FAUST DAS BALLETT
EDWAR D CLUG
FAUST – DAS BALLETT BALLETT VON EDWARD CLUG Musik von Milko Lazar Nach «Faust. Der Tragödie Erster Teil» von Johann Wolfgang von Goethe
Edward Clug Mikhail Agrest Bühnenbild Marko Japelj Kostüme Leo Kulaš Lichtgestaltung Martin Gebhardt Video-Design Tieni Burkhalter Dramaturgie Michael Küster
Choreografie und Inszenierung
Musikalische Leitung
Partner Ballett Zürich
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GOETHES «FAUST» AUF EINEN BLICK Seine Gier nach mehr Erkenntnis und mehr Lust macht es Faust unmöglich, den Moment zu geniessen. Tief deprimiert und lebensmüde, schliesst er mit Mephistopheles – dem Teufel – einen Pakt. Sollte Mephisto Faust so weit brin gen, dass er einen glücklichen Augenblick festhalten wolle, dann erhält er Fausts Seele. Mephisto tut alles, um Faust vom rechten Weg abzubringen. Er macht ihn jünger und verhilft ihm zu einer Affäre mit einem jungen, unschuldigen Mädchen: Gretchen. Faust schwängert Gretchen und verursacht den Tod ihrer Mutter und ihres Bruders. Aus Verzweiflung halb wahnsinnig geworden, tötet Gretchen das unehelich geborene Kind. Im Kerker wartet sie auf ihre Hinrichtung. Faust will sie mit Mephistos Hilfe retten. Aber sein Versuch, sie zur Flucht zu überreden, ist vergeblich. Gretchen zieht es vor, ihr Schicksal in Gottes Hand zu legen. Sie wird erlöst. Faust und Mephisto fliehen.
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FAUST – DAS BALLETT ERSTER TEIL Nacht Doktor Heinrich Faust ist ein umfassend gelehrter Wissenschaftler. Alles Wissen dieser Welt hat er sich angeeignet. Doch es will ihm nicht gelingen, in die tiefs ten Sphären vorzudringen und zu ergründen, was «die Welt im Innersten zu sammenhält». Trübe Gedanken in Gestalt dunkler Engel und ihres Anführers bemächtigen sich seiner. Faust beschliesst, sich das Leben zu nehmen. Eine himmlische Erscheinung kann ihn jedoch davon abhalten.
Faust und die Studenten Fausts Assistent Wagner führt ihn zurück zu seinen Studenten, die ihn bewun dern und verehren. Doch diese Berühmtheit bedeutet Faust nichts. Vergeblich versucht er weiter, das Geheimnis des Lebens zu ergründen. Ein eigenartiger Student scheint ihm dabei helfen zu können …
Strasse Mephistos erster Versuch, sich Faust zu nähern, schlägt fehl.
Ostern Im ausgelassenen Rausch der Osterfeierlichkeiten und einer Auferstehungspro zession kann Faust seine verzweifelte Situation für eine Zeitlang vergessen. In Gestalt eines schwarzen Pudels verschafft sich Mephisto Zutritt zu Fausts Zimmer.
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Der Vertrag In Fausts angeregten Dialog mit Mephisto drängt sich das unerwartete Bild eines Mädchens. Mephisto bietet Faust einen Vertrag an. Er verheisst ihm nicht nur einen Ausweg aus seiner Unzufriedenheit als Weltsucher, sondern verspricht Faust alles, was er sich in glühendstem Verlangen erträumt. Der Preis ist Fausts Seele. Der Vertrag wird mit dem Blut Fausts unterzeichnet. Gemeinsam brechen Faust und Mephisto in die Welt auf.
Hexenküche Am Anfang ihrer gemeinsamen Reise steht der Besuch bei einer alten Freundin Mephistos. In ihrer Hexenküche wird Faust eine zweite Jugend geschenkt.
Erwachen Mephisto ist überwältigt von Fausts Verwandlung. Faust entdeckt sein neues Ich. Die Reise wird fortgesetzt. Faust begegnet Gretchen: «Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, / Meinen Arm und Geleit ihr anzutragen?»
ZWEITER TEIL Gretchens Zimmer In Gretchens Abwesenheit führt Mephisto Faust in ihr Zimmer. Faust erträumt sich die Zweisamkeit mit dem begehrten Mädchen. Bei ihrer Rückkehr findet Gretchen einen kostbaren Schmuck, den sie als das Geschenk eines Verehrers deutet. Dennoch entschliesst sie sich, den Schmuck der Kirche zu überlassen. Marthe Schwerdtlein, Gretchens Nachbarin, überzeugt sie jedoch, ein zweites, noch kostbareres Geschenk zu behalten. Ausserdem überbringt sie die Einladung zu einem Stelldichein mit einem geheimnisvollen Gentleman.
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Marthes Garten Marthe Schwerdtlein hat in ihrem Garten ein Treffen von Faust und Gretchen arrangiert. Während Marthe selbst von Mephisto umgarnt wird, kommen sich Faust und Gretchen näher. Gretchen ist der mysteriöse Begleiter Fausts unheim lich. Mephisto ist das bewusst. Mit einem unvergesslichen Moment der Zwei samkeit für die beiden Verliebten will er Gretchens Bedenken zerstreuen: «Ver weile doch, du bist so schön!»
Valentin Gretchens Bruder Valentin, ein Soldat, kehrt aus dem Krieg zurück. Er hat von Gretchens Verhältnis mit Faust erfahren und will die verlorene Ehre seiner Schwester rächen. Er fordert Faust zum Duell. Mit Mephistos Hilfe gewinnt Faust den Kampf. Valentin stirbt und verflucht Gretchen.
Wasser Nach dem Fluch ihres Bruders ist Gretchen am Boden zerstört. Sie bittet um heiligen Beistand. In ihrer Verzweiflung weiss sie keinen Ausweg, als das von Faust empfangene Kind zu ertränken.
Walpurgisnacht Mephisto will Faust von seinen Gedanken an Gretchen ablenken und besucht mit ihm die Walpurgisnacht. Faust und Mephisto tanzen im Getümmel lüster ner Kreaturen. Als Faust Bilder vor sich sieht, die auf Gretchens Hinrichtung verweisen, verlangt er von Mephisto, ihm bei der Befreiung Gretchens zu helfen.
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Kerker Faust dringt in den Kerker ein, in dem Gretchen auf ihre Hinrichtung wartet. Er will sie zur Flucht überreden, doch Gretchen entscheidet, sich der gerechten Strafe zu stellen. Sie legt ihr Schicksal in Gottes Hand: «Gericht Gottes! Dir hab ich mich übergeben!»
