BELLA FIGURA
JIŘÍ KYLIÁN
Der Audi e-tron. Elektro wird quattro. Aufbruch in ein neues Abenteuer: mit quattro Technologie und superschneller Aufladung bis zu 150 kW. Ferne Ziele inklusive. Electric has gone Audi. Der Audi e-tron kommt. 100% elektrisch. audi.ch/e-tron Audi e-tron 55, 300 kW, 21,0 kWh/100 km (Benzinäquivalent: 2,3 l/100 km), 0 g CO₂/km (Durchschnitt aller erstmals immatrikulierten Personenwagen: 133 g CO₂/km), CO₂-Emissionen aus Treibstoff- und/oder Strombereitstellung: 29 g/km, Energieeffizienz-Kategorie: A. Alle Angaben zu Stromverbrauch, Reichweite und Energieeffizienz sind vorläufige Werte. Die angegebenen Werte wurden nach der Messmethode 715/2007/EWG in der gegenwärtig gültigen Fassung ermittelt. Es handelt sich um NEFZ-Verbrauchswerte nach der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1153. Je nach Fahrweise, Strassen- und Verkehrsverhältnissen, Umwelteinflüssen und Fahrzeugzustand können sich in der Praxis Verbrauchswerte und Reichweite ergeben, die von den angegebenen Werten abweichen. Diese Werte sollten daher nur zu Vergleichszwecken verwendet werden. CO₂ ist das für die Erderwärmung hauptverantwortliche Treibhausgas; die mittlere CO₂-Emission aller (markenübergreifend) angebotenen Fahrzeugtypen beträgt für das Jahr 2018 133 g/km. Die Werte variieren in Abhängigkeit der gewählten Sonderausstattungen.
BELLA FIGURA Choreografien von Jiří Kylián
Partner Ballett Zürich
ab
Alles kann zu Inspiration werden Ein Gespräch mit Jiří Kylián Seite 5 Bella Figura Seite 16 Stepping Stones Seite 30 Sweet Dreams Seite 42 Sechs Tänze Seite 52 Ballett Zürich Biografien Seite 70
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ALLES KANN ZU INSPIRATION WERDEN «Bella Figura» vereint vier wegweisende Choreografien von Jiří Kylián. Michael Küster hat den legendären tschechischen Choreografen in Den Haag besucht
Jiří, ich weiss, dass Interviews nicht zu deinen Lieblingsbeschäftigungen gehören … Das stimmt. Ich habe Interviews immer als problematisch empfunden. Man spricht über Werke, die man in einem bestimmten Zeitabschnitt seines Lebens kreiert hat. Die Ansichten, die man damals hatte, haben sich jedoch im Laufe der Zeit verändert. Als ich vor vierzig Jahren Strawinskys Symphony of Psalms choreografiert habe, hätte ich den Tänzern nie erzählen können, was ich ihnen heute erzählen kann. Ich begreife heute viel besser, was ich damals intuitiv gemacht habe. Mit 71 bleibt mir jetzt nicht mehr so viel Zeit, um über diese Dinge zu sprechen. Deshalb bin ich heute eher dazu bereit als früher. Welche Reaktionen löst die verrinnende Zeit in dir aus? Ich merke, dass ich mich nur noch mit den Dingen beschäftigen möchte, die wirklich zählen. Dabei besteht allerdings die Gefahr, seine Zeit mit dem Nachdenken darüber zu verplätschern, was denn nun wirklich wichtig ist. Aber ich habe keine Torschlusspanik. Mein Spass am Kreieren ist ungebrochen. Du stammst aus Prag, dort hast du deine Kindheit und Jugend verbracht. Ist Prag auch der Ort deiner ästhetischen Prägungen? Wenn du in Prag geboren bist, kannst du dich der Kraft und Magie dieser Stadt kaum entziehen. Es ist eine sehr komplizierte Stadt, die geprägt wurde durch das Nebeneinander von Tschechen und Deutschen, wo aber auch
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das Judentum sehr prägnant vertreten war. Im Herzen Europas gelegen, atmet Prag die Spannung zwischen Osten und Westen, Slawischem und Germa nischem, Norden und Süden. In diesem Spannungsfeld bin ich aufgewachsen, hier habe ich angefangen zu tanzen. Zwei Prager Geister haben mein Leben besonders beeinflusst, das sind der Sonnenkönig und der Fürst der Dunkelheit: Mozart und Kafka. Mozart hat seine grössten Erfolge in Prag gefeiert, Kafka ist hier geboren, und in diesen beiden Namen ist die Spannung der Stadt eigentlich schon dargestellt. Beide spielen auch im neuen Abend des Balletts Zürich eine Rolle, ergänzt durch den für mich ebenfalls sehr wichtigen Anton Webern, der – Zufall? – im gleichen Jahr wie Kafka, 1883, geboren wurde. 1967, ein Jahr vor den Ereignissen des «Prager Frühlings» und der sowje
tischen Invasion, bist du nach London gegangen, um an der Royal Ballet School zu studieren. Wäre dein Weg ohne diese Ereignisse anders verlaufen? Wahrscheinlich nicht. Nach meiner Studienzeit in London habe ich in Stuttgart einen Vertrag bei John Cranko unterschrieben und bin eine Woche nach der Invasion ganz legal aus der Tschechoslowakei ausgereist. Aber natürlich hat die Invasion alles verändert und uns zu unfreiwilligen Emigranten gemacht. An eine Rückkehr war unter den veränderten Bedingungen nicht zu denken. Wie geht es dir heute, wenn du in Prag bist? Das sind gemischte Gefühle. Meine Karriere habe ich im Westen aufgebaut und mich dabei meinen tschechischen Freunden entfremdet. Da kannst du machen, was du willst. Es sind die täglichen Kontakte, die einen prägen. Wenn du mich fragst, ob ich in Prag oder in Holland zu Hause bin, sage ich dir: Unterwegs bin ich zu Hause. Stuttgart ist der Ort, wo aus dem Tänzer Jiří Kylián eines Tages der Choreograf Jiří Kylián wird. Ist dieser Übergang an ein bestimmtes Er eignis geknüpft? Mein erstes Stück in Stuttgart hiess Paradox. Das war 1970, und ich habe darin selbst mit meiner damaligen Freundin getanzt. Ich habe sehr schnell
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bemerkt, dass ich mich viel besser durch andere Körper ausdrücken kann als durch meinen eigenen. Wenn du für dich selbst choreografierst, bleibst du dein eigener Gefangener. Erst der Blick von aussen macht dich frei. Stuttgart mag nicht die schönste Stadt der Welt sein, das Charisma John Crankos verlieh dem Ort damals jedoch etwas absolut Einzigartiges. Wie ein Magnet hat Cranko Talente angezogen, ganz gleich, ob das nun Tänzer oder po tentielle Choreografen waren. Das Wort «Kreation» wurde mit einem sehr grossen «K» geschrieben. Cranko, Glen Tetley, Kenneth MacMillan – sie alle haben in Stuttgart gearbeitet. Durch Cranko entwickelte sich die Noverre- Gesellschaft zum «Talentschuppen» für choreografierende Tänzer. Die Luft hat vibriert damals, es war grossartig.
