MAG 65: Bella Figura / Le Grand Macabre

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MAG 65

Das Ballett Zürich tanzt Jiří Kylián


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Editorial

Die Kraft der Moderne Verehrtes Publikum, die Werke zweier singulärer Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts stehen in den kommenden Wochen im Zentrum unseres Spielplans. Beide sind Grossmeister ihres Faches und unverwechselbar in ihrem Personalstil. Beide haben ein massstab­ setzendes Œuvre geschaffen und ihren Platz in der Kunstgeschichte der Moderne sicher. Der eine, der ungarische Komponist György Ligeti, ist vor zwölf Jahren in Wien gestorben. Der andere, der tschechische Choreograf Jiří Kylián, lebt im holländischen Den Haag und ist mit 71 Jahren immer noch künstlerisch aktiv. György Ligetis faszi­ nierend verrückte Oper Le Grand Macabre hat am 3. Februar Premiere. Unser neuer, vierteiliger Ballettabend Bella Figura ist ab 13. Januar zu sehen, er ist ausschliesslich der Tanzlegende Kylián gewidmet und vereint vier seiner sehr gegensätzlichen, bahn­ brechenden Tanzstücke. Beide Neuproduktionen, die in so kurzem Abstand aufeinanderfolgen, stehen für das Vertrauen des Opernhauses in die Kraft moderner Kunstwerke, die – anders als etwa in der Bildenden Kunst – im Bereich des Musiktheaters mancherorts leider immer noch unter dem Vorbehalt des Schwierigen und Unzugänglichen stehen. In unseren beiden aktuellen Neuproduktionen ist das ganz anders: Ligetis Le Grand Macabre ist ein ungemein farbiges, schrilles und raffiniert hintersinniges Werk, das bei aller Modernität in seiner kompositorischen Machart direkt zum Publikum spricht und einen Riesenspass auf die Bühne bringt. In Kyliáns Stücken wiederum sind es Schönheit, Inspirationskraft und Eigenwilligkeit des Denkens, die auf berührende Weise ineinandergreifen. Was kann man sich also mehr wünschen von der Moderne, als dass sie Spass macht und uns berührt? In unserer aktuellen MAG-Ausgabe haben wir, wie immer, Gedanken und Hinter­ grundinformationen zu den Produktionen aufbereitet. So bringen wir Interviews mit Tatjana Gürbaca, der Regisseurin von Le Grand Macabre, und Fabio Luisi, der die Oper musikalisch leiten wird. Besonders stolz sind wir darauf, dass es uns gelungen ist, Jiří Kylián zu einem grossen exklusiven Gespräch zu bewegen, denn er gibt ge­ nerell kaum Interviews. Wir aber durften ihn zu Hause in Den Haag besuchen. Das MAG-Team wünscht Ihnen, verehrtes Publikum, viel Vergnügen bei der Lektüre und ein mit spannenden Kunsterlebnissen reich gesegnetes Jahr 2019. Claus Spahn

MAG 65 / Januar 2019 Unser Titelbild zeigt Jiří Kylián, dessen Choreografien im Zentrum unseres neuen Ballett­abends «Bella Figura» stehen. Lesen Sie ein Gespräch mit ihm auf Seite 28 (Foto Florian Kalotay)

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PETER

ZUMTHOR

PETER

MÄRKLI

ÁLVARO

SIZA VIEIRA

JOJO

MAYER

JAMES

TURRELL

Ein Film von CHRISTOPH SCHAUB KAMERA RAMÓN GIGER MONTAGE MARINA WERNLI MUSIK JOJO MAYER UND JACOB BERGSON STIMME RAPHAEL CLAMER PICTURE DESIGN PATRICK LINDENMAIER SOUND DESIGN PETER BRÄKER MISCHUNG JACQUES KIEFFER STEADYCAM FABIAN GAMPER ANIMATIONEN WILLIAM CROOK CO-AUTOR DREHBUCH SAMUEL AMMANN PRODUZENTINNEN BRIGITTE HOFER UND CORNELIA SEITLER EINE PRODUKTION VON MAXIMAGE IN KOPRODUKTION MIT SCHWEIZER RADIO UND FERNSEHEN SRG SSR UND 3SAT MIT DER FINANZIELLEN UNTERSTÜTZUNG VON BUNDESAMT FÜR KULTUR (BAK) / MEDIA DESK SUISSE

ZÜRCHER FILMSTIFTUNG • SUISSIMAGE • UBS KULTURSTIFTUNG • ERNST GÖHNER STIFTUNG www.maximage.ch

AB 31. JANUAR IM KINO!

CRISTINA

IGLESIAS


Inhalt

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György Ligetis «Le Grand Maca bre» gehört zu den wirkungsvollsten Musik­- theaterwerken des 20. Jahrhunderts. Im Februar hat es in der Inszenierung von Tatjana Gürbaca Premiere. Ein Gespräch

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In seinem neuen Abend «Bella Figura» zeigt das Ballett Zürich vier Stücke von Jiří Kylián. Michael Küster hat den legendären Choreografen in Den Haag besucht

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Vier Mitglieder des Balletts Zürich erzählen von ihrer Faszination, Kylián zu tanzen

Die italienische Sopranistin Rosa Feola singt Gilda in Verdis «Rigoletto» und die Titelrolle in Mozarts «La finta giardinie­ra». Volker Hagedorn hat sie getroffen

Opernhaus aktuell – 6 Drei Fragen an Andreas Homoki – 9 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 11 Meine Rolle – 26 Die geniale Stelle – 42 Volker Hagedorn trifft … – 46 Der Fragebogen – 50 Kalendarium – 51 Beni Bischof erklärt … – 56

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Klack. Klack. Klack. Klack. Klack. Der Komponist György Ligeti hat ein verrücktes Stück für hundert Metronome geschrieben. Es heisst «Poème Symphonique» und gibt dem prasselnden Zauber eines Metronom-Orchesters Raum. Unser Ensemble Opera Nova führt dieses wundersame Werk und viele weitere faszinierend verrückte Ligeti-­Kompositionen im Rahmen seines «Tribute to Ligeti» am Freitag, dem 1. Februar, auf der Studiobühne auf.

von links nach rechts Irmina Kopaczynska, Polen «Mix & Match» Manuel Renard, Frankreich «Colour Blocking»

Christopher Parker, Grossbritannien «Coordinated Tones» Francesca Dell’Aria, Italien «Glam-Chic» Juliette Brunner, Schweiz «The Minimalist»

Fotos: Michael Sieber

Giulia Tonelli, Italien «Sleek»



Opernhaus aktuell

Wiederaufnahme

Krassimira Stoyanova im «Rosenkavalier»

Mitten in den grossen Umbrüchen des beginnenden 20. Jahrhunderts werfen Richard Strauss und Hugo von Hof­­ manns­thal im Rosenkavalier einen sehn­ süchtigen, walzerseligen Blick zurück in eine glanzvolle Welt, wie sie nie war und nie sein würde. Die «Ko­mö­die für Musik» gilt vielen als die schönste aller Strauss-Opern – die Gesangspartien sind von grosser Lyrik und Opulenz. Zu den be­deutendsten Strauss-­Inter­pre­ tinnen unserer Zeit gehört Krassimira Stoya­­no­­va, als Feld­marschallin wurde sie u.a. bei den Salzburger Festspielen und an der Mailänder Scala gefeiert – nun ist sie am Opernhaus Zürich zu erleben. An ihrer Seite singen Anna Stéphany (Oc­ta­vian) und Sabine Devieilhe (So­ phie), die hier zuletzt überragend als Marie (La Fille du régiment) debütierte. Den Baron Ochs singt Christof Fisch­ esser, es dirigiert Generalmusikdirektor Fabio Luisi. Wiederaufnahme 15 Feb 2019 Weitere Vorstellungen 23, 27 Feb; 3 März

3. Philharmonisches Konzert

Doppelkonzert und «Sinfonische Tänze» Das Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 102 von Johannes Brahms ist 1887 am Thunersee mit Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau ent­­ standen. Die ungewöhnliche Besetzung inspirierte Brahms nicht zu vorder­­­­ gründig virtuosen Solopartien, sondern zu einem konzertanten Werk von epi­ schem Charakter. Mit Ilya Gringolts und Christian Poltéra geben zwei inter­

na­tio­nal renommierte Instrumental­ solisten ihr Debüt mit der Philharmonia Zürich. Mit Sergej Rachmaninows Sinfonischen Tänzen – seiner letzten voll­­endeten Komposition, die 1940 auf Long Island entstanden ist – dirigiert der Amerikaner Robert Trevino ausser­ dem ein gross­angelegtes Werk der Orchesterliteratur, das höchste An­ sprüche an die Instrumentalisten stellt. Samstag, 12 Jan 2019, 19 Uhr Hauptbühne

4. Philharmonisches Konzert

Beatrice Rana spielt Beethoven Mit Mitte Zwanzig ist die italienische Pianistin Beatrice Rana bereits in zahlreichen bedeutenden Konzertsälen aufgetreten. Internationale Beachtung wurde ihr durch die Silbermedaille und den Publikumspreis beim renom­ mierten «Van Cliburn International Piano Competition» 2013 zuteil. Seit­ her konzertiert sie mit namhaften Dirigenten und Orchestern weltweit, hat ein Album mit Antonio Pappano und der Accademia Nazionale Santa Cecilia di Roma (Tschaikowskis erstes und Prokofjews zweites Klavierkonzert) sowie ein Solo-Album mit Bachs Goldberg-Variationen aufgenommen. Mit dem Dritten Klavierkonzert c-Moll op. 37 von Ludwig van Beethoven debü­ tiert die Künstlerin mit der Philharmo­ nia Zürich. Gemeinsam mit Generalmu­ sikdirektor Fabio Luisi ist ein Zyklus mit allen Beethoven-Konzerten geplant (das Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur folgt bereits im Juli). Auf dem Programm dieses Philharmonischen Konzerts steht ausserdem die Grosse Sinfonie in C-Dur D 944 von Franz Schubert. Ihre Urauf­ führung erlebte diese umfangreiche Partitur erst nach Schuberts Tod im Gewandhaus Leipzig – heute zählt sie unbestritten zu den Meisterwerken der romantischen Sinfonik. Sonntag, 10 Feb 2019, 11.15 Uhr Hauptbühne

Brunch-/Lunchkonzerte

Kammermusik im Januar

In unserer beliebten KammermusikReihe im Spiegelsaal sind zu Beginn des neuen Jahres gleich zwei Konzerte zu hören: Am 13. und 14. Januar steht jeweils das Klavierquartett op. 13 von Richard Strauss auf dem Programm – ein Geniestreich des damals erst 19-­­jährigen Komponisten. Ausserdem erklingen Werke in ungewöhnlicher Trio-Be­ setzung: die Serenade op. 12 von Zoltán Kodály für 2 Violinen und Viola so­wie das Trio für Viola, Heckelphon und Klavier op. 47 von Paul Hindemith. Das Heckelphon – ein tiefes Instrument der Oboenfamilie – wird von Samuel Bastos gespielt, die weiteren MusikerIn­ nen sind Bartlomiej Niziol und Maya Kadosh (Violine), Rumjana Naydenova (Viola), Xavier Pignat (Cello) und Petros Ba­kalakos (Klavier). Zwei Sex­ tette für Klavier und Streicher sind eine Woche später zu hören: Das Sextett D-Dur op. posthum 110, eine Art Mi­nia­tur-Klavier­konzert des jungen Kla­ viervirtuosen Felix Mendelssohn Bar­ tholdy sowie das Grosse Sextett Es-Dur, das Michail Glin­ka während einer Italienreise komponierte. Es spielen Dmitry Demyashkin (Klavier), Tatjana Pak und Jonathan Allen (Violine), Natalia Mosca (Viola), Andreas Plattner (Cello) und Dariusz Mizera (Kontra­ bass). Hindemith/Kodály/Strauss 13 Jan 11.15 Uhr, 14 Jan 12 Uhr Spiegelsaal Glinka/Mendelssohn 20 Jan 11.15 Uhr, 21 Jan 12 Uhr Spiegelsaal

Illustrationen: Anita Allemann

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«Le Comte Ory» Spielzeit 2010/11

25 Jahre Zusatzchor

Foto: Jef Rabillon

Die 60 Mitglieder des Zusatzchores stehen mit grosser Leidenschaft auf der Bühne – neben den grössten Stars. Nun feiern sie ein Jubiläum Der Zusatzchor am Opernhaus Zürich feiert in dieser Spielzeit sein 25-jähriges Bestehen – wir gratulieren herzlich! Ohne Frage: So manche Opernaufführung wäre ohne diesen Verein nicht möglich gewe­ sen. Seit seiner Gründung im Jahr 1993 absolvierte der Zusatzchor bis Ende der vergangenen Spielzeit insgesamt 1656 Vorstellungen und wirkte in 115 Neupro­ duktionen mit. Die Geschichte des Zusatzchores reicht jedoch viel weiter zurück. Im Jahr 1904 wurden am damaligen Zürcher Stadttheater Opern von Richard Wagner aufgeführt, wofür der Hauschor erstmals mit Mitgliedern aus dem Lehrergesangs­ verein aufgestockt wurde. Daraus ist der Theater-Lehrerchor hervorgegangen, zu dem nach dem Krieg ein weiterer Laien­ chor hinzukam, der Extrachor, der für Operetten und Spielopern eingesetzt wurde. Damals probten zwei Vereine

gleich­zeitig und unabhängig voneinander. Auf Wunsch der Intendanz Pereira wurde daraus im Frühjahr 1993 eine einzige Körperschaft. Aktuell umfasst der Zusatz­ chor knapp 60 aktive Mitglieder. Die künst­lerischen Ansprüche an die Sänge­ rinnen und Sänger, die alle berufstätig sind, sind äusserst hoch, stehen sie doch gemeinsam mit den Profis des Hauschores auf der Bühne: in so erfolgreichen Pro­ duktionen wie in Christian Spucks Inter­ pretation von Verdis Requiem oder unter Teodor Currentzis in Verdis Macbeth, in Rossinis Le Comte Ory neben Cecilia Bar­ toli oder im Konzert in Mendelssohns Elias unter Fabio Luisi. Der Zusatzchor sucht immer wieder neue Mitglieder. Voraussetzung, um in den Chor aufgenommen zu werden, ist ein erfolgreiches Vorsingen bei der Chor­ direktion. Mehr Informationen dazu fin­ den Sie auf www.zusatzchor.ch.


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Liebespaar mit Katze, 1917, Kunsthaus Zürich, 1933 (DETAIL), © Fondation Oskar Kokoschka / 2018, ProLitteris, Zürich

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Rekordauslastung

Foto: Frank Blaser

Herr Homoki, der Geschäftsbericht der Spielzeit 2017/18 liegt vor. Wie sieht die wirtschaftliche Bilanz des Opernhauses Zürich aus? In wirtschaftlicher Hinsicht war es eine äusserst erfolgreiche Spielzeit. Auf der Hauptbühne hatten wir mit 90 Prozent eine Rekordauslastung, was im Ver­ gleich zum Vorjahr einer Steigerung um 4,9 Prozentpunkte entspricht. Beson­ ders erfreulich ist, dass die Auslastung sowohl im Bereich der Oper als auch in der Sparte Ballett stark gestiegen ist: Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Auslastung in der Oper von 84,7 Prozent auf 88,3 Prozent erhöht. Das Ballett Zürich konnte im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 8,2 Prozent auf phänomenale 98 Prozent Auslastung vor­ weisen. Das bedeutet nichts anderes, als dass in der letzten Spielzeit jede Ballett­vorstellung ausverkauft war – eine grosse Bestätigung für die fantastische Arbeit von Christian Spuck und seinem wunderbaren Ballett! Uns ist sehr wichtig, auch in der Eigenfinanzierung einen hohen Wert zu erreichen. Das ist uns mit einem Eigenwirtschaftlich­ keits­grad von 37,4 Prozent mehr als gelungen, denn die Vorgabe des Kantons Zürich sieht hier zwischen 30 bis 35 Prozent vor. Im Bereich des Spon­so­ rings konnten wir mit Einnahmen von 9,2 Mio. Franken einen neuen Rekord­ wert erzielen. Insgesamt sind diese Zahlen ein schönes Zeichen dafür, dass unsere Arbeit angenommen und ge­ schätzt wird. Sie haben eine Million Franken als Reserve für Immobilienprojekte getätigt. Was hat es damit auf sich? Das Opernhaus Zürich hat viele Im­ mobilien, die gepflegt werden müssen und Investitionen erfordern. Seit ein­em Jahr sanieren wir nun unser Aus­ stattungslager Kügeliloo komplett und erhöhen auch dessen Lagerkapazi­ tät auf das Doppelte. Das ist ein sehr grosses Projekt, wofür unser technisches

Team eine ausgezeichnete Arbeit leistet. Die Sanierung kostet insgesamt 28,5 Mio. Franken. Vom Kanton Zürich er­ halten wir dafür 16 Mio. Franken, während das Opernhaus 12,5 Mio. Fran­ ken beisteuern muss. Dafür haben wir in den letzten Jahren Geld gespart. Mit der Million des letzten Jahres liegen wir aktuell bei 11 Mio. Franken und befinden uns hier nun auf der Ziel­ geraden … Nun haben wir über Zahlen gespro­ chen. Doch wie sieht die künst­le­ rische Bilanz der vergangenen Spiel­ zeit aus? Da wir ein Repertoiretheater sind, ist für uns die Pflege und Erneuerung des Repertoires eine besonders wichtige Aufgabe. In der letzten Spielzeit haben wir, wie ich finde, überaus gelungene und repertoirefähige Inszenierungen von Schlüsselwerken der Opernliteratur präsentieren können, darunter Jewgeni Onegin, Madama Butterfly sowie den Beginn einer neuen Tudor-Trilogie von Donizetti mit Diana Damrau als Maria Stuarda. Beim Ballett möchte ich den neuen Nussknacker erwähnen, mit dem wir sogar im Bolschoi-Theater, der Hochburg des klassischen Balletts, gastierten. Ich habe mich aber auch ge­ freut, dass einige Produktionen des sogenannten Randrepertoires sehr schön umgesetzt wurden, dazu gehören Weill/­ Brechts Aufstieg und Fall der Stadt Maha­gonny oder der fulminante Saison­ abschluss mit Monteverdis L’incoro­­­­ nazio­ne di Poppea, einem sehr passenden Beitrag des Opernhauses für die Fest­ spiele Zürich zum Thema «Schönheit und Wahnsinn». Eine persönliche Her­zens­angelegenheit war für mich die Uraufführung Lunea von Heinz Hol­li­ ger, dem wohl wichtigsten Schweizer Komponisten. Dass wir dafür kürzlich die Auszeichnung «Uraufführung des Jah­ res» in der Zeitschrift Opernwelt er­hal­ ten haben, freut mich ganz besonders.

