnte.» Ich möchte, wenn ich für die Musik­ theaterbühne komponiere, kein einziges Wort in Musik setzen, das man auch sagen könnte. Wie muss Sprache beschaffen sein, dass sich Musik an ihr entzünden kann? Wenn Sprache nur Ideen transportiert, ist sie für mich als Komponist völlig un­attraktiv. Ein Wort muss ausstrahlen und Kreise um sich ziehen wie ein


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ins Wasser geworfener Kieselstein, der Wellen erzeugt, dann kann ich mir Musik dazu vorstellen. Händl Klaus, mein Partner, hat mir solche Worte ge­ schrieben. Sein Libretto, das aus­schliess­ lich Worte von Lenau verwendet, ist für mein Empfinden literarisch sehr hochstehend. Es ist Wort-Musik. In Ihrer Oper wird das Theater also nicht von einer Handlung her­­vor­ gebracht oder von Figuren, die in Beziehung zueinander treten, sondern von der Sprache selbst? Man könnte sogar sagen: Die Sprache ist eine Bühnenfigur. Darum habe ich auch zum ersten Mal in einem Theater­ werk den Chor stark einbezogen. Er verlängert die Worte, oft sind es Lenaus innere Stimmen, in den Raum – wie ein Echo, wie Wellen, wie Umarmungen. Die Frage, die Ihnen bestimmt immer wieder gestellt wird, kann auch ich Ihnen nicht ersparen: Warum kreist Ihr ganzes kompositorisches Schaffen immer wieder um wahnsinnige Künst­ ler: Schumann, Hölderlin, Robert Walser, Adolf Wölfli, Louis Soutter… Was fasziniert Sie an den Wahn­ sinnigen? Sie sind nicht von Konventionen ge­fes­ selt. Ihre Gedanken entwickeln sich ganz frei bis ins Kosmische. Und das ist eben das, was einen Musiker interessiert: Sobald der feste Rahmen wegfällt, kommt die Musik. Ein normaler Mensch komponiert nicht – oder er kom­­poniert wie Czerny oder Pleyel. Es braucht Offenheit und Unangepasstheit des Geis­tes, sonst kann Schöpfertum gar nicht entstehen. Ich suche nicht nach dem Krankhaften in einem Menschen. Ich suche nach Menschen, deren Fanta­ sie keine Grenzen kennt. Syphilis war die Krankheit, an der im 19. Jahrhundert viele Künstler er­ krankt sind, wohl auch Nikolaus Lenau. Die Schulmediziner sehen in der Künstlerkrankheit keine ent­ fesselten Kreativpotenziale, sondern diagnostizieren Gehirnerweichung. Wie passt das zusammen? Ich beziehe mich ja nicht auf die finale

Phase der Krankheit, in der die Krea­ tivität verstummt. Schumann hat seine verrückteste Musik in der Jugend ge­ schrieben, revolutionäre Musik, völlig quer zur Zeit stehend. Jetzt existiert die Lunea-Oper in Ihrem Kopf und wird nun Bühnen­ reali­tät oder überspitzt gesagt: Was Sie sich ausgedacht haben, wird nun in der Schreinerei gesägt. Für manche Komponisten ist das unerträglich. Sie haben Angst, dass Ihr Werk auf der Bühne verfälscht oder womöglich gar ruiniert wird. Wie ist das bei Ihnen? Es ist schon schwer, die Bilder, die man beim Komponieren im Kopf hat, nicht auf der Bühne wiederzufinden. Aber es ist richtig so. Es ist richtig, dass das nun alles durch das Denken und Empfinden der Sänger geht und natür­ lich vor allem durch den Regisseur, und die Bilder zu meiner Musik neu und anders geträumt werden. Wenn ein Re­ gisseur so musikalisch ist wie Andreas Homoki, der wirklich ein Gespür für die Musik hat, habe ich Vertrauen, dass die Regie meine Arbeit nicht zerstört. Wie sind Sie insgesamt mit den Künst­lern zufrieden, die die Urauf­ führung realisieren? Christian Gerhaher, Juliane Banse, Sara Maria Sun, Ivan Ludlow bis hin zur Konzertmeisterin Hanna Weinmeister – das alles sind Künstler, die ich gut kenne, mit denen ich schon oft zusam­ men­­gearbeitet habe. Wenn Sie so wollen, ist das meine Familie. Und ohne Christian Gerhaher hätte ich die Oper nicht schreiben können. Da bin ich ganz sicher. Er ist jemand, der mir sehr, sehr nahe ist und von dem ich sicher war, dass er die Sensibilität besitzt, um dieses unkonventionelle Denken, das meiner Oper innewohnt, mit äussersten Nervenspitzen zu erspüren. Ich brauch ein Gegenüber, eine konkrete Stimme, für die ich komponieren kann. Eine Stimme sagt alles über eine Seele, und umgekehrt, die Seele erklingt durch die Stimme. Das Gespräch führte Claus Spahn


Ein expressives Ka Heinz Holligers Oper «Lunea» besteht aus Erinnerungen, Halluzinationen und schlaglichtartigen Momentaufnahmen aus dem Leben der Hauptfigur Lenau. Ein Gespräch mit dem Regisseur Andreas Homoki über die Herausforderung, zeitgenössisches Musiktheater zu inszenieren Fotos Danielle Liniger


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leidoskop Andreas, kannst du die Begeisterung Heinz Holligers für die Künstlerfi­gur Nikolaus Lenau, die er zu Haupt­figur seiner Oper gemacht hat, nach­ voll­ziehen? Klar kann ich die nachvollziehen. Ob­ wohl ich Nikolaus Lenau erst im Zu­sam­ ­menhang mit dieser Oper wirklich wahr­genommen habe. Allerdings finde ich die Begeisterung für die Figur vor allem wichtig im Hinblick darauf, was durch die Musik aus ihr geworden ist. Das ist der Punkt, an dem ich als Regisseur ansetze. Holligers Musiktheater kennt keine Handlung im herkömmlichen Sinn. Es setzt sich aus schlaglichtartigen Momenten zusammen. Was heisst das für die Regie? So aussergewöhnlich ist das gar nicht. In der Oper haben wir es in den seltens­ ten Fällen mit einer wirklich stringent durch­komponierten Handlung zu tun. In den Arien retardiert die Handlung von jeher, und es kommt zur extremen Vergrösserung von emotionalen Zu­­­stän­ den. In den Rezitativen wird sie dann beschleunigt vorange­trieben. Wir Opern­­ regisseure beschäftigen uns immer stark mit den Innenwelten von Fi­gu­ren, denn das macht Musiktheater aus: Dass ich mit und durch die Musik in eine Figur hineinhöre. Von daher ist die Form, die Heinz Holliger in Lunea ge­schaffen hat, gar nicht so weit weg von – sagen wir – Verdis Macbeth. Was bindet die Aufmerksamkeit des Publikums, wenn keine Geschichte auf der Bühne erzählt wird? Das Ganze ist mehr eine Reise in den Kopf einer Figur. Wir sind unterwegs in


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Nikolaus Lenaus Gedanken, Er­inne­r un­ gen, Halluzinationen, die durch­bro­­chen sind von Momenten der Re­ali­tät. Das Textmaterial besteht aus Lyrik und Briefen von Lenau und seinem Lebensumfeld, ist extrem ver­dichtet und so zusammengesetzt, dass stark Kon­ tras­tierendes unmittelbar aufeinander trifft – emotionale Auf­schwün­­ge, Momen­­te der Innigkeit, depressive Zu­ sam­men­brüche usw. Alles ist sehr frag­ mentarisch angelegt. Mitunter wechseln die imaginierten Bilder sekündlich. Aber es entsteht eine hochinteressante expressiv-dramatische Struktur. Und die versuchst du als Regisseur möglichst genau abzubilden? Das wäre kaum zu schaffen. Man kann hier nicht auf jedes Umschlagen dieser inneren Bilder mit einem Szenen­ wechsel reagieren. Aber über die starken Emotionen lassen sich Beziehungen zwischen den Figuren entwickeln, etwa zwischen Lenau und der Liebe seines Lebens, Sophie von Löwenthal, die aber mit einem anderen Mann verheiratet war, oder zwischen Lenau und seinem Schwager Anton Schurz. Diese Be­ziehungen bilden Konstanten über alle Szenen hinweg. Ihre szenische Ausgestaltung muss ich mir natürlich ausdenken, die steht in keiner Lenau-­ Biografie. Das ist dann eine Konkretisie­ rung der Figuren-Beziehungen, die ich aus der Musik ableite und mit eige­ nen Assoziationen theatralisch anreiche­re auf der Grundlage der Informationen, die ich über die Figuren habe. Bei der Inszenierung einer Oper steht man eigentlich immer vor der Aufgabe, kom­ plexe Situationen auf klar ablesbare Figurenkonstellationen herunterzu­ brechen. Jede Szene muss den Inhalt fassbar so zur Darstellung bringen, dass der Zuschauer ihn versteht, ohne an­ dauernd die Übertitel mitlesen zu müssen. Das gilt nicht nur für das zeit­ genössische Musiktheater. Und wie bringt man ein fragmen­ta­ risches Szenenkaleidoskop fassbar auf die Bühne, das schnell wechselt und zeitlich vor- und zurückspringt? Mein Bühnenbildner Frank Schlössmann

