Barkouf

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BARKOUF

JACQUES OFFENBACH


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BARKOUF JACQUES OFFENBACH (1819-1880)


Brenda Rae, Rachael Wilson, Chor der Oper Zürich Spielzeit 2022/23



HANDLUNG Erster Akt Es ist Markt in Lahore. Bababeck, der Mundschenk des Gouverneurs, stürzt sich mit seinem Diener Kaliboul in das bunte Treiben. Bababeck ist bester Laune: Seine Tochter Périzade wird heute endlich heiraten. Ein fernes Donnern ist zu hören – wieder gibt es einen Aufstand im Gouverneurspalast. Während das Volk zum Palast eilt, bleiben Maïma, die Blumenverkäuferin, und Balkis, die Orangenhändlerin, zurück. Maïma gesteht ihrer Freundin, dass sie vor einiger Zeit ihre Liebsten verloren hat: den Hund, mit dem sie aufgewachsen ist und den Soldaten entführt haben, sowie ihren Freund Saëb, der plötzlich verschwunden war. Xaïloum, Balkis’ Geliebter, erscheint. Randalieren gehört zu seinem Kerngeschäft. Auch diesmal war er am Aufstand beteiligt. Der Grossmogul trifft ein. Aus Ärger über sein aufständisches Volk, das ein­mal mehr seinen Gouverneur aus dem Fenster gestürzt hat, verkündet er, dass er nun einen Hund als Statthalter einsetzen werde – ganz zum Entsetzen Bababecks, der sich den Posten des Gouverneurs erträumte. Ihn ernennt der Grossmogul zum Grosswesir, der die Befehle des Gouverneurs verkünden soll. Balkis und Maïma sorgen sich um Xaïloum, der wegen Rebellion verhaftet wurde. Als der Festzug des neuen Gouverneurs vorbeizieht, ist Maïma ausser sich: Sie hat ihren Hund in der Sänfte erkannt und Saëb gesehen, der die Leibwache anführt.

Zweiter Akt Damit die Hochzeit von Périzade stattfinden kann, braucht Bababeck eine Heiratsurkunde sowie die Genehmigung, dass Périzade den Palast verlassen und zu ihrem Mann ziehen darf. Beide Papiere müssen vom neuen Gouverneur unterschrieben werden. Doch Bababecks Versuch, Barkoufs Pfotenabdruck zu erhalten, ging gründlich schief – Bababeck wurde fast gebissen.

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Périzades Bräutigam ist Saëb. Dieser wurde zur Hochzeit gezwungen und trauert seiner alten Liebe Maïma nach, während sich Périzade und Bababeck auf das bevorstehende Hochzeitsfest freuen. Auch Kalibouls Versuch, von Barkouf die Heiratsdokumente unterschreiben zu lassen, bleibt erfolglos. Mit Kratzspuren am ganzen Körper versehrt, weigert er sich, Barkouf je wieder aufzusuchen. Doch ohne offizielle Genehmigung wird keine Hochzeit stattfinden. Bababeck ist ausser sich. Da taucht Maïma auf, die ihren Hund sucht. Sie erzählt Bababeck, dass Barkouf ihr gehörte. Bababeck wittert seine Chance und ernennt Maïma zur Sekretärin und Dolmetscherin des Hundes, um durch sie seine eige­nen Befehle durchzusetzen. Maïma lässt sich darauf ein und beschafft schon bald die Unterschrift für das Hochzeitsdokument. Sie ahnt nicht, dass der junge Mann, der die Tochter Bababecks heiraten wird, Saëb ist. Die Audienz des Gouverneurs naht. Maïma übersetzt das Bellen Barkoufs: Die vom Volk geforderten Steuersenkungen werden genehmigt und die zum Tode Verurteilten begnadigt, darunter auch Xaïloum. Bababeck tobt, Balkis ist erleichtert und das Volk jubelt. Als Périzade und Saëb frisch vermählt erscheinen, erkennt Maïma ihren ehemaligen Liebhaber. Die Verbindung ist aber erst gültig, wenn die Braut zu ihrem Bräutigam ziehen darf – Bababeck stellt den Antrag. Barkouf bellt – für Maïma ein entschiedenes Nein! Das Volk feiert seinen Gouverneur, Bababeck, Périzade und Kaliboul ziehen erbost von dannen.

Dritter Akt Xaïloum klettert in den Palast, um Balkis aufzusuchen, die mittlerweile mit Maïma dort lebt. Dabei wird er Zeuge einer Verschwörung: Bababeck und seine Männer planen, Barkouf bei der nächsten Gelegenheit zu vergiften. Als Xaïloum Balkis und Maïma von seiner Beobachtung erzählen möchte, bringt er zunächst kein Wort heraus. Saëb und Maïma sprechen sich aus. Saëb erzählt ihr von den Umständen seiner Zwangsheirat: Er wurde zu dieser Hochzeit genötigt, um das Leben seines Vaters zu retten, der in ein Komplott verwickelt war.

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Der Gouverneur lädt das Volk zu einem Diner ein. Maïma fordert Bababeck und seine Komplizen dazu auf, ihr Glas auf Barkouf zu heben. Doch durch ihr Zögern entlarven sie sich selbst: Der Wein ist vergiftet. Als der Zorn des Volkes auf die Verschwörer niederfährt, verkündet Saëb, dass die Tataren die Stadt angreifen würden und Barkouf sich ihnen bereits wehrhaft entgegengestellt habe. Das Volk folgt seinem tapferen Anführer in den Kampf. Barkouf stirbt in der Schlacht. Durch eine Weisung von oben werden die neuen Verhältnisse besiegelt: Maïma heiratet Saëb und wird neue Gouverneurin. Périzade willigt in die Scheidung ein, Bababeck wird all seiner Ämter enthoben. Ein letztes Mal wird Barkouf als bester Herrscher gefeiert.

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Marcel Beekman Spielzeit 2022/23


Andrew Owens, Tänzer Spielzeit 2022/23


EIN EINSAMER SATELLIT Der Offenbach-Experte Jean-Christophe Keck über seine Wiederentdeckung von «Barkouf» Jean-Christophe Keck, Offenbachs Opéra-comique Barkouf schlief seit ihrer Uraufführung in Paris fast 160 Jahre lang einen Dornröschenschlaf. Die Originalpartitur war verschollen, eine gedruckte Partitur wurde damals nicht hergestellt. Dank Ihrer Recherchen konnte das Stück 2018 in Strasbourg wieder gezeigt werden. Wie ist es dazu gekommen? Das war wirklich ein Abenteuer. Ich wusste durch einen Dirigenten, dass das Manuskript von Barkouf noch immer existierte und dass es sich im ehemaligen Haus von Offenbachs Tochter Jacqueline befinden musste. Doch die Dame, die Zugang zu diesem Manuskript hatte – die Ehefrau eines Nachfahren Offenbachs –, wollte es partout niemandem zeigen. Ich habe ganze 20 Jahre immer wieder angeklopft, bis sich die verfahrene Situation wie von Zauberhand plötzlich gewendet hat. Durch eine französische Sängerin lernte ich den Sohn dieser Dame kennen. Dank ihm fasste die Familie allmählich Vertrauen zu mir und öffnete mir ihre Pforten. Als ich in das Haus kam, sah ich einen Schrank voller Manuskripte, darunter war auch die handschriftliche Orchesterpartitur von Barkouf. Ich vermutete damals, dass es im Haus noch weitere Partituren geben musste. Wir haben dann im Dachstock, im Keller, in jeder Ecke gesucht und wurden fast überall fündig. Ein richtiger Schatz. Ich habe viel Zeit in diesem Haus verbracht, um all diese Partituren zu kopieren und zu katalogisieren. Momentan gibt es Verhandlungen, diesen Bestand der Bibliothèque national zuzuführen. Ich fungiere hier als Bindeglied zwischen der Bibliothek und der Familie Offenbach. Erinnern Sie sich noch an Ihr Gefühl, als Sie die Partitur von Barkouf zum ersten Mal in der Hand hielten?

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Oh, das war sehr emotional. Andererseits war ich durchaus darauf gefasst, denn ich wusste ja, dass die Partitur dort sein musste. Hingegen entdeckte ich in dem Haus auch ein Ballett zu Orphée aux Enfers, von dem ich dachte, dass es für immer verschwunden sei. Als ich dieses Manuskript fand, stiess ich einen lauten Schrei aus. Das sind natürlich die schönen Momente, die einen für die vielen Durststrecken entschädigen, die man bei solchen Recherchen erlebt. Das überaus umfangreiche Œuvre Offenbachs wurde von den Erben und Verlegern zuweilen sehr schlecht behandelt. Wie sieht die Situation beim Nachlass Offenbachs insgesamt aus? Es gibt weitere direkte Nachkommen Offenbachs, die alle im Besitz von Manuskripten sind. Ich glaube, dass ich hier das Meiste bereits auffinden und katalogisieren konnte. Die Erben haben aber auch immer viel verkauft. Gingen die Manuskripte an öffentliche Bibliotheken, weiss ich, wo sie liegen. Aber es gibt auch Manuskripte, die verschwunden sind. Manchmal haben die Erben an Private verkauft, deren Namen nicht bekannt sind. Dann wiederum gab es Verleger, die Manuskripte behalten und sie manchmal sogar zerstört haben. Offenbachs Erbe ist in der ganzen Welt verstreut. In der Bibliothek von Yale habe ich zum Beispiel bei der Durchsicht von Vert-Vert, einer anderen Opéra-comique von Offenbach, die noch fehlenden Seiten zu Barkouf gefunden, es handelte sich um eine Zwischenakt-Musik im dritten Akt. Ein unglaublicher Zufall. Mussten Sie in Barkouf auch einige Stellen im Orchester neu orchestrieren, wie Sie das bei anderen Offenbach-Ausgrabungen getan haben? Nein, ausnahmsweise waren hier alle Orchesterstimmen ausgeschrieben. Bei Barkouf war das Problem vielmehr der Text: Bisweilen fehlten die Worte im Manuskript. Hier musste ich viel rekonstruieren, zuweilen auch dichten. Das gedruckte Libretto findet sich nur im Gesamtœuvre von Eugène Scribe, das nach seinem Tod von dessen Frau herausgegeben wurde und nicht die definitive Version von Barkouf war. Dann gibt es noch zwei Libretti, die bei der Pariser Zensurbehörde eingereicht wurden und heute im Nationalarchiv aufbewahrt werden. Hingegen haben wir von Barkouf fast zu viel Musik. Da

