DIE GEZEICHNETEN
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DIE GEZEICHNETEN FRANZ SCHREKER (1878-1934)
HANDLUNG Erster Aufzug Der reiche, missgestaltete Alviano Salvago ist von Selbstzweifeln zerfressen. Er ist sicher, dass er bei seinen Mitmenschen nur Entsetzen und Abscheu auslöst. Auf einer Insel vor der Stadt Genua hat er sich mit seinem «Elysium» einen Platz überirdischer Schönheit erschaffen; er selbst hat dieses Paradies jedoch nie be treten. Dort feiern seine adligen Freunde im Geheimen wilde Orgien mit ent führten jungen Mädchen. Alviano plagen Gewissensbisse. Er hat daher beschlos sen, das Elysium den Einwohnern der Stadt zu schenken. Die Männer sind über Alvianos Vorhaben entsetzt, fürchten sie doch das Ende ihres Treibens. Sie hoffen auf ihren Anführer, Graf Vitelozza Tamare, der die Schenkung durch eine Intrige beim Herzog Adorno verhindern soll. Doch Tamare verfolgt eigene Interessen: Er begehrt eine unbekannte Schöne. Wie sich später herausstellt, handelt es sich um die Künstlerin Carlotta Nardi, Tochter des Podestà. Alviano empfängt den Podestà, der in Begleitung seiner Frau, seiner Toch ter Carlotta und Senatoren erscheint, um mit ihm die Formalitäten der Schenkung zu besprechen. Tamare ergreift die Gelegenheit, um sich Carlotta anzunähern, doch sie weist ihn kühl ab. Vielmehr fühlt sich Carlotta, die an einem rätselhaften Herzfehler leidet, von Alviano angezogen. Im Geheimen hat sie begonnen, ihn in einem ihrer Kunstwerke zu verewigen. Nun bittet sie Alviano, für sie Modell zu stehen, um das Werk beenden zu können. Alviano glaubt, dass sie ihn ver spotte, willigt aber ein, nachdem er erkannt hat, dass ihr Anliegen ernst gemeint war.
Zweiter Aufzug Der Podestà und die Senatoren sind beim Herzog Adorno vorstellig geworden, um ihn um Zustimmung für die Schenkung zu bitten. Doch der Herzog hat Ausflüchte gemacht und um Bedenkzeit gebeten.
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Tamare sucht den Herzog Adorno auf und gesteht ihm seine Liebe zu Carlotta. Carlottas Zurückweisung will er nicht hinnehmen, sondern sie sich notfalls mit Gewalt gefügig machen. Doch Adorno ermahnt ihn zur Zurückhaltung, da die Stimmung in der Stadt wegen der verschwundenen jungen Mädchen aufgeheizt sei. Da verrät ihm Tamare das Geheimnis der Lustorgien und bittet ihn, Alvia nos Schenkung zu verhindern. Adorno ist gewillt, die Verbrechen zu decken und Alviano die Schenkung vorerst zu verbieten. Auch will er für Tamare bei Carlotta werben. Carlotta porträtiert Alviano in ihrem Atelier. Sie erzählt ihm von einer Freundin, die nichts als Hände male. Eine Hand habe ausgesehen wie die Hand eines Toten – ein Bild, das sie als Schrei nach Erlösung gedeutet habe. Alviano ahnt, dass Carlotta von sich selbst spricht, von ihrem Schmerz, ihren Ängsten und geheimen Sehnsüchten. Carlottas Geständnis, ihn zu lieben, trifft ihn wie ein Schlag. Alviano überwindet sein Misstrauen und öffnet sich ihr. Carlotta entdeckt in seinen Augen jenen Ausdruck des Glücks, wonach sie bei ihrer Kunst so begierig suchte. Alviano hat den Glauben an sich selbst wiedergefunden.
Dritter Aufzug Alviano hat sein Elysium der Bevölkerung zugänglich gemacht. Er hört Stim men. Alviano ruft nach Carlotta. Doch Carlottas Gefühle Alviano gegenüber sind verblasst, seit sie ihr Kunstwerk vollendet hat. Sie folgt Tamare. Alviano glaubt, Carlotta überall zu sehen und zu hören. Die Huldigungen des Volkes verstärken seinen Wahn zusätzlich. Da erscheint der Capitaneo di giustizia: Der Herzog lasse Alviano wegen Mädchenraub, Verführung und Schändung junger Mädchen anklagen. Das Elysium, eine Hölle des Lasters, solle in Brand gesetzt werden. Der Capitaneo nennt den Kronzeugen des Her zogs: Tamare. Alviano ahnt jetzt, bei wem Carlotta ist. Alviano begegnet Tamare, den er zur Rede stellt. Doch Tamare lässt ihn wissen, dass sich ihm Carlotta freiwillig und aus Lust hingegeben habe. Alviano tötet Tamare. Er versucht, Carlotta wieder für sich zu gewinnen, doch sie entzieht sich ihm. Sie verlangt nach Tamare. Alviano wird vollends vom Wahn ergriffen.
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DAS FRAGENDE ALS METAPHER DER ZEIT Der Komponist Franz Schreker und «Die Gezeichneten» Marco Frei
Berlin, 21. März 1934. Die Musikwelt erfährt vom Tod Franz Schrekers. Nur zwei Tage vor seinem 56. Geburtstag stirbt der Komponist an den Folgen eines schweren Schlaganfalls, den er wenige Monate zuvor, im Dezember 1933, er litten hatte, und an einem Herzleiden. Das Leben hat ihm schwer zugesetzt, ihn jäh gezeichnet. Unter den Nachrufen sticht jener von Paul Bekker ganz be sonders heraus, weil in ihm klar und deutlich ausgesprochen wird, was andere zu jener Zeit lieber verschweigen. Als Musikpublizist zählt Bekker zu den ge wichtigen Begründern der modernen Musikkritik und Musiksoziologie, mit wesentlichem Einfluss gleichermassen in Ost und West. Die Schriften Bekkers – zumal zur Geschichte der Sinfonik, zu Beethoven, Gustav Mahler oder zur frühen Moderne – wirken einerseits direkt auf Theodor W. Adorno nach. Andererseits inspirieren sie auch Musiktheoretiker in der frühen Sowjetunion, darunter Boris Assafjew oder den Schostakowitsch-Freund Iwan Sollertinski. «Ein schweres Leben hat seinen Abschluss gefunden», beginnt Bekker seinen Nekrolog – knapp und treffsicher. Im Folgenden zeichnet er das Bild eines Komponisten, der als Lehrmeister die junge Generation massgeblich anleitet und von derselben bald verschmäht wird, weil er ihr nicht avanciert genug erscheint. Schreker sei «über Nacht zum alten Eisen» geworfen worden. Überdies habe seine «Mitwelt» alles Denkbare getan, seinen Weg «weiter zu vergiften». Damit meint Bekker auch die politisch motivierten Anfeindungen, denen sich Schreker seit den 1920er-Jahren zusehends ausgesetzt sieht. Obwohl mehr rechts als links eingestellt, sei Schreker, so Bekker, «parteipolitisch abgestempelt» ge
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wesen: zumal er noch im «alten System» der Weimarer Republik zum Direktor der Berliner Musikhochschule und zum Dozenten an der Preussischen Akademie der Künste berufen worden war. Von «Konjunkturnazis» sei er wüst angegriffen worden. Bekker weiss, wovon er schreibt. Mit Schreker verbindet ihn eine lange freundschaftliche, geistige Verbindung, und 1919 hat Bekker mit seinem Schre ker-Buch eine erste bahnbrechende Reflexion über den Komponisten vorgelegt. Nicht zuletzt sind beide im aufstrebenden Nationalsozialismus Leidensgenossen. Wie Schreker entstammt auch Bekker einer deutsch-jüdischen Familie, ist also wie dieser ein sogenannter «Mischling» und gilt den Nazis als «entartet». Auf der berühmt-berüchtigten Ausstellung «Entartete Musik» von 1938, vier Jahre nach Schrekers und ein Jahr nach Bekkers Tod, werden auch sie verunglimpft. Als Berliner Hochschuldirektor wird Schreker 1933, kurz nach Hitlers Machtergreifung, entlassen, weil er, so der Vorwurf, viele «Rassegenossen» beru fen habe und sich zugleich weigere, diese freizustellen. Schon im Oktober 1932 stören Nazi-Schergen die Uraufführung von Der Schmied von Gent in Berlin, und die Uraufführung von Christophorus 1933 in Freiburg bläst Schreker vor sorglich ab. In der Geschichte der deutschen Musik von 1940 attestiert der stramme NS-Pamphletist Otto Schumann, ein Autor des Völkischen Beobach ters, der Musik Schrekers eine «schmeichelnde Gehaltlosigkeit» und «käufliche Sinnlichkeit». Noch 1983 erscheint von ebenjenem Schumann im westdeutschen «Heinrichhofen’s Verlag» ein Grosser Konzertführer mit ähnlichem Gedanken gut, nur etwas moderater verpackt. Als Autor der liberalen Frankfurter Zeitung habe wiederum Bekker das «Deutschtum» ausgehöhlt, indem er publizistisch zum Förderer zahlreicher «Rassegenossen» avanciert sei: darunter von Schreker. Im März 1936, ein Jahr vor seinem Tod im amerikanischen Exil, wird Bekker die deutsche Staatsbürger schaft entzogen. Bereits 1933 war Bekker ausgewandert, um für das Pariser Tageblatt, eine deutsche Exilzeitung, zu schreiben. In dieser Zeitung erscheint auch sein Schreker-Nachruf. In Schrekers Leben seien «Zeitgeschichtliches und Persönliches in eine seltsame dumpfe Tragik» verstrickt, folgert Bekker. Als «eines der ersten Opfer der ‹nationalen Revolution›» sei Schreker selbst ein «irgendwie Gezeichneter» geworden.