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Glanzvolle Benefizgala in den Räumlichkeiten des Opernhauses Ballkarte inkl. Diner und Getränke à CHF 950 Flanierkarte inkl. einem Glas Champagner à CHF 290 Frack, Smoking und Abendkleid Karten unter: 044 268 66 66, opernball@opernhaus.ch www.opernhaus.ch


Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 11

Tonnenschwerer Rauch

Illustration: Anita Allemann

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Das Bühnenbild von Sweeney Todd wartet mit einigen wunderbaren theatertechnischen Raffinessen auf. Neben einer zerteilbaren Ratte, einer verborgenen Rutsche, lebensechten Puppen, Blut spritzenden Messern, einem raffinierten Rasierstuhl, Falltüren und Galgenstricken sieht man hier zum ersten Mal gebauten Rauch aus Schornsteinen quellen und im Schnürboden hängen. Ich bin überzeugt, dass alle anderen Dinge, die wir hergestellt haben, den Zuschauenden ehrfurchtsvoll staunen lassen, während der Rauch und die Wolken wie das Normalste der Welt erscheinen. In einer Kritik las ich, dass die «gemalten Schornsteine und Wolken» ein stimmungsvolles Bild erzeugten. Moment mal, muss ich da sagen: Die sind nicht gemalt, sondern gebaut. So richtig echt und ziemlich viele, denn unser Bühnenbildner Michael Levine hatte in seinem kleinen Bühnenbildmodell vierzig ver­schiedene Schornsteine mit schwarz gespritztem Watte-Rauch dran und rund zwanzig ebensolcher Wolken. Watte sieht im Modell toll aus: Die dünnen Fasern ergeben ein teilweise durchsichtiges, teilweise undurchsichtiges Gebilde schwerelosen Aussehens. Wie Wolken oder Rauch am Himmel eben. Diese im Modell nur wenige Zentimeter grossen Watte­ gebilde sollten auf der Bühne dann natürlich mehrere Meter gross und dick sein. Baut man so etwas für die Bühne aus Watte, gibt das ein formloses Gebilde, welches in sich keine Festigkeit hat und nicht aufgehängt weden kann. Problematisch ist auch, dass Watte in dieser Menge vollkommen undurchsichtig ist und wie eine riesige weisse Kartoffel aussieht. Sobald wir jedoch weniger Watte verwendeten, konnte man zwar ein bisschen hindurchsehen, doch konnte sie keine Form halten. Sorge bereitete uns auch die Akustik dieser schallschluckenden Wattekartoffeln. Wir versuchten ganz viele Tricks, Styropor, verschiedene Stoffe, doch nie erhielten wir Gebilde, die auch nur annähernd so aussahen wie der Watterauch im Modell. Michael selbst war es dann, der die Idee hatte, grosse Mengen an Maschendraht («Kaninchendraht») zusammenzuknüllen. Der Effekt war schon beim ersten Versuch nicht übel: An den Stellen, an denen der Maschendraht nur in einer Lage lag, wirkte er aus grösserer Entfernung transparent, an den Stellen, an denen er bis zu 20-fach über­einander geknüllt war, war er fast undurchsichtig. Wir hatten nun geknüllten Maschendraht, der jedoch nicht in der geknüllten Form blieb. Sobald man ihn hochzog, fiel der Rauch wieder auseinander. Ein Stahlgerippe als Grundkonstruktion verbot sich, da man dieses natürlich gesehen hätte. Nach ein paar Versuchen hatten wir auch hier die Lösung: Wir schnitten zweimal die Silhouette der Wolke aus dem Maschendraht aus und verbanden diese beiden Lagen zu einer Art Kissenbezug. Nun stopften wir je nach gewünschter Durchsichtigkeit weiteren Maschendraht hinein. Die grobe Form hielten wir mit dünnen schwarzen Kabelbindern zusammen. Perfekt! Nun musste der Rauch noch schwarz werden. Anspritzen ging nicht gut, da der Maschendraht zu 95 Prozent aus Maschen, sprich Löchern, besteht und die meiste Farbe beim Spritzen verloren gegangen wäre. Wir fanden zum Glück eine Firma, bei der die Maschendrahtrollen vor der Montage in schwarze Farbe getaucht werden konnten. Das ging sehr schnell und effizient. Das Ergebnis ist wirklich beeindruckend: Schwerelos wirkender Rauch aus einer halben Tonne (!) Stahl. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich


Der Tod ist un György Ligetis Oper «Le Grand Macabre» handelt von der Macht und der Ohnmacht des Todes. Sie gehört zu den attraktivsten Musiktheaterwerken des 20. Jahrhunderts, weil sie vom Weltuntergang als Farce erzählt. Am 3. Februar hat sie am Opernhaus Zürich Premiere Essay Claus Spahn  Fotos Gian Paul Lozza


ter uns


14 Le Grand Macabre

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er Tod inszeniert seinen Auftritt mit grossem Getöse. Von Basler Fasnachts­ trommeln und schrillen Piccoloflöten lässt er sein Erscheinen ankündigen. Es erschallen die Posaunen des Jüngsten Gerichts. Auch ein sardonischer Ragtime der Solovioline und Cha-Cha-Rhythmen begleiten seinen Einzug. Dieser Tod, der sich Nekrotzar nennt, scheint in beschwingter Laune zu sein, denn um Mitter­nacht wird er die Welt vernichten, und er liebt es, bei seinem Weltuntergangs-­ Auftritt besonders dick aufzutragen. Von «brennender Höllenglut» und «strömendem Menschenblut» schwadroniert er, prahlt «Gift, Pest, Brand, Mord, das ist für mich nur Sport!». Das Volk von Breughelland, dem er erscheint, fleht «Wehe, oh Fürst!» und »Töte uns nicht!» Aber klingt das nicht alles ein bisschen arg wichtigtuerisch? Sind die Reime, in denen der Grosse Makabre spricht, nicht etwas zu albern? Ist dieser Todverkünder womöglich nur ein lächerlicher Gross-Sprecher und schamloser Aufschneider? Er kommt nicht allein nach Breughelland. Der apokalyptische Reiter hat sich einen Kumpan an seine Seite geholt, einen Sancho Pansa. Das ist Piet vom Fass, der heilige Säufer und Pragmatiker in allen Lebensfragen, und dieser Piet kann – weil die profanen Vergnügungen des Hier und Jetzt nun mal viel reizvoller sind als die an­ strengenden letzten Dinge des Daseins – den Grossen Makabren noch schnell zu einem kleinen Umtrunk überreden, bevor die Schrecknisse ihren Lauf nehmen: «Auf unser vergnügliches Ins-Gras-Beissen, Prost!», ruft Piet, und hastig im Viervierteltakt beginnen die beiden «Ex! Hopp! Ex! Hopp!» die Gläser zu leeren, bis sie kurz vor Mitternacht sturzbetrunken einschlafen. Und die Apokalypse? Die fällt aus. Der Tod ist zu besoffen für den Weltuntergang. Das Ende der Menschheit muss verschoben werden. Das Jüngste Gericht war nur ein Gerücht. So lassen wir sterbliche Erdenmenschen uns ein Gleichnis über den Tod gerne erzählen – als spöttische Groteske und nicht, wie sonst oft, als ein uns in die Knie zwingendes Schreckensgemälde. Der Tod ist eben auch nur ein Stümper und Versager, eine Witzfigur, die man nicht zu ernst nehmen sollte. Was zählt, ist die pralle Feier des Lebens, wie sie von den Breughelländern im Schlusschor fröhlich angestimmt wird: «Fürchtet den Tod nicht gute Leut’, irgendwann kommt er, doch nicht heut’. Und wenn er kommt, dann ist’s so weit, lebt wohl so lang’ in Heiterkeit.» Ganz so pausbäckig optimistisch, wie der Schluss vermuten lässt, ist György Ligetis Oper Le Grand Macabre freilich nicht. Der Komponist hat zwar erklärt, die Oper handle von der Angst vor dem Tod und ihrer Überwindung, aber das ungebro­ chene Lob der Sorglosigkeit singt sie nicht. Dafür ist sie viel zu hintersinnig und dop­pelbödig angelegt. Wie Wackelbilder kippen Musik und Szene in dieser Oper immer wieder zwischen Posse und Abgrund, Angst und Witz. Dafür waren auch Ligetis persönliche Erfahrungen mit dem Tod viel zu lebensprägend und bitter. Als ein im rumänischen Siebenbürgen geborener Ungar jüdischer Herkunft hat er in jungen Jahren erlebt, dass seine Eltern und sein jüngerer Bruder in den Konzen­ ­trationslagern der Nazis ermordet wurden, während er selbst mehrmals zum ohn­ mäch­tigen Spielball des Schicksals wurde. In Interviews hat er davon erzählt, wie er sein Überleben immer wieder nur grotesken Zufällen zu verdanken hatte. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs, in der er im Arbeitsdienst der auf Seiten der Nazis kämpfenden ungarischen Armee schuften musste, entging er nur knapp seiner Er­ schiessung. Beim Heranrücken der Roten Armee harrte er im Wald stundenlang auf den Boden liegend aus – für den russischen Panzer, der sich ihm schliesslich näherte, lag er zu nah, um vom Turm aus gesehen und getötet zu werden, und von den Ketten wiederum 30 Zentimeter zu weit weg, um überrollt zu werden. «Tragikomisch» nannte Ligeti solche Umstände seines Überlebens. Geradezu slapstickhaft war Monate später die entscheidende Szene seiner Flucht aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft: Seine Marschkolonne wurde in einer Stadt und dem darin herrschenden Chaos der Truppenbewegungen von einer zweiten Kolonne gekreuzt, die Bewacher verloren den Überblick und Ligeti konnte davonlaufen. «Die Tatsache, dass ich hier sitze», hat der Komponist einmal in einem Interview erklärt, «ist das Ergebnis einer Lotterie.


Le Grand Macabre 15

Ich war hundert Male nahe dran, getötet zu werden, irgendwie ist es dann doch nicht passiert.» Wem das Leben solche Lehren erteilt, kann den Tod nicht mehr ernst nehmen. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass der Sensenmann Nekrotzar in Le Grand Macabre eine durch und durch absurde Figur ist, dass der grelle Totentanz, den die Oper in Szene setzt, auch eine grosse Nähe zum Kasperle-Theater aufweist und zum mitter­ nächtlichen Gongschlag der Apokalypse am Ende des dritten Bildes lediglich ein Kuckucksruf und ein Entenquaken zu vernehmen sind. Natürlich steckt in Le Grand Macabre auch die Satire auf die politischen Gross­ mäuler des 20. Jahrhunderts, die so viel Verderben über die Menschheit gebracht haben. Ligeti hatte persönliche Erfahrungen mit beiden totalitären Systemen, dem Wahnsinn des Faschismus und dem Aberwitz des stalinistischen Kommunismus, den er den «surreal existierenden Sozialismus» nannte. Das hat ihn geprägt. Ideologien waren ihm zuwider. Ligeti – der 2006 im Alter von 83 Jahren starb – war kein Welt­ anschauungskünstler, sein Komponieren kam ganz unbeethovenianisch ohne die grossen Botschaften aus. Jede Form von Menschheitsbeglückungsdrang geht seiner Musik ab. Das hat ihn vom Zeitgeist der siebziger Jahre, an deren Ende Le Grand Macabre 1978 uraufgeführt wurde, markant abgegrenzt. Ein Lieblingskomponist der 68er-Generation war der ungarische Dissident nicht. Während in den Werken des italienischen KPI-Mitglieds Luigi Nono die linken Utopien glühten und ein Hans Werner Henze für das kommunistische Kuba schwärmte, schrieb Ligeti eine böse Farce wider die Sinnhaftigkeit des Politischen und ging in seiner lustvoll mit tradierten Formen spielenden Musik auch deutlich auf Distanz zu den ästhetischen Dogmen der musikalischen Nachkriegsavantgarde. Polemisch gegen die allgegenwärtigen «Anti-­Opern»-Komponisten seiner Zeit gerichtet, nannte er Le Grand Macabre eine «Anti-Anti-Oper».

Das listige Spiel mit Wahrnehmungstäuschungen zieht sich durch das gesamte Schaffen von Ligeti Als der amerikanische Regisseur Peter Sellars 1997 eine von Ligeti revidierte Fassung der Oper bei den Salzburger Festspielen als völlig humorfreies Schreckensbild einer atomaren Katastrophe in Szene setzte, die Breughelländer in ABC-Schutzanzügen über die Bühne schickte und Nekrotzar als Höllenfürst des nuklearen Weltuntergangs präsentierte, empörte sich Ligeti anschliessend darüber sehr. Sellars habe aus seinem Werk ein Propagandastück gegen Atomkraftwerke und nukleares Wettrüsten gemacht, es richte sich aber allgemein gegen falsche Propheten. Ligetis Welttheater braucht keine aktualisierende Konkretion. Das gilt erst recht für die Gegenwart unserer Tage, in der das übertrieben Lächerliche seiner Politsatire von der Wirklichkeit längst ein­ geholt ist. Die Potenzprahlereien des amerikanischen Präsidenten Trump jedenfalls stehen denen des Popanz Nekrotzar kaum nach. Der Neue-Musik-Experte Ulrich Dibelius hat Ligetis Strategie in einem Essayband über den Komponisten so beschrie­ ben: In Le Grand Macabre rücke er die konkreten Weltverhältnisse, die ihn beun­ ruhigen, von sich ab, mache sich kraft seiner Begabung, das Sinnwidrige zu verlachen, zum eher unbeteiligten Zuschauer und das, was er sehe, zum Theater. Nicht nur seiner Oper kommt Ligetis Leidenschaft für alles Sinnwidrige und surreal Verzeichnete zum Ausdruck. Das listige Spiel mit Wahrnehmungstäuschungen zieht sich durch sein ganzes Schaffen. Ligeti liebt das Labyrinthische und Paradoxe, die Gleichzeitigkeit verschiedener Tempi und polymetrische Verzahnungen, die illu­


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sionäre Motiv- und Rhythmusraster hervorbringen. Schon als Kind spielte er in der Augenarztpraxis seiner Mutter am liebsten mit den Apparaturen, mit denen sich optische Täuschungen erzeugen liessen. Er war fasziniert von der Chaosforschung und den sich unendlich verästelnden Computerbildern der fraktalen Geometrie, von der organischen Chemie wie von der höheren Mathematik. Dieses Forscherinteresse ist bei ihm verbunden mit einer unbändigen Lust am Spielerischen und einer grenzen­ losen kindlichen Fantasie, die er sich sein ganzes Leben lang bewahrt hat. Als Ligeti fünf Jahre alt war, begann er sich ein Fantasieland namens «Kylviria» auszudenken. Er zeichnete Landkarten, entwarf Topographien, rankte mythologische Geschichten um seine Welt und erfand sogar eine eigene Sprache. Auch von diesem obsessiven Eintauchen in imaginäre Welten und dem Spass, eine komplette Welt zu erfinden, handelt die Oper Le Grand Macabre. Beim ersten Blick auf die Partitur kann es leicht passieren, dass man nur die Grobheiten des Stücks wahrnimmt, die mitunter sehr derbe Sprache oder die cartoon­ haft simplifizierten Charaktere der Figuren. Aber beim genaueren Hinhören bemerkt man schnell, dass in diesen vermeintlich holzschnittartigen Totentanz das ganze Raffinement des Ligetischen Komponieren eingegangen ist – im geisterhaften Auf­ rufen der Opernidiome von Monteverdi über Rossini bis Strawinsky, im Jonglieren mit traditionellen Formversatzstücken und in der Art und Weise, wie dennoch alles stilistisch durchdrungen ist von radikaler Modernität.

