MAG 30
Joyce DiDonato singt Romeo
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Editorial 1
Festspielglanz Verehrtes Publikum, der Juni ist der Monat der Festspiele Zürich, und in diesem Rahmen haben wir immer den Ehrgeiz, etwas besonders Glanzvolles im Opernhaus zu präsentieren. Unsere letzte Neuproduktion in der Spielzeit 2014/15 ist Vincenzo Bellinis selten gespielte Belcanto-Oper I Capuleti e i Montecchi, und vor allem drei Namen sollen für den Festspielglanz einstehen: Generalmusikdirektor Fabio Luisi, der eine ganz grosse Liebe zum italienischen Belcanto-Repertoire und zu Bellini im Besonderen hegt; der Regisseur Christof Loy, der dem Opernhaus Zürich in der vergangenen Saison mit seiner Inszenierung von Händels Alcina (und Cecilia Bartoli in der Titelrolle) einen der schönsten Erfolge der letzten Jahre beschert hat; und natürlich Joyce DiDonato, die amerikanische Star-Mezzosopranistin, die in der Hosenrolle des Romeo ihr Debüt an unserem Haus gibt. Bellinis Belcantokunst hat das Beste vom Besten verdient. Obwohl der Komponist bis heute immer noch eine im Opernrepertoire zu Unrecht vernachlässigte und biografisch merkwürdig verschattete Figur ist: Der gebürtige Sizilianer mit den feingeschnittenen, jünglingshaften Gesichtszügen, der im Alter von nur 34 Jahren an den Spätfolgen einer Amöbeninfektion starb, wurde bald nach seinem Tod zum Fall eines einsam-unglücklichen und zu früh verstorbenen Genies verklärt. Dabei hat vor allem er der romantischen Oper in Italien den Weg geebnet. Bellini war seiner Zeit voraus, war – wenn man so will – ein Avantgardist. Er ist der erste grosse Melodiker des 19. Jahrhunderts und hat mit seinen weit ausgreifenden Gesangsbögen die Kompo-
nistengeneration nach ihm stark beeinflusst, allen voran Richard Wagner, der in seinen späten Jahren laut den Tagebüchern seiner Frau Cosima insbesondere Melodien aus I Capuleti e i Montecchi und I puritani gesungen haben soll. Was ihn – typisch Wagner – freilich nicht daran hinderte, Bellini als «armen» Künstler abzutun, der die Ressourcen seiner Musik selbst gar nicht durchschaut habe. Aber auch Luigi Nono, ein Avantgardist der musikalischen Moderne, war fasziniert von Vincenzo Bellini. Die Oper I Capuleti e i Montecchi basiert auf dem Romeo-und-Julia-Stoff, was hervorragend zum Thema der diesjährigen Festspiele passt, das nämlich lautet: «Geld, Macht, Liebe – Shakespeare und andere Gewalten». Allerdings war Shakespeare zu Lebzeiten Bellinis noch nicht so bekannt und übergross wie heute. Bellinis Oper geht deshalb auch nicht auf Shakespeare zurück, sondern auf ein italienisches Theaterstück von Luigi Scevola aus dem Jahr 1818, das seinerseits aus Renaissance-Quellen schöpft, derer sich auch Shakespeare bedient hat. I Capuleti e i Montecchi ist nicht das einzige «Romeo-und-Julia»-Projekt, an dem im Moment im Opernhaus gearbeitet wird. Auch Schüler einer Zürcher Sekundarschule haben sich in einem Langzeit-Workshop unseres Opernhauses Jung mit dem Stoff befasst und bringen ihn im Juli in getanzter und filmischer Form auf die Studiobühne. Zu all diesen Themen bietet unser MAG Einblicke und Informationen. Wir wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre. Claus Spahn
weitere Informationen zu den Festspielen Zürich finden Sie unter www.festspiele-zuerich.ch
(Foto: Philippe Delval)
LUCERNE FESTIVAL IM SOMMER 14. August – 13. September 2015
Alte Meister – junge Stimmen Samstag, 5. September | 18.30 Uhr | KKL Luzern, Konzertsaal Les Arts Florissants | William Christie | Absolventen des «Jardin des Voix» «Un Jardin à l’italienne». Ein szenischer Abend rund um die Liebe mit Arien, Kantaten und Madrigalen von Händel bis Haydn und von Vivaldi bis Mozart
Karten und Informationen zum vollständigen Programm: +41 (0)41 226 44 80 | www.lucernefestival.ch
Inhalt 3
In I Capuleti e i Montecchi triumphieren die weit ausschwingenden Kantilenen des Belcanto. Marco Frei über die Entschleunigung bei Vincenzo Bellini. Ein Essay
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Christof Loy inszeniert die Romeo-und-Julia-Oper I Capuleti e i Montecchi. Ein Gespräch mit dem Regisseur und seinem Bühnenbildner Christian Schmidt
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Die Schrifstellerin Donna Leon schreibt über den Mezzosopran-Star Joyce DiDonato, die den Romeo in I Capuleti e i Montecchi singt.
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Im Tanz- und Filmprojekt #Romeo_Julia begeben sich Zürcher Schülerinnen und Schüler auf die Spuren des berühmtesten Liebespaares der Weltliteratur.
30 6 Opernhaus aktuell 7 Drei Fragen an Andreas Homoki 9 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 28 Die geniale Stelle
Porträt 40 Der Fragebogen 42 Kalendarium und Serviceteil 43 Sibylle Berg 48
Fotos: Frank Blaser
OPER FÜR ALLE Wenn «Aida» in der Arena von Verona erklingt, sitzen die Menschen auf Steinstufen und packen ihre Picknickkörbe aus. Aber auch das Steinparkett des Sechseläutenplatzes eignet sich für eine lauschige Opernnacht unter freiem Himmel, mit «Aida» und Picknick am 20. Juni.
Opernhaus aktuell 6
Klaus-Florian Vogt singt Lohengrin Im Rahmen der Zürcher Festspiele steht unsere Neuproduktion von Richard Wagners Lohengrin in der Inszenierung von Andreas Homoki noch drei Mal auf dem Spielplan. «Am schönsten singt, wie es sich gehört, Lohengrin», schrieb der Tages-Anzeiger nach der Premiere im vergangenen September. Gemeint ist Klaus-Florian Vogt, der derzeit führende Lohengrin schlechthin. Auch im Juli ist er wieder als Schwanenritter zu erleben. Die musikalische Leitung hat Simone Young. 4., 8. und 11. Juli 2015, Opernhaus
Lise de la Salle spielt Rachmaninow Mit dem letzten Konzert dieser Spielzeit beschliessen die Pianistin Lise de la Salle, Generalmusikdirektor Fabio Luisi und die Philharmonia Zürich ihren Rachmaninow-Zyklus mit dessen viertem Klavierkonzert. Von Rachmaninows Konzerten ist das 1926 abgeschlossene (und 1941 revidierte) vierte am stärksten von den musikalischen Strömungen seiner Entstehungszeit geprägt, etwa vom Jazz. Mit Schönbergs Pelléas und Mélisande und Bergs Drei Orchesterstücken op. 6 stehen ausserdem zwei der bedeutendsten Werke des frühen 20. Jahrhunderts auf dem Programm.
Zu neuen Ufern
Gala-Konzert des Opernstudios Das Internationale Opernstudio ist das Sprungbrett zur Gesangskarriere für talentierte junge Sängerinnen und Sänger. Hier sammeln sie in Workshops und Meisterkursen wertvolle Erfahrungen, entwickeln ihr stimmliches und szenisches Potenzial in eigenen Produktionen und treten an der Seite von Weltstars auf der Opernbühne auf. Zum Abschluss der diesjährigen Spielzeit präsentieren sich die jungen Talente in einem Gala-Konzert mit dem Zürcher Kammerorchester. Auf dem Programm stehen Werke von Mozart, Gounod, Rossini, Donizetti, Britten, Bizet, Massenet, Dvořák und Verdi. Montag, 6. Juli 2015, 19 Uhr, Opernhaus
Das letzte Brunch-/Lunchkonzert der Spielzeit steht ganz im Zeichen des Aufbruchs. Mitglieder unserer Orchesterakademie spielen Werke für Kammerorchester aus dem frühen 20. Jahrhundert. Nicht nur Endzeitstimmung prägte die Musik zur Zeit der beiden Weltkriege. Parallel dazu machte sich eine junge Generation zu neuen Ufern auf: Benjamin Britten präsentierte als 19-Jähriger sein Opus 1, die Sinfonietta, Igor Strawinsky (Ragtime) und Darius Milhaud (La Création du monde) liessen sich vom Jazz inspirieren, Arthur Honegger vertiefte sich in seiner Pastorale d’été in die idyllische Welt der Schweizer Alpen und der Amerikaner Charles Ives tüftelte in The Unanswered Question, fernab hereinbrechender Katastrophen, an der Zukunftssprache der Musik. Brunchkonzert, Sonntag, 21. Juni 2015, 11.15 Uhr, Bernhardtheater Lunchkonzert, Montag, 22. Juni 2015, 12 Uhr, Bernhardtheater
Foto: Monika Rittershaus
Sonntag, 12. Juli 2015, 20 Uhr, Spiegelsaal
Drei Fragen an Andreas Homoki 7
Herr Homoki, am 12. Juni beginnen die Festspiele Zürich. Wofür braucht die Stadt überhaupt Festspiele? Es ist eine sehr schöne Idee, dass eine Stadt, die so vielfältige kulturelle Institutionen besitzt wie das Opernhaus, die Tonhalle, das Kunsthaus, das Schauspielhaus und verschiedene kleinere Bühnen und Veranstaltungsorte, diese Institutionen einmal im Jahr in einem Schaufenster zusammenführt und dadurch einen zusätzlichen Wert schafft, der über das hinausgeht, was wir sowieso schon tun. Das ist allerdings nicht immer einfach, denn wir müssen in unserer Planung sehr viele verschiedene Parameter berücksichtigen – die Verfügbarkeit der Künstler, der Produktionsteams, die Produktionszeiten, die Stücke und vieles mehr. Und wenn man sich dann auch noch mit anderen koordinieren muss, macht das die Planung nicht unbedingt einfacher. Aber das ist ja auch eine schöne Herausforderung! Mit dem Format «oper für alle» setzen wir ausserdem als Opernhaus ein grosses, sichtbares Zeichen, das im Rahmen der Festspiele sehr viel wirkungsvoller präsentiert werden kann als im Rahmen unseres normalen Spielplans. Ausserdem ist «oper für alle» ein sehr kostspieliges Event, das überhaupt nur möglich wird durch die Unterstützung der Zurich Versicherung und eben die finanzielle Beteiligung der Festspiele. In der Vergangenheit mussten sich die Festspiele in Bezug auf den Beitrag des Opernhauses den Vorwurf gefallen lassen, sie präsentierten im Prinzip das gleiche Programm wie sonst, nur zu höheren Preisen. Was hat sich seit Ihrer Intendanz daran geändert? Wir verkaufen die Karten während der Festspiele nicht zu anderen Preisen als sonst. Aber wir versuchen, die letzte Neuproduktion der Spielzeit besonders hochkarätig zu besetzen, wie in diesem Jahr mit Joyce DiDonato. Und wir disponieren diese Premiere wegen der Festspiele etwas später, als es eigentlich gut wäre für das Opernhaus. So können wir den Titel zwar nicht ganz so häufig spielen,
setzen aber in den Festspielen ein besonderes Highlight. Die künstlerische Kommission der Festspiele – also die vier Intendanten von Schauspielhaus, Opernhaus, Kunsthalle und Tonhalle – treffen sich unter dem Vorsitz von Elmar Weingarten, um einen thematischen Schwerpunkt zu setzen. Das diesjährige Festspielthema ist «GeldMachtLiebe – Shakespeare und andere Gewalten». Mit Capuleti e Montecchi haben wir im Opernhaus eine Festspielpremiere, die den Romeo und Julia-Stoff zum Thema hat und deshalb sehr gut in dieses Festspielthema passt, auch wenn Shakespeares Theaterstück nicht die direkte Vorlage für Bellinis Oper war. Die thematische Anbindung ans Festspielthema sehen wir aber grundsätzlich nicht dogmatisch, sondern eher spielerisch und assoziativ. In Ihrem ersten Jahr als Intendant hat das Opernhaus zum Wagner-Jahr den Abend Wagner. Wie ich Welt wurde als Koproduktion mit dem Schauspielhaus im Schiffbau herausgebracht. Wären die Festspiele nicht ein Anlass, sich öfter zu solchen Koproduktionen zusammenzufinden? Das wäre schön, aber dafür müsste der Festspieletat signifikant erhöht werden, denn Koproduktionen wie der Wagner-Abend kosten sehr viel Geld und bringen nicht viele Einnahmen. Ich finde es sehr attraktiv, die Festspiele zum Anlass zu nehmen, bestimmte Highlights der Saison noch einmal zu zeigen, so wie jetzt Lohengrin oder in den vergangenen Spielzeiten den Fliegenden Holländer, Lady Macbeth von Mzensk oder Rigoletto. Die Festspiele sind darüber hinaus nicht nur Plattform für das Opernhaus und die anderen grossen Institutionen in Zürich, sondern auch für die kleineren Bühnen wie die Gessnerallee, das Theater Rigiblick oder den Sommerpavillon des Museums Rietberg. Es ist schön, dass all diese Institutionen, die das kulturelle Leben der Stadt Zürich prägen, unter dem Dach der Festspiele einmal im Jahr gemeinsam auftreten.