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Dieses Fazit Bekkers ist höchst bezeichnend, weil er faktisch einen direkten Zusammenhang sieht zwischen der Oper Die Gezeichneten einerseits sowie der damaligen Zeit und dem Leben Schrekers andererseits. Ein Rückblick, 25. April 1918: Nach einer mehrjährigen Genese, die 1911 startete, wird der Dreiakter am Opernhaus in Frankfurt am Main uraufgeführt. Das Libretto hat Schreker selbst erfasst, um zentrale Motive der frühen Moderne aus Jugendstil (Sezessions stil) und Expressionismus zusammenzufassen. Hierzu zählen insbesondere: das Kunstmärchen The Birthday of the Little Princess von Oscar Wilde, Arnold Schönbergs Die glückliche Hand und Frank Wedekinds Hidalla. Weitere Details entlehnt Schreker aus: Ferdinand von Saars Der Borromäer, der Salomé und De Profundis von Wilde, Maurice Maeterlincks Pelléas et Mélisande, Wedekinds Erdgeist sowie der Tragödie Fiorenza von Thomas Mann. Selbst Querbezüge zu frühen Filmen des Expressionismus sind erkennbar, da runter die Golem-Filme von Paul Wegener oder Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu. Auch das zeitkritische Denken von Karl Kraus, die frühe Psycho analyse um Sigmund Freud oder die kontroverse Geschlechter-Philosophie von Otto Weininger schlummert in den Gezeichneten. Aus diesen mehr verdeckten Inspirationen und subtilen Querverweisen entwirft Schreker einen originär eigenen Stoff: die Geschichte des entstellten, verkrüppelten Alviano Salvago. Auf einer isolierten Insel erschafft sich der Edel mann aus Genua sein «Elysium», ein «Reich des Schönen». Um diesen Ort mit seiner Hässlichkeit nicht zu «entweihen», zwingt er sich selbst auf, ihn nicht zu betreten. Sein «Reich des Schönen» ist indessen ein Ort des Grauens, in dem junge Frauen gefangen gehalten, misshandelt und vergewaltigt werden: unter der Führung des rücksichtslosen, schönen Grafen Tamare. In seine Fänge gerät bald auch Carlotta, die Tochter des Podestà von Genua. Für sie beginnt auch Alviano zu schwärmen, fühlt sich ihrer aber nicht würdig. Am Ende ist Carlotta tot, und Alviano verfällt dem Wahn. Sein «Elysium» liegt in Trümmern und mit ihm eine ganze Welt. Die Vision Alvianos, eine «schöne neue Welt» zu erschaffen, verkehrt sich in ihr abgründiges Gegenteil. Genau das lässt sich als kritisches Sinnbild der damaligen Zeit deuten. In dieser Lesart sind Die Gezeichneten tatsächlich ein Werk der Kriegs- und Zwischen kriegszeit. Noch im Jahr der Uraufführung klingt der Erste Weltkrieg aus, ein
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erster Versuch, die Welt gänzlich neu zu ordnen. Dieser Versuch mündet be kanntlich in ein totales, mörderisches Desaster, das schon bald darauf weitere grosse Katastrophen geriert: den Aufstieg von totalitären Diktatoren, darunter von Adolf Hitler, der ein «Gross-Germanien» mit einer «arischen Herrenrasse» im Sinn hat, sowie den Zweiten Weltkrieg. Selbst diese abgründige Konsequenz wird in den Gezeichneten vorausge ahnt. Die Oper Die Gezeichneten erscheint vielfach wie Schrekers persönliches Die letzten Tage der Menschheit, und es ist geradezu unheimlich, wie sehr Schre ker im Grunde auch sein eigenes Schicksal hier vorausahnt. Sein Alviano erscheint in vielen Details fast schon wie ein Selbstportrait. Jedenfalls sind die Parallelen geradezu frappierend. Aus Briefen sowie Schilderungen von Schrekers Tochter geht klar hervor, wie sehr Schreker bis zuletzt nicht wahrhaben möchte, dass auch er selbst durch den Aufstieg der Nazis in Gefahr gerät. In dieser Naivität und Gutgläubigkeit ähnelt er seinem Alviano. Als Schreker schlussendlich erkennt, dass alles zweck los ist und er emigrieren muss, ist es bereits zu spät. Die pausenlosen Intrigen und Anfeindungen haben seine physische und psychische Gesundheit zerstört. Schreker entzieht sich immer mehr der Welt, leidet an furchtbaren Depressionen und Angstzuständen, erkrankt an einem Herzleiden und erleidet einen schweren Schlaganfall. Gleichzeitig finden sich in den Briefen Schrekers bemerkenswerte Äusse rungen, die darauf schliessen lassen, dass er sich selbst als wenig ansprechend erachtete: ähnlich wie Alviano. Ganz deutlich wird dies in einem Brief, den er am 14. Februar 1933 an Max von Schillings richtet, um für seinen Verbleib an der Preussischen Akademie der Künste zu werben. Schillings war seinerzeit ihr Präsident. «Es kann sein, ja, ich glaube, es ist so, dass ich persönlich unsympa thisch wirke. Aber, Sie wissen doch, dass ich als Künstler einiges (wenn es auch augenblicklich nichts gilt) geleistet habe. Sie waren derjenige, der mich als Opernschöpfer am meisten gefördert hat.» Es ist dies ein erschütterndes Dokument, weil es nicht nur die Ausweglosig keit, Hilflosigkeit und Selbstzweifel Schrekers aufzeigt, sondern zugleich dessen Naivität. «Wusste Schreker wirklich nicht, dass Schillings, seit 1932 als Nach folger Max Liebermanns als Präsident der Preussischen Akademie der Künste,
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nach Hitlers Machtergreifung die ‹Säuberung› der Akademie durchführte?», fragt zurecht Magali Zibaso in einer Studie von 1999. Und die «schöne neue Welt», die sich Alviano erschafft? Sie findet ihr Pendant in Schrekers Musik. Vor dem Hintergrund der Abgründe der damaligen Zeit erscheint sie fast schon wie ein Refugium. Vielfach entwirft Schreker in seinen Partituren ein klangsinnliches Spiel, in dem zugleich Sein und Schein ineinander übergehen und zerfliessen. Für diesen schillernden Klangzauber stehen gerade die Schreker-Opern Der ferne Klang und Die Gezeichneten. «Wenn Arnold Schönberg die Dissonanz befreite, so emanzipierte Schreker, wie Claude Debussy, die Klangfarbe der Instrumente und erhob sie zu derselben Bedeutung wie Melodie, Harmonie und Rhythmus», betont 2011 treffend der Schreker-Forscher Christopher Hailey. Für Bekker steht indessen fest, dass die Frage der Klangerfindung an sich nicht nur die Grundlage der Dramatik von Schreker darstellt, sondern von dessen Tonsprache insgesamt. «Man könnte sagen: der musikalische Vorgang der Schrekerschen Dramatik ist die allmähliche Zusammenziehung und Verfestigung einer anfangs nur in zarten Andeutungen erfassten Klangerscheinung, eine Zusammenzie hung und Verfestigung, die eben durch die dramatische Reibung der einzelnen Handlungselemente bewirkt wird», so Bekker in seiner bedeutenden SchrekerSchrift von 1919. «Eben jenes Gefühlsgebiet der seelischen Metamorphosen, wie Schrekers Dramatik es umschliesst, mit ihrer Lehre von der Unwissenheit des Menschen von den tiefsten bestimmenden Kräften seines Wesens, findet ihren entsprechenden Ausdruck in den akustischen Erscheinungen des Klanglebens». Einem Sigmund Freud, Gustav Klimt oder Arthur Schnitzler gleich, er forscht also Schreker die dunklen, tief verborgenen, verschlungenen Pfade der menschlichen Seele: durch die Musik selber. Seine Schreker-Betrachtung versieht Bekker mit dem Untertitel Studie zur Kritik der modernen Oper, da er in ihr weitreichende Vergleiche mit den zentralen Tendenzen im Musiktheater der damaligen Zeit anstrengt: zumal mit Richard Wagner. Dabei wird deutlich, dass Schrekers zauberhafte Klangwelten weder ein «romantisches Idealbild» herauf beschwören noch der frühen Atonalität des Schönberg-Kreises folgen. Schreker geht einen anderen, eigenen Weg, um – wie Hailey treffend formuliert – «Me taphern der Zerbrechlichkeit menschlichen Glücks» zu verlebendigen.
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Genau dieses Motiv findet sich im Grunde in allen Opern von Schreker wieder. Doch so wie Schreker sich selbst im Laufe der 1920er-Jahre zusehends an den gesellschaftlichen Rand gerückt sieht, wird auch seine Musik von allen Seiten angefeindet. Den aufstrebenden Nationalsozialisten ist sie zu modern und frivol, anderen ist sie hingegen nicht avanciert genug. Zu den letzteren Stimmen zählt auch Theodor W. Adorno, der in einer Kritik in den Musikblättern des Anbruchs 1929 die Traditionsgebundenheit Schrekers moniert. Nach dem Zweiten Welt krieg wird der einflussreiche deutsche Soziologe, Philosoph und Musikpublizist diese These wieder aufgreifen. Wenn Schreker in den 1920er-Jahren oftmals vorgeworfen wird, sich den Neuerungen in der Musik zu verweigern, um einen «dekorativen Klangzauber» zu kultivieren, so knüpft Adorno hier 1959 ganz klar an. In seinem Schreker-Essay, veröffentlicht in der Schriften-Sammlung Quasi una fantasia von 1963, attestiert Adorno der Musik Schrekers, sie treibe «Luft wurzeln». «Was sonst über den musikalischen Zusammenhang entscheidet, entwickelnde Variation, kompositorische Logik im weitesten Sinn, wird virtuell ausgeschlossen», folgert er. Somit verleugne Schrekers Musik «Ursprung und Konsequenz, am liebsten jede eigentlich kompositorische Bestimmtheit». Das Urteil Adornos ist freilich aus jener Zeit heraus zu verstehen. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Fall des Nationalsozialismus gilt es zunächst, jäh Zerstörtes wieder aufzubauen und eine neue Ordnung zu erschaffen: auch in der Kunst und Kultur. Erst ab den 1970er-Jahren wird sich das allmählich ändern, vor allem dank der Studie Die Harmonik in der Oper «Der ferne Klang» von Franz Schreker von Gösta Neuwirth aus dem Jahr 1972. Zusehends wird in der Forschung das originär Eigenständige im Œuvre Schrekers erkannt, und: Seit der vielbeachteten Neuinszenierung der Gezeichneten 1979 in Frankfurt am Main unter der Leitung von Michael Gielen, in einer Regie von Hans Neuenfels, erobert Schreker erneut die Bühne. Trotzdem dauert es eine ganze Weile, bis Schreker sich allenthalben weiter etablieren kann, und dieser Prozess ist längst noch nicht abgeschlossen. Zu wichtigen Stationen dieser «Wiederentdeckung» zählen u. a. die Schwei zer Erstaufführung der Gezeichneten 1992 am Opernhaus Zürich oder die ita lienische Erstaufführung der Gezeichneten 2010 am Teatro Massimo in Palermo.
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Doch der Lauf der Welt hat sich in der Zwischenzeit, innert acht Jahren, grund legend verändert. In einer Gegenwart, die weltpolitisch aus den Fugen scheint, wo allenthalben politische Gruselclowns gleich welcher Couleur an die Macht streben oder ihre Macht weiter ausbauen, in der sich neue, veränderte Ordnun gen anzukündigen scheinen, mit gänzlich ungewissem Ausgang, wirken gerade die Opern der frühen Moderne hochaktuell. Weil sie – vor, inmitten oder zwi schen zwei Weltkriegen entstanden – eine Instabilität und Unsicherheit in sich tragen: das Fragende. Das gilt ganz besonders für das Musiktheater Schrekers. Die Gezeichneten sind präsent. Sie weilen unter uns, wie damals, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als weite Teile der Welt in Schutt und Asche lagen. Wir sind die Gezeichneten.
