Cavalleria Rusticana / Pagliacci

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CAVALLERIA RUSTICANA / PAGLIACCI PIETRO MASCAGNI/ RUGGERO LEONCAVALLO 1


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CAVALLERIA RUSTICANA PIETRO MASCAGNI (1863-1945)

PAGLIACCI RUGGERO LEONCAVALLO (1857-1919)


CAVALLERIA RUSTICANA Am Morgen des Ostersonntags in einem sizilianischen Dorf. Turiddu singt ein Lied für Lola, für deren Liebe er sogar sein Leben lassen würde. Die Dorfbewohner kommen zum Ostergottesdienst. Santuzza sucht ihren Geliebten Turiddu bei seiner Mutter Lucia. Lucia weiss nur, dass er im Nachbarort Wein besorgen wollte, doch Santuzza hat in Erfahrung gebracht, dass man ihn zu später Nachtzeit noch im Dorf gesehen hat. Das kann auch der Fuhrmann Alfio bestätigen, der eben von einer Fahrt zurückgekommen ist und von seiner treuen Frau Lola schwärmt. In der Kirche hat der Ostergottesdienst begonnen. Verzweifelt schüttet Santuzza Mamma Lucia ihr Herz aus: Bevor Turiddu zum Militär eingezogen wurde, war er verlobt mit Lola, die während seiner Abwesenheit den reichen Alfio heiratete. In seiner Enttäuschung suchte Turiddu Trost und Liebe bei Santuzza und versprach ihr die Ehe. Getrieben von Eifersucht, liess sich Lola er­neut auf ein Liebesverhältnis mit Turiddu ein. Santuzza ist entehrt und von Kirche und Dorfgemeinschaft ausgeschlossen. Sie bittet Lucia, für sie zu beten. Sie selbst will noch einen letzten Versuch machen, Turiddu für sich zurückzugewinnen. Bis zur Selbsterniedrigung beschwört Santuzza Turiddu, sie nicht zu verlassen, doch dieser stösst sie brutal zurück. In ihrer Verzweiflung verrät Santuzza die ehebrecherische Beziehung Turiddus mit Lola an deren Mann Alfio. Wie es Brauch und Sitte der Dorfgemeinschaft verlangen, fordert Alfio Turiddu zum Messerkampf auf Leben und Tod heraus. Turiddu verabschiedet sich von seiner Mutter und bittet sie, sich Santuzzas anzunehmen. Er unterliegt Alfio im Zweikampf.

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PAGLIACCI Im Prolog erklärt der missgestaltete Komödiant Tonio den Zuschauern, dass sie jetzt «ein Stück Leben» und keine vorgetäuschten Gefühle sehen werden.

Erster Akt Mit grossem Jubel feiert die Bevölkerung eines Dorfes den Einzug einer Komödiantentruppe. Ihr Chef Canio kündigt die Abendvorstellung an. Als Tonio Canios Frau Nedda beim Absteigen vom Wagen behilflich sein will, reagiert dieser mit heftiger Eifersucht. Die Bauern laden Canio auf ein Glas Wein ein, der Komödiant Peppe schliesst sich ihnen an. Nedda bleibt allein zurück, beunruhigt durch Canios eifersüchtige Reaktion. Sie will frei sein wie ein Vogel und ihr Leben geniessen. Da nähert sich Tonio, der ihre Liebe erzwingen will, von Nedda aber höhnisch abgewiesen wird. Als er in seiner Zudringlichkeit zu weit geht, wehrt sie ihn mit einem Peitschenschlag ab. Tonio schwört Rache und stürzt davon. Der junge Bauer Silvio, der Nedda liebt, trifft sich heimlich mit ihr. Er fleht sie an, sich endlich zur gemeinsamen Flucht zu entschliessen und verspricht, nach der Vorstellung auf sie zu warten. Tonio hat das Rendezvous beobachtet und Canio gerufen. Im letzten Moment kann Silvio entkommen. Ausser sich vor Wut stürzt sich Canio auf Nedda, um den Namen ihres Liebhabers zu erfahren. Nur mit grosser Mühe können Peppe und Tonio ihn zurückhalten. In diesem Zustand der Verzweiflung und Erregung soll Canio nun die Komödie beginnen.

Zweiter Akt Die Bewohner des Dorfes, unter ihnen Silvio, strömen zur Vorstellung herbei. Das Spiel beginnt: Der Diener Taddeo (Tonio) versucht, sich Colombina (Nedda) zu nähern und ihr seine Liebe zu erklären, während ihr Mann Pagliaccio (Canio)

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ausser Haus ist. Doch Arlecchino (Peppe), Colombinas Liebhaber, wirft ihn hinaus und gibt Colombina einen Schlaftrunk, mit dem sie ihren Ehemann Pagliaccio für die Nacht der Flucht einschläfern soll. Als Nedda in ihrer Rolle als Colombina ihrem Geliebten Arlecchino auf der Bühne dieselben Worte zuruft wie wenige Stunden zuvor Silvio, kann Canio nicht mehr zwischen Spiel und Wirklichkeit unterscheiden. Auf offener Bühne fordert er Nedda auf, den Namen des Liebhabers preiszugeben. Diese versucht immer wieder, das Spiel aufzunehmen, treibt aber damit Canios Wut noch weiter, bis er schliesslich die Beherrschung verliert und mit dem Messer, das Tonio ihm gegeben hat, auf sie einsticht. Sterbend ruft Nedda Silvio um Hilfe. Rasend vor Eifersucht tötet Canio auch ihn. Tonios Rache hat sich erfüllt – «la commedia è finita».

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EHRENMORD, BLUTRACHE UND COMMEDIA DELL’ARTE Ein Gespräch mit Regisseur Grischa Asagaroff

Cavalleria rusticana und Pagliacci nennt man in einem Atemzug, und meistens werden diese beiden Kurzopern miteinander kombiniert… …ja, und man sollte sie nicht trennen; alle Versuche, sie zu trennen, hatten nie den Erfolg, den die beiden Stücke haben, wenn man sie kombiniert. Es gibt gute Gründe, die Opern zu kombinieren, schliesslich haben sie vieles gemeinsam, nicht nur die Entstehungszeit. Cavalleria rusticana spielt auf Sizilien, Pagliacci in Süditalien, genauer Ka­­lab­rien, könn­te aber genauso gut ebenfalls auf Sizilien spielen. Auch prak­tische Gründe sprechen dafür, die Stücke an einem Abend aufzufüh­ren, denn sie benötigen als Bühnenbild beide einen grossen Platz, so ist kein grosser Umbau nötig. Zudem sind beide Chorstücke, und in den soli­sti­schen Partien ist es möglich, dass Sänger in beiden Opern Partien übernehmen, wie jetzt José Cura, der sowohl den Turiddu in Cavalleria rusticana als auch den Canio in Pagliacci singt. Diese beiden veristischen Stücke passen gut zusammen, sie ergänzen sich. Sie behandeln archaische, zeitlose Themen wie Liebe, Eifersucht und Tod. Sie haben es erwähnt – Cavalleria rusticana gilt als Geburtsstunde des Verismo, und auch Pagliac­ci wird gemeinhin als «veristisches Stück» bezeichnet; was genau meint das eigentlich? Kann denn Oper überhaupt veristisch, also wahrheitsgetreu und realitätsnah, sein – schliesslich singt im wirklichen Leben selten jemand, wenn er seine Gefühle ausdrücken möchte…?

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Sicher, so gesehen kann Oper natürlich nie ganz realistisch sein. Aber Caval­leria rustica­na und Pagliacci besitzen eine ungeheure Direktheit und grosse dramatische Wucht. Es gibt zum Beispiel keinerlei Selbstgespräche, so ge­nannte à parts, die Figuren reflektieren ihr Tun nicht. Das ist – neben dem Milieu der eher einfachen Leute, von denen hier erzählt wird – durchaus ein Merkmal für Realismus. Für die Inszenierung bedeutet das für mich, dass die Stücke nicht stilisiert werden können. Es sind Stücke wie aus dem modernen Leben, man kann sie ganz heutig erzählen; die The­men bestimmen manche Gesellschaften heute genauso wie vor hundert Jahren, man muss nur an die Ehrenmorde in der Türkei oder die Blut­rache zwischen verfeindeten Familien auf Sizilien denken. Das ist extrem realistisch. Neben den Gemeinsamkeiten der beiden Stücke gibt es natürlich auch Unterschiede; so spielt in Cavalleria rusticana die streng ritualisierte Gesellschaft vor dem Hintergrund des christlichen Oster­festes eine zentrale Rolle, während es in Pagliacci eher der Mikrokos­mos der fahrenden Artisten ist, der die Handlung bestimmt. In Cavalleria ist es eine kleine sizilianische Dorfgesellschaft, die ihre ganz klaren, nicht zu­letzt von der Kirche diktierten Gesetze hat; dazu gehört natürlich das absolute Verbot von Sex vor der Ehe. Santuzza ist nicht nur von der Gesellschaft ausgestossen, weil sie ein unehe­liches Kind von Turiddu erwartet, sogar ihre eigene Familie hat sie verstossen, sie hat wirklich nie­ manden mehr ausser Turiddu, der sie dann auch verlässt, weil er plötzlich Lola wieder interessanter findet. Wenn eine Frau wie Lola einem Mann, Turiddu, versprochen ist, dann ist in dieser Gesellschaft solch ein Versprechen bindend; wenn Lola Alfio heiratet, während Turiddu im Militär ist, dann bricht sie bewusst dieses ungeschriebene Gesetz. Alle Figuren in diesem Stück laufen mit offenen Augen in ihr Verderben. Es gibt kein Entrinnen, alles ist vorpro­ grammiert. Turiddus Mutter sieht und weiss alles, aber sie ist wie versteinert, ihr Herz wird immer härter und lässt keine Gefühle mehr zu. Es gibt praktisch keinen Dialog zwischen ihr und Turiddu. Erst kurz vor Ende der Oper, als schon alles zu spät ist, bricht etwas auf. Das Duell zwischen Turiddu und Alfio gehört zu den Ritualen dieser Gesellschaft; niemand versucht, den Tod von

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Turiddu zu verhindern, selbst die Polizisten wenden sich ab und schauen weg, anstatt dazwischen zu gehen. Dazu passt, dass Sie Alfio als eine Art Mafia-Boss sehen; auch die Mafia hat ihre eigenen Gesetze, und auch hier werden Konflikte meistens mit Gewalt gelöst. Alfio ist einer der reichsten Männer des Dorfes und der wichtigste Geschäftsmann. Er besitzt die grösste Macht, alle anderen müssen vor ihm kuschen. Sympathien erkauft er sich, indem er den Armen Geld gibt, wenn er ein gutes Geschäft gemacht hat. Turiddu gehört nicht zu Alfios Leuten, und er nimmt vielleicht alles ein bisschen zu leicht. In Pagliacci spielen also Religion und Gesellschaft keine Rolle, dafür gibt es innerhalb der kleinen Gruppe der fahrenden Artisten eine klare Hierarchie und wiederum strenge Regeln, nach denen das Zusammen­leben und -arbeiten funktioniert. Hier geht es um den Kampf der Schauspieler untereinander, ihre Eifersüchteleien, die es übri­gens heute unter Schauspielern genauso gibt. Das ist ein Kampf, den jeder gegen jeden führt – ein Überlebenskampf. Hier arbeiten vier Männer und eine Frau zusammen – da sind die Konflikte vorprogrammiert, zumal die Frau die Ehefrau des alkoholabhängigen Chefs ist. Dieser Chef, Canio, spürt, dass seine Frau Nedda sich von ihm entfernt hat; er steckt in einer Midlife-Crisis und ist extrem eifersüch­tig, und sein kleiner, heruntergekommener Zirkus läuft auch nicht besonders gut. Er hat keine Kraft mehr für diesen Beruf. Nedda ist eine Zigeu­ne­rin; Canio hat sie vor einigen Jah­ren von der Strasse geholt, als sie ein junges Mädchen war, und sich in sie verliebt; seitdem behandelt er sie wie sein Eigentum. Doch Nedda will ihre Frei­heit zurück; sie hofft, mit Silvio, dem jungen Bauern, der jeden Abend als Zuschauer zur Vorstellung kommt, fliehen zu können. Zur Katastrophe kommt es, als Tonio, der Nedda liebt, aber wegen seines Buckels von ihr verspottet wird, Nedda und Silvio beobachtet; er holt Canio, der vor Eifer­sucht rast. Tonio fühlt sich durch Nedda so sehr erniedrigt, dass er zum Draht­zieher des Mordes an Nedda wird; und er ist es auch, der Canio später das Messer geben wird, mit dem dieser Nedda umbringt. 10


Das Spannendste an Pagliacci ist die Parallelität von Theater und Wirklichkeit: Für Canio verschwimmt beides, bis er nicht mehr unter­scheiden kann zwischen der Commedia, die er gerade spielt, und dem, was in der Wirklichkeit passiert ist; schliesslich wird aus der Commedia blutiger Ernst: Canio – alias Pagliaccio – ersticht Nedda – alias Colombina. Nedda benutzt auf der Bühne in der Rolle der Colombina dieselben Worte wie zuvor beim Abschied von Silvio: «…e per sempre io sarò tua» – «…und dann bin ich für immer dein». Canio in der Rolle des Pagliaccio ist der Betrogene – so wie er kurz zuvor in der Realität der Betrogene war. Die be­rühmteste Arie in diesem Stück ist «Vesti la Giubba… Ridi, Pagliac­cio!». Pagliaccio ist der traurige Clown, der seine Maske aufsetzen und die anderen zum Lachen bringen muss, obwohl ihm gar nicht danach zumute ist – ganz ähnlich übrigens wie Rigo­let­to, der bucklige Narr, der auch dann noch Spässe treiben muss, als seine Toch­ter entführt wurde. Das Gespräch führte Beate Breidenbach.

