Boléro / Le Sacre du printemps

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BOLÉRO / LE SACRE DU PRINTEMPS

JOHAN INGER EDWAR D CLUG


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BOLÉRO / LE SACRE DU PRINTEMPS Choreografien von Johan Inger und Edward Clug

Unterstützt von der Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung



Boléro (Walking Mad)

Musikalische Leitung

Jonathan Stockhammer

Choreografie Johan Inger Musik Maurice Ravel, Arvo Pärt

Bühnenbild und Kostüme

Johan Inger

Lichtgestaltung Erik Berglund

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Ich habe mich in meinem Schaffensprozess von einem gefühlsbetonten, konkreten Ausdruck in Richtung Abstraktion bewegt, eine etwas sachlichere Form gewählt, die den Fokus auf die Reinheit der Bewegung legt. Johan Inger



ICH WEISS SELBST NICHT, OB ES EIN TRAUM IST Der schwedische Choreograf Johan Inger im Gespräch mit Michael Küster

Johan Inger, Sie stammen aus Schweden und gelten heute als einer der gefragtesten Choreografen aus Skandinavien. Ist dieses «skandinavisch» in Bezug auf den Tanz eigentlich eine künstlerische Kategorie oder nur eine Marketing-­Erfindung? Genau wie die vielen Referenzen und Erfahrungen aus Kindheit und Jugend, die uns als Menschen geprägt haben, trägt man, glaube ich, auch das Land, aus dem man kommt, in sich. Was die Choreografie betrifft, so stellt sich die Situation für Skandinavien und insbesondere für Schweden sehr übersichtlich dar. Schweden ist ein grosses Land mit relativ wenig Menschen. Ich sehe hier eine Verbindungslinie, die von Birgit Cullberg, der Lichtgestalt des schwedischen Balletts, über Mats Ek zu Choreografen wie mir oder auch Alexander Ekman führt. In unserer Tanzsprache gibt es durchaus so etwas wie einen «Swedish Approach». Woran kann man diesen schwedischen Zugang festmachen? In unserer choreografischen Sprache entdecke ich oft etwas sehr Erdver­bun­ denes und Bodenständiges. Es gibt eine gewisse Einfachheit und Direktheit, die Verkomplizierungen zu vermeiden sucht. Ich empfinde unsere Kunst als sehr «anti-barock», was sicher unseren Traditionen, unserer Volks­ver­ bunden­heit geschuldet ist. Oft findet sich eine Leichtigkeit und ein sehr eigener Sinn für Humor. Ohne nostalgisch zu sein, wohnt dieser choreo­gra­fi­ schen Sprache jedoch auch eine gewisse Schwere inne, eine besondere Art von Melancholie, die verbunden ist mit Gefühlen der Einsamkeit und Dunkel­ heit. Das Ganze ergibt eine sehr spezielle Mischung.

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Nach einem ersten Engagement beim Royal Swedish Ballet waren Sie in den Neunziger Jahren einer der charismatischsten Tänzer des Nederlands Dans Theaters (NDT), das damals vor allem von Jiří Kylián geprägt wurde. Wie findet man in dieser Umgebung zu einer eigenen choreo­ grafischen Sprache? Die wenigsten Choreografen verfügen von Beginn an über einen eigenen Stil, eine unverwechselbare Signatur. Die entwickelt sich meist über einen län­ geren Zeitraum und hängt von den verschiedensten Einflüssen ab. Sie wird in starkem Mass davon bestimmt, was um einen herum passiert und von dem Potential, das man im eigenen Körper trägt. Das Nederlands Dans Theater habe ich damals als ein «Mekka des Tanzes» empfunden. In seiner Blüte­zeit vereinte es drei Compagnien mit einem jeweils eigenen Profil unter einem Dach. In den insgesamt fünf Ballettstudios passierten gleichzeitig die unterschiedlichsten Dinge. Man machte eine Tür auf, und da war William Forsythe. Hinter der nächsten Tür choreografierte Jiří Kylián, im dritten Studio waren vielleicht gerade Ohad Naharin oder Mats Ek mit einer neuen Kreation beschäftigt. Das NDT war ein Schmelztiegel der interessantesten Choreo­ grafen jener Zeit. Ich erinnere mich, wie ich all die verschiedene Einflüsse geradezu aufgesogen habe. Jiří Kylián ist sicher der Choreograf, den ich durch meine tänzerischen Erfahrungen am meisten in meinem Körper trage. «Kyliánesk» ist mein Werk deshalb aber nicht, choreografisch stehen mir Mats Ek oder Ohad Naharin näher.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Wie haben Sie den Schritt vom Tänzer zum Choreografen erlebt? Die Entwicklung in Richtung Choreografie kann ich nicht von meiner tänze­rischen Existenz trennen. Meine erste Choreografie entstand 1995 für das NDT 2, danach habe ich noch bis 2002 in der Compagnie getanzt. Sieben Jahre habe ich also gleichzeitig getanzt und choreografiert. Dabei habe ich viel aus meinem eigenen Tanz herausgezogen. Anders als viele Kollegen habe ich in meinem Tanzen kein Defizit verspürt, das ich mit dem Choreografieren irgendwie kompensieren wollte. Wenn ich Musik hörte, sah ich Bilder vor meinen Augen und entwickelte Ideen dazu. So hat das Choreografieren angefangen. Als ich noch beim Royal Swedish Ballet tanzte, war keine Zeit dafür.

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Aber als ich beim NDT anfing, bin ich buchstäblich in eine andere Welt eingetaucht, weil dort im Grunde alle Tänzer auch choreo­grafiert haben. Da habe ich mir gesagt: Versuch es! Mein erstes Stück war ein zweiminütiges Duett, und ich weiss noch wie heute, dass ich mich nie zuvor so ausgeliefert gefühlt habe, nie einen solchen Adrenalinstoss, nie so viel Angst und Aufregung gespürt habe. Danach war ich wie süchtig nach diesem extremen Gefühl. Nach dem Ende Ihrer tänzerischen Laufbahn haben Sie von 2003 bis 2008 das Cullberg Ballet in Stockholm geleitet, eine Mammutaufgabe… Das stimmt. Das Cullberg Ballet war in Schweden über lange Jahre das Synonym für Tanz schlechthin. Birgit Cullberg hatte es 1967 gegründet. Als Teil des Rijkstheaters tourte die Compagnie jahrelang durch alle Teile des Landes und verhalf dem Ballett als Kunstform zu grosser Popularität. Das Cullberg Ballet war eine wirkliche Marke, und jeder in Schweden hatte irgend­eine Beziehung zu diesem Ensemble oder zur Cullberg-Familie, zu Birgit, ihrem Sohn Mats Ek oder seinem Bruder Niklas, der ebenfalls ein toller Tänzer war. Wann immer man in Schweden über Tanz sprach, kam die Rede irgendwann auf die Cullbergs. Ein grosses Erbe, das man da auf seinen Schultern getragen hat… Diese fünf Jahre waren eine sehr produktive Zeit. Bei jedem neuen Stück machte man im Grunde da weiter, wo man aufgehört hatte. Wir waren sehr kreativ. Dennoch haben Sie sich dann für eine Laufbahn als freischaffender Choreograf entschieden. Tatsächlich kommt diese Arbeitsweise meinem Naturell mehr entgegen. Ich werde nicht abgelenkt von administrativen Verpflichtungen, sondern kann mich voll und ganz auf das Stück fokussieren, das ich erarbeiten möchte. Die Leute freuen sich, wenn ich komme, und aus der Frische jeder neuen Begegnung entsteht viel Energie. Wie hat sich Ihre choreografische Sprache im Laufe der Jahre verändert? Meine ersten Stücke beim Nederlands Dans Theater waren in der Regel

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Teile von dreiteiligen Ballettabenden und durften eine gewisse Länge nicht überschreiten. Ich war sehr an diese kleinteilige Form gewöhnt und habe erst 2015 begonnen, in grösseren Formaten und vor allem auch narrativ zu arbeiten. Das war eine Neuentdeckung für mich. In schneller Folge habe ich zum Beispiel eine Carmen gemacht, habe Peer Gynt, Petruschka und auch einen Don Juan herausgebracht. Das war noch einmal ein wichtiger Schritt und ist bis jetzt jedes Mal eine ganz neue Herausforderung. In meinen Stücken versuche ich, menschlich und vor allem ehrlich zu sein. Ich erlebe sie jedes Mal wie eine Reise, bei der man verschiedene Stationen durchläuft und viel über sich selbst erfährt. Das geht komplette den Tänzerinnen und Tänzern in Ihren Stücken hoffentlich Das Programmbuch ähnlich. Was erwarten Sie von ihnen? Da zu sein, wenn es darauf ankommt und Präsenz zu zeigen. Wenn Tänzer die können Sie auf Essenz eines Stückes, das wir erarbeiten, in sich wiederfinden und sie mit ihrer eigenen Authentizität auf die Bühne bringen, macht mich das glücklich. www.opernhaus.ch/shop Mit Walking Mad tanzt das Ballett Zürich jetzt ein Stück, das bereits oder am 20 Jahre alt istVorstellungsabend und zu einer Art «Signature Piece» von Johanim Inger Foyer geworden ist. Was hat es heute mit Ihnen zu tun? Dasdes Stück hat Opernhauses immer noch eine grosse Bedeutungerwerben für mich, und wahrscheinlich würde es ganz ähnlich aussehen, wenn ich es heute entwickeln würde. Wenn man ein Vierteljahrhundert choreografiert hat, erkennt man im Rück­blick, dass es neben den Erfolgen auch mittelmässige Stücke und vielleicht sogar Flops gegeben hat. Aber zu Walking Mad kann ich auch heute noch stehen, und die Begeisterung, mit der die Tänzerinnen und Tänzer aus den unterschiedlichsten Compagnien dieses Stück tanzen, ist jedes Mal eine schöne Bestätigung.