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«Da kommen sie und fragen, welche Idee ich in meinem ‹Faust› zu verkörpern gesucht. Als ob ich das selber wüsste und aussprechen könnte! Vom Himmel durch die Welt zur Hölle – das wäre zur Not etwas; aber das ist keine Idee, sondern Gang der Handlung. Und ferner, dass der Teufel die Wette verliert und dass ein aus schweren Verirrungen immerfort zum Besseren aufstrebender Mensch zu erlösen sei, das ist zwar ein wirksamer, manches erklärender, guter Gedanke, aber es ist keine Idee, die dem Ganzen und jeder einzelnen Szene im besonderen zugrunde liege.» Goethe im Gespräch mit seinem Sekretär Eckermann am 25. Januar 1827
WIE VIEL «FAUST» VERTRÄGT DER TANZ? Auch wenn seine Ballett-Tauglichkeit bei den Tanzgelehrten umstritten ist, hat «Faust» bereits eine fast zweihundertjährige Ballett-Biografie Ein Essay von Dorion Weickmann
Im Staub der Archive schlummert bekanntlich manches, was niemand sich träu men lässt. Das liegt in der Natur der Sache, gilt aber für den Tanz – einmal mehr, schon wieder, noch immer – in ganz besonderer Weise. Wenn sich jetzt Edward Clug, Chef des Slowenischen Nationalballetts, mit dem Ballett Zürich an Goe thes Faust, der Tragödie Erster Teil, wagt, mag man das für irrwitzig, vermessen, leicht grössenwahnsinnig halten. Aber eine Sichtung der historischen Ablage zeigt: Clug bleibt schlicht traditionstreu. Dabei ist der dramaturgisch verflixte Faust aufs Erste gesehen alles andere als ein erfolgversprechender Tanzkandidat. Wieso also ausgerechnet dieses Dra ma, das Kernsubstanzen der europäischen Geistes-, Sozial- und Zivilisationsge schichte (samt allerlei Derivaten) personalisiert und im Dreischritt von Faust zu Mephisto zu Gretchen über die Abgründe der abendländischen Philosophie irrlichtert? Faust, der religiöse Demut und hoffärtigen Erkenntnishunger gegenund ineinander schiebt, der am Beispiel eines Mädchens, eines Mannes die Mechanismen sexueller und seelischer Verführung erkundet? Wie soll sich das alles schlüssig an die Umrisse der Ballettbühne schmiegen? Die Theoretiker des Fachs haben vor, während und nach der Goethe-Zeit dazu eine recht klare Auffassung vertreten: Alles, was auch nur ein Quäntchen Metaphysik, Abstraktion, Vergeistigtes enthält, kommt als Sujet nicht in Frage. Die Körperkunst des Tanzes reagiert geradezu allergisch auf gedankliche Gravi tationsfelder, sie scheitert an allem, was sich nicht sofort und ohne Umschweife
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ins Herz des Zuschauers bohrt. Gefühligkeit galt dem aufgeklärten Diskurs des 18. Jahrhunderts als erkenntnisleitende Maxime, als empathische und läuternde Mission der moralischen Anstalt namens Theater. Heutzutage aber lässt sich hinter den hehren Worten ein Phänomen ausmachen, dem die Gegenwart in geradezu exzessiver Manier frönt. Rasch «Gefühligkeit» durch «Emotionalisie rung» ersetzt – und schon sind wir im 21. Jahrhundert gelandet, mitten im reibungslos funktionierenden Räderwerk des Affektkults, der sich bis in die kleinsten Kapillaren der Gesellschaft, in Nachrichtenkanäle und Social Media- Zonen verbreitet hat. So bewahrheitet sich eben die mephistophelische Devise: «Grau, teurer Freund, ist alle Theorie.» Was auf den Faust gemünzt bedeutet: Mögen die Daumen der Tanzgelehrten sich auch entschieden gen Erdboden senken, wenn die Rede auf seine Ballett-Tauglichkeit kommt – die Praktiker schert das keinen Deut, und zwar seit zweihundert Jahren. Noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass nahezu alle Choreografen, die sich – auf Goethes Spuren – den FaustMythos anverwandelt haben, an anderer Stelle Epochales leisteten. Zwar ist keiner aus der illustren Schar für seine Faust-Inszenierung bejubelt worden, aber als Gründerväter der Romantik und Neoromantik, als Neuerer oder Wah rer der akademischen Linie haben sie Tanzgeschichte geschrieben. Den Anfang macht Jean Coralli, Ballettmeister des Théâtre de La Porte Saint-Martin, wo im Oktober 1828 die erste französische Fassung über die Bühne geht, die auf Gérard de Nervals kurz zuvor veröffentlichter Übersetzung des Goethe-Originals beruht. Mehrere Literaten haben das Drama für sein Debüt bearbeitet, federführend Charles Nodier, der später als Bibliothekar in die Dienste der Opéra eintreten und seinen Namen in die Annalen des Tanzes einschreiben wird: als Autor der Vorlage von La Sylphide, einer tragenden Säule des Ballettrepertoires. 1828 verantwortet Jean Coralli die Mise-en-scène, ver ziert sie aber nur mit randständigen Tanzornamenten. Deren Ausführung ver traut er jedoch einem ausgesprochen renommierten Ballerino an: Joseph Mazi lier, der eine gewisse Mademoiselle Florentine auf der Bühne hofiert. Dennoch wird der Abend ein maues Ereignis, weil «statt einer schrecklichen Tragödie, statt eines interessanten Dramas oder einer philosophischen Komödie nur ein Zauberstück mit viel Gepolter» zu sehen ist, wie ein Kritiker notiert. Das tut der
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Tatsache keinen Abbruch, dass auch Nodiers Mitstreiter Berühmtheit erlangen, und zwar ebenfalls in Diensten der Opéra. Dort übernimmt Joseph Mazilier 1832 zur Premiere von La Sylphide nicht nur die männliche Hauptrolle, sondern er setzt – angefangen mit Le Diable Amoureux (1840) – mehrfach getanzte Mephisto-Fabeln in Szene. Jean Coralli wiederum wechselt 1830 als leitender Maître de ballet ebenfalls an die Oper und ist unter anderem für die Ausgestal tung des zweiten grossen Romantik-Knüllers mitverantwortlich – für Giselle, das er 1842 gemeinsam mit einem Nachwuchstalent namens Jules Perrot aus der Tanztaufe hebt. Perrot seinerseits… Dazu gleich mehr, festzuhalten bleibt vorerst: Der Faust ist allem Anschein nach kein ausgemacht tanzdienliches Sujet, aber er liefert Motive, die das Ro mantische Ballett à la Giselle infiltrieren. Die menschliche Zerrissenheit zwischen Geist und Fleisch, Kultur und Natur, Tugend und Sündhaftigkeit, Himmel und Hölle, Erkenntnisfieber und frommer Genügsamkeit – diese faustischen Gegen sätzlichkeiten lösen auch das romantische Kammerflimmern aus, das die Tanz bühne ab 1831 erfasst, nachdem Giacomo Meyerbeers Oper Robert Le Diable (!) zur Mitternachtsstunde tanzende Nonnen aus den Gräbern fahren lässt – Vor fahrinnen jener Elementarwesen, die von La Sylphide bis Schwanensee durch die Tanzkunst geistern. Mit akademischen Studierstuben, Kathederexistenzen und skeptischer Klügelei ist im Ballett kein Staat zu machen, wohl aber mit Liebes fantasien (Faust und Gretchen), weinseligen Festivitäten (Auerbachs Keller), illusionistischem Hokuspokus (Explosion dortselbst), hexenhaften Maskeraden (Walpurgisnacht), Duellen im Morgengrauen (Faust und Gretchens Bruder Valentin) sowie einer Frau, die sich selbst um der Liebe willen opfert und dar über dem Wahnsinn anheim fällt (Gretchen – alias Giselle). Episoden aus diesem Formenkreis erzählt fast jedes französische Tanz-Opus der postnapoleonischen Ära. Genau wie Schuld, Unschuld, Verrat eine Trias bilden, die das vormoderne Ballettschaffen dominiert. Faust also hat Konjunktur bei den Choreografen des 19. Jahrhunderts, ja ein bedeutender Vertreter des Fachs ist gar der Meinung, dass diese urdeutsche Geschichte und ihre Charaktere nirgendwo besser aufgehoben sind als im Tanz. So schreibt der Däne August Bournonville im Rückblick auf seine eigene, 1832 am Königlichen Theater in Kopenhagen herausgebrachte Fassung, dass Gret