Festspiele Zürich 8
Was Sie nicht verpassen sollten! Die Festspiel-Tipps der MAG-Redaktion
Schauspielhaus Pfauen William Shakespeare – Die Tragödie von Romeo und Julia Samstag, 13. Juni, 19.00 Sonntag, 14. Juni, 18.00 Die berühmteste Liebesgeschichte aller Zeiten, neu erzählt: Regisseurin Jette Steckel hat in ihre Inszenierung vom Hamburger Thalia Theater sowohl die Sänger Anja Plaschg (Soap&Skin) und Anton Spielmann (1000 Robota) eingebunden als auch 40 Hamburger Jugendliche, die die Geschichte von Romeo und Julia vervielfachen. «Grossartig popmusikverliebt und jugendselig», meinte der «Spiegel». Wir meinen: Unbedingt anschauen.
Tonhalle Grosser Saal Helden nach Shakespeare Tonhalle-Orchester Freitag, 19. Juni, 19.30 Kaum eine Episode der Musikgeschichte, die nicht auch ein Werk nach William Shakespeare hervorgebracht hat. Das Konzert vereint Mendelssohns Ouvertüre zum Sommernachtstraum mit Teilen aus den Romeo und Julia-Suiten aus der Ballettmusik von Sergej Prokofjew. Dazu erklingt Pjotr Tschaikowskis Violinkonzert,
interpretiert von Michael Barenboim. Die musikalische Leitung hat KarlHeinz Steffens, ehemals Solo-Klarinettist der Berliner Philharmoniker.
Schauspielhaus Schiffbau/Halle The Tiger Lillies perform Hamlet 25., 26., 27. Juni, 20.00 28. Juni, 15 Uhr Und noch ein berühmter ShakespeareKlassiker in ungewohntem Gewand: Das Gastspiel des Theaters Republique aus Kopenhagen zeigt Hamlet in einer Produktion mit der britischen Kultband «The Tiger Lillies». Bekannt geworden unter anderem mit ihrer legendären Performance Shockheaded Peter, setzen die «Tiger Lillies» seit 1989 mit ihren makabren, kabarettartigen Liedern ganz eigene Akzente. Auf die Wechselwirkung der düsteren, unheimlichen Musik der «Tiger Lillies» mit dem Hamlet-Stoff darf man gespannt sein!
Filmpodium Shakespeare im Kino 1. - 30. Juni Die unterschiedlichen filmischen Umsetzungen von Shakespeares Werken wie Romeo und Julia, Hamlet, The Merchant of Venice und andere, die das Filmpodium präsentiert,
zeigen, wie attraktiv seine Stories um Macht, Geld und Liebe heute noch sind. Infos unter filmpodium.ch!
Museum Rietberg Sommerpavillon Fourth Landscape – A mirror to Machaut Donnerstag, 2. Juli, 19.30 Das Trio um den Schweizer Posaunisten Samuel Blaser verwebt zwei völlig verschiedene Musikstile miteinander: Musik zwischen Hard Bop und Free Jazz und Musik der Shakespeare-Zeitgenossen Guillaume de Machaut und Guillaume Dufay aus Spätmittelalter und Renaissance. Eine Kombination, die ganz neue Hörerlebnisse verspricht!
Schauspielhaus Pfauen Shakespeare Slam Poetry Show Samstag, 27. Juni, 20.30 Einige der angesagtesten Performance-Poeten wie Hazel Brugger, Nora Gomringer, Sebastian 23, Jens Nielsen, Micha Ebeling und andere nehmen Shakespeares Motive wie Geld, Macht und Liebe ins Visier und transformieren diese in einer furiosen Performance Poetry Show in die heutige Zeit.
Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 9
Illustration: Laura Jurt
Pleiten, Pech und Pannen In diesen Spalten berichte ich normalerweise darüber, wie wir wunderbare Lösungen für knifflige Probleme erarbeitet haben und in welcher genialen Art und Weise Bühnenbilder gebaut wurden. Mit dieser letzten Kolumne der Saison möchte ich der Wahrheit zuliebe berichten, dass wir auch in dieser Spielzeit ganz und gar nicht geniale und weniger wunderbare Lösungen gefunden haben... In der Inszenierung The Turn of the Screw etwa gab es ein grosses Sofa. Das Sofa sollte eine Klappe haben, damit man sich unter dem Sofa verstecken kann. Wir bauten eine recht massive Stahlkonstruktion mit einer grossen Klappe. Unsere Schreiner verkleideten diese mit Holz und das Ganze wurde weich gepolstert. Sah sehr gut aus und die Klappe funktionier te! Leider wurde das Sofa so schwer, dass schnelle Umbauten kaum noch möglich waren. Sämtliche Techniker wurden gebraucht, um das Monster auf die Bühne und von der Bühne weg zu tragen. In Juliette fährt eine Lokomotive immer wieder quer über die Bühne. Unsere Idee war es, diese einfach mit einem am Fahrwerk befestigten Seil von links nach rechts über die Bühne zu ziehen. Das klappte gut, solange keine Darsteller im Fahrweg der Lokomotive waren. Leider erfordert eine Oper auch singende und spielende Mitwirkende auf der
Bühne, die dann auf dem Seil standen oder über das Seil stolperten... So musste das Seil weg und die Lok mit eigenem Schwung, oder von Darstellern geschoben, über die Bühne fahren. Dank dem Entgegenkommen des Regisseurs ging das problemlos. Vollkommen verschätzt hatte ich mich bei der Erfindung der Strings-Maschine im gleichnamigen Ballettabend. Es ging darum, 12 Gurte quer über die Bühne zu spannen, die sich von waagrecht bis schräg im Raum bewegen können sollten – aber dabei immer straff gespannt bleiben mussten. Die Maschine, die das konnte, sah in den technischen Zeichnungen super aus – doch auf der Bühne wurde sie unser Albtraum. Sie wiegt mehrere Tonnen, ist aufgrund komplizierter Seilumlenkungen mit Gegengewichten nicht schnell auf- und abbaubar und blockiert somit immer wieder den Bühnenbetrieb. Einziger Trost: Ihre Funktion erfüllt sie. Die Gurte sind immer gespannt – allerdings auch die Nerven von Ballettdirektor Christian Spuck (der natürlich kurze Umbaupausen verlangte) und die Nerven des Bühnenmeisters, der diese zu erreichen versuchte... Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich
Die Entdeckung der Langsamkeit Der Komponist Vincenzo Bellini hat die Oper des fr端hen 19. Jahrhunderts entschleunigt. Rossinis Rasanz setzte er ruhig fliessende Gesangskantilenen entgegen. Umgeben von Schnell- und Vielschreibern nahm er sich Zeit zum Komponieren
Foto: Odilon Dimier/PhotoAlto/LAIF
Ein Essay von Marco Frei
I Capuleti e i Montecchi
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n seinem Roman Die Entdeckung der Langsamkeit entwirft Sten Nadolny 1983 ein Portrait des englischen Polar forschers John Franklin. Dieser John Franklin findet sich in der schnelllebigen Gegenwart nicht zurecht, weil er alles langsam angeht und sich Zeit nimmt. Es fällt ihm schwer, Schritt zu halten mit dem Zeitmass der Anderen. Doch umso grösser sind seine Erfolge! Erst dank seiner entschleunigten Beharrlichkeit und seines konzentrierten Reflexionsvermögens wird er zu einem grossen Entdecker. Sten Nadolnys Franklin-Porträt lässt sich auf den 1801 geborenen Komponisten Vincenzo Bellini übertragen: Auch er stand in seiner Zeit für eine höchst innovative Entschleunigung. Arthur Schopenhauer war einer der ersten, der die singuläre Position Bellinis klar benannte. Für ihn zeichnet sich die «ächt tragische Wirkung der Katastrophe» durch eine Resignation und Geisteserhebung aus, die in den Helden herbeigeführt werde. Ein Prinzip, das er in den Opern Bellinis exemplarisch erfüllt sah. Die «plötzlich eintretende Ruhe der Musik» bezeichne nämlich ganz deutlich die «Umwendung des Willens». Diese Äusserungen finden sich in Schopenhauers philosophischem Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung, das 1844 vollständig erschienen ist. Tatsächlich ist die Entschleunigung das zentrale Leitmotiv bei Bellini, und zwar gleichermassen in Leben und Schaffen. Zurecht stellt der Bellini-Forscher Fabrizio Della Seta fest, dass Bellini vor Giuseppe Verdi der einzige Komponist Italiens war, der seine Karriere langfristig plante samt einem langsamen, entschleunigten Schaffensrhythmus. Während Zeitgenossen wie Giovanni Pacini zwischen 1825 und 1835 teils aberdutzende Bühnenwerke auf den Musikmarkt warfen, legte Bellini in diesem Zeitraum gerade einmal zehn Opern vor – durchschnittlich also eine pro Jahr, gänzlich atypisch zu jener Zeit.
Bellini hat den Gesang zur schönen Einfachheit gebracht Wirtschaftlich war das nur möglich, weil Bellini geschickt mit den Impresarios verhandelte und die Verdienstmöglichkeiten des Theatersystems klug ausschöpfte. Dagegen wird schöpferisch Bellinis Entschleunigung vollends hörbar, wenn man dessen Opern mit Gioachino Rossini vergleicht. Beide kannten und schätzten sich; auf dem Weg zu seinem eigenen Stil hatte Bellini die Partituren Rossinis eifrig studiert, um sich bald radikal von ihnen zu lösen. Die Unterschiede zwischen Rossini und Bellini wurden seinerzeit von manchen Zeitgenossen genauso wahrgenommen. In einer bemerkenswerten Kritik zur Oper Il pirata, die am 5. November 1828
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in der Gazzetta Privelegiata aus Mailand erschienen ist, wird Bellini attestiert, den Gesang wieder zur «schönen Einfachheit» gebracht zu haben. Ausdrücklich wird die schlichte Begleitung des Orchesters gelobt – weil sie den Gesang her vorhebe, ohne ihn zu überwältigen. Ein schnörkellosschlichter Gesang und eine reduzierte Orchestrierung: Dies sind die Aspekte, die schöpferisch ganz wesentlich die Entschleunigung bei Bellini bestimmen. Sie berühren zugleich die Frage des Tempos, die eng mit dem spezifischen Charakter von Bellinis Gesang verbunden ist.
Ein typisches Bellini-Tempo war das Andante cantabile So verzichtet zwar Bellini keineswegs auf Koloraturen, allerdings kommen sie wohldosiert und gezielt zum Einsatz – als Ausdrucksmittel nämlich für bestimmte Situationen oder Empfindungen wie Wut, Verzweiflung oder Liebesschmerz, wie Della Seta feststellt. Sonst aber ist Bellinis typischer Vokalstil der sogenannte canto spianato, ein Gesang, der mehr durch das getragene Legato wirkt und eben nicht durch reiche Ornamentation. Deshalb wurde seinerzeit Bellinis Stil bald schon gemeinhin als das Gegenstück zu Rossini betrachtet, der insgesamt einen heiter-gelösten Tonfall und einen stark verzierten Gesang pflegte. Wenn der Belcanto-Forscher Peter Berne schreibt, dass als typisches Rossini-Tempo das Allegro gelten könne und bei Bellini eher das Andante cantabile, so trifft er ins Schwarze. In der 1830 uraufgeführten Oper I Capuleti e i Montecchi kommt Bellinis typischer Vokalstil mit seinen weitgespannten Gesangslinien erstmals in voller Ausprägung zur Geltung. Giuseppe Verdi hat diese weitgespannten Bögen, die sich oftmals über bis zu sechzehn Takte erstrecken, als «melodie lunghe, lunghe, lunghe» gepriesen. Mit I Capuleti e i Montecchi schuf Bellini wesentliche Voraussetzungen für seine späteren Opern Norma und La sonnambula. Demzufolge stellt Berne in seinem Belcanto-Lehrbuch zur historischen Aufführungspraxis in der italienischen Oper von Rossini bis Verdi fest, dass man bei Bellini vorsichtiger als bei anderen Komponisten Verzierungen vornehmen sollte – wie auch Änderungen generell. «Was die Freiheit des Sängers anbelangt, so steht Bellini dem strengen Verdi bereits nahe», betont Berne. «Er wollte, dass man seine Opern so singe, ‹wie sie geschrieben sind› – was aber nicht pedantische Texttreue im modernen Sinn bedeutet, sondern nur weniger Willkür, als damals üblich war.» Die individuelle Auszierung der Melodie, zur Zeit Bellinis eine gängige Praxis, solle strikt vermieden werden, empfiehlt Berne, da sie Bellini bereits ausgeschrieben habe –
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ähnlich wie die Appoggiaturen in den Rezitativen. Und wer die Schlussakkordfolgen ausziere, riskiere eine unangemessene Veränderung der Atmosphäre und des Charakters. Denn zugleich instrumentiert Bellini seine Opern derart schlicht und reduziert, fast schon spärlich wie sonst kein anderer Belcanto-Komponist. Oftmals besteht der Orchestersatz im Grunde nur aus Arpeggien der Streicher, zumal der Violinen. Die Sänger sind gewissermassen auf sich selbst zurückgeworfen, um im Alleingang sowohl den dramatischen Ausdruck zu schärfen und zugleich weiter zu verdichten. «Deshalb müssen andererseits die einzelnen Ausdrucksmittel des Belcanto bei Bellini viel stärker eingesetzt werden als bei den anderen Komponisten der Zeit», schreibt Berne; sonst könne eine Melodie, die an sich ergreifend ist, nicht ihre volle Wirkung entfalten. Indessen schafft die Reduktion der orchestralen Mittel ganz wesentlich die einzigartige Atmosphäre in den Opern Bellinis. Sie speist sich im Grunde aus einem originär kammermusikalischen Geist, dem die Entschleunigung im Sinne einer Konzentration und Reduktion per se innewohnt.