In Walking Mad verschwinden die Grenzen zwischen Tanz und Theater. Woher kam die Inspiration für dieses Stück? 2001 sollte ich für das Nederlands Dans Theater ein Stück mit Orchester kreieren. Irgendwie fiel mir Maurice Ravels Boléro in die Hände, und ich er-

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innerte mich augenblicklich an einen Fernsehbeitrag, den ich Jahre zuvor gesehen hatte. Noch in Schwarz-Weiss dirigierte Sergiu Celibidache damals das weltberühmte Stück. Nachdem er anfangs noch zurückhaltend und beinahe minimalistisch in seinen Bewegungen war, geriet er mit dem immer weiter anschwellenden Crescendo buchstäblich in Rage. Sein Dirigat wurde immer gestenreicher und extremer, seine Frisur geriet aus der Façon, und am Schluss schien es, als würde Celibidache verrückt werden. Die Art, wie mir die Musik präsentiert wurde, beeindruckte mich vor allem in ihrer Theatralität. So eine Verrücktheit wollte ich in Walking Mad einfangen. Wie ist Ihnen das gelungen? Für die Bühne benötigte ich eine deutliche Brechung des musikalischen Minimalismus’, einen Kommentar dazu, dass die Musik im Grunde nur eine Konstante in dem Stück darstellt. Die bewegliche Wand, die das Bühnenbild bestimmt, ist von symbolischer Gestalt und gab mir die Möglichkeit, mit unterschiedlichen Räumen zu spielen: von offen und gross dimensioniert bis eng und begrenzt. Das war sehr hilfreich bei der Strukturierung des Stückes. Die Hauptdarsteller, drei Tänzerinnen und ein Tänzer, tanzen und spielen in den sich verändernden Räumen. Sie begeben sich auf eine Reise, auf der sie die verschiedensten Stadien zwischen Verrücktheit und Gewalt durchlaufen. Die Wand ist dabei ein wesentlicher Bestandteil der Choreografie. Wo kommen die Hauptdarsteller am Ende ihrer Reise an? Zunächst gibt es einen Mann, der anfangs aus dem Publikum kommt, auf die Bühne tritt und seine eigene Reise beginnt. Er schreitet durch das Stück wie ein Wanderer. Neben ihm wird Walking Mad von drei sehr unter­schiedlichen Frauencharakteren geprägt. Sie haben etwas von Tschechows Drei Schwestern. Ich wollte zeigen, dass jede von ihnen auf irgendeine Weise blockiert ist oder in ihrer Lebenssituation feststeckt. Die Jüngste zum Beispiel braucht ständig Bestätigung und Wertschätzung, um sich gut fühlen zu können. Die Zweite geht sehr zerstörerisch mit sich und den Männern in ihrem Leben um. Aber irgendwie kommen diese beiden Frauen in ihrem Leben weiter, nur der Letzten gelingt das nicht. Sie verharrt im Gestern

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und bleibt, wo sie sich befindet. Im Kontrast dazu sind die Männer – mit einer Ausnahme – eher als Energie, als Masse zu sehen. Sie kreieren im Lauf des Stücks immer neue Situationen. Wie sind Sie mit Ravels Komposition umgegangen, und welche Rolle spielt Arvo Pärts zerbrechliches Klavierstück Für Alina in diesem Kontext? Das ganze Stück war eine grosse Herausforderung für mich. Ich musste mich zu Ravels Musik in Beziehung setzen, verbunden mit den Erwartungen des Publikums und meinem eigenen Wunsch, etwas Unvorhersehbares zu schaffen. Wenn man sich mit dem Boléro beschäftigt, kommt man an der sexuellen Auf­geladenheit dieser Musik nicht vorbei. Deshalb war mir schnell klar, dass ich in meinem Stück über die Mechanismen in den Begegnungen von Män­nern und Frauen erzählen will. Und ich wollte auf keinen Fall mit dem bekannten Boléro-Schluss enden. Das wäre zu einfach gewesen. Jeder weiss ja im Grunde, wie das Stück abläuft. Deshalb war es mir sehr wichtig, die Erwartungs­haltung auf Seiten des Publikums zu unterlaufen. Mit Hilfe der Musik von Arvo Pärt habe ich eine Art Echo kreiert. Nach dem Ende des Boléros bleibt nur noch eine Frau übrig – zur fragilen Musik von Pärts Klavierstück Für Alina. Nicht mutig genug, den Sprung zu wagen, wird die Wand für sie zur unüberwindbaren Grenze.

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Ich habe nur ein Meisterwerk gemacht, das ist der Boléro. Leider enthält er keine Musik. Maurice Ravel





DAS GROSSE CRESCENDO Maurice Ravel: Boléro

Eigentlich muss man dieses Stück nicht vorstellen. Ravels Boléro von 1928 gehört zu den bekanntesten und meistgespielten Werken der gesamten Orchester­ literatur. Seine Beliebtheit reicht weit über die Grenzen der Klassikwelt hinaus – das verraten die zahlreichen Adaptionen, Bearbeitungen. Nachahmungen und Parodien, die vom Boléro inspiriert wurden. 1934 wurde dieses Stück erstmals in einem Spielfilm verwendet. 1939 entstand die erste Jazz-Version. Später wurde der Boléro auch zur Wiener Kabarettnummer, zum Soundtrack für Sexszenen oder zur olympischen Eiskunstlaufmusik. Seine Popularität verdankt sich natürlich seiner konsistenten Motorik, dieser 16 Minuten lang unerschütterlich durchgehaltenen Bolero-Schlagfigur, die gelegentlich sogar als «Rhythmus des Geschlechtsakts» umschrieben wurde. Der betonte Rhythmus spricht sogar ein Publikum an, das ansonsten eher Rock und Pop bevorzugt. Es heisst, der Boléro sei 1968 auch eine der wichtigsten Inspirationen bei der Entstehung des Hardrock gewesen. Der grosse und unmittelbare Erfolg des Boléro war nicht unbedingt zu er­warten – am meisten überraschte er wohl den Komponisten selbst. Ravel hielt es im Vorfeld für unwahrscheinlich, dass sich viele Orchester dieser Musik annehmen würden. Er nannte sein Stück zwar sein «Meisterwerk», aber es enthalte ja «keine Musik», denn es sei ohne Form, ohne Entwicklung, praktisch auch ohne Tonartwechsel. Der Komponist beschrieb es als ein spezielles «Experiment», ein grosses «Crescendo». Denn im Grunde besteht der Boléro nur aus einer einzigen Melodie und einer einzigen melodischen Variante dazu. die beide immer wieder abwechselnd erklingen, in der Regel jeweils zweimal hinter­ einander. Insgesamt neunmal ist die Hauptmelodie zu hören, ebenfalls neunmal die tonal etwas freiere Zweitmelodie.

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Was sich verändert im Lauf dieses Stücks, das sind allein die Dynamik und die Instrumentierung. Ravel, der geniale Kolorist, gibt jeder Wiederholung seiner Melodie eine neue Klangfärbung oder Klangmixtur. Am Anfang steht die Querflöte allein. Die Musik beginnt wie aus dem Nichts, bei der ersten Wiederholung übernimmt die Klarinette, dann beim ersten Erklingen der Zweitmelodie das Fagott – und so weiter. Auch Saxofone in verschiedenen Grössen sind beteiligt – das Saxofon war 1928 gross in Mode, war Inbegriff von Jazz und Erotik. Kurz vor der Entstehung des Boléro hatte Ravel eine Gastspielreise durch Nordamerika unternommen und dort auch manchen Saxofonisten gehört. Im letzten Drittel des Stücks treten dann die Geigen dominant hinzu und mischen sich mit einer immer wieder anderen Bläserkombination, der Klang wird immer mächtiger, die Lautstärke schwillt kräftig an. Zeitgenössische Kritiker sprachen von einem «dynamisch-koloristischen Illusionsakt» (Adorno) und einem «Beleuchtungswunder» (Stuckenschmidt). Dennoch entstanden sehr früh auch diverse Bearbeitungen für Klavier – für zwei Hände oder vier Hände oder zwei Flügel. Die dynamische Steigerung und der insistierende Rhythmus des Boléro machten offenbar auch ohne das Klangfarbenspiel einigen Eindruck. Den Anstoss zur Entstehung des Boléro verdanken wir Ida Rubinstein (1885-1960). Die russische Tänzerin war in den 1920er Jahren ein Star – eine Symbolfigur der modernen Bühnentanzkunst. Berühmt wurde sie vor allem durch ihre erotischen Tanzdarstellungen von Verführerinnen wie Salome, Kleopatra oder Scheherazade. Von Ravel wünschte sie sich 1927 ein Ballett mit spanischer Schlagseite. Dass Ravel eine Schwäche für spanische Rhythmen und Melodien hatte, war allgemein bekannt – seine Mutter war im Baskenland gebo­ ren. «Als ich noch ein Baby war, sang meine Mutter mich immer mit baskischen oder spanischen Liedern in den Schlaf», erzählte er einmal. Zu seinen bis dahin bekanntesten «spanischen» Werken gehörten das Orchesterstück Rapsodie espagnole und die Oper L’Heure espagnole. Für die Rubinstein wollte (oder sollte) er ursprünglich die Klaviersuite Iberia (1909) von Isaac Albeniz bearbeiten – Ravel galt ja als Meister der Orchestrierung. Seine symphonische Version (1922) von Mussorgskys Klavierzyklus Bilder einer Ausstellung hatte für viel Aufsehen gesorgt.