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es das Autograph ist, wissen wir nicht, was Offenbach nach der Uraufführung behalten, was er gestrichen oder umgearbeitet hätte – aus bühnenpraktischen, aber auch aus künstlerischen Gründen. Man müsste die Partitur finden, die damals bei der Uraufführung verwendet worden ist. Aber ich vermute, dass sie zusammen mit weiteren Aufzeichnungen zur Uraufführung von Barkouf 1887 beim Brand der Opéra-Comique, der viele Todesopfer gefordert hat, zerstört wurde. Sie beschäftigen sich bereits seit Jahrzehnten mit Offenbach. Was fasziniert Sie so an diesem Komponisten? Offenbach wird ja gemeinhin für seine komische, buffoneske Seite geliebt. Mich aber fasziniert, was darunter liegt. Und da spüre ich etwas Tragisches, Dramatisches. Offenbach ist für mich eine manisch-depressive Persönlichkeit, seine Heiterkeit war sicher eine Art Therapie für ihn. Er ist ein hyper­sensibler, hochromantischer und feinfühliger Komponist. Ich liebe daher ganz besonders die ernsten Werke Offenbachs, aber auch in seinen lustigen Stücken gibt es diese sensible Seite. Seine Belle Hélène zum Beispiel ist natürlich ein komisches Werk, aber es ist im Vergleich zu anderen Operetten im Grunde eine Grand opéra und hat enorme lyrische Qualitäten. Offenbachs Musik ist so reichhaltig – in harmonischer Hinsicht oder was die Orchestrierung angeht. Für mich ist Offenbach ein Komponist, der die anderen damaligen Operetten­ komponisten bei weitem übertroffen hat.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Entdecken Sie diese dunkle, dramatische Seite auch in Barkouf? Die hört man dort immer wieder! Und in der Verschwörernummer des dritten Aktes gibt es diese einzigartige Mischung von Komik und Tragik sogar gleichzeitig. Offenbach benutzt dort sehr witzige Techniken, die einen zum Lachen bringen, aber mittendrin gibt es merkwürdige Tonartenwechsel, die mich schaudern lassen. In dieser Szene gibt es sogar Polytonalität: Die meisten Instrumente des Orchesters spielen in einer Tonart, die Holzbläser in einer anderen und machen satirische Kommentare: tac, tac, tac. Ich bekomme da eine Gänsehaut. Im Trinklied des dritten Aktes wankt zum Beispiel das ganze Orchester mit. Das kann einem Angst machen.

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Das ist auch dem Inhalt des Stücks geschuldet: Unter dem Deckmantel der Satire werden ja durchaus ernste Dinge verhandelt... Dass dieses Stück gerade jetzt wieder herauskommt, hat mir erneut klar gemacht, dass es kein Jahr älter geworden ist – die Aktualität von Barkouf ist unbestritten! Schon damals war die Zensur ja sehr hart mit Offenbach. Es war das einzige Werk an der Opéra-Comique, das dort jemals von der Zensur vorübergehend verboten wurde. Offenbach und sein Librettist Scribe haben die Machthaber ganz unverhohlen denunziert und attackiert. An der Art, wie Macht korrumpieren kann, hat sich bis heute nichts geändert. Dennoch haben Sie einmal behauptet, Offenbach sei kein politisch engagierter Mensch gewesen. Wie ist seine Beziehung zum Regime Kaiser Napoleons III. einzuordnen? 1860, im Jahr von Barkouf, wurde der ehemalige Rheinländer Offenbach auf expliziten Befehl des Kaisers zum französischen Staatsbürger gekürt, und wenig später erhielt er das Band der Ehrenlegion. Offenbach war sicher kein Opportunist, das möchte ich betonen. Man muss vorausschicken: Für ihn zählte einzig und allein die Musik. Auch wenn er einmal damit kokettierte, er habe drei verschiedene Leidenschaften: die Zigarren, das Spiel und die Frauen. Aber die Musik war für ihn das Wichtigste – und die Arbeit. Offenbach schlief nie mehr als drei bis vier Stunden pro Nacht. Er arbeitete wie ein Besessener, Tag und Nacht. Was seine Verbindung zum Zweiten Kaiserreich angeht, lief sie in erster Linie über den Herzog von Morny, den Halbbruder und Innenminister von Napoleon III. Morny war der Pate von Offenbachs Sohn und als Komponist und Librettist auch künstlerisch mit Offenbach verbunden. Aber Offenbach nahm niemals an Veranstaltungen teil, die durch das napoleonische Regime organisiert wurden. Napoleon III. besuchte umgekehrt regelmässig Offenbachs Aufführungen. Sicher: Offenbach genoss eine gewisse Protektion durch den Staat, doch diese Sonderstellung benutzte er seit Orphée aux enfers von 1858 auch dazu, um mit seinen Operetten ganz offen das Regime zu kritisieren. Offenbachs Werke nützten umgekehrt aber auch den Machthabern. In Frankreich gab es bis vor kurzem die beliebte Satire-Sendung Les guignols de l’info, die mit Gummi­

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puppen die Welt der Politik und das aktuelle Tagesgeschehen parodierte. Die Politikerinnen und Politiker waren sehr glücklich, sich selbst als Marionette zu sehen – eine bessere Werbung hätte es für sie nicht geben können! Aus demselben Grund hatten Napoleon III. und seine Entourage durchaus Sympathie für ihre Abziehbilder auf der Offenbachschen Bühne. Welche Bedeutung hat Barkouf innerhalb des Œuvres von Offenbach? Offenbach wollte ja immer für das Theater der Opéra-Comique schreiben. Das war zeitlebens sein grosser Traum, eine Operette an dem Ort heraus­ zubringen, an dem er als Cellist im Orchester seine eigentliche musikalische Ausbildung erhalten hatte – und er fiel ausgerechnet damit durch! Mit Barkouf schrieb er ein Werk, das nichts mehr zu tun hat mit seinen vorherigen Werken. Barkouf ist in seinem Œuvre wie ein einsamer Satellit im Weltall. Gerade musikalisch ist das Stück so modern, ja geradezu experimentell. Offenbach ist in seinen späteren Werken nie mehr so weit gegangen. Umso mehr verletzte ihn die harte, grausame Kritik von Berlioz zu Barkouf. Der junge Offenbach schätzte Berlioz als Komponisten nämlich ausserordentlich. Ich habe Zeitungsausschnitte gefunden – Offenbach schrieb auch Kritiken –, in denen sich Offenbach sehr wohlwollend über Berlioz äusserte. Er hielt ihn für eines der grössten musikalischen Genies. Kürzlich habe ich ein Buch mit den Memoiren von Berlioz erstanden, das Offenbach besessen hatte und das mit Notizen von ihm versehen ist. Man spürt in diesen Kommentaren eine unendliche Bitterkeit. Berlioz schreibe zwar geniale Musik, aber er sei gleichzeitig ein furchtbarer, hassenswerter Mensch, notierte Offenbach.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Neben Berlioz befand sich auch Richard Wagner zur gleichen Zeit wie Offenbach in Paris. Beeinflusste er Offenbach in irgendeiner Weise bei der Komposition von Barkouf? Da bin ich mir nicht sicher. Bei Offenbachs grosser romantischer Oper Die Rheinnixen, die er für Wien schrieb, ist das vielleicht tatsächlich spürbar. In Barkouf gibt es Wagnersche Anklänge, aber das sind auch typische Wendungen der Zeit. Wagner und Offenbach haben vielmehr ein gleiches musikalisches Erbe: Beide waren stark von Carl Maria von Weber beeinflusst.

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Offenbach ist in erster Linie ein europäischer Komponist, der die verschie­ dens­ten musikalischen Einflüsse in sich aufsog. Die deutsche Musik, die französische wie diejenige von Meyerbeer, Halévy und Auber oder die italienische eines Rossini, Donizetti und Bellini. Eine grosse Synthese, und dennoch kopiert er seine Kollegen nie, sondern fügt immer einen kleinen genialen Twist an, so dass es immer nach Offenbach klingt. Er hatte zum Beispiel diese unglaubliche Leichtigkeit, unentwegt neue Melodien zu erfinden. Sein Zeitgenosse Saint-Saëns war da sehr eifersüchtig auf ihn, auch wenn er selbst diese spontane Art des Komponierens sicher ver­achtete. Bei Offenbach klingt nichts prätentiös, sondern immer irgendwie bescheiden und improvisiert. Und dabei hat er ein kolossales Werk geschaffen. Offenbach schrieb auf Zettel, in Hefte, im Zug oder in seiner Kutsche, in der sogar ein Schreibpult integriert war, um keine Zeit zu verlieren. Er schrieb schnell und soll eine sehr kleine Schrift gehabt haben. Wie schwierig ist es, diese Manuskripte zu entziffern? Mit etwas Gewöhnung kann man diese mikroskopisch kleine Schrift gut lesen. Manchmal könnte man Noten miteinander verwechseln, aber man entdeckt die Nuancen schliesslich schnell. Offenbach verwendet zudem viele Codes. Bei Wiederholungen schreibt er manchmal Buchstaben hin, um nicht alles nochmals schreiben zu müssen. Aber auch das versteht man mit der Zeit sehr rasch. Von Offenbach sind an die 140 Bühnenwerke überliefert, von denen etwa 110 abgeschlossene Werke sind. Damit ist er der produktivste Theaterkomponist des 19. Jahrhunderts. Was gibt es noch zu entdecken? Zum Beispiel buffoneske Jugendwerke, von denen die Partituren erhalten sind, aber nicht die Libretti. Manchmal kennen wir nicht einmal deren Titel. Das auf einer Bühne zu zeigen, ist unmöglich, aber konzertant wäre es schön. Ebenfalls ein Jugendwerk ist die auf Deutsch gesungene Grand opéra La Duchesse d’Albe. Diese Partitur habe ich bei der Familie Offenbach gefunden. Leider hat Offenbach die Oper nie orchestriert, und so gibt es hier nur die Singstimmen und die Stimme der ersten Violine. Es wäre eine enorme Arbeit,