Am Ende des dritten Bildes fasst Ligeti in einem grossartigen instrumentalen Zwischenspiel das pure Nichts in Töne Ein gutes Beispiel dafür ist die grosse Leere, das pure Nichts, das Ligeti in einem grossartigen instrumentalen Zwischenspiel am Ende des dritten Bildes genau in dem Augenblick in Töne gefasst hat, in dem die Apokalypse eigentlich losbrechen müsste. Mit clusterartig stehenden Akkorden schafft er eine Art Bewusstseinsschleuse, durch die die Figuren wie das Publikum geführt werden. Piet vom Fass wähnt sich danach im Himmel und merkt erst an seinem Durst, dass er doch noch lebt und der Weltun­ tergang gar nicht stattgefunden hat. Als Zuschauer freuen wir uns mit Piet: Der Spass geht weiter. Und das jugendliche Paar Amando und Amanda, das sich im ersten Bild zum Liebemachen zurückzieht und sich am Ende immer noch miteinander vergnügt, singt: «Was kümmert uns der Untergang, so lang wir spüren Lust und Drang.» Aber das Nichts, das uns Ligetis Musik hat hören lassen, den kurzen Blick in den bodenlosen Abgrund, den sie uns gewährt hat, bleibt nicht ohne Wirkung. Der Tod ist in Le Grand Macabre zwar nur ein Prahlhans. Aber an die Endlichkeit unseres Daseins gemahnt er uns doch. Die Mortalitätsrate der Gattung Mensch liegt eben leider bei hundert Prozent.





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Es liegt eine tiefe Wahrheit im Nonsens Wie bringt man eine Oper auf die Bühne, in der der Tod ein Aufschneider ist, der Hofastronom ein Masochist, und ein Säufer die Welt rettet? Ein Gespräch mit Tatjana Gürbaca über ihre Lesart von Ligetis «Le Grand Macabre»

Tatjana, wovon handelt György Ligetis Oper Le Grand Macabre? Der Tod erscheint in Breughelland und behauptet, um Mitternacht die Welt zu vernichten. Aber im entscheidenden Moment verschläft er den Weltunter­ gang, weil er zu besoffen ist. Das ist die Handlung in einem Satz. Aber ich finde, die Oper greift viel weiter aus: Es ist ein Stück über das Menschsein an sich, über die Schwächen der Menschen und ihre Triebe, über ihre Ängste, Hoffnungen, Lebensstrategien. Gerade weil der Tod auftritt, ist Le Grand Macabre nämlich auch eine grosse Feier des Lebens. Die Tatsache, dass unser Dasein endlich ist, macht ja das Leben erst lebenswert. Was wäre das für ein Horror, wenn wir ewig leben müssten! Alles würde sich in endlose Qual ver­ wan­deln. Ich habe vor einigen Jahren bei einer Biennale in Venedig die wunder­bare Video-Installation des chi­ nesischen Künstlers Yang Zhenzhong mit dem Titel I will die gesehen. Darin sah man Menschen auf der Strasse, im Alltag, umtost vom Leben, die in die Kamera gucken und sagen: «Ich werde sterben». Ein Satz, der auf jeden von uns zutrifft. Und ich mochte an der In­ stallation, dass alle, die diesen Satz

sagten, gelächelt oder sogar richtig ge­ lacht haben. Es ist eben eine grosse Befreiung, zu wissen, dass es ein Ende gibt. Umso mehr ist man aufgefordert, das, was davor liegt, gut zu ver­ bringen und mit Sinn zu füllen. Ligeti hat als Form für seine Oper die Groteske gewählt. Der Tod ist bei ihm eine lächerliche Figur. Was heisst das in Bezug auf den Ernst des Themas? Es liegt eine tiefe Wahrheit im Nonsens. Das ist ja das Tolle, dass man schwere Themen auch ganz leicht erzählen kann. Indem man Witze über die letzten Dinge macht, kommt man ihnen näher, als wenn man sie zu ernst nimmt. Ligeti schafft es in der Groteske, einen liebe­ vollen Blick auf seine Figuren zu werfen. Sie sind alle wie verlorene Kinder. Sie quälen sich, reiben sich auf in ihren Pro­ jekten, scheitern, versuchen es erneut. Alle möchten etwas erleben, sich selbst spüren, eine Bedeutung im Leben er­ langen. Aber natürlich handelt Le Grand Macabre auch von einer fundamentalen Sinnkrise und den Fragen, die sich an sie knüpfen. Ich habe gerade in Essen Webers Freischütz inszeniert. Das stellt Max die Frage: «Lebt kein Gott?»


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Bei Ligeti singen die Figuren: «Das All ist menschenleer». Da sind wir bei Nietzsche und seinem berühmten Satz, dass Gott tot ist, und Samuel Beckett, der in seinem Stück Endspiel eine Figur über Gott sagen lässt: «Der Lump, er existiert nicht.» Gibt es etwas, das der Welt übergeordnet ist und unserem Dasein einen Sinn verleiht? Oder sind wir vielmehr dazu aufgefordert, den Sinn selber zu schaffen? Darum geht es in dieser Oper, in der ich auch Sartre entdecke – die Geschlossene Gesellschaft. Das Personal in Le Grand Macabre re­präsentiert eine komplette Welt auf der Bühne, ähnlich wie bei Verdi. Wir haben einen König, zwei Minister, den Hofastrologen und seine Frau; wir haben die jungen Liebenden und Piet vom Fass, der mir wie eine Art Papa­ geno-Figur vorkommt – und wir haben mit Venus und Nekrotzar zwei Götter. Mit wenigen Strichen ist hier ein voll­ ständiges Welttheater skizziert. All diese Figuren stehen für sehr unterschiedliche gesellschaftliche Schichten, hocken aufeinander und bilden einen abge­ schlossenen Kosmos. Die Hölle sind immer die anderen. Die Macabre-Figuren sind comichaft angelegt. Heisst das, dass man sie auch als solche auf die Bühne bringen muss, mit all ihren Übertreibungen und Simplifizierungen? Nein. Das wollten wir gerade nicht ma­ chen. Natürlich ist es reizvoll, dass die Charaktere so antipsychologisch ge­ dacht sind. Das öffnet dem Theater reiche Möglichkeiten und ist für jedes Inszenierungsteam ein grosser Spass. Trotzdem sind die Figuren vielschich­ti­ ger, als man zunächst denkt. Nehmen wir etwa den Hofastronomen Astra­­ damors und seine Frau Mescalina. Auf den ersten Blick scheint das Paar eine Sadomaso-Beziehung zu leben, die mit viel Komik und ziemlich drastisch ausgestellt wird. Aber wenn man ge­ nauer hinschaut, entdeckt man zwischen den beiden grosse Nähe und Zärtlich­ keit und unerfüllte Sehnsüchte. Sie schei­tern an den hohen Ansprüchen, die sie aneinander stellen und werden durch den Alltag aufgerieben. Das macht sie

liebenswert und rührend. An dem Paar zeigt sich auch das Leib-Seele-Problem des Menschen. Wir sind gesegnet mit unserem Körper, aber auch belastet durch ihn. Er existiert unabhängig von unserem Denken. Er muss genährt werden, produziert Krankheiten und seltsame Begierden, macht absurde Dinge mit uns, mit denen es nicht ein­ fach ist, klarzukommen. Du suchst das Menschliche in den Figuren, aber die Musik hält gar keine Introspektion für sie bereit. Sie kennt nicht die Form von Einfühlungs­ dramatik, wie wir sie in den Opern des 19. Jahrhunderts erleben. Doch. Sie gibt uns schon tiefe Einblicke. Ligetis Musik erzählt ganz viel auf verschiedenen Ebenen. Astradmors und Mescalina zählen beispielsweise in einer kurzen Sequenz alle Wochentage auf, vom müden Montag bis zum süssen Sonntag. Da kann sich jeder wiederfin­ den: Wie wir endlos mit den Banalitäten des Alltags zu kämpfen haben, Tag für Tag an den Rand der Erschöpfung kommen und uns immer wieder auf­ raffen, auch wenn die Belohnungen, die wir dafür kriegen, viel zu klein sind. Mescalina etwa sucht in der Liebe, in der Leidenschaft und der Sexualität ihre Erfüllung – der Mann will seine Ruhe haben. Es gibt eine drastische Sexszene zwischen Mescalina und Nekrotzar, zu der Ligeti im Orchester eine graziöse «Bourrée perpetuelle» im Stil von Jean-Philippe Rameau geschrieben hat. Ist das ein Beispiel für die überraschenden Kommentare, die die Musik immer wieder bereit hält? Unbedingt! Was Ligeti schreibt, ist mit jedem Ton grossartige zeitlose Musik. Obwohl ich die Oper ja schon einmal gemacht habe und schon sehr lange mit mir herumschleppe, muss ich immer noch laut lachen, wenn ich wieder vor den Noten sitze. Es ist ein ewiger Kitzel, der in dieser Musik steckt. Die Bourrée, die du erwähnst, gibt der Szene etwas surreal-Rituelles, wie die komplizierten, verschachtelten Rituale der erotischen Annäherung, die wir

Le Grand Macabre Oper in zwei Akten von György Ligeti Musikalische Leitung Fabio Luisi Inszenierung Tatjana Gürbaca Bühnenbild Henrik Ahr Kostüme Barbara Drosihn Lichtgestaltung Stefan Bolliger Choreinstudierung Ernst Raffelsberger Dramaturgie Claus Spahn Amanda Alina Adamski Amando Sinéad O’Kelly Piet vom Fass Alexander Kaimbacher Nekrotzar Leigh Melrose Astradamors, Hofastrologe Jens Larsen Mescalina, seine Frau Judith Schmid Venus / Chef der Gepopo Eir Inderhaug Fürst Gogo David Hansen Schwarzer Minister Oliver Widmer Weisser Minister Martin Zysset Ruffiak Yuriy Tsiple Schobiak Dean Murphy Schabernak Richard Walshe Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich Mit freundlicher Unterstützung der Ringier AG Premiere 3 Feb 2019 Weitere Vorstellungen 7, 10, 13, 16, 21, 24 Feb; 2 März 2019 Einführungsmatinee So 20 Jan 2019, 11.15 Uhr


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A Tribute to Ligeti Konzert mit dem Ensemble Opera Nova Musikalische Leitung Hanspeter Achberger Györgi Ligeti: «Poème Symphonique für 100 Metronome», «Hamburgi­sches Konzert für Horn solo und Kammer­orchester», «Continuum», «Hungarian Rock» u.a. Fr, 1 Feb 2019, 19.30 Uhr Studiobühne

Ligeti 7. Brunch-/Lunchkonzert Mit Hamida Kristoffersen Zsolt Haja Hanna Weinmeister Anahit Kurtikyan Karen Forster Claudius Herrmann Robert Pickup Clément Noël Györgi Ligeti: «Andante und Allegretto für Streichquartett», «Von der Wiege bis zum Grabe» für Sopran, Bariton, Oboe, Klarinette und Streichquartett (Uraufführung) Matyas Seiber: «Divertimento für Klarinette und Streichquartett» Brunchkonzert So, 3 Feb 2019, 11.15 Uhr Spiegelsaal Lunchkonzert Mo, 4 Feb 2019, 12 Uhr Spiegelsaal

ja alle kennen. Oft erinnert mich die Me­cha­nik, die Ligetis Musik innewohnt, an eine Skulptur von Tinguely, die aus rostigem Material zusammenmon­ tiert ist, aber faszinierend und uner­ müdlich vor sich hin rattert. Eine klapp­ rige, fragil-komplexe Weltmaschinerie. Ligetis Stück etabliert eine deftige, mitunter sogar unflätige Sprache. Darüber wurde seit der Uraufführung immer viel diskutiert. Ligeti selbst hat Veränderungen vorgenommen und die Fäkalsprache abgemildert. Welche Bedeutung hat sie für das Stück? Sie verstellt ein bisschen den Blick auf die wirklich spannenden Dinge. Bei meiner ersten Begegnung mit dem Stück hat mich das zunächst auch abge­ schreckt. Aber je genauer man hinhört, desto mehr vernimmt man hinter der Derbheit auch eine grosse Unschuld. Das hat alles etwas sehr Kindliches und unverstellt Körperliches, kommt ganz erdverbunden und handfest daher. Du hast im Konzeptionsgespräch zu Probenbeginn Gemälde von Jan Pieter Breughel gezeigt. Welche Erkenntnisse hast du ihnen für deine Inszenierung entnommen? Die Bilder erzählen unglaublich viel über die Welt, in der Ligetis Oper angesiedelt ist. Ein Bild etwa zeigt eine Szene, in der alle Menschen irgend­ welchen absurden Beschäftigungen nach­gehen. Sie schaukeln auf Fässern herum, drehen sich im Kreis usw. Die Kunsthistoriker streiten darüber, ob da Kinder oder Erwachsene zu sehen sind. Es ist, wie Johan Huizinga schreibt: Der Mensch übt sein Leben im Spiel. Auch in Macabre hat man oft das Gefühl, dass die Figuren ihr Leben spielen. Fürst Gogo spielt das König­ sein, die Minister ihr Ministersein. Und genau das malt Breughel: Kinder mit er­ wachsenen Gesichtern verlieren sich im Spiel und werden womöglich nie er­ wachsen, weil sie immer im Spiel ge­ fangen sind. Dann gibt es natürlich den berühmten Turmbau zu Babel. Breug­ hel zeigt ihn als ein grössenwahnsinniges Projekt, das nie vollendet werden wird und zum Scheitern verurteilt ist. Die

Turmbaustelle hat überhaupt nichts Erhabenes, ist eher eine schäbige Ruine und trotzdem wohnt ihr etwas An­­rüh­ ren­des inne. Man spürt das ur­mensch­li­ che Bedürfnis Grosses zu erschaffen, Bedeutendes darzustellen, das Scheitern inbegriffen. Der Mensch will Gott gleichen, bleibt aber ein Mängelwesen. Ein anderes Bild von Breughel, Der Triumph des Todes, lässt sich unmittelbar auf die Oper beziehen. Breughel ent­ wirft eine Szenerie, in der das Ent­schei­ dende weggelassen ist – die höheren Instanzen, die Hölle und das Paradies. Was für die Zeit, in der das Gemälde ent­­standen ist, ganz ungewöhnlich ist. Gott fehlt. Es gibt nur das irdische Da­sein. So ist es auch in der Oper. Ne­krot­zar ist auch nur ein Mensch, der sich hilflos abstrampelt. Le Grand Ma­cabre kommt mir manchmal vor wie das Warten auf Godot der Oper. Nur witziger. Also, ich finde Beckett auch sehr witzig. Ich weiss nicht, wie oft ich dieses Stück schon gesehen und gelesen habe – es ist mir jedes Mal wieder eine grosse Freude und Ermutigung. Es gibt noch ein weiteres Bild von Breughel, das ich sehr inspirierend finde – Der Tod des Ikarus. Darauf sieht man bildfüllend im Vordergrund einen Bauer mit seinem Pflug, der seiner Arbeit nachgeht, und nur winzig klein im Hintergrund die Bein­chen des ins Meer stürzenden Ika­ rus. Die Menschen sind so mit sich selbst beschäftigt, dass sie die grossen Ereignisse gar nicht wahrnehmen? Genau. Im Kosmos der Oper sind Venus und Nekrotzar die letzten beiden ver­bliebenen Götter – die Liebe und der Tod. Beide stehen für eine Grenzüber­ schreitung. Es ist furchtbar, wenn sie in ihrer Göttlichkeit gar nicht mehr erkannt werden. Es gibt einen wunder­ba­ren Text von Ernst Bloch und Adorno über Utopien. Der Mensch habe es inzwi­ schen geschafft, sich fast jede Utopie zu erfüllen. Aber jede Utopie, die Realität wurde, sei in ihrer Erfüllung mit ei­ ner Banalisierung einher gegangen. Wir haben immer, wie Ikarus, vom Fliegen


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geträumt. Jetzt gibt es Flugzeuge, und das Fliegen erweist sich als eine einzige Zumutung. Man steht stundenlang Schlange, sitzt eingeklemmt auf seinem Platz und eine Stewardess serviert Mineralwasser im Plastikbecher. Ein Mensch­heitstraum ist das nicht mehr. Bloch und Adorno sagen, die letzte ver­ bliebene Utopie des Menschen sei die Abschaffung des Todes. Auch daran, das Leben zu verlängern und möglichst ins Endlose auszudehnen, arbeiten wir. Dabei ist es eine furchtbare Vorstellung, diesen eigenen Körper ewig mit sich he­ rumschleppen zu müssen. Du sagtest, Nekrotzar sei auch nur ein armes Würstchen. Ligeti hat ihm aber einen grandiosen Einzug im dritten Bild komponiert, der sich zu grossdröhnender Bedrohlichkeit auf­baut. Ist die für dich von vorn­ herein nur hohl? Nekrotzars Einzug hat sehr wohl ein Mo­ment von grosser Bedrohlichkeit, aber es ist nicht nur Bedrohlichkeit. Es ist auch der Schauder, dass sich da endlich etwas Grosses ankündigt. Die Menschheit war über alle Zeiten hinweg immer auch untergangsselig. Es gibt eine Lust, einmal bei der Erfüllung des Einzigartigen dabei zu sein: In der Kata­strophe wird sich Gott endlich zei­ gen! Da schwingen Grauen und Faszi­ nation zugleich mit. Das ist ein Mensch­ heitsthema, das in jedem Jahrhundert wiederkehrt. Während der Arbeit am Freischütz kamen wir darauf, dass 1618, als der Dreissigjährige Krieg begann, ein grosser Komet am Himmel stand und alle glaubten, dass jetzt der Weltunter­ gang da sei. Und diese Bedrohlichkeit lässt Ligeti in der Oper im folgenden Zwischenspiel regelrecht implodieren. Ja. Es ist immer eine Riesen-Enttäu­ schung, wenn die Katastrophe nicht kommt. Für die Breughelländer ist es nämlich die Bestätigung dafür, dass das All tatsächlich menschenleer ist. Man hat die Grenze gestreift, vielleicht sogar eine Sekunde dahinter geschaut und festgestellt – dahinter ist gar nichts! Es gibt keinen Gott.