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Als Ravel jedoch feststellte, dass bereits eine Orchesterfassung von Iberia im Umlauf war, nahm er von dem ursprünglichen Plan Abstand und beschloss, stattdessen ein eigenes Stück zu schreiben. Am Klavier erfand er ein Thema, von dem er das Gefühl hatte, dass es einige Male wiederholt werden könnte, ohne zu langweilen. Anfangs wollte er sein Stück Fandango nennen. Dann jedoch entschied er sich für den Rhythmus des Boleros, eines spanischen Tanzes, der im 18. Jahrhundert aus dem Fandango entwickelt wurde und in der Regel mit Kastagnetten begleitet wird. Für die rhythmische Akzentuierung des langsamen Dreivierteltakts notierte Ravel eine zweitaktige Figur mit markanten Triolen. Sie erklingt im Boléro mehr als 150-mal hintereinander auf der Kleinen Trommel, ganz allmählich immer lauter werdend – ein fast mechanisch wirkendes Ostinato. Tatsächlich wünschte sich Ravel als Szenen-Hintergrund eine Fabrik, die Assoziation von Maschinen. Die ständige, dynamisch anschwellende Wiederholung von Rhythmus und Melodie besitzt freilich auch etwas von einer Beschwörung, einer Trance-Musik, einer spirituellen Ekstase. Die Uraufführung des Balletts Boléro war ein kleiner Skandal. Schwer zu entscheiden, ob das mehr an der provokanten Musik lag, deren Melodie sich nur ständig wiederholt, um am Höhepunkt einfach abzubrechen, oder doch mehr an der anrüchig-erotischen Ballett-Darstellung. Wie es heisst, tanzte die Rubinstein, damals 43 Jahre alt, den Boléro auf unmissverständlich laszive Weise, auf der Bühne eingekreist von 20 jungen Männern. Auch in der Rezeptionsgeschichte von Ravels Stück sind Musik und Konnotation kaum zu trennen. Der Kritiker H. H. Stuckenschmidt schrieb 1958: «Ein Wesensmerkmal der Ravelschen Musik ist ihre Hautsinnlichkeit, ihre Paarungs-Besessenheit. Sie ist klanggewordener Eros wie kaum noch eine andere. Mit dem Boléro hat Ravel erotisch das Publikum der Welt erobert.»

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EINE GLÄSERNE TONSKULPTUR Arvo Pärt und sein Klavierstück «Für Alina»

Arvo Pärt, geboren 1935 im estnischen Paide, studierte am Konservatorium in Tallin und erregte mit seiner seriellen Komposition Nekrolog für die Opfer des Faschismus in den Sechziger Jahren grosses Aufsehen. Ein Kompositionspreis ermöglichte ihm die Fortsetzung seines Studiums in Moskau, ab 1968 arbeitete er als freischaffender Komponist. Ende der 70er Jahre ging er nach Wien und kam über ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nach Berlin. Seine Werke repräsentieren sehr unterschiedliche stilistische Phasen: die frühe Collage über B-A-C-H zeigt eine mit persönlichen Akzenten durchsetzte Reihentechnik, die Dritte Sinfonie etwa ist ein Ergebnis der Auseinandersetzung mit Gregorianik und früher Polyphonie, und Tabula Rasa ist ein Hauptwerk seines charakteristischen Tintinnabuli (Glocken)-Stils. Arvo Pärt zählt heute zu den meistaufgeführten Komponisten der Gegenwart und wurde 2014 mit dem japanischen Praemium Imperiale, dem «Nobelpreis der Künste» ausgezeichnet. Mit dem Klavierstück Für Alina beendete Pärt 1976 ein fast zehnjähriges kompositorisches Schweigen: er hatte seine neue Welt mit ihrer schlich­ten, an Sekunde und Dreiklang orientierten Stimmführung und ihren ein­fachen, klaren Zahlenverhältnissen gefunden. Das Stück wirkt wie ein zerbrechliches Gebilde aus tropfenartigen Klaviertönen – eine Tonskulptur, gläsern, sich jeder Entwicklung versagend, wie eingeschlossen in einem Kokon, in dem die Luft des musi­ kalischen Atems dünn wird. Johan Inger lässt dieses Klavierstück in Walking Mad auf den Boléro folgen, den er überraschend unterbricht – als Nachgang auf die «Nicht-Musik» von Ravel.

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JOHAN INGER Choreograf

Johan Inger wurde 1967 in Stockholm geboren und absolvierte seine Ausbildung an der Royal Swedish Ballet School und an der National Ballet School in Kanada. Von 1985 bis 1990 tanzte er am Royal Swedish Ballet in Stockholm. Fasziniert vom den Werken Jiří Kyliáns, wechselte er 1990 nach Den Haag zum Nederlands Dans Theater und blieb der Compagnie bis 2002 als Tänzer verbun­ den. Mit Jiří Kylián als Mentor, der früh sein Talent fürs Kreieren entdeckte, realisierte Johan Inger im Jahre 1995 seine erste Choreografie Mellantid für das NDT 2. Diese wurde mit grossem Erfolg beim Holland Dance Festival ge­ zeigt. Nach seinem Debüt entstanden zahlreiche weitere Arbeiten für das Neder­ lands Dans Theater, die mit namhafte Preisen ausgezeichnet wurden. 2003 verliess Inger Holland und übernahm die künstlerische Leitung des Cullberg Balletts in Schweden. Diese Funktion hatte er bis 2008 inne. Von 2009 bis 2015 war er Associate Choreographer beim Nederlands Dans Theater. Seit 2009 ist Johan Inger als freischaffender Choreograf auf der ganzen Welt unterwegs. Seit 2015 sind zahlreiche Handlungsballette entstanden, darunter Le Sacre du printemps, Carmen, Peer Gynt und Petruschka. Johan Ingers Stücke werden rund um den Globus getanzt, unter anderem am Nederlands Dans Theater, Cullberg Ballet, GöteborgsOperans Danskompani, Royal Swedish Ballet, Ballett Basel, The Norwegian National Ballet, Compania Nacional de Danza, Les Ballets de Monte Carlo, Aterbaletto, Ballett des Staatstheaters Nürnberg, Ballett des Saarländisches Staatstheater Saarbrücken, Staatsoper Hannover, Ballet du Rhin, Hungarian National Ballet, Semperoper Dresden, Aalto Ballett Essen, Hessisches Staatstheater Ballett, Finnish National Ballet, Hubbard Street Dance, Cedar Lake, National Dance Company Wales, Icelandic Dance Company, am Staatstheater Mainz, beim Ballett Bern und beim Ballett des Capitole de Toulouse. Für sein Ballett Carmen wurde Johan Inger 2016 mit dem «Prix Benois de la Danse» ausgezeichnet.

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Le Sacre du printemps Igor Strawinsky

Musikalische Leitung

Jonathan Stockhammer

Choreografie Edward Clug

Bühnenbild

Kostüme

Lichtgestaltung

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Marko Japelj Leo Kulaš Martin Gebhardt






Während ich den «Sacre» komponierte, sah ich das Schauspiel vor mir als eine Folge ganz einfacher rhythmischer Bewegungen, die von blockartig gebauten Gruppen ausgeführt werden, so dass ein unmittelbarer Eindruck auf den Zuschauer entsteht. Alle überflüssigen Einzelheiten, alle Verwicklungen, die den grossen Eindruck hätten abschwächen können, sollten verbannt sein; nur für den Sakralen Tanz, mit dem das Werk endet, war eine Solotänzerin vorgesehen. Igor Strawinsky


LE SACRE DU PRINTEMPS Ein junges Mädchen wird geopfert, um den Gott des Frühlings günstig zu stimmen. In einem heidnischen Ritual tanzt sich die Opferjungfrau zu Tode.

Musikalischer Ablauf Erster Teil: Die Anbetung der Erde Introduktion Die Frühlingsauguren. Tänze der jungen Mädchen Spiel der Entführung Frühlingsreigen Spiel der wetteifernden Städte Auftritt des weisen Alten Anbetung der Erde. Der weise Alte Tanz der Erde

Zweiter Teil: Das Opfer Introduktion Geheimnisvolle Kreise der Mädchen Verherrlichung der Auserwählten Anrufung der Ahnen Weihevolle Ahnenfeier Heiliger Tanz. Die Auserwählte

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DIE MACHT DES URSPRÜNGLICHEN Edward Clug im Gespräch über seine Annäherung an «Le Sacre du printemps»

Edward Clug, Igor Strawinskys Le Sacre du printemps ist ein Meilenstein für die Musik-, aber besonders auch für die Tanzgeschichte. In beiden Kunst­formen gibt es ein «vor» und ein «nach» Sacre. Was bedeutet dir dieses Opus magnum? Immer wieder bin ich davon fasziniert, wie sich in Strawinskys Werk die gesamte Entwicklung der Musik im 20. Jahrhundert spiegelt. Le Sacre du printemps ist bei der Uraufführung 1913 im Pariser Théâtre du Châtelet wie ein Meteorit aus dem All ins Herz der bürgerlichen Musikkultur einge­ schlagen. Noch heute freue ich mich an den Augenzeugenberichten dieser Aufführung, die als einer der grössten Skandale in die Musikgeschichte eingegangen ist. Das Spannende liegt für mich vor allem im charakteristischen Wechselspiel der Bewegungszusammenhänge. Strawinskys Musik ist tönende Bewegung, auch wenn die ständigen metrischen Wechsel und die kompli­ zierten rhythmischen Überlagerungen einer tänzerischen Umsetzung erst einmal zu widersprechen scheinen. Dass das jedoch absolut kein Gegensatz ist, haben herausragende Umsetzungen in den letzten einhundert Jahren eindrucksvoll bewiesen. Zum 100 -jährigen Sacre-Jubiläum, das die Musikwelt 2013 begangen hat, konnte ich der Versuchung, mich selbst mit dem Früh­lings­opfer auseinanderzusetzen, nicht länger widerstehen. Die Geschichte von Le Sacre du printemps ist natürlich auch eine Historie seiner Choreografen. Wie präsent ist diese Rezeptionsgeschichte in deiner Choreografie? An den vielen Versionen, die seit 1913 entstanden sind, lässt sich die Tanz­ge­