hat ein Bühnenkonzept entwickelt, das die Schnittfolge der Bilder erkennbar macht. Lunea besteht ja aus 23 «Lebens­ ­blättern». So hat Heinz Holliger die einzelnen Bilder genannt, die jeweils mit einer biografischen Episode oder einer Beziehungssituation aus dem Leben des Dichters korrespondieren. Diese Struk­tur zeigen wir. Der Verwandlungs­­ me­cha­­nismus unseres Bühnenbilds er­ laubt es, die Lebensblätter voneinander ab­­zusetzen und trotzdem einen überge­ ord­neten Kontext herzustellen und ganz flexibel auf die Musik zu reagieren. Obwohl die Oper emotional weit aus­ greift, ist sie stark von einer kammer­spiel­ ­­­artigen Verdichtung geprägt, der unsere Bühne ebenfalls Rechnung tragen wird. Die 23 Lebensblätter, so hat Heinz Holliger es sich beim Komponieren ge­dacht, bewegen sich in den ersten elf­ einhalb Bildern vorwärts und beginnen dann spiegelbildlich rückwärts zu laufen. Auch für diese Vorstellung des Kom­­­ponisten haben wir nach einer Ent­sprechung gesucht. Wir wollten Hol­­ li­gers Formideen unbedingt ernst neh­ men und nicht irgendein Regiekonzept von aussen über die Partitur stülpen. Vor allem wollten wir auch, dass der Zu­ schauer ganz nahe an der Hauptfigur Lenau dran ist. Lenau führt uns durch das Stück. Wir sind als Zuhörer auf seiner Seite. Wir nehmen die Gescheh­ nisse aus seiner Sicht wahr und erleben, warum er mit der Welt nicht klar kommt. Ist es ein Unterschied, ob man als Regisseur eine noch nie aufgeführ­­te Oper inszeniert oder eine bekannte von Verdi oder Wagner? Spielt bei einer Uraufführung die Demut vor dem Werk eine grössere Rolle? Dann läge ja der Schluss nahe, dass ich als Regisseur vor einem existierenden Werk keine Demut habe. Das ist aber nicht der Fall. Aber natürlich rea­ giere ich mit meiner Inszenierung auf ein be­kanntes Werk, das eine lange Auffüh­r ungs­­tradition hat, anders als auf ein Werk, das zum ersten Mal zu erleben ist, auf dem noch keine szenischen Erwartungen und kein Rezeptionsballast lasten. In beiden Fällen ist die grund­


Lenaus Frauen: Eine Probenszene mit Annette Schönmüller (Therese), Sarah Maria Sun (Marie Behrends / Karoline Unger) und Juliane Banse (Sophie von Löwenthal)

sätzliche Vorgehensweise allerdings die gleiche: Ich versuche herauszufinden, was der inhaltliche Kern des Stückes ist. Heinz Holligers Musik war für die Planungsprozesse relativ spät fertig. Das Bühnenbildkonzept musste fertig sein, bevor das Team die Par­ti­ tur kannte. War das ein Problem? Wir hatten das Libretto von Händl Klaus, und das bildete schon ziemlich ver­bindlich die musikalische Struktur der Oper ab, weil es in sehr enger Zu­ sam­men­arbeit mit dem Komponisten entstanden ist. Viele musikalische Vorstellungen sind bereits im Libretto angelegt. Daran konnten wir mit unserer Bühnenkonzeption anknüpfen. Man überlegt sich etwas und hofft, dass es funktioniert. Als ich die Partitur

dann in Händen hielt, war ich zunächst ein bisschen in Sorge, weil die Grenzen zwischen den einzelnen Blättern so offen und fliessend sind und es er­war­ tungs­gemäss nicht, wie in der traditio­ nel­len Oper, eine begründbare Logik der Auf- und Abtritte von Figuren gibt. Aber dann habe ich festgestellt, dass das Prinzip unserer Bühne doch sehr gut mit der kompositorischen Struktur zu­ sammengeht. Ich hatte Heinz Holliger ja von Anfang ermutigt, sich völlig frei zu fühlen beim Komponieren. Ein Komponist soll schreiben, was ihn umtreibt und sich keine Sorgen um die szenische Realisierung machen. Ich finde es furchtbar, wenn Regisseure sagen: Hier brauche ich bitte noch eine Minute Musik für dieses und jenes. Damit soll sich ein Komponist nicht be­


Probenszene mit Christian Gerhaher als Lenau und Sarah Maria Sun

Regisseur Andreas Homoki im Gespräch mit Christian Gerhaher


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schäftigen müssen. Das muss der Re­gis­ seur lösen, und wenn er sich darauf einlässt, inspiriert es ihn hoffentlich zu Ungewöhnlichem. In Lunea verschwimmt die Identität der Figuren. So werden etwa mehrere Frauenfiguren von einer Sänger­ solistin dargestellt. Oder Lenaus grosse Liebe, Sophie, spricht in einer Szene plötzlich als seine Mutter zu ihm. Der Schwager Schurz ist zugleich eine Art Alter Ego von Lenau. Sind das Dinge, die dir als Regisseur Kopf­zerbrechen bereiten? Ein Problem ist das zunächst schon, wenn man es ernst nehmen und er­zählen möchte. Aber dann muss man Ent­­schei­ dungen treffen: Wir haben beispielsweise aus der Figur, die mehrere Ver­­lob­ ­te Lenaus darstellt, eine relativ klar um­ rissene gemacht, die wir die «Braut» nennen. Es ist eine recht surreale Braut, die durch das Geschehen irrt, geheiratet werden will und Zuneigung, Erwar­ tungsdruck, Irritation und Enttäuschung ins Spiel bringt, ohne dass der biogra­ fische Hintergrund konkret erklärt wird. Viele Szenen und Begegnungen sind ja vom Komponisten als Projektionen und Halluzinationen Lenaus gedacht, so­ dass das Surreale immer ein Thema ist. Das Stück folgt einer Traumdramaturgie, ebenso wie unsere Inszenierung. Szenen wechseln unvermittelt oder gehen surreal ineinander über, mehrere Figuren verschmelzen zu einer. Das sind Vor­ gänge, die wir aus Träumen kennen. Erwächst daraus auch Theatralik? Aber ja. Die Partitur zeigt, dass der Komponist sehr viel vom Theater ver­ steht. Sie ist sehr theatralisch, allerdings nicht im konventionellen Sinn. Hier werden nicht über vier Akte hinweg dra­ matische Konflikte ausgebreitet, die dann in die Katastrophe münden. Der Inhalt wechselt ständig, ist assoziativ und offen in seinen Bedeutungsmöglich­ keiten. Szene entsteht hier aus der verdichteten Emotion des Textes. Das Theatralische ist in der Mikrostruktur der Figuren angelegt, vor allem natürlich in Lenau. Man muss nur dieser expressi­ ven Musik genau zuhören, dann hat

man als Regisseur keine Probleme, Sze­ nisches zu entwickeln. Nikolaus Lenau ist ein Wahnsinniger. Was bedeutet das für die Regie? Den grössten Fehler, den man als Regis­ seur machen könnte, wäre, eine sin­ genden Figur mit irgendwelchen patho­ logisch-präzisen Eigenschaften zu ver­ sehen. Man muss jede einzelne Nuance von Lenaus inneren Ausnahmezuständen von der Musik abnehmen und ge­mein­ sam mit dem Darsteller szenisch ent­ wickeln, denn er kann den gestischen Ausdruck überzeugend nur so auf die Bühne bringen, wie er ihn selbst emp­fin­ det. Christian Gerhaher ist da für mich als Regisseur ein ganz starker künst­le­ rischer Partner, weil er sehr genaue Vor­ stellungen hat und trotzdem offen ist gegenüber den Vorgaben und Vorschlä­ gen, die ich mache. Er bringt ja aus der minutiösen musikalischen Einstudie­ rung immense Erfahrungen in die sze­ nische Arbeit mit, die es zu nutzen gilt. Auch der Komponist Heinz Holliger bringt viele wertvolle Informationen in den Probenprozess ein. Wenn er sagt, ich habe mir das beim Komponieren soundso vorgestellt, greifen wir das auf. Man kann sich als Regisseur bei einem solchen Uraufführungsprozess nicht hinstellen und behaupten: Ich weiss, wie es geht. Wir suchen in den Proben gemeinsam nach einem Weg. Diese kol­ lektiven, produktiven Suchbewe­gungen mit allen Beteiligten empfinde ich als künstlerisch sehr befriedigend. Eine Opern-Uraufführung ist immer mit der Hoffnung verbunden, dass die Form des Musiktheaters insgesamt neu befragt und weiter gebracht wird. Ist das für dich hier gegeben? Absolut. Diese Musik überrascht einen in jeder Sekunde. Sie etabliert eine ganz eigenständige Form und entfaltet eine unfassbare Bandbreite an Ausdrucks­ mitteln – vokal, harmonisch, rhyth­ misch, klangfarblich. Und sie hat bei al­ ler Elaboriertheit grosse Zugänglich­ keit. Ich finde es schlichtweg genial, was Heinz Holliger da komponiert hat. Das Gespräch führte Claus Spahn