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CAVALLERIA RUSTICANA

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Paoletta Marrocu, Cornelia Kallisch Spielzeit 2008 / 09



PIETRO MASCAGNI Pietro Mascagni stammt aus der Toscana, wie auch sein Studienkollege und -freund Giaco­mo Puccini. In seinem Geburtsort Livorno erhielt er am Istituto Luigi Cherubini seinen ersten Musikunterricht, ehe er mit Hilfe finanzieller Förderung des Grafen Florestano de Larderel – dem übrigens Cavalleria rusticana gewidmet ist – sein Studium am Mailänder Konserva­torium bei Amilcare Ponchielli aufnehmen konnte, das er jedoch wegen mangelnden Fleisses und Aufsässigkeit, wie es heisst, 1885 ohne Abschluss verlassen musste. Dann verdingte er sich als Kapellmeister verschiedener Operntruppen und lernte dabei auch seine spätere Frau, die Soubrette Lina Carbognani kennen, ehe er sich in Cerignola (Apulien) niederliess, wo er als Musiklehrer und Leiter der Stadtkapel­ le recht unzufrieden sein Leben fristete. 1888 än­der­te sich die Situation schlag­ artig, als der Mailänder Verleger Sonzogno einen Wettbewerb auslobte, der junge, unbekannte Komponisten zum Schreiben einaktiger Opern animieren sollte. Rasch liess Mascagni sich von zwei befreundeten Schriftstellern ein Li­ bret­to fertigen – als Vorlage diente die seinerzeit äusserst populäre Bauerntragö­ die Cavalleria rusticana von Giovanni Verga – und hatte innerhalb von nur acht Wochen sein gleichnamiges Werk vollendet. Es erhielt den 1. Preis, und mit der Uraufführung am 17. Mai 1890 am Teatro Costan­zi in Rom wurde Mascagni über Nacht berühmt. 70 Vorhänge soll es nach der Premiere gegeben haben, und innerhalb eines Jahres war die Cavalleria rusticana an allen bedeutenden Bühnen des In- und Auslandes auf dem Spielplan. 1895 wurde Mascagni Direktor des Liceo Rossini in Pesaro, 1903 übernahm er die Leitung der Scuola Musicale Romana in Rom bis 1911. Tourneen führten ihn als Dirigent nach Russland und durch die USA. Im Laufe der Zeit wurde Mascagni allerdings klar, dass er noch immer vom Ruhm der Cavalleria lebte. Dennoch oder um so nachdrücklicher stilisierte er sich zum alleinigen Vertreter des einzig wahren «melodramma», zum Retter der italienischen Oper schlechthin und wandte sich entschieden gegen alles, was nur entfernt nach Moderne roch. Und alle Neuansätze, mit denen er versuchte, seiner Popularität nach Cavalleria rusticana

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gerecht zu werden, der fortdauernde Versuch mit stets anderen Operntypen, zeigen nur, dass sich sein Opern­ver­ständ­nis nie wesentlich verändert hat. Die Idyllen-Oper L’amico Fritz (1891) als deutlicher Gegen­satz zu Cavalleria rusticana, die romantische Literaturoper Guglielmo Ratcliff (1895) nach Heinrich Heine, die symbolistische Japan-Oper Iris (1899) oder die Parisina auf einen Text von Gabriele d’Annunzio nach Lord Byron geben Zeugnis davon. 1923 kam es zur ersten Begegnung Mascagnis mit Mussolini – zahlreiche sollten folgen. 1929 wurde Mascagni zum Mitglied der Reale Accademia d’Italia ernannt, 1932 wurde er offi­ziel­les Mitglied des Partito Nazionale Fascista. 1940 beging man den 50. Jahrestag der Urauf­führung von Cavalleria – es entstand eine Studioaufnahme unter Mascagnis Leitung. Er starb am 2. August 1945.

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CAVALLERIA RUSTICANA Giovanni Verga

Als Turiddu Macca, der Sohn der Frau Nunzia, vom Militärdienst heimgekehrt war, erschien er jeden Sonntag auf der Piazza, sich spreizend wie ein Pfau, in seiner Bersagliereuniform und mit der roten Mütze, die aussah wie die eines Glücksspielers, der mehr setzt als er hat. Während die Mädchen zur Messe gingen, die Nase im Mäntelchen versteckt, verschlangen sie ihn mit den Augen, und die Gassenjungen schwirrten um ihn herum wie die Fliegen. Er hatte auch eine Pfeife mitgebracht, mit einem König zu Pferde darauf, wie lebendig, und die Schwefelhölzer zündete er am Hosenboden an, indem er das Bein hob, als woll­ te er einen Fusstritt erteilen. Doch trotz alldem hatte sich die Lola des Massaro Angelo weder bei der Messe noch auf dem Balkon blicken lassen, da sie sich einem aus Licodia versprochen hatte, der ein Fuhrmann war und vier Maultiere aus Sortino im Stall hatte. Zunächst, als Turiddu davon erfuhr, heiliger Grossteufel, wollte er ihm die Gedärme aus dem Bauche reissen, wollte sie ihm herausreissen, dem aus Licodia! Aber er liess es bleiben und machte sich Luft, indem er anfing, unter dem Fenster der Schönen die verächtlichsten Lieder zu singen, die er nur kannte. «Er hat wohl nichts zu tun, der Turiddu der Frau Nunzia», sagten die Nach­ ­barn, «da er die Nächte singend wie eine einsame Drossel verbringt?» Schliesslich stiess er mit Lola zusammen, die von einer Reise zu der Madon­ na del Pericolo heimkehrte, und als sie ihn erblickte, wurde sie weder weiss noch rot, als ginge er sie gar nichts an. «Glücklich ist, der Euch sieht!» sprach er sie an. «Oh, Gevatter Turiddu, man hatte mir berichtet, dass Ihr zu Beginn des Monats heimgekehrt seid.» «Mir hat man noch andere Dinge berichtet!» antwortete er. «Ist es denn wahr, dass Ihr den Gevatter Alfio heiratet, den Fuhrmann?»

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«Wenn es der Wille Gottes ist!» antwortete Lola, indem sie sich die zwei Zipfel ihres Tuchs über das Kinn zog. «Den Willen Gottes legt Ihr aus, wie es Euch passt. Es war auch Gottes Wille, dass ich von so weit zurückkehren musste, um diese schönen Neuigkeiten vorzufinden, Fräulein Lola!» Der arme Kerl versuchte noch den Wackeren zu spielen, doch die Stimme war ihm heiser geworden; und er schritt hinter dem Mädchen her, so mit der Troddel der Mütze baumelnd, dass sie ihm hin und her über den Schultern tanz­ te. Im Grunde tat es ihr leid zu sehen, dass er ein langes Gesicht machte, doch sie hatte nicht die Absicht, durch schöne Worte falsche Hoffnungen bei ihm zu erwecken. «Hört, Gevatter Turiddu», sagte sie endlich, «lasst mich meine Gefährtinnen einholen. Was würde man im Dorf erzählen, wenn man mich mit Euch zusammen sähe?» «In der Tat», antwortete Turiddu, «jetzt, da Ihr den Gevatter Alfio heiratet, der da vier Maul­tiere im Stall hat, darf man den Leuten kein Gerede liefern. Meine Mutter dagegen, die Ärmste, hat unsere braune Mauleselin und dieses Stück­chen Weinberg über der Landstrasse verkaufen müssen, als ich Soldat war. Die gute alte Zeit ist vorbei, und Ihr denkt nicht mehr an die Tage zurück, da wir uns vom Fenster auf den Hof unterhielten und Ihr mir, bevor ich fortging, jenes Taschentuch schenktet, in das ich Gott weiss wie viele Tränen hineingeweint habe, als ich fortgehen musste, so fern von hier, wo man sogar den Namen unseres Ortes nicht mehr kennt. Also addio, Fräulein Lola, lassen wir’s gut sein, unsere Freundschaft ist aus, sowie der Regen aufhört.» Fräulein Lola vermählte sich mit dem Fuhrmann; und am Sonntag postierte sie sich auf dem Balkon, die Hände auf dem Bauch, um allen die dicken Gold­ ringe zu zeigen, die ihr der Ehe­mann geschenkt hatte. Turiddu ging weiterhin in der kleinen Gasse auf und ab, die Pfeife im Mund, die Hände in den Taschen, mit der Haltung eines Gleichgültigen, und mit den Mäd­chen liebäugelnd; aber im Innern wurmte es ihn, dass der Ehemann der Lola all das Gold hatte und dass sie so tat, als bemerke sie ihn nicht, wenn er vorbeiging. «Ich will’s ihr schon zeigen, vor ihren Augen, dieser Hündin», brummte er. Gegenüber von Gevatter Alfio wohnte der Massaro Cola, der Weinbauer,

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der reich war wie ein Schwein, was man so erzählte, und der eine Tochter im Haus hatte. Turiddu redete so viel und tat so viel herum, dass er schliesslich Massaro Colas Flurschütz wurde, und er be­gann im Haus ein und aus zu gehen und dem Mädchen süsse Wörtchen zuzuflüstern. «Warum geht Ihr nicht zu Frau Lola diese schönen Dinge sagen?» gab Santa zur Antwort. «Frau Lola ist eine grosse Dame! Frau Lola hat einen richti­ gen König geheiratet, deswegen!» «Der richtigen Könige bin ich nicht wert.» «Ihr seid Hunderte von Lolas wert, und ich kenne einen, der würde Frau Lola und ihren Heiligen nicht einmal anschauen, wenn Ihr zugegen wäret, denn Frau Lola ist nicht würdig, Euch die Schuhe zu reichen, sie ist’s nicht würdig.» «Als der Fuchs die Trauben nicht erreichen konnte…» «Sagte er: wie bist du schön, meine kleine Weinbeere!» «Ohe! Hände weg, Gevatter Turiddu!» «Habt Ihr Angst, dass ich Euch fresse?» «Ich habe weder Angst vor Euch noch vor Eurem Gott.» «Eh! Eure Mutter war eine aus Licodia, wir wissen es! Ihr habt ein zänkisches Blut! Uh! Wie gern würde ich Euch mit den Augen verschlingen.» «Verschlingt mich mit den Augen, nur keine Krümel dabei machen! Doch zuvor hebt mir dieses Bündel hoch.» «Für Euch höbe ich das ganze Haus hoch, wahrhaftig!» Um nicht rot zu werden, warf sie mit einem Stück Holz, das sie zur Hand hatte, nach ihm, doch wunderbarerweise traf sie ihn nicht. «Beeilen wir uns, Worte schichten keine Reisigstösse auf.» «Wenn ich reich wäre, wollte ich mir eine Frau suchen, wie Ihr es seid, Fräulein Santa.» «Ich werde keinen richtigen König heiraten wie Frau Lola, doch meine Mit­gift, die habe ich auch, wenn der Herr mir irgendeinen sendet.» «Wir wissen, dass Ihr reich seid, wir wissen es!» «Wenn Ihr es wisst, so beeilt Euch, denn der Vater kommt bald, und ich möchte mich nicht im Hof finden lassen.» Der Vater zog ein Gesicht, doch das Mädchen tat so, als merke sie es nicht, denn die Troddel an der Mütze des Bersagliere hatte sie im Herzen gekitzelt und