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chens «Versuchung und Verführung, ihr Leiden und ihre Rettung sich meiner Ansicht nach besser für eine feine, plastische Bearbeitung eignen als für Dekla mation und Gesang.» Auch «Fausts Tiraden» nähmen sich auf dem Papier er heblich besser aus denn aus dem Mund eines Schauspielers, wo sie nur noch «verächtlich und ermüdend» wirkten. Bournonville, der selbst zunächst die Titelpartie übernahm, in späteren Jahren jedoch als Terror-Mephisto sogar dem Philosophen Sören Kierkegaard Angst und Schrecken einjagte – Bournonville also nahm zwar für sich in Anspruch, eine ideale Umsetzung vorgelegt zu haben. Doch viel öfter gespielt und nachgespielt wurde die Version, die Jean Corallis junger Kollege Jules Perrot 1848 für die Mailänder Scala choreografierte. Perrot, der mit Giselle und Ondine in den frühen 1840er-Jahren den Durchbruch schaffte, studierte seinen Faust erst in Wien und 1854 auch in St. Petersburg ein, das sich langsam aufschwang, Paris den Rang der Welthauptstadt des Tan zes streitig zu machen. Als Faust trat dabei ein Mann aus der Kulisse, der selbst zum Meisterwerkmacher des Zarenreiches schlechthin werden sollte: Marius Petipa, Genius des neoromantischen Balletts. Die Genealogie der Faust-Bearbeiter lässt sich unschwer fortschreiben, über die Jahrhundertwende hinweg, zu eminenten und exzellenten Choreogra fen, die ihre Kunst unermüdlich vorantrieben. So Mikhail Fokine, Frederick Ashton, Roland Petit, Maurice Béjart – mit einem wesentlichen Unterschied zu früheren Adaptionen: Neuere Varianten beziehen sich fast ausnahmslos auf Franz Liszts Mephisto-Walzer, die ihrerseits Nikolaus Lenaus biedermeierlich verinnerlichten Faust musikalisch paraphrasieren – gewissermassen das Gegen modell zu Goethes grandios gelangweiltem Narzissten und Weltenfahrer. Wei tere Bearbeitungen stammen von George Balanchine, der den Faust-Mythos gleich mehrfach verpackte, zuletzt 1975 mit Walpurgisnacht. Den grössten Skandal machte Werner Egks 1948 von Marcel Luipart einigermassen freizügig gestalteter Abraxas, der das Tanzpoem Der Doktor Faust aus der Feder Heinrich Heines ins Bühnenportal der Bayerischen Staatsoper einpasste – sehr zum Ver druss der katholischen Kulturelite des Freistaats. Der vorerst letzte Versuch eines namhaften Choreografen, dem komplizierten Faust-Anspruch gerecht zu werden, nimmt Franz Liszts Faust-Sinfonie als Sprungbrett. Jean-Christophe Maillot stemmte 2007 eine klassische Dreiecksliaison auf die Unterwasserbühne
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des Grimaldi Forums Monaco: Mephisto als ewiger Erzengel des Bösen, Faust als Sterblicher mit Ambitionen auf göttliche Horizonte, schliesslich Gretchen als Inkarnation des geflügelten Worts – «Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.» Wieviel Faust also verträgt der Tanz? Rein empirisch betrachtet: eine gan ze Menge. Das gilt heute vielleicht sogar mehr denn je. Längst stösst unser positivistisches Weltbild an Grenzen, ist das Primat des Materiellen erschöpft, die Attraktion des Konsums verblasst. Zumindest in den Gesellschaften des Westens. Mephisto hat sich als Zerstörer in unserem Inneren eingenistet. Die Zerrissenheit, ja Spaltung, die Faust an sich beobachtet – «Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust» −, sie ist zum Charakteristikum des modernen Menschen geworden. Das Streben nach Wissen um jeden Preis geht Hand in Hand mit der Erkenntnis, dass der Optimierungs- und Machbarkeitswahn immer mehr Risikoschwellen niederwalzt. Was die Frage provoziert: Wie hoch ist er wirklich, der Preis unserer Allmachtsfantasien? Und wie gehen wir um mit dem Gegen prinzip, mit der Sehnsucht nach Ganzheit, nach der Einheit von physischem und metaphysischem Erleben? Die Tanztheoretiker des 18., 19., und frühen 20. Jahrhunderts bestritten energisch, dass derlei knifflige Überlegungen in Terpsichores Reich bebildert werden können. Wir aber haben erfahren, dass grosse Kunst mehr ist als die schiere Addition sinnlicher und sinnstiftender Elemente, dass ihre wahre Sub stanz jenseits dessen liegt, was unser Verstand erfasst. Warum sollte das nicht auch für die Tanzkunst gelten? Faust ist in dieser Hinsicht – allererste Wahl!
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«Die Deutschen sind übrigens wunderliche Leute! – Sie machen sich durch ihre tiefen Gedanken und Ideen, die sie überall suchen und überall hineinlegen, das Leben schwerer als billig. – Ei! so habt doch endlich einmal die Courage, Euch den Eindrücken hinzugeben, Euch ergötzen zu lassen, Euch rühren zu lassen, Euch erheben zu lassen, ja Euch belehren und zu etwas Grossem entflammen und ermutigen zu lassen; aber denkt nur nicht immer, es wäre alles eitel, wenn es nicht irgend abstrakter Gedanke und Idee wäre!» Goethe im Gespräch mit Eckermann am 25. Januar 1827
«FAUST» NEU ERFINDEN Der slowenische Choreograf Edward Clug erzählt, wie man dem legendären «Faust»-Text auch ohne Wort auf die Spur kommen kann
Edward, gerade erst hat das Ballett Zürich noch einmal deine Choreogra fie von Strawinskys Le Sacre du printemps getanzt. Nun choreografierst du mit Faust dein erstes Handlungsballett für das Ballett Zürich. Warum ausgerechnet mit dieser Compagnie? In der Vergangenheit hat es nicht an Versuchen gemangelt, Faust für das Ballett zu erschliessen. Die Vorlage ist derart komplex, dass sie zu immer neuen Deutungsversuchen einlädt. Goethe ganz ohne Worte auf die Bühne bringen zu wollen, bleibt jedoch eine ständige Herausforderung. Literarische Werke habe ich in der Vergangenheit zwar schon mehrfach für den Tanz adaptiert. Goethes Faust-Stoff ist jedoch gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum ein literarischer Mythos mit einer ungebrochenen Ausstrahlung auf sämtliche Kunstgattungen. Deshalb ist dieses Projekt für mich etwas ganz Besonderes. Da ist es wichtig, mit vertrauten Partnern zu arbeiten, und zu denen gehört inzwischen das Ballett Zürich. In den vergangenen fünf Jahren durfte ich mitverfolgen, wie die Compagnie zu einer starken Identität gefunden hat. Sie ist zu einem sehr vielseitigen Ensemble gereift, das in den unterschiedlichsten Stilen überzeugt. Gerade habe ich das noch einmal selbst erlebt, als ich meine Choreografie von Le Sacre du printemps mit zwei Besetzungen für die Wiederaufnahme des Balletts einstudiert habe. Das fand ich auch mit Blick auf Faust sehr inspirierend. Wie näherst du dich einem so bedeutungs- und rezeptionsbefrachteten Stoff wie Faust? Schon bevor ich Choreograf geworden bin, konnte ich in meiner Heimat Maribor viel Theatererfahrung sammeln. Vor zwanzig Jahren habe ich mit dem
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grossen slowenischen Regisseur und Theatermacher Tomas Pandur gear beitet. Seit den frühen Neunziger Jahren erregte er mit seinen bildgewaltigen, ästhetisch anspruchsvollen Klassiker-Inszenierungen internationales Aufsehen. Allein Goethes Faust hat er dreimal inszeniert. Tomas Pandur verdanke ich viele meiner ersten Theatereindrücke, er hat meinen Weg als Künstler und Choreograf entscheidend geprägt und befördert. Mit diesem Zürcher Faust will ich ihm Danke sagen. Wichtig für mich war ausserdem die Lektüre von Michail Bulgakows Roman Der Meister und Margarita, der die Motive der Faust-Handlung in das Moskau der Stalinzeit verlegt. Eine dritte grosse Erfahrung auf dem Weg zu Faust war Ibsens Peer Gynt, den ich vor drei Jahren mit meiner Compagnie in Maribor auf die Bühne gebracht habe. Bereits dort stellte sich eine Frage, die mich hier in Zürich erneut beschäftigt: Wie kann ich eine Geschichte in Tanzsprache übersetzen, ohne dabei einfach nur narrativ zu sein? Ich möchte eine theatralische Sprache finden, die aus der genuinen Welt des Tanzes kommt und eine andere Zuschauerperspektive ermöglicht als die altbekannten grossen Handlungsballette. Der Faust-Stoff begleitete Goethe beinahe ein Leben lang. Die Legenden um Leben, Charakter und Schicksal von Johann Faust waren seit Erscheinen des «Volksbuchs» im Jahr 1587 ein bekannter und vielfach bearbeiteter literarischer Stoff. Diese Historia von D. Johann Fausten, aber auch Christopher Marlowes Tragische Historie vom Doktor Faustus haben Goethe inspiriert und zur weiteren Auseinandersetzung angeregt. Mit seiner zweiteiligen Tragödie hat er ein universelles, zeitloses Drama geschaffen, das ganz dezidiert nach dem Sinn des Lebens fragt. Beim Lesen fasziniert mich immer wieder, dass Goethes Text trotz seiner philosophischen Dimension auch von einer gewissen poetischen Märchenhaftigkeit lebt, die unsere Vorstellungskraft in Gang setzt und unsere Phantasie beflügelt. Gerade in diesem Aspekt liegt für mich grosses Potenzial für den Tanz und jene Art von Ritualität, die für ein Ballett unverzichtbar ist.