Das komplette Programmbuch Das längste Kapitel deines Lebens ist mit dem Nederlands Dans Theater verbunden, dem du insgesamt Jahre verbunden warst und das können Sie auf du Jahre, von bis , geleitet hast. Was waren die prägenden Bausteine deiner Arbeit am NDT? Durchwww.opernhaus.ch/shop Choreografen wie Hans van Manen und Glen Tetley hatte sich das NDT bereits einen hervorragenden Ruf als moderne Compagnie erarbeitet. oder Vorstellungsabend im tiFoyer Nacham ihrem Weggang befand man sich allerdings in einer Art posttrauma scher Phase und suchte nach einer Neuorientierung. Mir war immer wichtig, dass das des NDT als eine Compagnie der Choreografen wahrgenommen wird. Opernhauses erwerben 24
1975
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Deshalb habe ich nicht nur meine eigenen Arbeiten gezeigt, sondern wichtige Namen an das Haus gebunden. Ich habe Hans van Manen und Glen Tetley nach Den Haag zurückgeholt. Im Ausland habe ich ständig nach neuen Talenten gesucht und darüber hinaus auch viele meiner Tänzerinnen und Tänzer ermutigen können, selbst zu choreografieren. William Forsythe hat seine ersten wichtigen Stücke für das NDT kreiert, Mats Ek hat mit seiner Frau Anna Laguna im NDT getanzt und viele besondere Sachen choreografiert. Aus New York habe ich Ohad Naharin nach Europa gebracht, auch seine ersten Stücke sind für das NDT entstanden. Mit der Nachwuchscompagnie NDT 2 haben wir eine Brücke zwischen Schulsystem und professionellem Tänzer dasein gebaut. Und innerhalb von drei Tagen ist dann auch der Plan für das NDT 3 entstanden. Eine eigene Compagnie für ältere Tänzer, die in dieser
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späten Phase ihrer Karrieren noch so unendlich viel zu sagen haben. Schliesslich haben wir 1987 unser eigenes Theater gebaut, es war das allererste Gebäude des heute weltberühmten Rem Koolhaas. Das alles hat das NDT auf eine neue Qualitätsstufe gehoben. Wie bist du mit der Doppelbelastung als Choreograf und Direktor klar gekommen? Sicher könnte ich jetzt versuchen, sie schönzureden, aber es war eine konstan te Anspannung, 24 Stunden täglich! Doch wenn du eine Compagnie haben möchtest, die dir als Créateur und Choreograf zusagt, ist es wohl am besten, wenn du auch Direktor bist. Nur so kannst du beeinflussen, was in der Compagnie passiert. Wie gehen deine Nachfolger mit deinem Erbe um? Warum soll sich ein neuer Direktor des NDT ständig den Kopf zerbrechen, ob er ein Stück von Kylián zurück ins Repertoire holt? Er soll sich nicht dazu verpflichtet fühlen, sondern frei entscheiden, welche Choreografen er in seinem Spielplan präsentieren möchte. Das Schlimmste ist die Präsenz einer grauen Eminenz, die einem ständig über die Schulter schaut und kontrolliert, ob man auch alles richtig macht. Deshalb habe ich 2014 für einen Zeitraum von drei Jahren die Aufführungsrechte für meine Werke am NDT zurückgezogen. Im Nachhinein haben mir meine Nachfolger Recht gegeben, weil sie nur so einen wirklich eigenen Weg gegangen sind, der ihnen – wie ich finde – ganz gut gelingt. Bei der Musikauswahl für deine Stücke hast du eine unglaubliche Band breite an Komponisten präsentiert, die von Renaissance-Madrigalen über Folklore bis ins 21. Jahrhundert reicht. Welche Qualität muss Musik haben, damit sie choreografische Assoziationen in dir freisetzt? Natürlich muss ich mich zunächst in die Musik verlieben, aber noch wichtiger ist, dass ich ihr vertrauen kann, auch wenn ich sie 100 oder 200 Mal höre. Dabei habe ich mich immer davor gehütet, Musik als ein Heiligtum zu betrachten, das wäre völliger Quatsch. In meinen Anfangsjahren als Choreograf
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waren es vor allem Komponisten, die sich am Beginn des 20. Jahrhunderts der Umklammerung durch die Romantik zu entziehen versuchten: Janáček, Webern, Martinů, Strawinsky, Schönberg... Das war der übliche Weg: Bewegungen zu finden, die sich irgendwie konform zur musikalischen Vorlage verhalten. Von dieser altmodischen Art zu choreografieren und dem damit verbundenen Ausgeliefertsein an die Musik habe ich mich schnell verabschiedet. Ich habe Stücke gemacht, die zum Teil ohne Musik oder mit verschiedenen Sounds auskamen. Ich habe Aufträge an Tōru Takemitsu und Arne Nordheim vergeben, und gelegentlich habe ich auch Themen aus Barock und Klassik in neuen Kombinationen zusammengestellt. Ich wollte immer selbst erzählen und nicht illustrieren, was die Musik mir vorgibt.
Das komplette Programmbuch Wie kann man sich deine Arbeit mit Komponisten vorstellen? Soll die Musik eine choreografische Vorstellung unterstützen, oder entstehen können Sie auf Musik und Choreografie parallel? Meistens habe ich eine Ausgangsidee. Um sie zu verwirklichen, brauche ich www.opernhaus.ch/shop den Komponisten, der mir dabei hilft und einverstanden sein muss, auf diese Weise mit mir zu arbeiten. Das war bei Dirk Haubrich der Fall, mit dem oder Vorstellungsabend im ich am Stücke kreiert habe, darunter auch Gods and Dogs. Meistens war Foyer die Choreografie eher fertig als die Musik. Das war insofern besonders, als der Choreograf ein sekundärer Schöpfer ist, der erwerben immer auf etwas reagiert. desmeist Opernhauses 16
In den letzten 20 Choreografien hat sich dieses Verhältnis vertauscht, indem ich die Rolle des Urschöpfers übernommen habe. Es ist nicht einfach, so zu arbeiten. Du gewinnst die Freiheit, selbst etwas zu sagen. Die Verantwortung dabei ist gigantisch. Bei Tänzerinnen und Tänzern geniesst du eine fast unglaubliche Vereh rung. In Kylián-Choreografien aufzutreten, gilt unter ihnen als eine Art Ritterschlag. Woher kommt diese Begeisterung? Wahrscheinlich hat es mit dem Respekt zu tun, den ich Tänzern entgegenbringe. Ich sehe sie als Menschen und liebe sie in ihrer Verletzbarkeit, ihrer Tapferkeit. Deshalb habe ich es in meinen Jahren als Direktor am NDT immer als Belastung empfunden, Besetzungen festzulegen. Was machst du,
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wenn du ein Stück für acht Tänzer kreieren möchtest, deine Compagnie aber aus 32 Personen besteht? Diese schwierigen Entscheidungen vermisse ich wirklich nicht. Welche Qualitäten schätzt du an Tänzern, was inspiriert dich? Offenheit, positive Mentalität, Wahrhaftigkeit im Ausdruck, Zuverlässigkeit und Musikalität sind Eigenschaften, die mich bei Tänzern begeistern. Ob sie klein oder gross, dick oder dünn sind, interessiert mich im Grunde nicht. Wichtig sind Glaubwürdigkeit und Menschlichkeit. Als einschneidendes Ereignis in deinem Leben hast du immer wieder deinen Australien-Aufenthalt im Jahr 1980 geschildert. Was hat dir die Begegnung mit den Aborigines gegeben? Freiheit! Die Kultur der Aborigines ist die einzige, die ich kenne, für die der Tanz das allerwichtigste gesellschaftliche Ereignis ist. Alles wird durch Tanz ausgedrückt. Jeder tanzt, vom Jüngsten bis zum Ältesten. Ich habe damals einen alten Aborigine gefragt, warum sie tanzen. Und er hat mir gesagt: «Weil es mir mein Vater beigebracht hat und ich es meinem Sohn beibringen muss.» Das ist es. Er hat sich nur als das Glied einer Kette gesehen. Mit der einen Hand halte ich meinen Vater, mit der anderen Hand halte ich mein Kind. Und wenn ich loslasse, entsteht eine Lücke, die den Strom von Generation zu Generation unterbricht. In Australien haben sich mir viele Möglichkeiten eröffnet, was man körperlich und spirituell mit Tanz ausdrücken kann. Das war eine einzigartige Erfahrung.