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tanzte ihr dauernd vor den Augen. Als der Vater Turiddu vor die Tür setzte, öff­nete ihm die Tochter das Fenster und verschwatzte mit ihm jeden Abend, so dass die ganze Nachbarschaft von nichts anderem redete. «Deinetwegen werde ich verrückt», sagte Turiddu, «und verliere Schlaf und Appetit.» «Geschwätz!» «Ich möchte der Sohn von Viktor Emmanuel sein, um dich zu heiraten!» «Geschwätz!» «Bei der Madonna, ich würde dich essen wie Brot!» «Geschwätz!» «Ah! Bei meiner Ehre!» «Ah! Mamma mia!» Lola, die jeden Abend hinter dem Basilikumtopf zuhörte und blass und rot wurde, sprach eines Tages Turiddu an. «Na, Gevatter Turiddu, grüsst man denn die alten Freunde nicht mehr?» «Ach was!» seufzte der Bursche. «Glücklich ist, wer Euch grüssen darf!» «Wenn Ihr die Absicht habt, mich zu grüssen, so wisst Ihr ja, wo ich zu Hause bin!» antwortete Lola. Turiddu kam so oft wieder, sie zu grüssen, dass Santa es merkte und ihm das Fenster vor der Nase zuschlug. Die Nachbarn zeig­ ­ten, wenn der Bersagliere vorbeikam, ihn einander mit einem Lächeln oder mit einer Kopfbewegung. Lolas Mann machte mit seinen Maul­tieren eine Runde durch die Märkte. «Am Sonntag will ich zur Beichte gehen, da ich heute nacht von schwarzen Trauben ge­träumt habe!» sagte Lola. «Lasst es sein! Lasst es sein!» flehte Turiddu. «Nein, jetzt, da Ostern naht, würde mein Mann wissen wollen, warum ich nicht zur Beichte gegangen bin.» «Ah!» murmelte die Santa des Massaro Cola, die auf den Knien vor dem Beichtstuhl wartete, bis sie an der Reihe war, während Lola gerade dabei war, ihre Sünden abzuwaschen. «Bei meiner Seele, ich möchte dich nicht nach Rom zur Busse schicken!» Gevatter Alfio kehrte mit seinen Maultieren zurück, mit Geld beladen, und brachte seiner Frau als Geschenk ein schönes neues Kleid für die Feiertage mit.

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«Ihr tut recht daran, ihr Geschenke zu bringen», sagte die Nachbarin Santa zu ihm, «denn, während Ihr fort seid, schmückt Eure Frau Euch das Haus!» Gevatter Alfio gehörte zu jenen Fuhrleuten, welche die Mütze auf den Ohren tragen, und als er auf solche Weise von seiner Frau sprechen hörte, wechselte er die Farbe, als hätte man ihn erdolcht. «Heiliger Grossteufel!» schrie er. «Wenn Ihr es nicht wahrhaftig gesehen habt, so werde ich Euch nicht die Augen zum Weinen lassen! Euch und Eurer ganzen Sippe!» «Ich bin nicht gewohnt zu weinen» antwortete Santa. «Ich habe nicht einmal geweint, als ich mit diesen Augen den Turiddu der Frau Nunzia nachts in das Haus Eurer Frau eintreten sah.» «Es ist gut», antwortete Gevatter Alfio, «vielen Dank.» Jetzt, da der Kater heimgekehrt war, strolchte Turiddu nicht mehr am Tage durch die kleine Gasse und ertränkte seinen Überdruss mit Freunden in der Schenke. Am Vorabend vor Ostern hatten sie ein Wurstgericht auf dem Tisch stehen. Als Gevatter Alfio hereingetreten war, konnte Turiddu schon von der Art, wie jener den Blick auf ihn heftete, schliessen, dass er wegen dieser Geschichte gekommen war, und er legte die Gabel auf den Teller. «Habt Ihr einen Wunsch an mich, Gevatter Alfio?» frag­te er ihn. «Keine Bitte, Gevatter Turiddu, es ist nur ein Weilchen her, seit ich Euch gesehen, und ich wollte mit Euch über die Sache sprechen, die Ihr kennt.» Turiddu bot ihm zunächst ein Glas an, aber Gevatter Alfio schob es mit der Hand beiseite. Also erhob sich Turiddu und sagte: «Hier stehe ich, Gevatter Alfio.» Der Fuhrmann warf ihm die Arme um den Hals. «Wenn Ihr morgen früh zu den Feigen­kak­teen von Canziria kommen wollt, können wir von jener Angelegenheit sprechen, Gevatter.» «Erwartet mich bei Sonnenaufgang auf der Landstrasse, und wir werden gemeinsam dorthin gehen.» Mit diesen Worten wechselten sie den Kuss der Herausforderung. Turiddu kniff das Ohr des Fuhrmanns mit den Zähnen und gab ihm damit das heilige Versprechen, nicht zu fehlen. Die Freunde liessen schweigend die Wurst liegen und begleiteten Turiddu bis nach Hause. Frau Nunzia, die Arme, wartete täglich auf ihn bis in den späten Abend. «Mamma», sagte Turiddu zu ihr, «erinnert Ihr Euch, als ich zu den Soldaten ging, da

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glaubtet Ihr, ich würde nicht mehr zurückkommen? Gebt mir einen so schönen Kuss wie damals, denn morgen früh werde ich weit fortgehen.» Vor Anbruch des Tages packte er sein Schnappmesser, das er, als er einberufen worden war, unter dem Heu versteckt hatte, und machte sich auf den Weg zu den Feigenkakteen von Canziria. «Oh! Jesusmaria! Wo geht Ihr hin, in solcher Hast?» jammerte Lola erschrocken, als ihr Mann dabei war, das Haus zu verlassen. «Ich gehe hier in die Nähe», antwortete Gevatter Alfio, «doch für dich wäre es besser, ich käme nicht mehr zurück.» Lola, im Hemd, betete zu Füssen des Bettes, indem sie sich den Rosenkranz, den ihr der Bruder Bernardino von den heiligen Stätten mitgebracht hatte, auf die Lippen presste, und rezitierte alle Avemaria, die auf ihm Platz hatten. «Gevatter Alfio», begann Turiddu, nachdem er ein Stück neben seinem Begleiter gegangen war, der stumm blieb, die Mütze über den Augen, «bei Gott im Himmel weiss ich, dass ich Un­recht habe, und ich würde mich hinschlachten lassen. Doch bevor ich hierher kam, habe ich meine Alte gesehen, die aufgestanden war, um mich weggehen zu sehen, unter dem Vor­wand, den Hühnerhof zu versorgen – wie wenn das Herz ihr spräche; und so wahr Gott im Himmel ist, werde ich Euch töten wie einen Hund, damit mein Altchen nicht weinen muss.» «Es ist schon recht!», antwortete Gevatter Alfio und zog sich die Weste aus, «wir werden dann beide hart losschlagen.» Beide waren gute Fechter; Turiddu bekam den ersten Stoss und war flink genug, ihn mit dem Arm aufzufangen; als er zurückstiess, stiess er geschickt und traf in die Schamgegend. «Ah! Gevatter Turiddu! Ihr habt tatsächlich die Absicht, mich umzubringen.» «Ja, ich hab es Euch gesagt; jetzt, da ich meine Alte auf dem Hühnerhof gesehen habe, scheint es mir, ich hätte sie ständig vor Augen.» «Macht sie gut auf, Eure Augen» schrie Gevatter Alfio. «Jetzt geb ich Euch in vollem Mass zurück.» Als er so zusammengesunken auf Lauer lag, um sich die Linke auf die Wunde, die ihn schmerz­te, zu drücken, und mit dem Ellbogen fast den Boden streifte, griff er blitzschnell eine Handvoll Staub und warf sie dem Gegner in die Augen. «Ah!» brüllte Turiddu erblindet. «lch bin tot.» Er versuchte sich zu retten,

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indem er verzwei­felte Sprünge rückwärts tat; doch Gevatter Alfio traf ihn mit einem zweiten Stoss in den Bauch und mit einem dritten in die Gurgel. «Und drei! Dieser ist für das Haus, das du mir geschmückt hast. Jetzt wird deine Mutter die Hennen stehen lassen.» Turiddu fuchtelte zwischen den Kakteen eine Weile in der Luft herum und fiel dann wie ein Stein hin. Das Blut strömte ihm schäumend aus der Kehle, und er konnte nicht einmal mehr hervorbringen: – «Ah, Mamma mia!»

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Paoletta Marrocu, José Cura Spielzeit 2008 / 09


Paoletta Marrocu, José Cura Spielzeit 2008 / 09


DIE SCHANDE Ignazio Silone

«Darf ich sprechen wie im Beichtstuhl?» fragte Berenice. Don Paolo nickte. Mit unterdrückter Stimme und unter strömenden Tränen erzählte sie ihm die unselige Geschichte. «Meine Tochter ist in andere Umstände gekommen, aber sie ist nicht verheiratet. Um der Schande für sich und die Familie zu entgehen, hat sie versucht, sich selbst zu helfen. Wie Sie wissen, ist das vom Gesetz verboten. Wenn ein Arzt oder eine Hebamme oder sonst jemand einem Mädchen aus der Verlegenheit hilft, wird er mit Gefängnis bestraft. Es gibt genug solcher Fälle, man braucht nur die Zeitung aufzuschlagen. Anderen Mädchen geht es ebenso schlimm. Als die Tochter des Notars im vierten Monat war, hat sie Gift genommen. Ein Mädchen, das hier beim Bürgermeister im Dienst stand, hat sich in Tivoli in den Wasserfall gestürzt. Mein armes Kind dagegen hat versucht, sich selbst zu befreien. Es gab keine andere Wahl: entweder die Schande, oder den Tod riskieren. Sie hat den Tod riskiert, und jetzt stirbt sie mir. Was soll ich tun? lch kann keinen Arzt rufen. Er würde einen Bericht schreiben, es gäbe eine Untersuchung, ein Gerichtsverfahren, und alles käme an den Tag. Der Pfarrer von hier will das Mädchen auch nicht haben, weil er ein Verwandter ist, wie ich Ihnen schon sagte. Ge­wiss hat sie gesündigt, aber gibt es nicht Verzeihung für alle Sünder? Ist Christus nicht für alle Menschen am Kreuz gestorben?» Aus dem Roman «Wein und Brot»

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DAS DUELL Piero Chiara

Die Frau des Huthändlers war wirklich eine Schönheit. Man konnte sie nur am Sonntag sehen, wenn sie am Arm ihres Mannes aus der Messe kam. Dann blieb sie die ganze Woche über zu Hause, all die Stunden, die ihr Mann im Geschäft oder im Café an der Piazza zu­brachte; sie hatte keine Freundinnen und auch sonst kaum etwas zu tun, denn Kinder hatte sie keine. Der um viele Jahre ältere Santoro ging um neun Uhr morgens aus dem Haus und öffnete den Laden. Er kam ein Uhr mittags wieder heim, ass, legte sich zum Mittagsschlaf ins Bett und ging kurz vor vier wieder, um das Geschäft erneut zu öffnen. Gegen acht Uhr kam er dann nach Hause und ging bis zum Tag darauf nicht mehr fort. Santoro war ein wortkarger Mann, gross und dick, hatte immer einen schönen neuen Hut auf, wurde, obwohl er ein einfacher Händler war, zu den «Ehrenmännern» gezählt, also zu den angesehenen Bürgern, und verkehrte mit den besten Leuten der Stadt. Wenn er im Café sass, waren an seinem Tisch, von dem aus er auf sein Geschäft sehen konnte, nur Persön­lich­keiten wie der Rechtsanwalt Cardàci, der Baron Ciampanella, der Vorsteher des Finanzamts, einige Grundbesitzer und Don Nini, ein sehr reicher junger Mann, dem man nachsagte, er sei ein Don Juan. Nach einem Ehejahr merkte Herr Santoro plötzlich, dass ihn die Bekannten aus dem Cafe schnitten. Wenn sie ihn sitzen sahen, kamen sie nicht heran, und ein paarmal standen sie auf, als er sich an den Tisch zu ihnen setzte. Alle, ausser Don Ninì, verhielten sich ihm gegenüber unhöflich und befremdend. Nun sass er in seinem Laden und fing an nachzudenken; er be­trachtete sich im Spiegel, nahm zweimal den Hut ab und setzte ihn zweimal wieder auf. Er hatte verstanden. Am nächsten Tag, pünktlich um fünf Uhr nachmittags, während die Freun­­de im Schatten vor dem Café sassen, verliess er das Geschäft und ver­ riegelte Tür und Schau­fenster, als sei schon Ladenschluss. Die Freunde beobachteten ihn, und als sie sahen, wie er mit langen, langsamen Schritten auf sein Haus zuging, folgten sie ihm von weitem.