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EIN FILM NOIR ALS OPER Regisseur Barrie Kosky im Gespräch
Barrie, Die Gezeichneten stehen schon seit langer Zeit auf deiner Wunschliste. Was für eine Geschichte verbindet dich mit dieser Oper? Ich habe von Schreker während meiner Studentenjahre in Australien zunächst den Fernen Klang kennengelernt. Sofort fühlte ich mich von dieser rätselhaften Klangwelt angezogen, die so ganz anders wirkt als diejenige seines Zeitgenossen Richard Strauss. Dann habe ich angefangen, den ganzen Schreker zu studieren, genauso wie die Werke von Alexander Zemlinsky und Erich Wolfgang Korngold. Wir müssen uns bewusst sein: Das ist ein wirklich einzigartiges Kapitel in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts, das diese österreichisch-deutschen Juden hier geschrieben haben! Sie alle standen am Ende der grossen romantischen Tradition und versuchten, eine neue Form der Oper zu erfinden, ein postdramatisches Musiktheater nach Wagner gewissermassen. Dann kam der fatale Bruch um 1933 durch die Nazis. Schreker starb, andere gingen ins Exil. Ich frage mich immer wieder: Wie würde die deutsche Musik heute klingen, wenn diese Komponisten, die damals alle noch relativ jung waren, ihre künstlerische Laufbahn hätten weiterführen können? Sie alle waren «Melody-Freaks», sie hatten keine Angst, populäre Einflüsse wie Jazz in ihrer Musik zu verwenden. Ich bin mir sicher, dass die deutsche Musik der Nachkriegszeit ohne dieses dunkle Kapitel ganz anders aussehen würde. Zugegeben, einige Stücke dieser Komponisten sind besser als andere, manchmal sind die Opern zu lang, oder sie haben problematische Texte. Meistens aber sind sie hochinteressant, mit einer oft sensationellen Musik. Es reicht aber nicht, sich von diesen Stücken nur Aufnahmen anzuhören, man muss diese Werke auf der Bühne erfahren, weil sie erst dort ihre komplette Wirkung entfalten.
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Worin besteht das Geheimnis von Schrekers Musik? Das ist schwer zu beschreiben. Es ist jedenfalls ein ganz anderer Klang als der von Korngold. Korngolds Musik umschmeichelt das Ohr, sie ist leicht zu hören. Das erklärt auch, warum er später einen derart grossen Erfolg als Filmkomponist in Hollywood hatte. Zemlinsky wiederum ist der brillanteste der drei Komponisten, er hat das beste Gespür für das Theater. Aber Schreker hat die interessanteste und seltsamste Klangwelt erschaffen. Man hört die Musik und weiss sofort: das ist Schreker! Es ist ein ganz spezieller Duft. Schreker spielt geradezu mit dieser spätromantischen, harmonisch-chromati schen Welt, und die Musik schwebt wie ein merkwürdiger Nebel im Raum. Das hat natürlich mit der sehr ausgeklügelten Orchestrierung zu tun, es hat auch mit den Themen der Oper zu tun und mit Schreker als Person. Die Musik geht unter die Haut, an die Nerven. Das führt mich zu Sigmund Freud: Er war sozusagen der Pate von Komponisten wie Zemlinsky, Korngold und Schreker. Man könnte sagen, sie alle haben den Soundtrack zu Freuds Traumdeutung geschrieben. Der Schatten Freuds ist in jedem Stück dieser Komponisten spürbar und ganz besonders in den Gezeichneten. Das Stück ist ein Versuch, Neurose und Paranoia in Musik zu übersetzen. Mit einem Schuss Erotik … Erotik ist natürlich ein grosser Teil von Neurose und Paranoia! Ja, diese drei Elemente und auch die typische Freudianische Hysterie sind der Faden, mit dem Schreker den Teppich webt, und in den er seine Figuren einhüllt. Wobei man in Bezug auf die Hysterie sagen muss, dass es in den Gezeichneten primär die Männer sind, die hysterisch sind. War es die Freudianische Welt, die dich an diesem Stück besonders ge reizt hat? Nicht nur. Bemerkenswert finde ich, dass die weibliche Hauptfigur, Carlotta, eine Künstlerin ist. Das kenne ich von keiner anderen Oper! Hinzu kommt, dass diese Künstlerin die männliche Hauptfigur, Alviano, als Kunstmodell benutzt, eine Figur, die zudem missgestaltet ist! Eine wirklich ungewöhnliche, hochinteressante Kombination. Man stelle sich vor: Tausend Jahre Kunst
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geschichte, die vom männlichen Blick auf die Frau handelt, und nun ist es hier plötzlich umgekehrt! Ein weiterer Aspekt, der mich an diesem Stück fesselt, ist seine cinematografische Welt avant la lettre. Vieles erinnert mich in den Gezeichneten an den späteren Film noir der 1940er- und 50er-Jahre. Der Film noir war ja eine Entwicklung in Hollywood, die massgeblich von europäischen Künstlern geprägt wurde, von Kameramännern, Bühnenbildnern, Drehbuchautoren oder Regisseuren. Es war ein Moment in der Geschichte des Films, als man vom Stummfilm zum gesprochenen Film überging und der Realismus eines Stanislawski auf den deutschen Expressionismus prallte. Nun gibt es plötzlich ein Drehbuch, dessen Texte für sich allein genommen ziemlich banal klingen, jedoch durch die Kombination mit Bildern und Musik zu einem Gesamtkunstwerk werden. Mit Schrekers Gezeichneten ergeht es mir ähnlich, was die Beziehung von Musik und – Schrekers selbst ver fasstem – Text angeht. Durch seine suggestive Musik vergisst man den schwülstigen Text, vergisst die dramaturgischen Probleme, und schwimmt in diesem hochmanipulativen Klangozean mit. Und übrigens: Ich könnte mir Schauspielerinnen des Film noir wie Greta Garbo oder Bette Davis sehr gut als Carlotta vorstellen … Das Filmische kommt in Schrekers Stück ja auch in Form von Überblen dungen vor: Innen- und Aussenräume, die ineinander übergehen. Ich denke hier besonders an Carlotta, wenn sie sich im zweiten Akt in innere Welten katapultiert, die nichts mehr mit einer Konversationsoper zu tun haben. Ja, wie Kamerafahrten ins Seeleninnere. Das trifft natürlich auch auf Alviano und seine überspannte, subjektive Wahrnehmung der Welt zu. Was für eine Beziehung verbindet Alviano und Carlotta? Welche chemi sche Reaktion läuft zwischen den beiden ab? Es ist eine Liebesgeschichte ohne romantische Liebe, eine Liebesgeschichte, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Alviano hat sicher noch keine Erfahrung mit Frauen, er hat geradezu Angst vor ihnen. Für mich verkörpert er den typisch Freudianischen Charakter. Alviano hegt Selbsthass,
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er hasst seinen Körper, fühlt sich minderwertig und hat eine einsame, melancholische Seele, was Carlotta als sensible Künstlerfigur natürlich sofort erkennt. Carlotta empfindet grosse Empathie und Sympathie für ihn. Sie eröffnet ihm auch relativ rasch, dass sie ihn liebe. Und doch sieht sie in ihm in erster Linie eine neue männliche Muse, ein neues Modell, eine Inspiration für ihre Kunst, die uninteressant wird, sobald sie sie in ihrer Kunst gebannt hat. Zwischen den beiden besteht keine kosmische Verbindung wie bei Tristan und Isolde, sondern wir erleben zwei verlorene Seelen, die für einen kurzen Moment zusammenkommen und sich dann wieder verlieren. Die Möglichkeit einer Beziehung war aber greifbar nahe, umso grösser ist der Absturz der beiden im dritten Akt. Alviano zum Beispiel, der durch die Begegnung mit Carlotta neue Hoffnung und neues Selbstbewusstsein geschöpft hat, driftet am Ende aufgrund seiner enormen sexuellen Verletzlichkeit vollends in den Selbsthass und Wahnsinn ab. Das verbindende Element der beiden ist die Kunst. Durch sie können sie kommunizieren, das ist doch etwas sehr Spezielles … Die Kunst bringt die beiden zusammen, ja. Die Kunst ist ein Türöffner. Aber mit und an der Kunst scheitern die beiden letztlich auch. Alviano erlebt das zusätzlich, indem er sich und seinen ästhetischen Neigungen mit seinem Elysium eine paradiesische Kunstwelt erschaffen hat, die sich dann in ihr unschönes Gegenteil verwandelt. Und doch ist mir wichtig, dass die Kunst in unserer Produktion nur als Subtext auftaucht und nicht zum einzigen grossen Thema dieses Stücks wird. Als Zuschauer will ich keinen Unterricht über Kunstgeschichte bekommen. Ich möchte, dass wir von Alviano und Carlotta emotional berührt werden, ja sogar auch von der dritten Hauptfigur, Tamare, dem Tat- und Kraftmenschen, obwohl diese Figur in erster Linie eine Art Angsttraum von Alviano darstellt. Um nochmals auf Carlotta zurückzukommen, die ja doch eine sehr ge heimnisumwitterte Figur ist: Sie hat offenbar ein Herzleiden, und doch möchte man allzu gerne wissen, was sie in ihren schattigen Seelenwin keln tatsächlich zu verbergen hat.