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Dein Werk ist von vielen klugen Köpfen analysiert worden. So war in einer Würdigung zu deinem 70. Geburtstag zum Beispiel von der «Gewissheit der Vergänglichkeit allen irdischen Tuns bei gleichzeitiger Gelassenheit im Hier und Jetzt» zu lesen ... O je, das klingt sehr gelehrt und lässt sich viel einfacher sagen! Man muss akzeptieren, dass alles, was wir machen, ein völliger Unsinn ist. Wenn du das begriffen hast, sagst du: Umso furioser machen wir diesen Unsinn! Dafür sind wir hier. Deshalb sage ich den Tänzern: Du tanzt nicht gestern oder morgen,
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du tanzt jetzt – in diesem Moment! And make sure that people remember you forever! Meine Lehrerin Zora Šemberová – sie war die erste Julia in der Brünner Uraufführung von Prokofjews Romeo und Julia – hat mir einen Wegweiser geschrieben, was zu tun ist, wenn man eine schlechte Choreografie tanzen muss. Sie hat mir klar gemacht, dass man aus allem etwas lernen kann, auch wenn die Choreografie unmusikalisch ist und die Schritte noch so mangelhaft oder unpassend sind. Lehrer sind manchmal zu idealistisch in ihrem Unterricht. Was, wenn es nicht so ist, wie sie es dir beschrieben haben? Ich fand toll, dass meine Lehrerin gesagt hat: Pass auf, es kommen auch dünne Zeiten! Daraus spricht dein Bemühen, es anders zu machen und den Tänzern mit deinen Choreografien glückliche Zeiten zu bereiten. Welche Ansprüche stellst du dir selbst beim Kreieren, wo empfängst du deine Inspiration? Ich bin kein verbissener Choreograf. Ich lasse gern ein bisschen Luft. Das Allerschönste ist, wenn du mit Tänzern kreativ zusammenarbeiten kannst. Wenn du ihnen das Gefühl gibst, Teil des kreativen Prozesses zu sein, werden sie dich mit ihrer Qualität überraschen. Sie fühlen sich verantwortlich für das, was da präsentiert wird. Inspiration hat für mich weniger mit äusseren Einflüssen, als vielmehr mit der Empfänglichkeit eines Individuums zu tun. Man muss rezeptiv und offen sein, dann kann alles zu Inspiration werden. Ich sehe, wie der Himmel ausschaut, wie ein bestimmtes Licht fällt, eine Reflexion aufscheint. Daraus kann etwas entstehen, das allgemeingültiger ist. Ich erinnere mich an eine Reise nach Elba. Wir sind vom Hotel ans Meer gelaufen, das wir in der stockfinsteren Nacht nur hören konnten. Daraus ist La Cathédrale engloutie entstanden. Wichtig sind die Empfänglichkeit und die Fähigkeit, Dinge zu absorbieren. Mit Bella Figura präsentiert das Ballett Zürich einen Abend, der vier deiner Choreografien aus den 80er und 90er Jahren vereint. Was ver bindet diese Stücke miteinander? Ihre Unzusammengehörigkeit. Die vier Stücke sind sehr verschiedenartig, in der choreografischen Handschrift besteht ein enormer Kontrast. Aber wie
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sagt man so schön? Les extrèmes se touchent. Ich liebe Kontraste. Ein Abend, der so kontrastreich ist wie dieser, hat ganz sicher mit mir zu tun. Der grösste Kontrast besteht wohl zwischen den sehr skulpturhaften Sweet Dreams und den ausgelassenen Sechs Tänzen, die jetzt beide erstmals beim Ballett Zürich zu sehen sind. Die «Süssen Träume» sind Albträume. Anton Webern hat mit den Sechs Stücken für Orchester op. 6b auf den Tod seiner Mutter reagiert. Du spürst in der Musik diesen absoluten Horror, der manchmal fast ins Lächerliche überschwappt. In der Choreografie gibt es dann diese ganzen Apfelgeschichten, wodurch das Stück einen komischen Knacks bekommt. Wir könnten jetzt stundenlang über die Symbolik des Apfels reden. Das Stück ist ein Rätsel um Sex, Macht und Missbrauch. In seiner Wut des Statements trägt es auch Kafka in sich. Er erzählt dir oft minutiös bis ins letzte Detail, wie sich eine Szene ereignet hat, und am Ende sagt er: Ach, vielleicht war es aber auch ganz anders. Für mich selbst ist es ein rätselhaftes Stück, man muss nicht immer alles erklären. Die Sechs Tänze zur Musik von Mozart sind dann das ganze Gegenteil, ein völliger Quatsch eigentlich. Es mag eigenartig klingen, aber es gibt nicht so viele Choreografen, die es wagen, etwas Humoristisches auf die Bühne zu stellen. Humor hat mit Timing zu tun, mit Geschmack und Dosierung. Wenn du einen Witz erzählst und niemand lacht, stehst du als der Dumme da. Bei einer Komödie ist das Barometer viel lesbarer als bei einer Tragödie. Wenn es schief geht, stehst du am Pranger. Da braucht es keinen Kritiker, sondern du wirst vom Publikum direkt verurteilt. Komik braucht Selbstvertrauen.
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In jüngster Zeit scheint der Film eine besondere Faszination für dich zu gewinnen. Woher kommt sie? Das hat mit dem Älterwerden zu tun. Es scheint paradox, dass nur ältere Menschen wirklich fähig sind zu verstehen, was es bedeutet, jung zu sein. Die Frage des Alterns ist so alt wie die Menschheit. Ein Zuschauer, der eine Vorstellung verlässt, ist sich kaum bewusst, dass er jetzt älter ist als beim Betreten des Theaters. Und genau dieser Prozess ist mein Anliegen. Ich arbeite seit
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1971 mit meiner Frau, der Tänzerin Sabine Kupferberg, zusammen. Es begann in Stuttgart, mit der Choreografie Incantations. 1975 sind wir ge
meinsam nach Den Haag umgezogen. Sie wurde Mitglied des NDT und ich Direktor. 1991 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern des NDT III, das entworfen worden war für Tänzer «zwischen vierzig und Tod». Für Sabine habe ich mehr als 40 Choreografien und einige Filme kreiert. Beide sind wir jetzt im fortgeschrittenen Alter, und wie viele gemeinsame Jahre uns bleiben, ist ungewiss. Aber die Zeit, die wir jetzt erleben, ist sehr kondensiert und verändert uns rapide. Es sind diese besonderen Augenblicke, die ich festhalten will. Sabine hat aussergewöhnliche schauspielerische Qualitäten. Ihre Verwandlungsfähigkeiten haben mich seit Jahren fasziniert. Und ja, ich habe noch einen Traum, den ich mit ihr verwirklichen möchte: ein Theaterstück, in dem Sabine sowohl im Film als auch leibhaftig auf der Bühne steht. Zwischen den zwei Frauen entsteht ein Dialog wie zwischen einer lebenden und einer verstorbenen, wobei die Frau im Film in jeder Vorstellung jünger ist als die lebendige, die während der Vorstellung stets älter wird, wie auch alle Zuschauer! So eine Konfrontation interessiert mich zutiefst. Im März 2019 wirst du in Paris in die Académie des Beaux Arts aufge nommen, mit einer eigens geschaffenen Sektion für Choreografie und Tanz. Welche Hoffnungen knüpfst du an diese Position? Es ist seltsam, dass der Tanz dort erst jetzt seinen offiziellen Platz in der Kunstfamilie erhält, obwohl man zu Gründungszeiten der Académie Française im 17. Jahrhundert mit Louis XIV. einen passionierten Tänzer unmittelbar vor Augen hatte. Maurice Béjart und Marcel Marceau waren bislang die beiden einzigen aus unserer Branche, die Aufnahme gefunden haben, aber sie waren sogenannte «Freie Mitglieder». Insofern ist die Installation einer Sektion «Choreografie» eine Ehre für mich und sicher eine gute Sache für den Tanz insgesamt. Ich hoffe, dass ich dort etwas bewirken kann. Gerade bin ich sehr mit den Vorbereitungen der Aufnahmezeremonie beschäftigt. Dieses Ritual mit seinen genau definierten Abläufen und Kleidervorschriften unter der ehrwürdigen Kuppel des Institut de France hat, zugegeben, ein bisschen etwas von Karneval. Ich durfte 250 Freunde einladen und freue mich riesig auf
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das Wiedersehen mit vielen wunderbaren Wegbegleitern, die der Zeremonie hoffentlich etwas sehr Heutiges verleihen werden. Unverzichtbar für die Akademiemitglieder ist ein Schwert. Den Griff meines Schwertes habe ich selbst entworfen. Er basiert auf einer 5 500 Jahre alten ägyptischen Statue aus dem New Yorker Brooklyn Museum. Es ist – eine Tänzerin. Das Gespräch führte Michael Küster
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Bella Figura Jiří Kylián Joke Visser Lichtgestaltung Kees Tjebbes Musik Lukas Foss, Giovanni Battista Pergolesi, Alessandro Marcello, Giuseppe Torelli, Antonio Vivaldi
Choreografie und Bühnenbild
Kostüme
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Es ist eine Reise durch Zeit, Licht und Raum, die die Mehrdeutigkeit von Ästhetik, Handlungen und Träumen anspricht. Schönheit zu finden in einer Grimasse, in einer gepeinigten Seele oder in einem körperlichen Gebrechen. Es ist, als vollbringe man einen Spagat auf der Nabelschnur. Wann beginnt eine Vorstellung? Wenn wir geboren werden oder wenn der Vorhang aufgeht? Geht alles zu Ende, wenn wir die Bühne ver lassen – oder endet die Vorstellung nie? Was ist ein Kostüm? Das, was wir auf der Strasse tragen – oder auf der Bühne? Der Bereich zwischen der sogenannten Kunst und Gekünsteltheit, zwischen Lebensrealität und Fantasiewelt – diese zwielichtige Zone erzeugt eine Spannung, die mich interessiert.