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Herr Santoro zog den Schlüssel aus der Tasche, öffnete vorsichtig die Haustür, trat ein und schloss von innen wieder zu. Auf der entgegengesetzten Seite des Platzes hatte die Gruppe aus dem Café halt gemacht und wurde langsam grösser. Sie brauchten auch nicht lange zu warten. Nach fünf Minuten hörte man im Haus einen Schuss fallen, und sofort darauf sah man für einen winzigen Augenblick Don Ninìs Kopf an der ovalen Luke über dem Mittel­fenster auftauchen. Einen Moment später, siehe da! spazierte Don Ninì wie ein Seiltänzer, nur völlig nackt, auf dem Dach des kleinen Hauses herum. Er war aus dem Dachfenster ge­stiegen und balancierte auf dem First entlang. Nach wenigen Schritten war er am Ende des Daches und drehte sich um. Auf einmal stieg auch Herr Santaro aus dem Dachfenster; er war ganz dunkel gekleidet und hatte einen neuen Hut auf. Die beiden Männer standen sich wenige Meter voneinander entfernt wie zwei Duellanten gegenüber. Santoro streckte den Arm aus, er hatte eine lange Pistole in der Hand; und erst jetzt bemerkten die Zuschauer, dass auch Don Ninì mit einem kleinen Revolver bewaffnet war. Der Nackte und der Bekleidete hoben zu gleicher Zeit den Arm und gaben Feuer. Einen Augenblick lang blieben sie bewegungslos, als wollten sie das Echo der Schüsse verhallen lassen, dann fiel Don Ninì vom Dach herunter auf den Platz und Santoro kletterte durch das Dachfenster wieder zurück. Zehn Minuten später trat er mit einem neuen Hut auf dem Kopf, da den anderen, wie man erfuhr, eine Kugel durchlöchert hatte, aus dem Haus. In der Hand die lange Pistole, eingewickelt in eine Zeitung, ging er zur Kaserne der Carabinieri und stellte sich. Um den Leichnam von Don Ninì sammelte sich ein Grüppchen, das bemerkte, wie sein Mund unter dem schwarzen Schnurrbärtchen noch immer lächelte. Das Schwurgericht sprach den «Gehörnten» frei vom Doppelmord an seiner Frau und Don Ninì. Santoro kehrte nach Caltanissetta zurück, öffnete das Geschäft wieder und wurde von neuem in die alte Gemeinschaft aufgenommen. Danach sprach niemand mehr von der Geschichte. Aus dem Roman «Wir sassen auf Steinen»

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EINE BRÜCHIGE WELT Egon Voss

In Cavalleria rusticana werden, den Notwendigkeiten des Einakters entsprechend, nur noch die Konsequenzen einer Handlung gezeigt, die selbst längst abgelaufen ist. Wenn der Vorhang aufgeht, sind Santuzzas Entehrung und Lolas Ehebruch – die Motive des Stückes – bereits Vergangenheit. Der Zuschauer bekommt nur doch die Folgen zu sehen, die den Ak­teuren kaum mehr Raum zur eigenen Entscheidung lassen. Der Ausgang ist von vornherein bestimmt – Turiddu singt in der Siziliana zu Beginn nicht zufällig vom Blut über Lolas Tür –, und zugleich ist damit den Personen jenes Moment von Freiheit der Entscheidung genommen, das sie in mehraktig dargestellten Handlungen gewöhnlich haben. Das erinnert an Peter Szondis in seiner Theorie des modernen Dramas vertretene These, dass der Einakter «das Drama des unfreien Menschen» sei. (…) Mit ihrem Determinismus verstösst die Cavalleria gegen die Operntradition, in der es zwar stets viel Schicksalsglauben gab, nie aber die Riten die Herrschaft über die Affekte der Personen und deren Handlungen hatten. So zorngeladen Alfio im strettahaften f-Moll-Schluss von Nr. 6 scheint («Ad essi non perdono, vendetta avrò… io sangue voglio»), so unmissverständlich ist doch, dass das, was er tut, um seiner Wut genüge zu tun, nichts mit ihm persön­lich zu tun hat, sondern einem überpersönlichen Ritual gehorcht, das automatisch ab­läuft. Die Begegnung zwischen Turiddu und Alfio in Nr. 9, das Aufeinandertreffen der Rivalen und Feinde, hätte in traditioneller Oper zu einer grossen Duett- oder Ensembleszene geführt; hier gibt es nur einen knappen, rezitativisch gehaltenen Dialog, in dem die Emotionen nahe­zu ausgespart sind. Dass der Messerkampf ein Ritual ist, ganz unabhängig von den Personen, die es vollziehen, erweist sich nochmals ganz am Schluss: der Ruf, Turiddu sei tot, lautet «Hanno amazzato compare Turiddu», was mit «man hat Turiddu erschlagen» zu übersetzen ist. Von Alfio ist nicht die Rede. Damit wird unmissverständlich die Gesellschaft für den Tod Turiddus verantwortlich gemacht. (…) Der Allgemeinheit bleibt der

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ge­naue Grund des Messer­kampfs zwischen Turiddu und Alfio verborgen, aber nicht nur das: es wird auch nicht danach gefragt. Das Delikt wird mit Stillschweigen übergangen, wohl weil man meint, es werde mit dem Messerkampf aus der Welt geschafft. Was für den Ehebruch Lolas mit Turiddu gilt – das Wort Ehebruch kommt bezeichnenderweise im Textbuch nicht vor –, gilt ebenso für die voreheliche Sexualbeziehung zwischen Santuzza und Turiddu, von der man nur aus Santuzzas Mund erfährt. Was Santuzza Lucia mitteilt, hat den Charakter einer voller Scham vorgetragenen Beichte, und die Mitteilung an Alfio, die Santuzza sogleich wiederum in Schamgefühle versetzt, geschieht in einer Situation äusserster Verzweiflung. Das Verbergen der Wahrheit geht bis zum Verleugnen der Ge­füh­le, was für eine Oper fast widersinnig ist. Dass Turiddu und Lola ein Paar sind, das sich liebt, erfährt man – ein Unikum in der Operngeschichte – nicht von ihnen selbst, sondern von Santuzza. Normalerweise lassen es sich die Autoren einer Oper nicht nehmen, das im Zentrum der Handlung stehende Paar seine Liebe in einem grossen Duett feiern zu lassen. In der Cavalleria geschieht geradezu das Gegenteil. Die Begegnungen zwischen Turiddu und Lola, ohnehin nie unter vier Augen, sind geprägt von Konvention und Förmlichkeit. Man verhält sich betont neutral. Niemand käme auf die Idee, die beiden auf Grund ihres Ver­haltens für Liebesleute zu halten. Freilich ist ihre Liebe nach den Regeln und Usancen der Gesellschaft, in der sie leben, ein Unrecht, und die offene Artikulation der wahren Empfin­dungen liefe auf eine Offenbarung dieses Sachverhalts hinaus. Selbst gegenüber Santuzza, von der doch beide wissen müssen, dass sie eingeweiht ist, wird der Schein gewahrt. So gerät das Zusammentreffen der drei Personen nicht, wie es in älterer Oper der Fall gewesen wäre, zum grossen Terzett, in dem die widerstreitenden Gefühle und Wünsche sich artikulieren könnten, sondern verharrt in einem ebenso knappen wie kühlen Hin und Wider von Rede und Antwort, musikalisch auf spärliches Rezitativ reduziert. (…) Nur in der Heimlichkeit der Siziliana ist Turiddu offen und ehrlich, nur an dieser Stelle drückt er vorbehaltlos aus, was ihn bewegt. Diese Besonderheit hat ihre Entsprechung im Text; die Verse der Siziliana sind die einzigen, die nicht in der Hochsprache, sondern im Dialekt gehalten sind. Bei seinen Auftritten, inner­ halb der Handlung, verbirgt Turiddu seine Gefühle strikt. Santuzza begeg­net

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er zwar zornig und abweisend, weil sie ihm lästig ist und er sich von ihr kontrol­ liert glaubt, aber dass er eine andere liebt, kommt nicht über seine Lippen. Selbst beim Abschied von seiner Mutter, als die Würfel schon gefallen sind und er ahnt, dass es sein Ende sein wird, sagt er nicht die Wahrheit, sondern verbirgt seine Empfindungen – die die Musik gleichwohl eingefangen hat – hinter Ausreden und Phrasen. Im Gegensatz zu Turiddu steht Santuzza, die als einzige ihre Ge­ fühle deutlich und ohne Einschränkung artikuliert. Allerdings gibt auch sie sich nicht so offenherzig, wie es Opernfiguren gewöhnlich tun. Sie gesteht ihre ver­ zweifelte Lage nicht, wie es der Operntradition entspräche, in einer Solo­szene, einem Monolog – diese Gattung gibt es in der Cavalleria gar nicht. Sie braucht für ihre Mitteilung eine Vertraute, was aus dem, was sie mitzuteilen hat, fast zwangs­läufig ein Geständnis macht, eine Beichte. Niemand ausser Lucia soll und darf erfahren, was sie erlebt hat und in welcher Lage sie sich befindet. Darum unterbricht sie sich auch jedesmal, wenn andere Personen hinzukommen, wie Alfio in Nr. 3, die Kirchgänger in Nr. 4 – ein in der Oper höchst ungewöhnliches Verfahren, das jedoch sehr anschaulich vorführt, wie brisant das ist, was Santuz­ za auf dem Herzen hat. Die Unterbrechung eines Dialogs, weil eine dritte Person hinzukommt – in der Realität eine Alltäglichkeit, in der Oper unüblich –, wiederholt sich in Nr. 6 beim Auftritt Lolas. Turiddu und Santuzza brechen ihre Auseinandersetzung, kaum dass sie Lola kommen hören, sogleich ab und verstummen. Wieder geht es um das Verbergen des Persönlich-Privaten. Die Dialoge werden stets durch geschlossene musikalische Nummern unterbrochen: Alfios Auftrittslied in Nr. 3, das Gebet in Nr. 4, Lolas Auftrittslied in Nr. 6. So ergibt sich ein Wechsel zwischen voranschreitenden und retardierenden Handlungselementen, der zwar allgemein für die Dramaturgie der Oper kennzeichnend ist, hier jedoch neben der formalen noch eine sonst nicht übliche inhaltliche Bedeutung hat. Die die Handlung vorantreibenden Bestand­teile der Oper, die die Wahrheit an den Tag bringen und deren bittere Konsequenz veranlassen, vollziehen sich gleichsam heimlich, unter Ausschluss der Öffentlich­ keit. In diesen Abschnitten fehlt darum der Chor, der sonst nahezu durchgehend beteiligt ist; die Wahrheit wird stets nur unter vier Augen, im privaten Dialog geäussert. Die Musik dieser Abschnitte ist formal wie inhaltlich differenzierter als die der anderen. Die retardierenden Bestandteile dagegen sind gross angelegt,