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Alviano ist natürlich die Hauptfigur des Stücks, aber der interessantere Charak ter ist Carlotta. Sie ist voll von Widersprüchen und Geheimnissen. Eine Sphinx. Gottseidank sind fast alle ihre Szenen die besten des Stücks! Schreker hat ihr in der grossen Atelierszene, dem Mittelpunkt der Oper, einen richtig morbiden Text gegeben. Ein gespenstischer Monolog! Sie erzählt hier von einer Freundin, die Hände male, aber im Grunde spricht sie von sich selbst. Sie ist richtiggehend besessen von diesen Händen, die wie ein Fetisch für sie sind. Einmal beschreibt sie, wie die Hände geradezu glühen, dass diese Glut klinge und dieser Klang zu ihr und durch sie spreche. Das ist wie ein Horrorfilm. Das Bildmotiv der Hände erinnert mich zudem sehr an die ausdrucksstarken Hände, wie sie Egon Schiele zur Zeit Schrekers gemalt hat. Die Hände sind sicher auch eine libidinöse Assoziation, eine Art Ersatzphallus für Carlotta. Ich finde es grandios, dass ihr Fetisch, ihr Ekel, ihre Lust, ihre Ängste und Besessenheit mit diesen Händen zu tun haben. Ein typisch wienerisch-freudianisches, perverses Element. Das Motiv der Hände war für mich dann auch der Schlüssel zu Alvianos Missbildung: er hat bei uns keine Hände! Du hast dich gemeinsam mit deinem Bühnenbildner Rufus Didwiszus für einen Raum entschieden, der eine gleissende, ja fast laborhafte Atmosphäre verbreitet. Man darf Schrekers Musik nicht zusätzlich illustrieren! Da verliert man sofort. Das Schlimmste bei den Gezeichneten wäre zu versuchen, diese blumige Perversität des Stücks auf der Bühne zu zeigen. Man muss das Ganze etwas herunterkühlen, damit diese Musik wie psychedelische Nebelschwaden in den Raum hineinströmen kann. Diesen Stoff kann man nicht eins zu eins auf die Bühne bringen, sondern muss mit der Überlagerung von realen Elementen und Halluzination spielen. In der vergangenen Spielzeit haben mit der Bayerischen Staatsoper in München, der Komischen Oper Berlin und St. Gallen gleich drei
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Opernhäuser Die Gezeichneten auf ihrem Spielplan präsentiert. Warum wird dieses Stück in letzter Zeit wieder so oft gespielt? Neurosen und Paranoia sind natürlich zu jeder Zeit interessant, zu jeder Zeit verführerisch. Heute möchte das Publikum vielleicht auch etwas vom Standardrepertoire wegkommen. Dazu kommt, dass diese obsessiven, eroti schen Thriller-Dramen heutzutage sehr en vogue sind. Und ich komme noch einmal auf den Film zu sprechen: Dieses Stück hat grosse Gemeinsam keiten mit der Welt Alfred Hitchcocks, mit seinem Blick auf die Frauen, mit seinem Film Vertigo, was die Paranoia angeht, oder mit Marnie, was die geheimnisvolle Frau angeht. Hitchcock war ein Meister der kühlen Erotik. Perversion, Gewalt und Selbsthass brodeln bei ihm immer unter einer glatten Fassade, wofür ihm Bernard Herrmann jeweils kongeniale Musik geschrieben hat. Manchmal kommt es mir so vor, als ob Herrmann ein direkter Nach komme von Schreker wäre. Die Gezeichneten sind demnach vielleicht das erste Hitchcock-Stück, bevor Hitchcock überhaupt auf der Bildfläche erschienen ist! Das Gespräch führte Kathrin Brunner
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DIE KUNST EINES SCHLAFWANDLERS Dirigent Vladimir Jurowski im Gespräch
Vladimir, du hast dich im Laufe deiner Karriere auffällig oft mit dem Repertoire des beginnenden 20. Jahrhunderts im Spannungsfeld der Wiener Moderne beschäftigt, sei es mit Werken Schönbergs, Bergs, Richard Strauss’ oder auch Zemlinskys. Was fasziniert dich an dieser Zeit? Es ist eine doppelte Faszination, die diese Zeit auf mich ausübt. Einerseits ist es die Befreiung der Musik aus den Zwängen der klassischen Tradition, die in dieser musikgeschichtlich so aufregenden Epoche vonstatten geht: dieses seit Wagners Tristan vorhandene Problem der Auflösung der Dissonanz, welches zu einem zunächst zaghaften, dann immer mutigeren Verlassen des tonalen Bodens führte. Dann die Zeit zwischen den Welten, als die Tonalität verlassen, aber noch kein neues System erfunden wurde, die sogenannte atonale Musik. Dann die Erschaffung der neuen Zwänge, der neuen Systeme. Das ist zum einen der musikalische Zusammenhang, der mich an dieser Zeit immer fasziniert hat, zum anderen ist es der gesellschaftliche Kontext, denn das geht immer Hand in Hand: Die Zerstörung der Tonalität verlief parallel zur Zerstörung der europäischen Monarchien und zur Krise des Imperialismus, was letztlich zum Ersten Weltkrieg geführt hat. Da sehe ich einen ganz grossen Zusammenhang. Meine Liebe zur Wiener Moderne hat auch damit zu tun, dass diese Zeit bei uns zuhause in Russland, als ich anfing, Musik professionell zu studieren, tabu war. Man durfte die Komponisten zwar erwähnen, aber sie galten im Sinne der SchdanowschenStalinistischen Kulturpolitik immer noch als Ausgeburten der kapitalistischen Hölle. In einer gewissen Hinsicht betrieb der Sowjetstaat eine ähnliche Politik wie die Nazis; das alles galt als entartete Kunst. Deswegen hat mich gerade das, was nicht zugänglich und verboten war, am meisten gereizt.
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Welchen Platz nimmt Franz Schreker auf deiner Wiener Musiklandkarte ein? Schreker war noch einer der wenigen weissen Flecke, den ich unbedingt erkunden wollte, und genau da kam die Einladung aus Zürich. Ich muss zugeben: Die Gezeichneten sind ein Stück, das ich nicht gleich verstanden habe und bis heute nicht ganz verstehe, aber es hat mich fasziniert durch diese mehrspurigen Verbindungen zu den Werken, die ich bereits dirigiert habe. Das Stück, zwischen 1913 bis 1915 komponiert, steht in vielerlei Hinsicht in der Mitte des damaligen musikalischen Geschehens. Nicht zuletzt geht die Oper auf einen Vorstoss Alexander Zemlinskys zurück. Schreker sollte ihm das «Drama des hässlichen Mannes» schreiben, in welchem Zemlinsky seine traumatische Liaison mit Alma Mahler verarbeiten wollte. Schreker war jedoch so fasziniert von dem Stoff, dass er ihn gleich selbst vertonte. Zemlinsky wich dann auf Oscar Wildes Geburtstag der Infantin aus und schrieb seinen Einakter Der Zwerg. Wie ordnest du Schrekers Musik ein? Schreker hatte die Fähigkeit, seine Musik unglaublich interessant und modern klingen zu lassen, obwohl sie rückblickend gesehen gar nicht so modern war. Denn trotz der vielen Dissonanzen ist seine Musik in ihrem Kern immer tonal. Er verwendet simple harmonische Mittel, wie man sie zum Beispiel aus der Salonmusik kennt, und kombiniert seine Musik mit den musikalischen Farb-, Stil- und Ausdrucksmitteln der damaligen Zeit. Was er daraus macht, ist für mich ein doch ziemlich eklektisch anmutendes Produkt. Ich persönlich empfinde es nicht als gleichermassen selbstständig wie die Musik von Alban Berg oder von Zemlinsky. Aber es gibt eben auch diese aufregenden Seiten an Schreker, wie die Vorwegnahme der späteren Filmmusik, des «Suspense» in Hitchcock-Filmen, wie es Barrie Kosky so richtig erkannt hat. Was Schreker ausserdem so geschickt macht, und das tritt besonders im grandiosen Vorspiel in Erscheinung, ist, dass er die Themen filmisch nebeneinanderstellt. Ihm fehlte nur der entscheidende Mut zur Filmtechnik mit radikalen Schnitten, wie sie dann später Paul Hindemith oder Sergej Prokofjew angewendet haben.
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Was für ein Duft weht uns denn aus Schrekers musiktheatralischem Kosmos insgesamt entgegen? Was Schreker wirklich ausmacht, ist das, was wiederum für unsere heutige Zeit sehr relevant ist: das Morbide, das Nicht-Lebensfähige. Das ist etwas, was für jede Dekadenzepoche charakteristisch ist. Wir sind heute natürlich sehr aufgeklärt, uns können nicht mal die intimsten Themen schockieren, seien es die Abgründe der menschlichen Psyche, um die es hier geht, sei es die Beziehung zwischen den Geschlechtern. Aber ich glaube, dass das, was uns heute an dieser Musik so besonders fasziniert, diese apokalyptische Stimmung ist. Für Schreker war das natürlich die Vorahnung des Ersten Weltkrieges, der während der Fertigstellung der Oper tatsächlich ausbrach. Ein Historiker nannte die Generation der Zeitgenossen Schrekers bezeichnenderweise «Schlafwandler». Für mich ist das eine Kunst der Schlafwandler. Dazu kommt, dass die Musik von Schreker einer Droge gleicht, die wir dem Publikum ganz bewusst verabreichen. Doch wie heisst es so schön: Die Kunst ist ein sicherer Ort, um über sehr gefährliche Dinge zu sprechen. Was empfindest du als «gefährlich» in dieser Oper? Das Thema des Selbsthasses oder die Umwandlung des Selbsthasses in Hass auf das andere Geschlecht. Den Ekel, den man vor dem Andersartigen, dem Hässlichen, oder dem, was man als hässlich versteht, empfindet. Das sind alles Probleme unserer Zeit. Der Umgang der Menschen mit unterschied licher sexueller Orientierung, die Probleme, die man jetzt mit Flüchtlingen überall erlebt, aber auch die Glaubenskriege, die heute geführt werden, die gleichermassen beunruhigende frauen- aber auch männerfeindliche Stimmung in bestimmten Schichten der Gesellschaft. Das alles wird in diesem Stück angesprochen. Eine interessante Idee in dem Stück ist ausserdem die Idee der Verantwortung des Künstlers für sein Tun, die ethische Verantwortung. Alviano ist nicht nur der Schöngeist, der diese unglaubliche Kunstinsel entwerfen lässt, er wird auch zu einem Mittäter: er hat die Insel «Elysium» geschaffen und dadurch die Lustmorde, die in einer Grotte auf der Insel stattfinden, indirekt ermöglicht. In der ersten Szene singt Alviano den Satz: «Was gab die Natur mir, mit dieser Fratze und diesem Höcker, solch ein Fühlen,
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solch eine Gier!» Das heisst, er sehnt sich durchaus nach alldem und toleriert es bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Das ist sein Vergehen, seine Sünde. Alviano versucht, seiner Schuld auszuweichen, aber Tatsache ist, dass er mit der Grotte ein Gefäss geschaffen hat, wo diese widerwärtigen Dinge stattfinden konnten. Ja. Und insofern ist er eine tragische Figur, oder noch besser: ein tragischer Antiheld, mit Wozzeck vergleichbar. Alviano ist kein Opfer. Ich finde es als Idee sehr mutig, so eine Figur auf die Bühne zu stellen. Eines der Vorbilder für die Figur Alviano war Karl Hetmann aus Wede kinds Theaterstück Hidalla. Dieses Stück hat mich absolut fasziniert, doch leider hat Schreker dessen groteske Farbe nicht übernommen. Dieser Karl Hetmann ist eine Art Mischung aus Freud, Trotzki, Lenin, Nietzsche und vielen anderen. Er wird als ein unansehnlicher Mann beschrieben, als eine Art Prophet oder Guru. Seine Vision ist es, ein Institut zur Züchtung von Rassemenschen zu er schaffen, wo die Promiskuität Pflicht ist und als Resultat zukünftige Schönheit entstehen soll. Er selbst, der hässliche Mann, verweigert sich jedoch dem weiblichen Geschlecht. Karl muss schliesslich ins Gefängnis, wird wieder entlassen, und am Schluss taucht ein Zirkusdirektor auf, der ihm eine Stelle als dummer August, als Clown in seinem Zirkus anbietet. Da hängt sich dieser Karl auf. Das alles klingt wie eine aberwitzige Idee, aber das Schaurige daran ist der prophetische Gehalt von Wedekinds Groteske: Die im Stück als krankhaft entlarvten Ideen erkennen wir später in Form realpolitischer Ideen der Nazis wieder. Eine weitere Schrift, die viele prominente Intellektuelle und Künstler der damaligen Zeit beeinflusste, darunter auch Schreker, war Otto Weiningers Geschlecht und Charakter. Ein durch und durch misogynes, pseudowissenschaftliches und obendrein selbsthassendes, antisemitisches Pamphlet des Juden Weininger, der sich nach Erscheinen seiner Schrift selber ein grausames Ende bereitet hat. Seine ab-
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s trusen Ideen bereiteten später durchaus auch den Boden für die Gesinnung der Nazis. Das macht ja auch einen Teil der Faszination der Gezeichneten für uns heute aus: Wir kennen den Verlauf der Geschichte. Und genauso können wir nachvollziehen, dass eine Figur wie Alviano, so bemitleidenswert er auch ist, unter gewissen Umständen zu einem furchtbaren Bösewicht werden könnte. Das ist eben das Zwiespältige an ihm. Hier sehe ich auch grosse Parallelen zu Alberich und Mime aus Wagners Ring des Nibelungen. Eine letzte Frage: Du hast dich gemeinsam mit Barrie Kosky für radikale Striche in diesem Stück entschieden. Warum? Man kann diesem Stück nicht so begegnen wie einem Meisterwerk von Alban Berg oder einer Oper von Puccini, wo jede Note Sinn hat. Hier sind einige Noten an ihrem Ort, andere nicht. Schreker war kein Berg oder Schönberg, das müssen wir uns klarmachen. Er macht es einem musikalisch und szenisch nicht immer einfach, so interessant das Stück auch ist. Wir erlauben uns deshalb einige Kürzungen vorzunehmen, so dass die Hauptthemen stärker in Erscheinung treten, und die Nebenthemen, die nicht relevant sind, ausge blendet werden. Manchmal gibt es Wortschwälle, die Schreker nicht stoppen kann. Da greifen wir ein und spitzen etwas zu. Das Gespräch führte Kathrin Brunner
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HIDALLA Frank Wedekind
Berta Du wirst doch diesen Hansnarren nicht ernst nehmen wollen?! Launhart sich rasch erhebend Hansnarren nehme ich verteufelt ernst! Mit Hansnarren macht man bessere Geschäfte als mit Philosophen! Er geht, die Karte in der Hand, ins Haus und kommt gleich darauf mit Karl Hetmann zurück. – Hetmann ist eine schief gewachsene, unansehnliche Erscheinung, glattrasiert, zahnlos, mit dünnem Haar und grossen, von Leidenschaft sprühenden Augen. Er ist schlicht, aber sorgfältig und sauber gekleidet.