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schichte der letzten 100 Jahre verfolgen. Am meisten haben mich die Um­ setzungen von Pina Bausch (1975) und Maurice Béjart (1959) beeindruckt. Béjart hat auf sehr ursprüngliche Weise das Erwachen der Liebe zwischen Mann und Frau in aller Körperlichkeit gezeigt. Pinas sehr thea­tralische Lesart drang in noch tiefere, allgemein menschliche Dimensionen vor. Mein Zugang zu Sacre verlief jedoch zunächst einmal nur über die Musik. Geradezu magnetisch hat sie mich angezogen und regelrecht herausgefordert. Lange bevor ich daran dachte, Choreograf zu werden. Da ist dieser unerklärliche Moment, wo man diese Musik in seinem Bauch spürt, als würde einem als lebenslangem Vegetarier plötzlich ein saftiges Steak vorgesetzt werden. Ich habe versucht, mich von allen Versionen frei zu machen. Einzig aus der Uraufführungsfassung von Vaslav Nijinsky habe ich zwei Elemente über­ nommen: die Bärte der Männer sowie die Zöpfe und Wangenbemalung der Frauen. Nijinskys Fassung erscheint mir bis heute sehr hermetisch und in gewisser Weise unantastbar. Ein Universum, das sich nicht von allein öffnet. Es wirkt wie eingefroren, als würde es auf die Jahre warten, die da kommen und einen bis dahin zur Zwiesprache mit seinem Schöpfer auffordern.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder im Foyer Lässtam sich nachVorstellungsabend einer über einhundertjährigen Aufführungsgeschichte überhaupt noch etwas Neues zum Thema Sacre sagen? Diedes Herausforderung liegt sicher darin, dass man diese Aufführungstradition Opernhauses erwerben mitdenken, sich aber letztlich von ihr lösen muss. Wie bei Nijinsky ist auch mein Ausgangspunkt die heidnische Legende, die ich jedoch in meine Umgebung übersetze. Natürlich denken wir bei Sacre sofort an die grossen, machtvollen Momente, in denen die ganz ursprüngliche Kraft des Rhyth­ mischen so eindrucksvoll zum Tragen kommt. Doch daneben existieren eben auch ganz poetische, ja fast zärtliche Passagen. Mich hat im Sacre-Kontext vor allem die Figur der Auserwählten – der Geopferten – interessiert. In meiner Choreografie wird sie gleich zu Beginn des Balletts vorgestellt. Man weiss sofort, wer sie ist, und wie auf einer Reise begleiten wir sie von diesem Moment bis zu ihrem letzten Atemzug. Das ist ein Unterschied zur Originalversion, wo im ersten Teil ja erst einmal die Rituale der rivalisierenden heidnischen Stämme thematisiert werden. Bei uns ist die Entscheidung über

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das Opfer bereits gefallen, wenn sich der Vorhang öffnet. Die Auserwählte sondert sich selbst aus der Gruppe ab, sie wird – das erscheint mir ganz wichtig – nicht zu der Opferhandlung gezwungen. Sie hat eine bewusste Entscheidung getroffen, die von Furcht und Stolz gleichermassen geprägt ist. Für sie ist es eine Ehre, die Auserwählte zu sein. Mir kam es darauf an, dass wir die Sacre-Reise aus der Perspektive dieser Frau antreten. Erkennbare Situationen versetzen uns in die Lage, ihrer letzten Reise durch das gesamte Stück zu folgen und eben nicht nur im letzten Solo. Wenn der Auserwählten von zwei Frauen die Zöpfe entflochten werden, ist das ein sehr ergreifender Moment. «Du bist keine von uns mehr», scheinen sie zu sagen, aber dieses Entflechten der Zöpfe hat eine so grosse Zärtlichkeit und geschieht so behutsam, dass jenes Sich-Aufopfern in einem anderen Licht erscheint. Sein Leben für eine Gemeinschaft hinzugeben, und sei es auch nur einen Teil davon, scheint am Beginn des 21. Jahrhunderts kein sehr populäres Thema zu sein. Im Gegensatz zu dem vorzeitlichen Ritual des Sich-Opferns, von dem Stra­win­sky und Nikolai Roerich in ihrem Ballett erzählen, erleben wir heute, wie sehr sich die privaten Interessen des Einzelnen vor das Wohl einer Ge­­­mein­schaft stellen. Wir wollen nichts abgeben, nichts teilen, nichts ver­­­­lieren. Und mit Blick auf unseren Planeten müssen wir feststellen, dass wir an­statt ihr zu opfern, die Erde selbst zum Opfer auserkoren haben. Für ihre Frucht­bar­keit sind wir heute bereit, fast jeden Preis zu zahlen und sägen so an dem Ast, auf dem wir sitzen. Dennoch lag es mir fern, Sacre auf einen Kommentar zur Umweltproblematik herunterzubrechen. Als Choreograf stand für mich das Archaische der heidnischen Legende im Vordergrund. Wenn jemand natürlich meint, Parallelen zu unserer Gesellschaft zu entdecken, übernehme ich dafür keine Verantwortung. (lacht) Also wirklich gar keine Verbindung ins 21. Jahrhundert? In Sacre-Aufführungen mit ihren sehr archaischen Bildern realisiert man eigentlich immer, dass wir nicht so fern von den heidnischen Riten, den blu­tigen Ritualen aus der vermeintlich grauen Vorzeit sind. Sie liegt näher,

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als uns lieb ist. Am Beginn meiner Beschäftigung mit dem Frühlingsopfer gab es zwar einige Ideen, Sacre mehr im Heute zu verankern. Doch wenn man einmal anfängt, sich zu dieser Musik zu bewegen und versucht, eine be­stimmte Essenz herauszufiltern, eliminiert sich jede überflüssige Information fast von selbst. Man kommt auf das Einfachste und Ursprünglichste zurück. Also kein Platz für ölverschmierte Möwen! Die Kraft der Musik, aber auch die tänzerische und darstellerische Stärke meiner Tänzerinnen und Tänzer hat mir geholfen, mich von überflüssigem Ballast zu befreien. Zur «Anbetung der Erde», wie der erste Teil in Strawinskys Partitur betitelt ist, ergiesst sich in deiner Choreografie Wasser auf die Bühne. Am Anfang habe ich, ehrlich gesagt, noch gar nicht gewusst, dass wir Wasser benutzen würden. Das hat sich erst im Prozess des Choreografierens so ergeben. Als wir beim «Tanz der Erde» angekommen waren, hat mir die Musik gesagt, dass da etwas vom Himmel fallen müsse. Mir war nicht klar was. Wir haben dann verschiedene Möglichkeiten durchgespielt, und plötzlich er­gab das Wasser Sinn, weil es sich ganz aus der Geschichte entwickelt: Wasser als das fruchtbringende und reinigende Element in all seiner Gewalt! In der Introduktion zum zweiten Teil, dem lyrischsten und innigsten der gesamten Sacre-Partitur, kann es dann aber auch eine poetische Qualität entfalten, wenn die Mädchen schwanengleich über das Wasser gleiten.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Wie gehen die Tänzer mit diesem für sie auf der Bühne eher ungewohnten Element um? Am unangenehmsten ist sicher, dass sich das warme Wasser, das da herab­ge­ schüttet wird, in kürzester Zeit abkühlt. Ein Stück in diesem kalten Nass kreieren und darin tanzen zu müssen, ist – zugegeben – keine sonderlich angenehme Erfahrung. Der Begriff Sacre bekommt da also noch einmal eine ganz neue Bedeutung. Gerade wenn man weiss, wie empfindlich Tänzer normalerweise reagieren können. Da reicht manchmal nur ein Tropfen Wasser, um den Ausnahmezustand nach dem Motto: «Ich tanze nicht!» hervorzu­ rufen. Hier sind es nun gleich 120 Liter, die auf die Tänzer hinunter prasseln. Dass sie das ertragen, hat meinen allergrössten Respekt. Sich auf solch einem

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ungewohnt rutschigen Untergrund bewegen zu müssen, ist eine Heraus­ forderung. Tänzer sind es gewöhnt, mit äusserster Selbstkontrolle zu agieren. Diese Fähigkeit funktioniert zwar auch auf dieser völlig unberechenbaren Oberfläche, aber durch das Wasser kommt ein Element des Risikos und der Unsicherheit in die Aufführung, das ihr etwas sehr Natürliches verleiht und die Aufmerksamkeit ein wenig von der überstarken Musik abzieht. Es ist ein bisschen, als würde sich durch das Wasser eine gewisse Balance des Stückes herstellen. Schon in deinen anderen Zürcher Arbeiten hast du Elemente des Bühnen­ bildes für die Choreografie nutzbar gemacht. Ob Schneehaufen oder quer über die Bühne gespannte Saiten: Die Tänzer werden provoziert, sich zu einem Bühnenbild in Beziehung zu setzen. Im Fall von Sacre hat mich die Musik regelrecht dazu herausgefordert. Stra­win­sky scheint die ganze Zeit sagen zu wollen: Lasst uns nicht ruhen! Aber es stimmt. Solche Momente interessieren mich in all meinen Cho­­ reografien: Bis wohin kann man gehen, wie weit kann man eine Idee ausreizen und aus ihr ungewohnte Kraft schöpfen? Tanz ist eine Abfolge sich bewe­ gender Bilder. Nur das genaue Timing dieser sich verändernden Sequenzen lässt sie natürlich und glaubwürdig erscheinen. Wie besetzt man ein Ballett wie Le Sacre du printemps? Wie jede andere Entscheidung, die im Zusammenhang mit Sacre getroffen werden muss, ist das ein sehr instinktiv verlaufender Prozess. Was will ich? Solisten mit starken Persönlichkeiten oder Tänzer, die sich sehr gut in eine Gruppe einfügen? Die Kombination aus beidem wäre ideal. Bei einem Ensemblestück wie Sacre finde ich eine Gemeinschaft, die wirklich aus verschiedenen Individualitäten besteht, spannender als ein uniforme Masse. Es gibt zwar Momente, in denen die Tänzer unisono auftreten müssen, aber die anderen Momente sind mir ebenso wichtig. Die Masse ist nicht grau! Deine Sacre-Choreografie kam 2012 beim von dir geleiteten Slowenischen Nationalballett in Maribor heraus. Wie wird sich die neue Zürcher

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Version von der damaligen Fassung unterscheiden? Ich bin sehr stolz, dass Christian Spuck dieses Stück ins Repertoire des Balletts Zürich übernimmt. Ich mag diese Choreografie sehr und freue mich, jetzt noch einmal daran zu arbeiten. Ich bin vier Jahre älter geworden und schaue aus einer anderen Perspektive auf dieses Stück. Die Antworten auf einige Fragen, die damals offen geblieben sind, kommen erst jetzt. Die Grund­ struktur aus Maribor behalte ich bei, aber ich bin sehr froh über die Gelegenheit, einige Momente noch einmal überdenken und schärfen zu dürfen. Das können einzelne Bewegungen sein, aber auch musikalische Situationen, die nach anderen choreografischen Lösungen verlangen und das Ganze organischer, natürlicher und überzeugender machen. Und natürlich ist so eine Wiederbegegnung immer auch an die jeweiligen Tänzer gebunden. Ihre Persönlichkeiten und tänzerischen Qualitäten rufen nicht selten ganz unerwartete Lösungen hervor.