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repräsentativ, formal geschlossen (Intro­duktions­chor Nr. 2, Trinklied in Nr. 8). Es sind die offiziellen Äusserungen der Gesellschaft der Cavalleria. Sie spiegeln eine heile Welt wieder, Ordnung und Normalität. Wer allerdings genauer hinhört, kann der kompositorischen Gestaltung entnehmen, wie brüchig diese Welt in Wahrheit ist. Der Introduktionschor, der so sehr darauf aus ist, ein heiteres Bild von Frühling und Liebe zu entwerfen, weist Chromatismen und harmonische Eigenheiten auf, die das heitere Bild stark trüben, vornehmlich im Orchesternachspiel. Alfios Auftrittslied, das so fest von der Treue Lolas überzeugt ist, unterliegt metrischen Schwan­kungen, die die Selbstsicherheit Alfios Lügen strafen, und das f-Moll zu Beginn des Chores «A casa, a casa, amici» am Anfang der Nr. 8 klingt durchaus nicht so freudig-gelöst, wie der Text annehmen lassen sollte; schliesslich kehrt man heim zu den geliebten Ehefrauen bzw. -männern. Cavalleria rusticana musste noch aus einem weiteren Grund Aufsehen oder gar Anstoss erregen. Das Stück verstösst gegen den klassischen Tragödien­ begriff, der auch 1890 noch die Norm war, an dem man es mass. Die Handlung spielt in einem Dorf auf dem Lande, an einem Schauplatz also, der nach den Vorstellungen klassischer (und klassizistischer) Ästhetik ein Ort der Heiterkeit ist und der Idylle, wo es zwar Gewitter gibt und Natur­katastro­phen, jedoch keine Tragödien. Nach dieser Vorstellung sind Bauern und Handwerker einer Tragik im emphatischen Sinn gar nicht fähig, weshalb sie der Komödie und dem Singspiel vorbehalten zu bleiben haben. Eben solche Menschen jedoch, Bauern und Handwerker, sind in der Cavalleria Träger eines Geschehens, das, zumindest äusserlich, in seinem Ausgang eine Tragödie ist. Die mythischen Helden, Personen von Stand oder in einer anderen Weise herausgehoben exemplarische Menschen sind durch einfache Leute ersetzt, die, zum ersten Mal in der Operngeschichte, wahrhaft ernst genommen werden. Man kann von einer Eman­zi­pa­ tion der kleinen Leute sprechen. In der Konfrontation mit ihrer Alltäglichkeit, die der traditionellen Ästhetik für banal galt, wird der klassische Tragödienbegriff seines realitätsfernen Alltags entkleidet.

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José Cura, Damen und Herren des Chores Spielzeit 2008 / 09



José Cura, Liliana Nikiteanu Spielzeit 2008 / 09



ZEITTAFEL 1863 7. Dezember: Pietro Mascagni wird in Livorno als Sohn eines Bäckers geboren. Im selben Jahr kommt in Livorno Giovanni Targioni-Tozzetti, späterer CoLibrettist von Caval­leria rusticana und Verfasser sieben weiterer Textbücher für Mascagni, zur Welt. 1880 Unter dem Titel Vita dei campi veröffentlicht der italienische Erzähler Giovanni Verga (1840-1922) eine Sammlung von acht Novellen, deren realistische Schärfe die beiden Hauptwerke des literarischen Verismo I Malavoglia (1881) und Mastro Don Gesualdo (1889), beide ebenfaIls von Verga, vorwegnimmt. Cavalleria rusticana, die erste Novelle der Sammlung, besticht durch Gerad­ linigkeit, Kürze und eine auf das Wesentliche verknappte, geballte Dramaturgie. 1884 Am 14. Januar findet im Teatro Carigano in Turin die Uraufführung einer von Verga selbst bearbeiteten szenischen Fassung von Cavalleria rusticana statt, in einer Insze­nierung der Compagnia di Cesare Rossi mit der legendären Schauspielerin Eleonora Duse (1858-1924) als Santuzza. Mit dieser Theaterversion avanciert Verga auch zum führenden Dramatiker des Verismo. Am 11. Februar besucht Mascagni, damals noch Student am Mailänder Konservatorium, die Mailänder Erstaufführung von Vergas Cavalleria-Drama durch die Kompagnie des Schauspielers Francesco Pasta und fasst den Stoff für ein mögliches späteres Opernprojekt ins Auge. 1888 Am 1. Juli schreibt der Mailänder Musikverleger Edoardo Sonzogno seinen zweiten Wettbewerb für «junge italienische Komponisten» aus: Eingereicht werden sollen un­ver­öffentlichte Opern-Einakter. Im Herbst entschliesst sich

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Mascagni, der sich 1887 im Städtchen Ceringola (Apulien) niedergelassen und das Amt eines städtischen maestro di suono e canto übernommen hat, sich am Wettbewerb zu beteiligen, nachdem er sich schon seit Jahren mit einem grossen Opernprojekt, Guglielmo Ratcliff, nach einem Stoff von Heine, abmüht, ohne damit zu Ende zu kommen. Zunächst plant Mascagni, die 1884 erschienene Novelle Marito e sacerdote von Nicola Misasi zu vertonen und bittet seinen Freund, den in Livorno lebenden Dichter Giovanni Targioni-Tozzetti, daraus ein Libretto zu formen. Die Oper soll Serafina heissen. Während der Arbeit am Text­buch besucht Targioni-Tozzetti in Livorno eine Vorstellung von Vergas Cavalleria und schlägt Mascagni sofort diesen Stoff zur Vertonung vor. Mascagni, der das Stück bereits vier Jahre zuvor in Mailand gesehen hat, willigt ein, und unter Mitwirkung eines weite­ren jungen Dichters aus Livorno, des einundzwanzigjährigen Guido Menasci (1867-1925), entsteht die Oper unter grossem Zeitdruck in der ersten Jahreshälfte 1889. 1890 Am 6. Mai verkündet die Jury, bestehend aus den Komponisten Sgambati, d’Arcais, Galli, Platania und Marchetti, jene drei Opern, die von ihr für eine Auf­ ­führung am Teatro Costan­zi in Rom ausgewählt wurden: Labilia von Nicco­ló Spinelli, Rudello von Vin­cenzo Ferrari und Mascagnis Cavalleria rusticana. Mascagni reist sofort nach Rom, nimmt in letzter Minute einige Instrumentationsretuschen vor und überwacht die Pro­ben­arbeit. Am 17. Mai findet im Teatro Costanzi in Rom unter der Leitung des Diri­gen­ten Leopoldo Mugnone (1858-1941) die Uraufführung von Cavalleria rusticana statt. Die Mitwirkenden sind: Gemma Bellincioni – Santuzza, Roberto Stagno – Turiddu, Annet­ta Guli – Lola, Gaudenzio Salassa – Alfio, Federica Casali – Lucia. Die Aufführung wird zu einem überragenden Erfolg: Es gibt sechzig (!) Vorhänge. Wenige Tage später unterzeichnet Mascagni bei Sonzogno einen Vertrag mit 300 Lire Mo­ nats­salär und der Aussicht, in zwei Jahren bis zu 15 000 Lire zu ver­dienen. Am 14. August dirigiert Mu­g­no­ne die Erstaufführung von Cavalleria rusticana in Mascagnis Geburtsstadt Livorno, wieder mit Gemma Bellincioni und Roberto Stagno in den Hauptrollen. Die Partie der Lola singt hier Ida Nobili, den Alfio Maria Ancona.

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Zwischen September und Dezember folgen weitere Erstaufführungen der Oper in Flo­renz (am 14. September – mit Emma Calvé als Santuzza), Turin (am 27. September – mit Emilio de Marchi als Turiddu und Mugnone am Pult), Bologna (am 4. Oktober – mit Romilda Pantaleoni – Verdis erster Desdemona – als Santuzza) und Palermo (am 3. De­zember – mit Fernando Valero als Turiddu). Am 17. Dezember folgt die Erstauf­füh­r ung in Madrid mit Bellincioni, Stagno und dem Dirigenten Luigi MancineIli. Am 26. Dezem­ber leitet Gustav Mahler die Budapester Erstaufführung in ungarischer Sprache mit Sándor Veres als Alfio. 1891 Am 3. Januar leitet Leopoldo Mugnone (auch) die Mailänder Erstaufführung an der Scala mit Romilda Pantaleoni und Fernando Valero in den Hauptrollen. Im selben Monat bringen sieben weitere Opernhäuser Mascagnis Einakter heraus, so Genua, Neapel (mit Calvé und Fernando de Lucia), Venedig und Triest. Im Ausland präsentieren die Häuser von München (unter Hermann Levi), Hamburg und St. Petersburg zum erstenmal Ca­val­leria rusticana. Im Februar folgen Dresden und Buenos Aires, im März Wien, im April Bukarest, im Mai Barcelona, im Juni Berlin mit weiteren Erstauf­füh­r un­gen. Philadel­phia, Rio de Janeiro und London zeigen die Oper im September und Oktober zum erstenmal. Am 31. Oktober findet im römischen Teatro Costanzi die Uraufführung von Mascagnis zweiter Oper L’amico Fritz, einem abendfüllenden Werk in drei Akten, statt. Die Haupt­rollen singen Emma Calve und Fernando de Lucia. Trotz eines gewissen Erfolgs kann Mascagni damit nicht an den Cavalleria-Triumph anknüpfen. 1892 10. November: Uraufführung von Mascagnis dritter Oper I Rantzau, einem vier­aktigen Musikdrama, im Florentiner Teatro alla Pergola, die wiederum nur einen Achtungs­erfolg bringt. 1895 16. Februar: Mascagni dirigiert selbst die Uraufführung seiner «grossen Tragö­die» Guglielmo Ratcliff, einer vieraktigen Oper, an der er schon seit 1885 arbeitete.

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Der Premierenerfolg lässt auch in diesem Fall das schnell nachlassende Interesse nicht ahnen. Neun Tage später präsentiert Mascagni am selben Ort bereits seine nächste Oper: Silva­no, wieder nach einem Libretto von Targioni-Tozzetti. Der Erfolg ist trotz der Mit­wirkung von Fernando de Lucia und Adelina Stehle nur mässig. 1896 –1935 Zwischen 1896 und 1935 vollendet Mascagni weitere elf Opernkompositionen, die er allesamt zur Aufführung bringt. An den Erfolg seines Erstlings, Cavalleria rusticana, vermag er mit keiner seiner weiteren Arbeiten anzuknüpfen. 1916 Carlo Sabajno dirigiert mit dem Ensemble der Mailänder Scala die erste Schall­ platten­gesamtaufnahme von Cavalleria rusticana. 1929 Pietro Mascagni übernimmt in der Nachfolge Toscaninis kurzzeitig die musika­ lische Leitung der Mailänder Scala und dirigiert einige Opernvorstellungen. 1940 Fünfzig Jahre nach der Uraufführung dirigiert Mascagni seine erste und einzige Schall­platteneinspielung von Cavalleria rusticana unter Mitwirkung von Benia­ mino Gigli und dem Ensemble der Mailänder Scala. 1945 Am 2. August stirbt Mascagni einundachtzigjährig – verarmt, verlassen und ent­täuscht – in einem schäbigen römischen Hotel.