Launhart Hetmann die Hand reichend Herr Hetmann, nicht wahr? – Wollen Sie bitte Platz nehmen. Hetmann setzt sich, ohne es zu wollen so, dass er Fanny in ganzer Figur vor Augen hat. Ich komme zu Ihnen, Herr Launhart, weil ich gehört habe ... Launhart Ja, ja, schon gut. – Sagen Sie mal, existiert denn dieser Verein überhaupt? Hetmann Seit bald einem Jahr. Launhart. In Ihrem Kopfe, ja! – Ich meine aber in Wirklichkeit? Hetmann In Amerika und Deutschland. Launhart In Ihrem Kopfe? Hetmann In Wirklichkeit. Launhart Wie können Sie uns das beweisen? Hetmann Ihnen, sowie ich Sie beurteile, beweise ich das wohl am besten durch Er überreicht ihm einen Prospekt. eine Bankabrechnung über die augen blickliche Höhe unseres Vereinsvermögens. Launhart nachdem er den Prospekt durchgesehen Alle Achtung! – Darf ich Ihnen eine Zigarre anbieten? Hetmann Danke, ich rauche nicht. – Ich komme zu Ihnen, weil ich hörte ... Launhart Ja, ja, schon gut. – Nun sagen Sie mal, was bezweckt denn der Verein eigentlich?
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Hetmann Schönheit! – Unsere bisherige Moral war auf das menschliche Wohl gerichtet; sie war dazu bestimmt, das Unglück zu bekämpfen und hatte in erster Linie die Unglücklichen ins Auge gefasst. An dieser Moral wird – auch soweit sie sich an die Opferfreudigkeit der Reichen wendet – kein Wort geändert. Für die Reichen aber habe ich, über die alte Moral hinaus, eine neue geschaffen, deren höchstes Gebot die Schönheit ist. Launhart Das ist ausgezeichnet! Kamen Sie ganz von selbst auf den rühm lichen Gedanken? Hetmann Der Gedanke liegt sehr nahe. Der Durst nach Schönheit ist ein nicht minder göttliches Gesetz in uns als der Trieb zur Bekämpfung der Erdenqual! Berta Schade nur, dass in der ganzen Welt die Erdenqual noch so überge waltig ist, dass das Vergnügen an der Schönheit ihr gegenüber kaum als Sonnenstäubchen in die Waagschale fällt! Hetmann Um Vergnügen, gnädige Frau, ist es uns nicht zu tun! Unsere Moral fordert Opfer, wie sie noch keine forderte. Die allgemeine Moral steht im Dienste des höchsten menschlichen Glückes, der Familie. Dieses höchste menschliche Glück fordern wir von den Mitgliedern unseres Bundes als erstes Opfer! Berta Sie wollen also durchaus noch etwas mehr Unglück in die Welt hineinbringen? Launhart Ja, ja, schon gut, liebe Berta; lass jetzt den Herrn sprechen! Zu Hetmann Verzeihen Sie bitte, ich habe Ihre Moral noch nicht vollkommen verstanden. Hetmann Wenn die Menschen dazu emporsteigen, die Schönheit höher zu achten als Hab und Gut, als Leib und Leben, dann sind die Menschen der Gottheit um eine Stufe näher, als wenn der Sieg über die Erdenqual ihr höchster Preis ist! Launhart Das ist selbstverständlich! – Was ich noch fragen wollte – zeichnen sich die Angehörigen Ihres Bundes alle in so hervorragendem Masse durch Schönheit aus wie Sie? Hetmann Ich bin natürlich nicht Mitglied des Bundes; ich bin vom Bund nur als Sekretär in Dienst genommen. Die Mitglieder sind ausschliesslich
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Menschen von auffallender, allgemein bewunderter Schönheit. Sie werden vom Grossmeister erwählt. Die Mitglieder machen dem Oberhaupt Vor schläge über die Wahl anderer, über deren wirkliche Aufnahme aber natürlich nur der Grossmeister entscheidet. Berta Ei, jetzt geht mir ein Licht auf! Andere Menschen sollen also mit Glück und Leben bezahlen, was Sie in Ihrem Hirnkasten ausgeheckt haben! Launhart zu Berta Ich bitte mir jetzt Ruhe aus! Hetmann Ob dieser Vorwurf Grund hat, weiss ich nicht. Zu Launhart Ich wollte Sie im Auftrage des Bundes fragen, ob Sie in Deutschland unsere Flugblätter und Zeitschriften herausgeben und die Vorbereitungen für unsere Vorträge treffen wollen. Launhart Ja, ja, davon später, wenn es Ihnen recht ist. – Sagen Sie mal, wo lebt denn Ihr Grossmeister? Was treibt er? Wie heisst er? Wie kann man ihn kennenlernen? Hetmann Der Grossmeister ist ein Mann, der in seiner Erscheinung alle Vorzüge in sich vereinigt, durch die ein Mensch sich auszeichnen kann. Launhart Also mit einem Wort, ein Rassemensch! – Aber ich möchte gern wissen, wie und wo man ihn kennenlernen kann. Hetmann Das ist nicht leicht. Die wenigsten Mitglieder des Bundes kennen ihn persönlich, obschon sie seinen Anordnungen unbedingt Folge leisten. Launhart Ja gewiss. Aber können Sie mir nicht vielleicht sagen, wo er wohnt? Hetmann Das kommt hier nicht in Frage. Sich erhebend Wenn Ihnen unser Vorschlag nicht zusagt ...
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Frank Wedekind: Hidalla oder Sein und Haben (1904) Ausschnitt aus dem ersten Akt
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«Schrekers Künstler sind Doppelnaturen: als Idealisten streben sie nach dem Absoluten, als Menschen sind sie Sklaven der ‹condition humaine›.» Frank Harders-Wuthenow
DIE MACHT DER KUNST Franz Schrekers «Die Gezeichneten» und die Sehnsucht, Kunst und Leben in eins zu setzen Claus Spahn
Gäbe es einen Giftschrank für Opern, in dem die wirksamsten und gefährlichs ten Drogen aufbewahrt werden, die Phiole mit Franz Schrekers Die Gezeichneten würde darin einen besonderen Platz einnehmen – als sagenumwobenes Rauschmittel, von dem Süchtige in den höchsten Tönen schwärmen. Die Farbe des Schreker-Elixiers müsste man sich so vorstellen: giftgrün schimmernd, durchzogen von tiefroten Blutschlieren. Das Werk gilt als eine Art «grüne Fee» der Operngeschichte: Farb-Klang-Absinth, der vor allem in den ersten Jahren nach der Uraufführung extreme Verfallenheit beim Publikum auslöste. Die In gredienzen, die Schreker in dieser Oper mischt, sind Sehnsucht nach dem Kunst schönen, Sinnenrausch, Erotomanie, Gewalt und Perversion. Der Stoff führt tief hinab in die Abgründe der menschlichen Triebe, und die Musik überflutet das Geschehen mit phantasmagorischer Opulenz. Den heissen Kern der Geschichte sahen die Interpreten immer wieder in den wüsten Triebdurchbrüchen der Genueser Adelsgesellschaft und der finalen Lust-Gewalt-Orgie. Der Regisseur Hans Neuenfels etwa zeigte in seiner Frank furter Inszenierung von 1979 Sadomasolust in grellen Bildern. Der Regisseur Martin Kušej inszenierte den dritten Akt vor sechzehn Jahren in Stuttgart als Massensextableau mit einem rammelnden Chor in Unterwäsche. Die Interpre ten nutzten die erotischen Obsessionen, die dem Stück innewohnen, um den perversen Untergrund einer scheinbar wohlgeordneten Gesellschaft zutage zu fördern. Solcher Enthüllungseifer läuft allerdings in Theaterzeiten, in denen die bizarrste Schmerzlust auf der Bühne längst ausgekostet und noch das üppigste Blutbad genommen ist, ins Leere. Mit der drastischen Darstellung von Orgien kann man Schrekers Oper heutzutage kaum mehr beikommen. Was freilich nicht heisst, dass Die Gezeichneten ihre Faszinationskraft insgesamt eingebüsst hätten.