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Ein Mensch, der mit der Welt nicht mehr klarkommt Christian Gerhaher singt am Opernhaus Zürich nach seinem gefeierten Rollendebüt als Wozzeck vor drei Jahren nun die Hauptfigur Lenau in Heinz Holligers neuer Oper. Die Werke des Schweizer Komponisten sind dem charismatischen deutschen Bariton eine Herzensangelegenheit Foto Danielle Liniger

Christian, mit Heinz Holliger verbindet dich eine langjährige künstlerische Freundschaft. Wann hat die begonnen? Vor mehr als 15 Jahren haben wir uns bei einem Konzertprojekt kennengelernt, Heinz war der Dirigent. Ich war von der ersten Begegnung an begeistert von ihm, und er war ausgesprochen offen und nett zu mir. Wir haben dann ein Werk von ihm aufgeführt – Dunkle Spiegel für Vokalensemble, Bariton und Ensemble – und immer wieder durfte ich unter ihm singen, Werke verschiedenster Komponisten von Zelenka über Mozart und Britten bis Schumann, von den Bachschen Solo-Kantaten mit ihm als Oboisten bis zur Elegie seines frühen Lehrers Sándor Veress. So ist unsere künstlerische und freundschaftliche Verbindung immer enger geworden, bis Heinz vor fünf Jahren dann den Liederzyklus Lunea für mich komponiert hat. Wobei ich sagen muss, dass ich in dieser Beziehung immer der ungläubig staunende, zu dieser Holliger-Über-Figur aufschauende, dankbare Bewunderer war. Mich beeindruckt bis heute an Heinz, dass er einerseits über ein enzyklopädisch umfassendes Wissen verfügt, sich andererseits aber nicht in irgend­welchen abgehoben analytischen Überbau-Sphären bewegt, sondern künstle­ risch immer aus dem Moment heraus denkt und fühlt und sein Wissen sehr prak­ tisch zur Anwendung bringt. Seine Musik ist gespeist von einer grossen – mich wie viele andere auch recht einschüchternden – Intellektualität, lebt aber trotzdem von einer ganz starken und unmittelbaren Emotionalität. Das ist eine Qualität, die auch in der neuen Oper Lunea zum Ausdruck kommt. Sie lebt bei aller kom­ positorischen und formalen Komplexität von einer wie aus dem Augenblick hervor­ getriebenen Gefühlskraft. Das macht sie im Vergleich zu vielen anderen Gegen­ wartsopern, die ich kenne, so lebensecht und menschlich. Am Anfang der Oper Lunea stand der gleichnamige Liederzyklus, den du vor fünf Jahren gemeinsam mit deinem Klavierpartner Gerold Huber hier am Opernhaus Zürich uraufgeführt hast. War die spätere Opernform darin schon angelegt? Ich würde den Zusammenhang zwischen den beiden Werken nicht zu sehr betonen. Der Liederzyklus Lunea unterscheidet sich doch sehr von der Oper. Auch wenn die Lied-Elemente in der orchestrierten Form in die Oper eingegangen sind, haben wir es im Musiktheater doch mit ganz anderen Ausdrucksformen zu tun. Wie siehst du das als erfahrener Liedsänger: Haben nicht viele Liederzyklen das Zeug zur Oper? Drängt da nicht manches zur Bühne?


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«Heinz Holligers Musik ist gespeist von grosser Intellektualität, lebt aber trotzdem von ganz starken Emotionen»

Überhaupt nicht. Ich finde es auch falsch, wenn behauptet wird, Lieder seien Mini­ dramen. Das sind sie nicht. Das Kunstlied ist lyrisch, ihm liegen in der Regel Gedichte zugrunde. Ein wesentliches Kriterium von Gedichten ist meines Erachtens ihr semantischer Facettenreichtum. Lieder sind so ja auch offene Gebilde. Jeder nimmt ihre Aussage im Konzertsaal anders wahr. Und sie entziehen sich im Grunde einer szenisch-dramatischen Begreifbarkeit. Manchmal offenbaren Lieder­zyklen einen Zug ins Epische wie etwa Schuberts Schöne Müllerin oder Schönbergs Buch der hängenden Gärten. Dann zieht sich ein Erzählstrang durch die Liedfolge, aber dramatisch ist das deshalb noch lange nicht. Ich halte solche Vergleiche für ein grosses Missverständnis. Oberflächlich betrachtet, könnte der Eindruck entstehen, Heinz Holliger habe in Lunea einen existierenden Liederzyklus zur Oper ausgebaut. Findest du, dass da etwas dran ist? Davon kann meines Erachtens keine Rede sein. Das so zu sehen, hielte ich für völlig falsch. Die Lunea-Oper ist ein neues Werk – und zwar ein sehr theatralisches! In ihm werden die Lenauschen Aphorismen, die Heinz im Liederzyklus vertont hat, Teil eines Dramas. Es ist das Drama eines Menschen, der mit der Welt nicht mehr klarkommt, der an einem hirnorganischen Psychosyndrom leidet, der die Zeit als zerrissen erlebt und nicht mehr kontinuierlich denken kann. Das findet seinen Niederschlag in der kaleidoskopartigen Form der Komposition, in den Sze­nen­­­ entwürfen, in den Figuren, von denen Lenau umgeben ist, im Chor, der immer wieder innere Stimmen von Lenau repräsentiert. Die trotz der lyrischen Ausgangs­ lage schier alles verbindenden dramatischen Wendungen vollziehen sich auf engstem zeitlichen Raum. Auf ein heftiges Aufbäumen folgt blitzartig Ruhe, die das gerade Erlebte nachschwingen lässt, wie man es von starken Opernszenen eben kennt. Vom ursprünglichen Liederzyklus ist das meilenweit entfernt. Lunea ist eine echte Oper und für meine Ohren eine ausgesprochen gelungene. Welche Qualitäten schätzt du an der Komposition? Es ist schwer, das in Kürze zu benennen. Die unglaubliche Fülle an Bedeutungen, Konnotationen, multiplem Sinn, die dem Werk innewohnen, und die Kraft, die daraus erwächst. Der Assoziationsreichtum um die Hauptfigur Lenau ist vom Kom­ ponisten ebenso unüberschaubar und kenntnisreich angelegt wie die rein musi­ kalischen Anspielungen und geheimen kompositorischen Referenzen, von denen die Partitur voll ist. Während andere Komponisten die Perspektive verengen und gleichsam die Fenster schliessen, um Klarheit in ihr Werk zu bekommen, hat Heinz immer alle Fenster offen. In seinen Werken öffnen sich Landschaften von unglaubli­ cher Schönheit, Weite und Vielfalt, die nie ganz zu überblicken sind. Wie wird in Lunea mit der Sprache umgegangen? Ihr kommt in diesem Werk eine extrem wichtige Bedeutung zu, schon alleine weil der Protagonist Dichter war. Die Sprache wird ständig in Frage gestellt und reflektiert sich sozusagen selbst. Sätze und Worte werden aufgebrochen, umge­ deutet oder plötzlich rückwärts gesprochen bzw. gesungen. Solche palyndromische Verdrehungen spielen in Holliger-Werken immer eine grosse Rolle und sind eng mit der Musik verzahnt, in welcher Krebs und Spiegel ja seit jeher zu den wichtigs­ ten Werkzeugen der Motiv-Bearbeitung gehören. Die Sprache wird also in diesem Werk aufs Äusserste musikalisiert und die Verdichtung von Sprache und Musik wirklich auf die Spitze getrieben. Wie Heinz da vorgeht, fasziniert mich mittlerweile sehr. Am Anfang habe ich überhaupt nichts verstanden. Erst nach und nach haben sich mir die Bedeutungen erschlossen – teilweise. Ich habe am Anfang auch nicht gewusst, wie ich das alles lernen und stimmlich bewerkstelligen soll. Die rhythmische und intonatorische Ausdifferenzierung ist an vielen Stellen extrem. Aber seit ich verstehe, dass jede Begradigung von Rhythmen und Tonhöhen Heinz


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Holligers überbordender, nie still stehender Fantasie widerspricht und ihm gerade­ ­zu zur Qual zu werden scheint, verspüre ich mehr Anlass, diese Anfor­de­r un­gen zu schätzen und ihnen so weit wie möglich nachzukommen. Sie gehen wirklich an die Grenze des für mich Machbaren und überschreiten sie manchmal auch.