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben
Zum Faust entstanden seit seinem Erscheinen unzählige Interpretationen, die von vorherrschenden politischen und wissenschaftlichen Denk richtungen ihrer Zeit beeinflusst sind und sich nicht selten widersprechen. Man sah in ihm nicht nur den grüblerischen, ewigen Erkenntnissucher,
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sondern stilisierte ihn auch zum genialen Tatmenschen, der immer wieder auch von totalitären Systemen vereinnahmt wurde. Worauf gründest du deine Lesart? Der Faust-Stoff ist von einer derartigen Universalität, dass sich jeder darin wiederfinden kann. Faust erzählt für mich die Geschichte der ewigen Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse. Obwohl ich deutsche Wurzeln habe, vermeide ich es, mir den schweren Rucksack der deutschen Faust- Rezeption auf die Schultern zu laden. Wie bei all meinen Projekten gehe ich vielmehr instinktiv an die Thematik heran, ohne dabei die Komplexität des Stoffes zu unterschätzen. Im Wesentlichen folgen wir in unserer Ballettproduktion dem Handlungsgang von Goethes Faust I. Bei der Erarbeitung der Choreografie setze ich jedoch vor allem auf Spontaneität. Spontan entstehen oft die besten Ideen. Im Dialog mit den Tänzern ergeben sich in den einzelnen Szenen oft völlig unerwartete choreografische Lösungen und ironische Brechungen. Bei Goethe firmiert Faust als Tragödie. Was ist er für dich? Mit dem Blick auf die Pathosmomente des Stücks ist das sicher eine zutreffen de Einordnung. Mich erinnert die Ansammlung dieser vielen ganz unter schiedlichen Szenen jedoch mehr an die Stilmischungen, wie wir sie aus dem Elisabethanischen Theater Shakespeares kennen. Im Stück ist es vor allem Mephisto, der von Beginn an das Tragische mit dem Komischen bricht und insbesondere durch seinen Redestil sowie durch die von ihm inszenierten Handlungen die erhabene Sphäre unterläuft. Diese Stilmischung, die das Stück durchzieht, kann man auch für das Ballett nutzbar machen. Fast jeder ist hierzulande mit der Geschichte vertraut. Deshalb ist es wichtig, Vorhersehbar keit zu vermeiden und erfinderisch zu sein. Und es gilt, den Tänzern in ihren Rollen Glaubwürdigkeit zu verleihen, so dass die Person des Tänzers im besten Fall hinter der Rolle verschwindet. Goethes Faust ist wortgewaltig in seiner Sprache. Viele Zitate aus dem Drama sind so populär geworden, dass sie als geflügelte Worte Eingang in den Sprachalltag gefunden haben. Wie kann das Ballett, das
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ohne Sprache auskommen muss, dieses Defizit aufwiegen? Ich empfinde das nicht so. Es kommt auf die Stärke der theatralischen Ebene an. In den Proben versuche ich, die theatralische Sprache mit unserer Sprache als Tänzer, mit Tanz und Bewegung, zu vermischen. Mit den Tän zern kreiere ich eine eigene Faust-Welt, in der die Geschichte in ungewohnter Umgebung neu erfunden wird. Faust versucht, eine Grenzen zu überschrei ten. Das erfordert Mut und gleichzeitig die Bereitschaft, mit den Konsequen zen zu leben. Als Choreograf bin ich da gerade in einer ähnlichen Situation: Tanz, Musik und Theater wie in einem Schmelztiegel zu vereinen und auch ohne Worte die Essenz der Faust-Geschichte freizulegen. Faust behandelt die grossen ThemenProgrammbuch des Menschseins: Liebe, Religion, Das komplette Wissenschaft ... Was sind die Konsequenzen für die choreografische Sprache und das Tanzvokabular? können Sie auf Das ist eine wichtige Frage, die ich mir jetzt im kreativen Prozess immer aufs Neue stelle. Ich versuche da sehr organisiert heranzugehen und situative www.opernhaus.ch/shop Kontexte für bestimmte Bewegungsabläufe und Schrittfolgen zu finden. Diese Verbindung ist ein wesentlicher Teil des choreografischen Erzählens. Die oder amergibtVorstellungsabend imsichFoyer Geschichte sich nicht zwingend aus einer Bewegung. Sie ergibt aus dem Kontext oder aus der Situation, in der sie passiert. Ein Aspekt dabei ist die Kommunikation mit dem Publikum, das ich erwerben als Dialogpartner unbedingt des Opernhauses brauche. Wenn zum Beispiel in einem abstrakten Ballett ein schwarzer Pudel auftaucht, verbindet man damit nicht zwingend etwas. Ein schwarzer Pudel in einem Faust-Ballett macht ihn jedoch sofort zu jener Inkarnation Mephis tos, der in dieser Gestalt in Fausts Studierzimmer schlüpft. Ganz, wie der Zuschauer es aus der Lektüre des Dramas kennt. Diese Bezüge, Symbole und Konnotationen fliessen in die choreografische Sprache ein.
Goethe verschränkt in Faust die Gelehrtentragödie mit der Gretchen tragödie. Die Geschichte des verzweifelt und vergeblich nach Erkenntnis strebenden Mannes wird verbunden mit der Geschichte der verführten Frau, die an den Folgen der Verführung zerbricht. Viele Faust-Bear beitungen, denken wir nur an Gounods Faust oder Berlioz’ Damnation,
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fokussieren sich jedoch auf das Dreiecksverhältnis von Gretchen, Faust und Mephisto. Wie gehst du damit um? Beim Choreografieren folge ich im Wesentlichen der Handlung des Dramas. Natürlich hat man im Vorfeld ein plausibel erscheinendes Szenarium ent wickelt. In den Proben erlebe ich dann aber oft, dass sich Akzente verschieben und vielleicht ein Detail, das mir vorher nebensächlich erschien, zu ganz neuer Bedeutung kommt. Ein wesentliches Element meiner Herangehensweise ist eine spielerische Ironie, mit der ich mich vermeintlichen Schlüsselszenen und big moments nähere und die dadurch in einem anderen Licht erscheinen. Das erfordert eine ausgefeilte Arbeit am Detail, damit der Zuschauer später seine eigenen Verbindungen zwischen Drama und Tanz knüpfen kann. Gerade der erste Teil von Goethes Faust beinhaltet viele Szenen, mit denen ich mich als Zuschauer direkt identifizieren kann und die mich emotional erreichen. Für meine Lesart war aber auch der zweite Teil von Faust wichtig. Die universelle Perspektive der sogenannten «grossen Welt» mit den Szenen am Kaiserhof und im klassischen Griechenland schlägt einen anderen, philosophischeren Ton an, als wir ihn aus der «kleinen Welt» von Faust I kennen. Hier liegt auch die Chance, etwas von der Spiritualität einzufangen, die Goethes Text durchzieht. Diese Atmosphäre versuche ich, für einige Szenen – wie das einleitende Engel-Bild – zu nutzen. Als Choreograf kann ich jedoch nicht sagen: Ich möchte jetzt etwas Spirituelles kreieren. Das kann sich bestenfalls einstellen und hängt natürlich auch vom darstellerischen Potenzial der Tänzer ab. Im traditionellen Handlungsballett wird das fehlende Wort nicht selten durch Pantomime ersetzt. Wie entgehst du dieser Gefahr? Für mich sind die Protagonisten in einem Handlungsballett mehr Schauspieler als Tänzer. Das Ballett Zürich ist durch seinen Erfahrungsschatz aus Christian Spucks Produktionen wirklich prädestiniert für diese neuerliche Herausforderung. Bevor es jedoch an die darstellerische Feinarbeit geht, muss ich mit den Tänzern das Fundament an Bewegungen und Schritten er arbeiten. Das ist ein zeitaufwendiger Prozess, aber er ist unerlässlich, um dann in den unmittelbaren Dialog mit Goethe und dem Stück einzutauchen, die
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Choreografie mit der jeweiligen Szene und der Musik zu verbinden und sie in den Gesamtfluss der Aufführung zu integrieren. Die Musik zu deinem Ballett hat der slowenische Komponist Milko Lazar geschrieben, dem du seit vielen Jahren verbunden bist. Ein abend füllendes Faust-Ballett war aber wohl auch für ihn eine neue Herausfor derung. Am Anfang unserer Zusammenarbeit nannte ich Milko einige Szenenblöcke, die ich aus dem Drama für das Ballett benutzen wollte, und bat ihn um musikalische Vorschläge. Bei den ersten Demos hatte ich jedoch das Gefühl, dass er sich vor dem Hintergrund des Themas als Komponist zu sehr zu rücknimmt. Es war mir zu viel Faust, zu wenig Milko. Das war ein Schlüssel moment für unsere Arbeit. Musik, Geschichte und Choreografie sollten nicht versuchen, das Gleiche zu erzählen. Musik soll mich zwar zum Choreo grafieren inspirieren, indem sie die Atmosphäre einer bestimmten Szene einfängt. Sie soll mich aber nicht narrativ in eine bestimmte Richtung drängen. Milkos Musik ist nie eindimensional, sie ist sehr strukturiert und kennt immer mehrere Ebenen. In ihrer ausschreitenden Dynamik ist die Rastlosig keit von Fausts Reise durch die «kleine Welt» sehr eindrücklich eingefangen. Gleichzeitig besitzt sie die für Szenen wie Ostern oder die Hexenküche unverzichtbare Ritualhaftigkeit. Anderseits widersetzt sie sich auch bestimmten Erwartungen, wenn etwa die geradezu nach dem grossen Pinsel rufende Walpurgisnacht zu den Klängen eines Cembalos initiiert wird.