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diese zu rekonstruieren, aber vielleicht würde es sich lohnen. Aufführenswert wäre auch die Opéra-comique La baguette – hier habe ich so ziemlich alle Manuskripte zusammen –, oder so ein wunderbares Werk wie Les Bergers, wo er drei Akte in drei verschiedenen Stilen komponiert hat: den ersten als Opera seria, den zweiten im Stil des 18. Jahrhunderts, den dritten als Opéra-­ bouffe… Aber die Theater müssen sich auch dafür interessieren. Leider werden landauf landab die immer gleichen Offenbach-Titel gespielt. Und dann wäre es natürlich mein Traum, einen Mäzen zu finden, der eine Einspielung des Gesamtwerks Offenbachs ermöglichen würde... Sie haben einmal behauptet, Barkouf sei sogar das bessere Stück als Les Contes d’Hoffmann… Hoffmanns Erzählungen sind natürlich das Vermächtnis Offenbachs, mit einer metaphysischen Dimension und wunderbarer Musik. Die Oper ist aber sehr viel klassischer – oder sagen wir romantischer als Barkouf, während ich an Barkouf gerade dessen Modernität liebe. Offenbach hat mit Barkouf definitiv den Gattungsrahmen der an der alt-ehrwürdigen Opéra-Comique üblichen Opern gesprengt. Mir scheint, dass Offenbach Zeit seines Lebens immer wieder bewusst oder unbewusst die Provokation und die Probleme gesucht hat. Als er 1870 seine pazifistische Oper Fantasio schrieb, begann der DeutschFranzösische Krieg. Von den Deutschen wurde er in der Folge als Vater­ landsverräter beschimpft, die Franzosen sahen in ihm einen Spion für Preussen. Auch mit seiner in Wien uraufgeführten, antipatriotischen Oper Die Rhein­ nixen von 1864 stand er quer zum Zeitgeist. Damit hat sich Offenbach naturgemäss angreifbar gemacht. Wirklich: Er war eine komplexe, multiple Persönlichkeit und man würde ihn sehr reduzieren, wenn man in ihm den blossen Amuseur sähe.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben

Das Gespräch führte Kathrin Brunner

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Marcel Beekman, Andreas Hörl Spielzeit 2022/23



DER BESTE HERRSCHER Der Regisseur Max Hopp im Gespräch Max, du hattest in der vergangenen Zeit bereits zweimal mit Offenbach zu tun: Als Regisseur von Offenbachs Operette Die Prinzessin von Trapezunt sowie als durchgeknallter Erzähler-Schauspieler John Styx in Barrie Koskys Inszenierung von Orphée aux enfers. Jetzt kommt Barkouf. Ist das Zufall oder Fügung? Wahrscheinlich beides. Zu Offenbach fühle ich mich generell stark hinge­ zogen. Auch weil das schauspielerische Element bei ihm so wichtig ist. Die Schnittstelle zwischen Musik und Schauspiel – das ist genau der Punkt, wohin auch meine Karriere mich bisher geführt hat. Für Offenbach war die Geschichte seiner Stücke sehr zentral, er komponierte aus­ge­sprochen text­ orientiert und immer für die jeweiligen thea­­tra­len Situationen. Offenbach hat sich in vielen Situationen lieber für die beiden Clowns als für die beiden Tenöre entschieden – damit kann ich natürlich viel anfangen. Mir ist sein Hu­mor sehr nah, genauso aber seine Fähigkeit, tief emo­tional zu werden, ohne Angst zu haben, zu gefühlig oder zu kitschig zu sein. Wer war deiner Meinung nach Jacques Offenbach? Was macht seine Persönlichkeit aus? Offenbach wurde von der Natur, durch Erziehung und Soziali­sierung reich beschenkt. Dazu gehört das Jüdische in ihm – der Vater war Kantor –, sein Instrument, das Cello, das bestimmt eine melancholische Seite von ihm förderte, der oft selbstironische jüdische Witz, der sich mit der französischen Mentalität und Lebensweise wunderbar vereinigen liess. Das alles wider­ spiegelt sich auch in seiner Musik. Und er hatte ein unfassbar gutes Gespür für die Bühne.

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Wie würdest du seinen Humor beschreiben? Es scheint mir ein liebevoller, dem Menschen zugewandter Humor zu sein. Eine Ironie, die nicht im Zynismus endet und sich nie dunkel färbt, aber beissen kann. Spürt man bei Offenbach Zynismus, geht es eher in die Richtung der Satire. Diese «Zugewandtheit» hatte Offenbach auch sich selbst gegenüber. Er hielt durchaus etwas auf sich – aber hatte dabei stets auch ein Augenzwinkern. Das dem Menschen Zugewandte verbindet ihn ja auch mit Mozart, zumindest hat das Rossini so gesehen, der ihn den «Mozart der ChampsÉlysées» nannte ... Auch wenn Offenbach garantiert nicht das innere Chaos in sich trug wie Mozart. Aber der Einfallsreichtum ist bei beiden schier unerschöpflich. Die haben auf jede Situation eine Antwort, und zwar immer eine neue.

Das komplette Programmbuch können Sie auf Karl Kraus sagte einmal über die Offenbach-Operette, sie sei «die Dissowww.opernhaus.ch/shop nanz der Welt in heiterem Wohllaut.» Grossartig. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Dass sich so jemand wie Karl oder Vorstellungsabend Krausam intensiv mit Offenbach auseinandergesetzt hat, zeigt ja nurim allzu Foyer deutlich, dass Offenbach nicht irgendein Operettenkönig war. Hätte er Romane geschrieben, wäre er bestimmt ein grossartiger erwerben Romancier geworden, des Opernhauses der im heiteren Wohlklang die Dinge sehr tief schildert. Bei ihm ist alles dialektisch und doppeldeutig. Nie fühlt sich etwas an wie ein Einfall, sondern vielmehr wie eine Not­wendigkeit. Das ist das Schöne: Es ist zwingend. Es steht da, als müsse es so sein.

Was assoziierst du mit dem Namen «Barkouf»? Ich fange mal von hinten an: «kouf» oder «ouf» klingt wie Bellen. «Bar» hat wiederum etwas Orientalisches für mich. Und natürlich englisch «to bark» – Bellen. Aber auch das Französische dringt in Barkouf durch – eine eigen­artige Mischung aus Orientalisch und hündisch-Französisch vielleicht und irgendwie genau richtig. Noch nie gehört, aber genau richtig.

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Damit ist schon viel über unser Stück erzählt. Barkouf ist der Name des Hundes, der in Lahore die Regierungsgeschäfte übernehmen soll. Ein­ gesetzt wurde er vom Grossmogul, der damit sein auf­müpfiges Volk bestrafen will. Kannst du in wenigen Worten sagen, worum es hier geht? Das ist gar nicht so einfach. «Ein Hund wird als Statthalter eingesetzt» – das wäre zu kurz gegriffen. «Der Mundschenk Bababeck, ein machtgieriger Popanz, will selber an die Macht, indem er den Hund als sein Sprachrohr zu benutzen plant» – auch das ist zu kurz gegriffen. «Maïma, Barkoufs ehe­ malige Besitzerin, die als ‹Übersetzerin› seiner Befehle eingestellt wird und diese im Sinne des Volkes ummünzt, zettelt so eine Revolution an» – auch das ist zu simpel. Dieses Stück ist so reichhaltig. Ich halte es einerseits für eines der politischsten Werke, die Offenbach je komponiert hat, und andererseits ist es eine durchgeknallte Revue voller Nonsens, die dann wieder Momenten tiefer Emotionalität Raum gibt. Diese Posse ist ein Spiegel, in dem wir unsere eigene Verzerrung lachend geradebiegen können. Dann ist da noch dieses wunderbare Frauenbild, das in diesem Stück gezeichnet wird. Völlig neu und unüblich für die damalige Zeit und noch nie so kraftvoll und eindeutig im Musiktheater erzählt. Louise Michel, eine Ikone der Pariser Commune und Feministin, wird übrigens erst später auftauchen. Offenbach mochte starke Frauen. Maïma, die Hauptfigur, dieses selbstständige Herzenswesen, macht die Welt schöner und besser und ist mutiger als alle anderen. Offenbach und sein Autor Eugène Scribe sind somit Wegbereiter der Emanzipation im Musiktheater der damaligen Zeit. Sie leiten mit Barkouf eine neue Ära ein. Gibt es für dich eine moralische Botschaft in Barkouf? Ganz klar: Das Stück hat eine eindeutige Patriarchats- und Herrschaftskritik und die Botschaft, wenn jemand in einer Führungsposition ist, ob Frau, ob Mann, sei es politisch, öko­nomisch, als Wirtschaftsboss eines Konzerns oder als Staatsoberhaupt eines Landes – wenn man also für Menschen Verantwortung trägt –, dann geht das nur, wenn sich der- oder diejenige auch mit den Menschen verbunden fühlt. Wenn man weitab ist von der Lebenswirklichkeit der Mitmenschen, auch emotional, kann man nicht herrschen, auch nicht demokratisch.

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Und wofür steht der Hund in diesem Stück? Der Hund Barkouf, der zum Gouverneur ernannt wird, war in der damaligen Zeit des Zweiten Kaiserreichs eine ungeheure Provokation. Die Zensur verbot das Stück mit der Begründung, es sei eine «fortwährende Verspottung jeglicher staatlichen Autorität». Was als launische Bestrafungsmassnahme vom Grossmogul gedacht war, der sein aufmüpfiges Volk mit der Inthronisierung eines Hundes demütigen will, verkehrt sich in sein Gegenteil. Denn der Hund wird vom Volk geliebt. Mehr noch, er wird gefeiert als der beste Herrscher, den das Volk je hatte. Die philosophische Ebene, die das Stück mit dieser Setzung erreicht, mündet in der unausgesprochenen, aber deutlich zu vernehmenden Frage: Wer ist das Tier auf dem «Thron»? Ein Hund, der mit feinem Gespür nur diejenigen an sich heranlässt, die auch ein reines Herz haben, und alle anderen wegbeisst? Oder steht er für die Männer, die will­kür­ lich Angst und Schrecken verbreiten, um ihre Autorität und Macht zu sichern, die sich aufspielen als Herren über Leben und Tod?