Lunea Lenau-Szenen in 23 Lebensblättern von Heinz Holliger (*1939) Libretto von Händl Klaus

Hat dir deine Erfahrung als Liedsänger bei der Einstudierung geholfen? Liedsänger reflektieren ja die Beziehungen zwischen Musik und Sprache besonders genau. Das weiss ich gar nicht. Ich kann es nur so machen, wie ich es mache. Ich habe auch kein festgelegtes Muster, wenn ich mir ein neues Werk vornehme, das ergibt sich immer aus dem jeweiligen Gegenstand. Ich muss aber gestehen, dass ich häufig erst während der Einstudierung und manchmal sogar erst in den Aufführungen – und mitunter nicht mal in den ersten – entscheidende Dinge über die Bedeutung der Worte verstehe. Zuerst lerne ich immer die Musik. Die Sprache ist da natürlich schon dabei, weil sie die Grundlage für die Artikulation bildet. Aber der Inhalt eines Gedichtes ist mir zunächst nicht so wichtig. Ich intendiere nichts. Das Ver­ stehen kommt dann mit der Zeit.

Musikalische Leitung Heinz Holliger Inszenierung Andreas Homoki Bühnenbild Frank Philipp Schlössmann Kostüme Klaus Bruns Musikalische Assistenz Michael Richter Lichtgestaltung Franck Evin Choreinstudierung Raphael Immoos Dramaturgie Claus Spahn

Erschwert es die Identifikation mit der Figur, wenn eine Oper in der Form so fragmentarisch und diskontinuierlich angelegt ist wie Lunea? Oder kannst du dich in Lenau genausogut einfühlen wie beispielsweise in Wolfram von Eschenbach, Wozzeck oder den Figaro-Grafen? Identifikation und Einfühlung sind für mich im Zusammenhang mit Opernfiguren grundsätzlich problematische Begriffe. Wenn mit Identifikation gemeint ist, dass man sein eigenes, persönliches Leben in die Gestaltung einer Rolle einzubringen versucht, muss ich sagen: Das geht für mich gar nicht. Figuren durch Übertragung eigener Lebenswirklichkeit und -geschichte dem Publikum vermeintlich begreif­ barer zu machen, ist method-acting, das lehne ich ab. Man muss eine vom eigenen Sein distanzierte, reflektierte Haltung zur Kunst haben, sonst wird es furchtbar, finde ich. Aber umgekehrt, dass eine Figur, die stark ist und viele Facetten zu bieten hat, wie etwa der Don Giovanni, einen als Darsteller auf der Bühne ergreift und vielleicht sogar von einem Besitz ergreift, das finde ich natürlich und produktiv. Ich lasse als Darsteller die Figur auf mich wirken und suche mich nicht selbst in ihr. Nur so funktioniert es auch bei Nikolaus Lenau, der in seiner Zerrissenheit ja auch ein starke Figur ist. Ich finde, dass überhaupt alle Figuren in Lunea – so aus­­ schnitthaft sie auch erscheinen – kraftvolle lebendige Charaktere zeigen, die intensiv miteinander agieren. Das sind keine spröden, am Dramaturgie-Reissbrett kon­­ struierten Figuren. Andreas Homokis Regie arbeitet das auch wunderbar klar heraus. Es tut sehr wohl, dass in diesem sehr komplizierten und oft zutiefst rätsel­haften Stück durch die Inszenierung nichts verquast wird, sondern dass vom Anfang bis zum Ende, Bild für Bild, ein nachvollziehbarer, grosser szenischer Bogen gespannt wird. Andreas setzt das hochsensibel, handwerklich hervorragend und ästhetisch wunderbar um. Das Gespräch führte Claus Spahn

Lenau Christian Gerhaher Sophie von Löwenthal Juliane Banse Anton Schurz Ivan Ludlow Marie Behrends / Karoline Unger Sarah Maria Sun Therese Schurz Annette Schönmüller Philharmonia Zürich Basler Madrigalisten Premiere 4 März 2018 Weitere Vorstellungen 8, 13, 15, 18, 23 und 25 März 2018


26 Volker Hagedorn trifft …

Juliane Banse Juliane Banse ist in Zürich aufge­­ wachsen und hat u.a. bei Brigitte Fassbaender in München studiert. Ihr Gesangsrepertoire reicht von den Sopran­ partien Mozarts über Beethovens Leonore bis zur «Rosenkavalier»-­ Marschallin und Schre­ kers Grete. Überdies widmet sie sich intensiv der zeitgenössischen Musik. Un­vergessen ist ihr Auftritt als Schnee­ wittchen in der Ur­ aufführung von Heinz Holligers gleich­namiger Oper in Zürich.

Sie sitzt im Café auf der Galerie und liest in einem dicken Taschenbuch, mit so ernstem Gesicht, dass ich kaum zu stören wage. Fast so ernst wie die Sophie von Löwen­thal, die sie am Vormittag in der Probe war, abgesehen von den Entspannungspausen, die die Akteure gerade bei so einem Stoff nötig haben. Es ist ja eine sehr abgründige Geschichte zwischen dem Dichter Lenau und der von ihm ersehnten, verheirateten Frau von Löwenthal. Und von diesen Abgründen, von der Konzentration auf die Musik hat sich das ganze Team immer wieder mit kleinen Blödeleien erholt, vom Dichtersänger Christian Gerhaher bis zum Regisseur Andreas Homoki, mittendrin Juliane Banse, der dann jäh der Schalk im Nacken sass. Ich darf stören, wir sind ja verabredet, und sie blickt auf wie eine, die hier täglich sitzt und sich weiter nicht wundert, wenn ein flüchtiger Bekannter vorbeikommt. Dann ist sie sofort mittendrin im Stoff und schwärmt von der entspannten Proben­ atmosphäre. Selbstverständlich sei die keineswegs «bei einem Stück, das es noch nicht gibt», das aus schreibfrischer Partitur und dem Team der Künstler gerade erst zusam­ menwächst, «mit einer Musik, die man gar nicht in einen Klavierauszug fassen kann. Es ist toll, dass Heinz Holliger oft da ist, weil wir ihn vieles fragen müssen. Und toll, wie das alles ineinandergreift.» Es war der Komponist selbst, der sich Juliane Banse für die Sophie gewünscht hat, der alle die Sänger im Kopf hatte, für die er Lunea schrieb. «Er hat sich von mir das Versprechen geholt, dass ich da mitmache.» Kein Wunder. Vor zwanzig Jahren wurde, ebenfalls in Zürich, Holligers Oper Schneewittchen urauf­ geführt, mit der damals 29 Jahre alten Sopranistin in der Titelrolle, die «wahre Wun­ der an beredter vokaler Equilibristik» vollbrachte, wie die F.A.Z. schrieb. Aber mit Zürich verbindet sie noch viel mehr. Juliane Banse ist hier aufgewachsen, als Tochter eines Opernchorsängers. Also ein typisches Theaterkind? «Das stimmt insofern nicht, als meine Eltern das auf gar keinen Fall wollten, ein Theaterkind. Mein Vater war selbst so eins gewesen und wollte dieses Reinrutschen bei meiner Schwester und mir verhindern. Er hatte zu viele Gescheiterte erlebt und sagte: Dieser Beruf ist so schwie­ rig – wenn man das nicht wirklich will, ist es zu schwer. Deswegen durften wir nicht in den Kinderchor der Oper, obwohl ich das natürlich gerne wollte.» Aber es kam wie in manchen Sagen der Antike: Was man verhindern will, geschieht erst recht. Nur dass es in dieser Geschichte, anders als in den Sagen, bestens ausging. Zuhause übte Juliane Geige, und zwar schon mit vier Jahren, und ins Opernhaus kam sie bald durch ihre Tanzlust. Sie durfte in die Ballettschule. «Das hat die Hintertür geöffnet, weil wir für Statisteriesachen herangezogen wurden. Als ich älter wurde und Uwe Scholz hier Ballettdirektor war, gab es ein immenses Pensum für die Tänzer, und wir wurden als älteste Stufe der Ballettschule geholt und sind oft zum Einsatz gekom­ men. Da waren wir keine Statisten mehr. Da stand ich eben doch richtig auf der Bühne, und auch mit meinem Vater, als tanzende Mücke in den Lustigen Weibern, in vielen Kindermärchen…» Das war dann, bis in die späten Abendstunden, schon fast ein Job neben dem Gymnasium Rämibühl, wo sie im Schulchor sang. «Halt dich zurück, man hört dich raus!», sagte man ihr da, aber auch: «Das klingt doch schön, du musst mal Gesangsunterricht nehmen! Das wollte ich gar nicht wissen. Aber irgendwann hat sich die Waage ein bisschen geneigt.» Nach erstem Gesangsunter­ richt wagte sie sich, kurz vor der Matura, in die Wohnung des berühmten Liedbeglei­ ters Irwin Gage, Professor in Zürich, und sang dort Brigitte Fassbaender vor. «Sie war be­kannt dafür, dass sie allen von der Sängerlaufbahn abriet. Das hat sie bei mir aber gerade nicht gemacht, sondern gesagt: Wenn du das studieren willst, komm nach Mün­chen, dann machen wir das zusammen.» Es wurde eine Lebensfreundschaft daraus.