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Auch bei Bühnenbild und Kostümen arbeitest du mit bewährten Partnern, dem Bühnenbildner Marko Japelj und dem Kostümbildner Leo Kulaš, zusammen. Wie muss man sich diese Zusammenarbeit vorstellen? Beide haben sich schon in anderen Inszenierungen mit Faust auseinanderge setzt. Dank ihrer Erfahrungen haben sie eine sehr klare Vorstellung von den szenischen Anforderungen, die das Stück stellt, es ist jedoch für beide die erste Tanzproduktion. Bei den gemeinsamen Überlegungen zu Faust waren wir uns schnell darüber einig, dass auch ein unkonventionelles Setting bei aller visuellen Attraktivität nicht nur vielseitig praktikabel sein, sondern eine
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natürlich-organische Verbindung zur Choreografie gewährleisten muss. Was kann ein Stoff wie Faust am Beginn des 21. Jahrhunderts bedeuten? Da kommen wir zur schon erwähnten Universalität dieses Textes zurück, den jede Zeit und auch jedes politische System für sich ausdeuten kann. Natürlich lässt sich Faust heute als Parabel lesen auf die beschleunigte und globali sierte Welt, in der die Umwelt ausgebeutet wird, die Menschen ihr Glück im Konsum suchen, immer schneller unzufrieden sind und unaufhörlich auf die Zukunft spekulieren. Aber wenn ich über Faust und Gretchen nachdenke, sehe ich niemanden ausser den beiden und finde in ihrer Begegnung bei aller Tragik auch ein grosses Hoffnungspotenzial.
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Das Gespräch führte Michael Küster.
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NICHT FÜR DEN SHOW-EFFEKT Der slowenische Komponist Milko Lazar über seine musikalischen Wege zu «Faust». Ein Gespräch Milko Lazar, der Faust-Stoff hat in der Vergangenheit Generationen von Komponisten inspiriert. Wie schwer ist es angesichts der Fülle von existierenden Kompositionen, noch etwas Eigenes zu diesem Thema zu sagen? Die Fülle der Faust-Kompositionen mag auf den ersten Blick tatsächlich einschüchternd wirken, weil man versucht ist, sich in diese Tradition einzureihen. Meine ersten Faust-Skizzen gingen durchaus in diese Richtung, aber im Dialog mit Edward Clug ist mir schnell klar geworden, dass mein Weg zu Faust erst einmal von ihm wegführen muss, um einen eigenen Zugang zu finden. Wenn ich komponiere, versuche ich wirklich, bei Null zu beginnen. Erst wenn mein Kopf wirklich leer ist, bin ich auf dem richtigen Weg. Dann kann ich mit kleinen musikalischen Fragmenten beginnen. Diese Fragmente sind sehr charakteristisch für meine Arbeit. Es sind die kleinsten Bausteine der soge nannten Module, aus denen sich meine Komposition dann später zusammen setzen wird. Beim Komponieren ist das ein ständiges Spiel mit den ver schiedensten Möglichkeiten: Was habe ich bisher gemacht, was habe ich an Ideen im Kopf? Es gibt keinen Plan, wie ein Modul am Ende aussehen soll. Der Reiz des Komponierens liegt für mich vor allem darin, nicht im voraus zu wissen, wo ich am Ende ankommen werde, sondern mich auf dem Weg zu einer Komposition immer wieder selbst zu überraschen und neue Dinge auszuprobieren. Kannst du die Entstehung dieser Fragmente etwas detaillierter be schreiben? Diese mosaiksteinhaften Strukturen sind meist nicht länger als ein oder zwei
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Takte. In der grossen Szene der Walpurgisnacht gibt es zum Beispiel nur eine ganz einfache kleine rhythmische Struktur aus zwei Noten, die mich zu immer neuen Ergänzungen inspiriert hat. Am Ende kam ein Modul von etwa dreizehn Minuten Länge heraus. Das ist wie bei einem Brettspiel, wo einem Hunderte von Möglichkeiten offenstehen. Bereits seit zehn Jahren arbeitest du mit dem Choreografen Edward Clug zusammen. Was macht das Wesen eurer gemeinsamen Arbeit aus? Eine Partitur ist bei uns immer das Ergebnis eines Dialogs. Undenkbar, dass ich eine Komposition erst beendet haben muss, ehe Edward mit dem Choreografieren beginnt. Bis zur Fertigstellung der einzelnen Module habe ich allerdings versucht, mich vom Kontext des späteren Balletts zu befreien. Erst so konnte eine musikalische Sprache für jenen neuen Faust entstehen, der uns beiden vorschwebte. Die komponierten Module werden schliesslich von uns gemeinsam mit den Szenen des Balletts verbunden.
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop Das erinnert ein wenig an Tschaikowskis legendäre Zusammenarbeit mit dem Choreografen Marius Petipa. Welche Vorstellungen und Wünsche oder am Clug Vorstellungsabend von Edward fliessen bei dir in eine Komposition ein? im Foyer Teilweise hat Edward sehr genaue Vorstellungen, was Umfang und Charakter einzelner betrifft. Manchmal wünscht er sich, dass ich eine bestimmte desSzenenOpernhauses erwerben Melodie noch einmal aufnehme, weil er sie für den dramaturgischen Kontext braucht. Innerhalb des abgesteckten Rahmens bin ich jedoch absolut entschei dungsfrei. Wir haben grosses Vertrauen ineinander. Gleich zu Beginn des Goethe-Dramas erleben wir Faust in einer Schaffens krise, wie er vergeblich um Antworten auf die ihn bewegenden Fragen sucht. Warst du selbst mal in solch einer scheinbar ausweglosen FaustSituation? Diese Situationen kennt sicher jeder, der in irgendeiner Weise künstlerischschöpferisch tätig ist. Die Frage ist aber: Wie komme ich aus ausweglos erscheinenden Situationen heraus? Dieses Suchen nach Lösungen ist für mich ein unverzichtbarer Teil des kreativen Prozesses.
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Möchtest du in solch einer Situation nicht auch am liebsten einen Pakt mit Mephisto schliessen? Die Versuchung ist natürlich da. Aber man muss sich immer fragen, was die Unterschrift unter diesen imaginären Vertrag bedeuten würde. Der Preis, den man zahlt, wären Selbstaufgabe und der Verlust der eigenen Integrität. Ich versuche deshalb, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren und verabschiede mich dabei unter Umständen auch von liebgewordenen Ideen. «Kill your darlings!», wie es so schön heisst. Nur so vermeidet, man, ein Zuviel von sich selbst zu bekommen. Milko, als Pianist, Cembalist, Saxophonist und Dirigent hast du die unterschiedlichsten musikalischen Erfahrungen gemacht. Welchen Nieder schlag finden sie in deiner Komposition? Bei einer grossen Partitur wie Faust schöpfe ich aus all diesen Erfahrungen und versuche, sie in einem neuen Kontext auf einem anderen, höheren Level zu reflektieren. Das kann winzige Details betreffen, wie etwa die Verwen dung einer Bassklarinette oder den Einsatz der linken Hand in der Stimme des Cembalos. Aber auch Rock’n Roll, Jazz, Filmmusik und nicht zuletzt all die Erfahrungen, die ich in der Zusammenarbeit mit Edward Clug gewonnen habe, spielen da mit hinein. Musik nur für einen Show-Effekt zu komponieren, fühlt sich für mich falsch an. Könnte deine Faust-Musik auch als Partitur im Konzertsaal bestehen? Für diesen Fall müsste ich sie wahrscheinlich ein wenig verändern. Vor dem Hintergrund von Edward Clugs Inszenierung habe ich in der Komposi tion einige Module anders positioniert, als ich es mit Blick auf eine konzertante Aufführung getan hätte. Tatsächlich wurden aber schon viele Stücke, die ich für Edwards Choreografien komponiert habe, auch im Konzertsaal aufgeführt. Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, aus der zweistündigen FaustPartitur eine Suite zusammenzustellen. Unser Gespräch findet am Rande der ersten Proben mit der Philharmonia Zürich statt. Wie erlebst du den Moment, wenn deine Musik erstmals
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in einer Probe von den Orchestermusikern gespielt wird? Das ist immer wieder ein magischer Augenblick, wenngleich ich da gewöhn lich schon einen gewissen Abstand zu einer Komposition bekommen habe. Zum Zeitpunkt der ersten Probe habe ich das Stück meist schon so sehr verinnerlicht, dass es da nicht mehr das grosse Aha-Erlebnis geben kann. Überraschend war für mich aber die ausserordentliche Qualität des Orchesters. In einer ersten Probe ist das keine Selbstverständlichkeit. Vor der Uraufführung ausreichend Zeit zu haben, mit den Musikern und Mikhail Agrest, dem Dirigenten, an der Einstudierung zu arbeiten, ist ein besonderer Luxus. Eine zweistündige Partitur lässt sich nicht in einer Stunde erklären. In einer Partitur kann ich als Komponist noch so viele Angaben machen: es bleiben immer genügend Fragen offen. Deshalb ver suche ich, den Musikern beim Finden der richtigen Klänge mit Assoziationen zu helfen. Das macht uns gerade riesigen Spass.