Wie verhält sich der fröhliche Schluss-Gesang dazu? Ich höre da nicht nur Fröhlichkeit, sondern auch Resignation im Sinne von: Dann machen wir halt weiter wie immer. Ich fühle mich da an die Schlüsse in den Mozartopern erinnert, etwa in Don Giovanni. Die Menschen spüren den Verlust, wenn der Held zur Hölle gefahren ist. Die Aufklärung hat ein­ gesetzt, aber ob das wirklich das ist, was die Menschen glücklich macht, steht auf einem anderen Blatt. Hast du eigentlich selbst Angst vor dem Weltuntergang? Nee. Ich habe auch keine Angst vorm Tod. Als ich sechs Jahre alt war, habe ich mal zu meiner Mutter gesagt: Mama, wäre das nicht schön zu sterben? Sie hat einen Riesenschreck gekriegt. Und was stand hinter diesem Wunsch? Ich habe als Kind mal vom Tod ge­ träumt, der kam mich besuchen in Form eines Skeletts. Das war ein schöner Traum. Der Tod hat mich umarmt, und dann haben wir einen Wettbewerb ge­ macht, wer den Mund weiter aufreissen kann. Nein, der Tod hat mich noch nie geschreckt. Das Leben ist wunder­ bar, es macht ganz viel Spass, aber wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Wissen wir, ob der späte Tod wirklich besser ist als ein früher? Das Gespräch führte Claus Spahn


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Ein lustiges, böses, grelles Stück Fabio Luisi hofft schon lange auf eine Gelegenheit, Ligetis Oper «Le Grand Macabre» zu dirigieren. Jetzt ist sie da. Der Generalmusikdirektor im Gespräch Fabio, hast du manchmal Angst vor dem Weltuntergang? Ich? Nein. Da bin ich ganz entspannt. Irgendwann wird der Weltuntergang kommen, das ist gewiss und liegt sozusagen in der Natur der Sache. Aber das Wann und Wie kennen wir nicht. Deshalb fürchte ich mich nicht vor dem Weltuntergang. Muss man vor Nekrotzar Angst haben, der in György Ligetis Oper Le Grand Macabre als der apokalyptische Reiter auftritt und den Menschen den Welt­ untergang ankündigt? Vor ihm muss man sich erst recht nicht fürchten, auch wenn er sich furchterregend gebärdet. In Ligetis Oper ist er ein Scharlatan. Ein Wichtigtuer. Die literarische Vorlage für die Oper war ja ein Theaterstück des flämischen Dramatikers Michel de Ghelderode. In dieser Version ist er ein frustrierter Mann, der von seiner Frau enttäuscht ist und ihre Bedürfnisse nicht befriedigen kann. Ligeti hat den Stoff ins Buffoneske gewendet und sich das Libretto von Michael Meschke schreiben lassen, das war der Direktor der Stockholmer Marionettentheaters, der die Geschichte ins Holzgeschnitzte des Kasperletheaters kippen lässt. Deshalb ist Nekrotzar als Verkünder der Apokalypse nicht wirklich ernst zu nehmen. Seine Drohungen offenbaren eine gespielte Gefährlichkeit. Sie sind angeberisch und letztlich hohl. Le Grand Macabre ist Ligetis einziger Beitrag zur Gattung Oper. Wo ist dieses Werk einzuordnen im Musiktheaterschaffen des 20. Jahrhunderts? Ligetis Musiksprache in Grand Macabre ist ganz bewusst eklektisch. Das war Ende der siebziger Jahre, als die Oper entstand, ein Affront gegen den vorherrschenden Komponierstil der musikalischen Nachkriegsmoderne, wie er von den Protagonisten der Darmstädter Schule propagiert wurde. Stilzitate, der Rückgriff auf alte Formmuster, Anklänge an Komponisten der Vergangenheit, wie sie Ligeti in Le Grand Macabre andauernd verwendet – all das war verpönt. Ligeti setzt sich hier ganz bewusst von den Stildogmen der musikalischen Nachkriegsmoderne ab. Das ist auch deshalb interessant, weil er selbst die Darmstädter Ferienkurse besucht hatte und Komponisten aus diesem Kreis durchaus nahegestanden hatte. Ligeti vollzieht in Le Grand Macabre stilistisch einen Bruch. Er schlägt einen satirischen, unverschämten Ton an und stellt seine Musik ganz in den Dienst des Theatrali-


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schen. Das war von den Reinheitsgeboten der Serialisten doch sehr weit entfernt. Das zeigt auch die Grösse dieses Künstlers, der sich hier auf provokative Weise den vorherrschenden Meinungen der Zeit entzogen und auf Unabhängigkeit im Denken und Komponieren gepocht hat. Das gefällt mir. Wenn du mich nach der Einordnung ins Musiktheaterschaffen generell fragst, dann würde ich zögern, hier von einem unumschränkten Meisterwerk des 20. Jahrhunderts zu sprechen. Es ist einfach ein tolles Stück. Lustig, böse, grell. Und natürlich ist alles extrem raffiniert und stringent komponiert und hervorragend orchestriert. Ligeti ist eben immer Ligeti. Es macht grossen Spass, das Stück zu hören und zu spielen. Du hast gesagt, Ligetis Musiksprache in Le Grand Macabre sei eklektisch. Es gibt in der Partitur ganz viele Rückgriffe auf tradierte Formen: Die Oper endet mit einer Passacaglia, durch die das Ostinatomotiv aus Beethovens Eroica geistert. Nekrotzars finales Schrumpfen ist als Spiegelkanon angelegt. Manche Chorsätze erinnern stark an Bach-Choräle. Man kann da unendlich viele Beispiel anführen. Uns begegnen scheinbar Offenbach, Monteverdi, Rossini, Verdi, Strawinsky und viele andere mehr. Ich finde den Überraschungseffekt bei diesem Umgang mit dem hergebrachten kompositorischen Material so besonders. Alles kommt unerwartet und ganz anders, als man vermuten könnte. Nicht die Tatsache, dass Ligeti mit diesem Material umgeht, ist interessant, sondern wie er es tut. Er ist unglaublich geistreich, schlagfertig und hintersinnig. Kaum glaubt das Ohr, etwas Bekanntes wahrzunehmen, ist es schon wieder weg oder doch ganz anders. Ligeti zitiert nicht, sondern treibt ein ganz subversives Spiel mit Zitaten und Stilanklängen. Er hat grossen Spass daran, die Hörer zu täuschen und hinters Licht zu führen. Wo liegen Herausforderungen, die die Partitur an den Dirigenten stellt? Das weiss ich noch nicht. Die Proben haben ja noch nicht begonnen. Du dirigierst das Stück zum ersten Mal? Ja, aber Le Grand Macabre interessiert mich schon seit langer Zeit. Dass sich jetzt endlich für mich die Gelegenheit ergeben hat, es zu realisieren, freut mich sehr. Und welche Herausforderungen zeichnen sich bisher nach deiner Lektüre der Partitur ab? Die Partitur ist anspruchsvoll, obwohl sie technisch eigentlich nicht wirklich schwer ist. Was beispielsweise nicht einfach werden wird, ist dem Fluss des szenischen Ge­schehens zu folgen und ihn in Gang zu halten. Ligeti hatte beim Komponieren sehr klare Vorstellungen von den szenischen Vorgängen. Es gibt viele Tempo­­wech­ sel, die für Ligeti typischen metrischen Schwankungen und rhythmischen Über­­­ lagerungen. Das muss alles ganz eng auf die Szene abgestimmt sein. Diese Partitur bietet schon einige Herausforderungen für den Dirigenten. Aber es wird einfach grossen Spass machen, dieses Stück zu spielen.

Foto: BALU Photography

Das Interview führte Claus Spahn


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Er ist Nichts und Alles

Leigh Melrose war am Opernhaus Zü­ rich zuletzt als Ruprecht in Sergej Prokofjews Oper «Der feurige Engel» zu erleben. Ausserdem verkörperte er in Calixto Bieitos Inszenierung von Zimmermanns «Die Soldaten», die auch am Teatro Real in Madrid zu sehen war, den Stolzius. In der Urauf­füh­ rung der Oper «Fin de partie» von György Kurtág an der Mailänder Scala sang er Clov.

Nekrotzar in György Ligetis Le Grand Macabre ist eine grossartige Figur. Wenn er zum ersten Mal auf der Bühne erscheint, steht in der Regieanweisung: «Er ist sehr gross und hager; er soll grösser sein als ein Mensch. Ist er der Tod oder nur ein Scharlatan?» Diese Frage bleibt bis zum Ende des Stücks offen. Kann er die Welt untergehen lassen, oder ist er nur ein Verrückter, der sich aufspielt? Vielleicht ist er nur so eine Art verkorkste Wiedergeburt des Todes. Er ist Nichts und Alles. Er ist irgendetwas. Und das ist genau mein Ding. Ich liebe es, solche Charaktere auf die Bühne zu bringen. In unserer Produktion kommt Nekrotzar auf die Welt, indem er aus einem sehr merkwürdigen Ei schlüpft. Wie das genau aussehen wird, kann ich leider noch nicht genau sagen, denn die Proben haben gerade erst begonnen. Es passieren aber an­dauernd verrückte Sachen mit und um diesen Nekrotzar. Er hat zum Beispiel eine spektakuläre Sexszene mit Mescalina, der unbefriedigten Frau des Hofastronomen Astradamors, denn er ist «gut bestückt», wie es im Text heisst. Wie ein Vampir beisst er ihr dabei in den Hals und tötet sie. Was aber auch nicht wirklich stimmt, denn später steht Mescalina wieder auf und lebt weiter. Nekrotzar veranstaltet eine bedrohliche Weltuntergangs-Show, und am Ende schrumpft er wieder und verschwindet einfach. Um diese Rolle zu spielen, braucht man viel Sinn für Humor und die totale Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Du kannst am Anfang mal einen falschen Ton singen, den Text vergessen und an der verkehrten Stelle einsetzen, aber du musst dich in so eine Figur reinschmeissen mit allem, was du hast und kannst, dann entwickelt sich dieser Charakter, und das Spiel gewinnt nach und nach an Stabilität. Ausserdem darf man sich selbst nicht so ernst nehmen. Was Ligeti komponiert hat, ist rhythmisch knifflig. Die Nekrotzar-Partie reicht vom hohen Falsett hinab bis in die tiefsten Bari­ ton­lagen, und es gibt sehr schnelle Wechsel zwischen der extrem hohen und der extrem tiefen Lage. Aber es ist alles machbar. Ich habe schon schwerere Partien gesungen – allerdings auch schon leichtere. Ich bin ja gerne in den ausgefallenen Bereichen des Opernrepertoires und der Gegenwartsmusik unterwegs. Das letzte Stück, das ich im Bereich der zeitgenössischen Oper gesungen habe, war die Uraufführung von György Kurtágs Oper Fin de partie an der Mailänder Scala in diesem Herbst. Kurtágs Art zu komponieren ist sehr kristal­ lin, Ligeti im Vergleich dazu viel spritziger. Le Grand Macabre lebt von der Sprache, der Aktion und dem Theatralischen. Hier dreht sich alles um Energie, Diktion, Witz und groteske Dramatik. Es gibt viele Sänger-Kollegen, die wollen immer nur Guglielmo, den Figaro-Grafen, Alberich und all diese Sachen singen und machen damit eine fantastische Karriere. Aber mir reicht das nicht. Mein Programm muss farbiger und abwechslungsreicher sein. Ich bin immer auf der Suche nach den extremen Gefühlen und neuen Herausforderungen – und in der zeitgenössischen Musik finde ich die. Eine Partie muss mich elektrisieren, damit ich Spass an ihr habe. Der Nekrotzar bietet das. Leigh Melrose

Illustration: FLAG Aubry Broquard

Leigh Melrose über das fantastisch Unbestimmbare der Nekrotzar-Figur in György Ligetis Oper «Le Grand Macabre»



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Alles kann zu Insp «Bella Figura» heisst der neue Abend des Balletts Zürich, der am 13. Januar Premiere hat und vier wegweisende Choreografien von Jiří Kylián vereint. Michael Küster hat den legendären tschechischen Choreografen in Den Haag besucht Fotos Gregory Batardon


piration werden

Bella Figura 29


30 Bella Figura

Jiří, ich weiss, dass Interviews nicht zu deinen Lieblingsbeschäftigungen gehören … Das stimmt. Ich habe Interviews immer als problematisch empfunden. Man spricht über Werke, die man in einem bestimmten Zeitabschnitt seines Lebens kreiert hat. Die Ansichten, die man damals hatte, haben sich jedoch im Laufe der Zeit verändert. Als ich vor vierzig Jahren Strawinskys Symphony of Psalms choreografiert habe, hätte ich den Tänzern nie erzählen können, was ich ihnen heute erzählen kann. Ich begreife heute viel besser, was ich damals intuitiv gemacht habe. Mit 71 bleibt mir jetzt nicht mehr so viel Zeit, um über diese Dinge zu sprechen. Deshalb bin ich heute eher dazu bereit als früher. Welche Reaktionen löst die verrinnende Zeit in dir aus? Ich merke, dass ich mich nur noch mit den Dingen beschäftigen möchte, die wirklich zählen. Dabei besteht allerdings die Gefahr, seine Zeit mit dem Nachdenken darüber zu verplätschern, was denn nun wirklich wichtig ist. Aber ich habe keine Tor­schlusspanik. Mein Spass am Kreieren ist ungebrochen. Du stammst aus Prag, dort hast du deine Kindheit und Jugend verbracht. Ist Prag auch der Ort deiner ästhetischen Prägungen? Wenn du in Prag geboren bist, kannst du dich der Kraft und Magie dieser Stadt kaum entziehen. Es ist eine sehr komplizierte Stadt, die geprägt wurde durch das Nebeneinander von Tschechen und Deutschen, wo aber auch das Judentum sehr prägnant vertreten war. Im Herzen Europas gelegen, atmet Prag die Spannung zwischen Osten und Westen, Slawischem und Germanischem, Norden und Süden. In diesem Spannungsfeld bin ich aufgewachsen, hier habe ich angefangen zu tanzen. Zwei Prager Geister haben mein Leben besonders beeinflusst, das sind der Sonnenkönig und der Fürst der Dunkelheit: Mozart und Kafka. Mozart hat seine grössten Erfolge in Prag gefeiert, Kafka ist hier geboren, und in diesen beiden Namen ist die Spannung der Stadt eigentlich schon dargestellt. Beide spielen auch im neuen Abend des Balletts Zürich eine Rolle, ergänzt durch den für mich ebenfalls sehr wichtigen Anton Webern, der – Zufall? – im gleichen Jahr wie Kafka, 1883, geboren wurde. 1967, ein Jahr vor den Ereignissen des «Prager Frühlings» und der sowjetischen Invasion, bist du nach London gegangen, um an der Royal Ballet School zu studieren. Wäre dein Weg ohne diese Ereignisse anders verlaufen? Wahrscheinlich nicht. Nach meiner Studienzeit in London habe ich in Stuttgart einen Vertrag bei John Cranko unterschrieben und bin eine Woche nach der Invasion ganz legal aus der Tschechoslowakei ausgereist. Aber natürlich hat die Invasion alles verändert und uns zu unfreiwilligen Emigranten gemacht. An eine Rückkehr war unter den veränderten Bedingungen nicht zu denken.