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PAGLIACCI

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Fiorenza Cedolins, José Cura Spielzeit 2008 / 09



MOSAIK EINES MEISTERPORTRAITISTEN Konrad Dryden

Obwohl Ruggiero Leoncavallo (das «i» des Vornamens findet sich lediglich in der Geburts­urkunde) Urheber eines der populärsten Werke des Opernrepertoires ist, wird er wegen der zahlreichen Widersprüchlichkeiten in seiner Biografie auch gern als «opera’s mystery man» bezeichnet. Am 23. April 1857 in Riviera di Chiaia bei Neapel geboren – und nicht, wie er selbst gern behauptete, ein Jahr später am 8. März 1858 –, bezog er seine Anregung für Pagliacci nicht nur aus einem Mordprozess gegen die Schuhmacher Giovanni und Luigi d’Alessandro, den sein Vater Vincenzo als Richter des Bezirksgerichts im kalabrischen Cosenza 1865 geleitet hatte, sondern auch aus Catulle Mendès’ Schauspiel La femme de Tabarin (1887) und aus Don Manuel Tamayo y Baus’ Un drama nuevo (1867). Dem jungen Leoncavallo bereitete es Freude, die Ermittlungsarbeiten seines Vaters zu verfolgen, wobei ihn insbesondere die psychologischen Gegebenheiten des menschlichen Ver­haltens interessierten; Erkenntnisse, die später in seinen Opernfiguren ihren Niederschlag finden sollten. Von Eifersucht getrieben, hatte seinerzeit Luigi d’Alessandro einen zweiund­zwanzigjährigen Mann namens Gaetano Scavello mit einem «englischen Schuhmacher­messer» in den Arm gestochen, während sein Bruder Giovanni mit einer gewissen Brutalität einen anderen Dolch in die Geschlechtsteile des jungen Mannes getrieben hatte. Die um­kämpfte Frau, deren Name nicht überliefert ist, wurde laut Gerichtsakten für «weiterer Aufmerksamkeit unwert» befunden. Nach seiner Ausbildung am neapolitanischen Conservatorio San Pietro a Maiella wechselte Leoncavallo zu weiteren Studien an die Universität von Bologna, wo er mit Giosuè Carducci und Giovanni Pascoli zusammentraf. Hier be­gann er die Arbeit an seiner ersten Oper, Chatter ­ton, die auf dem kurzen, un­glücklichen Leben des englischen Dichters mit dem Werther ähnlichen Schick­ sal beruht. Als Gast seines Onkels Giuseppe Leoncavallo hielt er sich anschlies­

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send längere Zeit als Musiklehrer in Ägypten auf; Giuseppe Leoncavallo hatte eine Anstellung als Leiter der italienischen Zeitung Il spettatore beim Ägyptischen Institut. Den Neffen zog es daraufhin nach Frankreich, wo er dank seiner pianistischen Fähigkeiten bei Cafékonzerten inner- und ausserhalb von Paris auftreten und damit seinen Lebens­unterhalt verdienen konnte; hier vollendete er 1886 auch sein eindrucksvolles symphonisches Gedicht La nuit de mai nach einem Text von Alfred de Musset. Seine neue Oper I Medici war der erste Teil einer niemals komplettierten Trilogie über das Italien der Renaissance namens Crepusculum, zu der er von Carducci und Wagners Ring angeregt worden war. Unter dem Eindruck von Mascagnis kometengleichem Aufstieg mit Cavalleria rusticana entwarf Leoncavallo ein Libretto von vergleichbarer Kraft und Dichte, das er ursprünglich Il Pagliaccio (also Der Bajazzo) betitelte; diesen Entwurf stellte er mit mässigem Erfolg dem Mailänder Verlagshaus Ricordi vor, dessen Inhaber anmerkte, das Stück sei «hübsch, aber schwierig… wie soll dieser Mann in Weiss (gemeint war Canio) ernst genommen werden?» Es gelang Leoncavallo jedoch, das Konkurrenzunternehmen Casa Sonzogno zu überzeugen; der gewaltige – obschon nicht sofortige Erfolg – nach der Mailänder Uraufführung am Teatro Dal Verme am 21. Mai 1892 brachte dem Komponisten im Alter von 35 Jahren internationale Anerkennung ein. Nach Ricordis Einlassungen in Leoncavallos üblicher purpurfarbener Tinte ursprünglich ein­aktig komponiert, erhielt Pagliacci später ein kurzes Vorspiel; der Komponist beschloss, das Werk zweizuteilen. Auf Arturo Toscaninis Anregung schrieb er überdies ein Zwischen­spiel als Umbaumusik für die CommediaSzene des zweiten Aktes. Tonios Prolog wurde auf Drängen des Bariton Victor Maurel hinzugefügt. Es war auch dieser Sänger, der den Titel von der Singular­ form «Pagliaccio» in den Plural «Pagliacci» ändern liess, wodurch eben nicht nur Canio, sondern die ganze Komödiantentruppe in den Titel eingebunden ist; das deutsche Der Bajazzo verbleibt hingegen beim alten Titel. Die Kritiker standen nach der Uraufführung dem Werk, das sie zutiefst an die Zeit des «bel canto» erinnerte, fassungslos gegenüber. Im gleichen Jahr kam Pagliacci auch in Wien her­aus. Alfonso Garulli, der hier den Canio sang, war der erste, der die von Leoncavallo ur­sprünglich von Tonio «in ironischem Tonfall» gesungenen Worte «La commedia è finita! – Das Spiel ist aus!» am Ende

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der Oper sprach, ein Bühnenbrauch, für den im Allgemeinen Enrico Caruso verantwortlich gemacht wird. In der Tat gibt es sechzig Abweichungen zwischen Manuskript und gedruckter Ausgabe, die zum Grossteil Fragen der Interpretation be­treffen. Für Neddas «ballatella» und ihr Duett mit Silvio verwendete Leoncavallo seine Lieder Tristesse und La chanson des yeux, machte sehr wohl aber auch Anleihen bei Mendels­sohn Bartholdys Trio c-Moll op. 49. (Das «Ridi Pagliaccio»-Motiv kann durchaus auch aus einer von Puccinis frühen Opern entlehnt sein.) Pagliacci war mit der Hauptfigur des eifersüchtigen Ehemannes (Alfio/Canio), der Rache nimmt für den Ehebruch seiner Frau (Lola/Nedda) mit ihrem Liebhaber (Turiddu/Silvio), Leoncavallos Antwort auf Cavalleria rusticana. Bei genauerer Betrachtung des Bühnenpersonals ergeben sich in­ dessen auch offenkundige Paral­lelen zu Shakespeares Othello: Canio/Othello, Nedda/Desdemona, Silvio/Cassio, Tonio/Jago. Die Oper drängt ohne jede überflüssige Note in einem unabgerissenen Fluss der Ein­fälle voran. Die Or­ chester­begleitung ist ebenso fesselnd wie das grossartige Libretto; Pagliacci ist Leoncavallos einzige, von einem Motivgeflecht durchzogene und zusammengehaltene Oper. Die Charaktere sind keine schicksalsbefangenen Kothurnträger, sondern wahrhaftige, leidenschaftliche Menschen, was auf Leoncavallos grosse empathische Fähig­keiten zurückzuführen ist, die ihm einen unakademischen Zugang ermöglichten, was ihm im Falle von etwa I Medici, La bohème oder Der Roland von Berlin nicht immer gelang. Zwischen dem modischen Verismo und der historischen grossen Oper hin- und hergerissen, hoffte Leoncavallo nach wie vor auf eine Aufführung von I Medici. Gleichzeitig entspann sich ein hoch angesiedelter Streit, in dem Puccini und er gleichermassen ein Erstlingsrecht für ihre jeweiligen Vertonungen von La bohème beanspruchten; wir dürfen wohl unterstellen, dass Leoncavallo tatsächlich der erste war. (In seinen Briefen kommt der Name Puccini in Überfülle vor, verbunden mit der ernsthaften Annahme, sein Kollege betreibe seinen Untergang.) Der immer noch vergleichsweise schwache Leoncavallo fand mit seiner «literarischeren» Fassung von La bohème (1897) geringere Zustimmung; Gustav Mahler liess sich nur widerwillig dazu überreden, das Stück in Wien aufzuführen. Ein weiterer Erfolg im Genre der Verismo-Oper war Zaza (1900), die von Kritikern als «Violetta auf Rollschuhen» be­grüsst wurde. 1904 schliesslich fand die Uraufführung von Der Roland von

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Berlin statt, ein musikalisch unterschätztes Werk, das von Wilhelm II. in Auftrag gegeben wurde, nachdem der Kaiser zehn Jahre zuvor der Berliner Premiere der von Wagner inspirierten Medici beigewohnt hatte. Am Höhepunkt seiner Laufbahn liess sich Leoncavallo seine gewaltige Villa Myriam in Brissago am Ufer des Lago Maggiore bauen. Diese finanzielle Belastung, zur der noch hinzu­kam, dass Leoncavallo wegen seiner Prozesssucht über Jahrzehnte hinweg in un­ zählige Rechtsstreitigkeiten verwickelt war – von der Casa Ricordi über Catulle Mendès (der Leoncavallo vorwarf, seine Femme de Tabarin plagiiert zu haben) zu Carlo Zangarini (der für sich in Anspruch nahm, teilweise anonymer Autor des Librettos für Zaza zu sein) –, dezimierten sein Vermögen so sehr, dass er 1906 und 1913 zu zwei extrem anstrengenden Amerikatourneen gezwungen war. Nach einer Reihe von Operetten, deren erfolgreichste La Reginetta delle rose von 1912 war, und einem vereitelten Versuch, beim Film zu arbeiten und in eine Puppenfabrik zu investieren, musste der vollkommen bankrotte Leoncavallo mit ansehen, wie seine Villa Myriam beschlagnahmt wurde. Währenddes­ sen komponierte er «neue Opern» (Mameli) mit Themen aus früheren Stücken (Chatterton). Gross war Leoncavallos Hoffnung darauf, dass seine Verismo-Oper I Zingari nach Puschkin, die 1912 ursprünglich vom Londoner Hippodrome in Auftrag gegeben worden war, in gemeinsamer Aufführung mit Pagliacci, Cavalleria rusticana verdrängen würde. (Bei der ersten Pro­duktion an der New Yorker Metropolitan Opera im Jahre 1893 war Pagliacci zusammen mir Glucks Orfeo ed Euridice gespielt worden.) Zingari bezeichnet einen unweigerlichen Wendepunkt. Nach Jahrzehnten unermüdlicher Arbeit und regelmässiger Erkrankungen liessen Leoncavallos Ideenreichtum und Hingabe nach. Weitere Stückpläne, mit denen der Komponist tapfer den Erfolg von Pagliacci wiederzubeleben suchte und die auf die Fähig­keiten von Luisa Tetrazzini und Enrico Caruso zugeschnitten sein sollten, scheiterten gleichfalls – als er am 9. August 1919 in Montecatini starb, hatte eine einzige Oper, vielleicht zu Unrecht, seine ganze Karriere überschattet. Verbreitet ist die irrige Auffassung, Pagliacci sei seine einzige Oper von Wert. Obwohl sie zweifelsohne sein grösster Erfolg war, haben doch Zaza, Der Roland von Berlin und La nuit de mai ihre Wiederentdeckung durch neuerliche Aufführungen verdient. Leoncavallo, dessen Karrierebeginn zufällig zusammen-

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fiel mit dem Aufkommen des Verismo und der doch tief verwurzelt war im «bel canto», erschien auf der Bildfläche, als die Oper am Schei­de­wege stand. Geistig von Wagner und musikalisch von Jules Massenet inspiriert, war er ein meisterhafter Eklektiker, dem es gleichermassen gegeben war, die Gattung der Grand Opéra (I Medici, Der Roland von Berlin), den Verismo (Pagliacci, Chatterton, La bohème, Maia, Zingari, Zaza) wie die Operette (Malbruk, Reginetta delle rose, La Can­didata, Prestami tua moglie, A chi la giarrettiera) zu bedienen, Klaviermusik, zahllose Lieder (darunter das berühmte Mattinata) und symphonische Dichtungen (La nuit de mai, Siraphitus – Siraphita) zu schreiben. Möglicherweise war es Leoncavallo nicht gegeben, seinen Stil im Laufe seines Lebens reifen zu lassen. Franco Alfano, Umberto Giordano, Puccini und Mascagni mach­ten erhebliche Entwicklungen durch, an deren Ende meisterhafte Partituren standen. Demgegenüber war Leoncavallo an einer Modifikation seiner musikali­schen Sprache weniger interessiert. Eine gewisse elegische Neigung zur Traurig­keit in Verbindung mit dem starr kontrastierenden Element der Gewalt durchzieht viel von Leon­cavallos Musik. Das ist zutiefst persönlich und häufig autobiografisch motiviert, wenn man sich vor Augen führt, dass seine Szenarien so oft in Künstlerkreisen spielen. Gleichzeitig war aber Leoncavallo auch an einer emotionalen «Botschaft» gelegen; ob es nun um die widrigen Lebensbedin­ gungen der Personen in Murgers Scènes de la vie de bohème oder Canios überbordende, fast väterliche Liebe zu Nedda geht, die ein Leben im Affekt aus­ löschen lässt: Seine Opern können gesehen werden als kompliziertes Mosaik, das die menschliche Seele ebenso wiedergibt, wie dies ein meisterhafter Portraitist vermöchte.