Das komplette Programmbuch können Sie auf Farblich deckt die Musik zu Faust ein sehr weites Spektrum ab. www.opernhaus.ch/shop Intime, kammermusikalische Passagen verbinden sich mit kraftvollen Episoden, in denen die Breitbandskala des gesamten Orchesters oder amist.Vorstellungsabend im Foyer aufgeboten Folgen diese Besetzungen choreografischen Intentionen? Nein. Diese Besetzungen habe ich zwar mit Blick auf bestimmte Szenen gewählt, aber Opernhauses nicht im Sinne einer choreografischen Vorhersagbarkeit. des erwerben Zum Teil haben die Besetzungen den Choreografen Edward Clug wirklich überrascht. Neben einem Duo für Violine und Cembalo finden sich zum Beispiel auch ein Sextett sowie einzelne Passagen für zehn oder zwölf Streicher. Es ist ein Spiel mit verschiedenen Timbres und dynamischen Kontrasten, die dem Choreografen die unterschiedlichsten Möglichkeiten eröffnen. Minimum und Maximum in einem Orchester zu verbinden, war eine spannende Aufgabe für mich. Faust – Das Ballett wird von einem Team von slowenischen Künstlern auf die Bühne gebracht. Hat dieser biografische Hintergrund Einfluss auf eure Lesart des Stücks? Das glaube ich nicht. Dafür sind wir alle viel zu international vernetzt. In
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meiner Musik mag an der einen oder anderen Stelle mein slawisches Tempera ment zum Vorschein kommen. Es ist viel Bewegung in der Musik, sehr viel Rhythmus. Aber ich greife jetzt nicht etwa auf slowenische Folklore zurück. Natürlich hinterlassen vor allem die Klänge, mit denen man aufge wachsen ist, ihre Spuren in einem. Meine Heimatstadt Ljubljana war immer ein Schmelztiegel der unterschiedlichsten Kulturen. Italienische, österrei chische, ungarische und balkanische Einflüsse haben sich da auf einzigartige Weise vermischt, und vielleicht klingt all das auch in meiner Musik an. Aber dadurch wird das Ganze längst kein slowenischer Faust. Das Gespräch führte Michael Küster
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VOM MAGIER ZUM TRAGÖDIENHELDEN Stoffgeschichte und Rezeption
Der historische Faust und das Volksbuch Das historische Vorbild für den Sagenstoff um Faust wurde wahrscheinlich als Johann Faust um 1480 in Knittlingen geboren. Seit 1506 ist er als Astrologe, Wunderheiler, Magier und Zauberer im süddeutschen Raum urkundlich belegt. Aufgrund seiner umherschweifenden Lebensweise und der ihm zugesprochenen Fähigkeiten war er vor allem in den unteren Volksschichten bekannt. Allmählich verdichtete sich seine Biografie und wurde angereichert um sagenhafte Ereig nisse. Der spektakuläre Tod Fausts heizte die Gerüchte um seine Person und den Teufelspakt an. 1540/41 soll er bei der Herstellung von Gold bei einer Explo sion nach alchemistischen Experimenten im Hotel «Zum Löwen» in Staufen den Tod gefunden haben. Der verstümmelte Körper legte den Gedanken nahe, der Teufel habe Faust geholt. Schon zu seinen Lebzeiten wurde die historische Figur des Faust Gegen stand abergläubischer Erzählungen, und 1587 erschien in Frankfurt das erste Volksbuch vom Dr. Faust, das der Buchdrucker Spies herausgab, und das die vielen Erzählungen um die Faust-Figur vereinigte. Zahlreiche Nach- und Neu drucke sorgten für eine weite Verbreitung des Faust-Stoffs. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) kannte vermutlich das Volksbuch, mit Sicherheit aber dessen Umformung als Puppenspiel. Goethe hat sich fast sein ganzes Leben lang mit Faust beschäftigt. Die erste Begegnung scheint bereits in seiner Kindheit stattgefunden, als Goethe die «bedeutende Puppenspielfabel» kennenlernte, die über verschlungene Wege auf Christopher Marlowes Tragicall History of Doctor Faustus, die Dramatisie rung einer englischen Übersetzung des Spiesschen Volksbuches, zurückgehen dürfte.
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Urfaust Goethe beginnt die Arbeit an seinem Faust zwischen 1772 und 1775, angeregt von dem Prozess gegen Susanna Margaretha Brandt. In Frankfurt wurde sie öffentlich als Kindsmörderin hingerichtet. Während seines Jurastudiums hatte sich Goethe mit der Frage nach den rechtlichen Grundlagen solcher Fälle be fasst, in der Gretchentragödie seines Faust verarbeitet er das Motiv literarisch. In der ersten, Urfaust genannten Fassung, steht die Liebestragödie um Gretchen im Vordergrund. Der Urfaust beginnt mit Fausts Monolog im Studierzimmer. Mephisto tritt auf, aber der eigentliche Teufelspakt fehlt. Nach der Szene in Auerbachs Keller nimmt die Gretchentragödie ihren Lauf; die «Hexenküche» und die «Walpurgisnacht» fehlen.
Das komplette Programmbuch Faust. Ein Fragment können Sie auf Aus dem Urfaust entwickelt Goethe die Fassung Faust, ein Fragment, die 1788 vollendet ist und 1790 gedruckt wird. Gegenüber dem Urfaust ist das FaustFragmwww.opernhaus.ch/shop ent um einen Dialog mit Mephisto erweitert, in dem der Teufelspakt je doch noch unausgesprochen bleibt. Neu hinzugekommen ist die Szene «Hexen oder am Vorstellungsabend im Foyer küche», dafür fehlt Gretchens Ende im Kerker. Neben der Liebestragödie um Gretchen wird die Tragödie des zweifelnden und scheiternden Wissenschaftlers sichtbar. des Opernhauses erwerben Faust. Eine Tragödie (Faust I) 1797 – also 22 Jahre nach dem Urfaust – nimmt Goethe die Arbeit am Faust wieder auf, ermuntert durch Friedrich Schiller. Er fügt dem Fragment die ein leitenden Szenen «Zueignung», «Vorspiel auf dem Theater» und «Prolog im Himmel» hinzu. Die endgültige Fassung der bereits im Urfaust und im Frag ment enthaltenen Szenen sowie die Ausführung der «Walpurgisnacht» erfolgt bis 1806. Das Werk geht als Faust. Eine Tragödie für die Ostermesse 1808 in Druck. Aus der Geschichte um ein unglücklich gemachtes Mädchen und einen verzweifelten Wissenschaftler war ein Menschheitsdrama zwischen Himmel und Hölle geworden.
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Faust II Schon während der Arbeit am Faust I hatte Goethe Entwürfe und Szenen zu einem zweiten Teil des Faust angelegt. Und dabei hatte er selbst grosse Zweifel, ob er dieses Projekt noch würde vollenden können. Er hat es geschafft. Die Arbeit daran beendete er 1830, zwei Jahre vor seinem Tod. Das Manuskript versiegelte er mit dem Hinweis: «Erst nach meinem Tod öffnen.»