Stuttgart ist der Ort, wo aus dem Tänzer Jiří Kylián eines Tages der Choreograf Jiří Kylián wird. Ist dieser Übergang an ein bestimmtes Ereignis geknüpft? Mein erstes Stück in Stuttgart hiess Paradox. Das war 1970, und ich habe darin selbst mit meiner damaligen Freundin getanzt. Ich habe sehr schnell bemerkt, dass ich mich viel besser durch andere Körper ausdrücken kann als durch meinen eigenen. Wenn du für dich selbst choreografierst, bleibst du dein eigener Gefangener. Erst der Blick von aussen macht dich frei. Stuttgart mag nicht die schönste Stadt der

Foto: Florian Kalotay

Wie geht es dir heute, wenn du in Prag bist? Das sind gemischte Gefühle. Meine Karriere habe ich im Westen aufgebaut und mich dabei meinen tschechischen Freunden entfremdet. Da kannst du machen, was du willst. Es sind die täglichen Kontakte, die einen prägen. Wenn du mich fragst, ob ich in Prag oder in Holland zu Hause bin, sage ich dir: Unterwegs bin ich zu Hause.


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Welt sein, das Charisma John Crankos verlieh dem Ort damals jedoch etwas absolut Einzigartiges. Wie ein Magnet hat Cranko Talente angezogen, ganz gleich, ob das nun Tänzer oder potentielle Choreografen waren. Das Wort «Kreation» wurde mit einem sehr grossen «K» geschrieben. Cranko, Glen Tetley, Kenneth MacMillan – sie alle haben in Stuttgart gearbeitet. Durch Cranko entwickelte sich die Noverre-Gesellschaft zum «Talentschuppen» für choreografierende Tänzer. Die Luft hat vibriert damals, es war grossartig. Das längste Kapitel deines Lebens ist mit dem Nederlands Dans Theater verbunden, dem du insgesamt 34 Jahre verbunden warst und das du 24 Jahre, von 1975 bis 1999, geleitet hast. Was waren die prägenden Bausteine deiner Arbeit am NDT? Durch Choreografen wie Hans van Manen und Glen Tetley hatte sich das NDT bereits einen hervorragenden Ruf als moderne Compagnie erarbeitet. Nach ihrem Weggang befand man sich allerdings in einer Art posttraumatischer Phase und suchte nach einer Neuorientierung. Mir war immer wichtig, dass das NDT als eine Compagnie der Choreografen wahrgenommen wird. Deshalb habe ich nicht nur meine eigenen Arbeiten gezeigt, sondern wichtige Namen an das Haus ge­ bunden. Ich habe Hans van Manen und Glen Tetley nach Den Haag zurückgeholt. Im Ausland habe ich ständig nach neuen Talenten gesucht und darüber hinaus auch viele meiner Tänzerinnen und Tänzer ermutigen können, selbst zu choreografieren. William Forsythe hat seine ersten wichtigen Stücke für das NDT kreiert, Mats Ek hat mit seiner Frau Anna Laguna im NDT getanzt und viele besondere Sachen choreografiert. Aus New York habe ich Ohad Naharin nach Europa gebracht, auch seine ersten Stücke sind für das NDT entstanden. Mit der Nachwuchs­com­­ pag­nie NDT 2 haben wir eine Brücke zwischen Schulsystem und professio­nel­lem Tänzerdasein gebaut. Und innerhalb von drei Tagen ist dann auch der Plan für das NDT 3 entstanden. Eine eigene Compagnie für ältere Tänzer, die in dieser späten Phase ihrer Karrieren noch so unendlich viel zu sagen haben. Schliesslich haben wir 1987 unser eigenes Theater gebaut, es war das allererste Gebäude des heute welt­ berühmten Rem Koolhaas. Das alles hat das NDT auf eine neue Qualitätsstufe gehoben. Wie bist du mit der Doppelbelastung als Choreograf und Direktor klargekommen? Sicher könnte ich jetzt versuchen, sie schönzureden, aber es war eine konstante Anspannung, 24 Stunden täglich! Doch wenn du eine Compagnie haben möchtest, die dir als Créateur und Choreograf zusagt, ist es wohl am besten, wenn du auch Direktor bist. Nur so kannst du beeinflussen, was in der Compagnie passiert.

Jiří Kylián gehört zu den grossen Choreografen der Gegenwart. In Prag geboren, tanzte er zunächst im Stutt­gar­ ter Ballett und war dann über zwanzig Jahre lang Direktor des Nederlands Dans Theaters. Heute lebt der 71-jährige Künstler in Den Haag, wo er uns in seinem Haus empfangen hat.

Wie gehen deine Nachfolger mit deinem Erbe um? Warum soll sich ein neuer Direktor des NDT ständig den Kopf zerbrechen, ob er ein Stück von Kylián zurück ins Repertoire holt? Er soll sich nicht dazu verpflichtet fühlen, sondern frei entscheiden, welche Choreografen er in seinem Spielplan präsentieren möchte. Das Schlimmste ist die Präsenz einer grauen Eminenz, die einem ständig über die Schulter schaut und kontrolliert, ob man auch alles richtig macht. Deshalb habe ich 2014 für einen Zeitraum von drei Jahren die Auf­führungsrechte für meine Werke am NDT zurückgezogen. Im Nachhinein haben mir meine Nachfolger Recht gegeben, weil sie nur so einen wirklich eigenen Weg gegangen sind, der ihnen – wie ich finde – ganz gut gelingt. Bei der Musikauswahl für deine Stücke hast du eine unglaubliche Bandbreite an Komponisten präsentiert, die von Renaissance-Madrigalen über Folklore bis ins 21. Jahrhundert reicht. Welche Qualität muss Musik haben, damit sie choreografische Assoziationen in dir freisetzt?


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Natürlich muss ich mich zunächst in die Musik verlieben, aber noch wichtiger ist, dass ich ihr vertrauen kann, auch wenn ich sie 100 oder 200 Mal höre. Dabei habe ich mich immer davor gehütet, Musik als ein Heiligtum zu betrachten, das wäre völliger Quatsch. In meinen Anfangsjahren als Choreograf waren es vor allem Komponisten, die sich am Beginn des 20. Jahrhunderts der Umklammerung durch die Romantik zu entziehen versuchten: Janáček, Webern, Martinů, Stra­ winsky, Schönberg... Das war der übliche Weg: Bewegungen zu finden, die sich irgendwie konform zur musikalischen Vorlage verhalten. Von dieser altmodischen Art zu choreografieren und dem damit verbundenen Ausgeliefertsein an die Musik habe ich mich schnell verabschiedet. Ich habe Stücke gemacht, die zum Teil ohne Musik oder mit verschiedenen Sounds auskamen. Ich habe Aufträge an Tōru Takemitsu und Arne Nordheim vergeben, und gelegentlich habe ich auch Themen aus Barock und Klassik in neuen Kombinationen zusammengestellt. Ich wollte immer selbst erzählen und nicht illustrieren, was die Musik mir vorgibt. Wie kann man sich deine Arbeit mit Komponisten vorstellen? Soll die Musik eine choreografische Vorstellung unterstützen, oder entstehen Musik und Choreografie parallel? Meistens habe ich eine Ausgangsidee. Um sie zu verwirklichen, brauche ich den Komponisten, der mir dabei hilft und einverstanden sein muss, auf diese Weise mit mir zu arbeiten. Das war bei Dirk Haubrich der Fall, mit dem ich 16 Stücke kreiert habe, darunter auch Gods and Dogs. Meistens war die Choreografie eher fertig als die Musik. Das war insofern besonders, als der Choreograf meist ein sekundärer Schöpfer ist, der immer auf etwas reagiert. In den letzten 20 Choreografien hat sich dieses Verhältnis vertauscht, indem ich die Rolle des Urschöpfers übernommen habe. Es ist nicht einfach, so zu arbeiten. Du gewinnst die Freiheit, selbst etwas zu sagen. Die Verantwortung dabei ist gigantisch. Bei Tänzerinnen und Tänzern geniesst du eine fast unglaubliche Verehrung. In Kylián-Choreografien aufzutreten, gilt unter ihnen als eine Art Ritterschlag. Woher kommt diese Begeisterung? Wahrscheinlich hat es mit dem Respekt zu tun, den ich Tänzern entgegenbringe. Ich sehe sie als Menschen und liebe sie in ihrer Verletzbarkeit, ihrer Tapferkeit. Deshalb habe ich es in meinen Jahren als Direktor am NDT immer als Belastung empfunden, Besetzungen festzulegen. Was machst du, wenn du ein Stück für acht Tänzer kreieren möchtest, deine Compagnie aber aus 32 Personen besteht? Diese schwierigen Entscheidungen vermisse ich wirklich nicht. Welche Qualitäten schätzt du an Tänzern, was inspiriert dich? Offenheit, positive Mentalität, Wahrhaftigkeit im Ausdruck, Zuverlässigkeit und Musikalität sind Eigenschaften, die mich bei Tänzern begeistern. Ob sie klein oder gross, dick oder dünn sind, interessiert mich im Grunde nicht. Wichtig sind Glaubwürdigkeit und Menschlichkeit. Als einschneidendes Ereignis in deinem Leben hast du immer wieder deinen Australien-Aufenthalt im Jahr 1980 geschildert. Was hat dir die Begegnung mit den Aborigines gegeben? Freiheit! Die Kultur der Aborigines ist die einzige, die ich kenne, für die der Tanz das allerwichtigste gesellschaftliche Ereignis ist. Alles wird durch Tanz ausgedrückt. Jeder tanzt, vom Jüngsten bis zum Ältesten. Ich habe damals einen alten Aborigine gefragt, warum sie tanzen. Und er hat mir gesagt: «Weil es mir mein Vater beigebracht hat und ich es meinem Sohn beibringen muss.» Das ist es. Er hat sich nur als das Glied einer Kette gesehen. Mit der einen Hand halte ich meinen Vater, mit der anderen Hand halte ich mein Kind. Und wenn ich loslasse, entsteht eine Lücke, die den Strom von Generation zu Generation unterbricht. In Australien


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haben sich mir viele Möglichkeiten eröffnet, was man körperlich und spirituell mit Tanz ausdrücken kann. Das war eine einzigartige Erfahrung. Dein Werk ist von vielen klugen Köpfen analysiert worden. So war in einer Würdigung zu deinem 70. Geburtstag zum Beispiel von der «Gewissheit der Vergänglichkeit allen irdischen Tuns bei gleichzeitiger Gelassenheit im Hier und Jetzt» zu lesen ... O je, das klingt sehr gelehrt und lässt sich viel einfacher sagen! Man muss akzep­tieren, dass alles, was wir machen, ein völliger Unsinn ist. Wenn du das begriffen hast, sagst du: Umso furioser machen wir diesen Unsinn! Dafür sind wir hier. Deshalb sage ich den Tänzern: Du tanzt nicht gestern oder morgen, du tanzt jetzt – in diesem Moment! And make sure that people remember you forever! Meine Lehrerin Zora Šemberová – sie war die erste Julia in der Brünner Uraufführung von Prokofjews Romeo und Julia – hat mir einen Wegweiser geschrieben, was zu tun ist, wenn man eine schlechte Choreografie tanzen muss. Sie hat mir klar gemacht, dass man aus allem etwas lernen kann, auch wenn die Choreografie unmusikalisch ist und die Schritte noch so mangelhaft oder unpassend sind. Lehrer sind manchmal zu idealistisch in ihrem Unterricht. Was, wenn es nicht so ist, wie sie es dir beschrieben haben? Ich fand toll, dass meine Lehrerin gesagt hat: Pass auf, es kommen auch dünne Zeiten! Daraus spricht dein Bemühen, es anders zu machen und den Tänzern mit deinen Choreografien glückliche Zeiten zu bereiten. Welche Ansprüche stellst du dir selbst beim Kreieren, wo empfängst du deine Inspiration? Ich bin kein verbissener Choreograf. Ich lasse gern ein bisschen Luft. Das Aller­ schön­ste ist, wenn du mit Tänzern kreativ zusammenarbeiten kannst. Wenn du ihnen das Gefühl gibst, Teil des kreativen Prozesses zu sein, werden sie dich mit ihrer Qualität überraschen. Sie fühlen sich verantwortlich für das, was da präsentiert wird. Inspiration hat für mich weniger mit äusseren Einflüssen, als vielmehr mit der Empfänglichkeit eines Individuums zu tun. Man muss rezeptiv und offen sein, dann kann alles zu Inspiration werden. Ich sehe, wie der Himmel ausschaut, wie ein bestimmtes Licht fällt, eine Reflexion aufscheint. Daraus kann etwas entstehen, das allgemeingültiger ist. Ich erinnere mich an eine Reise nach Elba. Wir sind vom Hotel ans Meer gelaufen, das wir in der stockfinsteren Nacht nur hören konnten. Daraus ist La Cathédrale engloutie entstanden. Wichtig sind die Empfänglichkeit und die Fähigkeit, Dinge zu absorbieren. Mit Bella Figura präsentiert das Ballett Zürich einen Abend, der vier deiner Choreografien aus den 80-er und 90-er Jahren vereint. Was verbindet diese Stücke miteinander? Ihre Unzusammengehörigkeit. Die vier Stücke sind sehr verschiedenartig, in der choreografischen Handschrift besteht ein enormer Kontrast. Aber wie sagt man so schön? Les extrèmes se touchent. Ich liebe Kontraste. Ein Abend, der so kontrastreich ist wie dieser, hat ganz sicher mit mir zu tun. Der grösste Kontrast besteht wohl zwischen den sehr skulpturhaften Sweet Dreams und den ausgelassenen Sechs Tänzen, die jetzt beide erstmals beim Ballett Zürich zu sehen sind. Die «Süssen Träume» sind Albträume. Anton Webern hat mit den Sechs Stücken für Orchester op. 6b auf den Tod seiner Mutter reagiert. Du spürst in der Musik diesen absoluten Horror, der manchmal fast ins Lächerliche überschwappt. In der Choreografie gibt es dann diese ganzen Apfelgeschichten, wodurch das Stück einen komischen Knacks bekommt. Wir könnten jetzt stundenlang über die Sym­ bo­lik des Apfels reden. Das Stück ist ein Rätsel um Sex, Macht und Missbrauch. In seiner Wut des Statements trägt es auch Kafka in sich. Er erzählt dir oft minutiös


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bis ins letzte Detail, wie sich eine Szene ereignet hat, und am Ende sagt er: Ach, vielleicht war es aber auch ganz anders. Für mich selbst ist es ein rätselhaftes Stück, man muss nicht immer alles erklären. Die Sechs Tänze zur Musik von Mozart sind dann das ganze Gegenteil, ein völliger Quatsch eigentlich. Es mag eigenartig klingen, aber es gibt nicht so viele Choreografen, die es wagen, etwas Humo­ris­­ti­ sches auf die Bühne zu stellen. Humor hat mit Timing zu tun, mit Geschmack und Dosierung. Wenn du einen Witz erzählst und niemand lacht, stehst du als der Dumme da. Bei einer Komödie ist das Barometer viel lesbarer als bei einer Tragödie. Wenn es schief geht, stehst du am Pranger. Da braucht es keinen Kritiker, sondern du wirst vom Publikum direkt verurteilt. Komik braucht Selbstvertrauen. In jüngster Zeit scheint der Film eine besondere Faszination für dich zu gewinnen. Woher kommt sie? Das hat mit dem Älterwerden zu tun. Es scheint paradox, dass nur ältere Menschen wirklich fähig sind zu verstehen, was es bedeutet, jung zu sein. Die Frage des Alterns ist so alt wie die Menschheit. Ein Zuschauer, der eine Vorstellung verlässt, ist sich kaum bewusst, dass er jetzt älter ist als beim Betreten des Theaters. Und genau dieser Prozess ist mein Anliegen. Ich arbeite seit 1971 mit meiner Frau, der Tänzerin Sabine Kupferberg, zusammen. Es begann in Stuttgart, mit der Choreografie Incantations. 1975 sind wir gemeinsam nach Den Haag umgezogen. Sie wurde Mitglied des NDT und ich Direktor. 1991 gehörte sie zu den Grün­ dungs­­mitgliedern des NDT III, das entworfen worden war für Tänzer «zwischen vierzig und Tod». Für Sabine habe ich mehr als 40 Choreografien und einige Filme kreiert. Beide sind wir jetzt im fortgeschrittenen Alter, und wie viele gemeinsame Jahre uns bleiben, ist ungewiss. Aber die Zeit, die wir jetzt erleben, ist sehr kondensiert und verändert uns rapide. Es sind diese besonderen Augenblicke, die ich festhalten will. Sabine hat aussergewöhnliche schauspielerische Qualitäten. Ihre Verwandlungsfähigkeiten haben mich seit Jahren fasziniert. Und ja, ich habe noch einen Traum, den ich mit ihr verwirklichen möchte: ein Theaterstück, in dem Sabine sowohl im Film als auch leibhaftig auf der Bühne steht. Zwischen den zwei Frauen entsteht ein Dialog wie zwischen einer lebenden und einer ver­stor­ benen, wobei die Frau im Film in jeder Vorstellung jünger ist als die lebendige, die während der Vorstellung stets älter wird, wie auch alle Zuschauer! So eine Konfrontation interessiert mich zutiefst. Im März kommenden Jahres wirst du in Paris in die Académie des Beaux Arts aufgenommen, mit einer eigens geschaffenen Sektion für Choreografie und Tanz. Welche Hoffnungen knüpfst du an diese Position? Es ist seltsam, dass der Tanz dort erst jetzt seinen offiziellen Platz in der Kunst­ familie erhält, obwohl man zu Gründungszeiten der Académie Française im 17. Jahr­hundert mit Louis XIV. einen passionierten Tänzer unmittelbar vor Augen hatte. Maurice Béjart und Marcel Marceau waren bislang die beiden einzigen aus unserer Branche, die Aufnahme gefunden haben, aber sie waren sogenannte «Freie Mit­glie­der». Insofern ist die Installation einer Sektion «Choreografie» eine Ehre für mich und sicher eine gute Sache für den Tanz insgesamt. Ich hoffe, dass ich dort etwas bewirken kann. Gerade bin ich sehr mit den Vorbereitungen der Aufnahmezeremonie beschäftigt. Dieses Ritual mit seinen genau definierten Ab­ läufen und Kleidervorschriften unter der ehrwürdigen Kuppel des Institut de France hat, zugegeben, ein bisschen etwas von Karneval. Ich durfte 250 Freunde einladen und freue mich riesig auf das Wiedersehen mit vielen wunderbaren Wegbegleitern, die der Zeremonie hoffentlich etwas sehr Heutiges verleihen werden. Unverzichtbar für die Akademiemitglieder ist ein Schwert. Den Griff meines Schwertes habe ich selbst entworfen. Er basiert auf einer 5 500 Jahre alten ägyptischen Statue aus dem New Yorker Brooklyn Museum. Es ist – eine Tänzerin.