Das Es ist, alskomplette ob man am Rande eines Programmbuch Traumes stünde, in der Dunkelheit, und mit geschlossenen Augen in grelles Licht starrte – und plötzlich SieRealität auf zieht man alles ankönnen unserer sogenannten in Zweifel … Der Mo ment, wenn Träume in unser Leben dringen und das Leben in unsere Träume – das interessiert mich. Das Gefühl, in einem Traum hinzu www.opernhaus.ch/shop fallen – und mit einer gebrochenen Rippe aufzuwachen. oder am Vorstellungsabend im Foyer Jiří Kylián des Opernhauses erwerben
GRENZENLOS Zur Musik in «Bella Figura»
Stille – so beginnt die Musik zum Ballett Bella Figura. Dann, als Übergang zum Klang, noch sphärisch und halb jenseitig, folgt das kurze Lento aus der Salomon Rossi Suite von Lukas Foss, einem 1922 in Deutschland geborenen Amerikaner, der in seinem statischen, fast unheimlich bewegungslosen Stück Material des Renaissance-Komponisten Salomon Rossi verarbeitet. Kurze Teile aus dieser Salomon Rossi Suite, die 1975 komponiert worden ist, werden sich im Verlauf des Balletts verschiedentlich wiederholen – als Scharniere zwischen der anderen Musik, als schrittweise Festigung eines langsamen, schwerelos dahingleitenden Grundtones, der immer wieder einerseits die Grenze zur Sprache, andererseits die Grenze zur völligen Stille gewinnt. Übergangslos folgt der Beginn von Pergolesis legendenumwobenem Stabat mater. Der sechsundzwanzigjährige Pergolesi, der sich, bereits todkrank, eben ins Kloster Pozzuoli zurückgezogen hatte, um dort im März 1736 zu sterben, schuf das überragende Werk, das ihm Weltruhm verschaffte, gleichsam als sein privates «Requiem». Am Beginn steht, gesungen von einer Sopran- und einer Altstimme, die Klage Marias am Fusse des Kreuzes, an dem ihr Sohn hängt. Dem schwer und unerbittlich dahin schreitenden Trauergesang wohnt trotz allem eine diesseitige Schönheit inne, wie sie das ganze Stabat mater prägt. Am Ende des Balletts, eingeleitet wiederum durch Foss’ Salomon Rossi Suite, steht dann das «Quando corpus» aus Pergolesis Stabat mater. Die ruhige Gelassenheit, ja vertrauensvolle Fröhlichkeit der Musik spiegelt sich im Wortlaut des Gebets: «Wenn der Körper stirbt, gewähre der Seele die Herrlichkeit des Paradieses». Dann folgt – Stille. Neben den atmosphärischen, sich grandios steigernden und kontrastierenden Schwerpunkten von Foss und Pergolesi finden sich langsame Sätze aus Konzerten verschiedener Barockkomponisten – Alessandro Marcello, Antonio Vivaldi und Giuseppe Torelli.
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Das beliebte Oboenkonzert d-Moll von Alessandro Marcello ist ein Höhepunkt der barocken Instrumentalkonzert-Musik. Marcello war hoher Beamter in Venedig, daneben ein Universalgelehrter, der zeichnete und malte, mathematische und philosophische Studien trieb, dichtete und komponierte – ein Meister des «Gelegenheitswerks». Sein Oboenkonzert erschien 1717 erstmals im Druck und wurde später von Johann Sebastian Bach bearbeitet. Antonio Vivaldi schuf eine Vielzahl von Konzerten mit einander paarweise gegenübergestellten Instrumenten; dieses Verfahren wurde geschätzt, weil es Gelegenheit bot, widerstreitende oder einvernehmliche Gefühle kunstvoll und doch unmittelbar auszudrücken. Das Konzert für zwei Mandolinen RV 532 lässt sich nicht genau datieren, ist aber wohl nach 1730 für das Ospedale della Pietà komponiert worden und zeigt unverkennbar Vivaldis konzertanten Stil der Reife. Giuseppe Torellis Concerto grosso op. 8 Nr. 6 in g-Moll ist das letzte der eigentlichen Concerti grossi dieser berühmten Sammlung – der Rest verdient eigentlich eher den Namen Violinkonzert. Es trägt den Untertitel «In forma di Pastorale per il Santissimo Natale» und ist also ein Weihnachtskonzert, wie es auch Corelli oder Locatelli und andere schrieben. Der Kopfsatz des Konzertes gehört zu den herausragenden Stücken der Sammlung.
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Stepping Stones Choreografie Jiří Kylián
Michael Simon Joke Visser Licht-Redesign Kees Tjebbes Musik John Cage, Anton Webern
Bühnenbild und Lichtgestaltung
Kostüme
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Im Sommer 1980 habe ich der bis zu diesem Zeitpunkt grössten Zu sammenkunft von Tänzern und Musikern aus den verschiedensten Ge bieten Nordaustraliens beigewohnt. Ich war tief beeindruckt von der Tatsache, welche zentrale Rolle der Tanz im Leben der Aborigines, der Ureinwohner Australiens, einnimmt. Um meine Neugierde zu stillen, fragte ich einen älteren Mann nach dieser rätselhaften Wichtigkeit des Tanzes auf diesem Kontinent. Seine Antwort war klar und deut lich: «Es ist so, weil mir mein Vater den Tanz beigebracht hat und weil ich ihn an meinen Sohn weitergeben muss.» Dieser Mann hat sich als ein winzig kleines Teilstück in der endlosen Kette der Evolution gesehen. Gleichzeitig war er sich seiner Verantwortung bewusst, das Erbe, das ihm zur Obhut gegeben war, weiterzureichen und so für die Fortführung und den Weiterbestand seiner Kultur zu sorgen.