Rezeption Goethes Tragödie hat Faust zur mythischen Reflexionsfigur des modernen In dividuums gemacht: eines Individuums, das alle traditionellen Bindungen und Grenzen zur unbedingten Erfüllung des eigenen Willens sprengt und dabei eine Spur der Verwüstung hinter sich lässt. Der Status des Goethe-Dramas als deut scher Nationalklassiker hat dem Faust-Mythos eine kulturpolitische Dimension verliehen, die aufgrund der Komplexität und Mehrdeutigkeit der Goetheschen Dramenfigur zum interpretatorischen Streitfall geworden ist. Das Deutungs spektrum reicht von der Heroisierung des nach dem Absoluten strebenden deutschen Nationalcharakters bis zur kritischen Diagnose und Anklage des masslosen modernen Individualismus und seines zerstörerischen Potenzials. Goethes Faust bietet damit den Musterfall für die ideologische Inanspruchnah me und zugleich für das anhaltende kritische Reflexionsangebot literarischer Mythen. Seit zwei Jahrhunderten arbeiten sich alle weiteren künstlerischen Ge staltungen dieser Figur sowie eine vielstimmige, lebhafte Interpretationsdebatte daran ab. Aus der eindeutigen religionsdidaktischen Abschreckungsgestalt des Hochmütigen ist durch Goethes Fassung eine ambivalente Figur des masslosen Individuums geworden, die als nationaler Klassiker zugleich als Repräsentant der Deutschen Verwendung fand. Wenngleich Goethes Faust im Zeitalter der Ideologien vielfach instrumen talisiert und für weltanschauliche Programme missbraucht wurde, haben sich seine Faszinationskraft und sein Reflexionspotenzial bis in die jüngste Vergangen heit nicht verbraucht. Im Gegenteil: Nachdem mit dem Zusammenbruch der globalen Systemkonkurrenz auch ideologisch determinierte Deutungsmuster in den Hintergrund getreten sind, eröffnet Goethes Drama erstaunlich aktuelle
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Perspektiven. Faust wird längst nicht mehr als viriler Tatmensch wahrgenom men, dessen Heroentum in eine bessere Welt zu führen verspricht. Vielmehr verkörpert er für seine heutigen Rezipienten all jene Gefahren und Konflikte, mit denen sich das moderne Subjekt seit zwei Jahrhunderten auseinandersetzen muss. Faust erweist sich – vor allem mit Blick auf Der Tragödie Zweiter Teil – als Repräsentant einer von Beginn an krisenhaften Moderne: Er tritt uns als Wissen schaftler entgegen, der die ethischen Folgen seiner revolutionären und bis zur künstlichen Zeugung des Menschen reichenden Forschungen nicht mehr zu kontrollieren vermag. Er offenbart sich als Radikalreformer, der die gesellschaft liche Ordnung umzubauen beabsichtigt und dabei auf totalitäre Methoden zu rückgreift. Er präsentiert sich als Unternehmer, dem die Rast- und Ruhelosigkeit zur zweiten Natur, mithin das Verweilen im Augenblick zum Albtraum geworden ist; nicht zuletzt begegnet uns Faust als Sinnsuchender, der die Liebe religiös überhöht und seine Geliebte dennoch zur Ware degradiert. Seitdem Goethes Epochendrama nicht mehr als Kampfplatz konkurrierender Weltanschauungen missbraucht wird, treffen uns seine genuin modernekritischen Fragen mit voller Wucht: Faust ist unser Zeitgenosse, dessen Zerrissenheit wir selbst empfinden.
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«Aber doch ist alles … sinnlich und wird, auf dem Theater gedacht, jedem gut in die Augen fallen. Und mehr habe ich nicht gewollt. Wenn es nur so ist, daß die Menge der Zuschauer Freude an der Erscheinung hat; dem Eingeweihten wird zugleich der höhere Sinn nicht entgehen, wie es ja auch bei der ‹Zauberflöte› und anderen Dingen der Fall ist.» Goethe im Gespräch mit Eckermann am 25. Januar 1827
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EDWARD CLUG Choreograf
Edward Clug vollendete seine Ballettausbildung 1991 an der Nationalen Ballett schule in Cluj-Napoca (Rumänien). Im selben Jahr wurde er als Solist an das Slowenische Nationaltheater (SNG) in Maribor engagiert. 2003 wurde er am selben Theater Ballettdirektor und führte die Compagnie auf neue, unverkenn bare Wege. In den vergangenen fünfzehn Jahren zog Edward Clug mit seinem unverwechselbaren choreografischen Stil die Aufmerksamkeit eines internatio nalen Publikums auf sich. Gleichzeitig gelang es ihm, das Mariborer Ensemble mit Gastspielen in ganz Europa, Asien, den USA und Kanada in der internatio nalen Tanzszene zu etablieren. Seit mehreren Jahren ist Edward Clug dem Stuttgarter Ballett und dem Ballett Zürich verbunden. In Zürich waren seine Choreografien Le Sacre du printemps, Hill Harper’s Dream und Chamber Minds zu sehen. Ausserdem entwickelte sich eine enge Beziehung zum Nederlands Dans Theater, mit dem er mehrere Projekte beim NDT 2 und NDT 1 realisierte. Neue Stücke entstanden ferner für das Royal Ballet of Flanders, das Ballett der Wiener Staatsoper, das Nationalballett Lissabon, das Kroatische Nationalballett, das Rumänische Nationalballett Bukarest, die Bitef Dance Company, das Uk rainische Nationalballett Kiew, das Staatsballett Nowosibirsk, die Station Zuid Company, Graz Tanz, das Ballett des Theaters am Gärtnerplatz München, das Hessische Staatsballett Wiesbaden, das Ballett Augsburg, das Aalto Ballett Essen, das Ballett Dortmund und das West Australian Ballet. Edward Clug erhielt zahlreiche nationale und internationale Preise. Für Quattro wurde er 2010 in Moskau für den Kunstpreis «Goldene Maske» nomi niert. Ausserdem wurde er mit den höchsten slowenischen Kulturpreisen, dem Preis der Prešern Foundation (2005) und der Glazer Charter (2008), ausge zeichnet. 2017 wurde seine Choreografie Handman (NDT 2) für den «Benois de la Danse» nominiert. Neben Faust – Das Ballett in Zürich wird er 2018 Petruschka am Moskauer Bolschoitheater choreografieren.
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MILKO LAZAR Komponist
Milko Lazar ist als Komponist und Multiinstrumentalist (Klavier, Cembalo und Saxofon) sowohl im klassischen wie auch im Jazzbereich tätig. Er studierte Klavier und Saxofon an der Kunstuniversität Graz sowie Cembalo und Barock musik am Königlichen Konservatorium in Den Haag. Fünfzehn Jahre war er als Solosaxofonist und Dirigent bei der Radio-Bigband des RTV Slovenia en gagiert. Regelmässig komponiert er für die Slowenische Philharmonie und das Slowenische Radio-Sinfonieorchester. Weitere Auftragswerke entstanden für das Staatsorchester Stuttgart, die Augsburger Philharmoniker und die Philharmonia Zürich. Neben Orchesterwerken, Opern, Kammermusik, Vokal- und Jazzkom positionen, Film- und Bühnenmusik komponiert er regelmässig für das Ballett. Seine Werke wurden in ganz Europa, in den USA, China, Russland und Süd amerika aufgeführt, u.a. in der New Yorker Carnegie Hall, im Kennedy Center in Washington, am Slowenischen Nationaltheater Ljubljana, am MikhailovskyTheater in St. Petersburg, am Opernhaus Zürich und an der Oper Stuttgart. Als Pianist tritt er regelmässig im Klavierduo mit Bojan Gorišek sowie als Cem balist mit seinen eigenen Formationen auf. Seit 2008 verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit mit dem Choreografen Edward Clug. Gemeinsam entstanden bislang 14 Ballette, darunter Hill Harper’s Dream und Chamber Minds für das Ballett Zürich. Milko Lazar wurde mit dem renommiertesten slowenischen Kunstpreis, dem Prešernov Sklad, und dem Kunstpreis der Stadt Ljubljana aus gezeichnet.