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Fassbaender ist bis heute Juliane Banses Ratgeberin und dazu noch Patentante ihrer Tochter. Es wurde aber auch eine Karriere daraus, die schier mühelos startete. Leicht und lyrisch sozusagen, wie ihr Stimmfach, das früh klar war. «Alles, was mit -ina oder -etta aufhört, habe ich gesungen», sagt sie und lacht. Mit zwanzig Jahren debütierte sie als Pamina in der Zauberflöte – und zwar gleich an der Komischen Oper Berlin und in der Regie von Harry Kupfer, mit dem sie dann noch zwei weitere Produktionen hatte. «Die Arbeit mit ihm hat mich sehr früh auf hohem Niveau verdorben, nämlich anspruchsvoll gemacht, was Regisseure angeht. Dieses Reinbohren in eine Figur oder in eine Geschichte, reinhorchen und nicht nachgeben, noch eine Facette und noch eine!» Wie Pamina in Mozarts Oper zur erwachsenen Frau wird, das war ihr damals so nahe, wie es ihr jetzt die Marschallin ist, die reife Frau, die im Rosenkavalier zu spüren beginnt, wie die Zeit vergeht. Lange hat sie diese Rolle ersehnt, aber tatsächlich musste sie länger auf die Marschallin warten als auf den Anruf von der MET, von dem alle Sänger träumen. Der kam vor fünf Jahren, und sie sang in New York die Zdenka in Strauss’ Arabella. Ein Durchbruch anderer Art war für sie schon in den 1990ern jener Abend, als sie in Zürich als Pamina einsprang. «Da hat mich mein Vater längst voll unterstützt», sagt sie. «Er war einer der Chorsklaven, die mich fesseln mussten. Grosser Moment!» Sophie ist sie auch schon gewesen, und natürlich die Gräfin im Figaro, Fiordiligi in Così, Donna Elvira im Don Giovanni, aber auch die Titelheldin in Braunfels’ Heiliger Johanna. Wie verhalten sich diese Frauengestalten eigentlich zur aktuellen Debatte um Geschlechterrollen? «Wie da alles in einen Topf geschmissen wird, das finde ich furcht­ bar nervig. Ich las gerade einen Artikel mit der Frage, ob man denn noch in die Oper gehen könne, die Rollenbilder seien doch frauenfeindlich! Das geht vollkommen an der Sache vorbei. Natürlich kann man sagen, Donna Elvira ist eine blöde Kuh, weil sie Don Giovanni treu bleibt, obwohl er sie behandelt wie Dreck. Aber dass sie an ihrer grossen Liebe festhält, ist eine starke Position, auch wenn sie sich irrt. Die Behauptung, wir stünden moralisch so viel weiter oben, verglichen mit früheren Ge­schlechterrollen, ist nicht ernst zu nehmen.» Oper, findet Juliane Banse, «ist genauso frauenfeindlich wie männerfeindlich, weil sie das Leben abbildet. Das hat Kunst im besten Falle im­ mer getan.» Eben darum findet sie Regisseure so wichtig, «die es schaffen, die Essenz raus­zuholen, und die Relevanz, die ein Stück für uns haben kann. Da ist es egal, ob die Leute auf der Bühne Krinolinen tragen oder Anzüge.» Ihre Position hat umso mehr Gewicht, als sie es sich keineswegs im Repertoire bequem gemacht hat, sondern so viel Rares und Zeitgenössisches singt wie wenige andere. Mit ihrem Mann, dem Dirigenten Christoph Poppen, nahm sie zuletzt Werke für Sopran und Orchester von Rihm, Reimann und Henze auf, und ihre Einspielung von Kurtágs Kafka-Fragmenten zusammen mit dem Geiger András Keller ist auch jetzt noch, nach zwölf Jahren, eine echte Referenz. Etliche Zeitgenossen haben für sie geschrieben. «Wenn sich rumspricht, dass man absolut hört und abenteuerlustig ist, kommt schon der nächste Komponist», meint sie. «Vielen Kollegen ist neue Musik zu viel Arbeit, ich kann das total verstehen, denn ich hab’s mit meinem Gehör viel leichter. Ich bewundere alle, die es auch so hinkriegen, das ist dreissig bis vierzig Prozent mehr Arbeit für sie als für mich.» Aber die Zeit ist auch so knapp für eine, die ausser Opern viele Konzerte und Liederabende singt, eine Gesangsprofessur in Düsseldorf hat und zuhause am bayerischen Ammersee drei Kinder im Alter von sechs, vierzehn und sechzehn Jahren. «Da ist man immer hin- und hergerissen zwischen der Familie und Projekten, die einen wahnsinnig interessieren. Aber oft sage ich mir, ich bin überall auf der Welt ersetzbar, nur nicht bei meinen Kindern.» Die beiden älteren, ihre Söhne, haben sie übrigens kürzlich auf eine «unver­ zeihliche Bildungslücke» hingewiesen. Daher das dicke Taschenbuch, in das sie vorhin so versunken war. «Harry Potter! Ich geniesse es unglaublich.» Volker Hagedorn


Petruschka/ Sacre

Foto: Gregory Batardon

Mit «Le Sacre du printemps» und «Petruschka» eröffnete der junge Igor Strawinsky dem Tanz vor gut 100 Jahren neue musikalische Horizonte. Unser Ballettabend kombiniert aufregende Neudeutungen dieser wegweisenden Stücke von zwei der gefragtesten Choreografen unserer Tage. Im Mittelpunkt von «Le Sacre du printemps» steht ein archaisches Ritual: Eine Frau wird dem Fruchtbarkeitsgott geopfert, um die Kräfte der Natur günstig zu stimmen. In seiner Version konfrontiert der slowenische Choreograf Edward Clug die Tänzer auf spektakuläre Weise mit dem Element Wasser. Dabei stellt er den Menschen als Spielball und Diener der Natur ins Zentrum seiner auf­wühlenden Lesart.



Fotos: Gregory Batardon


Petruschka / Sacre

In «Petruschka» werden die drei Puppen eines Gauklers zu unheimlichem Leben erweckt. Marco Goecke – 2015 von der Zeitschrift «tanz» zum «Choreografen des Jahres» gewählt – fokussiert sich in seiner unverwechselbaren Be­ wegungssprache auf die Oberkörper und Arme der Tänzer. In seiner «Petruschka»-­ Version interessiert er sich nicht für russische Jahrmarkt­ folklore, sondern macht die existenzielle Tragik der Geschichte vom unglücklich verliebten Petruschka in abstrakt-poetischen Bildern erlebbar. Wiederaufnahme 14 März 2018 Weitere Vorstellungen 22 März, 2 April (14.00 und 19.30), 5 April 2018


32 Die geniale Stelle

Licht in der Finsternis Ein Oboeneinsatz in Wagners «Parsifal»

Unter unsäglichen Qualen ist Parsifal vom «reinen Toren» zum «durch Mitleid Wis­ senden» gereift und hat seine Aufgabe verstanden: die Gralsritter aus ihrem Siechtum zu befreien, die die heiligsten Güter hüten bis zur – vielleicht nahen, vielleicht fernen, vielleicht aber auch nie eintretenden – Erlösung der Welt, die ohne diese Reliquien nicht möglich ist. Denn in ihnen vergegenständlicht sich die Basis, auf der die neue Welt zu errichten ist: allumfassende Menschenliebe, bedingungslose Hingabe an den Nächsten – das «Liebesopfer» des Heilands. Aber Parsifal weiss auch, dass er noch eine andere Aufgabe zu erfüllen hat, und wendet sich der Frau zu, deren Schicksal keinen anderen kümmert: Kundry. Auch sie hat er verstanden, ihre Not erkannt. Also verrichtet er sein «erstes Amt» als Gralskönig, in dem er ihr gibt, was er ihr geben kann: Die Taufe, mit der er sie annimmt, wie sie ist, die Einsame, Verachtete, die von ihrer Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit durch unzählige Welten, zahllose Existenzen gehetzt wird. Er kann ihr ein wenig Wärme spenden, sie «sanft auf die Stirn» küssen. Das ist wenig, und er weiss es. Man hört es im kläglichen Tonfall bei «die Taufe nimm und glaub’ an den Erlöser». In der fast end­losen Dehnung des Worts «Erlöser», als solle die reine Dauer die Triftigkeit der Hoffnung bestätigen, im kraftlosen Absturz um eine Septe bei der letzten Silbe eben dieses Wortes: Er ist es nicht, auf den Kundry wartet. Er kann sie nur zum Glauben ermutigen, dass der Ersehnte einst kommen wird. Aber Glaube ist nicht Gewissheit. So ist es wenig, was er ihr geben kann. Aber es ist alles, was ihm möglich ist, und so ist es viel. Und Kundry weiss das. Glaube ist nicht Gewissheit, aber Hoffnung zu wecken, ist ein Akt liebevoller Güte, ist menschliche Zuwendung. Eine Zuwendung, die sie nicht mehr erfuhr in den Jahrhunderten, seit sie den gemarterten Jesus verlachte und er für einen Moment seinen Blick auf ihr ruhen liess. Die zarte Geste findet ihr Echo im sanften Klang des Motivs der göttlichen Gnade, das tröstend und traurig sich auf Kundry zu senken scheint, bis die Bewegung in einem übermässigen Dreiklang erstirbt: Sie weint. Ein scharf dissonierender Basston tritt hinzu und bringt die Bewegung wie­ der in Gang. Es folgt eine quälend langsam absinkende chromatische Linie, das Motiv des leidenden Heilands wird gestreift, dann bleibt nur noch unbestimmtes Wogen in tiefer Finsternis. Nun aber geschieht ein Wunder, erhebt sich eine Melodie von so voll­ endeter Schönheit, wie man sie selbst beim grossen Melodiker Wagner schwerlich ein zweites Mal finden wird: Der Tränenumflorte sieht die Welt verändert, sieht den Vor­ schein der erhofften, künftigen erlösten in der gegenwärtigen. Doch das eigentliche Wunder dieser Stelle ist der erste Ton, der leise Einsatz der Oboe, der die Klangfarbe kaum merklich aber entscheidend ändert, mit dem ein Licht durch das Dunkel leuchtet, als wäre es schon immer dagewesen, das überirdisch zu sein scheint und doch ganz diesseitig ist. Unwillkürlich denkt man an jene Stelle des Johannesevangeliums: «Das Licht leuchtete in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht ergriffen.» So schwach dieses Licht sein mag, das aus der Zukunft leuchtet, die Finsternis kann es nicht besiegen, auch das Grauen der letzten Szene und die gläserne Erstarrung des Stückschlusses können ihm nichts anhaben: Es verbürgt die Hoffnung auf eine bessere Welt, die Wagner trotz allem, was dagegenspricht, bis in die letzte Stunde seines Lebens nicht aufgeben wollte. Werner Hintze