Das komplette Programmbuch «Stepping Stones» entstand 1991 für das Stuttgarter Ballett als können SieFallauf Reverenz an Tradition und Erbe, in diesem an die Sprache des klas si schen Tanzes. Ich habe grossen Respekt vor den kulturellen Er rungen schaften der Vergangenheit, da auch sie – zum Zeitpunkt ihrer www.opernhaus.ch/shop Entstehung – revolutionär waren. Diese Errungenschaften bieten auch für extreme zeitgenössische Schöpfer, die sie hinter sich lassen wollen, oder am Vorstellungsabend im Foyer eine solide Plattform. Auch wenn du dich ins Unbekannte aufmachen willst, brauchst du immer noch eine solide Basis, von der du dich lösen des Opernhauses erwerben kannst. So tragen wir alle unser kulturelles Gepäck, das manchmal unsere Be wegung einschränkt und uns manchmal als «Stepping Stone», als Trittstein, dient, so dass wir uns zwischen dem, was war», und dem, «was sein wird», bewegen können. Die Tänzerinnen und Tänzer in «Stepping Stones» tanzen mit Miniatur kopien von Skulpturen – von der Frühgeschichte bis Brancusi – und wer den von ägyptischen Katzen beobachtet, deren blinde Augen etwa 3000 Jahre der Entwicklung des «Homo sapiens» miterlebt haben. Jiří Kylián
ANTON WEBERN Komponist
Anton von Webern – das Adelsprädikat legte er 1918 ab – wurde am 3. Dezember 1883 in Wien als Sohn eines Bergbauingenieurs geboren. In Klagenfurt, wohin die Familie aus beruflichen Gründen gezogen war, besuchte er das Gymnasium. Das Abitur wurde mit einer Reise nach Bayreuth belohnt, ein Beweis für die musikalische Atmosphäre im Elternhaus. 1902 nahm Anton Webern das Studium der Musikwissenschaft an der Wiener Universität auf, das er mit der Promotion abschloss. Ausserdem studierte er Harmonielehre und Kontrapunkt. Während dieser Studienzeit in Wien kam es zu der für sein Leben entscheidenden Begegnung mit Arnold Schönberg. 1904 wurde Webern zugleich mit Alban Berg Schüler Schönbergs. Aus dem Lehrer-Schüler-Verhältnis wurde eine lebens lange Freundschaft von unabsehbaren Folgen für die Musikgeschichte. 1908 übernahm Webern die Stelle eines zweiten Kapellmeisters beim Kur orchester Bad Ischl. Zwölf Jahre lang war er mit kurzen Unterbrechungen als Kapellmeister und Korrepetitor u.a. in Wien, Prag und Danzig tätig, gab aber 1920 diese Tätigkeit auf, um sich in Mödling bei Wien niederzulassen. Seinen Unterhalt verdiente er mit der Leitung von Männerchören und dem Dirigieren von Arbeiter-Sinfoniekonzerten in Verbindung mit der Wiener Bildungsstelle der sozialdemokratischen Partei. Dennoch konnte er sich finanziell kaum über Wasser halten, so dass die Universal Edition, die ihn seit 1920 als Komponist betreute, unterstützen musste. 1927 wurde er Dirigent und Fachberater für Neue Musik beim Österreichischen Rundfunk. Mit dem Einmarsch Hitlers in Österreich, 1938, verlor er alle diese Existenzgrundlagen und geriet in völlige Isolation und Armut. Seine Kompositionen galten als »entartete Musik«. In den letzten Kriegswochen floh Webern vor den anrückenden Russen aus Wien nach Mittersill. Das Kriegsende versprach für ihn die Wende zu bringen, war er doch für eine einflussreiche Tätigkeit beim Wiederaufbau des österreichischen Kulturlebens vorgesehen. Am 15. September 1945 machte der voreilige
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Schuss eines amerikanischen Soldaten seinem Leben ein Ende. Webern war bei Dunkelheit vor die Tür getreten, ohne zu wissen, dass das Haus zum Zweck einer Durchsuchung umstellt war. Das traurige Ereignis wurde von den Ameri kanern als Unfall dargestellt. Unter den drei Grossen der sogenannten Zweiten Wiener Schule war Webern derjenige, der aus der Zwölftontechnik seines Lehrers Schönberg die radikalsten Konsequenzen gezogen hat. Seine äusserste Komprimierung der musikalischen Strukturen wurde in den fünfziger und sechziger Jahren zum Ausgangspunkt des sogenannten seriellen Komponierens. Diese Sechs Bagatellen sind für die Entwicklung Weberns wie der Neuen Musik insgesamt von entscheidender Bedeutung. Nie zuvor wurde so konzentrierte Musik geschrieben, Musik, die so radikal auf alles Nebensächliche, For melhafte, auf alle Floskeln verzichtete. Die Bedeutung selbst des minimalsten Details ist ungeheuer angewachsen; wenige Töne vertreten nun das, wozu in früherer Musik ausgedehnte Durchführungsteile benötigt wurden. Webern selbst hat den Kompositionsvorgang anschaulich geschildert: «Ungefähr 1911 habe ich die Bagatellen für Streichquartett (op. 9) geschrieben, lauter kurze Stücke, die zwei Minuten dauern; vielleicht das Kürzeste, das es in der Musik bisher gegeben hat. Ich habe dabei das Gefühl gehabt: Wenn die zwölf Töne abgelaufen sind, ist das Stück zu Ende. … Ich habe in meinem Skizzenbuch die chromatische Skala aufgeschrieben und in ihr einzelne Töne abgestrichen. – Warum? – Weil ich mich überzeugt hatte: der Ton war schon da. – Es klingt grotesk, unbegreiflich, und es war unerhört schwer. – Das Gehör hat absolut richtig entschieden, dass der Mensch, der die chromatische Skala aufgeschrieben und in ihr einzelne Töne abgestrichen hat, kein Narr war.» Schönberg schrieb im Vorwort zur Partiturausgabe: «Man bedenke, welche Enthaltsamkeit dazu gehört, sich so kurz zu fassen. Jeder Blick lässt sich zu einem Gedicht, jeder Seufzer zu einem Roman ausdehnen. Aber: einen Roman durch eine einzige Geste, ein Glück durch ein einziges Aufatmen auszudrücken: solche Konzentration findet sich nur, wo Wehleidigkeit in entsprechendem Masse fehlt. Diese Stücke wird nur verstehen, wer dem Glauben angehört, dass sich durch Töne etwas nur durch Töne Sagbares ausdrücken lässt.»
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JOHN CAGE Komponist John Cage, 1912 in Los Angeles geboren und 1992 in New York gestorben, war Schüler von Henry Cowell und Arnold Schönberg. Nach Schönberg gibt es in der Geschichte der Neuen Musik nur wenige Komponisten mit einer ähnlichen Bedeutung, nicht nur für die Entwicklung eines neuen Verständnisses der Musik, sondern auch über den Rahmen des eigentlichen musikalischen Schaffens hinaus. John Cage war Philosoph, Maler und Literat. Cage ist die Vaterfigur der modernen Musik, ein friedlicher Revolutionär, der mit seiner Musikphilosophie so ziemlich alle abendländischen Denk- und Hörgewohnheiten aus den Angeln gehoben hat. Viele wesentliche kompositori sche Neuerungen des 20. Jahrhunderts hat er früher verwendet als seine Kolle gen. So hatte er bereits Jahre vor der Musique concrète Pierre Schaeffers und den ersten elektronischen Versuchen Karlheinz Stockhausens Effekte von Elektrogeneratoren in seiner Imaginären Landschaft Nr. 3 verwendet und sich mit aleatorischen Strukturen nach dem Zufallsprinzip beschäftigt, ehe Pierre Boulez sie aufgriff. Mit seiner Denkweise nahm Cage gewissermassen schon in den 40er Jahren die Concept Art der 70er Jahre vorweg. Cages Sonaten und Zwischenspiele für präpariertes Klavier sind keine Sonaten im herkömmlichen Sinne. Dennoch zeigt sich sehr wohl die Beziehung zu einer Tradition, nämlich zu der Domenico Scarlattis (1685-1757), dessen Sonaten Cages Stücken in Länge und Einsätzigkeit ähneln. Der Hörer, der Cages Prinzip des präparierten Klaviers nicht kennt, wird sich wundern, erwartet ihn doch keine eigentliche Klaviermusik: Durch im Inneren der Klaviatur angebrachte Bolzen, Schrauben, Gummis usw. verwandelt sich das Instrument in die psychedelische Version eines Cembalos oder in ein Schlagzeugensemble nach Art der javanischen Gamelanorchester, in dem dann gelegentlich auftau chende, tatsächliche Klavierklänge umso fremdartiger wirken. Was für den Nicht- Eingeweihten auf den ersten Eindruck skurril oder gar albern klingen mag, offen bart jedoch bald seine exotische, gelegentlich auch zerbrechliche Schönheit.