Das komplette Programmbuch können Sie auf Was ist das Fazit deiner kreativen Auseinandersetzung mit Strawinskys www.opernhaus.ch/shop Musik? Es hat mich überrascht, wie stark ich beim Choreografieren das Diktat seiner oder am im Musik gespürt Vorstellungsabend habe. Man merkt in jedem Moment, dass die Musik nicht Foyer nur tänzerische Aktionen begleiten will, sondern selbst deren Quelle, also der Ursprung Tanzes ist. Die Schwierigkeit für denerwerben Choreografen liegt desdes Opernhauses darin, den Kontrapunkt zu dieser Musik zu finden. Natürlich könnte man der Musik einfach folgen oder sie als Krücke benutzen. Doch Choreografie ist Freiheit. Man darf sich nicht zum Sklaven der Musik machen. Man muss im richtigen Moment die richtigen Prioritäten setzen und nicht versuchen, die Musik zu übertrumpfen. In einigen Situationen habe ich mich als Choreograf aus einem anderen Blickwinkel gesehen. Es ging da plötzlich nicht mehr um mich. Nicht um den Versuch, sich etwas zu beweisen oder jemanden zu beeindrucken. So, als würde man sich ganz in der Musik auflösen. Das Gespräch führte Michael Küster

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FIEBER, SEX UND ZUKUNFT Paris, 29. Mai 1913: Die Uraufführung des Balletts «Le Sacre du printemps» wird zum Musikskandal des Jahrhunderts. Volker Hagedorn

Eine Woche danach bekommt er hohes Fieber, das Thermometer zeigt 41 Grad. Der Doktor verschreibt kalte Bäder, aus St. Petersburg kommt eilends seine Mutter nach Paris gereist, seine Frau Katya zieht zu ihm ins Spital. Vielleicht hat Strawinsky im Larue eine verdorbene Auster gegessen. Vielleicht ist das Fieber aber auch die messbare Folge der kaum zu messenden Hitze, die der 31-­jährige Komponist mit der Uraufführung seines jüngsten Werkes freigesetzt hat, einer Explosion der Gegenwart, einem Sprung ins völlig Neue, grösser vielleicht, als er selbst weiss, und wovon er nur die ersten Minuten im Parkett ge­hört und ge­sehen hat. Wutentbrannt, entsetzt ist er auf die Seitenbühne geflohen vor dem Spott im Publikum, aus dem ein Aufruhr wurde an jenem 29. Mai 1913 im Théâtre des Champs-Élysées. Ein Skandal? Der Skandal. Der Dirigent Pierre Monteux hatte es schon ein Jahr zuvor kommen sehen, als ihm Strawinsky in einem winzigen Probenraum in Monte-Carlo Teile daraus am Klavier vorgespielt, ja hingehauen hatte. «Er hatte gerade erst angefangen, da war ich schon sicher, dass er komplett wahnsinnig war. Ohne die Orchesterfarbe, die eine seiner grössten Stärken ist, wurde die Rohheit des Rhythmus deutlich, die Primitivität. Die Wände wackelten, als Strawinsky hämmerte, gelegentlich mit den Füssen stampfend, auf und nieder springend.» Aber Monteux, der noch Brahms persönlich gekannt hatte, nahm die Herausforderung an. Einer jener Künstler, ohne die Le Sacre du printemps weder entstanden, noch im richtigen Moment auf die Welt gekommen wäre.

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Es ging nicht nur um Kunst. Man spürte allenthalben, erinnerte sich später Stefan Zweig, «dass eine Revolution oder zumindest eine Umstellung der Werte im Anbeginn war». 1913 ist das Jahr, in dem Marx’ Kapital als Volksausgabe erscheint; Strawinskys Heimat, das zaristische Russland, wird von Attentaten, Streiks, Demonstrationen erschüttert. Strawinsky schrieb einem Bruder von der «gewaltigen Revolution, die unausweichlich kommen wird» und vor der er keine Angst habe. Doch als er 1906 stundenlang in einer Massendemonstration festgesteckt hat, weiss er, «dass 70 Jahre nicht genügen werden, um die Erinne­ rung an meine Angst zu löschen». Wohlbehütet ist er gross geworden, geboren 1882 als dritter von vier Söhnen des Fjodor Ignatjewitsch Strawinsky, Solist an der Kaiserlichen Oper St. Peters­burg und Abkomme polnischer Landbesitzer. Dessen Frau, Igors Mutter, ist die Tochter eines Beamten, musikalisch gebildet, eine gute Pianistin. Zu den Wunderkindern zählt Igor nicht. Er muss Jura studieren, der im Zarenreich üb­ li­­che Weg zum Beamtenposten. Als der 20-Jährige dem grossen Nikolai Rim­ski-­ ­Korsakow ein paar Kompositionsversuche vorspielt, rät der ihm nur, privat fleissig weiterzustudieren. Einen Sommer später bringt Rimski auf seinem Landsitz dem Jüngling immerhin den Sonatenhauptsatz bei und die Orchestrie­r ung. Der Leistungsnachweis des 23-Jährigen, eine Sinfonie in Es-Dur, bewegt sich solide und wie gefesselt im Schatten Tschaikowskis, mit einem Hauch Meister­singer. In einem Kammermusikzirkel lernt Strawinsky Musik aus Frankreich kennen, von der Rimski wenig hält: Dukas und Debussy, Franck und Fauré. Das hat Folgen. Ein Scherzo fantastique spielt virtuos und rhythmisch elegant mit den Farben des Orchesters. Alexander Siloti, ein Schüler von Franz Liszt, dirigiert es am 6. Februar 1909 in einem seiner Petersburger Sinfoniekonzerte. Dieser Februartag ist entscheidend. Während der ältere Kollege Alexander Glasunow «kein Talent, nur Dissonanz» gehört haben will, wird ein anderer Kon­zertbesucher hellhörig: ein beleibter Mittdreissiger mit grossem Kopf und schläfrigen Augen. Jeder hier kennt ihn: Bis vor wenigen Jahren hat Sergej Dia­ ghi­­lew die Welt der Kunst geleitet, eine Kulturzeitschrift, die Russland als Teil Europas sieht, die auch über französische Impressionisten und die Wiener Sezes­ sion berichtet. Djaghilew gilt als Alleskönner seit er in Paris erfolgreich Aus­stel­ lun­gen russischer Kunst und Konzerte mit russischer Musik organisiert hat.

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Jetzt will der Impresario auch russische Tänzer an die Seine bringen. Er fragt Strawinsky, ob er für diese Ballets russes ein paar Klavierstücke von Chopin in­ stru­mentieren könnte. Im Mai 1909 wird das Chopin-Ballett des jungen Komponisten in Paris gefeiert; er selbst ist nicht dabei. Er hat sich eingerichtet, hat ein Haus gebaut, geheiratet, Katya, eine Cou­ sine. Er ist Vater geworden und fängt eine Oper an. Wäre es so weitergegangen, dann kennte man Strawinsky heute, wenn überhaupt, als einen sowjetischen Komponisten im Schatten Prokofjews und Schostakowitschs. Erst die Aufforde­ rung zum Tanz setzt Strawinskys ganze Begabung frei. «Seht ihn euch an», sagt Djaghilew den Tänzern, «das ist ein Mann am Vorabend des Ruhms.» Für diesen Mann interessieren sich bald Kollegen wie Claude Debussy, Maurice Ravel und Reynaldo Hahn, dessen früheren Geliebten Marcel Proust der Komponist ebenso kennenlernt wie André Gide und Djaghilews 21-jährigen Groupie Jean Cocteau. Der Feuervogel wird zum Triumph, Strawinsky ist der Mann der Stunde. Er holt seine Familie nach. Zuerst zieht man in die Bretagne, dann in die Schweiz, in Lausanne kommt ein Sohn zur Welt, schliesslich quartiert man sich im nahen Clarens ein. Und noch zwei «Kinder» sind unterwegs, wie Strawinsky seine Stücke gern nennt. Eine Vision hatte er schon während der Arbeit am Feuer ­vogel: «Alte weise Männer sitzen im Kreis und schauen dem Todestanz ei­­nes jungen Mädchens zu, das geopfert werden soll.» Arbeitstitel: Das grosse Opfer. Um weiterzukommen, reist Strawinsky 1911 in die Heimat. In Talaschkino bei Smolensk gibt es ein Zentrum für Volkskunst. Hier sammelt er mit dem Bühnenbildner Nicholas Roerich – einem Lebensphilosophen und Experten für ethnische Kunst – Material über das «heidnische Russland», in dem Das grosse Opfer handeln soll. Strawinsky notiert sich ein paar Volkslieder und entwirft mit Roerich die Geschichte von einem Frühlingsfest russischer Stämme, an dessen Ende sich ein Mädchen zu Tode tanzt. Im August 1911 erteilt ihm Djaghilew den Auftrag. 8000 Rubel Honorar, eine enorme Summe. Schon im Februar darauf hat Strawinsky den ersten Teil der Reinschrift abgeschlossen, dann skizziert er den zweiten Teil in Clarens und auf Reisen, in Monte-Carlo auch mal auf eine Restaurantrechnung, vielleicht nach jener Klaviervorführung im Probenraum, von der Pierre Monteux so erschüttert ist. Nicht anders geht es Debussy, der den ersten Teil mit dem Kompo­nisten am