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop Maïma und ihr Geliebter Saëb stehen in diesem Stück für die Liebe, aber auch für die Würde des Menschen ein... oder im Foyer 1860,am dem JahrVorstellungsabend von Barkouf, ist die Französische Revolution schon längst passé und Begriffe wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit im repressiven Zweiten Kaiserreich ein Hohn. Und genau da hauterwerben Offenbach im Schulterdes Opernhauses schluss mit Scribe so eine Geschichte raus. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – diese Begriffe sind im Stück tief verankert. Angesichts der Weltlage überkommt einen das Schaudern, so aktuell ist Barkouf… In Barkouf wird Ungeheuerlichkeit durch Satire erzählt, hier hat ein auf­­ gebla­sener Fettwanst mit ein paar Soldaten die Macht, dass sich 100 Leute vor ihm niederwerfen. Anstatt dass 100 Leute aufstehen und ihm an die Gurgel springen! Das kennen wir heute immer noch, manchmal genauso offensichtlich oder in ganz subtiler Weise.

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Du hast in deiner Inszenierung auf eine Aktualisierung verzichtet. Mit Absicht. Das Stück ist aktuell genug. Es ist genial thea­tra­lisch-intelligent komponiert und äusserst klug in der Art und Form der Erzählung. Ich würde gegen dieses Werk gehen, wenn ich versuchen würde, eine banale Aktuali­ sierung hineinzubringen – im Kostüm, im Bühnenbild –, denn es ist bereits alles geschrieben. Meine Aufgabe ist es, dem Stück den gebührenden Raum zu geben, einen Theaterraum, denn diese Opéra-bouffe ist pralles, pures Theater und entwickelt ihre Kraft und Aktualität durch Theaterspielen. Das JetztZeit-­­­­Momentum sind die Künstlerinnen und Künstler, die das Stück aufführen, und der Erzähler, der uns als Publikum mit der Geschichte verbindet. Es braucht nichts mehr als das Theater selbst, denn das Theater ist ein Ort des Weiter­denkens, auch der moralischen Instanz. Jede Möglichkeit sollte genutzt werden, um uns daran zu erinnern, was Mensch­sein bedeuten kann. Trotzdem ist dir das Entertainment wichtig. Auch Offenbach musste mit seinen Stücken seine Kassen füllen. Sicher. Lachen ist wichtig. Lachen ist Befreiung. Lachen ist Erkenntnis. Humor ist ja ein weitgespannter Begriff, da gibt es viele Geschmäcker. Aber klar ist: Die Unterhaltung und der Witz haben bei Offenbach immer mit Intelligenz zu tun. Karl Kraus hat dazu sehr schön gesagt: Offenbachs Operetten sind ein Gesamtkunstwerk, welches eine Welt als gegeben nimmt, in der sich der Unsinn von selbst versteht. Kannst du ein Beispiel für diesen intelligenten Humor in Barkouf geben? Nehmen wir das Auftrittslied von Bababeck, dem gross­­mäu­ligen Mundschenk des Grossmoguls. In diesem Couplet singt er davon, sich wieder wie 20 zu fühlen und seinen zweiten Frühling zu erleben. Und dann hört man eine Melodie, die klingt, als ob ein kleines Mädchen mit überschäumendem Ge­fühl über eine Blumenwiese hüpfen würde! Bababecks Melodie ist also bereits ironisiert. Man hätte so etwas viel plumper komponieren können, damit man auch ja kapiert, ah, das ist ein blöder Typ, der glaubt, er könne jetzt mal bei den Frauen so richtig loslegen. Nein: Bababecks Melodie ist mitreissend, man lacht über ihn, erkennt, wer er ist und wird gleichzeitig bestens unterhalten.

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Du hast die gesprochenen Texte selber verfasst und vertraust sie einem Erzähler an. Welcher Gedanke steckt dahinter? Abgesehen davon, dass wir ein internationales Ensemble haben, das weder Französisch noch Deutsch als Muttersprache spricht, ist meine Erfahrung mit dem Genre Operette, dass die Dialoge immer mit einem bestimmten Tempo gesprochen werden müssen. Rasche Haltungswechsel einer Figur sind schon für Schauspielerinnen und Schauspieler eine Herausforderung. Man muss da sehr souverän über dem Text stehen. Der von Barkouf überlieferte, ge­sprochene Originaltext ist sehr lang, mitunter langatmig. Witze, die damals funktionierten, funktionieren heute nicht mehr so ohne Weiteres. Was würde wohl so ein genialer Autor wie Eugène Scribe machen, wenn er Barkouf heute erzählen würde? Was wären seine Mittel? Ich habe versucht, einen Text zu schreiben, der unter­hält, die Geschichte transportiert und immer wieder durch neue Spielarten der Sprachbehandlung überrascht.

Das komplette Programmbuch können Sie auf Dein Erzähler ist der Schauspieler André Jung. Warum ist er der Richtige dafür?www.opernhaus.ch/shop Ich kenne André nun schon seit mehr als 25 Jahren. Als ich über einen Eroder am Vorstellungsabend im zähler für Barkouf nachdachte, ist er mir sofort als Idealbesetzung in denFoyer Sinn gekommen. Er ist ein Mensch mit Wärme und Witz, und er ist in der Lage, mit des Sprache soOpernhauses umzugehen, dass man nie den Eindruck hat, er wäre ein bessererwerben wissender Schauspieler.

Seit der Uraufführung wurde das Stück erst einmal wieder gezeigt, in Strasbourg und als Übernahme in Köln. Kaum jemand kennt dieses Werk. Wie fühlt sich das an? Hat es einen Einfluss auf die Art deiner In­sze­ nierung? Es ist ja eine schöne Parallelität, dass man mich als Regisseur auch nicht kennt. Ich finde es jedenfalls ganz gut, mich mit einem unbekannten Stück in Zürich vorzustellen. Natürlich hat man es in solchen Fällen immer etwas einfacher, da es keine Erwartungshaltung im Publikum gibt, ausser die, dass es bitteschön gut sein soll, was da auf der Bühne zu hören und zu sehen ist. Bei einem Stück, das die Leute schon 30 Mal gesehen haben, ist das etwas anderes

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und mitunter schwieriger, dann wird das Publikum zum vermeintlichen «Fachpublikum». Ich habe grosse Demut vor Offenbach und versuche, Barkouf zum Blühen zu bringen, damit die Zuschauerinnen und Zuschauer am Ende sagen: Warum nur war dieses fantastische Stück 160 Jahre lang verschollen? Barkouf spielt bei dir ganz original im indischen – damals pakistanischen – Lahore. Natürlich habe ich mich gemeinsam mit meiner Bühnen­bild­nerin Marie Caroline Rössle intensiv darüber ausgetauscht, in welcher Welt wir dieses Werk spielen lassen wollen. Und wir waren uns sehr schnell darüber einig, dass wir zwar eine orientalisch angehauchte, aber dennoch eine unbeschriebene Welt, eine Fantasiewelt, eine theatrale Welt brauchen, die uns interpretatorisch nicht einengt – denn man soll nicht sagen können, ah: das kenne ich! Barkouf bewegt sich zwischen einer abgedrehten musikalischen Revue und einem Brechtschen Lehrstück. Caroline und mir ist da die expressionistische, übertriebene Welt aus den 1910/20er-Jahren eingefallen. Wir haben gemerkt, dass es uns Spass macht, das, was im Stück auf satirische Weise verhandelt wird, auch in eine verzerrte Andeutung einer Stadt hineinzukneten. Eine Stadt, die monumental ist und gleichzeitig architektonisch den Anschein erweckt, als würde sie gleich zusammenbrechen – ein System, das kurz vor dem Kollaps steht. Wo alles schräg und schief ist. Auch die fantastischen Kostüme von Ursula Kudrna gehen in diese Überzeichnung. Unsere Inszenierung wird ein Blumenstrauss voll unterschiedlichster Farben und Formen, eine dicke, fette Sahnetorte, aus der man die Finger nicht mehr herausnehmen will.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Das Gespräch führte Kathrin Brunner

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Brenda Rae, Tänzer:innen Spielzeit 2022/23


Mingjie Lei, Siena Licht Miller, Marcel Beekman Spielzeit 2022/23



Daniel Norman, Marcel Beekman Spielzeit 2022/23


BARKOUF UND DAS PARIS UM 1860 Wie Jacques Offenbach auf dem Weg zur Oper zwischen alle Stühle geriet Volker Hagedorn

Vom einen Theater zum anderen, von den Bouffes-parisiens bis zur OpéraComique geht man acht Minuten, immer noch. Doch vieles hat sich geändert. Der Jacques Offenbach des Jahres 1860 wäre überrascht, eine Rue du 4 Septembre überqueren zu müssen. Die ist auch 1866 noch nur zart eingezeichnet unter die Linien der Vermesser, die im Auftrag des Präfekten Haussmann den bis dahin präzisesten Plan von Paris vorlegen und ebenso zart die Schneise der geplanten Avenue de l’Opéra skizzieren. Unbedroht bleibt ein schraffiertes Quadrat an der Passage Choiseul: «Bouffes-parisiens». Eine Institution, nicht wegzudenken, nicht einmal von Baron Haussmann. Mit diesem Theater unfern der Seine ist Jacques Offenbach berühmt geworden, seit er es 1855 gründete. Aber seine Träume, seine Visionen gehen nicht erst 1860, dem Jahr von Barkouf, über das Milieu unterhaltsamer Komik hinaus. Die grosse Bühne, das Theater als Repräsentationsort des Bürgertums, hat er schon bald kennengelernt, nachdem er 1833 mit Vater und Bruder aus Köln nach Paris zog, in die Hauptstadt einer Nation, in der Juden nicht als Menschen zweiter Klasse behandelt wurden, ins Zentrum der europäischen Musikwelt. Schon mit fünfzehn Jahren sitzt der flammend Begabte als Cellist im Orchester der Opéra-Comique in der Salle Favart, spielt Werke von Boieldieu, Auber, Mozart, Rossini und nimmt Unterricht beim Opernkomponisten Fromental Halévy. Und diese Institution behält Offenbach im Sinn, während er als Cellist in Salons und als Komponist mit Tanzmusik reüssiert. Das bleibt auch so nach dem beispiellosen Erfolg seines Orphée aux enfers, der nach der Uraufführung 1858 ganze 227 Mal in Folge ge­spielt wird. Als Genie doppelbödiger Buffonerie ist der 41-Jährige eine Grösse