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Dafür reflektiert das Stück viel zu beziehungsreich über Kunst, Schönheit, Ge schlechterrollen, Lust und Neurose. «Die Grammatik des Unbewussten», die der österreichische Komponist Gösta Neuwirth in einem Essay aus Schrekers Werk herauslas, verbindet schillernd Vieles mit Vielem. Das Vage und Zwittrige ist ein generelles Kennzeichen von Schrekers Wer ken. Literarisch kombinieren Die Gezeichneten Frank Wedekind, Nietzsche und De Sade, die veristische Kolportage und das Traumdenken von Sigmund Freud. Die Musik amalgamiert heterogenste stilistische Einflüsse von Wagner, Debussy, Ravel, Puccini und anderen. Und doch findet sie frei flutend und fluktuierend zu einem ganz eigenen Ton. Seltsam konturenschwach in ihrem motivischen Material ist sie dabei, dafür umso schwelgerischer und aufwendiger in der Instru mentation und der Nuancierung der Klangfarben, bis an die Grenze zur Über sättigung. Theodor W. Adorno sprach in seinem Schreker-Aufsatz von «der eigentümlichen Übersinnlichkeit des Sinnlichen» und prägte den schönen Be griff von einer «Musik, die Luftwurzeln» treibe. Schreker hat sich mit dieser Art zu komponieren angreifbar gemacht und wurde dementsprechend von allen erdenklichen Seiten scharf kritisiert. Den Vertretern der Neuen Sachlichkeit war er zu schwülstig und manieristisch, die Protagonisten der Zweiten Wiener Schule fanden seinen Stil rettungslos veral tet, selbst Schüler wie Ernst Křenek mokierten sich über die Kunstgewerblich keit im Schaffen ihres Lehrers. Der allseits ätzende Komponistenkollege Hans Pfitzner fand als strammer Verfechter des musikalischen Einfalls Schrekers Unbe stimmtheit nur «impotent». Er sah in ihr die «Unfähigkeit, wahrhaft zu zeugen und zu gebären». Das Urteil der Nationalsozialisten, die Schreker in der Aus stellung «Entartete Musik» präsentierten, lautete: «Es gab keine sexualpatholo gische Verirrung, die er nicht unter Musik gesetzt hätte.» Auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in dem Schreker zunächst in völlige Vergessenheit geraten war, ist grundlegende Kritik an seinem Kom ponieren nie ganz verstummt, bei gleichzeitig zunehmender Begeisterung für seine Opern, die mit deren Wiederentdeckung einsetzte. Aus heutiger Sicht möchte man die These wagen, dass genau diese Angreifbarkeit eine starke Kraft quelle und Qualität in Schrekers Œuvre ist: Dass seine Werke so viele offene Flanken bieten; dass der Komponist sich nicht darum scherte, ob seine Musik
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den Seriositätsansprüchen der Zeit entsprach; dass er ausschliesslich seiner In tuition und seinen Obsessionen folgte und bereit war, sich zwischen alle Stühle zu setzen. Nichts in seiner Musik ist strukturell abgesichert wie etwa in den Werken Alban Bergs. Die tiefen Gräben zwischen dem Erhabenen und dem Trivialen interessierten ihn nicht, weswegen er manchem heute wie ein früh genialer Hollywood-Komponist vorkommt. Franz Schreker war auf eigenwilli ge Weise Freigeist und Extremist. Nicht zuletzt aus dieser Unabhängigkeit erwächst die überzeitliche Faszination, die von seinen Opern ausgeht. Man staunt beispielsweise darüber, welche Bedeutung Schreker der Kunst beimisst. In utopische Wunscherfüllungshöhe hebt er sie. Mit realitätszersetzen der und weltverändernder Macht stattet er sie in seinen Opern aus, die allesamt um eben diese Kunst und ihre Wirkungsmacht kreisen, sei es Der ferne Klang, hinter dem der Komponist Fritz in der gleichnamigen Oper herjagt, oder das geheimnisvoll mystische Glockenspiel in Das Spielwerk und die Prinzessin, das als universale Beglückungsmaschine den vollendeten Wohlklang und die Rein heitstöne der menschlichen Liebe zu produzieren vermag, in das sich aber sata nische Gegenklänge und Misstöne der Wollust eingeschlichen haben. In den Gezeichneten ist der Bürgermeister von Genua beim Betreten von Alvianos Elysium ganz verzückt von den Kunstwundern, die er schaut – von «Farben, Düften, Tönen und holden Gestalten». Sie zeigen, so der Bürgermeis ter, «den Himmel, so nah und berückend, dass wir unfroh werden der Erde.» Diesem totalen Alltagsentrückungsanspruch an die Kunst versucht Schreker in seiner Musik mit Übersollerfüllung gerecht zu werden. Das erklärt den immen sen Aufwand, den der Komponist mit seinen Riesenorchestern und dem hoch gefahrenen Klangrausch betreibt: Er muss alles (und noch mehr) aufbieten, um eine Entsprechung für die überirdischen Kunstsphären zu schaffen, die er in seinen Opern imaginiert. Schreker spiegelt sich in seinen Stoffen immer auch selbst in seinem Ringen mit und seinem Scheitern am Künstlersein. Die Wirkungsmacht der Kunst greift in den Schreker-Opern so weit aus, dass sie vor dem Leben nicht halt macht. In den Gezeichneten schlägt entgrenz te Fantasie am Ende in orgiastische, gefährliche Wirklichkeit um. Auf Alvianos Insel wird Kunst nicht nur geschaut, in den Katakomben finden Rituale der Ausschweifung statt. Hinter diesem Umschlag steht die gleiche Sehnsucht, von
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der in der Bildenden Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Wiener Aktionisten von Günter Brus bis Hermann Nitsch und Performance künstler von Marina Abramović bis Christoph Schlingensief beseelt waren, näm lich den Akt des schöpferischen Schaffens in die Wirklichkeit zu erweitern und die Grenzen zwischen Kunst und Leben aufzulösen. Die Aktionisten machten den eigenen Körper zum Gegenstand ihrer Kunstprojekte und standen mit Haut und Nacktheit für ihre Kunst ein. In diesem Sinne führt eine inhaltliche Linie direkt von Schrekers fiebriger Kunstvision zur Körperkunst unserer Tage. Das Problem der Beglaubigung von Kunst durch den Körper ist in den Gezeichneten ein zentrales Motiv. Die Stigmatisierung, die der Operntitel be nennt, ist eine körperliche. Alviano ist missgestaltet, die Künstlerin Carlotta hat einen angeborenen Herzfehler. Beide können ihre (sexuellen) Sehnsüchte nicht leben, weil ihre körperliche Disposition es ihnen nicht erlaubt. Deshalb proji zieren sie sie in die Kunst, Carlotta, indem sie «Seelen malt», Alviano indem er sich eine Insel der Schönheit schafft, die er selbst nicht betritt. Die Kompensa tion unterdrückter Triebe durch Ersatzhandlungen ist klassischer Sigmund Freud, der in Schrekers Oper Theater wird. Alviano delegiert den Genuss an seine virilen Kumpane. Deren Anführer, der kraftstrotzende nietzscheanische Übermensch Tamare, erscheint wie eine Art Wunsch-Alter ego Alvianos. Der Kulturwissenschaftler Robert Pfaller hat solchen Verzicht vor einigen Jahren in seinem Buch Interpassivität. Studien über delegiertes Geniessen als ein Phänomen unserer Gegenwart beschrieben. Durch symbolische Ersatzhandlungen ersparen wir uns die reale Handlung. Hinter dem Wunsch nach Interpassivität steht die Angst, die die Konfrontation mit dem eigenen Geniessen verursacht. Das Sub jekt begnügt sich mit einer delegierten Form des Empfindens, die es vor echter Anteilnahme schützt. Carlotta hingegen geht einen anderen Weg. Sie über schreitet am Ende die Grenze zum Leben. Sie betritt die Sünden-Katakomben und gibt sich Tamare hin und steht mit ihrem Körper ein für ihre Sehnsüchte. Ist das alles darstellbar auf einer Opernbühne? Die Gezeichneten erzählen von einem machtvoll nach aussen drängenden Innen brodelnder menschlicher Triebe, sind Angstlust-Phantasma, Psychothriller und Hysteriestudie in einem. Jeder Schreker-Regisseur muss sich einer Tatsache bewusst sein: Die Musik ist viel halluzinatorischer, als es reale Bilder auf einer Bühne je sein können.