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Klavier im Juni 1912 im Haus eines Pariser Kritikers hört. Ganz geheuer scheint dem klugen Kollegen die rasante Entfaltung Strawinskys nicht mehr zu sein. Den treibt auch der Puls dieser Jahre. Die Kubisten um Picasso nehmen Abschied von der Perspektive. Die koloniale Herrschaft Europas weckt das Interesse an der Kunst indigener Völker – und am Archaischen in der eigenen Zivilisation. Sigmund Freud erkundet «Übereinstimmungen im Seelenleben der Wilden und der Neurotiker». Da ist ein neues Tempo, der Rhythmus der Maschinen, der die Futuristen begeistert, das Rattern der Metro, der ersten Flugzeugpropeller. Alles scheint möglich. Auch der Krieg, den der Berliner Lyriker Georg Heym schon 1911 beschwört. Strawinsky arbeitet zielbewusst. Selbst den Rat eines Richard Strauss schlägt er aus, der ihm nach einer Feuervogel-Aufführung 1912 in Berlin sagt: «Es ist ein Fehler, dass Sie Ihr Stück pianissimo anfangen lassen. Da hört das Publikum niemals zu. Man muss gleich beim ersten Akkord durch grosses Getöse überraschen [...], danach können Sie machen, was Sie wollen.» Er macht, was er will, was da wächst zwischen den Bildern im Kopf und der unablässigen Kontrolle am Klavier; ihn inspiriert wohl auch, dass Katya wieder schwanger ist. Der Sacre beginnt mit einer einsamen Rätsellinie in höchster Fagottlage. Und endet im dreifachen Forte, mit einem dumpfen Schlag. «Heute 4./17. XI. 1912 Sonntag habe ich unter unerträglichen Zahnschmerzen die Musik des Sacre beendet. I. Strav. Clarens, Châtelard Hotel.» So steht es im Skizzenbuch. Die Reinschrift ist erst im März fertig – ein Wunder penibler Kalligrafie auf 49 Blättern –, da haben die Proben längst begonnen. Geprobt wird immer dort, wo die Compagnie gerade tourt. In Budapest, erinnert sich eine Tänzerin, «schubste Strawinsky den dicken deutschen Pianisten zur Seite, den Djaghilew ‹Koloss› nannte, und spielte selbst weiter, doppelt so schnell, wie wir es bis dahin kannten und tanzen konnten. Er stampfte mit den Füssen und hieb mit der Faust in die Tasten und sang und schrie, um uns die Rhythmen und die Farben des Orchesters klarzumachen.» Die Choreografie hat Djaghilew einem Star der Truppe anvertraut, seinem Geliebten Vaslav Nijinsky, götterschön, Mitte zwanzig, der im Sacre neben dem Dekorativen auch das Psychologische des Tanzes hinter sich lässt, interessiert an ritueller Gestik, an Raum und Struktur. Strawinsky schilderte Nijinsky später

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als unbedarft: «Der arme Kerl konnte weder Noten lesen noch irgendein Instru­ ment spielen.» Tatsächlich spielte dieser «arme Kerl» vierhändig mit Maurice Ravel. Strawinskys Verzerrung ist nur zu erklären durch das Trauma der Uraufführung: Mit einer anderen Choreografie, mochte der Gekränkte glauben, hätten die Pariser seine Musik so gut aufgenommen wie die vorigen Ballette. Die Generalprobe am 28. Mai, vor Künstlern und Kritikern, verläuft ruhig. Trügerisch ruhig? Harry Graf Kessler, der kosmopolitische Kunstfreund, notiert in sein Tagebuch: «Mit Djaghilew, Nijinsky, Strawinsky, Ravel, Werth, Mme Edwards, Gide, Bakst usw. zu Larue, wo allgemein die Ansicht herrschte, dass es morgen Abend bei der Premiere einen Skandal geben würde.» Das Théâtre des Champs-Élysées ist erst zwei Monate zuvor eröffnet worden, ein moderner Bau ohne Plüsch und Prunk. Am 29. Mai, einem Donnerstag, kommen 2000 Besucher, «ein mondänes Publikum, dekolletiert, übersät mit Perlen, mit Kopfschmuck und Straussenfedern, neben den Fräcken und dem Tüll die Jacken, die Stirnbänder, die auffälligen Lumpen jener Rasse von Ästheten, die das Neue auf jeden Fall bejubelt aus Hass gegen die Leute in den Logen», erinnert sich Jean Cocteau an den Abend, und Kessler bestätigt ihn: «Das glänzendste Haus, das ich in Paris je gesehen habe, Aristokratie, Diplomaten, Halbwelt...» Von Anfang an sei es unruhig gewesen. Indessen geht das erste Stück, das bewährte Chopin-Ballett, über die Bühne. Doch als das Frühlingsopfer beginnt, lacht man schon, ehe – nach 75 Takten Einleitung – der Vorhang hochgeht und sich vor stilisierter Berglandschaft Tänzer zeigen, die in folkloristischen Kostümen jede dekorative Eleganz verweigern, dafür aber jeden Ton zu Bewegung machen. Jemand miaut. Die Unruhe wächst, bis Florent Schmitt, Komponist und Strawinsky-Bewunderer aus dem Elsass, brüllt: «Gebt ihr bald Ruhe, ihr Nutten aus dem Sechzehnten?» Das 16. Arrondissement ist das Viertel der Reichen. «Ihr seid reif für die Annexion!», brüllt es zurück. Die greise Comtesse de Pourtalès, notiert Cocteau, steht mit verrutschtem Diadem in ihrer Loge und ruft: «Es ist das erste Mal in 60 Jahren, dass es jemand wagt, sich über mich lustig zu machen!» Bald soll es zu Handgreiflichkeiten und Duellforderungen gekommen sein. Gipfel des Tumults sei der finale Todestanz gewesen, sagt Nijinskys Assistentin, während seine Schwester das als einzigen ruhigen Moment erinnert. Die Polizei

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habe eingegriffen, behaupteten Besucher später. Die Akte Cb29.47 der Polizei­ präfektur zu jenem Zeitraum ist verschwunden. Die Presse der nächsten Tage, die das Stück überwiegend «desagréable» findet und barbarisch, wenn auch «vir­ tuos orchestriert» und von einer «gewissen rhythmischen Kraft», geht er­staun­ ­­licherweise mit keinem Wort auf Exzesse ein. Von denen berichten, je mehr Zeit vergeht, umso mehr Zeugen. So wuchs der Skandal mit dem Ruhm der Partitur. Was man von ihr hören konnte in der Uraufführung, bleibt unklar. «Höllen­ lärm» habe im Saal geherrscht, notiert Harry Graf Kessler tags drauf, darüber «gingen immerfort wie Sturmwetter Lachsalven und gegnerisches Klatschen, während die Musik wütete und auf der Bühne die Tänzer unentwegt und prähistorisch tanzten». «Ich sass in der vierten oder fünften Reihe rechts», erinnert sich Strawin­sky selber, «und das Bild von Monteux’ Rücken ist mir lebendiger in Erinnerung geblieben als das Bühnenbild. Er stand dort scheinbar unzugänglich und ohne Nerven wie ein Krokodil. Es ist für mich immer noch fast unglaublich, dass er das Orchester wirklich bis zum Ende durchbrachte [...]. Was ich in musikalischer Hinsicht von der Aufführung gehört habe, war nicht schlecht.» Man staunt immer wieder, dass es nur eine gute halbe Stunde war und ist, in der die Musik hier gleichsam aus ihrer Geschichte herausschiesst, aus einem grossen, spätromantischen Orchester mit überdimensionaler Schlagzeugsektion. In schwindelerregender Rhythmik – archaisch wuchtig und doch komplex wie keine zuvor –, in Repetitionsmodulen und extraterrestrischer Harmonik, in Abstraktionen grösster Energie entsteht eine Dimension, welche die Musik zuvor nicht kannte. Am Ende des ersten Teils jagt das Orchester mit Achteln, Sechzehnteln, Triolen auf den Doppelstrich zu und scheint ihn zu durch­ schlagen: Die Musik rast weiter in Kopf und Körper, über das Notierte hinaus, in die Zukunft. Leonard Bernstein fasste sich kurz: «It’s all about sex.» Wer diese Musik – weil sie sich in kein Subjekt «einfühlt», weil es um eine Opferung geht – als Prophetie des Weltkriegs hört, der ein gutes Jahr später be­gann, unterschlägt ihre Freude auf eine Zukunft, die ebenso hätte kommen können, und verkennt, dass uns hier auch eine Botschaft aus einem Europa neuer, weiter Horizonte erreicht. Dass diese Musik bis heute modern klingt, hat viel zu tun mit dem, was an ihr uneingelöst blieb.

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Nach der Uraufführung (der an dem Abend noch zwei weitere Ballette ohne Zwischenfälle folgten) wurde bis drei Uhr nachts im Larue soupiert. Dann nahmen sich Djaghilew, Nijinsky, Bakst, Cocteau und Kessler ein Taxi «und machten eine wilde Fahrt durch die nächtliche im Mondschein wie ausgestorbe­ ne Stadt». Schreibt Kessler. Cocteau bestätigt die Fahrt, erinnert sich aber nur an Strawinsky um zwei Uhr nachts in einem Fiaker. Man sei zum Bois de Boulogne gefahren, habe Puschkin zitiert und geweint... Sicher ist, dass der immer noch fieberkranke Komponist am 9. Juni Besuch von Debussy bekam und ihm den Klavierauszug schenkte. «Meinem sehr lieben Freund zur Erinnerung an die Schlacht vom 29. Mai 1913», schrieb er hinein.

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DAS UNVORHERSEHBARE VORHERSEHBARE Pierre Boulez

Es war das frische Blut der «Barbaren», eine Art von elektrischem Schock, der ohne Vorbereitung bleichsüchtigen Organismen verabreicht wurde. (...) Harmo­ nische Beziehungen und melodische Bildungen sind im Sacre auf schlagkräftige, leicht zu behaltende Formeln gebracht, die eigentlich fast nur dazu dienen, eine rhythmische Erfindungskraft zu lancieren, wie sie die westliche Musik bis dahin nicht gekannt hatte. (...) Zweifellos enthielt auch schon die Musik Westeuropas Keime zur Vorherrschaft des Rhythmus – vor allem in den Anfängen. Aber bei der Suche nach Lösungen wurde in den Epochen der Polyphonie, der melodischen Homophonie und der entwickelnden Formen die Rolle des Rhythmus mehr und mehr auf die einer unumgänglichen Grundlage reduziert. Bei Strawinsky aber kehrt sich dieses Verhältnis fast um: die überragende Bedeutung des Rhythmus schlagt sich nieder in der Reduktion von Polyphonie und Harmonik auf untergeordnete Funktionen. Strawinsky hat die Richtung des rhythmischen Impulses geändert. Bis dahin beruhte Musik wesentlich auf einem Grund-Metrum. Innerhalb dieses gleich­ förmigen Ablaufs wurden «Konflikte» produziert: Überschneidungen, Überlage­ rungen und Verschiebungen rhythmischer Formeln, die meist untrennbar mit melodischen Einfällen und harmonischen Funktionen zusammenhingen. So ergab sich eine Art Ordnung und Regelmässigkeit, die durch momentan auftretende Fremdkörper gestört wurde. Bei Strawinsky hingegen, und besonders im Sacre, existiert zunächst nur ein fast körperlich wahrnehmbarer Grund­impuls. (...) Dieser Grundimpuls, der einer vorgegebenen Zählzeit entspricht, wird nur vervielfältigt, teils regelmässig, teils unregelmässig. Dabei entstehen na­tür­lich die erregendsten Wirkungen durch die unregelmässige Folge, das Phä­nomen des Unvorhersehbaren innerhalb eines vorhersehbaren Zusammenhanges.