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BALLETT ZÜRICH
Christian Spuck Ballettdirektor
Christian Spuck stammt aus Marburg und wurde an der John Cranko Schule in Stuttgart ausgebildet. Sei ne tänzerische Laufbahn begann er in Jan Lauwers’ Needcompany und Anne Teresa de Keersmaekers En semble «Rosas». 1995 wurde er Mitglied des Stuttgar ter Balletts und war von 2001 bis 2012 Hauschoreo graf der Compagnie. In Stuttgart kreierte er fünfzehn Urauffüh r ungen, darunter die Handlungsballette Lulu. Eine Monstretragödie nach Frank Wedekind, Der Sandmann und Das Fräulein von S. nach E.T.A. Hoff mann. Dar über hinaus hat Christian Spuck mit zahl reichen namhaften Ballettcompagnien in Europa und den USA gea rbeitet. Für das Königliche Ballett Flan dern entstand The Return of Ulysses (Gastspiel beim Edinburgh Festival), beim Norwegischen National ballett Oslo wurde Woyzeck nach Georg Büchner ur aufgeführt. Das Ballett Die Kinder beim Aalto Ballett Theater Essen wurde für den «Prix Benois de la Danse» nominiert, das ebenfalls in Essen uraufgeführ te Ballett Leonce und Lena nach Georg Büchner wurde von den Grands Ballets Canad iens de Montreal und vom Stuttgarter Ballett übernommen. Die Urauffüh rung von Poppea//Poppea für Gauthier Dance am The ater haus Stuttgart wurde 2010 von der Zeitschrift Dance Europe zu den zehn erfolgreichsten Tanzpro duktionen weltweit gewählt sowie mit dem deutschen Theaterpreis Der Faust 2011 und dem ita l ienischen Danza/Danza-Award ausgezeichnet. Sein Tanzfilm Marcia Haydée als Penelope wurde von ARTE ausge strahlt. Immer häufiger ist Christian Spuck in jüngster Zeit im Bereich Oper tätig. Auf Glucks Orphée et Euridice an der Staatsoper Stuttgart (2009) folgten Verdis Falstaff am Staatst heater Wiesbaden (2010) und Berli oz’ La Damnation de Faust (2014) an der Deutschen Oper Berlin. Seit der Saison 2012/13 ist Christian Spuck Direktor des Balletts Zürich. Hier waren bis lang seine Choreografien Romeo und Julia, Leonce und Lena, Woyzeck und Der Sandmann zu sehen. Das 2014 in Zürich uraufgeführte Ballett Anna Karenina nach Lew Tolstoi wurde 2016 auch in Oslo und am Mos kauer Stanislawski-Theater ins Repertoire übernom men, 2017 folgten das Koreanische Nationalballett und das Bayerische Staatsballett. In der vorigen Spiel zeit kamen Verdis Messa da Requiem als Koproduktion von Oper und Ballett Zürich sowie Der fliegende Holländer an der Deutschen Oper Berlin heraus. In dieser Saison hatte sein Ballett Nussknacker und Mausekönig Premiere.
Yen Han Erste Solistin
Die US-Chinesin Yen Han studierte bei Stefan Mucsi und Paul Maure in Los Angeles, an der Hartford Ballet School, beim San Francisco Ballet und an der Beijing Dance Academy. Nach Engagements beim Jeune Ballet de France und dem Ballet de Nice wurde sie 1994 Mit glied des Balletts Zürich. Sie tanzte u.a. die Solopartien in Heinz Spoerlis Feuervogel, Nussknacker, La Fille mal gardée, Romeo und Julia, Daphnis et Chloé, Ein Sommer nachtstraum, La Sylphide, Peer Gynt (Solveig), Le Sacre du printemps und Giselle. Ausserdem trat sie in Choreo grafien von Bigonzetti, van Manen, Forsythe, Balan chine, Kylián, Ek (Aurora in Sleeping Beauty), Tharp, Wheel don, Hwai Min, Schläpfer und Portugal auf. 2012 gastierte sie bei den Salzburger Festspielen. Sie war die Julia in Christian Spucks Romeo und Julia und der Hofmeister in Spucks Leonce und Lena. An der Ro yal Swedish Opera gastierte sie als Julia in Mats Eks Julia & Romeo. Sie war in der Titelrolle von Patrice Barts Giselle, als Kitty in Spucks Anna Karenina sowie in Christian Spucks Messa da Requiem zu sehen. 2013 wurde sie mit dem «Tanzpreis der Freunde des Balletts Zürich» und als «Herausragende Darstellerin» bei den Schweizer Tanzpreisen geehrt.
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Viktorina Kapitonova Erste Solistin
Die Russin Viktorina Kapitonova studierte an der Bal lettschule Kasan und an der Akademie des Moskauer Bolschoitheaters. Sie war Gewinnerin des Wettbewerbs «The Young Ballet of Russia» und des ArabesqueWettbewerbes. Am Dzhalilja-Opernhaus Kasan tanzte sie Solopartien in Schwanensee, Dornröschen, Don Quixote, La Bayadère, Coppélia und Der Nussknacker. 2008/09 war sie Mitglied des Stanislawski-Balletts. Seit 2010 ist sie Mit glied des Balletts Zürich. Hier tanzte sie u.a. Odette/Odile in Heinz Spoerlis Schwanensee, Soloparts in Spoerlis Ein Sommernachtstraum, ...und mied den Wind und Goldberg-Variationen, Ro setta in Christian Spucks Leonce und Lena, die Amme in Spucks Romeo und Julia und die Titelrolle in Spucks Anna Karenina. Ausserdem war sie in Choreografien von Balanchine, Ek, Forsythe, Kylián, Lee, McGregor und Schläpfer zu sehen. In der Reihe «Junge Choreo grafen» präsentierte sie ihre Choreografie Two Bodies – One Soul. Als Giselle/Myrtha (Giselle) war sie an der Seite von Roberto Bolle und Friedemann Vogel zu se hen. Sie tanzte Odette/Odile in Ratmanskys Schwa nensee-Rekonstruktion und Olimpia in Christian Spucks Sandmann. 2015 wurde sie mit dem «Tanzpreis der Freunde des Balletts Zürich» ausgezeichnet.
Programmheft FAUST – DAS BALLETT Ballett von Edward Clug Musik von Milko Lazar Uraufführung am 28. April 2018, Spielzeit 2017/18
Herausgeber
Intendant
Opernhaus Zürich Andreas Homoki
Zusammenstellung, Redaktion Michael Küster Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli Titelseite Visual François Berthoud Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing
Schriftkonzept und Logo
Druck
Textnachweise: Die Inhaltsangabe zu «Faust – Das Ballett» schrieb Michael Küster für dieses Programmbuch. Ausserdem führte er die Interviews mit Edward Clug und Milko Lazar. – Dorion Weickmanns Essay «Wie viel Faust steckt im Tanz?» erschien erstmals im Magazin des Opernhauses Zürich (MAG 58/2018). – Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Der Tragödie Erster Teil. Text und Kontext. Hrsg. v. Wolf Dieter Hellberg. Stutt gart 2014. – Roger Diederen und Thorsten Valk (Hrsg.): Du bist Faust. Goethes Drama in der Kunst. Katalog zur Ausstellung in der Kunsthalle München. München/
Telefon 044 268 64 14, inserate@opernhaus.ch Studio Geissbühler Fineprint AG
London / New York 2018. – Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Hrsg. v. Fritz Bergemann. Frankfurt /M. 1991. Gregory Batardon fotografierte das Ensemble bei der Klavierhauptprobe am 19. April 2018. Die Compagnie wurde porträtiert von Jos Schmid. – Foto Milko Lazar: Tone Stojko Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechsabgeltung um Nachricht gebeten.
Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER
ab PRODUKTIONSSPONSOREN Evelyn und Herbert Axelrod Walter Haefner Stiftung Freunde der Oper Zürich Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG PROJEKTSPONSOREN AMAG Kühne-Stiftung Baugarten Stiftung Ringier AG Familie Christa und Rudi Bindella Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung René und Susanne Braginsky-Stiftung Hans und Edith Sulzer-Oravecz-Stiftung Clariant Foundation Swiss Life Freunde des Balletts Zürich Swiss Re Ernst Göhner Stiftung Zürcher Festspielstiftung Max Kohler Stiftung Zürcher Kantonalbank GÖNNER Abegg Holding AG LANDIS & GYR STIFTUNG Accenture AG Juwelier Lesunja Josef und Pirkko Ackermann Lindt und Sprüngli (Schweiz) AG Alfons’ Blumenmarkt Stiftung Lyra zur Förderung hochbegabter, Allreal junger Musiker und Musikerinnen Ars Rhenia Stiftung Die Mobiliar Familie Thomas Bär Fondation Les Mûrons Berenberg Schweiz Neue Zürcher Zeitung AG Beyer Chronometrie AG Notenstein La Roche Privatbank AG Elektro Compagnoni AG Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung Stiftung Melinda Esterházy de Galantha StockArt – Stiftung für Musik Fitnessparks Migros Zürich Van Cleef & Arpels, Zürich Fritz Gerber Stiftung Verein «500 Jahre Zürcher Reformation» Gübelin Jewellery Else von Sick Stiftung Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Ernst von Siemens Musikstiftung Walter B. Kielholz Stiftung Zuger Stiftung für Wirtschaft und Wissenschaft KPMG AG Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung FÖRDERER Max Bircher Stiftung Richards Foundation Stiftung Denk an mich Luzius R. Sprüngli Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG Elisabeth Stüdli Stiftung Garmin Switzerland Fondation SUISA Goekmen-Davidoff Stiftung Confiserie Teuscher Horego AG Madlen und Thomas von Stockar Sir Peter Jonas Zürcher Theaterverein