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«Der Sexualtrieb… stellt der Kulturarbeit ausserordentlich grosse Kraftmengen zur Verfügung, und dies zwar infolge der bei ihm besonders ausgeprägten Eigentümlichkeit, sein Ziel verschieben zu können, ohne wesentlich an Intensität abzunehmen. Man nennt diese Fähigkeit, das ursprünglich sexuelle Ziel gegen ein anderes, nicht mehr sexuelles, aber psychisch mit ihm verwandtes zu vertauschen, die Fähigkeit zur Sublimierung.» Sigmund Freud: Die «kulturelle» Sexualität und die moderne Nervosität
DER GEBURTSTAG DER INFANTIN Oscar Wilde
Von allen Sälen war dieser der strahlendste und schönste. Die Wände waren mit rotblumigem Luccadamast bedeckt, der ein Vogelmuster trug und mit zierlichen silbernen Blüten betupft war. Die massivsilberne Ausstattung zeigte Verzierung von reichem Blumengewinde, in dem sich Cupidos schaukelten. Vor den zwei breiten Kaminen standen grosse Ofenschirme, die mit Papageien und Pfauen bestickt waren, und der Boden von seegrünem Onyx schien sich weit in die Ferne zu erstrecken. Auch war der Zwerg nicht allein. Wie er unter dem Schat ten des Türeingangs stand, sah er am äussersten Ende des Saales eine kleine Figur, die ihn beobachtete. Sein Herz zitterte, ein Freudenschrei kam über seine Lippen, und er trat in das Sonnenlicht hinaus. In dem gleichen Augenblick trat auch die Figur hervor, und er sah sie deutlich. Die Infantin? Nein, es war ein Ungetüm, das abscheulichste Ungetüm, das er je gesehen hatte. Nicht hübsch gebaut, wie alle andern Leute waren, sondern verwachsen und krummbeinig mit einem riesigen, wackelnden Kopf und einer Mähne von schwarzem Haar. Der kleine Zwerg runzelte die Stirn, und das Ungetüm tat das auch. Er lachte, und es lachte mit ihm und hielt seine Hände gegen die Hüften, gerade wie er es tat. Er machte ihm eine spöttische Verbeu gung und empfing eine tiefe Reverenz. Er ging darauf zu, und es kam ihm entgegen, indem es jeden Schritt nachahmte, den er machte, und anhielt, wenn er selbst anhielt. Er schrie vor Vergnügen und lief vorwärts. Er streckte seine Hand aus und die Hand des Ungetüms berührte seine, und sie war so kalt wie Eis. Er fürchtete sich und bewegte seine Hand zur Seite, aber die Hand des Ungetüms folgte dem schnell. Er versuchte, es zurückzudrücken, aber etwas Glattes und Hartes hielt ihn fest. Das Gesicht des Ungetüms befand sich jetzt dicht bei dem seinen und schien voller Angst zu sein. Er wischte sich das Haar
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aus dem Gesicht, es tat dasselbe. Er schlug nach ihm hin, und es gab ihm Schlag auf Schlag zurück. Er zeigte ihm seinen Ekel, und es schnitt ihm widerliche Gesichter. Er wich zurück, und es ging ebenfalls von ihm weg. Was war das? Er dachte einen Augenblick nach und sah sich in dem übrigen Saale um. Es war seltsam, aber alles schien hinter dieser unsichtbaren Wand von klarem Wasser seine Wiederholung zu haben. Ja, Bild für Bild und Täfelung für Täfelung wiederholte sich. Der schlafende Faun, der in der Nische neben dem Türeingang lag, hatte seinen schlummernden Zwillingsbruder, und die silberne Venus, die im Sonnenlicht stand, streckte ihre Arme einer Venus entgegen, die ebenso lieblich war wie sie selbst. War es das Echo? Er hatte es einst im Tale ger ufen, und es hatte ihm Wort für Wort zurückgegeben. Konnte es auch das Auge verspotten, wie es die Stimme verspottete? Konnte es eine Scheinwelt schaffen gerade so wie die wirkliche Welt? Konnten die Schatten der Dinge Farbe, Leben und Bewegung haben? Konnte es sein, dass –? Er zuckte zusammen und nahm von seiner Brust die schöne weisse Rose, er drehte sie um und küsste sie. Das Ungetüm hatte auch eine Rose, und es war Blatt für Blatt dieselbe! Es küsste sie mit denselben Küssen und presste sie mit schrecklichen Gebärden an sein Herz. Als ihm die Wahrheit aufdämmerte, stiess er einen wilden Verzweiflungs schrei aus und fiel stöhnend zu Boden. Dann war er selbst also missgestaltet und verwachsen, widerlich anzusehen und fratzenhaft. Er selbst war das Unge tüm, und über ihn hatten alle Kinder gelacht. Und die kleine Prinzessin, von der er glaubte, sie liebte ihn – auch sie hatte nur über seine Hässlichkeit gespot tet und sich über seine verkrümmten Glieder lustig gemacht. Warum hatte man ihn nicht im Walde gelassen, wo es keinen Spiegel gab, der ihm erzählte, wie hässlich er war? Warum hatte ihn sein Vater nicht getötet, ehe er ihn seiner Schande auslieferte? Die heissen Tränen rannen ihm über die Wangen, und er riss die weisse Rose in Stücke. Das daliegende Ungetüm tat dasselbe und streu te die zarten Blumenblätter in die Luft. Er kroch auf dem Boden herum, und als er es anblickte, beobachtete es ihn mit einem schmerzverzerrten Gesicht. Er kroch hinweg, um es nicht mehr zu sehen, und bedeckte seine Augen mit seinen Händen. Wie ein verwundetes Tier schleppte er sich in den Schatten und lag dort stöhnend.
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In diesem Augenblick kam die Infantin mit ihren Begleitern durch die offene Fenstertüre, und als sie sahen, wie der kleine Zwerg am Boden lag und mit geballten Fäusten und in höchst phantastischer und übertriebener Weise um sich schlug, da brachen sie alle in lautes Jubelgeschrei aus und standen um ihn herum und betrachteten ihn. «Sein Tanz war komisch,» sagte die Infantin; «aber sein Spiel ist noch komischer. Er ist wirklich fast so gut wie die Puppen, nur macht er es nicht ganz so natürlich.» Und sie schwang ihren grossen Fächer und applaudierte. Aber der kleine Zwerg blickte niemals auf, sein Seufzen wurde schwächer und schwächer, und plötzlich machte er einen seltsamen Atemzug und griff sich in die Seite. Und dann fiel er wieder zurück und lag ganz still. «Das ist grossartig,» sagte die Infantin nach einer Pause; «aber jetzt musst du für mich tanzen.» «Ja,» riefen alle Kinder, «du musst aufstehen und tanzen, denn du bist so gewandt wie die Affen aus der Berberei und viel komischer.» Aber der kleine Zwerg gab keine Antwort. Da stampfte die Infantin mit ihrem Fuss und rief nach ihrem Onkel, der mit dem Kämmerer über die Terrasse ging und einige Depeschen las, die gera de von Mexiko kamen, wo jüngst die Inquisition eingeführt worden war. «Mein komischer kleiner Zwerg ist träge,» rief sie, «du musst ihn aufwecken und ihm sagen, dass er für mich tanzt.» Sie lächelten einander zu und schlenderten hinein. Und Don Pedro bück te sich und schlug den Zwerg mit seinem gestickten Handschuh auf die Wange. «Du musst tanzen, kleines Monstrum,» sagte er. «Du musst tanzen. Die Infan tin von Spanien und Indien will unterhalten sein.» Aber der kleine Zwerg machte keine Bewegung. «Ein Prügelknecht sollte geholt werden,» sagte Don Pedro erzürnt und ging wieder auf die Terrasse. Aber der Kämmerer machte ein ernstes Gesicht. Er kniete neben dem kleinen Zwerge nieder und legte ihm die Hand auf das Herz. Und nach einigen Sekunden zuckte er die Achseln und erhob sich. Er machte eine tiefe Verbeugung vor der Infantin und sagte: «Mi bella Princesa, Ihr drolliger kleiner Zwerg wird nie wieder tanzen. Es ist schade, denn er ist so hässlich, dass er vielleicht den König zum Lächeln gebracht hätte.»
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«Aber warum wird er nicht wieder tanzen?» fragte die Infantin lachend. «Weil ihm das Herz gebrochen ist,» antwortete der Kämmerer. Da machte die Infantin ein finsteres Gesicht, und ihre zierlichen Rosenlip pen zogen sich zu einem reizenden Schmollen zusammen. «In Zukunft sollen die, die mit mir spielen, keine Herzen haben,» rief sie und lief hinaus in den Garten. Oscar Wilde: Der Geburtstag der Infantin. (Auszug) Erschienen in der Sammlung «Ein Granatapfelhaus» (1891)
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DER SCHWINDEL Sigmund Freud
Eine hervorragende Stellung in der Symptomengruppe der Angstneurose nimmt der «Schwindel» ein, der in seinen leichtesten Formen besser als «Taumel» zu bezeichnen ist, in schwererer Ausbildung als «Schwindelanfall» mit oder ohne Angst zu den folgenschwersten Symptomen der Neurose gehört. Der Schwindel der Angstneurose ist weder ein Drehschwindel, noch lässt er, wie der Menière sche Schwindel, einzelne Ebenen und Richtungen hervorheben. Er gehört dem lokomotorischen oder koordinatorischen Schwindel an wie der Schwindel bei Augenmuskellähmungen; er besteht in einem spezifischen Missbehagen, be gleitet von den Empfindungen, dass der Boden wogt, die Beine versinken, dass es unmöglich ist, sich weiter aufrecht zu halten, und dabei sind die Beine blei schwer, zittern oder knicken ein. Zum Hinstürzen führt dieser Schwindel nie. Dagegen möchte ich behaupten, dass ein solcher Schwindelanfall auch durch einen Anfall von tiefer Ohnmacht vertreten werden kann. Andere ohnmacht artige Zustände bei der Angstneurose scheinen von einem Herzkollaps abzu hängen. Der Schwindelanfall ist nicht selten von der schlimmsten Art der Angst begleitet, häufig mit Herz- und Atembeschwerden kombiniert. Höhenschwin del, Berg- und Abgrundschwindel finden sich nach meinen Beobachtungen gleichfalls bei der Angstneurose häufig vor; auch weiss ich nicht, ob man noch berechtigt ist, nebenher einen vertigo a stomacho laeso (Schwindel gastrischen Ursprungs) anzuerkennen.»