Der fliegende Holländer Vor fünf Jahren gab der walisische Bariton Bryn Terfel, der zu den begehrtesten Sängern der Welt gehört, als Holländer sein Debüt am Opernhaus Zürich. Nun ist er in der gleichen Partie erneut in der Inszenierung von Andreas Homoki zu erleben. Die Senta singt mit der finnischen Sopranistin Camilla Nylund eine nicht weniger grossartige Stimme im dramatischen Fach. Andreas Homokis Inszenierung entwickelt die Handlung in einem Handels­kontor aus der Zeit des Kolonialismus. Wiederaufnahme 18 März 2018 Weitere Vorstellungen 21, 24, 28, 31 März 2018


Fotos: T + T Fotografie / Toni Suter


36 Meine Rolle

Ein einfaches Gemüt

Steven Humes ist Amerikaner. Er war acht Jahre lang Ensemblemitglied an der Baye­­rischen Staatsoper München und singt seither weltweit Bass­partien wie Sarastro, Ramfis, Oroveso, Gremin, Eremit, Landgraf Hermann, König Heinrich und König Marke. In dieser Spielzeit wird er ausserdem als Wesener in Calixto Bieitos In­sze­nierung von Zimmer­manns «Die Soldaten» in Madrid zu erleben sein.

Nach meinem Gesangsstudium in Boston bin ich 2003 als Ensemblemitglied an die Bayerische Staatsoper München gekommen. In acht Jahren und insgesamt 500 Vor­ stellungen hatte ich dort nicht nur die Möglichkeit, ein breites Repertoire zu erarbei­ ten, sondern auch die perfekten Bedingungen, um meine Deutschkenntnisse voran­ zubringen. Neben Partien wie Sarastro in der Zauberflöte, Wurm in Luisa Miller, Ramfis in Aida und Oroveso in Norma habe ich dort als Riese Fasolt im Ring des Nibelungen schliesslich auch angefangen, Wagner zu singen. Aber die intensive Be­ schäftigung mit Wagner hat eigentlich erst nach meiner Münchner Zeit begonnen. Eine Partie wie Daland im Fliegenden Holländer kann man meiner Meinung nach frühestens mit Vierzig singen. Zumindest hatte ich das Gefühl, dass meine Stimme dafür nicht bereit war. Ich hatte weder die Reife noch die nötige Ausdauer, die man für Wagner-Partien benötigt. Ausserdem muss man für die­sen Charakter «ein gestandener Mann» sein, sonst denkt das Publikum: «Da versucht ein Junge den Da­ land zu singen!» – so etwas «kauft» man einfach nicht. Dennoch ist Daland, verglichen mit den grossen Basspartien von Wagner wie König Heinrich im Lohengrin, König Marke in Tristan und Isolde oder Hunding in der Walküre eine vergleichsweise «leichte» Partie. Sie steht in der italienischen Tra­ dition des Bassbuffo, des Spielbasses. Die Figur ist nicht sehr dramatisch, und man benötigt dafür kein fülliges tiefes Register. Das hat mit dem Charakter von Daland zu tun: ich verstehe ihn als einen liebenswürdigen, ehrlichen und äusserst simplen Menschen – im guten Sinne könnte man sagen, er ist ein etwas «einfältiges» Gemüt. Daland ist ein norwegischer Seefahrer und ein ehrgeiziger Geschäftsmann. Mit­ ten in einem Sturm ankert er mit seinem Schiff in einer Bucht und trifft dort auf das geheimnisvolle, unheimliche Schiff des Fliegenden Holländers. Beim Anblick der Schätze und Reichtümer, die dieser Seemann mit sich führt, kriegt Daland leuchtende Augen – und schnell beschliesst er, ihm seine Tochter Senta anzubieten. Ich kann zwar verstehen, dass viele Regisseure Daland deshalb als habgierige Person interpre­ tieren, aber persönlich glaube ich, dass er für seine Tochter nur das Beste will: «Dem Mann mit Gut und hohem Sinn / Geb’ froh ich Haus und Tochter hin!», heisst es im Textbuch. Für mich hat Dalands Begehren nach Gold und Reichtum eine ganz andere Bedeutung als zum Beispiel die böswillige Habgier des Riesen Fafner im Ring des Nibelungen. Man muss sich vorstellen, dass Daland seit vielen Jahren unter wid­ rigen Bedingungen hart arbeitet und am Ende pro Jahr vielleicht eine einzige kleine Perle nachhause bringt. Die Reichtümer des Holländers wecken bei Daland die Vor­ stellung, seinen Beruf an den Nagel hängen und endlich bei seiner Familie zuhause bleiben zu können. Das finde ich nicht verkehrt. Ob Daland das, was er mit dieser Verkupplung auslöst, selber überhaupt begreift, wird in der Oper nicht gezeigt. Er stellt Senta und den Holländer einander vor und lässt dann schon einmal die Hochzeitsfeierlichkeiten vorbereiten. Ich denke, dass die Dimension der Liebe zwischen dem Holländer und Senta und deren Treueschwur «bis in den Tod» alles übersteigt, was dieser einfache Mann sich überhaupt vorstellen kann. Und wenn sich Senta am Ende für den Holländer aufopfert, kann er nur entsetzt und fassungslos zuschauen. Ich bin sehr auf die Inszenierung dieses Werks von Andreas Homoki gespannt, mit dem ich bereits in München eine fantastische Zusammenarbeit für Gounods Oper Roméo et Juliette erlebt habe! Steven Humes

Illustration: FLAG Aubry Broquard

Steven Humes über die Rolle des Daland in Wagners «Fliegendem Holländer»



38 Fragebogen

Liliana Nikiteanu Aus welcher Welt kommen Sie gerade? Aus der wunderbaren, faszinierenden Welt der Homöopathie! Als mein Sohn ein sehr kleines Kind war, hat er Otitis bekommen. Unser damaliger Kinderarzt war Homöopath und gab ihm ein winziges Globuli und ein Pülver­chen. Mein Sohn hat mehrere Stunden geschlafen und ist vollkommen gesund aufgewacht. Es war ein ein­ma­ liges Erlebnis. Aus persönlichen Gründen recherchiere ich jetzt in der Welt der Homöopathie. Auf was freuen Sie sich in der Wieder­aufnahme unserer Holländer-­ Produktion? Auf Wagner, natürlich! Die Musik von Richard Wagner nimmt mich mit auf Wellen und Wogen und führt mich zwischen Hölle und Himmel, in alle menschlichen Dimensionen. Vivat! Welches Bildungserlebnis hat Sie besonders geprägt? Mein Schauspiellehrer im Konservato­ rium, selbst in der Stanislawski-Tradition ausgebildet, hat mein Bühnentalent erkannt und es nicht angefasst. Er hat mich fünf Jahre lang in Ruhe gelassen, und deswegen bin ich in dieser Hin­ sicht, angstlos, kreativ, ungebändigt, ein­ fach frei. Ich danke ihm dafür! Alles andere als meine Gesangsausbildung!!! Welches Buch würden Sie niemals aus der Hand geben? «Die Quantenphilosophie und die Inter­ welt» von Prof. Ulrich Warnke – ein Wissenschaftler, der sich traut, über «Parallelwelten» zu schreiben, die als Quantenfeld mit unerschöpflichen Informationsmustern gelten... Zitat: «Das Spannende ist, dass der Mensch mit seinem Bewusstsein auf die Interwelt zugreifen kann, um seine Alltagswelt besser gestalten zu können.»