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EDWARD CLUG Choreograf

Edward Clug vollendete seine Ballettausbildung 1991 an der Nationalen Ballett­ schule in Cluj-Napoca (Rumänien). Im selben Jahr wurde er als Solist an das Slowenische Nationaltheater (SNG) in Maribor engagiert. 2003 wurde er am selben Theater Ballettdirektor und führte die Compagnie auf neue, unverkennbare Wege. In den vergangenen dreizehn Jahren zog Edward Clug mit seinem unverwechselbaren choreografischen Stil die Aufmerksamkeit eines internationalen Publikums auf sich. Gleichzeitig gelang es ihm, das Mariborer Ensemble mit Gastspielen in ganz Europa, Asien, den USA und Kanada in der internatio­ nalen Tanzszene zu etablieren. Eine enge Zusammenarbeit entwickelte sich mit dem Stuttgarter Ballett und dem Ballett Zürich, für das er 2018 Faust – Das Ballett choreografierte. Regelmässig arbeitet er auch für das Nederlands Dans Theater (NDT), zuletzt hatte Aperture beim NDT1 Premiere. Ausserdem entstanden Stücke für das Bolschoi Ballett in Moskau, das Royal Ballet of Flanders, das Wiener Staatsballett, das Nationalballett Lissabon, die Grands Ballets Cana­ diens, die Station Zuid Company, das Kroatische Nationalballett, das Rumänische Nationalballett, das Aalto Ballett Essen, die Bitef Dance Company in Belgrad, Graz Tanz, das Ukrainische Nationalballett, das Ballett des Theaters am Gärtnerplatz München, das Hessische Staatsballett Wiesbaden, das Ballett Augsburg, das Ballett Dortmund, das Ballett Nowosibirsk und das West Australian Ballet. Edward Clug erhielt internationale Preise bei Ballett- und Tanzwettbewerben und wurde 2010 in Moskau für den Kunstpreis «Goldene Maske» nominiert. Ausserdem wurde er mit den höchsten slowenischen Kulturpreisen, dem Preis der Prešern Foundation (2005) und der Glazer Charter (2008), ausgezeichnet. 2017 war er mit Handman (NDT2) für den Prix Benois nominiert. Im Dezember 2021 hat Meister und Margarita nach dem Roman von Michail Bulgakow am Moskauer Bolschoi Ballett Premiere. Das Ballett Zürich tanzt im Mai 2022 Edward Clugs Ballett Peer Gynt.

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IGOR STRAWINSKY Igor Strawinsky wurde am 17. Juni 1882 in Oranienbaum (dem heutigen Lomo­ nossov) bei St. Petersburg geboren. Er entstammte einer musikalischen Familie: Der Vater, Fjodor Strawinsky, zählte zu den bedeutendsten Opernsängern des zaristischen Russlands. Neben einer humanistischen Schulbildung erhielt Strawinsky Klavier-, Harmonielehre- und Kompositionsstunden und zeigte bald eine auffallende Begabung zur Improvisation. Anschliessend studierte er bis 1905 Rechtswissenschaften, nahm jedoch weiterhin parallel Musikunterricht. Von 1905 bis 1908 wurde Nikolai Rimski-Korsakow sein Kompositionslehrer. Mit Feu d’artifice (1908) beeindruckte Strawinsky den Leiter des Russischen Balletts in Paris, Sergej Diaghilew, der ihn für Orchestrierungsarbeiten verpflichtete und schliesslich 1909 die Feuervogel-Musik in Auftrag gab. Von 1910 bis 1914 lebte und komponierte Strawinsky abwechselnd auf seinem Landgut Ustilug (Wolhynien) und in Clarens (Schweiz). In dieser Zeit entstanden Petruschka (1911) und Le Sacre du printemps (1913), dessen Uraufführung in Paris einen Theaterskandal auslöste. Vor allem die als «barbarisch» empfundene Rhythmik wirkte schockierend und revolutionär zugleich. Mit Beginn des Kriegs 1914 zog sich Strawinsky ganz in die Schweiz zurück, wo er bis 1920 lebte. Anschliessend übersiedelte er nach Frankreich und stand in lebhaftem Kontakt mit führenden Pariser Künstlern (Claude Debussy, Maurice Ravel, Eric Satie, Pablo Picasso, André Gide und Jean Cocteau). 1934 wurde er französischer Staatsbürger. Bereits 1935/36 veröffentlichte er seine Erinnerungen (Chroniques de ma vie) und entfaltete eine rege Tätigkeit als Dirigent und Pianist. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs hielt Strawinsky an der amerikanischen Harvard University seine viel zitierte Vorlesungsreihe Poétique musicale (1942) und entging auf diese Weise der Besetzung Frankreichs. 1939 liess er sich ganz in den USA nieder, sechs Jahre später wurde ihm die amerikanische Staatsbürgerschaft verliehen. 1957 besuchte er zum ersten Mal die Donaueschinger Musiktage und leitete dort eine konzertante Aufführung seines Balletts Agon. Er entwickelte

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Interesse an der seriellen Musik und ihren jungen Vertretern Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen. Nach seiner Rehabilitierung in der nachstalinistischen UdSSR konnte er ab 1962 seine Heimat Russland wieder besuchen. Strawinsky starb am 6. April 1971 in New York. Die Pariser Premiere von L’oiseau de feu am 25. Juni 1910 geriet für den jungen, aufstrebenden Komponisten zum Sensationserfolg. Strawinsky avancier­ te zum Ballettkomponisten par excellence. Mit Werken wie Pas de deux (1921), Jeu de cartes (1936), den Scènes de Ballet (1938) und den dazugehörigen Konzertsuiten begründete er seinen Weltruhm. Strawinskys Kompositionen zeichnen sich durch ihre kurzgliedrige, oft nur aus wenigen Tönen gebildete Melodik, ihre charakteristische asymmetrische Rhythmik und ihr enges Verhältnis zum Tanz aus. Der ästhetische Impuls besteht in einem klassizistischen Formbewusstsein und einer entschieden gegen die «unendliche Melodie» Wagners gerichtete Antiromantik. Gegenüber den frühen Balletten zeigen die in der Schweiz bis 1920 komponierten Werke einen veränderten Stil. In dem zusammen mit dem Dichter Charles Ferdinand Ramuz geschaffenen Bühnenwerk L’histoire du soldat (1918) reduziert Strawinsky die musikalischen Mittel und Formen auf ein ästhe­ tisches Minimum, teilweise unter Verwendung von Jazz-Elementen. Zu den in Amerika entstandenen Werken gehören die Symphonie en Ut (1940), die Danses concertantes (1941-42), das Scherzo à la Russe (1944) und die Symphony in three Movements (1945). Jene Orchesterwerke zeigen Strawinsky auf dem Höhepunkt seiner neoklassizistischen Schaffensphase. Historische Vorlagen werden mittels Fragmentierung und Verfremdung in neuartige Klangzusammenhänge gebracht. In den Werken ab 1950 finden sich auch Experimente mit seriellen Techniken. Zu Strawinskys zahlreichen Ehrungen zählen der Léonie-Sonning-Musikpreis, der Wihuri-Sibelius-Preis und die Ehrendoktorwürde der Rutgers Univer­ sität in New Jersey. 1983 wurde auf der Pariser Place Igor Strawinski neben dem Centre Pompidou der «Strawinsky-Brunnen» eingeweiht, dessen 16 Skulpturen verschiedene Werke des Komponisten repräsentieren.

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Ich möchte, dass mein Werk das Gefühl der engen Verbundenheit der Menschen mit der Erde, des menschlichen Lebens mit dem Boden vermittelt, und ich habe versucht, das durch einen lapidaren Rhythmus zu erreichen. Das ganze Ding muss von Anfang bis Ende getanzt werden. Ich erlaube nicht einen einzigen Takt Pantomime. Igor Strawinsky