Die Reduktion der Mittel eröffnet schöpferische Perspektiven Tatsächlich zählten ab 1810 vokale Kammermusiken zu den ersten Werken von Bellini, zumal kleine Arien oder Romanzen für Gesang und Klavier. Mit derartigen vokalen Kammermusiken hatte er sich seinerzeit in Neapel einen Namen gemacht. Doch während Bellinis Vokalstil und seine Melodieerfindung bewundert wurden, standen selbst grosse BelliniVerehrer der Reduktion seiner Orchestrierung eher ratlos gegenüber. Seine Instrumentation und Harmonik seien nicht «von grossem Reichtum», schreibt etwa Hector Berlioz 1836, was Giuseppe Verdi noch im Mai 1898 in einem Brief an Camille Bellaigue dezidiert bestätigt. Das Schicksal, in der Orchestrierung gänzlich missverstanden zu werden, teilte Bellini freilich mit Komponisten wie Robert Schumann oder Modest Mussorgski. Auch ihnen wurde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein instrumentatorisches Unvermögen attestiert, ohne die kühne Innovation ihrer Orchestrierungsästhetik zu begreifen. Heute ist unstrittig, dass in der Krönungsszene aus Mussorgskis Oper Boris Godunow erst die radikal karge, fast schon spröde Originalorchestrierung die shakespearehaft umdüsterte Atmosphäre beispielhaft einfängt. Jedweder instrumentatorische Pomp, wie ihn Nikolai Rimski-Korsakow oder Dmitri Schostakowitsch nachträglich ergänzten, läuft dem zuwider. Unstrittig ist heute auch, dass beispielsweise in Schumanns Cellokonzert gerade die vielfach kammermusikalischen Re-
I CAPULETI E I MONTECCHI Oper von Vincenzo Bellini Musikalische Leitung Inszenierung Bühnenbild und Kostüme Lichtgestaltung Choreinstudierung Choreografie Dramaturgie Capellio Giulietta Romeo Tebaldo Lorenzo Der Begleiter
Fabio Luisi Christof Loy Christian Schmidt Franck Evin Jürg Hämmerli Thomas Wilhelm Kathrin Brunner Alexei Botnarciuc Olga Kulchynska Joyce DiDonato Benjamin Bernheim Roberto Lorenzi Gieorgij Puchalski Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich Statistenverein am Opernhaus Zürich
Partner Opernhaus Zürich Im Rahmen der Festspiele Zürich Premiere 21 Juni 2015 Weitere Vorstellungen 24, 27, 30 Juni, 5, 7, 9, 12 Juli 2015
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duktionen das neuartig Andere dieses Werks ausmachen – weil es faktisch ein Gegenentwurf zu jenen Virtuosenkonzerten ist, die seinerzeit das Musikleben beherrschten. Schumann lebt hier den Rückzug ins Private, in die Kammer. In seiner Instrumentation bilden Soloinstrument und Orchester ein klanglich in sich geschlossenes Miteinander und kein konfliktreiches Gegeneinander. Jede anreichernde «Neuorchestrierung», wie sie auch Schostakowitsch vorgelegt hat, fusst auf einem gravierenden Missverständnis. Hinter den Vorbehalten gegenüber den schlicht-entschlackten Orchestrierungen von Bellini, Schumann oder Mussorgski steht freilich die Idee, wonach musikalischer Fortschritt nur durch anreicherndes Übertreffen bestehender Mittel erreicht werden könne. Dass sich hingegen gerade in der Reduktion der Mittel schöpferisch vielfältige Perspektiven für das Zukünftige eröffnen können, wurde gerne übersehen. Natürlich kann Bellinis entschleunigte Schlichtheit wie eine Rückkehr zu Prinzipien der italienischen Operntradition des 18. Jahrhunderts erscheinen, für die Zeitgenossen Bellinis wirkte dies jedoch neuartig – aus der Zeit gefallen. Für Della Seta besteht Bellinis Beitrag zur Orchestrierung darin, in jeder Oper eine Arie mit einem obligaten Instrument zu verwenden – meistens ein Blasinstrument. Dieses obligate Instrument übernehme Charakterzüge der menschlichen Stimme oder lasse die Melodie vor und nachklingen. Della Seta spricht von instrumentalen Erweiterungen oder Kommentaren, die ein «ausserordentliches Gespür für die Individualisierung einer Melodie mittels charakteristischer instrumentaler Klangfarben» verrieten. Damit wird zugleich deutlich, dass Bellinis entschleunigte Reduktion der Mittel auch eine neuartige Innenschau zum Ziel hatte – ein Blick tief in das Innere der Seelen der Menschen. Bellini hat innerliche «Affekte» im Sinn und nicht äusserliche «Effekte». Deswegen unterscheiden sich seine Sturmszenen erheblich von Rossinis. Wo sich nämlich Rossini auf «kurze, brillant zu einem Tosen geschichtete rhythmische Figuren» stütze, so Della Seta, überwöge in Bellinis Stürmen ein dezidiert melodischer Charakter. «Sie basieren auf langsamen, fast menschlich klingenden Seufzermotiven. Auf diese Weise setzt Bellini die romantische Vorstellung einer an den menschlichen Leiden partizipierenden Natur um.» Für seine Analyse verweist Della Seta konkret auf die Gewitterdarstellungen im ersten Akt von La straniera sowie im zweiten Akt von I puritani. Dass seinerzeit Bellini oft ein «Seufzer im Frack» genannt wurde, ist vor dem Hintergrund der irritierend entschleunigten Szenen von an sich grösster Dramatik nur verständlich. Auch in der Oper I Capuleti e i Montecchi fällt Bellinis «Entdeckung der Langsamkeit» in Szenen höchster
Dramatik auf; generell vollzieht sich auch hier die Handlung im Grunde langsam, und im Gegensatz zu Verdis Bühnenwerken sind die Kontraste deutlich weniger scharf gezeichnet. Wenn schliesslich bei Giulietta im zweiten Akt die Anweisung «con espansione d’anima» auftaucht, steht dies exemplarisch für Bellinis Wollen. Denn die «Erweiterung der Seele» vollzieht sich im Kleinen, im Inneren, ohne äusserlich entfesselte Dramatik – entschleunigt, reduziert, durchaus kontemplativ. Es war der Komponist und Musikpublizist Ildebrando Pizzetti, der 1915 wohl erstmals das Bild eines lyrischen statt dramatischen Bellini zeichnete. Seine Kunst folge nicht dem «Ausdruck von Konflikten», sondern der «Auflösung von Dramen» – eine «reinigende Konklusion der emotionalen Qual». Daraus abzuleiten, dass Bellini die Bedingungen der Bühne und des Dramas ignoriere, gehört zu den grossen Missverständnissen in der Bellini-Rezeption der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit seiner Gegenüberstellung des Lyrischen einerseits und des Dramatischen andererseits hat Pizzetti indessen dieses Missverständnis erheblich geschürt, ohne es zu wollen. Nicht Bellini an sich ist lyrisch, sondern seine Dramatik, weil sich seine Dramen im Inneren der Figuren abspielen – oder anders: Bellini «dramatisiert» konsequent das Innenleben, zu einer Zeit, als oftmals reiche Verzierungen im Grunde davon ablenkten. Für Bellinis dramatische Innenschau hat sich bekanntlich der radikale Bühnenneuerer Richard Wagner begeistert. Die finale Grabesszene aus I Capuleti e i Montecchi rechnete er zum Grössten im Musiktheater. «Das ist, bei aller Pauvretät, wirkliche Passion und Gefühl», schwärmte Wagner. Darüber hinaus schärft jedoch Bellinis Entschleunigung, Reduktion und Innenschau die Wahrnehmung an sich. Mit seinen Opern öffnete Bellini die Ohren, lauschte tief hinein ins Innere, was zu seiner Zeit ähnlich subversiv und radikal erscheinen musste wie heute die Hörmusiken von Luigi Nono, Helmut Lachenmann, Morton Feldman, Salvatore Sciarrino oder Beat Furrer. In Zeiten einer total entfesselten Massenkommunikation und geschwätzigen Handy-Gesellschaft ist auch Bellinis «Entdeckung der Langsamkeit» und «Ruhe der Musik» aktueller denn je.
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Sehnsucht nach dem Tod Hinter den narkotisierenden Melodien in Vincenzo Bellinis Oper «I Capuleti e i Montecchi» verbergen sich seelische Abgründe. Davon sind Regisseur Christof Loy und Bühnenbildner Christian Schmidt überzeugt. Wir zeigen die selten gespielte Belcanto-Oper am 21. Juni als Festspielpremiere
Vincenzo Bellinis Oper I Capuleti e i Montecchi dürfte den wenigsten Zuschauern bekannt sein, hinter dem Titel verbirgt sich jedoch ein berühmter Stoff: die Capulets und die Montagues sind die verfeindeten Familien von Romeo und Julia. Was hat Sie an dieser Oper interessiert? Christof Loy: Zunächst die Tatsache, dass die Oper so extrem weit weg ist von Shakespeares Version, denn der Librettist Felice Romani hat andere, italienische Quellen benutzt. Das hat mich anfangs befremdet, aber auch sehr neugierig gemacht. Das einzig Vergleichbare zu Shakespeare ist gerade noch die Grundkonstellation: zwei junge Menschen, die sich lieben, obwohl sie aus ver feindeten Familien stammen. Ansonsten ist die gesamte Atmosphäre der Oper anders, über dem Stück liegt ein Schleier von Melancholie. Es wird keine Geschichte einer Liebe erzählt, die langsam erblüht, sondern deren Ende, die letzten 24 Stunden im Leben von Romeo und Giulietta. Rein äusserlich betrachtet ist es ein sehr handlungsarmes Stück. Auffällig sind die Dominanz der langsamen Tempi und die langen Musiknummern, alles wird in die Länge gezogen und der Bogen so sehr gespannt, dass man es kaum aushält. Das hat viel mit der Hauptfigur Giulietta selbst zu tun, die während des ganzen Abends wie gelähmt
scheint und sich gewissermassen nicht vom Fleck bewegt. Alles, was passiert, passiert um sie herum und wegen ihr. Romeo möchte sie befreien, aber sie kann diese Befreiung aus mehreren Gründen nicht zulassen. Christian Schmidt: Ich konnte nach dem ersten Hören durchaus nachvollziehen, dass sich sowohl Richard Wagner als auch Giuseppe Verdi sehr für dieses Werk interessierten, denn es ist aus einem unglaublich stringenten, homogenen Blickwinkel auf den Stoff komponiert, ohne dass Zugeständnisse an die Opernkonvention mit Tanzszenen, Marktplatzbildern oder Ähnlichem gemacht worden wären. Ich empfinde das als sehr modern. Wir erleben eine hermetische Nahaufnahme des Kosmos’ der Capuleti, denn alles spielt sich in deren Haus ab. Es ist im Prinzip ein Kammerstück mit nur fünf Hauptrollen: Vater Capellio, sein Schwiegersohn in spe Tebaldo, Giulietta, der Arzt Lorenzo und Romeo als Aussenseiter. Es erscheint mir spannend, so eine Familienstruktur einmal unter die Lupe zu nehmen und den Fragen nachzugehen, warum sich Familien blockieren, sich gegenseitig schaden und wehtun können. C.L.: Mich hat besonders die Biografie von Giulietta interessiert und die Frage, warum sie sich so vehement dagegen wehrt, dieser Liebe, die sie für Romeo empfindet,
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konsequent nachzugehen und das Leben mit dem Vater hinter sich zu lassen. Man hat bei ihr deutlich das Gefühl, dass sie eine grosse Angst vor Nähe hat. Romeo gegenüber bringt sie zunächst Begriffe wie Pflicht und Familienehre ins Spiel, später spricht sie von einer Liebe, die ihr wichtiger erscheint; dieser Liebe gegenüber fühlt sie eine grössere Verantwortung, und man muss annehmen, dass damit ihr Vater gemeint ist. Ich habe mich da sofort an andere Konstellationen von Töchtern zu ihren Vätern erinnert gefühlt, an Stücke, die ich bereits einmal gemacht habe: etwa an Louise von Gustave Charpentier, wo es ganz deutlich ist, dass die Titelfigur zu ihrem Vater in einer unseligen Verbindung steht, oder an Daphne in Richard Strauss’ gleichnamiger Oper, deren tiefe sexuelle Verstörung und Angst vor dem erotischen Begehren der Männer wohl auch mit einer früheren missbräuchlichen Erfahrung zusammenhängt. Giuliettas Verhalten erinnert daran, was wir heute von der Aufarbeitung von Missbrauchsopfern kennen und wofür wir den Begriff «Stockholm-Syndrom» verwenden: das Opfer fühlt sich gegenüber dem Täter in der Schuld und möchte ihn nicht verletzen; da ist die Angst, etwas zu tun, wofür man dann nicht mehr geliebt wird. Davon handelt ja auch Giuliettas Arie im zweiten Akt, wenn sie den Schlaftrunk in der Hand hält und zunächst einmal zögert, ihn zu trinken... C.L.: Wenn sie diesen Schlaftrunk nimmt, scheint sie in dem Moment zu glauben, dass es auch ein Todestrank sein könnte und sie womöglich sterben werde. Sie fürchtet sich davor, ihren Vater zu verletzen, indem sie ihn verlässt: weil sie zu einem anderen Mann geht oder in den Tod. Daraus resultiert die sich anschliessende Cabaletta, die eine Art Liebesgeständnis an den Vater ist. Bellini sprengt hier die Konvention der Form, denn es ist äusserst ungewöhnlich, dass eine Cabaletta als Andante komponiert ist. Dadurch scheint diese Arie kompositorisch endlos auseinandergezogen: Giulietta quält sich hier selbst unglaublich, ihr muss dieses Gequältsein unendlich lange vorkommen. Was bedeutet es vor diesem Hintergrund, dass Romeo für eine Hosenrolle geschrieben ist und demnach von einer Frau gesungen wird? C.L.: Ich finde es symptomatisch, dass die Figur, die Giulietta am nächsten an sich heran lässt, kein viriler Mann ist, sondern eine Frauenstimme in Männerkleidern. Bellini hatte ja freie Wahl beim Stoff und wusste, dass ihm zwei fantastische Sängerinnen zur Verfügung standen.