Welche CD hören Sie immer wieder? Keine. Ich höre inzwischen alles, was mich gerade interessiert, auf youtube. Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Meinen Schaukelstuhl. Er war ein Ge­ schenk. Ich sitze nie darin, er ist voll mit Kleidern, Büchern, Zierkissen und Plüschtieren. Ob ich ihn als Oma benutzen werde...? Mit welchem Künstler würden Sie gerne essen gehen, und worüber würden Sie reden? Mit Richard Strauss. Ich würde ihn bitten, noch eine Partie für mich zu schreiben, denn immer, wenn ich Octavian in Der Rosenkavalier ge­ sungen habe, dachte ich, Strauss hätte die Partie für mich geschrieben: Am Ende der Vorstellung war ich aus­ nahmslos viel frischer als am Anfang. Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Die Liebe meiner und für meine Fami­ lie, die Bühne/das Theater und die Bienen. Sie sollten unsere Meister sein, denn sie sind für mich Superwesen, total mit dem Quantenfeld verbunden! Plus noch ein paar tausend andere Gründe...

Liliana Nikiteanu feierte vergangene Spielzeit ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum am Opern­ haus Zürich, wo sie zuletzt u.a. in Partien wie Ježibaba in «Rusalka», Eleonora in der Uraufführung von Marc-André Dalbavies «Gesualdo», Ragonde in «Le Comte Ory», Maddalena in «Rigoletto» sowie Mary im «Fliegenden Holländer» zu hören war.


Kalendarium 39

Februar 2O18

März 2O18

24 Sa Führung Opernhaus

Do Nussknacker und Mausekönig 1

14.00

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

La scala di seta

19.00

Oper von Gioachino Rossini Samstag-Abo, Belcanto-Abo, Italienische Oper-Abo Preise E

25 So Brunchkonzert

11.15

Hexe Hillary geht in die Oper

13.00

«Jeunesse» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

Für Kinder ab 6 Jahren Studiobühne, CHF 30

Parsifal Wiederaufnahme

14.00

Oper von Richard Wagner Sonntag-Abo A, Preise E

Hexe Hillary geht in die Oper

15.00

19.00

Fr 2  Führung Bühnentechnik

16.00

19.00

14.00

Führung Maskenbildnerei

Ballett-Führung mit Mini-Workshop

14.15

14.30

14.30

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Dienstag-Abo D, Preise E

28 Mi Nussknacker und Mausekönig 19.00

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski Mittwoch-Abo A, Preise D

11.15

Nicolas Testé BASSBARITON | Ivan Repušic´ DIRIGENT

Nabucco • Simon Boccanegra • I Masnadieri Il Trovatore • La Traviata • Macbeth • Otello I Vespri Siciliani • Don Carlo • Luisa Miller Infos & Tickets: www.obrassoconcerts.ch | T 041 361 62 62

Oper von Richard Wagner Samstag-Abo, Preise E

«Porträtkonzert Heinz Holliger» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

Hexe Hillary geht in die Oper

Erleben Sie die grosse Opern-Gala mit Auszügen aus:

Für Kinder ab 6 Jahren Studiobühne, CHF 30

4 So Brunchkonzert

VERDIssimo MÜNCHNER RUNDFUNKORCHESTER DIANA DAMRAU SOPRAN

«Nussknacker und Mausekönig»

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Parsifal

17.00

13.00

Sonntag 10. Juni 2018 | 18.30 Uhr | KKL Luzern

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Hexe Hillary geht in die Oper

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Familienworkshop

15.00

27 Di Idomeneo

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

26 Mo Lunchkonzert

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Freitag-Abo A, Preise E

Sa 3  Führung Opernhaus

«Jeunesse» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Idomeneo

Für Kinder ab 6 Jahren Studiobühne, CHF 30

12.00

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski Preise D

Für Kinder ab 6 Jahren Studiobühne, CHF 30

Familienworkshop

14.30

Hexe Hillary geht in die Oper

15.00

«Nussknacker und Mausekönig»

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Für Kinder ab 6 Jahren Studiobühne, CHF 30

Lunea Premiere

19.00

Oper von Heinz Holliger Premieren-Abo A, Preise F


40 Kalendarium

5 Mo Lunchkonzert

12.00

«Porträtkonzert Heinz Holliger» Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 20

MI

18. APR 2018

Kirche St. Peter, Zürich — 19.30 Uhr — CHF 59/39

6  Un Ballo Di

19.00

Choreografien von Jiří Kylián, Benoît Favre Filipe Portugal und Cayetano Soto Junior Ballett, CHF 60

Mi Parsifal 7

18.00

Oper von Richard Wagner Preise H  AMAG-Volksvorstellung

THOMAS ZEHETMAIR

Do Lunea 8

19.30

Oper von Heinz Holliger Premieren-Abo B, Preise E

1O Sa Opernball Zürich

spielt Beethoven

18.00 Spezialpreise

www.opernhaus.ch/opernball So Parsifal 11

17.30

Musikkollegium Winterthur LEITUNG UND VIOLINE Thomas Zehetmair

Oper von Richard Wagner Preise E

13 Di Lunea 19.30

Oper von Heinz Holliger Dienstag-Abo A, Modern-Abo, Preise E

TICKETS & INFORMATIONEN WWW.MUSIKKOLLEGIUM.CH TELEFON +41 52 620 20 20

14 Mi Petruschka / Sacre Wiederaufnahme

19.30

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Mittwoch-Abo B, Preise C

18 So Familienworkshop «Der fliegende Holländer»

15 Do Lunea

14.30

19.00

Oper von Heinz Holliger Donnerstag-Abo B, Preise E

16 Fr Nussknacker und Mausekönig

20.00

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski Preise D

17 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Familienworkshop «Der fliegende Holländer»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Nussknacker und Mausekönig

19.00

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski Preise D

18  Der fliegende Holländer So

14.00 Wiederaufnahme Oper von Richard Wagner Preise E

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Lunea

20.00

Oper von Heinz Holliger Preise H AMAG-Volksvorstellung

19 Mo Liederabend Diana Damrau

19.00

Helmut Deutsch, Klavier Lieder von Hugo Wolf und Richard Strauss Lieder-Abo, Misch-Abo C

21 Mi Der fliegende Holländer

19.00

Oper von Richard Wagner Mittwoch-Abo A, Preise E

22 Do Petruschka / Sacre

19.00

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Donnerstag-Abo A, Preise C

23 Fr Lunea

19.00

Oper von Heinz Holliger Freitag-Abo B, Preise E

24 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10


Kalendarium 41

24 Sa Ballett-Führung mit Mini-Workshop 14.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Führung Maskenbildnerei

15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Märchen auf dem Klangteppich «Eulenglück»

15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Der fliegende Holländer

19.00

Oper von Richard Wagner Deutsche Oper-Abo, Preise E

25 So Einführungsmatinee «Maria Stuarda» 11.15

Bernhard Theater, CHF 10

Lunea

14.00

Oper von Heinz Holliger Sonntag-Abo B, Preise E

Märchen auf dem Klangteppich «Eulenglück»

15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Wolf-Ferrari / Dvořák

19.30

5. Philharmonisches Konzert Gustavo Gimeno, Dirigent; Benjamin Schmid, Violine Philharmonia Zürich Konzert-Abo, Preise P1

26  Häuptling Abendwind Mo

19.30

Operette von Jacques Offenbach Gute Laune-Abo, CHF 60

Mi 4  Liederabend Michael Volle

19.00 Helmut Deutsch, Klavier Franz Schubert «Winterreise» Lieder-Abo Do 5  Petruschka / Sacre

19.00

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Ballett-Abo Gross, Preise C

Fr 6  Führung Bühnentechnik

16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Emergence

19.00

Choreografien von Sol León / Paul Lightfoot und Crystal Pite Ballett-Abo klein, Preise B

Sa 7  Führung Opernhaus

14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Märchen auf dem Klangteppich «Eulenglück»

15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Emergence

19.00

Choreografien von Sol León / Paul Lightfoot und Crystal Pite Misch-Abo C, Preise B

So 8  Ballettgespräch

11.15

Zu Themen aus der Welt des Tanzes Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Brunchkonzert

11.15

«Belcanto ohne Worte» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

28  Der fliegende Holländer

31 Sa Führung Opernhaus

Märchen auf dem Klangteppich «Eulenglück»

Mi

20.00

14.00

Oper von Richard Wagner Preise E

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Der fliegende Holländer

18.00

Oper von Richard Wagner Preise H AMAG-Volksvorstellung

April 2O18 Mo Petruschka / Sacre 2

14.00

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky, Sonntag-Abo A, Preise C

Petruschka / Sacre

19.30

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Preise H  AMAG-Volksvorstellung