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über Paris hinaus in jenem Sommer 1860, als sich der frisch installierte Intendant der Opéra-Comique an ihn wendet. Eine Oper von vier Akten wird gewünscht, der Entwurf eines Libretto liegt vor. Endlich! Das renommierte Haus hat in den 1850ern ein wenig sein Profil verloren, die Leichtigkeit und Heiterkeit der Sujets. Selbst Giacomo Meyerbeers Étoile du Nord ist dort gespielt worden, eigent­ lich eine Grand opéra, mit einem Minimum gesprochener Dialoge als Opéracomique maskiert. Der viel gelesene New Paris Guide der Brüder Ga­lig­na­ni stellt in der Ausgabe von 1860 fest, man folge an der Opéra-Comique in­zwischen «einem elaborierteren, vielleicht auch gelehrten Stil, aber weniger populär». Gut möglich, dass Intendant Alfred Beaumont da in seiner ersten Spiel­zeit gegensteuern will mit einem wie Offenbach. Auf bewährter Basis freilich: Libret­ tist Eugène Scribe, jetzt 68 Jahre alt, schrieb nicht nur für die Blockbuster von Meyerbeer, von Robert le diable bis zu Le prophète, dazu fast alle Opern von Auber – er beherrscht jedes Genre. Nach Scribes Plan hat ein junger Autor Le Sultan Barkouf geschrieben, eigentlich für den Kompo­nisten Clapisson und das innovative Théatre-Lyrique. Weil dort nichts daraus wird, bekommt Offenbach den kuriosen Text, halb Drama, halb Politsatire. Barkouf heisst der Hund, den ein Willkürherrscher als Gouverneur einsetzen lässt. Damit sollen die aufsässigen Bewohner einer Stadt gedemütigt werden, die exotisch Lahore heisst, aber dem Paris des Zweiten Kaisrreichs kaum ferner ist als Offenbachs Orphée. Der neue Statthalter ist naturgemäss sehr bissig, bis seine frühere Herrin auftaucht, die Marktfrau Maïma. Ihr frisst er aus der Hand, sie wird zur Dolmetscherin ernannt und interpretiert Barkoufs Gebell im Sinne der Opposition. Die Steuern werden gesenkt, Todesurteile kassiert. Am Ende ist zwar der Hund in einer Schlacht gefallen, doch der Mogul muss die neuen Verhältnisse legitimieren. Das ist nicht unbedingt ein staatsgefährdender Stoff neben Orphée, wo zum kurz aufblitzenden Beginn der verbotenen Marseillaise Göttervater Jupiter sich anhören muss, sein Regime sei stumpfsinnig, und nur der «Öffentlichen Meinung» wegen den «schönen Schein» wahrt. Indessen sind solche Stacheln längst zur pikanten Würze eines Kassenschlagers geworden. Kaiser Napoleon III. und Kaiserin Eugénie besuchen im April 1860 höchstpersönlich eine Sondervorstellung im Théâtre-Italien. Dass die politische Wetterlage sich unterdessen wandelt, merkt Offenbach erst später. Zunächst trifft er bei der Arbeit am Barkouf auf

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Probleme, die im Theater Alltag sind. Es gibt eine Starsopranistin, Delphine Ugalde, die der Tragweite einer Rolle wie der Maïma nicht ganz gewachsen ist, und so bittet er Scribes Mitarbeiter, einer weiteren Frauenrolle mehr Gewicht zu verleihen, der Apfelsinenverkäuferin Balkis. Scribe tobt, als er von diversen Änderungen erfährt. «Das hat keine Einheit mehr, keine Linie. Das sind Szenen, das ist kein dramatisches Werk mehr!» Vielleicht spürt er auch, dass Zeiten in der Kunst anbrechen, die nicht mehr seine sind. Um den Spannungsbogen zu retten, arbeitet er selbst die letzten beiden Akte zu einem um. Dass er, Komman­ deur der Ehrenlegion und Präsident der Gesellschaft dramatischer Autoren, auch noch Ärger mit der Zensur bekommen könnte – damit rechnet er wohl nicht. Im selben Sommer ist das Abenteuer ausser Kontrolle geraten, auf das sich Napoleon III. im Vorjahr eingelassen hat, mit gleich mit 170’000 Soldaten zur Befreiung des Piemont von österreichischer Herrschaft. Inzwischen will ganz Italien die Einigkeit. Am 10. Mai ist der Revolutionär Garibaldi mit tausend Rot­hemden in Marsala gelandet, am 20. Juli ist ganz Sizilien in seiner Hand, Anfang August auch Neapel, womit das «Königreich beider Sizilien» endet. Nun sieht sich der römische Kirchenstaat bedroht, dem Napoleon III. verpflichtet ist. Der 52 Jahre alte Franzosenkaiser, mit einem einigen Italien sympathisierend, agiert halbherzig, als «schwacher Cäsar», der allzu viele Parteien bei Laune halten will. Die Unterstützung der französischen Katholiken bröckelt. Dieser Regierungschef, der von allem etwas ist, Kapitalist und Sozialist, Katholik und Aufklärer, Liberaler und Autoritärer, gerät von allen Seiten unter Druck. Er rea­giert durch vorsichtiges Entgegenkommen. Umso energischer agiert er in Ostasien, wo sich Frankreich im «Zweiten Opiumkrieg» einer britischen Militär­ operation gegen China anschliesst. Anfang Oktober 1860 fällt die vereinte Streitmacht in Peking ein. Bei einer beispiellosen Plünderung werden 3’000 Chinesen umgebracht, der kaiserliche Sommerpalast wird niedergebrannt. Während das geschieht, brüten in Paris die Zensoren des Staatsministers über solchen Zeilen einer Bühnenfigur: «Kriecht alle vor mir! So ist’s gut! (...) Ich werde einige Tage in den Königreichen von Kaschmir und Kandahar gebraucht… zwei aufständische Städte, die ich einnehmen und niederbrennen werde… es dauert nicht lange. Ich komme zurück, und wehe dem, der die Autorität des neuen Vizekönigs [der Hund Barkouf] nicht geachtet hat!»

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«Die Autoren (…) haben ohne Zweifel geglaubt, von den Bedenklichkeiten dieses bizarren Sujets und den Anspielungen, von denen es wimmelt, durch die possenhafte Form des Werks und die Verlegung des Schauplatzes nach Indien, das Land der Fabeln und der Fantasie, abzulenken. Der Milderungen bewusst, die aus diesen Umständen resultieren können, kommen wir jedoch nicht umhin, im Hintergrund des Stücks, den ihm innewohnenden Details und deren unvermeidbarer Umsetzung auf der Bühne die fortwährende Verspottung aller staatlichen Autorität in jeglicher Zeit, in jeglichem Land zu erkennen. Dem folgend können wir eine Genehmigung zur Aufführung des Sultan Barkouf nicht befürworten…» Dieses Schreiben vom 10. Oktober 1860 enthält zugleich ein Auf­führungsverbot. Freilich haben da die Proben schon begonnen. Und sie werden auch nicht gestoppt, stattdessen legt man eine entschärfte Fassung vor. Die kosmetischen Eingriffe ändern nichts Wesentliches – der Hund etwa wird vom «Vizekönig» zum «Gou­ver­neur» degradiert, die ganze Oper von der «comique» zur «bouffe». Vom Zen­sorentrio wird das am 28. November so merklich zähneknirschend durchge­winkt, dass man eine Weisung von ganz oben spürt. Wohl kaum vom Minister, sondern vom Halbbruder des Kaisers, dem Präsidenten des Parlaments. Nur einer wie der Herzog von Morny, Bewunderer Offenbachs und unter Pseudonym auch dessen Librettist, konnte eine so verfahrene Lage retten. Während man die Uraufführung, zuerst für den 26. November an­no­nciert, weiter und weiter nach hinten schiebt, stellt sich heraus, dass Delphine Ugalde wegen einer Schwangerschaft nicht wird singen können – die Rolle passte ihr ohnehin nicht. Am 11. November wird Mademoiselle SaintUrbain als neue Maïma bekanntgemacht, drei Wochen später zieht sie sich wegen einer Halsentzündung zurück, falls es denn eine ist und nicht eher die Sorge, es könne mit Barkouf noch Ärger geben. Jacques Offenbach kann sich derweil damit trösten, dass er den Sprung ins grösste Opernhaus der Stadt geschafft hat, die Salle Peletier. Hier wird am 26. November Papillon uraufgeführt, ein Ballett in zwei Akten, glänzend besetzt und besucht. Im selben Haus plagt man sich schon seit September mit Proben zur Oper eines Deutschen, deren Produktion Napoleon III. selbst angeordnet hat – Tannhäu­ser von Richard Wagner, der sich in Paris inzwischen weitgehend unbeliebt gemacht hat. Dass sogar Wagner noch zum Problem für Barkouf werden könnte, hätte Offen­bach

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sich nicht träumen lassen. Zunächst mal bringt sein Ballett auch den Antisemitis­ mus zum Vorschein, mit dem sich schon Meyer­beer auseinandersetzen musste. Offenbach sei, so Paul Scudo in der Revue des Deux Mondes, «aus der semitischen Rasse geboren, deren fatale Prägung er erhalten hat». Man erlebe in Papillon die «Flachheit und Nichtigkeit» einer «Gauklermuse, die auf der bedeutendsten Opernbühne Europas herumtollt». Aber am 24. Dezember 1860 findet sie statt, die première répresentation von Barkouf, am Montagabend vor der Mitternachtsmesse, mit der in Frankreich das Weihnachtsfest beginnt. 1500 Plätze hat die Salle Favart, deren Logen sogar über Klingelschnüre verfügen, um Kellner herbeirufen zu können. Der Abend, von Jacques Offenbach selbst dirigiert, wird keineswegs ein Fiasko. Man weiss die aufwändigen Kostüme und Kulissen zu schätzen, und drei Nummern müssen wiederholt werden. Pfiffe hört nur Paul Scudo. Doch nicht nur sein Urteil scheint schon vorher gefällt zu sein. Einer der klügsten Kritiker tut im Journal des Débats den Dreiakter als Stümperei eines Possenreissers ab, dessen Namen er in neun (!) Spalten kein Mal nennt. Hector Berlioz ist als Komponist selbst ein Erneuerer. Doch was Offenbach hier unternimmt, empört ihn. Elf Takte lang spielen einmal die Geigen in der Ouvertüre rasend schnelle Achtel, g und f, schon das hat Berlioz geärgert, «ein Summen vergleichbar dem von Wespen, die man in ein Glas gesperrt hat». Dass Dur und Moll sich kreuzen, dass von B-Dur direkt in einen G-Dur-Sextakkord gesprungen wird, «all das lässt sich ohne Zweifel machen, aber mit Kunstfertigkeit. Hier wird es mit einer Nach­lässig­keit, einem Unkundigsein der Gefahren vorgeführt, das ohne Beispiel ist. Man denkt dabei an das Kind, das einen Knallkörper in den Mund steckt und wie eine Zigarre rauchen will.» Und dann erweitert Berlioz die Perspektive: «Ganz entschieden geht es verrückt zu in den Hirnlein gewisser Musiker. Der Wind, der durch Deutschland weht, macht sie wahnsinnig… Ist die Zeit nahe? Welchem Messias geht der Autor von Barkouf als Johannes der Täufer voraus?» Diese Anspielung versteht jeder – Berlioz meint Wagner. Auch L’Art musical sieht Offenbach als Teil einer anstehenden deutschen Invasion: «Das neue Werk von M. Offenbach wimmelt von harmonischen Exzentrizitäten, die die missgestimmten Apostel der Zukunftsmusik nicht verleugnen.» Eine «Melange aus Scharlatanerie und Narrheit» sei typisch für «den deutschen Genius», ein «tobender Ozean falscher