Dennoch hat er sich für die Romeo-und-Julia-Erzählung entschieden und damit bewusst für eine Frau als Romeo. Natürlich verschmelzen die beiden Frauenstimmen gerade im Gegensatz zum männerdominierten Umfeld klanglich sehr miteinander. Aber auch wenn sich die Stimmen beispielsweise im Duett des ersten Aktes einander annähern, bleibt festzustellen, dass es in diesem Stück keine typische Liebesszene zwischen Romeo und Giulietta gibt. Die Beziehung dieser beiden, in der Romeo stets versucht, die Mauer zu durchbrechen, die Giulietta um sich herum aufgebaut hat, bleibt problematisch. Düster ist auch der Rahmen dieser Oper: Von Anfang an ist der Tod allgegenwärtig, es wird von Massakern und Gemetzeln unter den verfeindeten Parteien berichtet, bei denen auch Giuliettas Bruder umgekommen ist. C. L.: Heute würde man sagen, dass man sich in bürgerkriegsähnlichen Zuständen befindet. Am Anfang herrscht eine Art von nicht wirklich vereinbartem Waffenstillstand, aber es ist die Frage, wer wen innerhalb der nächsten Tage angreift. C.S.: Es ist typisch bei dieser Art von Konflikt, dass man sich an den engsten Familienangehörigen vergreift und sich gezielt die Angehörigen aussucht, um die Familie am extremsten zu treffen; in diesem Falle ist es mit Giuliettas Bruder der Erbe, der in dieser Geschichte umgebracht wird. Giulietta hat also nicht nur unter dieser krankhaften Verbindung zu ihrem Vater zu leiden, sondern ist zusätzlich durch die Gewalt um sie herum traumatisiert. Im Gegensatz zu anderen Romeo-und-Julia-Versionen fehlt in dieser Oper auch die Rolle einer Mutter, einer weiblichen Beschützerfigur... C.L.: Dadurch ist die Isolation der Giulietta innerhalb einer Männerwelt, in der die Aggression zur Tagesordnung gehört, natürlich noch stärker. In Giuliettas Wahrnehmung ist Romeo eine Figur wie Richard Wagners Lohengrin, den sie sich herbeisehnt und der sie da rausziehen soll. Es spricht für eine sehr subjektive Wahrnehmung dieser Giulietta, dass sie sich einen Mann, den sie lieben könnte, wie gesagt ganz anders vorstellt, als die Männer, die um sie herum sind: ein Mann mit der Stimme einer Frau. Romeo gibt sich anfangs vital und leidenschaftlich. Wie entwickelt sich diese Figur? C.L.: Ich empfinde Romeo von Anfang an als eine sehr zerrissene Figur. Er ist von Kindesbeinen an damit
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Fotos: Elisabeth Hรถlzl
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aufgewachsen, mit Gewalt und Aggression umzugehen und – vergessen wir nicht, er ist auch ein Mörder, der Mörder von Giuliettas Bruder. Er möchte diesem Krieg wahrscheinlich tatsächlich ein Ende setzen und der Liebe eine Chance geben. Er selbst beschreibt sich in der ersten Szene mit Giulietta als jemand, der nur noch die Möglichkeit sieht, entweder einen klaren Schnitt in seinem Leben zu machen und ganz neu anzufangen, oder zu sterben. Da ist auch dieses Tristanhafte in ihm: bevor das Leben so kompliziert weitergeht, wie jetzt, ist Tod sicher eine Alternative – und sogar die bessere! Diese selbstdestruktive Seite trägt er von Anfang an in sich. Die beinahe glücklichste Musik singt er übrigens am Schluss,
wenn er stirbt. Es scheint daher fast so, als ob er dieses Ziel unbewusst schon immer angesteuert hätte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass er Giulietta in dem Moment nicht sagt, sie solle mit ihm in den Tod gehen. Er trägt ihr eigentlich auf, weiterzuleben. Während Romeos Tod auskomponiert ist, ist das bei Giulietta seltsamerweise nicht der Fall. Von ihr heisst es in einer Szenenanweisung bloss, dass sie über seinem Leichnam zusammenbricht. C. L.: Offenbar war es Bellini in diesem Moment wichtiger, den Tod Romeos zu komponieren. Tatsächlich wundert man sich sehr darüber, weil ja gerade Giulietta
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eigentlich diejenige ist, die während des ganzen Stückes davon spricht, dass sie sich dem Tode so nahe fühlt und glaubt, bald zu sterben. Das ist schon eine merkwürdige Gegenläufigkeit... Findet die insgesamt sehr morbide, ja depressive Atmosphäre dieses Stücks eine Entsprechung im Bühnenbild? C. S.: Wir zeigen das Haus der Familie Capellio wie aus einer Rückblende. Die tragischen Ereignisse liegen schon etwas länger zurück, man sieht Spuren des Verfalls. Oder anders gesagt: als ob man etwas aufleben lassen würde, was dort bereits einmal stattgefunden hat. Es sind nur noch skizzierte Objekte vorhanden, einzelne Möbel, ein paar Lampen, vieles hat einen Grauschleier und Patina bekommen. Es ist uns wichtig, dass man dadurch auch einiges im Unklaren belässt. Innerhalb ihres Hauses scheint sich Giulietta nur wie eine Gefangene bewegen zu können, gleichzeitig ist sie eine Gefangene ihrer selbst. Was bedeutet das für die Räume? C. S.: Es gibt bei uns die spezifischen Raumsituationen, die aber in einer merkwürdigen Verdichtung aufeinander treffen: Neben einem öffentlichen Saal und einem engen Flur sehen wir die intim-private Sphäre von Giulietta mit Schlaf- und Badezimmer, Wand an Wand mit dem Zimmer Capellios, gewissermassen dem Zimmer der Macht, in dem die Männerwelt ein- und ausgeht. C. L.: Diese beiden Räume von Giulietta und Capellio waren für uns enorm wichtig, um den Konflikt des Stücks zu verdeutlichen: neben der Person, die die grösste Macht hat und im wahrsten Sinne des Wortes den grössten Raum einnimmt, befindet sich in geringer Distanz die Figur, die das grösste Opfer seiner Macht ist. Ausserdem war es uns wichtig, eine bildnerische Umsetzung für die Tatsache zu finden, dass sich hier jemand erinnert und damit auseinandersetzt, was ihm im Leben alles geraubt wurde. Räume verwandeln sich fliessend in die nächsten Räume, einige Bilder bleiben, andere Bilder überlagern sich bereits mit den nächsten. C. S.: Wir sehen einen nicht abschaltbaren Bewusstseinsstrom von Giuliettas Erinnerungen und Wahrnehmungen in den immergleichen Raumstrukturen. C. L.: Das Paradoxe ist nun aber, diese grausame Geschichte mit dieser schönen Musik zu hören. Das ist wirklich sehr seltsam. Als ob in der Schönheit der Musik auch ein Appell stecken würde: die Hoffnung, dass es doch noch etwas anderes geben müsse.
Gibt es denn gar keine Zuversicht, dass durch Liebe eine andere Weltordnung hergestellt werden könnte? C. L.: Da sind ein paar wenige Momente, in denen die Menschen etwas zarter miteinander umgehen, weil sie es gerade in diesem Augenblick brauchen. Traurigerweise muss man aber feststellen, dass die Figuren dann am glücklichsten sind, wenn sie ihre Sehnsucht nach dem Tod artikulieren, weil das für sie einen Ausweg darstellt. Es ist wirklich eines der hoffnungslosesten Stücke, die ich kenne. Die letzten Takte der Oper erinnern mich sehr an den trostlosen Schluss der Traviata, wenn der Arzt nach dem todesvisionären Aufschwingen Violettas emotionslos feststellt, dass sie jetzt tot ist und im Orchester siebenmal diese imaginäre Guillotine herunterfällt. So auch in diesem Stück: Am Ende siegt ein Tyrann, und es bleibt die Gewissheit, dass Gewalt und Tod eine ewige Spirale bilden. Die Realität wird in all ihrer Härte erneut zuschlagen. Das Gespräch führte Kathrin Brunner
Die Bilder in diesem Artikel stammen aus dem Buch «Hotel Bristol» von Elisabeth Hölzl, die das Ende eines Nobelhotels in Meran fotografisch dokumentiert hat. Der Prozess der Entkleidung dieses Gebäudes, das Verschwinden seines Mobiliars und der Spuren menschlicher Anwesenheit bilden die Kernthematik dieser Bilder. Christian Schmidt, der ein Faible für alte Hotels hat, liess sich von diesen Fotos für sein «Capuleti»-Bühnenbild inspirieren.
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Die Drama-Queen
Foto: Pari Dukovic
In unserer Festspiel-Neuproduktion von Vincenzo Bellinis Oper «I Capuleti e i Montecchi» debütiert Joyce DiDonato am Opernhaus Zürich. Die temperamentvolle Amerikanerin zählt zu den grossen Mezzosopranistinnen unserer Tage. Mit einem breitgefächerten Repertoire von Händel, Rossini und Mozart bis Richard Strauss und sehr erfolgreichen CD-Produktionen hat sie sich den Status eines weltweit gefragten Opernstars erarbeitet. Vor drei Jahren gewann sie den Grammy für klassischen Sologesang. Die ZEIT attestierte ihr eine «blitzsaubere Technik, Ehrgeiz, Intelligenz und eine nicht nur schöne, weissgoldig schimmernde, sondern auch stilistisch variable, farbenreiche Stimme».