15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Maria Stuarda

19.00

Premiere, Oper von Gaetano Donizetti, Premieren-Abo A, Preise G

Mo Lunchkonzert 9

12.00

«Belcanto ohne Worte» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

11 Mi Maria Stuarda

19.00

Oper von Gaetano Donizetti, Premieren-Abo B, Preise F

12 Do Luisa Miller Wiederaufnahme

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Donnerstag-Abo B, Preise E


42 Kalendarium

13 Fr Nussknacker und Mausekönig 19.00

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski, Misch-Abo B, Preise D

14 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballette entdecken «Emergence»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige (ohne Begleitung von Erwachsenen), Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski Sonntag-Abo D, Preise D

Bernhard Theater, CHF 10

Familienoper von Jörn Arnecke für Kinder ab 8 Jahren Preise K

Familienworkshop «Emergence»

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Mozart

19.30

6. Philharmonisches Konzert / 3. La Scintilla-Konzert Raphaël Pichon, Dirigent, Orchestra La Scintilla Konzert-Abo, La Scintilla-Abo, Barock-Abo, Mozart-Abo, Preise P1

Oper von Gaetano Donizetti, Dienstag-Abo C, Preise F

Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag Unterstützt von Swiss Re

Oper von Gaetano Donizetti, Freitag-Abo B, Preise F

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

«Dresdner Hofmusik» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

Einführungsmatinee «Faust – Das Ballett»

14.30

21 Sa Ballett-Führung mit Mini-Workshop 14.30

11.15

Oper von Giuseppe Verdi Preise H  AMAG-Volksvorstellung

2O Fr Maria Stuarda

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Verdi-Abo, Italienische Oper-Abo, Preise E

22 So Brunchkonzert

14.00

17 Di Maria Stuarda

19.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ronja Räubertochter

Oper von Gaetano Donizetti, Samstag-Abo, Preise F

Nussknacker und Mausekönig

20.00

19.30

11.15

15 So Luisa Miller

14.00

Führung Opernhaus

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Maria Stuarda 19.00

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Luisa Miller

Führung Maskenbildnerei 15.00

14.30

15.00

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

14.30

Familienworkshop «Emergence»

Die Werkeinführung findet jeweils 45 Min. vor der Hauptbühnen-Vorstellung bzw. den Philharmonischen Konzerten statt.

BALLETT IM KINO LIVE AUS MOSKAU PATHE DIETLIKON, ZÜRICH

THE FLAMES OF PARIS - 4. März GISELLE* - 8. April COPPELIA - 10. Juni * Aufzeichnung


Serviceteil 43

Impressum

Sponsoren

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­n alen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

Intendant Andreas Homoki Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Florian Streit Fotografie Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Christian Güntlisberger Anzeigen Andrea Zahler Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann FLAG Aubry Broquard

Partner

ab Produktionssponsoren

Stiftung Lyra zur Förderung hochbegabter,

Evelyn und Herbert Axelrod

junger Musiker und Musikerinnen

Freunde der Oper Zürich

Die Mobiliar

Walter Haefner Stiftung

Fondation Les Mûrons

Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

Neue Zürcher Zeitung AG Notenstein La Roche Privatbank AG

Projektsponsoren

Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung

AMAG Automobil- und Motoren AG

StockArt – Stiftung für Musik

Baugarten Stiftung

Van Cleef & Arpels, Zürich

Familie Christa und Rudi Bindella

Verein «500 Jahre Zürcher Reformation»

René und Susanne Braginsky-Stiftung

Else von Sick Stiftung

Clariant Foundation

Ernst von Siemens Musikstiftung

Freunde des Balletts Zürich

Zuger Stiftung für Wirtschaft und

Ernst Göhner Stiftung

Wissenschaft

Max Kohler Stiftung

Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung

Kühne-Stiftung Ringier AG

Förderer

Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung

Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG

Hans und Edith Sulzer-Oravecz-Stiftung

Garmin Switzerland

Swiss Life

Goekmen-Davidoff Stiftung

Swiss Re

Horego AG

Zürcher Festspielstiftung

Sir Peter Jonas

Zürcher Kantonalbank

Richards Foundation Luzius R. Sprüngli

MAG Abonnieren  MAG, das OpernhausMagazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-­ Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

Gönner

Elisabeth Stüdli Stiftung

Abegg Holding AG

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Accenture AG

Confiserie Teuscher

Josef und Pirkko Ackermann

Madlen und Thomas von Stockar

Alfons‘ Blumenmarkt

Zürcher Theaterverein

Allreal Ars Rhenia Stiftung Familie Thomas Bär Berenberg Schweiz Beyer Chronometrie AG Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Fritz Gerber Stiftung Gübelin Jewellery Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung

Billettkasse +41 44 268 66 66 www.opernhaus.ch

KPMG AG LANDIS & GYR STIFTUNG Juwelier Lesunja Lindt und Sprüngli (Schweiz) AG


44 Auf dem Nachhauseweg

Zu dieser schon vorgerückten Stunde, als Frau Mani nach der Vorstellung ihre Freun­ din zum Hauptbahnhof begleitet, wirkt die Bahnhofstrasse wie ausgestorben. «Grandios!», «schier überwältigend!», überschlagen sich die beiden Frauen in ihrem Lob – obwohl sie von dieser Aufführung des Fliegenden Holländers nichts anderes erwartet hatten, schliesslich waren sie doch bereits bei der Premiere vor fünf Jahren dabei. Aber dieses Lodern der Stimmen auf dem tiefen Grund, die sich an­ sammelnde, aufstauende Gewalt, die nervösen Streicher und dann der dröhnende Ausbruch der Baritonstimmen: Frau Mani zieht das den Boden unter den Füssen weg. Man wird schier seekrank, denkt sie, und ist dann um so mehr wieder gestärkt… Man ist Naturgewalt und deren Opfer zugleich! Bei Frau Mani untergehakt, fächert sich die Freundin mit der freien Hand Luft zu. Sie schwärmt von Bryn Terfels Stimme, die soviel Sehnsucht und dabei eine mas­ si­ve Bedrohung ausdrücken kann: Ein Erdbeben habe er ausgelöst! Ihr kam es so vor, als würde er das Opernhaus sprengen wie einen Pappkarton. Frau Mani nickt stolz, als wäre sie, die Zürcherin, eigentliche Gastgeberin des Abends gewesen, Opernhausdirektorin und Regisseurin in einem. Sie liefert ihrer Freundin weitere Stichworte: So warm sei Terfels Stimme gewesen, und auch so un­ heimlich in der makellosen Diktion, und jedes Mal, wenn er die Stimme gesenkt habe, so weit nach unten, und einen Ton im Abgrund hat erklingen lassen, sei es ihr schwind­ lig geworden – wie auf einem Schiff! Vom See her weht ein scharfer Wind durch die leere Bahnhofstrasse. Das Licht der Strassenlampen flackert und lässt die Gebäude wie Segelboote auf dem Wasser schwanken. Die beiden Freundinnen treiben in der breiten Strasse. Weit und breit keine Menschenseele, hier und da brennt in einem leeren Depot noch Licht. Die Schritte der beiden Frauen verhallen zwischen den hohen Fassaden. Fast ist Frau Mani unheimlich zumute, und sie stimmt den beschwingten Festgesang der Seeleute an, in den ihre Freundin einstimmt: «Steuermann, lass’ die Wacht! / Steuermann, her zu uns! / Ho! He! Je! Ho! / Hisst die Segel auf! Anker fest! / Steuermann, her!» Ein Quietschen, und am Paradeplatz vorbei zieht ein gespenstisch anmutendes Tram, die wenigen Passagiere mit gesenkten Köpfen, ein blassblaues Leuchten im Gesicht. Wie lustig es ist, so zu singen, sagen die Frauen einander, lachen rhythmisch, ein Chorlachen, und singen weiter, versuchen dabei zu ignorieren, dass ihnen ab Paradeplatz nun also ein Mann gefolgt ist, nur wenige Schritte entfernt. Er ist nicht gross, wirkt aber breit, vielleicht wegen dem offenen Mantel, und er hält die linke Faust gereckt, woraus aromatischer weisser Rauch aufsteigt. Auf der Höhe der Pavillon-­ Skulptur von Max Bill dreht sich Frau Mani um, und fast stösst sie mit dem fremden Mann zusammen. «Sie haben uns so erschreckt!», sagt sie mit gespielter Fröhlichkeit. Der Mann verbeugt sich protokollarisch. Als er sich wieder aufrichtet, meint ihn Frau Mani an der dicken Hornbrille, auf der sich das spärliche Licht der Strassenlaternen spiegelt, erkannt zu haben. Der Mann gesellt sich ihnen zu – die Bahnhofstrasse sei doch so verlassen in der Nacht, nur leere Geschäfte und beleuchtete Schaufenster. Er scheint von altem Schrot und Korn, sagt, dass er die Bühne mag, redet langsam und bedacht über die Menschen und ihre Moral und pafft ab und zu mit seiner Pfeife. Die beiden Frauen hören ihm zu, sie nicken, alles ergibt einen Sinn. Vor dem Bahnhof bleibt die Ampel eine halbe Ewigkeit auf Rot. Als sie sich von dem Mann verabschieden wollen, ist er schon weg. Dana Grigorcea

Illustration: Anita Allemann

Steuermann, lass’ die Wacht!


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