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Noten und nervtötender Modulationen». Das ist das Vokabular, mit dem sich inzwischen die Pariser Presse auf Richard Wagner eingeschossen hat. Unversehens wird Offenbach als deutscher Vasall eines Komponisten angegriffen, dem er nicht ferner sein könnte. Vor allem aber darüber, dass Offenbach niemals seine Bouffes-parisiens hätte verlassen dürfen, sind sich die Kritiker mit einer Vehemenz einig, auf die der Komponist selbst schon am 30. Dezember 1860 im Figaro antwortet: «Ja, sicher, es ist eine Bouffonerie.» Genau das Leichte, Heitere habe der Opéra-Co­ mique ja zuletzt gefehlt. «Ich verteidige das Genre, dem ich treu bleiben will. Hätte ich es verlassen, dieselben Personen, die jetzt meine Heiterkeit tadeln, hätten gesagt: Voilà, jetzt verirrt er sich ins Lyrische! Ah! Welchen Erfolg er gehabt hätte, wäre er bei seinem bescheidenen Handwerk geblieben.» Wohl wahr, doch er macht er seine Partitur harmloser, als sie ist. Offenbach geht in Richtung der grossen Oper und lässt sie zugleich hinter sich. Er bietet eine erstaunliche Mischung aus Witz und Melancholie, von traurigem Lächeln springt er zu wahnwitzigem Übermut. Beiläufig wirft er chromatische Modula­ tionen hin, in denen ein Tristanakkord nicht auffiele, zugleich Melodien, die man immer wieder hören möchte. Diese Couplets, Duos, Ensembles, Chöre sind subtiler komponiert, enger aufeinander bezogen als in Orphée. Offenbach liefert auch Randbemerkungen wie die der Goncourts, knapp und genau, Blicke auf die Strasse. Seine Doppelbödigkeit ist nicht mehr nur komisch. Die Ambivalenz des Barkouf scheint viele Begleitumstände zu spiegeln – eine Stadt als Dauerbaustelle, ein verunsichertes Regime, ein Librettist, dessen Tage gezählt sind, während die Opernkonventionen bröckeln. Barkouf weiss zu viel davon, dieser Hund muss begraben werden. Nach der siebten Vorstellung am 16. Januar wird das Stück abgesetzt, trotz passabler Einnahmen. Die «Gendarmen der Ästhetik» (so Xavier Aubryet im Figaro jener Tage) haben gesiegt, Offenbach braucht nicht mehr die acht Minuten von der Passage Choiseul bis zur Salle Favart zu gehen; die Partitur bleibt 150 Jahre lang verschwunden. Wir können sie nun betrachten wie den Pariser Stadtplan von Haussmann, wo zwischen den Linien der Gegenwart schon die Zukunft Gestalt annimmt.

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Mingjie Lei, Brenda Rae Spielzeit 2022/23



Tänzer:innen Spielzeit 2022/23


Tänzer:innen, Chor der Oper Zürich, Marcel Beekman, Siena Licht Miller Spielzeit 2022/23



SCHULE DER FRAUEN Patriarchatskritik und Emanzipation im Musiktheater Jacques Offenbachs Frank Harders-Wuthenow

Anders als von Offenbachs Zeitgenosse Richard Wagner, der zahlreiche musik­ ästhetische und musikphilosophische Schriften hinterlassen hat, vor deren Hintergrund sich die weltanschaulichen Intentionen seiner Musikdramen deuten lassen, gibt es von Offenbach kaum Äusserungen, die uns Material für die These an die Hand geben könnten, dass er in seinem musiktheatralischen Schaffen werkübergreifende Ideen verfolgte. Solche müssen aus der musikalischen und literarischen Analyse seiner Bühnenwerke, der Lektüre seiner Briefwechsel, aus der Beschäftigung mit den Zeugnissen seiner Librettisten und den Dokumenten aus seinem privaten Kosmos destilliert werden. Die Behauptung, dass Offenbach eine patriarchatskritische Agenda hatte, wird sich den Einwand gefallen lassen müssen, dass Offenbach nicht für seine Libretti verantwortlich zeichnete und somit die Verfolgung eines solchen brisanten gesellschaftskritischen Themas über einen Zeitraum von 25 Jahren zwischen 1855 und 1880 eher unwahrschein­ lich und schwer nachzuweisen ist. Dem sei entgegengestellt, dass Offenbach nicht nur bei der Wahl der von ihm komponierten Sujets fast immer das Sagen hatte, sondern bei allen Bühnenwerken bis in Einzelheiten hinein grossen Einfluss auf die Gestalt der Libretti nahm. Der mit Offenbach befreundete Eduard Hanslick überlieferte, dass Offenbach die Beziehung zu seinen Textern als eine Art «geistige Ehe» bezeichnete. Es ist bekannt, dass Offenbach und seine Auto­ ren über ihr Arbeitsverhältnis hinaus einen intensiven privaten Diskurs pflegten. Wir können deshalb davon ausgehen, dass die Diskussion relevanter gesellschaftspolitischer Themen Grundlage und Voraussetzung jeder künstlerischen Kooperation am konkreten Werk war. Offenbach und seine kongenialen Librettisten schrieben für das Hier und Jetzt. Offenbach war als privater Theaterunternehmer auf Erfolg angewiesen.

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Der nicht zu verleugnende kommerzielle und unterhaltende Aspekt eines gros­sen Teils seines Œuvres sorgte dann auch für das Verdikt seiner Gegner, die den Diskurs über Offenbach im 20. Jahrhundert nachhaltig beeinflussten, die in ihm lediglich den Amuseur des zweiten Kaiserreichs sahen, den Hofnarren Napoleons III. Offenbachs Theater ist allerdings – und das zeigt sich schon bei einem ersten, nicht ideologisch getrübten Blick – kaum weniger subversiv als das Theater eines Molière oder Beaumarchais. Von einer Affirmation gesellschaftlicher Verhältnisse, von einem Amüsiertheater zum Zwecke der Stabilisierung der Restauration kann nicht die Rede sein. So griff die Zensur auch regelmässig in Formulierungen seiner Libretti ein. In einem Fall, bei Offenbachs erster Opéracomique Barkouf 1860, kam es – wie Generationen zuvor bei Beaumarchais’ Hochzeit des Figaro – sogar zu einem kategorischen Verbot, welches nur durch die Protektion durch höchste Regierungskreise wieder kassiert wurde. Die gekrönten Häupter Europas hatten keine Probleme, in Offenbachs Theater über sich selbst zu lachen, wie die epochalen Erfolge der Grossherzogin von Gerolstein oder von Offenbachs erster abendfüllender Mythenparodie Orpheus in der Unter ­welt zeigen. Bei Barkouf gingen die Autoren aber offenbar einen Schritt zu weit. Das Libretto von Eugène Scribe, einem der erfolgreichsten französischen Theaterautoren des 19. Jahrhunderts, brach mehrere Tabus gleichzeitig, indem es nicht nur die Legitimation des Absolutismus und des feudalen Herrschaftssystems in Frage stellte, sondern schlechthin die Legitimation patriarchaler Herrschaftsstrukturen. Die Zensurakte vom 10. Oktober 1860 begründete das Verbot mit dem lapidaren Résumé, das Stück sei eine «fortwährende Verspottung aller staatlichen Autorität über alle zeitlichen und räumlichen Grenzen hinweg». In der Analyse von Offenbachs Barkouf erfahren wir ein Stück Men­ tali­tätsgeschichte der patriarchalen Gesellschaft ex negativo. Die doppelte Ablehnung des Werkes – vor der Uraufführung durch die kaiserliche Zensur, nach der Uraufführung durch die bürgerliche Kritik – geschah an eben den zwei Fronten, gegen die Scribe und Offenbach ihre Satire-Messer wetzen. Die In­ thro­nisierung eines Hundes zum Gouverneur – Bestrafungsaktion eines Herrschers, der sein aufsässiges Volk, das feudaler Willkürherrschaft überdrüssig ist, demütigen will – trieb die Kritik am antidemokratischen, autoritären und im

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eigentlichen Sinne des Wortes zynischen Charakter des Absolutismus auf die Spitze. Dass diese Massnahme von Maïma, einem jungen Mädchen aus dem Volk, ausgehebelt, ja konterkariert wird, dass durch weibliche Courage und Intelligenz eine gerechtere, demokratischere Gesellschaftsordnung durchgesetzt wird, und zwar durch Beweisführung der Korruptheit der herrschenden Klassen und Kasten, deren Supremat-Behauptung gegenüber dem weiblichen Geschlecht einzig dem Machterhalt dient, war ein ungeheurer Affront. Dass es diese beiden Punkte waren, an denen Offenbach und seine Librettisten den Nerv der patriar­ chalen Gesellschaft am schmerzhaftesten trafen, erhellt die Umarbeitung des Werkes 1871 zu Boule de Neige. Der Hund mutierte zu einem weissen Bären, der allerdings durch den Geliebten der weiblichen Hauptrolle gedoubelt wird. Kachmir versteckt sich in einem Bärenfell vor dem Zugriff der Staatsgewalt, und Olga, das Pendant zu Maïma in Barkouf, handelt nicht mehr autonom, wenn sie statt des echten Bären die Direktiven des falschen «übersetzt», denn nun ist es wieder ein Mann, so zumindest kommt es von der Bühne herunter, der den Herrschenden im wahrsten Sinne des geflügelten Wortes einen Bären aufbindet. 1864, vier Jahre nach Barkouf, beging Offenbach mit Die Rheinnixen seinen zweiten grossen und multiplen Tabubruch, indem er den Auftrag für eine grosse durchkomponierte romantische Oper von der Wiener Hofoper annahm. Offenbach feierte seit der deutschsprachigen Erstaufführung seines Orpheus durch Nestroy in der Hauptstadt der k.-und-k.-Monarchie Triumphe, die die Erfolge in Paris zeitweilig noch in den Schatten stellten. Die Rheinnixen sind bemerkenswert nicht nur wegen ihrer stilistischen Symbiose: Es handelt sich um die erste ausgesprochen pazifistische, antimilitaristische Oper der Musik­ geschichte, um den Versuch einer Nationaloper aus einem antichauvinistischen Geist heraus, in der eine matristische Gesellschaftsordnung als utopischer Entwurf zur patriarchalen Gegenwart beschworen wird. Offenbach und seine Librettisten Nuitter und Wolzogen führen mit erstaunlicher Unverblümtheit die Entmenschlichung der Soldateska vor, sie zeigen durch Kriegshandlungen traumatisierte Individuen, zeigen die seelischen Folgen von physischer Gewalt, nicht nur bei den Opfern, sondern auch bei den Tätern. Die pazifistische Botschaft des Werkes verhallte ungehört. So wie auch Offenbachs nächste dezidiert pazifistische Oper Fantasio, komponiert während