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Poesie in jeder Bewegung Von der Einzigartigkeit, Kylián zu tanzen: Vier Tänzerinnen und Tänzer des Balletts Zürich erzählen, was ihnen die Arbeit an den Werken des tschechischen Choreografen bedeutet Text Michael Küster


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Elena Vostrotina

Jan Casier Ich muss 15 oder 16 gewesen sein, als ich mein erstes Kylián-Ballett gesehen habe – die Symphony of Psalms zur Musik von Igor Strawinsky. Die Aufführung mit Chor und grossem Orchester beim Royal Ballet of Flanders hat mich aus dem Sitz gefegt, und schon damals ist mir aufgefallen, wie bewegt das Publikum war. Das habe ich dann später in jeder Kylián-Aufführung erlebt. Kyliáns Stil empfinde ich als sehr rein. Die Bewegungen sind immer emotional aufgeladen, was sich auf die Zuschauer zu übertragen scheint. Dass seine Stücke auf der Wunschliste so vieler Tänzerinnen und Tänzer stehen, hat meines Erachtens vor allem

Bella Figura Choreografien von Jiří Kylián Bella Figura Musik Lukas Foss, Giovanni Battista Pergolesi, Alessandro Marcello, Giuseppe Torelli, Antonio Vivaldi Bühnenbild Jiří Kylián Kostüme Joke Visser Lichtgestaltung Kees Tjebbes Stepping Stones Musik John Cage, Anton Webern Bühnenbild und Lichtgestaltung Michael Simon Kostüme Joke Visser Licht-Redesign Kees Tjebbes Sweet Dreams Musik Anton Webern Bühnenbild Jiří Kylián Kostüme Joke Visser Lichtgestaltung Jiří Kylián (Konzept), Joop Caboort (Realisation) Sechs Tänze Musik W. A. Mozart Bühnenbild, Kostüme Jiří Kylián Lichtgestaltung Jiří Kylián (Konzept), Joop Caboort (Realisation)

Während meiner Ballettausbildung an der Vaganova-Akademie in Sankt Petersburg wurden wir auch in einem Fach mit dem schönen Titel «Foreign Dance» unterrichtet. Unsere Lehrerin hatte eine Sammlung mit Videos der verschiedensten westlichen Choreografen, die sie wie einen Schatz gehütet hat. Als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich an ihre Vorlesung unter dem Titel «Drei Genies», in der sie uns mit John Neumeier, William Forsythe und Jiří Kylián bekannt gemacht hat. Mit bedeutungsschwangerer Stimme sagte sie, wie sehr sie uns beneide, dass wir nun gleich zum ersten Mal in unserem Leben etwas von Jiří Kylián sehen würden, denn das – sie holte tief Luft – würden wir nie­ mals vergessen. Sie sollte Recht behalten. Wir haben uns Kyliáns Mozart-Choreo­ gra­fie Petite mort angeschaut, und dieses Stück hat mich wirklich umgehauen. Später konnte ich dann am Mariinsky-Theater ein Gastspiel des Nederlands Dans Theaters mit Bella Figura erleben. Gerade in diesem Theater, das als Hochburg des klas­sischen Balletts gilt, wirkte dieses Stück auf mich wie eine Revolution. Die Choreografie atmete eine unvergleichliche Schönheit, von der man nicht geglaubt hätte, dass es sie wirklich gibt. Nie hätte ich davon zu träumen gewagt, das einmal selbst tanzen zu dürfen. Beim Semper­oper Ballett in Dresden wurde der Traum Wirklichkeit. Ich tanzte in Bella Figura, und natürlich freue ich mich jetzt riesig über die Wiederbegegnung mit dieser Choreografie. In vielen seiner Stücke stellt Kylián Fragen nach dem Verhältnis von Leben und Tod, Schönheit und Hässlichkeit, Heiterkeit und Ernst. In Bella Figura interessiert ihn, wie wir mit unseren Mas­kierungen umgehen. Endet eine Vorstellung, wenn der Vorhang fällt? Oder befinden wir uns auch über diesen Moment hinaus in einer Rolle? Die Schönheit dieser fragilen Choreografie wagt man kam anzutasten, weil man Angst hat, sie könne sich in Luft auflösen. Mich fasziniert, wie Kylián der Theatralik dieses Stückes eine philosophische Dimension verleiht. Jeder Schritt, jede Bewegung, jede Kopfhaltung, jeder Blick hat einen Grund, einen Sinn. Deshalb hat

man als Tänzerin auch weit mehr zu tun, als die rein technischen Anforderungen zu erfüllen. Gerade erlebe ich das auch in Stepping Stones. Die Choreografie ist äusserst anspruchsvoll. In schnellem Tempo auf Spitze zu tanzen, gehört mit zum Schwierigsten, was man einer Tänzerin abverlangen kann. Die Herausforderung besteht darin, trotzdem geerdet zu bleiben und den Eindruck von Leichtigkeit und Unangestrengtheit zu vermitteln. Kyliáns Musikalität wird man mit Technik allein nicht gerecht. Man muss die Musik verinnerlichen und sie sich selbst zu eigen machen. Kylián zu tan­zen, ist ein Mys­ terium. Seine komplexen Stücke sind Herausforderungen, aber sie bieten einem unschätzbare emotionale Erfahrun­ gen. Ich bedaure, dass ich Jiří Kylián noch nicht persönlich getroffen habe. An dem einzigen Tag, als er in Dresden war, habe ich ihn verpasst, weil ich zu einer Ballettgala unterwegs war. Aber vielleicht gibt es ja jetzt eine neue Chance! Kyliáns Choreo­gra­fien einzustudieren, ist jedes Mal ein aufregender Prozess, weil einen seine Stücke ständig überraschen und immer wieder in Erstaunen versetzen. Un­entwegt ertappe ich bei dem Gedanken: Wie ist so etwas möglich? Wie kann er sich so etwas ausdenken? So authentisch, so musikalisch, so logisch, unge­ wöhn­ lich und kreativ! Ein unfassbares Vergnügen!


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damit zu tun, dass Kylián dir in ihnen die Freiheit schenkt, dein eigener Künstler zu sein und deine Persönlichkeit in die choreografierten Schritte und Bewegungen einzubringen. Auch abstrakte Choreografien bekommen dadurch ein unglaubliches Charisma, was sie für viele von uns sehr attraktiv macht. Beim Ballett Zürich habe ich diese Erfahrung in Wings of Wax so­ wie in Gods and Dogs machen dürfen. In den über vier Jahrzehnten seines Wirkens als Choreograf hat Kylián eine unverwech­ selbare choreografische Handschrift entwickelt. Obwohl seine Stücke ganz unter­ schiedlich sind und man eine frühe Choreografie wie Forgotten Land nicht mit einem Spätwerk wie 27’52 vergleichen kann, erkennt man seine Signatur auf An­hieb. Es ist faszinierend zu sehen, wie Kylián sich selbst über die Jahre treu geblieben ist. Seine Choreografien wirken über ihre eigentliche Spieldauer hinaus. Als Tänzer spürst du, wie sehr sie aus dem Herzen des Choreografen kommen, es ist kein Kalkül dabei. Deshalb kann man in einer Kylián-Choreografie nur überzeugen, wenn man sich ihr vollständig aus­ lie­fert, wenn man in das jeweilige Werk ein­ taucht und dabei auch eine eigene Ver­letzbarkeit zulässt. Belohnt dafür wird man mit jenem einzigartigen Glücksgefühl, dass einen nach einer Kylián-Vorstellung durchströmt. Was mich immer wieder fasziniert, ist Kyliáns Art und Weise des Partnerings. In Sweet Dreams zum Beispiel ist das Balancieren der Partnerin ganz wichtig. Der Mann muss sich da auf das Gewicht seiner Tänzerkollegin einstellen, und dieses Austarieren schafft man meist nicht auf Anhieb. Aber dann macht es in der Probe irgendwann «Klick», und es funktioniert. In Stepping Stones ist es gerade eine ungewöhnliche und aufregende Erfahrung, dass auf Spitze getanzt wird. Die Pas de deux mit ihren vielen Twists und Turns sind sehr anspruchsvoll und verlangen einem grosses Einfühlungsvermögen im tänzerischen Dialog mit der Partnerin ab. Ich habe Jiří Kylián in der Vergangenheit schon des Öfteren proben sehen. Das war immer ein sehr inspirierendes Erlebnis. Einmal selbst mit ihm zu arbeiten, wäre wahrscheinlich ein grosses Geschenk.

Constanza Perotta Altube Wenn ich Kylián tanze, fühle ich ein inneres Vibrieren. Ein Pulsieren, das im Inneren entsteht und meinen Körper und meinen Geist durchströmt. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine physiologische Reaktion auf eine technische Herausforderung, sondern um eine emotionale Vibration. Wenn man Kylián tanzt, kann man die Bewegung nicht vom Gefühl trennen: Die Bewegung ist das Gefühl, das Gefühl ist die Bewegung. Dabei kann der Ort dieses Gefühls bei jedem Tänzer, jeder Tänzerin anders sein – aber es ist da! Wer Kylián tanzen will, muss Gefühle zu­ lassen. Wenn du im Kopf und im Herzen leer bist, kannst du ihn nicht tanzen. Man kann eine Bewegung zwar technisch perfekt ausführen und damit trotzdem nichts aussagen. Bei manchen Choreografen liegt der Schwerpunkt durchaus auf der physischen Seite, die Emotion hat dann nicht die gleiche Priorität. Bei Kylián ist eines so wichtig wie das andere. Bewegung und Emotion sind bei ihm eine untrennbare Einheit. Seine Bewegungssprache wirkt auf mich absolut organisch und fliessend. In jedem Moment spüre ich seine wunder­ bare Musikalität. Oft scheint es mir, als könne ich die jeweilige Partitur aus seinen Stücken lesen. Als Tänzerin muss ich in je­dem Moment völlig klar sein. Man darf nicht denken: «Oh, jetzt kommt gleich eine schwierige Stelle.» Man braucht die innere Ruhe, die es einem erlaubt, um mit dieser Kyliánschen Fluidität zu tanzen und jedem Wechsel der Dynamik zu folgen. Mein erstes Stück von Kylián war Bella Figura. Ich war 12, als ich es gesehen habe, und erinnere mich deutlich an das Gefühl, weinen zu müssen, auch wenn mir nicht klar war, aus welchem Grund. Ich habe mir immer gewünscht, in dieser Cho­reografie zu tanzen. Auch jetzt setzt sie ganz unterschiedliche Gefühle in mir frei. Es ist schwer, Schönheit zu erklären. Jede Bewegung in diesem Stück ist poetisch. Mich fasziniert die Gegenüberstellung von Femininität und Maskulinität, von Fragilität und Geradlinigkeit, die sich gegenseitig die ganze Zeit bedingen. Tech­nisch ist es eine sehr anspruchsvolle Choreografie. Doch wenn man sie als

Ballett Zürich Junior Ballett Premiere 13 Jan 2019 Weitere Vorstellungen 18, 19, 22, 25, 27, 31 Jan; 2, 8 Feb 2019 Einführungsmatinee Sonntag, 6 Jan, 11.15 Uhr Bernhard Theater Partner Ballett Zürich

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«schwieriges» Stück tanzt, wird es augenblicklich ein leeres Stück. Man muss die technischen Schwierigkeiten überwinden und es zum Leben erwecken. In Sweet Dreams kann ich nur staunen, wie viel Individualität dort auch in den dunkelsten Momenten möglich ist. Jedes Paar hat etwas anderes mitzuteilen. Selten habe ich erlebt, dass ein und dersel­be Choreograf über so eine breite Palet­te an Ausdrucksmöglichkeiten verfügt. Bei den vier Stücken unseres neuen KyliánAbends hat man an keiner Stelle das Gefühl, sich zu wiederholen. Und jedes Mal ist da dieses unvergleichliche Erlebnis, dass die Musik von dir Besitz ergreift.

Matthew Knight Die Choreografien von Jiří Kylián begleiten mich schon eine ganze Weile. Bereits an der Royal Ballet School in London haben wir uns immer wieder die Videoclips seiner Stücke auf Youtube angeschaut. Dann haben die höheren Semester Un ballo aufgeführt, und ich weiss noch, wie sehr es mich fasziniert hat, den Ein­ studie­r ungsprozess und die Vorstellungen zu verfolgen. Die erste eigene tänzerische Ky­lián-Erfahrung habe ich dann hier in Zürich gemacht, als wir Wings of Wax ins Repertoire genommen haben. Dieses wunderschöne Stück wollte ich unbedingt tanzen. Bei der Premiere gehörte ich leider noch nicht zum A-Cast, aber bei der Wiederaufnahme im folgenden Jahr war es dann endlich so weit. An meinem 21. Ge­burtstag habe ich Wings of Wax getanzt – das war ein einmaliges Geschenk! Es ist schwer zu beschreiben, was diese Einmaligkeit ausmacht. Ich spüre eine be­­sondere Spiritualität, die aus einer anderen Welt zu kommen scheint. Als nächstes Stück hier in Zürich folgte dann Gods and Dogs, und bei dieser Gelegenheit durften wir Kylián persönlich kennenlernen, als er die Endproben be­ glei­tete. Wir haben damals einige Improvisationsübungen gemacht. Kylián forder­te mich auf, mir vorzustellen, dass ich die Welt in mei­nen beiden Händen halte und dabei alles sehe, was die Welt ausmacht: Menschen, Orte, Kreaturen. Anschliessend sollte ich in diesen Vorgang

in eine Betrachtung des eigenen Ichs überführen und mich fragen, was mich zu dem macht, was ich bin, was in meiner DNA gespeichert ist, was meine Augen grün und meine Haare braun macht. Diese Erkundung meines Inneren, so erklärte Kylián, könne ich für den Einsatz meiner Extremitäten nutzen, um zu spüren, in welchem Rahmen ich mich be­ wegen kann, wie gross meine Reichweite im Raum ist, was mich in die Ecke zieht. Diese kurze Improvisation von vielleicht 15 Sekunden Dauer erwies sich als eine Quelle neuer Ideen und Kreativität. Solche Augenblicke, in denen ein Choreograf dir wirklich zu einem tieferen Verständnis deiner selbst verhilft, gibt es in einem Tän­zer­leben nicht so oft. Wenn man Ky­ liáns Choreografien anschaut, dann meint man, sein Charisma zu spüren. Da ist kein überflüssiger Schritt! Niemals hat man das Gefühl, einen Schritt oder eine Bewegung allein zum Zwecke des Zeit-Füllens auszuführen! Alles ist an seinem Platz. Kyliáns Musikalität wird immer wieder erwähnt. Für mich erklärt sie einen grossen Teil seines Geheimnisses. Auch wenn man die Musik wegnehmen würde – so erlebe ich es zum Beispiel ge­ rade in Stepping Stones –, könnte man sie in der Choreografie hören. Diese Klarheit macht es so einzigartig, seine Stücke zu tanzen. An allen vier Cho­reografien unseres neuen Kylián-Abends bin ich gerade in irgendeiner Weise beteiligt. Dabei wird mir bei all ihrer Verschiedenheit im­mer wieder bewusst, was sie eint: Sie atmen Schönheit und reines Gefühl zu wunderbarer Musik – Poesie in Bewegung.