BALLETT ZÜRICH


Christian Spuck Ballettdirektor

Christian Spuck stammt aus Marburg und wurde an der John Cranko Schule in Stuttgart ausgebildet. Seine tänzerische Laufbahn begann er in Jan Lauwers’ Need­ company und Anne Teresa de Keersmaekers Ensemble «Rosas». 1995 wurde er Mitglied des Stuttgarter Balletts und war von 2001 bis 2012 Hauschoreograf der Com­pagnie. In Stutt­gart kreierte er fünfzehn Urauf­ füh­rungen, darunter die Handlungsballette Lulu. Eine Monstre­tragödie nach Frank Wedekind, Der Sandmann und Das Fräulein von S. nach E.T.A. Hoffmann. Da­ rüber hinaus hat Christian Spuck mit nam­haften Ballett­ compagnien in Europa und den USA ge­arbeitet. Für das Königliche Ballett Flandern entstand The Return of Ulysses, beim Norwegischen Nationalballett Oslo wurde Woyzeck nach Georg Büchner uraufgeführt. Das Ballett Die Kinder beim Aalto Ballett Theater Essen wurde für den «Prix Benois de la Danse» nominiert, das ebenfalls in Essen uraufgeführte Ballett Leonce und Lena nach Georg Büchner wurde von den Grands Ballets Cana­diens de Montreal und vom Stuttgarter Ballett über­nommen. Die Uraufführung von Poppea//Poppea für Gauthier Dance am Theaterhaus Stuttgart wurde 2010 von der Zeitschrift Dance Europe zu den zehn erfolgreichsten Tanzproduktionen weltweit gewählt so­wie mit dem deutschen Theaterpreis Der Faust 2011 und dem italienischen Danza/Danza-Award ausge­zeich­­net. Christian Spuck ist auch im Bereich Oper tätig. Auf Glucks Orphée et Euridice an der Staatsoper Stuttgart folgten Verdis Falstaff am Staats­the­ater Wiesbaden sowie Berlioz’ La Damnation de Faust und Wagners Fliegender Holländer an der Deutschen Oper Berlin. Seit der Saison 2012/13 ist Christian Spuck Di­rek­tor des Balletts Zürich. Hier waren sei­ne Cho­reo­gra­fien Romeo und Julia, Leonce und Lena, Woyzeck, Der Sandmann, Messa da Requiem, Nussknacker und Mausekönig und Dornröschen zu sehen. Das 2014 in Zürich uraufgeführ­ te Ballett Anna Karenina wurde in Oslo, am Moskauer Stanislawski-The­ater sowie vom Koreanischen Nationalballett und vom Bayerischen Staats­­ballett ins Repertoire übernommen. Für das 2018 in Zürich uraufgeführte Ballett Winter­reise wurde er mit dem «Prix Benois de la Danse» ausgezeichnet. 2019 folgte beim Ballett Zürich Helmut Lachenmanns Das Mädchen mit den Schwefelhölzern (Auszeichnung als «Produktion des Jahres» durch die Zeitschrift tanz). Für das Ballett des Moskauer Bolschoitheaters entstand 2021 das Ballett Orlando. Mit Beginn der Saison 2023/24 wird Christian Spuck Intendant des Staatsballetts Berlin.


Giulia Tonelli Erste Solistin

Elena Vostrotina Erste Solistin

Giulia Tonelli stammt aus Italien. Ihre Ausbildung absol­vierte sie beim Balletto di Toscana und an der Bal­lett­ ­schule der Wiener Staatsoper. Nach einem ersten En­ga­ gement an der Wiener Staatsoper tanzte sie von 2002 bis 2010 beim Royal Ballet of Flanders in Antwer­pen, ab 2004 als Halbsolistin. Dort tanzte sie u. a. Giselle (Petipa) sowie Solopartien in Choreografien von Forsythe, Balanchine, Kylián, Haydée und Spuck. Seit 2010/11 ist sie Mitglied des Balletts Zürich, wo sie in Balletten von Spoerli, Goecke, McGregor, Lee, For­ sythe, Kylián und Balanchine auftrat. Sie tanzte Julia in Christian Spucks Romeo und Julia, Lena in Spucks Leon­ce und Lena und Betsy in Anna Karenina. In Alexei Ratmanskys Schwanensee-Rekonstruktion tanzte sie im Pas de trois, ausserdem war sie in Forsythes Quintett und Spucks Messa da Requiem zu erleben. Weitere Höhepunkte waren Emergence von Crystal Pite und Gretchen in Edward Clugs Faust – Das Ballett. Bei den «Jungen Choreografen» präsentierte sie gemeinsam mit Mélissa Ligurgo die Arbeiten Mind Games und Klastos. 2013 wurde sie mit dem Giuliana-Penzi-Preis ausgezeichnet. 2017 erhielt sie den «Tanzpreis der Freunde des Balletts Zürich». Elena Vostrotina stammt aus St. Petersburg. Ihre Bal­ lett­­ausbildung erhielt sie an der Vaganova Ballet Acade­ my. 2003 wurde sie Mitglied des Mariinsky-Balletts. Dort tanzte sie u.  a. Odette/Odile in Schwanensee (Peti­pa/Iwanow), Myrtha in Giselle (Coralli/Perrot), Königin der Dryaden in Don Quixote (Gorsky) und Ap­pro­­ximate Sonata (Forsythe). 2006 wurde sie von Aaron S. Watkin ans Semperoper Ballett Dresden engagiert. Hier wurde sie zur Solistin ernannt und tanzte in Choreografien von Forsythe, Ek, Neumeier, Dawson, Naharin, Ekman und Celis. Sie gastierte am Stanislaw­ ski-Nemirowitsch-Dantschenko-Theater in Moskau, am Staatstheater Nowosibirsk, bei der Gala «Roberto Bolle and Friends» sowie bei den Ballets Bubeníček. Sie wurde mit dem Preis «Hope of Russia» des Vaganova-Wett­ ­bewerbs sowie mit dem Mary-Wigman-Preis 2014 ausgezeichnet. Seit der Saison 2017/18 ist Elena Vo­strotina Erste Solistin des Balletts Zürich. Hier tanzte sie u.a. Odette/Odile in Ratmanskys Schwanensee-Rekonstruktion, die Amme in Christian Spucks Romeo und Julia, Myrtha in Patrice Barts Giselle sowie in Christian Spucks Nussknacker und Mausekönig, Winterreise und Nocturne.


Katja Wünsche Erste Solistin

Katja Wünsche stammt aus Dresden und wurde an der Staatlichen Ballettschule Berlin ausgebildet. Sie war Preisträgerin zahlreicher Ballettwettbewerbe. Von 1999 bis 2012 tanzte sie im Stuttgarter Ballett, seit 2006 als Erste Solistin. Sie tanzte Hauptrollen in Choreografien von John Cranko (Romeo und Julia, Der Widerspenstigen Zähmung, Onegin), John Neumeier (Endstation Sehn­sucht, Die Kameliendame), Marcia Haydée (Dorn­ rös­chen, La Sylphide, La Fille mal gardée) und Christian Spuck (Lulu, Der Sandmann, Leonce und Lena, Das Fräu­lein von S.) sowie in Balletten von Forsythe, Kylián, León/Lightfoot und Goecke. 2007 wurden ihr der Deutsche Tanzpreis Zukunft und der Deutsche Theater­ preis Der Faust verliehen. Seit 2012/13 ist Katja Wünsche Solistin beim Ballett Zürich. Hier tanzte sie u.a. die Julia in Spucks Romeo und Julia, Lena in Leonce und Lena, Marie in Woyzeck, Anna Karenina und Kitty in Anna Karenina sowie Clara in Der Sandmann. Ausser­ dem trat sie in Zürich in Choreografien von Sol León/ Paul Lightfoot, Douglas Lee, Martin Schläpfer, Wayne McGregor und Marco Goecke auf. 2014 wurde sie mit dem «Tanzpreis der Freunde des Balletts Zürich» ausgezeichnet.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Jan Casier Erster Solist

Jan Casier wurde in Belgien geboren. Er studierte an der Königlichen Ballettschule in Antwerpen. Nach einem ersten Engagement beim Royal Ballet of Flanders (2008-2012) wurde er Mitglied des Balletts Zürich. Hier war er bis 2014 in Balletten von Christian Spuck zu sehen: als Leonce in Leonce und Lena, als Paris in Romeo und Julia und in der Titelrolle von Woyzeck. Ausserdem tanzte er in Choreografien von Edward Clug, Sol León/ Paul Lightfoot, Marco Goecke und Wayne McGregor. Von 2014 bis 2016 war er Mitglied im Semper­oper Ballett Dresden. Dort trat er in Choreo­ grafien von Aaron Watkins (Prinz in Der Nussknacker), William Forsythe, Alexei Ratmansky, David Dawson und Ale­xander Ekman auf. 2016 kehrte Jan Casier zurück zum Ballett Zürich. Er tanzte u.a. in Forsythes Quin­tett, Go­danis rituals from another when und war in den Titel­rollen von Edward Clugs Faust und Marco Goeckes Nijinski sowie als Drosselmeier in Spucks Nussknacker und Mausekönig und als Fliederfee in Dornröschen zu sehen. 2019 wurde er von der Zeitschrift tanz zum «Tänzer des Jahres» gekürt, ausserdem wurde er mit dem «Tanzpreis der Freunde des Balletts Zürich» ausgezeichnet.


Programmheft BOLÉRO / LE SACRE DU PRINTEMPS Choreografien von Johan Inger und Edward Clug

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Premiere «Le Sacre du printemps»: 8. Oktober 2016, Spielzeit 2016/17 Premiere «Walking Mad (Boléro)»: 1. Mai 2021, Spielzeit 2020/21 Wiederaufnahme: 29. Oktober 2021, Spielzeit 2021/22

Herausgeber

Intendant

Opernhaus Zürich

Andreas Homoki

Zusammenstellung, Redaktion Michael Küster Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli

Titelseite Visual François Berthoud

Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing

Schriftkonzept und Logo

Druck

Textnachweise: Die Interviews mit Johan Inger und Edward Clug führte Michael Küster. – Das grosse Cres­cendo. Mauri­ce Ravels «Boléro». In: Programmheft Münchner Philharmoniker, 04.07.2019 – Den Text «Eine gläserne Tonskulptur» zu Arvo Pärt stellte Michael Küster für dieses Programmheft zusammen. – Zitat Johan Inger, Seite 6. Zitiert nach: Tanz 05/2019. – Musikalischer Ablauf «Le Sacre du printemps». In: Christoph Flamm: Igor Strawinsky. Der Feuer­ vogel. Petruschka. Le Sacre du printemps. Kassel, 2013. – Volker Hagedorn: Fieber, Sex und Zukunft. In: Die Zeit 21/2013. – Zitate Igor Strawinsky. Aus: Robert Craft: Igor Strawinsky. Einblicke in sein Leben. Zürich und Mainz, 1993. – Wolfgang Burde: Igor Strawinsky. Stuttgart, 1995. – Pierre Boulez: Das unvorhersehbare Vorhersehbare. Aus dem Text zu seiner CD-Ein­spielung «Le Sacre

Telefon 044 268 66 33, inserate@opernhaus.ch

Studio Geissbühler

Fineprint AG

du printemps». Deutsche Grammophon, 1992. – Biografie Igor Strawinsky. Zitiert nach: https:// de.schott-music.com/shop/ autoren/igor-strawinsky. Bildnachweise: Gregory Batardon fotografierte das Ensemble bei der Klavier­ hauptprobe am 29. Oktober 2016 und bei der Büh­nen­probe am 29. April 2021 – Die Compagnie wurde porträtiert von Jos Schmid. – Foto Johan Inger: Bengt Wanselius – Foto Edward Clug: Simen Zupancic Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nach­träglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.


Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

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