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Kokain für die Gesangsfans
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enn Sie etwas über die Gesangskunst von Joyce DiDonato erfahren möchten, dann wäre ein Kollege von ihr der Richtige oder jemand, der etwas von Musik versteht und dem etwas Kluges dazu einfällt. Zu ihrem Gesang kann ich nicht viel beitragen, weil mir die musikalische Ausbildung fehlt, und auch nicht zu ihrer Technik oder auch nur ihrem Stimmumfang. Ich könnte höchstens bei den Musikkritikern, die ich gelesen habe, abkupfern, will aber lieber etwas zu dem beisteuern, wovon ich etwas verstehe: die gesprochene Sprache. Ich möchte drei Wörter aufgreifen, die ich aus Joyce’ Mund gehört habe. Darin, wie und warum sie diese ausgesprochen hat, offenbart sich ihr Wesen und ihre besondere Begabung. Möchten Sie zweiundvierzig Minuten im BelcantoParadies verbringen? Ja? Dann schauen Sie bei YouTube rein. Dort hat ein Opernfreak acht verschiedene Aufführungen der Konfrontationsszene aus Donizettis Maria Stuarda zusammengeschnitten. Die Szene ist an sich schon Kokain
für den Gesangsfan. Doch diese Überdosis, eine nahtlose Aneinanderreihung grosser Momente einer Gruberova, Sills, Zampieri, Ricciarelli, Antonacci und der Caballé dürfte die meisten Opernfans in reine Ekstase versetzen. Maria Stuart, von ihrer Cousine, Elisabeth der Ersten, beschimpft und beleidigt, hat schliesslich genug und schleudert ihr ein energisches «Nein» entgegen. Sie kann sich deren Schmähungen nicht mehr bieten lassen und gerät so sehr ausser sich, dass sie die Königin einen abscheulichen Bastard schimpft, was wiederum Elisabeth so erzürnt, dass sie befiehlt, Maria zu enthaupten. Die Maria der Oper weiss natürlich, dass ihr Ausbruch sie den Kopf kosten wird, doch genug ist genug. Nicht einmal eine Königin darf so zu einer anderen Königin sprechen, selbst dann nicht, wenn die eine in Gefangenschaft ist und die andere über grenzenlose Macht verfügt. Dieser heftige Zusammenprall ist reine Erfindung und keineswegs historisch verbürgt: Maria Stuarts Hinrichtung war nicht die Folge eines unbesonnenen Wutanfalls, sondern einer kaltblütigen politischen Entscheidung. Die beiden
Foto: Regine Mosimann © Diogenes Verlag
Die Schriftstellerin und Opernenthusiastin Donna Leon ist mit Joyce DiDonato befreundet. Für unser MAG hat sie einen Text über die Mezzosopranistin geschrieben
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Sängerinnen jedoch sind schon hunderte, wenn nicht tausende Male auf der Bühne aneinandergeraten, und durch Maria Stuarts Operntod hat sich bei den Besuchern der Eindruck verfestigt, die Begegnung in Fotheringhay habe tatsächlich stattgefunden. In den YouTube-Szenen bringen alle Sängerinnen mit einer Ausnahme Marias «Nein» in gesungener Form zu Gehör. Als ein unterschiedlich lang gehaltener Ton bleibt es stets Teil des Gesangs, mit immer wieder verschiedenem Ausdruck erfüllt. Joyce hingegen hat das Wort kürzlich bei einer Aufführung in Barcelona nicht gesungen − sondern mit erstickter, zorniger Stimme hervorgestossen. «Nein.» Mir lief es kalt den Rücken hinunter, so wirklich fühlte sich diese Eingebung an. Dieses «Nein» war echt. Zorn sprach daraus, Wut und Abscheu, vor allem aber Stolz. Stolz setzte sie es dieser Tochter einer Ehebrecherin – Tochter der enthaupteten Boleyn – entgegen, die sich anmasste, die Königin von Schottland und Gemahlin des Königs von Frankreich zu beleidigen. Nach der Vorstellung gratulierte ich Joyce dazu, mit welchem Zorn sie das Wort herausgeschleudert hatte. Worauf sie lächelnd antwortete: «Stimmt. Vielleicht sollte ich es für meinen Anrufbeantworter übernehmen.» Die anderen zwei Wörter hat der deutsche Dokumentarfilmer Ralf Pleger in seinem Film über Joyce eingefangen. Hierin geht es um die «Drama Queens»-CD, eine Sammlung von mitreissenden Arien. Man erlebt Joyce im Gespräch mit Vivienne Westwood, der Designerin ihres roten Bühnenkostüms, wobei Joyce Ms. Westwood den bemerkenswerten Satz entlockt: Sie sehne sich danach, die letzte Überlebende auf Erden zu sein. Man sieht dort auch das Foto-Shooting für das CD-Cover: Joyce in Westwoods rotem Kleid, immer wieder neu frisiert und geschminkt, mit wehendem Haar in einer Pose nach der anderen, abgelichtet von einem berühmten Modefotografen, click, click, click. Bis man zu guter Letzt der müden, aber lächelnden Joyce ein paar Bilder zeigt. Und ihr, als sie all diesen Glamour im feuerroten Kleid, diesen zig-Millionen-Dollar-Traum sieht, rutscht ein «Holy shit!» heraus. Dazu sollten Sie wissen, dass «Holy shit» für Amerikaner nichts anderes bedeutet als ein WOW mit einem Schweif von Ausrufezeichen. Die beiden Wörter mögen vulgär klingen, sind aber nicht so gemeint: Wie immer kommt es ganz auf den Zusammenhang an. Joyce gab nur überwältigt ihrem Erstaunen Ausdruck über die Verwandlung eines gewöhnlichen Mädchens aus Prairie Village, Kansas, in einen glamourösen Superstar. Holy shit, das kann man wohl sagen. Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz Donna Leon & Diogenes Verlag AG, Zürich
Montagsgespräch mit Joyce DiDonato Donna Leon unterhält sich am Montag, 22. Juni, 19 Uhr, mit der Mezzosopranistin Joyce DiDonato, die als Romeo in Bellinis «I Capuleti e i Montecchi» auf der Zürcher Opernbühne steht. Das Gespräch wird auf Englisch geführt und findet ausnahmsweise im Bernhardtheater statt.
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Plötzlich ging alles ganz schnell
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Die 24-jährige Ukrainerin Olga Kulchynska hat in nur drei Jahren den Sprung vom Opernstudio auf die internationale Bühne geschafft. Text Beate Breidenbach, Foto Danielle Liniger
m Opernstudio des Moskauer Bolschoi-Theaters ist der politische Konflikt, den Russland zurzeit gegen die Ukraine austrägt, weit weg: Hier werden hochbegabte junge Sängerinnen und Sänger aus Armenien, Russland, Usbekistan, Tadschikistan, Moldawien, Weissrussland und eben auch – wie Olga Kulchynska – aus der Ukraine ausgebildet; ihre Herkunft spielt dabei keine Rolle. Die jungen Sängerinnen und Sänger konzentrieren sich voll und ganz aufs Singen: Sie werden von zwei ständigen Gesangspädagogen betreut, absolvieren Workshops bei Dozenten aus dem Ausland, und das Opernstudio stellt ihnen Wohnungen in der Nähe des Bolschoi-Theaters zur Verfügung. Zudem werden sie – vorausgesetzt natürlich, sie sind gut genug – in Neuproduktionen und Wiederaufnahmen des Bolschoi-Theaters besetzt, mitunter sogar in Hauptrollen. Klar, dass die zwölf Plätze in diesem Opernstudio sehr be-
gehrt sind: Jedes Jahr bewerben sich Hunderte, viele von ihnen mehrmals, die allermeisten ohne Erfolg. Bei Olga Kulchynska hat es gleich beim ersten Versuch geklappt. Noch bevor sie ihr Gesangsstudium in Kiew abgeschlossen hatte, sang sie in Minsk für das Opernstudio des Bolschoi-Theaters vor. Für Olga, die aus der kleinen Stadt Rovna in der Westukraine stammt, war es eine grosse Überraschung, dass sie zu den wenigen Auserwählten gehörte. Und es sollte gleich weitergehen mit den Überraschungen, denn schon ein halbes Jahr nach ihrer Aufnahme ins Opernstudio sang sie am Bolschoi-Theater die Hauptrolle in der Neuproduktion von Rimski-Korsakows Zarenbraut. Die Produktion ging anschliessend auf Gastspielreise ans Theater an der Wien, nach New York und nach Hongkong – mit der 22-jährigen Olga in der Titelrolle, die vorher noch nie im Ausland gewesen war. Doch damit nicht genug:
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Nach nur einem Jahr im Opernstudio wurde Olga festes Ensemble-Mitglied des Bolschoi-Theaters. Das war im Herbst 2014. Seitdem sang sie dort die Musetta in einer Wiederaufnahme von Puccinis Bohème, die Hauptrolle in der Uraufführung einer neuen Bearbeitung der Schneekönigin für Kinder und die Susanna in einer Neuinszenierung von Mozarts Le nozze di Figaro. Und nun ist sie in Zürich und singt mit 24 Jahren zum ersten Mal in einer Neuproduktion an einem grossen europäischen Opernhaus ausserhalb von Moskau. Macht das Tempo ihrer Karriere ihr nicht Angst? Nein, sagt Olga, sie geniesse es und sei dankbar dafür, so privilegiert zu sein. Sicher, es gäbe einige Leute, die meinten, es sei gefährlich, so jung schon auf so grossen Bühnen zu stehen. Aber für sie sei es im Moment genau das Richtige. Sie liebt es, zu arbeiten. Müsse sie nicht auch mal schlafen, würde sie am liebsten Tag und Nacht üben und proben. Nur das Abschalten sei schwierig, sagt Olga. Nach einem Probentag mit Bellinis Giulietta hört sie nachts noch die Musik im Kopf. Und vor der ersten musikalischen Probe mit Fabio Luisi habe sie vor Aufregung nicht schlafen können. Die Arbeit mit ihm und dem Regisseur Christof Loy empfindet sie als grosses Geschenk.
«Das war first class», sagt die Operndirektorin Dass das Engagement hier am Opernhaus zustande gekommen ist, war nicht selbstverständlich. Vor einem Jahr hatte Operndirektorin Sophie de Lint Olga Kulchynska bei einem Vorsingen des Opernstudios am Bolschoi-Theater gehört – mit einer anderen Julia, nämlich der Juliette von Gounod. «Das war first class», sagt Sophie de Lint; in der Zwischenzeit hat Olga auch noch einen der wichtigsten Gesangswettbewerbe, den Francisco Viñas-Wettbewerb in Barcelona, gewonnen. Als jetzt am Opernhaus kurzfristig eine Sängerin für die Giulietta gesucht wurde, fragte Sophie de Lint beim Bolschoi-Theater an, ob Olga frei wäre. Sie war zwar eigentlich nicht frei – aber nach einigen Verhandlungen liess man sie schliesslich ziehen. Denn das ist die Kehrseite der intensiven Nachwuchsförderung am Bolschoi-Theater: Die jungen Sängerinnen und Sänger haben, so lange sie fest angestellt sind, kaum die Möglichkeit, zu gastieren. Sie werden auch, wenn sie nicht selbst auf der Bühne stehen, als Absicherung gebraucht, falls ein anderer Sänger krank wird. Erst zwei Wochen vor Probenbeginn in Zürich erfuhr Olga, dass sie tatsächlich die Giulietta in Zürich singen darf – und lernte in Windeseile die Partie. Mit dem italienischen Repertoire
hat sie bisher wenig Erfahrung, Bellini wird in Russland kaum aufgeführt. Aus La sonnambula hat sie die beiden Arien der Hauptfigur studiert, die Giulietta kannte sie gar nicht. Zur Vorbereitung hörte sie die Aufnahme mit Anna Netrebko als Giulietta und Fabio Luisi als Dirigent. Aber was die Stilistik und Aussprache angeht, ist eher Renata Scotto ihr Vorbild. Bei den meisten russischsprachigen Sängern würde man im Italienischen den Akzent hören, sagt sie, Olga will alles dafür tun, dass sie das besser hinkriegt. Auch in Bezug auf die szenische Darstellung hat sie wenig Erfahrung. Alles, was Christof Loy ihr zu ihrer Figur sagt, saugt sie auf wie ein Schwamm. Loys Arbeitsweise, schwärmt Olga, imponiere ihr sehr: Jede Bewegung, jeder Blick müsse aus einem Gedanken, einer Haltung kommen. Zudem gelinge es Loy, eine Probenatmosphäre zu schaffen, in der man keine Angst haben muss – was besonders für Olga als blutige Anfängerin, die plötzlich neben so bekannten Kolleginnen wie Joyce DiDonato auf der Bühne steht, existentiell wichtig ist. Und so erlebt Olga das Schauspielen als etwas sehr Natürliches – obwohl die Giulietta, wie Loy sie sieht, «eine nicht ganz normale junge Frau» sei: Traumatisiert durch die blutigen Kämpfe zwischen den beiden Familien Capuleti und Montecchi und in einer komplizierten Beziehung an ihren Vater gekettet, verbringt Giulietta ihr Leben in einer reinen Männerwelt, in der sie sich eingesperrt fühlt und aus der sie keinen Ausweg findet. Interessant ist für Olga, dass Romeo in dieser eher untypischen Bearbeitung des Romeo und Julia-Stoffes von einer Mezzosopranistin gesungen wird: Ein Mezzosopran sei doch viel sensibler und emotionaler als jede Männerstimme, und bei Romeo fände Giulietta eben das, was sie in der kalten, der unversöhnlichen Auseinandersetzung zwischen den verfeindeten Familien geweihten Männerwelt vergeblich sucht. Olga Kulchynska spricht Russisch wie ihre Muttersprache; also frage ich sie, ob sie sich eher als Russin oder als Ukrainerin fühlt. Die Antwort ist klar: Sie sei Ukrainerin, in der Ukraine geboren und aufgewachsen mit Ukrainisch als erster Muttersprache. Dass sie Russisch ebenso gut beherrscht, liegt daran, dass ihre Mutter, eine Cellistin, Russin ist – allerdings ihrerseits mit einem deutschen Vater. Schon vor dem Ausbruch des Russland-Ukraine-Konflikts habe sie sich immer als Ukrainerin gefühlt; ihren Namen schreibt sie mit der ukrainischen Endung «a» statt «aja» wie im Russischen. Das Leben in Moskau sei für sie als Solistin des Bolschoi-Theaters wunderbar, diskriminiert fühlt sie sich nirgends. Nach wie vor hat sie gute Freunde und Verwandte in Russland, die russische Literatur hat sie immer schon geliebt, die russische Musik sowieso. Warum also sollte das jetzt anders werden?