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des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71, auf taube Ohren stiess. Auch in Fantasio finden wir die Themen patriarchale Herrschaftsform und patriarchaler Besitz- und Verfügungsanspruch auf die Frau enggeführt. Ein drohender Krieg zweier Königreiche könnte durch eine Zweckheirat verhindert werden, der König von Bayern soll seine Tochter dem Prinzen von Mantua als Geste der Unterwerfung überlassen. Der Deal wird durch den Studenten Fantasio hinter­ trieben. Er macht die Herrscher lächerlich und wiegelt das manipulierte, schon kriegsbereite Volk mit einer rhetorischen Volte zum Pazifismus auf: Wenn ihr euch schlagen wollt, ruft er den Machthabern zu, dann macht es unter euch aus und missbraucht nicht eure Untertanen. Offenbachs grosses Thema ist die Demontage der Herrschenden. Männer, das scheint der Tenor von Orphée aux enfers bis Le Roi Carotte, haben vor allem zwei Dinge im Kopf: Macht und Sex. Und oft dient Macht lediglich als Mittel zum Sex. Ausgenommen sind die kleinen Leute und die Outcasts der Ge­sellschaft: Künstler, Bettler und Banditen. Positiv konnotierte Männerrollen sind bei Offenbach bezeichnenderweise immer wieder Hosenrollen, d.h. im Subtext: Frauen, die die Hosen anhaben! Allen voran Fantasio, eine der komplexesten und gleichzeitig positivsten männlichen Figuren in Offenbachs Bühnenschaffen, ein (Selbst-)Porträt des Künstlers als Gaukler, um einen Topos Jan Starobinskis aufzugreifen. Offenbachs Bühnenwerke stellen den patriarchalen Besitzanspruch auf die Frau grundsätzlich in Frage. Die Frau in Offenbachs Theater ignoriert, wie Eurydike oder Helena, das Verbot des ausserehelichen Geschlechtsverkehrs, letztere auf dem Umweg über die «fatalité» ihrer Herkunft (als Tochter der Leda) und der göttlichen Vorsehung, und behauptet die Freiheit der Wahl ihres Sexualpartners mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der der Mann sie für sich beansprucht. Und bricht damit das vermutlich grösste Tabu des patriarcha­ len Systems. Denn die emanzipierte, aus ökonomischer und sexueller Abhängig­ keit befreite Frau, war kaum ein geringeres Schreckgespenst des 19. Jahrhunderts als die Befreiung der Arbeiterklasse. Offenbach hat ihr in seinem Theater zumindest einen virtuellen Spiel-Raum gegeben. Die im 19. Jahrhundert als skandalträchtig empfundene, von konservativer Seite als Pornografie denunzierte Erotisierung, ja Sexualisierung des Offenbach-

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schen Musiktheaters scheint dem zu widersprechen. Sicher ist der weibliche Körper als Objekt männlicher Begierde zuvor nie so offen auf der Opernbühne dargestellt worden wie in den Offenbachiaden, wie in Orphée aux enfers, Geneviève de Brabant, La Belle Hélène, La Vie parisienne, La Périchole und BarbeBleue. Fast alles dreht sich hier – letzten Endes – um Sex. Worauf ein nicht zu unterschätzender Teil der Anziehungskraft der Offenbachiade für das damalige, zumal männliche Publikum beruhte. Allerdings darf die Kontextualisierung der Erotik in diesen Werken nicht übersehen werden. Es ist meistens die Frau, die die Situa­tion beherrscht, selten der Mann. Und wenn es einmal der Mann ist, wie Jupiter in Orphée aux enfers, bedarf es der vorausgehenden Metamorphose zur «spanischen Fliege» – eine der vielen konkreten Anspielungen im Libretto auf Napoleon III. – was ihn ridikül macht und als triebgesteuertes Tier denunziert. Es gibt keine Frau in Offenbachs Bühnenwerken, die ihre Würde verliert, was man von den Männern nicht sagen kann. Selten haben sie überhaupt eine. Es sind, wenn es um die Herrscher und Stützen der Gesellschaft geht, in regierenden, kirchlichen oder militärischen Ämtern allesamt Karikaturen, lächerliche Opfer ihrer Allüren und Ansprüche. Es gibt zu denken, dass sich die beiden dominierenden, Männerphantasien entsprungenen Weiblichkeits-Typen der Oper vor allem der zweiten Hälfte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts – die «femme fragile» und die «femme fatale» – lediglich in den Contes d’Hoffmann finden, nicht nur Offenbachs populärstes Werk, sondern eine Ikone der Operngeschichte. Weder die «femme fragile» (Antonia) noch die «femme fatale» (Giulietta) sind aber charakteristisch für die Typologie seiner Frauenfiguren. Keine Frau wird ansonsten einem Mann zum Verhängnis, höchstens Helena dem idiotischen Menelaos, dem sie Hörner aufsetzt, aber «fatal» ist nicht sie, sondern das Schicksal, das ihr Menelaos zugemutet und Paris vorbestimmt hat. Von fragilen Frauen fehlt ebenfalls jegliche Spur. Offenbachs patriarchatskritische Agenda tritt – andersherum betrachtet – in den Werken am klarsten zutage, denen zu seinen Lebzeiten der geringste Erfolg beschieden war bzw. die von den Zeitgenossen abgelehnt wurden. Und es ist bezeichnend, dass der Grad der Ablehnung proportional zur Nachhaltigkeit der Verdrängung ist. Fantasio musste an die 120 Jahre warten bis zu seiner Wiederentdeckung, Die Rheinnixen knapp 140 und Barkouf fast 160.

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«Offenbach und seine Librettisten sympathisierten mit den Frauen», konstatierte Ulrike Seifert in ihrem 1999 veröffentlichten Aufsatz Emanzipation nach Noten. Das Frauenbild bei Jacques Offenbach. «Ihre Stücke zeigen aktive, selbstbewusste, ernstzunehmende Frauen, voll Charme und Witz. Selten sind ihre Partner ebenbürtig, oft sogar karikiert und farblos. Und sie setzen sich über Gesetz und Konventionen hinweg, wenn es darum geht, ihr Lebensglück zu erreichen. Freilich ist das nicht das Glück im Sinne unserer heutigen Vorstellung von Emanzipation, von Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit, sondern das Glück mit einem geliebten Partner.» Dieses Résumé möchte ich vor dem Hintergrund der Analyse der hier angeführten Werke in einem Punkt hinterfragen. Zum einen steht die Erreichung des Glücks mit einem geliebten Partner in keinem Widerspruch zur Forderung der Frau nach Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit. Im Gegenteil. Das eine ist Grundvoraussetzung für das andere, denn wo Abhängigkeit herrscht, kann es keine glückende Beziehung geben. Zum anderen ist offensichtlich, dass eine Reihe von Offenbachs Frauenfiguren ganz im modernen Sinne der Emanzipation das Missbehagen an der patriarchalen Gesellschaft zum Ausdruck bringen, welches deren Reform vorausgehen musste und immer wieder auf neue muss. Für sie alle gilt, was Volker Klotz schon 1985 in Bezug auf die Périchole konstatierte, dass sie den «Absolutismus in Politik und Liebe zersingt.» Das macht sie – allen voran die fantastische Maïma – nicht nur zu Schwestern der Louise Michel; es macht sie vor allem aktuell in einer Zeit, in der die Rechte der Frauen in vielen Kulturen noch immer oder erneut mit Füssen getreten werden und ein wirklich aufgeklärter Umgang der Geschlechter miteinander auch in den ach so fortschrittlichen westlichen Gesellschaften alles andere als selbstverständlich scheint.

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André Jung Spielzeit 2022/23


BARKOUF JACQUES OFFENBACH (1819-1880) Opéra bouffe in 3 Akten, Libretto von Eugène Scribe und Henry Boisseau Uraufführung: 24. Dezember 1860, Opéra-Comique, Paris Gesprochene Texte (in grau): Max Hopp Fassung Zürich 2022/23

Personen

Bababeck, Grosswesir des Gouverneurs von Lahore Tenor Der Grossmogul Bass Saëb Tenor Kaliboul, Eunuch Charaktertenor Xaïloum Tenor Maïma, eine junge Fleuristin Sopran Balkis, Orangenverkäuferin Mezzosopran Périzade, Tochter von Bababeck Mezzosopran Volk von Lahore, Soldaten, Verschwörer


ACTE PREMIER

ERSTER AKT

Une place publique de Lahore

Ein öffentlicher Platz in Lahore

SCENE PREMIERE

ERSTE SZENE

Maïma, Balkis, Marchands et Marchandes, gens du peuple et bourgeois; puis Bababeck, Kaliboul et des serviteurs de Bababeck. C’est le jour de marché. Maïma avec des paniers de fleurs et Balkis avec des paniers de fruits se tiennent à gauche du théâtre. – A droite, d’autres marchands et marchandes.– Au milieu, des gens du peuple ou des bourgeois de la ville qui regardent, marchandent et achètent.