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42 Die geniale Stelle

Heimliches Glück Ein Motiv in Georg Friedrich Händels «Semele»

Tante Trudchen ist zum Weihnachtsfest angereist und hat diese scheusslichen Spitzendeckchen im Gepäck, «die dir immer so gefallen haben». Nun heisst es grosse Freude zeigen, aber natürlich durchschaut die Tante das Spiel sofort. Sie hat ein feines Gespür dafür, dass die Worte, die wir aussprechen («Oh, das freut mich aber!») einen geflissentlich verschwiegenen «Untertext» haben («Was mache ich bloss mit den Dingern?»). Der Fall lässt sich verallgemeinern: So gut wie nie geht, was wir sagen, in dem auf, was wir reden. Nahezu jedes Wort, das wir sprechen, hat einen «Untertext» (wie man das im Theater nennt), der sich in Schwankungen der Stimme, Bewegungen, unruhigen Blicken usw. bemerkbar macht. Und wie Tante Trudchen haben alle Menschen die Fähigkeit, diese Gesten zu deuten. Ein Schauspieler muss vor allem diesen nicht geschriebenen Text erforschen, wenn er seine Figur glaubhaft und interessant darstellen will, und ein Komponist, der mit musikalischen Mitteln dasselbe Ziel anstrebt, muss ebenso vorgehen. Georg Friedrich Händel war ein Meister in der musikalischen Vermittlung solcher Untertexte. Ein besonders schönes Beispiel dafür findet sich in seinem Oratorium Semele: Die thebanische Prinzessin Semele steckt anscheinend in einer üblen Klemme, denn sie muss sich entscheiden zwischen der Ehe mit dem biederen Prinzen Athamas und dem Liebesabenteuer mit Jupiter. Auf den ersten Blick erscheint nicht weiter bemerkenswert, wie Händel diese «Notlage» mit der Abfolge eines kurzen Rezitativs, eines kleinen Ariosos und einer Arie in Musik setzt: Die unruhige Harmonik und scharfe Akzente des Orchesters der ersten beiden Teile scheinen den Schmerz über das Dilemma zu schildern. Der etwas zu pathetische Tonfall würde Tante Trudchen freilich die Stirn in Falten legen lassen. Wenn dann aber das Vorspiel der Arie mit einem heftigen Ruck ins lichte F-Dur springt, das Orchester eine weitausgreifende aufsteigende Figur spielt, die von einem überraschend lustigen Trillermotiv gekrönt wird, nickt sie: «Hab ich’s mir doch gedacht!» Der Text des folgenden Gesangseinsatzes scheint Klarheit zu bringen: Von der Lerche ist die Rede, deren Trillern angeblich Semeles Bedrängnis ausdrückt. Ein verräterisch missratenes Bild: Wie soll denn das Zwitschern des Vögelchens Schmerz oder Trauer ausdrücken? Und damit bestimmt auch niemand den Widerspruch überhört, lässt Händel das angebliche Lerchen-Motiv immer dann auftreten, wenn die Singstimme das Schlüsselwort «distress» artikuliert. Gleich beim ersten Mal gibt es der Stimme den Impuls zu einer anfangs noch etwas schüchternen Verzierung, die sich bald zu einem regelrechten Feuerwerk höchst virtuoser Koloraturen auswächst. Und je mehr dieses unpassende Motiv die musikalische Struktur dominiert, desto deutlicher versteht man: Es schildert nicht die Lerche, wie uns Semele glauben machen will, vielmehr die herrliche innere Unruhe, die «Hummeln im Bauch», die zur ersten Liebe gehören, zu jener glücksüberfluteten Zeit, wo man nur noch Liebe denken kann, und noch mit dem gleichgültigsten Wort verrät, was man erfolgreich zu verbergen meint. Ein winziges Motiv genügt Händel, um mit zärtlicher Ironie das junge Glück zu schildern. Es ist ein heiter-melancholischer Blick zurück, mit dem der alternde Komponist – als grosser Menschenkenner und grosser Liebender – noch einmal die schönste Zeit des Lebens vergegenwärtigt. Werner Hintze



Rigoletto In dieser Wiederaufnahme singt erneut der hawaiianische Bariton Quinn Kelsey die Titel­ rolle, als Gilda ist Rosa Feola zu hören, und den Duca singt der in Zürich ebenfalls bestens bekannte Tenor Ismael Jordi. Die erfolgreiche Insze­nie­ rung von Tatjana Gürbaca zeigt eine moralisch zerrüttete Welt, die keine Werte mehr kennt: Spass zu haben heisst hier, den anderen zu demütigen und zu erniedrigen. Und der Hofnarr Rigoletto ist der zynischste Spassmacher von allen. Einziger Lichtblick in diesem düsteren Nachtstück ist Rigo­ lettos Tochter Gilda, die es vorzieht, sich selbst zu opfern statt von ihren Lebensidealen zu lassen. Die musikalische Leitung hat Gustavo Gimeno. Wiederaufnahme 17 Jan 2019 Weitere Vorstellungen 20, 23, 30 Jan; 6, 9 Feb 2019


Fotos: Hans Jรถrg Michel


46 Volker Hagedorn trifft  …

Rosa Feola Rosa Feola singt in der Wiederaufnahme von Verdis «Rigoletto» die Gilda. Am Opern­ haus Zürich war sie be­ reits als Léïla in «Les Pêcheurs de perles» und als Corinna in Rossinis «Il viaggio a Reims» zu erleben. Soeben feier­te sie einen grossen Erfolg als Lucia am Theater Basel. Rosa Feola tritt zudem regel­ mässig an Häusern wie der Bayerischen Staats­ oper, der Metropolitan Opera New York und der Scala di Milano auf.

Noch eine Stunde bis zum Schminken, zweieinhalb Stunden bis zu den ersten Tönen des Orchesters, fünf Stunden bis zu einer der strapaziösesten Szenen, die es für So­ pranistinnen gibt. Aber die Frau, die am Abend die Lucia in Gaetano Donizettis be­rühmtester Oper singen wird, schlendert ganz entspannt in die nachmittagsstille Kantine des Theaters Basel. «Sie werden sie leicht erkennen», hat der Mann an der Pforte gesagt, «sie hat dunkle Haare und ist sehr hübsch». Rosa Feola, ein Glas Tee in der Hand, ist ausserdem sehr gut gelaunt und scheint sich direkt darauf zu freuen, jetzt über sich und ihre Rollen zu sprechen, zu denen auch die Gilda im Zürcher Rigoletto gehört und Mozarts Gärtnerin. Besteht nicht die Gefahr, dass all diese Frauen, von Donizetti bis Verdi, von Mozart bis Rossini, von Bellini bis Puccini und dazu noch Bizet, in ihrem Kopf durch­ einandergeraten? Sie lacht. «Das hat mich auch gerade eine Freundin gefragt! Nein, die Rollen sind so verschieden, dass ich nicht durcheinandergeraten kann», sagt sie auf Englisch, «und es hilft mir, dass die meisten auf Italienisch sind. So kann ich tiefer einsteigen.» Ab wann steigt sie denn an einem Aufführungstag wie heute ein? Wacht sie morgens schon als Lucia auf? «Ich habe mal versucht, schon Stunden vorher in die Stimmung zu geraten», meint sie. «Das hat nicht funktioniert. Danach war ich ge­stresst, und man ist doch sowieso schon gestresst!» Sie werde es heute machen wie immer. «Ein halbe Stunde Aufwärmen, nur die wichtigsten Stücke wiederholen. In diesem Fall ein kleines Stück von der ersten Arie, dann etwas vom Duett mit dem Tenor, was für mich das Schwierigste ist, sehr legato und rein, und nach der Pause die Wahnsinnsszene.» Genauer gesagt, die Wahnsinnszene schlechthin, ein Solo von fast zwanzig Minuten, in dem die virtuosen Wendungen des Belcanto zu Fragmenten einer zerstörten Seele werden. Diese Szene besiegelte 1835 den Triumph der Uraufführung von Lucia di Lammermoor in Neapel, der Opern­ metropole des italienischen Südens. Eine halbe Stunde Fahrt nordöstlich von dort liegt das Städtchen San Nicola la Strada, in dem Rosa Feola 1986 zur Welt kam. «Ich fing mit Musik an, als ich fünf oder sechs war, sang im Kinderchor, und ein Cousin gab mir Klavierunterricht. Aber meine Eltern hatten mit Musik nicht so viel zu tun, auch wenn meine Mutter eine Naturstimme hat, eine lyrische!» Es war eine Tante, die fand, Rosas Stimme sollte ausgebildet werden. Sie nahm privat Gesangsunter­ richt, ihr Diplom bekam sie als Externe im Konservatorium von Salerno. Am Klavier machte sie nach dem vorletzten Examen Schluss: «Stopp, nicht weiter! Ich habe mich als Pianistin nicht wohl gefühlt. Aber zuhause spiele ich gern, ich kann die Opern alleine lernen. Zum Perfektionieren gehe ich dann nach Rom zu meinen Lieblings­pianisten.» Nach Rom führte auch der Weg der Studentin. Ein Kommilitone hatte ihr geraten, bei Renata Scotto vorzusingen. Dieser Student wurde später ihr Ehemann, und auch die Begegnung mit der grossen alten Dame der italienischen Oper war eine fürs Leben. «Ich war 22, das ist zehn Jahre her», sagt Rosa, fast ungläubig über das, was seitdem geschah. «Ich konnte mir immer noch nicht vorstellen, professionell zu singen. Ich liebte die Oper und ver­ suchte etwas für mich selbst. Aber auf der Bühne zu stehen, als Solistin?» Die anderen Kandidaten warnten sie vor Signora Scotto an jenem Tag. Sie sei übel gelaunt. Als Rosa «Sì, mi chiamano Mimì» und «Bel raggio lusinghier» gesungen hatte, stand die 74jährige Diva auf, applaudierte und sagte: «Okay, du wirst Mimì singen, aber nicht jetzt.» Und dann ging es richtig los. «Sie sagte mir, öffne den Gaumen und singe mit der Maske.» Rosa Feola legt die Hände an die Wangen. «Alle Linien aus derselben Position, verstehen Sie das?» «Naja, ich bin nur Bratscher, aber ich kann’s mir den­ ken…» Sie lacht. «Und ich war Tänzerin! Ich hatte auch Ballett gelernt und nahm all


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die Bewegungen in mein Singen rein, dauernd waren Hände und Beine in Bewegung, also sagte sie mir, bitte kontrolliere deinen Körper. Also wurde ich sehr straight, sehr kontrolliert.» Und sie arbeitete einen Monat lang mit ihrer Lehrerin täglich an der­ selben Arie der Corinna aus Rossinis Il viaggio a Reims: «Ombra ameno». Denn in dieser Rolle würde sie auf der Bühne debütieren – zwischen lauter Stars. «Sie sass neben dem Pianisten und sang, während ich sang, ohne Stimme. Ich verstand, wie man es richtig macht, durch Imitation dessen, was ihr Gesicht zeigte. Es war wie Telepathie, das ist etwas, das ich nie vergessen werde.» So wurde Rosa in die Geheimnisse des Belcanto eingeweiht, jener Kunst schönster, im legato verbinden­ der Tonbildung, die Rossini schon 1858 verloren sah. «Du musst dich fragen, wo die Linie beginnt und wo sie endet. Nicht einfach Wort für Wort, sondern Satz für Satz. Und du musst das wichtigste Wort finden. For example: You are a wonderful woman – which is the most important word? You, wonderful, or woman?» Gut, dass ich kein Sänger bin – ich würde alle drei betonen. «Wichtig ist», sagt sie lachend, «niemals ein Akzent am Ende!» Bei Operalia, dem wichtigsten aller Sängerwettbewerbe, setzte Rosa Feola 2010 ihre Akzente sehr nachhaltig. «E strano…» aus La traviata war ihre Arie in der letz­ ten Runde, und damit kam zum zweiten Platz und dem Zarzuela-Preis noch der Publikumspreis und genug Geld, um nicht alles singen zu müssen, was man ihr anbot. «Es gibt heute viel, viel mehr Sänger als früher. Da ist die Konkurrenz gross, und für viele keine Zeit, ihre Stimme zu schützen.» Wenn nun morgen ein Angebot käme, die Mimì zu singen? «Wissen Sie, was ich an dieser Lucia di Lammermoor hier mag? Es gab fünf Wochen Proben. Es war ein Rollendebüt, da möchte ich wirklich vorbe­ reitet sein. Also, bei fünf Wochen Proben würde ich ich Ja sagen. Aber bei Madama Butterfly – nein, danke, das ist zu früh!» Mit der Gilda im Rigoletto ist Rosa indessen so vertraut, dass sie mit Regisseuren gern diskutiert. «Ich kann es anders machen, als ich es mir vorstelle, aber ich muss wissen, warum. Das Publikum merkt es, ob du wirklich glaubst, was du machst.» Und wie ist es mit den angestaubten Rollenbildern? Welche Frau würde sich heute ihrem Vater zuliebe als Mann verkleiden wie Gilda? Und in westlichen Gesellschaften wird keine mehr zwangsverheiratet wie Lucia… «Sind Sie sicher? Es passiert auch in un­ serer Zeit, dass Frauen nicht die Kraft haben zu sagen, hey, das bin nicht ich! Dafür muss man sehr stark sein. Ich lebe im Süden Italiens. Da ist es ziemlich neu, dass eine Frau nicht zuhause bleibt, wie der Mann das wünscht, sondern arbeiten geht.» Ihre Eltern hätten zuerst grosse Schwierigkeiten damit gehabt, sie alleine reisen zu lassen. Und was Gilda betrifft: «Sie hat einen Vater, der sie zu sehr schützt und sie damit in den Tod treibt. Das ist sehr realistisch. Wenn du auf die falsche Weise liebst, kannst du jemanden ersticken. Die richtige Weise, Liebe zu zeigen, ist, jemanden frei sein zu lassen.» Nur noch sieben Minuten bis zum Make-up, und inzwischen ist die Kantine laut und voll. Wir reden im Fahrstuhl weiter und in der Garderobe, über ihre jüngeren Brüder, die ihr in die Musik nachgefolgt sind, der eine als Sänger, der andere als Geiger, «sehr gute Brüder», sagt sie, «nicht wie dieser…» Sie macht eine verächtli­ che Handbewegung und meint den bitteren Enrico, der heute Abend seine Schwester in den Wahnsinn treiben wird. Und dennoch ist es Lucia, die triumphiert. Rosa Feola singt und spielt all die Männer an die Wand, die diese Lucia in der Basler Inszenierung von Anfang an zum Opfer, zur manipulierten Patientin machen. Welche blühenden, nuancierten Töne, welche Innigkeit und Intensität! Man vergisst vollkommen, wieviel Kontrolle, Bewusst­ sein, Balance dahinter stehen, man überhört, aus wie vielen bewährten Bausteinchen Donizetti einst in vier Wochen diese Partie schuf – da ist nur diese Frau, die um ihre Liebe kämpft und in klaren, lebenden Tönen das findet, was man ihr verwehrt. «Für Lucia», hat Rosa Feola am Nachmittag gesagt, «muss ich mich melancholisch fühlen». Jetzt weiss ich, warum sie damit nicht schon morgens anfängt. Volker Hagedorn


La finta giardiniera In Mozarts erstem «Dramma giocoso», komponiert im Alter von 18 Jahren, prallen enorme Gefühlstiefen und theatralischer Klamauk auf­ einander. Im Zentrum der Handlung steht die Gärtnerin Sandrina, hinter der sich die totgeglaubte Gräfin Violante Onesti versteckt. In der In­ szenierung von Tatjana Gürbaca (die in der vergangenen Saison am Theater Winterthur Premiere feierte) ist ab Februar ein ex­ quisites Sängerensemble zu er­ leben: Die weltweit gefragte griechische Sopranistin Myrtò Papatanasiu singt Arminda, Kenneth Tarver, der unlängst Mozart-Partien wie Don Ottavio und Ferrando mit Teodor Currentzis eingespielt hat, den Podestà, Mauro Peter ist als Belfiore zu hören, und Rosa Feola ist die «verstellte» Gärtnerin. Am Pult steht, wie in der Premiere, Gianluca Capuano.