Foto: Hans Jörg Michel
Elektra Zu Beginn des 20. Jahrhunderts legte Richard Strauss seine Elektra vor, die in ihrer radikalen Harmonik und emotionalen Wucht noch über die kurz zuvor entstandene Salome hinausging. Mit einem riesenhaften Orchesterapparat entfesselte der Komponist Klänge, die man bis dahin so noch nicht gehört hatte und deren expressionistische Wildheit bis heute nichts von ihrer Wirkung eingebüsst hat. Der archaische Stoff erschreckt und fasziniert gleichermassen: Eine junge Frau – Elektra – lebt ausserhalb des Palasts ihrer Mutter wie ein Hund in völliger Einsamkeit; nur der Gedanke, den Mord an ihrem Vater Agamemnon zu rächen, hält sie am Leben. Als die Rache schliesslich vollbracht ist und ihr Bruder Orest die Mutter Klytämnestra und deren Geliebten Aegisth umgebracht hat, tanzt Elektra einen ekstatischen Tanz, auf dessen Höhepunkt sie tot zusammenbricht. In dieser Wiederaufnahme der Inszenierung von Martin Kušej singt Evelyn Herlitzius, die zuletzt in Aix-en-Provence als «ideale Elektra» gefeiert wurde, die Titelpartie. Als Klytämnestra ist Hanna Schwarz zu hören, Emily Magee kehrt als Chrysothemis ans Opernhaus Zürich zurück. Der junge deutsche Dirigent Lothar Koenigs dirigiert erstmals am Opernhaus Zürich. Wiederaufnahme: 28 Juni 2015 Weitere Vorstellungen: 3, 10 Juli 2015
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Es führt kein Weg zurück Ein Akkord in Richard Strauss’ «Elektra»
Die Erkennungsszene gehört seit den Anfängen des europäischen Theaters zum festen Bestandteil der dramaturgischen Mittel, die von den Dichtern verwendet werden, um die Zuschauer in die Welt ihres Dramas hineinzuziehen. Die starke emotionale Wirkung solcher Szenen scheint auf zwei Momenten zu beruhen: Zum einen kennt jeder aus eigener Erfahrung den Schmerz der Trennung von geliebten Menschen und die Freude des Wiedersehens, kann sich also leicht in jene hineinversetzen, die das in gesteigerter Form erleben. Zum anderen liegt in der Vorstellung, dass sich zwei Menschen nach Jahren der Trennung doch noch wiederfinden und an dem Punkt anknüpfen, an dem sie getrennt worden sind, eine der grossen Hoffnungen des Menschen: die Hoffnung auf den Sieg über die Zeit, über die Vergänglichkeit. Der Moment des Wiederfindens scheint eine Brücke zu spannen über den Abgrund des Leids, der zwischen der Trennung und dem Wiedersehen liegt, ja, er scheint ihn zum Verschwinden zu bringen. Es liegt für jeden unmittelbar auf der Hand, dass dies nicht möglich ist, und Dramatiker, die solche Szenen schufen, sind mit diesem Widerspruch zwischen Hoffnung auf das Unmögliche und desillusionierender Realität jeweils verschieden umgegangen: Mancher hat die vergangene Zeit schlicht ignoriert und den Zuschauern für einige Momente im Theater den schönen Traum gelassen, andere haben sich gerade die Zerstörung dieser Illusionen zum Ziel gesetzt. Für die Erkennungsszene seiner Elektra wählt Richard Strauss letzteren Weg. In dem Augenblick, da die Heldin begreift, wer der fremde Mann ist, der vor ihr steht, entringt sich ihr in einem wilden Schrei nur der Name des geliebten Bruders: «Orest!» Dazu erklingt im Orchester ein grell dissonierender Akkord, dessen harmonische Gestalt in der Literatur auf verschiedenste Arten gedeutet wird. Manche Wissenschaftler haben ihn kurzerhand als atonal klassifiziert, andere fanden eine polytonale Schichtung von einfachen Dreiklängen und wieder andere zeigten höchst spitzfindige Möglichkeiten, ihn doch noch im Rahmen einer extrem ausgeweiteten Tonalität zu erklären. Wie man diese Analysen immer bewerten mag, entscheidend ist der Eindruck, den dieser Klang auf den unvoreingenommenen, nicht analysie-
renden Hörer und Zuschauer der Oper ausübt: Das Erlebnis einer mit überwältigender Wucht hereinbrechenden Klangballung, die selbst innerhalb der an Dissonanzen überaus reichen Elektra-Musik einen Ausnahmefall darstellt und deren schockierende Wirkung durch die grelle Instrumentation noch einmal verstärkt wird. Was darauf folgt, ist eine lange Passage, in der die Musik endgültig aus den Fugen zu geraten scheint. Wild abstürzende Passagen, donnernde Schlagzeugeinwürfe, Linien, die jubelnd zum Tanz anzusetzen scheinen und im Schmerzgekreisch der hohen Holzbläser verenden, triumphierende Fanfaren, die sofort wieder ersticken – dies ist kein Freudenschrei, dies ist ein Ausbruch nackten Entsetzens. Eines Entsetzens, das die menschliche Vorstellungskraft übersteigt. Es ist der restlose Zusammenbruch aller Hoffnungen: Elektra kann nun nicht mehr zweifeln, dass ihre schlimmste Befürchtung eingetroffen ist: Der Orest, der da vor ihr steht, ist nicht ihr Bruder, nicht das Kind, das sie in Erinnerung hatte und das sie erwartete. Er ist herangewachsen und ist nun Orest, die Kampfmaschine, Orest, der Rächer, aufgezogen und ausgebildet zu dem einzigen Zweck, die eigene Mutter kaltblütig zu ermorden. Unter der Maske der Verstellung hat er die Wahrheit gesagt: Orest ist gestorben, zu dem sehnlich erwarteten Bruder führt kein Weg zurück. Für ihn gibt es nur noch einen Weg: den in die Zukunft, zum Muttermord, in den Wahnsinn. Dass dies der Wahnsinn des ersten Weltkriegs ist, legt die Musik nahe, in deren dissonanten Klangballungen und donnernden Entladungen man bald so etwas wie ein vorausgehendes Echo der kommenden «Stahlgewitter» hörte. Doch die kommende Katastrophe ragt auch in einem anderen Sinne in das Stück hinein: In dem deutlichen Gefühl, dass etwas zu Ende geht, eine grosse Kultur unwiderruflich zerbricht, dass eine Epoche der Barbarei anbricht, in der das alte Europa untergehen wird. Damit wird es wohl zusammenhängen, dass eine der unvergesslichen Passagen dieser monumentalen Tragödie gerade jene kleine, ganz schlichte, untröstliche Phrase der Elektra ist: «…dass das Kind nie wieder kommt, nie wieder kommt.» Werner Hintze
Fotos: Stefan Deuber
Romeo stirbt im Schulhaus
Romeo und Julia sind in Shakespeares berühmter Tragödie erst 14 und 16 Jahre alt, als sie sich ineinander verlieben. Die Mädchen und Jungen der Zürcher Sekundarschule Hirschengraben sind im selben Alter und haben gemeinsam mit dem Opernhaus Zürich über sechs Monate ein Film- und Tanz-Projekt entwickelt. Als Höhepunkt wird die entstandene Film- und Tanzcollage auf der Studiobühne des Opernhauses präsentiert.
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Das kann der Hammer werden! Die Choreografinnen Lucia Baumgartner und Teresa Rotemberg erarbeiten «Romeo und Julia» mit Schülerinnen und Schülern
Lucia und Teresa, wie nähert Ihr Euch in Eurem Schulprojekt dem Romeo und Julia-Stoff? TR: Für unsere Beschäftigung haben wir uns gemeinsam mit den Schülern fünf Themen aus dem Umfeld der Tragödie ausgesucht: Freundschaft, Familie, Tod, Gangs und Liebe. Es sind diese grossen Themenkreise, die wir auf ihre Gültigkeit für die Lebensrealität der Zürcher Schülerinnen und Schüler befragen. Der mittelalterliche Verona-Stoff gewinnt da plötzlich eine ungeahnte Realität. LB: Parallel zu unserem Tanzprojekt widmet sich eine weitere Klasse den erwähnten Themen in einem Filmprojekt. Beide Arbeiten entstehen unabhängig voneinander und werden erst als Abschluss gemeinsam auf der Studiobühne des Opernhauses präsentiert. Wie geht Ihr mit der strengen Figurendramaturgie des Shakespeare-Stücks um?
LB: Wir folgen ihr in den Umrissen, aber ganz wichtig ist uns, dass sich das Geschehen nicht allein um zwei Hauptdarsteller herum abspielt, sondern dass möglichst viele der Beteiligten so ein «Hauptrollen-Erlebnis» haben. Es wird deshalb mehrere Julias und mehrere Romeos geben. Als Choreografinnen arbeitet Ihr im Normalfall mit Profis zusammen. Wie erlebt Ihr jetzt die Zusammenarbeit mit Laientänzern? LB: Ihre Sportlichkeit kommt vielen unserer Darsteller zugute. Einige sind echte Spitzensportler, die auf enorme Beweglichkeit zurückgreifen können. Fast niemand hatte allerdings bisher irgendeine Berührung mit dem Tanz. TR: Das kann sich als Vorteil herausstellen, da es so auch kein Klischee gibt, wie Tanz auszusehen haben soll. Zunächst geht es darum, mit den Kids ein Bewusstsein für den eigenen Körper zu entwickeln.
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Wie gelingt es Euch, dieses Körperbewusstsein zu schärfen? LB: Mit einer Reihe von Übungen versuchen wir, ein Gefühl für den Körper im Raum zu entwickeln. Oft kopiere ich die Schüler und sensibilisiere sie für die eigenen Unterspannungen. TR: Neben dem Gefühl für den eigenen Körper versuchen wir, die Jugendlichen für den Theaterprozess zu sensibilisieren und ihnen zu vermitteln, dass es Spieler und Zuschauer gibt. Nach jeder Probe gibt’s eine Art Durchlauf, der uns zeigt, an welchem Punkt wir gerade stehen und welche Baustellen noch offen sind. Es ist faszinierend zu sehen, wie sich bei ihnen ganz allmählich ein Gespür dafür entwickelt, dass all die kleinen gebauten Szenen sich am Schluss zu einem grossen Ganzen zusammenfügen werden. Irgendwann kommt der Moment, wo buchstäblich der Knoten platzt. Das Wichtigste ist, den Schülern das Schamgefühl zu nehmen und ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Ein Selbstbewusstsein, dass ihnen möglicherweise in anderen Situationen zugute kommt? TR: Ich empfinde ganz stark, wie die Jugendlichen in diesen sechs Monaten wirklich erwachsen geworden sind. Oft gibt es spannende Wechselwirkungen mit ihrer Biografie, da sie dieses neue Selbstbewusstsein natürlich gerade jetzt, wo sie vor dem Übergang ins Berufsleben stehen, sofort in der Praxis ausprobieren und anwenden können. LB: Neben dem Selbstbewusstsein erfahren die Jugendlichen oft zum ersten Mal, was es bedeutet, an einem Bühnenprojekt mitzuwirken, und werden für künstlerische Prozesse und Abläufe sensibilisiert. Inwiefern müsst Ihr als Choreografinnen Eure professionelle Anforderungen herunterschrauben? LB: Natürlich müssen wir uns von der Vorstellung «Profitanz» verabschieden. Aber darum geht es auch nicht. Die Bewegungssequenzen entwickeln wir oft als Moves, die alltäglichen Bewegungen der Jugendlichen abgeschaut sind und eine neue Kraft gewinnen, wenn man sie in eine tänzerische Form bringt. TR: Wir merken, wie mühsam es sein kann, einen angestrebten Punkt überhaupt erst zu erreichen. Aber ich bin jedes Mal gerührt, wenn ich sehe, wie es von Probe zu Probe ein Stückchen vorangeht. Bis Anfang Juni waren wir mit unseren Proben in der barocken Aulakulisse völlig in den schulischen Kontext eingebettet. Unsere Proben waren Teil des schulischen Alltags, wobei wir von den
Lehrern alle nur denkliche Unterstützung erfahren haben. Seit Anfang Juni proben wir nun jedoch auf der Studiobühne des Opernhauses in einem professionellen TheaterSetting, unbeeinflusst von Pausenklingeln und Prüfungsvorbereitungen. Das setzt noch einmal neue Kreativität frei, und auch von Vorstellung zu Vorstellung wird es da sicher nochmals einen Riesenschub geben. Das kann der Hammer werden! Welche Musik verwendet Ihr in Eurem Tanz-Projekt? LB: Der Jazzmusiker Andreas Michel hat für uns eine Musik komponiert, die bei den Aufführungen live von einem Trio aus Klavier, Kontrabass und Percussion musiziert wird. Sie wirkt oft filmisch, kommt sehr rhythmisch daher und verankert Romeo und Julia mit eigenen Motiven auch im musikalischen Material. Worin wird der Reiz dieses Romeo und Julia-Projektes für den Zuschauer bestehen? TR: Ganz ähnlich wie für uns beide wird es für das Publikum sicher aufregend zu sehen, was Laien mit Engagement und Hingabe erreichen können und mit welchem Selbstbewusstsein die Kids das Ganze rocken. Ihre Leidenschaft und Glaubhaftigkeit wird die Leute packen und überzeugen. Das Gespräch führte Michael Küster
#ROMEO_JULIA Ein Tanz- und Filmprojekt der Sekundarschule Hirschengraben Choreografie Lucia Baumgartner Teresa Rotemberg Musikalische Leitung Andreas Michel Bühnenbild und Kostüme Tanja Michael Film Katrin Oettli Regie Roger Nydegger Produktionsleitung Roger Lämmli Bettina Holzhausen Patronat Christian Spuck Premiere 3 Juli 2015 Weitere Vorstellungen 4, 5, 7, 8 Juli 2015, Studiobühne
«Ich habe das Ballett Romeo und Julia im Opernhaus gesehen und finde die Geschichte megaschön. Persönlich würde ich aber anders handeln als Julia.» Nora-Manon Kutter, 15 Jahre (Film)
«Obwohl ich schon viel Theater gespielt habe, lerne ich in diesem Projekt, mich ganz anders auf der Bühne zu bewegen, und ich werde von Probe zu Probe freier.» Leander Götsch, 15 Jahre (Tanz)
ÂŤIch finde es spannend, eine Szene mit der Kamera aus verschiedenen Blickwinkeln zu filmen und so unterschiedliche Perspektiven zu zeigen.Âť Juni Konzelmann, 16 Jahre (Film)
«Die Sterbeszene zum Schluss finde ich sehr berührend. Sterben kann auf der Bühne herrlich dramatisch dargestellt werden. Anna Lässer, 16 Jahre (Tanz)
Diana Damrau singt Adina in Donizettis «L’elisir d’amore». Aus dem Buch «Tristan und Isolde» liest sie die Geschichte vom Liebestrank vor.