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Sweet Dreams
Choreografie, Bühnenbild und Lichtgestaltung (Konzept)
Jiří Kylián Joke Visser Lichtgestaltung (Realisation) Joop Caboort Musik Anton Webern Kostüme
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Der Apfel als das traditionelle Symbol für Versuchung und Schuld de gradiert den Liebesakt zu einem sündhaften Ereignis. Wie kann man es wagen, ein so tödliches Zeichen in die Wiege eines neugeborenen Kindes zu legen? Und doch gehört der Apfel seit über 2000 Jahren zu den festen Bestandteilen der christlichen Glaubenslehre. Es bleibt uns überlassen, sich damit zu identifizieren oder von dieser vorbestimmten Last zu distanzieren. «Sweet Dreams» wirft einen ironischen Blick auf die komplexe Welt des menschlichen Unterbewusstseins. Diese Welt der geheimen Träume, Aggressionen und Wünsche wird in einem Werk realisiert, das als choreografische Collage absurder apho ristischer Szenen beschrieben werden kann. Doch diese Szenen sind durch ihre eigene innere Logik miteinander verbunden und entziehen sich unserer Einflussnahme. Sie haben ein eigenes Leben und eigene Regeln.
Das komplette Programmbuch können Sie auf Die «Sechs Orchesterstücke» von Webern, die in die Zeitspanne der grossen Depression des Komponisten fallen, die durch den Tod seiner www.opernhaus.ch/shop Mutter verursacht wurde, sind ein Werk von überwältigender Integri tät und Ernsthaftigkeit. Und doch ist es diese Zeit der tiefsten Tragö die, oder am Vorstellungsabend im Foyer die einen Blitz bizarren Humors auslöst. Es sind die schwarzen Wolken, die das Wunder des Blitzes erschaffen und uns erkennen lassen, wie des Opernhauses erwerben dünn die Wand zwischen Verzweiflung und Lachen ist. Unter extremen Bedingungen erscheinen diese gegensätzlichen Welten sogar identisch und lassen uns fragen, wo das Ausmass der Vernunft beginnt oder endet. Dieses Werk mit seiner Musik von widersprüchlichen Aussagen, seltsa men choreografischen Szenen, emotionaler Grimasse und visueller Verzerrung ist inspiriert von Franz Kafka. Sein vieldeutiges Mysterium, sein tödlicher Humor und seine ständige Infragestellung unserer Moral vorstellungen hatten einen entscheidenden Einfluss auf meine Spiri tualität und mein (Miss-)Verständnis der Welt. Jiří Kylián
MUSIKALISCHE PSYCHOGRAMME Anton Weberns «Sechs Orchesterstücke op. 6»
Der Tod seiner Mutter im September 1906 war für den 23-jährigen Webern ein traumatisches Erlebnis, das in seinem Leben und Schaffen tiefe Spuren hinter liess. In den Sommermonaten des Jahres 1909 komponierte er eine Folge von Orchesterstücken, die später unter der Opuszahl 6 publiziert wurden. Wenige Wochen vor der Uraufführung des Werks enthüllte Webern seinem Lehrer Arnold Schönberg das autobiografische Programm der Komposition: «Das erste Stück will meine Stimmung ausdrücken als ich noch in Wien war, bereits das Unglück ahnend, aber doch noch immer hoffend, die Mutter noch lebend anzutreffen. Es war ein schöner Tag, eine Minute lang glaubte ich ganz sicher, es sei nichts geschehen. Erst auf der Fahrt nach Kärnten, es war der nämliche Tag, am Nachmittag, erfuhr ich die Tatsache. Das dritte Stück ist der Eindruck des Duftes der Eriken, die ich an einer für mich sehr bedeutungsvollen Stelle im Walde pflückte und auf die Bahre legte. Das vierte Stück habe ich nachträglich marcia funebre überschrieben. Noch heute verstehe ich nicht meine Empfindungen, als ich hinter dem Sarge zum Friedhof ging.» Der Inhalt dieses privaten Bekenntnisses war offensichtlich nicht für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt. So fehlte bei der Wiener Uraufführung der Sechs Orchesterstücke jeder Hinweis auf die autobiografische Dimension der Musik. Zwei Jahrzehnte verfasste Webern dann eine Programmnotiz zu seinem musikalischen Psychogramm. In dem kurzen Text kommt er auch auf die programmatische Dimension seiner expressionistischen Komposition zu sprechen. Bezeichnenderweise wird diese allerdings vom Autobiografischen ins Allgemeine gehoben: «Die Stücke op. 6 … stellen kurze Liedformen dar, meist im dreiteiligen Sinne. Ein thematischer Zusammenhang besteht nicht, auch nicht innerhalb der einzelnen Stücke. Diesen nicht zu geben, war sogar bewusst an-
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gestrebt: in dem Bemühen nach immerfort verändertem Ausdruck. Um den Charakter der Stücke – sie sind rein lyrischer Natur – kurz zu beschreiben: das erste drückt die Erwartung eines Unheils aus, das zweite die Gewissheit von dessen Erfüllung; das dritte die zarteste Gegensätzlichkeit; es ist gewissermassen die Einleitung zum vierten, einem Trauermarsche; fünf und sechs sind ein Epilog: Erinnerung und Ergebung.» Das scheinbare Missverhältnis von instrumentalem Aufwand und Kürze der Stücke war vermutlich der Anlass zu dem Skandal bei der Uraufführung am 31. März 1913 im Wiener Musikvereinssaal, das als sogenanntes «Watschenkonzert» in die Musikgeschichte einging. Dort konnten Weberns Stücke zumin dest zu Ende gespielt werden, was bei weiteren Nummern des Programms nicht mehr der Fall war. Das Konzert endete im Tumult.
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Sechs Tänze
Choreografie, Bühnenbild, Kostüme und Lichtgestaltung (Konzept)
Lichtgestaltung (Realisation)
Musik
Jiří Kylián Joop Caboort Wolfgang Amadeus Mozart
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Mehr als zwei Jahrhunderte trennen uns von der Zeit, da Mozart seine «Deutschen Tänze» geschrieben hat. Eine historische Periode, die massgeblich von Kriegen, Revolutionen und allen möglichen sozialen Umwälzungen geprägt war. Vor diesem Hintergrund war es mir un möglich, einfach verschiedene Tanznummern zu kreieren, die lediglich den Humor und die musikalische Brillanz des Komponisten widerspie geln. Stattdessen habe ich sechs scheinbar unsinnige Szenen aneinan dergereiht, die ihr Umfeld offensichtlich ignorieren. Über sie legt sich der Schatten der realen Welt, deren Nöte wir in unserem Bewusstsein mit uns herumtragen. Obwohl sich Mozarts «Sechs Tänzen» wegen ihrer unterhaltenden Qualität grosser Beliebtheit erfreuen, sollten sie nicht nur als Burleske betrachtet werden. Ihr Humor sollte vielmehr dazu dienen, auf die Re lativität unserer scheinbar unantastbaren Werte hinzuweisen. Mozarts Fähigkeit, auf schwierige Umstände mit einem selbsterhaltenden Aus bruch unsinniger Poesie zu reagieren, ist bekannt. Die Briefe an seine Cousine belegen das eindrucksvoll.