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Gabriel Bermúdez, Fiorenza Cedolins Spielzeit 2008 / 09


COMMEDIA DELL’ARTE Karl Riha

Commedia dell’Arte Um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Italien entstandene, von Berufsschauspielern aufge­­führ­te Stegreifkomödie mit stark typisierten Figuren. Pagliaccio Sprachlich abgeleitet aus «bajaccia» bzw. «bajaccio» (arge Spötterei bzw. arger Spöt­ter). Hat, was die weisse Gesichtsmaske und/oder das weissgemehlte Gesicht an­geht, Vorläufer in entsprechenden Kar­ne­vals­buffoni, die durch bizarre Bewegungen und Fratzen­schneide­reien das Publikum zum Lachen zu bringen suchten. Das weiss­leine­ne Zanni-Gewand ist ihm freilich zu gross geraten. Er ist ein Verwandter Ber­tol­dos, Pedrolinos, des treuherzigen, ehrli­chen Dieners, und später Pierrots, der sich in seiner Eigenart ganz mit dem französischen Théâtre italien entwickelte, zu einer Lieb­lings­gestalt des Malers Watteau wurde und schliess­lich im Übergang zur Moderne roman­tische und mystische Züge annahm. Dem Grundzug nach ist Pagliaccio unbesonnen, dumm und ungeschickt, ein tolpatschiger Kerl und unbeholfener Nach­ahmer. In Worten kühn und zu allerlei verwegenen Taten bereit, in Wirklich­keit der gröss­te Feig­ling unter der Sonne; er rivalisiert in Liebes­dingen mit Arlecchino – oft um die Gunst Colombinas – hat aber keinerlei Chancen. Colombina Weibliches Pendant zu den männlichen Zanni-Figuren Brighella und Arlecchino. In den Vor­bildern der älteren Commedia dell’Arte bäuerlicher Herkunft, heiter, selbstbewusst, aber auch naiv, später verstädtert und zur listigen und frechen

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Zofe einer adligen Herrin umgeformt. Erste Trägerin dieses aus ital. «colomba» (Taube) abgeleiteten Namens war nach 1560 Teresa Biancolelli; ihre Rolle hielt sich über vier Generationen in der Familie und nahm ihre spezifische Kontur an. Colombina ist wie die Zanni-Figuren Brighella und Arlecchino – und oft in gemeinsamer Sache mit ihnen – aktiv ins Ränkespiel verwickelt, versteht sich aber nicht nur aufs Inszenieren, sondern auch aufs Verwischen von Intrigen. Meist verliebt in Arlecchi­no, der es aber mit der Treue nicht so genau nimmt. Arlecchino Spezifizierung der Zanni-Figuren der frühesten Commedia dell’Arte, die sich ihrerseits aus den Masken volksverbundener, lebenslustiger Karnevalsbuffoni entwickelt hatten. Dem Namen nach abgeleitet aus der bereits Anfang des zwölften Jahrhunderts nachgewiesenen Teufels-Benennung Hellequin oder Herlequin. In Dantes Inferno quält ein Höl­lenteufel namens Alichino die armen Seelen der Verdammten. In Zusammenhang mit seiner Abstam­mung steht das ursprünglich zerlumpte, aus Flicken zusammengesetz­te und schliesslich aus verschiedenfarbigen, geometrischen Stoffdreiecken und -rhomben gebildete Kostüm Arlec­chinos. Seine Auf­gabe ist es, wie Brighella und oft mit diesem ge­ meinsam die Intrige voranzutreiben. In seiner komischen Hilflosigkeit geht er, ohne eigentlich ungeschickt zu sein, an viele Dinge falsch heran und wird deshalb häufig mit Prügel bestraft. Lässt sich aber seine Spass­haftigkeit und freundliche Naivität nicht rau­ben und entwickelt die Fähigkeit, sich ge­schickt und glücklich aus brisanten Situa­tionen herauszuziehen.

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José Cura Spielzeit 2008 / 09


DAS TRAURIGE LACHEN Federico Fellini

Nichts ist trauriger als Lachen, nichts schöner, grossartiger, erhebender und bereichernder als das Entsetzen tiefer Verzweiflung. Ich glaube, dass jeder Mensch zeit seines Lebens ein Ge­fangener dieser schrecklichen Angst ist, die zum Scheitern verurteiltes Glück birgt, aber auch noch im tiefsten Abgrund jene hoffende Freiheit bewahrt, die ihm in ausweglos erscheinenden Situationen ein Lächeln ermöglicht. Deshalb wollen die echten, das heisst die aufrichtigsten und tiefsten Komödienschreiber uns keineswegs nur belustigen, sondern sie reissen gleichsam mutwillig unsere schmerzhaftesten Narben auf, damit wir sie noch stärker spüren. Hierher gehören Shakespeare und Molière ebenso wie Terenz und Aristophanes. Andrerseits gibt es keinen echten Tragödiendichter – ich denke an Euripides, Goethe, Dante –, der nicht auch noch seinen entsetzlichsten Leiden gegenüber eine gewisse ironische Distanz zu wahren wüsste. Deshalb ist es absurd, grosse schöpferische Menschen klassifizieren zu wollen, zwischen Spassmachern und Philosophen, Schauspielern und Schriftstellern, Clowns und Dichtern, Malern und Filmemachern zu unterscheiden.

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DER CLOWN ALS SCHATTEN Federico Fellini

Mein Landsmann Alfredo Panzini definiert in seinem modernen Wörterbuch den Clown folgendermassen: «Clown: englisches Wort, meint bäurisch, plump, ungeschickt und später den, der mit künstlerischem Ungeschick das Publikum zum Lachen bringt. Es ist unser ‹pagliaccio›. Doch auch hier findet sich der bekannte beklagenswerte Unterschied, dass das Fremdwort die Sache adelt: der Pagliaccio gehört auf den Jahrmarkt, die Piazza, der Clown in den Zirkus, auf die Bühne, ein verdienstvoller Akrobat ist ein Clown, das heisst beinahe ein Künstler, und er wird das Wort Pagliaccio als unzutreffend und beleidigend ablehnen.» Das war die Zeit des Nationalismus. Was soll ich meinerseits sagen? Nun, der Clown verkörpert den irrationalen Aspekt des Menschen, die phantastische Kreatur, die Instinkt­kompo­nente, das, was in jedem von uns gegen die höhere Ordnung rebelliert. Er ist die Karikatur des Menschen in seinem Aspekt als Tier und als Kind, als Verhöhnter und Verhöhnender. Er ist wahrhaftig der Schatten. Ihn wird es immer geben. Es ist, als fragten wir: Ist der Schatten gestorben? Stirbt der Schatten? Um den Schatten zu töten, bedarf es der Sonne, die senkrecht auf den Kopf scheint. Dann verschwindet der Schatten. Eben: der völlig angestrahlte Mensch hat seine karikaturalen, grotesken difformen Aspekte zum Verschwinden gebracht. Vor einer derart verwirklichten Person hat der Clown – in seinem Aspekt der Buckligkeit – keinen Daseinsgrund mehr. Auch dann wäre freilich der Clown nicht verschwunden. Er wäre nur einverleibt. Mit andern Worten: das Irrationale, das Kindliche, das Instinktive wäre nicht mehr mit dem verformenden Blick gesehen, der sie als Deformation erscheinen lässt. Hat sich der heilige Franz von Assisi etwa nicht Gaukler des lieben Gottes genannt! Und Lao Tse sagte: Sobald du dir einen Gedanken herstellst, lache darüber.

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Fiorenza Cedolins, José Cura Spielzeit 2008 / 09


MUSIKALISCHER VERISMO Egon Voss

Der Mord Don Giovannis am Komtur hat eine unmittelbare musikalische Konsequenz. Die Beteiligten kommentieren singend die Tat und die aus ihr resultierende Situation. Durch ihre fast ausschliessliche, vor allem aber wesentlich musikalische Reaktion heben sie das Gesche­hen gleichsam aus der Realität in die Musik und die Kunstform Oper empor. Der Sterbende wird im Gesang verklärt, das Schreckliche der Tat im wahrsten Sinne des Wortes in Harmonie aufgelöst. Nicht anders ist es, wenn Posa im Don Carlos stirbt oder Gilda im Rigoletto. In den veristischen Opern ist das anders, und wie es scheint, liegt hier der Kernpunkt des musikalischen Verismo. Ermordete brechen zusammen, Sterbende verlöschen, sie singen nicht noch einmal, der Schwanengesang ist ihnen verwehrt. Canios Mord an seiner Frau und ihrem Liebhaber bleibt ohne musikali­ sche Folge; nicht einmal der Mörder ist noch einer musikalischen Äusserung fähig. Das Todesurteil für Andrea Chénier wird nicht gesungen, sondern gespro­ chen (wie im Gerichtssaal); Chénier selbst äussert sich gar nicht dazu, und seine Geliebte, Maddalena, vermag ihre Verzweiflung nur in Schreien und Schluchzen zum Ausdruck zu bringen. Turiddus Tod, der hinter der Szene vor sich geht, wird im wiederholten grellen Schrei mitgeteilt; Turiddu selbst kommt nicht noch einmal auf die Szene, um, wie in älteren Opern üblich, seiner Todeserfahrung musikalisch Ausdruck zu geben, und auch Santuzza, der verlassenen Geliebten, und Lucia, der Mutter, ist die musikalische Bewäl­ti­gung der Situation verwehrt. Das Schreckliche erfährt keine Harmoni­sie­r ung durch Musik. Das Geschehen wird nicht in die Kunstform Oper aufgenommen, es bleibt unintegriert und ragt als solches wie ein Stück tatsächlicher Wirklichkeit in die Kunst hinein. Oder anders ausgedrückt: indem die Grundvoraussetzung der Oper, der Gesang, aufgegeben wird und zugunsten anderer Ausdrucksformen, und zwar solcher, die in der Realität üblich sind, entsteht der Eindruck, als breche die

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Wirklichkeit in die Kunst ein. Das Paradigma für diesen Vorgang sind Leoncaval­ los Pagliacci. Im zweiten Akt, im Theater auf dem Theater, wird dieser schockhafte Einbruch der Realität in die Welt der Bühne, der Kunst, leibhaftig vorgeführt.

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ZEITTAFEL 1857 23. April: Ruggiero (neuere Schreibweise: Ruggero) Leoncavallo wird in Neapel als Sohn des Polizeirichters Vincenzo LeoncavalIo geboren. (Das von ihm selbst später angegebe­ne Geburtsdatum 8. März 1858 ist unrichtig.) 1865 In der Nacht vom 5. zum 6. März ereignet sich in Montalto Uffugo, Kalabrien, jenes Verbrechen, das Leoncavallo 27 Jahre später als «wahre» Handlungsgrund­ lage seiner Oper Pagliacci reklamiert. Der Fall, in dem Leoncavallos Vater zu er­mitteln hat, weist aber, wie sich später herausstellt, kaum Übereinstimmungen auf mit der späteren Opern­handlung: In Montalto Uffugo ging es um eine per­ sönliche familiäre Fehde von Einwohnern der Stadt, wobei das Theater nur zu­ fällig der Ort des Mordes der beiden Brüder D’Alessandro an Gaetano Scavello wurde. 1867 30. Mai: Uraufführung des fünfaktigen Schauspiels Un drama nuevo des spani­ schen Dramatikers Manuel Tamayo y Baus (1829-98) in Madrid. Dieses Stück wird 25 Jahre später zur (ungenannten) Urquelle von Leoncavallos Pagliacci. Es wurde bereits 1868 von der Schauspieltruppe Ernesto Rossis in Italien gezeigt. Leoncavallo sah vermutlich die Aufführung von Ermete Novelli im Jahre 1891. 1887 In diesem Jahr wird in Paris das Schauspiel La Femme de Tabarin von Catulle Mendès uraufgeführt. Leoncavallo hält sich zu jener Zeit in Paris als Klavierbegleiter des be­rühm­ten Baritons Victor Maurel (1848-1923) auf. Das Drama dient Leoncavallo vier Jahre später als Hauptquelle seines Bajazzo-Librettos.