Maïma, Balkis, Händler und Händlerinnen, Leute aus dem Volk und Bürger; dann Bababeck, Kaliboul und die Diener von Bababeck. Es ist Markttag. Maïma mit ihren Blumenkörben und Balkis mit ihren Fruchtkörben auf der linken Seite der Bühne. – Auf der rechten weitere Händlerinnen und Händler. – In der Mitte der Bühne Leute aus dem Volk und Bürger der Stadt, die die Auslagen betrachten, handeln und kaufen.

N° 1 INTRODUCTION

NR. 1 INTRODUKTION

ENSEMBLE

ENSEMBLE

MAÏMA

MAÏMA

Jasmin, lilas et muguets, Voyez ces beaux bouquets, Qu’ils sont fleuris et frais! Vite, achetez-moi ces fleurs Aux brillantes couleurs Aux suaves senteurs.

Jasmin, Flieder und Maiglöckchen, schaut, welch schöne Sträusse, blütenprächtig und frisch, schnell, kauft meine Blumen, strahlend sind ihre Farben, lieblich ihre Düfte!

BALKIS

BALKIS

Je vends au plus juste prix, Voyez ces jolis fruits, Goûtez ils sont exquis! Accourez, venez à moi, Tout est de bon aloi, Je vends au vice-roi.

Ich verkaufe zum besten Preis, schaut, wie schön sind diese Früchte, probiert alle, sie sind köstlich! Kommt zu mir, alles ist von bester Qualität, ich verkaufe an den Vize-König.

MARCHANDS ET ACHETEURS

VERKÄUFERINNEN UND KÄUFER

Ces fleurs et ces jolis fruits, Tout me paraît exquis, Achetez mes amis! Accourons vite, accourons, Regardons, admirons, Goûtons et choisissons.

Diese Blumen und hübschen Früchte, alles scheint vorzüglich! Kauft, meine Freunde, schnell herbei, schnell herbei, schauen wir, bewundern wir, probieren wir und wählen wir aus!

MARCHANDS

VERKÄUFER

De moi vous serez ravis, Je vends à juste prix, Je vous le garantis! Accourez, achetez, Dites, que voulez-vous, J’en ai pour tous les goûts.

Ihr werdet von mir begeistert sein, ich verkaufe für einen guten Preis; das garantiere ich euch! Kommt herbei und kauft, sagt, was ihr wünscht, hier gibt’s was für jeden Geschmack!


MAÏMA

MAÏMA

Au matin écloses, Admirez ces fleurs. Achetez, achetez, Vous serez enchantés!

Heute Morgen sind sie aufgegangen, bewundert diese Blumen. Kauft, kauft, ihr werdet entzückt sein!

BALKIS

BALKIS

Ces grenades roses, Prenez-les seigneurs. Achetez, achetez, Vous serez enchantés!

Diese roten Granatäpfel, greift zu, ihr Herrn. Kauft, kauft, ihr werdet entzückt sein!

QUELQUES ACHETEURS

EINIGE KÄUFER

Ah! les jolis fruits!

Ah, die frischen Früchte!

PLUSIEURS MARCHANDS

EINIGE HÄNDLER

Vous serez ravis! Achetez ces beaux fruits, Je vends à juste prix!

Ihr werdet entzückt sein! Kauft diese Früchte, Ich verkaufe zu gutem Preis!

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MEHRERE KÄUFER

Achetons, amis!

Kaufen wir, Freunde!

PLUSIEURS MARCHANDS

MEHRERE HÄNDLER

Voyez ces beaux fruits!

Seht diese frischen Früchte!

MARCHANDS

HÄNDLER

De moi vous serez ravis, etc.

Ihr werdet von mir entzückt sein, etc.

On entend un air de marche. Bababeck, l’échanson du gouverneur paraît, porté sur son palanquin. Kaliboul, son eunuque blanc, et plusieurs serviteurs chassent la foule devant lui.

Ein Marschlied ist zu hören. Bababeck, der Mundschenk des Gouverneurs, wird auf einem Tragesessel hereinge­ tragen. Kaliboul, sein Eunuche, und einige Diener verscheuchen die Menge, die vor ihm herläuft.

SERVITEURS DE BABABECK

DIE DIENER VON BABABECK

Que l’on s’efface, Qu’on fasse place À l’échanson du vice-roi! Dieu l’illumine, Que l’on s’incline.

Weg da, macht Platz dem Mundschenk des Gouverneurs! Gotte möge ihn erleuchten, man möge sich verneigen.

KALIBOUL

KALIBOUL

Dieu l’illumine, Que l’on s’incline, Avec respect, avec effroi, C’est l’échanson du vice-roi!

Gott möge ihn erleuchten, man möge sich verneigen, mit Respekt und angsterfüllt, das ist der Mundschenk des Vize-Königs!

LE PEUPLE bas

DAS VOLK leise

Il nous menace, Faisons-lui place,

Er droht uns, machen wir ihm Platz,


Courbons nos fronts avec effroi! Mais la victime, Que l’on opprime, Lui fera bientôt Bientôt sentir sa loi.

neigen wir angsterfüllt unsere Stirn! Doch wer das Volk unterdrückt, bekommt schon bald die Quittung.

BABABECK, KALIBOUL, SERV. DE BABABECK

BABABECK, KALIBOUL, DIENER VON BABABECK

Que l’on s’efface, Qu’on fasse place À l’échanson du vice-roi!

Weg da, macht Platz dem Mundschenk des Gouverneurs!

LE PEUPLE bas

DAS VOLK leise

Il nous menace, Faisons lui place, Courbons nos fronts avec effroi!

Er droht uns, machen wir ihm Platz, neigen wir angsterfüllt unsere Stirn!

Bababeck descend de son palanquin. Il fait le tour de la place en s’appuyant sur Kaliboul: il s’arrête devant Maïma et Balkis qu’il contemple quelques instants avec plaisir.

Bababeck steigt von seinem Tragesessel herab. Er geht einmal um den Platz herum, wobei er sich auf Kaliboul stützt. Er bleibt vor Maïma und Balkis stehen und betrachtet sie einige Augenblicke mit Wohlgefallen.

AIR

ARIE

BABABECK

BABABECK

Au rire de ces belles filles, Mutines gentilles À leurs attraits naissants Je sens reverdir tous mes sens. Leurs doux regards qui m’affriandent Me tentent, me rendent… Et mes désirs et mes printemps. Non, non, je n’ai plus que vingt ans !

Das Lachen dieser hübschen, schelmischen und niedlichen Mädchen, ihre aufblühenden Reize verjüngen meine Sinne. Ihre süssen Blicke schmeicheln mir. Sie verlocken mich und bringen mir mein Begehren und meinen Frühling zurück! Nein, nein, ich fühle mich wieder wie zwanzig!

S’avançant au bord du théâtre et se frottant les mains d’un air joyeux.

Er kommt nach vorne an den Rand der Bühne und reibt sich fröhlich die Hände.

Soudaine merveille, Mon cœur se réveille À leurs attraits naissants. Je sens, je sens reverdir mon printemps! Je suis dans mon printemps, Je n’ai plus que vingt ans. Salut à mon bon temps! Aujourd’hui je marie enfin Ma fille tant chérie Qui, par un oubli du destin, Est loin d’être jolie. En revanche, Dieu la créa Et méchante et colère Et mon gendre s’en chargera! Quel bonheur pour un père! Me voici seul à la maison,

Was für ein plötzliches Wunder, mein Herz erwacht beim Anblick dieser verführerischen Reize. Ich spüre, wie sich all meine Sinne verjüngen. Ich bin in meinem Frühling und fühle mich wieder wie zwanzig. Sei gegrüsst, meine gute alte Zeit! Heute werde ich endlich meine geliebte Tochter verheiraten, die durch ein Versäumnis des Schicksals alles andere als schön geraten ist; Vielmehr hat Gott sie böswillig und cholerisch geschaffen. Aber das ist jetzt Sache meines Schwiegersohns. Was für ein Glück für einen Vater! Jetzt bin ich wieder alleine zuhause,


Programmheft BARKOUF Opéra-comique in drei Akten von Jacques Offenbach (1819-1880)

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Premiere am 23. Oktober 2022, Spielzeit 2022/23

Wiederaufnahme am 16. Dezember 2023, Spielzeit 2023/24 Herausgeber

Opernhaus Zürich

Intendant

Andreas Homoki

Zusammenstellung, Redaktion

Kathrin Brunner

Layout, Grafische Gestaltung

Carole Bolli

Titelseite Visual

François Berthoud

Anzeigenverkauf

Opernhaus Zürich, Marketing

Telefon 044 268 66 33, inserate@opernhaus.ch Schriftkonzept

Druck

Studio Geissbühler

Fineprint AG

Textnachweise: Die Handlung schrieb Kathrin Brunner. Die Gespräche mit Max Hopp und Jean-Christophe Keck sowie der Artikel von Volker Hagedorn sind für dieses Programmbuch entstanden. – Frank Harders-Wuthenow, «Schule der Frauen», gekürzte Fassung eines Vortrags, gehalten am 18. Oktober 2018 im Rahmen des Symposiums «Der andere Offenbach» an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main; veröffentlicht 2019 anlässlich Offenbachs 200. Geburtstag im Verlag Dohr, Köln. Bildnachweis: Monika Rittershaus fotografierte die Klavierhauptptobe am 12. Oktober 2022. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nach­richt gebeten.


nah dran Kostenloser Verleih von Operngläsern im Eingangsfoyer des Opernhauses


Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden, Obwalden und Schwyz. PARTNER

PRODUKTIONSSPONSOREN AMAG Atto primo

Freunde der Oper Zürich Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

Clariant Foundation PROJEKTSPONSOREN René und Susanne Braginsky-Stiftung Freunde des Balletts Zürich

Georg und Bertha Schwyzer-Winiker Stiftung Hans und Edith Sulzer-Oravecz-Stiftung

Ernst Göhner Stiftung

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Hans Imholz-Stiftung

Swiss Re

Max Kohler Stiftung

Zürcher Kantonalbank

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Die Mobiliar

Bergos Privatbank

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FÖRDERINNEN UND FÖRDERER CORAL STUDIO SA Theodor und Constantin Davidoff Stiftung Dr. Samuel Ehrhardt Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG Garmin Switzerland Elisabeth K. Gates Foundation

Stiftung LYRA zur Förderung hochbegabter, junger Musiker und Musikerinnen Irith Rappaport Luzius R. Sprüngli Madlen und Thomas von Stockar


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