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop Mozart ist das beste Beispiel für jemanden, dessen Lebensspanne oder am Vorstellungsabend im Foyer schmerzhaft begrenzt war, der aber dennoch das Leben in all seinem Reichtum, seiner Fantasie, Clownerie und seinem Wahnsinn verstanden des Opernhauses erwerben hat. Sein Geist und seine Akzeptanz der Tatsache, dass unser Leben nicht mehr ist als eine Maskerade oder eine Generalprobe für etwas Tieferes und viel Sinnvolleres, haben mich zu diesem Stück inspiriert. Jiří Kylián
«MA TRÉS CHÉRE NIÉCE!» Wolfgang Amadeus Mozart an seine Cousine Maria Anna Thekla Mozart
Ma trés chére Niéce! Cousine! fille! Mére, Sœur, et Epouse! Poz Himmel Tausend sakristey, Cruaten schwere noth, teüfel, hexen, truden, kreüz-Battalion und kein End, Poz Element, luft, wasser, erd und feüer, Europa, asia, affrica und America, jesuiter, Augustiner, Benedictiner, Capuciner, minori ten, franziscaner, Dominicaner, Chartheüser, und heil: kreüzer herrn, Canonici Regulares und iregulares, und alle bärnhäüter, spizbuben, hundsfütter, Cujonen und schwänz übereinander, Eseln, büffeln, ochsen, Narrn, dalcken und fuxen! was ist das für eine Manier, 4 soldaten und 3 Bandelier? – – so ein Paquet und kein Portrait? – – ich war schon voll begierde – – ich glaubte gewis – – denn sie schrieben mir ja unlängst selbst, dass ich es gar bald, recht gar bald bekommen werde. Zweifeln sie vielleicht ob ich auch mein wort halten werde? – – das will ich doch nicht hoffen, dass sie daran zweifeln! Nu, ich bitte sie, schicken sie mir es, je ehender, je lieber. es wird wohl hoffentlich so seyn, wie ich es mir ausgebeten habe, nemlich in französischen aufzuge. Wie mir Mannheim gefällt? – – so gut einen ein ort ohne Bääsle gefallen kan. Verzeihen sie mir meine schlechte schrift, die feder ist schon alt, ich scheisse schon wircklich bald 22 jahr aus den nemlichen loch, und ist doch noch nicht verissen! – und hab schon so oft geschissen – – und mit den Zähnen den dreck abbissen. Ich hoffe auch sie werden in gegentheil, wie es auch so ist, meine briefe richtig erhalten haben. nemlich einen von hohenaltheim, und 2 von Mannheim, und dieser; wie es auch so ist, ist der dritte von Mannheim, aber im allen der 4:te, wie es auch so ist. Nun muss ich schliessen, wie es auch so ist, denn ich bin noch nicht angezogen, und wir essen iezt gleich, damit wir hernach wieder
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scheissen, wie es auch so ist; haben sie mich noch immer so lieb, wie ich sie, so werden wir niemahlen aufhören uns zu lieben wenn auch der löwe rings-herum in Mauern schwebt, wenn schon des zweifels harter Sieg nicht wohl bedacht gewesen, und die tirranney der wütterer in abweg ist geschliechen, so frist doch Codrus der weis Philosophus oft roz für haber Muss, und die Römmer, die stüzen meines arsches, sind immer, sind stehts gewesen, und werden immer bleiben – – kastenfrey. Adieu, j’espére que vous aurés deja pris quelque lection dans la langue française, et je ne doute point, que – – Ecoutés: que vous saurés bientôt mieux le français, que moi; car il y a certainement deux ans, que je n’ai pas ecrit un môt dans cette langue. adieu cependant. Je vous baise vos mains, votre visage, vos genoux et votre – – afin, tout ce que vous me permettés de baiser. je suis de tout mon cœur votre trés affectioné Neveu et Cousin Wolfg: Amadé Mozart Mannheim le 13 Nomv: 1777.
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«WIR MACHEN GSCHWIND EIN TANZERL» Mozart und der Tanz
Musik und Tanz gehörten für Wolfgang Amadeus Mozart untrennbar zusammen. Dass er ein leidenschaftlicher Tänzer war, belegt eine Überfülle von Zitaten aus seinen Briefen. Nicht von ungefähr fand Mozarts erster Bühnenauftritt bereits als Fünfjähriger nicht als klavierspielendes Wunderkind, sondern als Tänzer bei einer Schulaufführung in der Salzburger Universitätsaula statt. Darüber hinaus durchziehen Tänze – für den Ballsaal wie für die Bühne – in grosser Zahl das Köchelverzeichnis, beginnend mit der Nummer 1, einem Menuett des Fünfjährigen, bis zur Nummer 611, einem Deutschen Tanz. Auf seinen Konzertreisen beobachtete Mozart mit wachem Blick das Tanzgeschehen andernorts und berichtete seiner Schwester detailliert darüber. So verspricht er in einem Brief vom 24. März 1770, ihr die Musik eines in Mailand getanzten Menuetts zuzusenden, «nur damit Du daraus siehst, wie langsam die Leute tanzen». Weil in Italien die «menuetti so lang bald als wie eine ganze sin fonie daueren», hätte er dort gerne «den teutschen menuettengusto» eingeführt. Warum Mozart gerade in seinen letzten Lebensjahren relativ viel Tanzmusik geschrieben hat, wie er zu diesen Aufträgen kam und wie sie zu deuten sind, stellt die Mozart-Forschung in vielen Fällen auch heute noch vor ein Rätsel. Die Sechs Deutschen Tänze KV 571, die Jiří Kylián für seine Choreografie verwen det, komponierte Mozart im Fasching 1789. Damals stand ganz Wien unter dem Eindruck des letzten Türkenkrieges der österreichischen Geschichte. Zu «türkischer Musik» zu tanzen, sollte Siegesgewissheit bringen und patriotisches Selbstwertgefühl steigern. In der Oper Così fan tutte, die Mozart im Januar 1790 vollendete, ziehen die Protagonisten in den Türkenkrieg: Mozart hat in seinem Schaffen solche zeitgeschichtlichen Anspielungen nicht verabscheut, sondern ganz offensichtlich geliebt.