Fotos: Herwig Prammer

Wiederaufnahme 17 Feb 2019 Weitere Vorstellungen 20, 24 Feb; 1, 6, 8 März 2019



50 Fragebogen

Rebeca Olvera Aus welcher Welt kommen Sie gerade? Aus einer mythologischen Welt: Ich habe die Mutter von Semele gespielt. Eine wunderbare Produktion, in der Mythologie und «real life» nicht weit voneinander weg sind. Worauf freuen Sie sich in La finta giardiniera besonders? Auf Mozart! Ich bin total verliebt in Mo­zart, und es freut mich, eine neue Rolle von ihm zu lernen. Selbst­ver­ständ­­ lich freue ich mich auch auf die Kol­ legen, und ich freue mich auf diese Pro­ duktion. Es ist immer wieder interes­ sant, wie jeder Regisseur sein Konzept hat, um eine Geschichte zu erzählen. Welches Bildungserlebnis hat Sie besonders geprägt? Ich werde nie vergessen, wie traurig ich war, als ich im Konservatorium für eine Produktion vorgesungen habe und ich die Rolle nicht bekam. Ich dachte: Wie kann ich gut genug für die Welt sein, wenn ich nicht einmal diese Rolle kriege? Ich wollte sogar mit dem Stu­ dium aufhören. Da ich dann, sozusagen, frei war, hatte ich Zeit, mich auf den wichtigsten Gesangswettbewerb in Mexiko vorzubereiten. Überraschend gewann ich den Preis des Opernhauses und durfte dort debütieren, und zwar in der Hauptrolle in La Fille du régiment. Als ich an der Premiere zum Applaus auf die Bühne ging, habe ich es kapiert... Wenn ich die Produktion am Konser­ vatorium gemacht hätte, wäre ich an dem Abend nicht in unserem schönen Palacio de Bellas Artes beim Applaus ge­ wesen. Seitdem glaube ich ganz fest, dass es für alles einen Grund gibt – und die richtige Zeit. Welches Buch würden Sie niemals aus der Hand geben? Meinen Atlas! Ich bin total fasziniert von Landkarten. Ich liebe es zu sehen, wie gross die Welt ist und wieviele verschie­ de­­ne Kulturen, Länder und Sprachen es

gibt. Reisen macht uns kompletter. Vielfalt zu erleben, macht unser Leben reicher. Deswegen liebe ich auch meinen Job so sehr: weil ich immer wieder die Gelegenheit habe, andere Länder kennenzulernen. Den Atlas nehme ich selbstverständlich nicht mit, aber ich schaue ihn vor jeder Reise an. Auch wenn es heutzutage jede Menge Apps da­für gibt, der Atlas hat eine Art von Charme, den kein Gerät hat. Welche CD hören Sie immer wieder? Mexikanische Volksmusik. Die soge­ nann­ten «rancheras»-Lieder und die Bo­ leros, die voller Leidenschaft, Schmerz, Liebe oder Glück sind. Immer, wenn wir uns mit unseren mexikanischen Freunden treffen, spielt jemand Gitarre und alle anderen singen dazu. Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Meine Abendkleider! Ich habe weder Interesse noch Talent für Fashion. Hand­ taschen und Schuhe sind nicht mei­­ne Sache. Im Alltag trage ich praktische und bequeme Kleidung. Aber wenn es sich um Abendkleider handelt, dann könnte ich den ganzen Tag in einem Geschäft verbringen. Mit welchem Künstler würden Sie gerne einmal essen gehen? Mit Richard Strauss. Ich würde ihn fragen, warum er so eine schwierige Arie für Zerbinetta geschrieben hat. Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Familie, Musik und mexikanisches Essen; man braucht wirklich nicht mehr als das, um glücklich zu sein. Rebeca Olvera stammt aus Mexiko. Am Opernhaus Zürich, zu dessen Ensemble sie gehört, war sie zuletzt als Despina in Kirill Serebrennikovs Inszenierung von «Così fan tutte» zu erleben. In «La finta giardinie­ra» singt sie die Serpetta.


Kalendarium 51

Januar 2O19

18 Fr Führung Kostümabteilung

12 Sa Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse

Bella Figura

14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

11.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30

19.00

Familienworkshop «Perlenfischer»

19 Sa Führung Opernhaus

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse

15.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30

Brahms / Rachmaninow

19.00

3. Philharmonisches Konzert Robert Trevino: Musikalische Leitung Ilya Gringolts: Violine; Christian Poltéra: Cello Konzert-Abo, Misch-Abo C, Preise P

13 So Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse 11.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30

Brunchkonzert

14.00

Choreografien von Jiří Kylián Premieren-Abo B, Preise B

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Märchen auf dem Klangteppich

15.30

«Der Nussknacker»

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15

Bella Figura

19.00

Choreografien von Jiří Kylián Ballett-Abo Gross, Preise B

2O So Brunchkonzert

11.15

«Sextet romantique» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

Einführungsmatinee «Le Grand Macabre»

11.15

Bernhard Theater, CHF 10

Hänsel und Gretel

11.15

«Hindemith / Kodály / Strauss» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

14.00

Märchenoper von Engelbert Humperdinck für Kinder ab 8 Jahren, Preise K

Familienworkshop «Perlenfischer»

Märchen auf dem Klangteppich «Der Nussknacker»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse 15.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30

Bella Figura Premiere 19.00

Choreografien von Jiří Kylián Premieren-Abo A, Preise C

14 Mo Lunchkonzert 12.00

«Hindemith / Kodály / Strauss» Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 20

16 Mi Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse 15.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30

17 Do Rigoletto Wiederaufnahme

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Donnerstag-Abo A, Verdi-Abo, Preise E

15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15

Rigoletto

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Preise H, AMAG Volksvorstellung

21 Mo Lunchkonzert

12.00

«Sextet romantique» Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 20

22 Di Bella Figura

19.00

Choreografien von Jiří Kylián Dienstag-Abo D, Preise B

23 Mi Rigoletto

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Mittwoch-Abo A, Preise E

25 Fr Bella Figura

19.00

Choreografien von Jiří Kylián Freitag-Abo A, Preise B

26 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10


52 Kalendarium

26 Sa Ballette entdecken «Bella Figura»

29 Di Les Pêcheurs de perles

14.30

Für 7- bis 12-Jährige (ohne Begleitung von Erwachsenen) Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

19.00

Musikgeschichten «Malalas magischer Stift»

19.00

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15

Les Pêcheurs de perles 19.00

Oper von Georges Bizet Misch-Abo B, Preise E

27 So Hänsel und Gretel

14.00

Musikgeschichten «Malalas magischer Stift»

15.30

Märchenoper von Engelbert Humperdinck für Kinder ab 8 Jahren, Preise A

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15

Bella Figura

20.00

Choreografien von Jiří Kylián Sonntag-Abo C, Preise B

28 Mo Mescolare – Dinner mit Musik 19.00

Russischer Abend mit dem Internationalen Opernstudio Restaurant Belcanto, CHF 95

Oper von Georges Bizet Dienstag-Abo C, Preise E

3O  Mi Rigoletto

Oper von Giuseppe Verdi Italienische Oper-Abo, Preise E

31 Do Bella Figura

19.30

Choreografien von Jiří Kylián Donnerstag-Abo A, Preise B

Februar 2O19 Fr Les Pêcheurs de perles 1

19.30

Oper von Georges Bizet Preise E

Tribute to György Ligeti

19.30

Konzert mit dem Ensemble Opera Nova Studiobühne, CHF 50

Sa 2  Führung Opernhaus

14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

14.30

Führung für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Bella Figura

19.00

Choreografien von Jiří Kylián Samstag-Abo, Preise B

So Brunchkonzert 3

11.15 «Ligeti» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

Ballettgespräch

11.15

Zu Themen aus der Welt des Tanzes Studiobühne, CHF 10

Le Grand Macabre Premiere

19.00

Oper von György Ligeti Premieren-Abo A, Preise F

4 Mo Lunchkonzert

Wetten, wir schaffen es, dass Sie 90 Minuten vor der Oper – Theater, gemütlich 3 Gänge essen können und die Rechnung 30 Minuten vor Beginn der Vorstellung vorliegen haben? Ansonsten geht die Rechnung auf uns. Restaurant Opera Zürich Dufourstrasse 2, 8008 Zürich Tel. +41 44 258 98 99, restaurantopera.ch

12.00

«Ligeti» Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 20

Mi Rigoletto 6

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Mittwoch-Abo B, Preise E

Do 7  Le Grand Macabre

19.00

Oper von György Ligeti Premieren-Abo B, Preise E


53 Fr 8  Führung Bühnentechnik

16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Bella Figura

19.00

Choreografien von Jiří Kylián Ballett-Abo klein, Preise B

Sa 9  Führung Opernhaus

15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Musikgeschichten «Malalas magischer Stift»

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15

Führung Maskenbildnerei 15.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Rigoletto

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Misch-Abo C, Preise E

Mode ·Leder ·Pelze Kaiserstrasse 42 D-79761 Waldshut Tel. 0049 7751 3486 kueblerpelz.com

1O So Beethoven / Schubert

11.15

4. Philharmonisches Konzert Musikalische Leitung: Fabio Luisi; Klavier: Beatrice Rana Konzert-Abo, Preise P

Musikgeschichten «Malalas magischer Stift»

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15

Le Grand Macabre 18.00

Oper von György Ligeti Sonntag-Abo D, Preise E

11 Mo Workshop «Was ist Choreografie?»

10.00

Sportferien-Angebot für 12- bis 18-Jährige Kursbeginn, Studiobühne, CHF 100

13 Mi Le Grand Macabre

19.00

Oper von György Ligeti Mittwoch-Abo A, Modern-Abo, Preise E

15 Fr Der Rosenkavalier Wiederaufnahme

18.00

Oper von Richard Strauss Deutsche Oper-Abo, Preise F

16 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Le Grand Macabre

19.00

Oper von György Ligeti Preise H, AMAG Volksvorstellung

17 So Hänsel und Gretel

14.00

Märchenoper von Engelbert Humperdinck für Kinder ab 8 Jahren, Preise A

La finta giardiniera Zürich-Premiere 19.30

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Preise H, AMAG Volksvorstellung

SUEDE SHEARLING/LAMM Mantel

18 Mo Mescolare – Dinner mit Musik

19.00

Südafrikanischer Abend mit dem Internationalen Opernstudio, Restaurant Belcanto, CHF 95

2O  Mi La finta giardiniera

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Misch-Abo A, Gute Laune-Abo, Preise D

21 Do Le Grand Macabre

19.00

Oper von György Ligeti Donnerstag-Abo B, Preise E

22 Fr Lucia di Lammermoor Wiederaufnahme

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Freitag-Abo B, Preise E

23 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballettführung mit Mini-Workshop

14.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Führung Maskenbildnerei 14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Der Rosenkavalier

18.00

Oper von Richard Strauss Samstag-Abo, Preise F


54 Kalendarium

24 So Le Grand Macabre

März 2O19

Fr Führung Bühnentechnik 1

14.00

Oper von György Ligeti Sonntag-Abo A, Preise E

La finta giardiniera

20.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Sonntag-Abo C, Preise D

25 Mo Mescolare – Dinner mit Musik

19.00

«Fish and Chips» mit der Orchester-Akademie Restaurant Belcanto, CHF 95

26 Di Lucia di Lammermoor 19.00

Oper von Gaetano Donizetti Dienstag-Abo B, Preise E

27 Mi Der Rosenkavalier 18.00

Oper von Richard Strauss Preise H, AMAG Volksvorstellung

Workshop «Nijinski»

19.00 Workshop-Reihe für junge Erwachsene ab 16 Jahren, Kursbeginn Anmeldung: musiktheaterpaedagogik@opernhaus.ch

28 Do Lucia di Lammermoor 20.00

Oper von Gaetano Donizetti Belcanto-Abo, Preise E

16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

La finta giardiniera

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Donnerstag-Abo A, Preise D

Sa 2  Führung Opernhaus

14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballettführung mit Miniworkshop

14.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Märchen auf dem Klangteppich

15.30

«Gian und Giachen»

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15

Führung Maskenbildnerei 15.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Le Grand Macabre

19.00

Oper von György Ligeti Preise E

So 3  Einführungsmatinee «Nijinski»

11.15

“Ah, Mimì, mia bella Mimì!“ (La bohème, 2. Akt)

Bernhard Theater, CHF 10

Der Rosenkavalier

14.00

Oper von Richard Strauss Sonntag-Abo B, Preise F

Märchen auf dem Klangteppich

15.30

«Gian und Giachen»

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15

Häuptling Abendwind 20.00

Operette von Jacques Offenbach Koproduktion mit dem Theater Kanton Zürich, CHF 60

4 Mo Liederabend Anja Harteros

19.00

Wolfram Rieger, Klavier Lieder-Abo, CHF 60

Di 5  Lucia di Lammermoor

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Dienstag-Abo D, Preise E

Mi 6  La finta giardiniera

Gut essen gehen ohne dramatische Inszenierung. Jetzt im Buchhandel, Kiosk und auf www.gehtaus.ch

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Mittwoch-Abo B, Mozart-Abo, Preise D

Do Bach 7

19.00

1. La Scintilla-Konzert Musikalische Leitung und Violine: Riccardo Minasi La Scintilla-Abo, CHF 60


Kalendarium 55 Fr 8  La finta giardiniera

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Freitag-Abo A, Preise D

Sa 9  Märchen auf dem Klangteppich

15.30

«Hänsel und Gretel»

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15

Nijinski Premiere

19.00

Ballett von Marco Goecke Premieren-Abo A, Preise D

1O So Lucia di Lammermoor

14.00

Oper von Gaetano Donizetti Preise H, AMAG Volksvorstellung

22 Fr Nijinski

19.00

Ballett von Marco Goecke Ballett-Abo klein, Preise C

23 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballettführung mit Miniworkshop

14.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Tannhäuser Wiederaufnahme

18.00

Oper von Richard Wagner Misch-Abo C, Deutsche Oper-Abo, Preise E

24 So Ballettgespräch

Märchen auf dem Klangteppich

11.15

15.30

Einführungsmatinee «Manon»

«Hänsel und Gretel»

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15

Nijinski 20.00

Ballett von Marco Goecke Premieren-Abo B, Preise C

11 Mo Mescolare – Dinner mit Musik 19.00

Französischer Abend mit dem Internationalen Opernstudio Restaurant Belcanto, CHF 95

14 Do Lucia di Lammermoor 19.00

Oper von Gaetano Donizetti Italienische Oper-Abo, Preise E

16 Sa Opernball 18.00

Benefizgala, Spezialpreise

17 So Nijinski 19.00

Ballett von Marco Goecke Preise H, AMAG Volksvorstellung

11.15

Zu Themen aus der Welt des Tanzes Studiobühne, CHF 10

Bernhard Theater, CHF 10

Hänsel und Gretel

14.00

Märchenoper von Engelbert Humperdinck ab 8 Jahren, Preise A

Nijinski

20.00

Ballett von Marco Goecke Sonntag-Abo D, Preise C

25 Mo Mescolare – Dinner mit Musik

19.00

Mozart-Abend mit dem Internationalen Opernstudio Restaurant Belcanto, CHF 95

27 Mi Tannhäuser

18.30

Oper von Richard Wagner Mittwoch-Abo B, Preise E

29 Fr Nijinski

19.30

Ballett von Marco Goecke Misch-Abo B, Preise C

18 Mo Führung Kostümabteilung

3O Sa Führung Opernhaus

Mescolare – Dinner mit Musik

Nijinski

15.00

19.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

«Zwiegespräch» mit der Orchester-Akademie Restaurant Belcanto, CHF 95

14.00

19.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballett von Marco Goecke Samstag-Abo, Preise C

19 Di Lucia di Lammermoor

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Dienstag-Abo A, Preise E

2O  Mi Liederabend Pavol Breslik

19.30

Amir Katz, Klavier Lieder-Abo, CHF 60

21 Do Nijinski 19.00

Ballett von Marco Goecke Ballett-Abo Gross, Preise C

Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag Unterstützt von Swiss Re

Die Werkeinführung findet jeweils 45 Min. vor der Hauptbühnen-Vorstellung bzw. den Philharmonischen Konzerten statt.


56 Beni Bischof erklärt …

Künstler verlieben sich in Ideen und setzen sie gegen alle Widerstände durch. Deshalb sind sie Künstler. Manchmal wird die Lieblingsidee aber zu dominant und blockiert den Künstler für alles andere. Dann müsste er die Grösse aufbringen, sich ausgerechnet von dem zu trennen, was ihm das Liebste ist. Kann er das? Will er das? In solchen Krisenmomenten ist zur Selbstmotivation der Imperativ «Kill your darlings!» entstanden. «Gib dir einen Ruck», will er sagen, «schaff dieses nervige Liebste einfach ab». Dann wird der Blick wieder frei und das grosse Ganze ist gerettet.

Illustration: Beni Bischof

Kill your darlings!


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Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­nalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

Intendant Andreas Homoki Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Florian Streit Fotografie Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Christian Güntlisberger Anzeigen Andrea Zahler Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann FLAG Aubry Broquard Beni Bischof

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Luzius R. Sprüngli Confiserie Teuscher

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Zürich Stiftung für das Hören

Josef und Pirkko Ackermann Alfons’ Blumenmarkt

MAG Abonnieren  MAG, das OpernhausMagazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-­ Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

Billettkasse +41 44 268 66 66 www.opernhaus.ch

Ars Rhenia Stiftung Familie Thomas Bär Berenberg Schweiz Beyer Chronometrie AG Margot Bodmer Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Fritz Gerber Stiftung Gübelin Jewellery Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung KPMG AG LANDIS & GYR STIFTUNG Lindt und Sprüngli (Schweiz) AG Stiftung Lyra zur Förderung hochbegabter, junger Musiker und Musikerinnen Die Mobiliar Fondation Les Mûrons Neue Zürcher Zeitung AG


SALZBURGER FESTSPIELE PFINGSTEN 7. — 10. JUNI 2019

OPER Georg Friedrich Händel

ALCINA

Nicola Porpora

POLIFEMO

Künstlerische Leitung

Cecilia Bartoli

FARINELLI & FRIENDS ORATORIUM LA MORTE D’ABEL KIRCHENKONZERT STABAT MATER Pärt GEISTLICHES KONZERT STABAT MATER Pergolesi DOMKONZERT CAPPELLA MUSICALE PONTIFICIA SISTINA GALAKONZERT

www.salzburgfestival.at

Rotschnabelkitta, aus: John Reeves, Collection of Zoological Drawings from Canton, China. Natural History Museum, London/Bridgeman Images.

VOCI CELESTI HIMMLISCHE STIMMEN


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