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1888 Auf Vermittlung von Maurel, der in Mailand als Verdis erster Jago Triumphe feiert, nimmt der renommierte Mailänder Musikverleger Giulio Ricordi (18401912) Leon­cavallos erste Arbeiten – die fast fertige Oper Chatterton und das Libretto zu I Medici – in Option. Ricordi stellt die schriftstellerischen Fähigkei­ ten Leoncavallos aber über seine kompositorischen. 1889 Ricordi erteilt Leoncavallo den Auftrag, das Libretto zu Puccinis nächstem Opern­­projekt Manon Lescaut zu schreiben. Nach Erhalt der ersten Entwürfe Leoncavallos aber entzieht ihm Puccini den Auftrag. 1890 Im Mai: Während seiner mühsamen Arbeit an der Partitur zu I Medici, das der erste Teil einer mächtigen Opern-Trilogie im Stil Wagners mit dem Titel Crepus­ culum werden soll, erlebt Leoncavallo den triumphalen Erfolg von Mascagnis Cavalleria rusticana. Er beschliesst, eine ähnliche realistische Kurzoper zu komponieren. Im Herbst bietet er das selbstgeschriebene Bajazzo-Libretto dem Verleger Edoardo Sonzogno (der Mascagnis Cavalleria verlegte) an und erhält prompt den Kompositionsauftrag. 1891 In fünf Monaten entsteht die Musik zu Pagliacci. 1892 21. Mai: Uraufführung des zweiaktigen musikalischen Dramas Pagliacci im Teatro dal Venne in Mailand unter der Leitung von Arturo Toscanini (18671957). Die Mit­wir­ken­den sind: Adelina Stehle – Nedda, Fiorello Giraud – Canio, Victor Maurel – Tonio, Fran­cesco Daddi – Peppe, Mario Roussel – Silvio. Die Premiere wird zu einem Triumph, ähnlich der Cavalleria-Uraufführung, und macht Leoncavallo über Nacht berühmt. Am 5. Dezember wird die Oper an der Berliner Königlichen Oper zum erstenmal in deutscher Sprache aufgeführt, in einer sehr freien, entstellenden Übersetzung von Ludwig Hart­mann.

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1893 Erstaufführung der Oper an zahlreichen italienischen Häusern sowie in Wien (deutsch – mit Ernest van Dyck als Canio), Prag (tschechisch), Budapest (unga­ risch – mit Sándor Erkel als Dirigent), London (Covent Garden), New York, Buenos Aires, Stockholm (schwe­disch), Mexico City, Basel und Moskau (russisch). 10. November: Uraufführung von I Medici, erster Teil der geplanten Crepusculum-Trilogie, im Mailänder Teatro dal Venne unter der Leitung von Rodolfo Ferrari. In den Hauptrollen singen Francesco Tamagno und Adelina Stehle. 1894 Weitere Aufführungen des Bajazzo in Zagreb (kroatisch), Warschau (polnisch) und Bordeaux (französisch). 1896 10. März: Uraufführung der Oper Chatterton im Teatro Nazionale in Rom unter der Leitung von Vittorio Podesti mit Adalgisa Gabbi in der Hauptrolle. Auch mit dieser Oper vermag Leoncavallo nicht an den Erfolg der Pagliacci an­ zuknüpfen. Im selben Jahr debütiert Caruso in Salerno mit der Partie des Canio. 1897 6. Mai: Fünfzehn Monate nach der Uraufführung von Puccinis La bohème in Mailand präsentiert Leoncavallo seine eigene Opernversion desselben Stoffs im Teatro La Fenice in Venedig. Die Partie der Mimì singt die junge Rosina Storchio (1872-1945), die später an der Scala Puccinis Madama Butterfly kreieren wird. Nach gewissen Anfangs­er­fol­gen wird Leoncavallos Bohème bald von Puccinis Version verdrängt. 1900 –1919 Nach der Jahrhundertwende komponierte Leoncavallo noch fünf weitere Opern (darunter 1904 im Auftrag Kaiser Wilhelms II. den Roland von Berlin) sowie ein halbes Dutzend Operetten, ohne dabei auch nur entfernt an den Erfolg seiner Pagliacci an­knüpfen zu können.

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1907 Unter der Leitung des Scala-Kapellmeisters Carlo Sabajno entsteht die erste Schall­­plat­tengesamtaufnahme von Pagliacci. Die Produktion der Mailänder Scala mit Antonio Pini-Corsi als Canio wird von Leoncavallo künstlerisch beauf­ sichtigt. 1915 23 Jahre nach der Uraufführung dirigiert Toscanini im Mailänder Teatro dal Venne eine Serie von Bajazzo-Aufführungen, die in die Geschichte eingehen: mit Claudia Muzio als Nedda, Enrico Caruso als Canio und Luigi Montesanto als Tonio. 1919 Am 9. August stirbt Leoncavallo zweiundsechzigjährig in Montecatini in der Toscana.

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CAVALLERIA RUSTICANA PIETRO MASCAGNI (1863-1945) Melodramma in einem Akt Libretto von Giovanni Targioni-Torzetti und Guido Menasci nach dem gleichnamigen Drama (1883) von Giovanni Verga

Personen

Santuzza, eine junge Bäuerin Turiddu, ein junger Bauer Lucia, seine Mutter Alfio, ein Fuhrmann Lola, seine Frau

Sopran

Tenor

Alt

Bariton

Mezzosopran

Chor der Landleute (Bauern, Bäuerinnen, Kinder) Schauplatz der Handlung

in einem sizilianischen Dorf an einem Ostersonntag


PRELUDIO E SICILIANA TURIDDU a sipario celato

VORSPIEL UND SIZILIANA TURIDDU bei geschlossenem Vorhang

O Lola ch’ai di latti la cammisa, Si bianca e russa comu la cirasa, Quannu t’affacci fai la vucca a risa, Biato cui ti dà lu primu vasu! Ntra la porta tua… lu sangu è sparsu, E nun me mporta si ce muoru accisu. E s’iddu muoru e vaju mparadisu… Si nun ce truovu a ttia, mancu ce trasu… Ah!

O Lola, weiss wie die Schlehenblüte, wenn du dich zeigst, zeigt sich die Sonne. Wer deine purpurnen Lippen geküsst hat, erbittet nichts Schöneres von Gottes Gnade! Blut steht zwar über deiner Tür geschrieben, doch dort den Tod zu finden, macht mir nichts. Sterb’ ich für dich und komme ans Paradies… so tret ich doch nicht ein, wenn ich dein holdes Antlitz dort nicht sehe… Ach!

CORO D’INTRODUZIONE

EINGANGSCHOR

La scena rappresenta una piazza in un paese della Sicilia. Nel fondo, a destra, Chiesa con porta praticabile. A sinistra l’osteria e la casa di mamma Lucia. È il giorno di Pasqua. Campane interne dalla Chiesa. Si alza la tela. La scena sul principio è vuota. Albeggia. Paesani, contadini, contadine e ragazzi traversano la scena. Si apre la chiesa e la folla vi entra.

Eine Piazza in einem sizilianischen Dorf. Im Hintergrund rechts eine Kirche mit praktikabler Türe. Links das Wirtshaus und das Haus von Mamma Lucia. Es ist Ostersonntag. Kirchenglocken hinter der Szene. Der Vorhang öffnet sich. Die Bühne ist anfänglich leer. Früher Morgen. Dorfbewohner, Bauern, Bäuerinnen und Kinder überqueren die Bühne. Die Kirche wird geöffnet, das Volk geht hinein.

DONNE di dentro

FRAUEN hinter der Bühne

Ah! Gli aranci olezzano Sui verdi margini, Cantan le allodole Tra i mirti in fior; Tempo è si mormori Da ognuno il tenero Canto che i palpiti Raddoppia al cor.

Ach! Es duften die Orangenbäume auf den grünen Plätzen, es singen die Lerchen in den blühenden Myrten. Zeit ist’s, dass alle die süssen Lieder singen, die die Herzen höher schlagen lassen.

Le donne entrano in scena.

Die Frauen treten auf.

UOMINI di dentro

MÄNNER hinter der Bühne

Ah! In mezzo al campo Tra le spiche d’oro Giunge il rumore Delle vostre spole, Noi stanchi Riposando dal lavoro A voi pensiamo, O belle occhi di sole. A voi corriamo Come vola l’augello Al suo richiamo.

Ach! Auf den Feldern, inmitten goldener Ähren erreicht uns das Schwirren eurer Spindeln. Und während wir uns müde von der Arbeit ausruhen, denken wir an euch, o Augen, so strahlend wie die Sonne. Wir eilen zu euch wie der Vogel fliegt, wird er gerufen.

Gli uomini entrano in scena.

Die Männer treten auf.


Programmheft CAVALLERIA RUSTICANA Melodramma in einem Akt von Pietro Mascagni PAGLIACCI Drama in zwei Akten und einem Prolog von Ruggero Leoncavallo Premiere am 6. Juni 2009, Spielzeit 2008/09 Wiederaufnahme am 24. September 2016, Spielzeit 2016/17

Herausgeber

Intendant

Zusammenstellung, Redaktion

Layout, Grafische Gestaltung

Anzeigenverkauf

Opernhaus Zürich Andreas Homoki Beate Breidenbach, Kathrin Brunner Carole Bolli, Florian Streit Opernhaus Zürich, Marketing

Telefon 044 268 64 14, inserate@opernhaus.ch

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Textnachweise: Das Gespräch mit Grischa Asagaroff ist ein Originalbeitrag für dieses Programmheft. Den Text über Pietro Mas-cag-ni entnahmen wir dem Programmheft der Deutschen Oper Berlin. Giovanni Verga, Cavalleria rusticana, zitiert nach: Cavalleria rusticana/Der Bajazzo. Texte, Materialien, Kommentare, hg. von Attila Csampai und Dietmar Holland, Reinbek bei Hamburg 1987; Ignazio Silone, Die Schande, Ausschnitt aus: ders., Wein und Brot, Köln 1974; Piero Chiara, Das Duell, Ausschnitt aus: ders., Wir sassen auf Steinen, Berlin 1965; Egon Voss, Eine brüchige Welt, Ausschnitt aus: ders., Die tragische Dorfgeschichte als Operngenre, und Zeittafel zu Pietro Mascagni: Cavalleria rusticana/Der Bajazzo. Texte, Materialien, Kommentare, hg. von Attila Csampai und Dietmar Holland, Reinbek bei Hamburg 1987; Konrad Dryden, Mosaik eines Meisterportraitisten, Programm-

Studio Geissbühler Fineprint AG

heft der Deutschen Oper Berlin (mit freundlicher Genehmigung des Autors); Karl Riha, Commedia dell’Arte, Frankfurt /Main 1980; Federico Fellini: Aufsätze und Notizen, hg. von Anna Keel und Christian Strich, Zürich 1976; Egon Voss, Musikalischer Verismo, Ausschnitt aus: ders., Verismo in der Oper, und Zeittafel zu Ruggero Leoncavallo: Cavalleria rusticana/Der Bajazzo. Texte, Materialien, Kommentare, hg. von Attila Csampai und Dietmar Holland, Reinbek bei Hamburg 1987. Bildnachweis: Suzanne Schwiertz fotografierte das Ensemble während der Klavierhauptprobe am 28. Mai 2009. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten


Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

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Sir Peter Jonas Luzius R. Sprüngli Elisabeth Stüdli Stiftung Zürcher Theaterverein


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