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JIŘÍ KYLIÁN Choreograf
Jiří Kylián wurde 1947 in Prag geboren und begann seine Ballettausbildung an der Schule des dortigen Nationaltheaters im Alter von neun Jahren. Mit fünfzehn wurde er ins Prager Konservatorium aufgenommen. Ein Stipendium des British Council ermöglichte Kylián 1967 ein Studium an der Royal Ballet School in London. Ein Jahr später wurde er Mitglied des Stuttgarter Balletts. Als erste choreografische Arbeit entstand Paradox für die Noverre-Gesellschaft. Nach drei Stücken (Viewers, Stoolgame und La Cathédrale engloutie) für das Neder lands Dans Theater wurde er 1975 Künstlerischer Direktor der in Den Haag beheimaten Compagnie. Den internationalen Durchbruch brachte 1978 sein Werk Sinfonietta zur Musik von Leoš Janáček. Aus seiner Zusammenarbeit mit dem Nederlands Dans Theater sind bis heute über 100 Choreografien entstanden, die mittlerweile auf der ganzen Welt zu sehen sind. Kylián choreografierte nicht nur für das NDT, sondern auch für das Stuttgarter Ballett, das Ballett der Pariser Oper, das Bayerische Staatsballett, das Schwedische Fernsehen und das Tokyo Ballett. Neben seiner choreografischen Arbeit schuf er auch neue Strukturen innerhalb des NDT. Zusätzlich zum bereits renommierten NDT I gründete er 1978 das NDT II, eine jüngere Compagnie, die jungen Tänzern den Einstieg ins Berufsleben ermöglicht, und 1991 das NDT III, das in der Tanz geschichte eine Vorreiterfunktion übernahm, da es erstmals eine Compagnie für sehr erfahrene Tänzer und Tänzerinnen über 40 darstellte. 1999 zog sich Jiří Kylián von der Position des Direktors zurück, gab allerdings die enge künstlerische Verbindung zum NDT nicht auf. Bis Dezember 2009 war er der Compagnie weiterhin als Hauschoreograf verbunden. Jiří Kylián hat mit namhaften internationalen Künstlern zusammengearbeitet, u.a. mit den Komponisten Arne Nordheim (Ariadne, 1997), Tōru Takemitsu (Dream Time, 1983), den Desig nern Walter Nobbe (Sinfonietta, 1978), Bill Katz (Symphony of Psalms, 1978), John MacFarlane (Forgotten Land, 1980), Michael Simon (Stepping Stones,
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1991), Atsushi Kitagawara (One of a Kind, 1998), Susumu Shingu (Toss of a Dice, 2005) und Yoshiki Hishinuma (Zugvögel, 2009). In Zusammenarbeit mit dem Filmregisseur Boris Pavel Conen entstand 2006 vor der Kulisse eines tschechischen Braunkohletagebaus der Film CAR MEN. 2010 war Kylián «Mentor in Dance» bei der Rolex Mentor and Protégé Arts Initiative. Für den Film Between Entrance & Exit wurde er 2013 beim Holländischen Filmfestival in Utrecht für den «Gouden-Kalf-Preis» nominiert. Für die Triennale im japani schen Nagoya entstand die Tanz-Film-Produktion East Shadow, welche den Opfern des Tsunamis in Japan gewidmet war. Mit dem tschechischen Regisseur Jan Maliř drehte er Schwarzfahrer (2014) und seinen neuesten Film Scalamare (2017). Für sein Werk wurde Jiří Kylián mehrfach ausgezeichnet. Er ist Offizier des Ordens von Oranje-Nassau, Ritter der französischen Ehrenlegion und Ehrendoktor der Juilliard School in New York. Zwei Mal erhielt er den Prix Benois de la Danse, drei Nijinsky Awards mit dem NDT (Bester Choreograf, Beste Compagnie, Bestes Stück), die Ehrenmedaille des Präsidenten der Tschechischen Republik und 2008 die Ehrenmedaille des Ordens von Oranje-Nassau. 2011 wurde ihm vom tschechischen Kultusminister der «Lifetime Achievement Award» verliehen. Der Dokumentarfilm Forgotten Memories wurde mit dem «Czech Television Award» ausgezeichnet. Aus Anlass seines 70. Geburtstages wurde Jiří Kylián in Den Haag mit dem Festival «Celebrating Kylián!» geehrt und zum Ehrenbürger ernannt. Ausserdem wurde er mit dem «Positano Premia La Danza Léonide Massine Award» für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Im März 2019 wird Jiří Kylián in die Académie des Beaux Arts in Paris aufgenommen, wo er der erste Inhaber des neu geschaffenen Sitzes für Tanz und Choreo grafie sein wird.
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BALLETT ZÜRICH
Christian Spuck Ballettdirektor
Christian Spuck stammt aus Marburg und wurde an der John Cranko Schule in Stuttgart ausgebildet. Seine tänzerische Laufbahn begann er in Jan Lauwers’ Need company und Anne Teresa de Keersmaekers Ensemble «Rosas». 1995 wurde er Mitglied des Stuttgarter Balletts und war von 2001 bis 2012 Hauschoreograf der Compagnie. In Stuttgart kreierte er fünfzehn Urauffüh rungen, darunter die Handlungsballette Lulu. Eine Monstretragödie nach Frank Wedekind, Der Sandmann und Das Fräulein von S. nach E.T.A. Hoffmann. Darü ber hinaus hat Christian Spuck mit zahlreichen namhaf ten Ballettcompagnien in Europa und den USA gear beitet. Für das Königliche Ballett Flandern entstand The Return of Ulysses (Gastspiel beim Edinburgh Festival), beim Norwegischen Nationalballett Oslo wurde Woyzeck nach Georg Büchner uraufgeführt. Das Ballett Die Kinder beim Aalto Ballett Theater Essen wurde für den «Prix Benois de la Danse» nominiert, das ebenfalls in Essen uraufgeführte Ballett Leonce und Lena nach Georg Büchner wurde von den Grands Ballets Cana diens de Montreal und vom Stuttgarter Ballett über nommen. Die Uraufführung von Poppea//Poppea für Gauthier Dance am Theaterhaus Stuttgart wurde 2010 von der Zeitschrift Dance Europe zu den zehn erfolgreichsten Tanzproduktionen weltweit gewählt sowie mit dem deutschen Theaterpreis Der Faust 2011 und dem italienischen Danza/Danza-Award ausgezeichnet. Immer häufiger ist Christian Spuck in jüngster Zeit im Bereich Oper tätig. Auf Glucks Orphée et Euridice an der Staatsoper Stuttgart (2009) folgten Verdis Falstaff am Staatstheater Wiesbaden (2010) sowie Berlioz’ La Damnation de Faust (2014) und Wagners Der fliegende Holländer (2017) an der Deutschen Oper Berlin. Seit der Saison 2012/13 ist Christian Spuck Direktor des Balletts Zürich. Hier waren bislang seine Choreografien Romeo und Julia, Leonce und Lena, Woyzeck und Der Sandmann zu sehen. Das 2014 in Zürich uraufge führte Ballett Anna Karenina nach Lew Tolstoi wurde vom Norwegischen Nationalballett Oslo, am Moskauer Stanislawski-Theater, vom Koreanischen Nationalballett in Seoul und vom Bayerischen Staatsballett ins Repertoire übernommen. Jüngste Projekte in Zürich waren Verdis Messa da Requiem als Koproduktion von Oper und Ballett Zürich sowie das Ballett Nussknacker und Mausekönig. Im Oktober 2018 gelangte sein neuestes Ballett, Winterreise, zur Uraufführung.
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Programmheft BELLA FIGURA Choreografien von Jiří Kylián Premiere am 13. Januar 2019, Spielzeit 2018/19
Herausgeber
Intendant
Opernhaus Zürich Andreas Homoki
Zusammenstellung, Redaktion Michael Küster Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli Titelseite Visual François Berthoud Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing
Schriftkonzept und Logo
Druck
Textnachweise: Das Interview mit Jiří Kylián führte Michael Küster für dieses Programmheft am 13. Dezember 2018 in Den Haag. – Grundlage für die Texte zu den einzelnen Choreografien waren die Ausführungen des Choreografen auf seiner Website: www.jirikylian.com., Übersetzung aus dem Englischen: Michael Küster. – Biografie Anton Webern und Text zu den «Sechs Orchesterstücken»: Harenberg Konzert führer. Dortmund 1996. – Wolfgang Amadeus Mozart: Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe. Hrsg. v. d. Internationalen Stiftung Mozarteum. Erw. Ausgabe mit einer Einführung und Ergänzung von Joseph Heinz Eibl. Bd. 2,
Telefon 044 268 64 14, inserate@opernhaus.ch Studio Geissbühler Fineprint AG
1777-1779. Kassel, Basel, London, New York, Prag 2005. – Alle weiteren Texte zur Musik des Ballettabends verfasste Michael Küster. Bildnachweise: Foto Jiří Kylián (S. 4): Anton Corbijn Gregory Batardon fotografierte das Ballett Zürich bei der Klavier hauptprobe am 5. Januar 2019. Die Compagnie wurde porträtiert von Jos Schmid. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechsabgeltung um Nachricht gebeten.
Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER
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