Porträt 41
Illustration: Lina Müller
Adina Meine erste Adina in Donizettis L’elisir d’amore habe ich an der Oper Frankfurt gesungen. Sehr prägend war für mich aber die Inszenierung von Laurent Pelly am Royal Opera House Covent Garden in London. Seine Fassung trifft den Geist des Stücks, wie ich finde, perfekt. Er hat die Handlung in ein italienisches Dorf der 1950er-Jahre verlegt, mit Heuhaufen, einer Vespa und allem, was dazu gehört. L’elisir d’amore ist eine unschuldige Geschichte, die mit einem Augenzwinkern erzählt werden sollte. Alles darin ist sehr «grün», sehr jung und frisch. Adina ist eine junge, hübsche Gutsbesitzerin in diesem Dorf. Wahrscheinlich hat sie früh geerbt und ist dadurch in eine Stellung geraten, in der sie von allen geliebt und bewundert wird. Sie kann lesen und ist gebildet, und damit kokettiert sie natürlich. Am Anfang der Oper liest sie die Geschichte vom Liebestrank aus dem Buch Tristan und Isolde vor – und alle hören zu. Sie hat im Dorf sozusagen «die Hosen an» und alle Fäden in der Hand. Mit dem einfachen Bauernjungen Nemorino verbindet sie eine innige Freundschaft, fast ein bisschen wie zwischen Cousin und Cousine. Sie kennen sich seit langer Zeit. Ernsthafte Liebe zueinander ist – zumindest für Adina – kein Thema. Weil sie alles und jeden haben kann, kokettiert und spielt sie ein bisschen mit den Jungs aus dem Dorf. So hat sie auch Nemorino wahrscheinlich einmal geküsst – und dabei gar nicht gemerkt, dass sie ihm den Kopf verdreht hat. Nemorino hat seit diesem Moment keine Augen mehr für andere Frauen. Umso schlimmer für ihn, dass Adina – eitel, kokett und lebensfroh wie sie ist – mit Belcore flirtet, einem schmucken Offizier, der durchs Dorf zieht. In seiner Verzweiflung fragt Nemorino den Quacksalber Dulcamara nach dem Liebestrank von Tristan und Isolde, mit dem er die Liebe Adinas gewinnen will. Leicht beduselt – Dulcamara hat ihm eine Flasche Wein verkauft – gewinnt Nemorino an Selbstvertrauen und verhält sich Adina gegenüber gleichgültig.
Hier schlägt die Stimmung bei Adina um. Jetzt wird sie ein bisschen eifersüchtig und entscheidet, den Hochzeitsantrag Belcores anzunehmen, um Nemorino eins auszuwischen... Wichtig finde ich, dass die Geschichte sehr spielerisch aufgefasst wird. Adina ist keine berechnende eitle Schlampe! Alle in diesem Stück sind noch ein bisschen ungezähmt und wollen das Leben entdecken. Deshalb merkt Adina zuerst gar nicht, was sie mit dem armen Nemorino anstellt. Ich liebe es, neben den mehrheitlich dramatischen Partien, die ich singe, auch in komischen Rollen aufzutreten. Timing ist in der Komödie alles! Wenn es gut läuft, können irrwitzige Situationen entstehen. Solche Proben machen wahnsinnig Spass. Den ganzen Tag saust einem diese Musik im Kopf herum... Ein Fest! Und trotzdem ist L’elisir d’amore nicht nur Komödie. Gerade in der Mitte des Stücks scheint plötzlich auch der Ernst des Lebens auf. Im Gegensatz zu vielen anderen BuffoOpern herrscht ja im Finale des ersten Teils nicht nur die totale Konfusion: Adina merkt hier bereits, dass sie zu weit gegangen ist und Nemorino verletzt hat. Und am Ende ist sie dann so klein. Sie muss ihren ganzen Stolz über Bord werfen, ihr Herz öffnen und eingestehen, dass sie Nemorino liebt: «Prendi, per me sei libero!» Das ist für mich die schönste Stelle dieser Oper – einer unschuldigen Geschichte über das Erwachsenwerden! Diana Damrau
L’ELISIR D’AMORE Oper von Gaetano Donizetti mit Diana Damrau, Pavol Breslik, Massimo Cavalletti, Lucio Gallo u.a. Musikalische Leitung: Giacomo Sagripanti Inszenierung: Grischa Asagaroff Wiederaufnahme: 26 Juni 2015 Weitere Vorstellungen: 28 Juni, 2, 5 Juli 2015
Der Fragebogen 42
Was fällt Ihnen auf, wenn Sie in Zürich ankommen? Das schöne Leben, wohlwollende Menschen, die kompetent und unaufdringlich sind! Und der schöne Zürichsee, in dem ich begeistert schwimme!
Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Ein naives Bild aus Bali. Oder meinen bronzenen Riesenkerzenleuchter von Bruno Bruni.
Was würden Sie sofort verändern, wenn Sie Königin der Schweiz wären? Ich würde die Monarchie abschaffen!
Welche Eigenschaften schätzen Sie bei Ihren künstlerischen Partnern? Kreativität, Begeisterung und Liebe!
Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück? Mein Sohn (und die Ostsee).
Welche menschlichen Schwächen entschuldigen Sie? Diejenigen, die ich selbst zugebe!
Was wäre das grösste Unglück? Familientragik. Und dass es Hunger auf der Welt gibt.
In was verlieben Sie sich bei einem Menschen? Ausstrahlung, Kreativität und Charme!
Welche musikalische Erfahrung hat Sie geprägt? Jazz und Bach (Nina Simone und Billie Holiday).
Worum geht es für Sie in Elektra? Wie schrecklich sich Tragik durch Generationen vererbt.
Wer ist Ihr Lieblingsschriftsteller? Klaus Pohl, Ayn Rand (The Fountainhead) und Dara Horn (Die kommende Welt).
Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Musik, Theater, Natur und Beziehung!
Ihre Lieblingsfilme? Endstation Sehnsucht, Bergmans Wilde Erdbeeren, Volver von Almodóvar und Melancholia von Lars von Trier. Ihr liebstes Laster? Nichtstun!
HANNA SCHWARZ ist Mezzosopranistin. Sie ist ab 28. Juni in Richard Strauss' «Elektra» als Klytämnestra zu hören.
Kalendarium 43
13 Juni bis 13 Juli 2O15
22 Mo
Werke von Britten und Ives Kammermusik am Mittag Bernhard Theater, CHF 20
19.00
Donna Leon im Gespräch mit Joyce DiDonato In englischer Sprache Bernhard Theater, CHF 10
Juni 2O15
14.00
Ballett-Führung mit mini-Workshops
Ballettsaal B, CHF 10
Führung durch das Opernhaus
14.30
Treffpunkt Billettkasse, CHF 10
19.00
Oper von Antonio Vivaldi Samstag-Abo, Preise E
14 So
14.00
19.30
16 Di
19.00
17 Mi
La verità in cimento
20.00
Balanchine . Van Manen . Kylián
Choreografien von George Balanchine, Hans van Manen und Jiří Kylián Ballett-Abo, Preise C
L’elisir d’amore Wiederaufnahme Oper von Gaetano Donizetti Belcanto-Abo, Preise F
La verità in cimento
Oper von Antonio Vivaldi Dienstag-Abo B, Preise E
Aida
Ein Meisterwerk, köstlich komisch. LE MONDE
Ein liebenswertes Schelmenstück, ein grosses Vergnügen.
Choreografien von Christian Spuck, William Forsythe und Edward Clug Freitag-Abo A, Preise B
SRF
Oper für alle
19.00
Live-Übertragung von Giuseppe Verdis «Aida» auf den Sechseläutenplatz, Eintritt frei
19.00
Oper von Giuseppe Verdi Verdi-Abo, Preise E
19.00
26 Fr
Aida
Strings
11.15
19.00
I Capuleti e i Montecchi
Oper von Vincenzo Bellini Premieren-Abo B, Preise F
Oper von Giuseppe Verdi AMAG-Volksvorstellung, Preise VV
19 Fr
21 So
25 Do
Choreografien von George Balanchine, Hans van Manen und Jiří Kylián Sonntag-Abo A, Preise C
Oper von Giuseppe Verdi Mittwoch-Abo A, Preise E
2O Sa
19.00
Balanchine . Van Manen . Kylián
19.00
20.00
24 Mi
Montagsgespräch
Aida
EIN FILM VON JAFAR
PANAHI
Brunchkonzert
Werke von Britten und Ives Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Bernhard Theater, CHF 60
I Capuleti e i Montecchi Premiere
Oper von Vincenzo Bellini Premieren-Abo A, Preise G
ILLUSTRATION PIERRE-JULIEN FIEUX - MILKWOOD
13 Sa
Lunchkonzert
12.00
AB 2 . JULI IM KINO
Kalendarium 44
27 Sa
10.30
14.00
16.00
19.30
28 So
Robin Hood
Abenteueroper von Frank Schwemmer Libretto von Michael Frowin Freier Verkauf, Kindervorstellung, Preise K
Die Gänsemagd
Die Gänsemagd
Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25
3 Fr
19.00
19.00
L’elisir d’amore
Ballett Zürich Vermittlung – Ein Tanz- und Filmprojekt der Sekundarschule Hirschengraben, Studiobühne, CHF 20
20.00
Oper von Vincenzo Bellini Sonntag-Abo C, Preise F
Die Gänsemagd
#Romeo_Julia
I Capuleti e i Montecchi
Die Gänsemagd
Elektra Wiederaufnahme Oper von Richard Strauss Sonntag-Abo D, Preise F
I Capuleti e i Montecchi
Oper von Vincenzo Bellini Dienstag-Abo C, Preise F
Juli 2O15
16.00
5 So
Lohengrin
19.00
Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25
2
Oper von Richard Wagner Freier Verkauf, Preise G
L’elisir d’amore
Oper von Vincenzo Bellini Samstag-Abo, Preise F
16.00
19.00
19.00
#Romeo_Julia
Oper von Gaetano Donizetti Misch-Abo C, Preise F
Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25
Do
Ballett Zürich Vermittlung – Ein Tanz- und Filmprojekt der Sekundarschule Hirschengraben, Studiobühne, CHF 20
14.00
14.00
19.00
19.00
I Capuleti e i Montecchi
Oper von Gaetano Donizetti Wahl-Abo, Preise F
3O Di
Fussspuren XI
AMAG-Volksvorstellung Preise VV
Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25
14.00
20.00
4 Sa
11.30
L’elisir d’amore
Oper von Gaetano Donizetti Donnerstag-Abo B, Preise F
Führung Bühnentechnik
Treffpunkt Billettkasse, CHF 20
#Romeo_Julia Premiere
Ballett Zürich Vermittlung – Ein Tanz- und Filmprojekt der Sekundarschule Hirschengraben, Studiobühne, CHF 20
Elektra
Oper von Richard Strauss, Freitag-Abo B, Preise F
Mode·Leder·Pelze Kaiserstrasse 42 D-79761 W a l d s h u t Tel. 0049 7751 3486 www.kueblerpelz.com
Die
neue Kollektion Die neue Leichtigkeit
Kalendarium 45
6 Mo 19.00
7 Di
19.00
19.30
8 Mi
Gala-Konzert Internationales Opernstudio
AMAG-Volksvorstellung Preise VV
#Romeo_Julia
I Capuleti e i Montecchi
20.00
Ballett Zürich Vermittlung – Ein Tanz- und Filmprojekt der Sekundarschule Hirschengraben, Studiobühne, CHF 20
Oper von Vincenzo Bellini Dienstag-Abo D, Preise F
Lohengrin
Oper von Richard Wagner Mittwoch-Abo B, Preise G
19.00
Ballett Zürich Vermittlung – Ein Tanz- und Filmprojekt der Sekundarschule Hirschengraben, Studiobühne, CHF 20
9 Do
1O Fr
19.30
11 Sa
14.00
18.00
12 So
#Romeo_Julia
I Capuleti e i Montecchi
Oper von Vincenzo Bellini Donnerstag-Abo A, Preise F
Elektra
Oper von Richard Strauss Deutsche Oper-Abo, Preise F
Führung durch das Opernhaus
Treffpunkt Billettkasse, CHF 10
Lohengrin
Oper von Richard Wagner Wahl-Abo, Preise G
6 So
SOMMERPAUSE VOM 13. JULI – 29. AUGUST August 2O15 Einführungsmatinée Wozzeck
Bernhard Theater, CHF 10
Der Schauspieldirektor
12 Sa
Eröffnungsfest
13 So
Wozzeck Premiere Oper von Alban Berg Premièren-Abo A, Preise F
15 Di
Falstaff Wiederaufnahme Oper von Giuseppe Verdi AMAG-Volksvorstellung Preise H
ab 10.00
19.00
19.00
16 Mi
19.00
18 Fr
19.30
19 Sa
7. Philharmonisches Konzert Fabio Luisi, Lise de la Salle, Philharmonia Zürich Konzert-Abo, Preise P1
Der Schauspieldirektor
Komödie mit Musik von W.A. Mozart Koproduktion mit dem Theater Kanton Zürich in Winterthur
Komödie mit Musik von W.A. Mozart Koproduktion mit dem Theater Kanton Zürich in Winterthur
Schönberg / Rachmaninow
20.00
Der Schauspieldirektor Premiere Komödie mit Musik von W.A. Mozart Koproduktion mit dem Theater Kanton Zürich in Winterthur
19.00
19.30
Oper von Vincenzo Bellini Belcanto-Abo, Preise F
11.15
5 Sa
I Capuleti e i Montecchi
14.00
3O So
3 Do
20.00
18.30
19.00
September 2O15
15.30
19.OO
Eintritt frei
Wozzeck
Oper von Alban Berg Premièren-Abo B, Preise E
Falstaff
Oper von Giuseppe Verdi Donnerstag-Abo B, Preise E
Der Schauspieldirektor
Komödie mit Musik von W.A. Mozart Koproduktion mit dem Theater Kanton Zürich in Stäfa
Geschichten erzählen mit Musik
Für 4–9 Jährige und ihre Eltern Kreuzstrasse, CHF 12/20
Wozzeck
Oper von Alban Berg Deutsche Oper-Abo, Preise E Opernhaustag Die Werkeinführung findet jeweils 45 min. vor der Vorstellung statt.
BILLETTKASSE + 41 44 268 66 66
Serviceteil 46
BILLETTKASSE Öffnungszeiten: Mo-Sa 11.00 Uhr bis Vorstellungsbeginn, an Tagen ohne Vorstellung bis 18.00 Uhr. Sonntags jeweils ab 1,5 Stunden vor Vorstellungsbeginn. T +41 44 268 66 66, Mo-Sa, 11.30-18.00 Uhr / F +41 44 268 65 55 / tickets@opernhaus.ch Opernhaus Zürich AG, Falkenstrasse 1, CH-8008 Zürich VORVERKAUF Tickets für sämtliche Vorstellungen der Saison 14/15 sind unter www.opernhaus.ch und an der Billettkasse des Opernhauses erhältlich. Für schriftliche Kartenbestellungen sowie Bestellungen per Fax und E-Mail wird eine Bearbeitungsgebühr von CHF 5 erhoben. Die Benachrichtigung über die Platzzuteilung erfolgt in Form einer Rechnung, nach deren Begleichung die Karten per Post zugestellt werden. Für die postalische Zusendung von telefonisch oder online gebuchten Karten sowie bei deren Abholung an der Billettkasse wird eine Gebühr von CHF 5 erhoben. Onlinetickets können auch kostenfrei zuhause ausgedruckt werden. AMAG-VOLKSVORSTELLUNGEN Die AMAG-Volksvorstellung ermöglicht es Theaterliebhabern, das Opernhaus Zürich zu einem deutlich reduzierten Preis zu besuchen. Die regelmässig stattfindenden AMAG-Volksvorstellungen werden in der kalendarischen Übersicht dieses Magazins, online in unserem Monatsspielplan sowie per Newsletter angekündigt. Die AMAG-Volksvorstellungen gelangen jeweils einen Monat vorher in den Verkauf. Fällt der Tag des Verkaufs-
beginns auf einen Sonn- oder Feiertag, beginnt der Vorverkauf am Öffnungstag davor. Schriftliche Kartenbestellungen sind nicht möglich. Der Maximalbezug für diese Vorstellungen liegt bei 4 Karten pro Person. OPERNHAUS-TAG Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 5O% Ermässigung für die gekennzeichnete Vorstellung. Fällt der Opernhaustag auf einen Sonntag, können die ermässigten Tickets bereits ab Samstag erworben werden. Die Termine finden Sie im Kalendarium dieses Magazins und werden Ihnen auf Wunsch regelmässig per E-Mail mitgeteilt. Newsletter abonnieren unter: www.opernhaus.ch/newsletter ERMÄSSIGUNGEN Das Opernhaus Zürich bietet unterschiedliche Ermässigungen für Kinder, Schüler, Studenten, Lernende und KulturLegi-Inhaber, AHV- und IV-Bezüger. Informationen hierzu finden Sie unter www.opernhaus.ch/besuch oder in unserem Saisonbuch. MAG ABONNIEREN MAG, das Opernhaus-Magazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.
offen
4
Eröffnungsfest für alle Samstag, 12. September 2O15 1O bis 19 Uhr, Eintritt frei
Wir danken unseren Partnern
ab
Serviceteil 47
BILLETTPREISE
SPONSOREN
Platzkategorien 1
2
3
4
5
92
76
65
43
16
Preisstufe B
141
126
113
56
2O
Preisstufe C
169
152
13O
56
2O
Preisstufe A
Preisstufe D
198
173
152
92
32
Preisstufe E
23O
192
168
95
35
Preisstufe F
27O
216
184
98
38
Preisstufe G
32O
25O
22O
98
38
Preisstufe VV
75
59
44
25
15
Kinderoper K
6O
5O
4O
3O
2O
Preisstufe P1
95
8O
65
5O
35
Preisstufe P2
125
1O5
85
65
4O
Legi (Preisstufen A-C)
35
25
2O
18
13
Legi (Preisstufen D-G)
45
33
25
2O
15
Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER
ab PRODUKTIONSSPONSOREN EVELYN UND HERBERT AXELROD FREUNDE DER OPER ZÜRICH WALTER HAEFNER STIFTUNG SWISS RE ZÜRICH VERSICHERUNGSGESELLSCHAFT AG
WALTER B. KIELHOLZ STIFTUNG KPMG AG LANDIS & GYR STIFTUNG LINDT UND SPRÜNGLI (SCHWEIZ) AG MARSANO BLUMEN AG STIFTUNG MERCATOR SCHWEIZ FONDATION LES MÛRONS
PROJEKTSPONSOREN AMAG AUTOMOBIL- UND MOTOREN AG
Alle Preise in CHF
EGON-UND-INGRID-HUG-STIFTUNG
BAUGARTEN STIFTUNG FAMILIE CHRISTA UND RUDI BINDELLA RENÉ UND SUSANNE BRAGINSKY-
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AG PRO HELVETIA, SCHWEIZER KULTURSTIFTUNG ELSE VON SICK STIFTUNG SWISS CASINOS ZÜRICH AG PROFESSOR ARMIN WELTNERSTIFTUNG
STIFTUNG CLARIANT FOUNDATION FREUNDE DES BALLETTS ZÜRICH
IMPRESSUM Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch, T + 41 44 268 64 00, info@opernhaus.ch Intendant Generalmusikdirektor Ballettdirektor Verantwortlich
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Andreas Homoki Fabio Luisi Christian Spuck Claus Spahn (Chefdramaturg) Sabine Turner (Direktorin für Marketing, PR und Sales) Beate Breidenbach, Kathrin Brunner, Fabio Dietsche, Michael Küster, Claus Spahn Carole Bolli, Martin Schoberer, Florian Streit Florian Kalotay, Danielle Liniger Stefan Deuber Christian Güntlisberger Nathalie Maier Studio Geissbühler Multicolor Print AG Laura Jurt (9,48) Lina Müller (40)
ERNST GÖHNER STIFTUNG MAX KOHLER STIFTUNG KÜHNE-STIFTUNG RINGIER AG GEORG UND BERTHA SCHWYZERWINIKER-STIFTUNG VONTOBEL-STIFTUNG ZÜRCHER FESTSPIELSTIFTUNG ZÜRCHER KANTONALBANK GÖNNER ABEGG HOLDING AG ACCENTURE AG JOSEF ACKERMANN ALLREAL ARS RHENIA STIFTUNG ART MENTOR FOUNDATION LUCERNE AVINA STIFTUNG BANK JULIUS BÄR BERENBERG SCHWEIZ BEYER CHRONOMETRIE AG ELEKTRO COMPAGNONI AG STIFTUNG MELINDA ESTERHÁZY DE GALANTHA
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Sibylle Berg denkt über Operngefühle nach 48
Zu Beginn der Oper Elektra von Richard Strauss wartet die Titelheldin auf den Moment ihrer Rache. Ihre ersten Worte im Stück lauten: «Allein! Weh, ganz allein.» Was richtet Einsamkeit in einem Menschen an? An die Wand sehen, aus dem Fenster sehen, Schritte hören, wieder raussehen, andere Menschen sehen. Menschen, die reden, lachen, sich anfassen, das ist ein Schmerz, sie so zu sehen, die anderen Menschen, daneben zu stehen, ein Graben dazwischen, Löwen unten drin, diese Sehnsucht, sie zu sein, aus sich heraus zu sein, da muss es warm sein. Wo die anderen sind. Der Einsame weiss das Wort nicht zu seinem Zustand, er weiss nicht, dass es ein Zustand ist. Es ist einfach: sein Leben. Vielleicht war der Einsame früher zufrieden an einem warmen Ofen, der Liebe heisst, und dann war der oder die Geliebte weg, die Seite, wo er schlief, im Bett leer. Man kann einen Teddy auf das Kissen legen, ein Bild des Geliebten, es wird nicht helfen, es hilft nicht. Es wird vielleicht besser, der Schmerz lässt nach, ein Trick der Evolution, aber die Stille in einem, die bleibt. Begleitet einen auf dem Weg in die Küche, zur Arbeit, man kann reden, aber es sind immer die falschen Menschen, mit denen man redet. Man kann versuchen zu lachen, aber weiss nicht worüber. Wie auf einem fremden Planeten abgeladen ist der Einsame, abends in seiner Wohnung ist blaues Licht und eine Enge in der Brust. Vielleicht ist auch niemand gegangen. Möglicherweise war nie jemand da, und der Einsame ist einsam, weil er die Albernheit des Lebens zu deutlich sieht. Wie kann man leben und sich der Vergänglichkeit wirklich bewusst sein? Das geht doch nur mit Verdrängung, sonst würde man das Bett doch nicht mehr verlassen. Man müsste dem Mist eine Chance
geben, den Nichtigkeiten eine Bedeutung, sonst würden wir vor Angst erstarren. Und manchmal nachts, im Frühling, träumt man, es sei schon wieder Herbst. Diese Nichtigkeit, die man spürt an manchen Tagen, wenn man erwacht, wie immer um die gleiche Zeit, und weiss, dass alles, was man tut, Routine ist. Mitunter tut es so weh, sich am Morgen bereits wieder nach dem Abend zu sehnen. Und nicht mehr an Grosses zu glauben. An nichts mehr glauben, zu keinem reden, bis die Stimme rau wird. Was kann man tun mit dieser Traurigkeit im Bauch, die jeden Tag mit einem spazieren geht. Der Einsame ist alleine mit jemandem, den er nicht mag. Mit sich selber. Das bringt die Wände zum Klirren, den Atem zum Frieren. Fast jeder kennt solche Zeiten, an denen man sich fallen lassen möchte vor Müdigkeit, im Angesicht des Unsinns des Lebens, man spürt das mit jedem Schritt. Was bleibt – ohne Kontakt zu sich oder zu anderen, ohne Anteil und mal ein freundliches Wort, ohne jemanden, der mit einem gegen die Welt steht – ist Wasser, Fleisch und Knochen, ist der traurigste Mensch der Welt. Die Einsamkeit endet für die meisten wie ein schlechter Traum, geht vorbei, macht im Nachhinein noch ein wenig Schaudern in der Erinnerung des Grauens. Dass wir vergessen und uns wieder wie selbstverständlich verlieren in all den freundlichen Kleinigkeiten, die am Ende zählen. Essen und Oper, TV-Serien und Freunde, ein Kaffee auf dem Balkon und der Hund, der nett schaut. Wir haben für Sekunden in die Hölle geblickt und sind gerade noch einmal davon gekommen. Einsamkeit ist schlimmer als gestorben zu sein. Sibylle Berg
Illustration Laura Jurt
Einsamkeit
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Wie macht Engagement die Kleinen gross?
Wenn es um Nachwuchsf旦rderung in der klassischen Musik geht, engagiert sich die Credit Suisse nachhaltig. Deshalb unterst端tzen wir als Partner des Opernhauses Z端rich die Orchester-Akademie am Opernhaus Z端rich sowie den Club Jung.
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