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EIN EROTIKER UND DIE ZEITGEISTER Ein Blick auf hundert Jahre Rezeptionsgeschichte von Franz Schrekers Oper «Die Gezeichneten» Hans-Klaus Jungheinrich
Oper als kulturelle Weltsensation, gibt es das heute noch? Vielleicht, wenn höchstdotierte Gesangsstars auftreten oder einer von ihnen das Privileg seiner Prominenz für eine ungewohnte Professionalität in Anspruch nimmt wie Pláci do Domingo, wenn er zum Dirigentenstab greift. Noch vor weniger als hundert Jahren hatten brandneue Opern in Mitteleuropa unter glücklichen Umständen unvergleichlich mehr Publikumszuspruch und eine mitunter geradezu flammen werferische Publizität – wahrgenommen als «Neues vom Tage» (so der Titel einer kessen Hindemithoper) wie die News aus Politik und Polizeisphäre. Eini ge prompt überall bekannt gewordenen Opern der Zwischenkriegszeit waren Maschinist Hopkins von Max Brand und Jonny spielt auf von Ernst Křenek oder auch Schwanda, der Dudelsackpfeifer von Jaromír Weinberger, in Jahresfrist von an die hundert Bühnen herausgebracht (die deutsche Version von Max Brod schaffte es bis an die Metropolitan Opera in New York). Doch die Beliebtheit und Vielgespieltheit etlicher Werke von Franz Schre ker im Jahrzehnt seit dem Ersten Weltkrieg übertraf an musikgeschichtlicher Denkwürdigkeit all die genannten Einzeltreffer. Franz Schreker war in diesem Zeitraum der zwar immer auch umstrittene, andererseits umso berühmtere wichtigste deutsche Opernautor neben Richard Strauss. Während Strauss sich aber auffällig zum seriösen Klassiker und Olympier hinstilisierte (immerhin hat te er mit der autobiografischen Komödie Intermezzo auch so etwas wie ein flottes «Zeitstück» präsentiert), scheute Schreker die Niederungen der Kolpor tage und die Opernverwertung dubioser philosophischer Modeerscheinungen (etwa des Frauenbildes von Otto Weininger) nicht. Es liegt klar auf der Hand,
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dass es eben die Mischung von erotizistischer Obsession und pathos-seliger, weltschmerzlicher Künstler-Selbstbespiegelung in den Schreker-Stoffen war, die zur Faszination dieses thematisch erstaunlich kohärenten Werkblocks beitrug. Schreker schrieb sich seine Libretti selbst. Hinzu kamen das irisierende Raffine ment, die umwerfende Klangimagination der musikalischen Phantasie. Ein Per sonalstil, der sich in seiner gespinstigen, alchimistisch die Timbres mischenden und homogenisierenden Hochdifferenziertheit und den allgegenwärtig schei nenden, sich aber immer auch wieder verwischenden und entziehenden melo dischen und harmonischen Konturen von allem Zeitgenössischen unterschied. Es war Paul Bekker, einer der hellsichtigsten Musikologen jener Epoche, der, gerade unter dem Aspekt von Modernität, zum analytisch klaren und leiden schaftlichen Fürsprecher von Schrekers Kunst wurde. Und auf der Gegenseite wartete der stets neidische und eifernde Hans Pfitzner mit bereits deutlich anti semitischen Tönen in Richtung Schreker auf. Die gesamtkulturelle Bedeutung der Oper war um 1920 von der heutigen sehr verschieden. Zur Jahrtausendwende hat sich die Opernrezeption, auch unter dem Einfluss eines (nicht immer) segensreichen «Regietheaters», beträcht lich intellektualisiert. Die gemeinsame Schnittmenge des Opern- und Schauspiel publikums ist heute wohl so gross wie noch nie. Vor hundert Jahren hingegen war es das technisch und dramaturgisch rasant sich entwickelnde Medium Film, das (vor allem mit dem späteren Tonfilm) nicht nur mit dem Musiktheater konkurrierte, sondern ihm auch neue Impulse gab. Oper vermochte es da noch, sich als der bessere, farbige «Grossfilm» zu gerieren und dabei Publikumsschich ten jenseits des Bildungsbürgertums zu erschliessen. Diese auch soziale Nähe einer aufstrebenden und einer (vermeintlich) überständigen Kunstart war aller dings kurzlebig. Etwas fester schien die Liaison zwischen Operette und Film – die Weltpremieren Lehárs gaben schon einen Vorgeschmack von der Lancierung teurer Hollywood-Novitäten, und Operetten gehörten viel mehr als Opern zum stofflichen Reservoir der UFA-Filmära. Mochten Schrekers Opern auch unüber sehbar Elemente von Trivialkultur enthalten, so partizipierten sie doch klar an den ästhetischen Prämissen von «Hochkultur» und der aktuellen tonsprachli chen Entwicklung. Schrekers Produktivität als Opernkomponist fiel mitten in einen Zeitbruch. Mit einiger Verzögerung hatten Weltkrieg und Inflation in
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Deutschland (Schrekers Erfolge erstreckten sich im wesentlichen auf die deutschsprachigen Länder, damals war Opernkultur weithin «national» geprägt und noch kein globales Phänomen) für Ernüchterung und «neue Sachlichkeit» gesorgt. Der Zeitgeist tendierte zu einer Haltung, wie sie der Liedermacher Franz-Josef Degenhardt 50 Jahre später mit dem beissenden Satz «Zwischen töne sind Krampf im Klassenkampf» apostrophierte. Ja, auch hinter musikali scher Nouveauté eröffnete sich damals durchaus ein klassenkämpferischer Hori zont – etwa bei Weill, Dessau, Eisler, Hindemith. Da mutete die Kunst Schrekers schnell antiquiert an mit ihrer insistierenden Lust an exquisiten und luxurieren den «Zwischentönen». Schlichtheit wurde Trumpf. Auf Generationen hinaus wurde spätromantisches Raffinement «verlernt» zugunsten neoklassizistischer Geradlinigkeit und eines holzschnittartigen Trutzstils (Orff). Schreker warf selbst noch das Ruder herum und «entfettete» seine Partituren ähnlich wie auch Zemlinsky. Doch mit Spätwerken wie Der Schmied von Gent (an ihn erinnerte die Ostberliner Staatsoper kurz vor der Wende) oder dem posthum uraufge führten Christophorus liess sich die alte Schreker-Euphorie nicht beleben. Zwischen dem Schönberg- und dem Schrekerkreis herrschte kollegiales Wohlwollen. Die beiden Wiener Komponier-Grossmeister ähnlicher geistiger Herkunft (Schreker war direkter Schüler des Brahms-Freundes Robert Fuchs, Schönberg verstand sich als indirekter Schüler von Brahms) amtierten als Kom ponierprofessoren in Berlin, bis sie beide 1933 aus ihren Ämtern entfernt wur den. Bald darauf erlitt Schreker einen Schlaganfall und starb 1934 als eines der ersten Opfer der Nazi-Kulturpolitik. Warum, so könnte man fragen, setzte nach 1945 nicht sofort eine «Renais sance» dieses einst so hochgelobten und heissdiskutierten Opernkomponisten ein? Andere «Entartete» wie Hindemith und der Schönbergzirkel waren ziem lich bald wieder präsent; die Lobby des ersteren zeigte sich freilich dann viel schwächer als die Phalanx der auf Schönberg und Webern sich berufenden se riellen «Darmstädter Schule». Diese dominierten auch publizistisch und lenkten die öffentliche Aufmerksamkeit nach Kräften von den Konzeptionen der «ge mässigten Moderne» ab – eine Art von Parteilichkeit, die viele verfolgte oder ermordete Tonsetzer wie Zemlinsky, Ullmann, Schulhoff, Goldschmidt, bis um 1960 auch Mahler, und vor allem natürlich Schreker vom Musikbetrieb fernzu
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halten trachtete. Als Einziger riskierte der (selbst nicht ganz unkorrumpiert durch die Nazizeit hindurchgegangene) Schönbergschüler Winfried Zillig, nach 1945 mehrere Jahre rühriger Dirigent bei einigen Radiosendern, zwei Rund funkproduktionen der Gezeichneten in Frankfurt und Hamburg (1947 bzw. 1955). Dass diese Daten folgenlos blieben, ist Indiz für den allen «Zwischen tönen» abholden damaligen Zeitgeist. Im Jahr 1964 offerierte der junge Kas seler GMD Christoph von Dohnányi den Fernen Klang – eine verdienstvolle Unternehmung; er selbst mochte das als unverbindliche Erinnerung an eine ferne musikalische Kuriosität verstanden haben, da er sich hinfort für Schreker nicht mehr einsetzte. Dass die Frankfurter Inszenierung der Gezeichneten von 1979, die erste, die wieder phänomenale Aufmerksamkeit erlangte, überhaupt zustande kam, verdankt sich eher dem Zufall als einer langfristig gehegten Vision. Der Opern direktor Michael Gielen avisierte eigentlich das mit Raumklang experimentie rende Kafkastück Amerika von Roman Haubenstock-Ramati, das 1966 in einer offensichtlich unzulänglichen Aufführung an der Deutschen Oper Berlin durch gefallen war. Doch Gielen war nicht immer mutig; in diesem Fall war er’s nicht. Die Bedenklichkeit generierte andererseits einen der grössten Triumphe der Frankfurter Gielen-Ära und verhalf Hans Neuenfels zu seiner vielleicht spekta kulärsten Inszenierung überhaupt. Eine «Notlösung» wurde zur Trouvaille und zu einem Markstein der jüngeren Schreker-Rezeption (der ebensowenig die Gründung einer Schreker-Gesellschaft noch ein wohlwollender Adorno-Essay oder eine in Musikwissenschaftlerkreisen gerühmte Studie über den Fernen Klang von Gösta Neuwirth wirklich auf die Beine half). Die von Erotik und Trivialmythen involvierte Neuenfels-Ästhetik korrespondierte heimlich-unheim lich mit den Intentionen Schrekers. Diese Sicht traf sich plötzlich akkurat mit dem von Populärkultur und enttabuisierten Sexbildern berührten Zeitgeist. Neuenfels löste aus der Kulissenwelt der Pseudo-Renaissance das Drama eines «unmöglichen» Liebespaares – die schmerzhafte Begegnung des seine abnorme Hässlichkeit mit enormem Reichtum kompensierenden Alviano und der schö nen, kranken, verletzlichen und bei aller mentalen Neigung zum ähnlich «ge zeichneten» Alviano willenlos dem Frauenhelden Tamare verfallenden («die Schönheit sei Beute des Starken») Malerin Carlotta. Sicher kreisen die Schreker
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schen Opernstoffe immer um tödliche Diskrepanzen zwischen Kunst und Leben, Gewalt und schmerzhaften Verzicht (Alviano bleibt als Narr und Spielmann mit seiner Fiedel am Ende allein zurück, bei Neuenfels in Affenmaske). Doch es gibt einen Subtext von unmissverständlicher Dringlichkeit: Das zwischen Selbsthass und Selbstbehauptung schmerzlich zerrissene und von gegnerischer Gewalt bedrohte jüdische Selbstverständnis, das sich in der Identifikationsfigur Alviano spiegelt. Zu den Höhepunkten der Neuenfels-Szene zählten die in schnörkello sen, farbintensiven Bildern gehaltenen beiden grossen, lyrisch betonten Duette Alviano-Carlotta. Die ausdrückliche Überführung des Renaissance-Kolorits in eine militari sierte Nazi-Optik war dann späteren Inszenierungen vorbehalten, von denen diejenige Günter Krämers in Düsseldorf ein eigenes Profil von Nüchternheit und schneidender, finsterer Ungeschöntheit ausbildete. Verspielter und unausgego rener eine neuere Inszenierung an der Münchner Staatsoper. Der «Impact» der Frankfurter Grosstat (in dieser Stadt wurden seinerzeit drei wichtige Schreker opern, darunter Die Gezeichneten, uraufgeführt) wurde nie mehr ganz erreicht. Allerdings hatte die einschüchternde Qualität dieser Leistung auch etwas Ab schreckendes, eine zügige Rezeption des ins Repertoire gehörenden Werkes Behinderndes. Nach ziemlich genau 100 Jahren ist jetzt jedoch klar: Im Poten zial der Gezeichneten zeigt sich ein «Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts» (Ulrich Schreiber), zu dem es, wie zu allen Meisterwerken der Opernliteratur, immer wieder andere, neu aufschliessende Zugänge geben wird.
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ÂŤUnd nun die Gezeichneten! Ich Unseliger schuf sie im tiefsten Frieden. In der Musik, in dem degenerierten Charakter dieses Werkes ist der Zusammenbruch Deutschlands, ja der Untergang unserer Kultur, einem Menetekel gleich, deutlich erkennbar.Âť Franz Schreker
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DIE GEZEICHNETEN FRANZ SCHREKER (1878-1934) Oper in drei Aufzügen Libretto vom Komponisten
Personen
Herzog Antoniotto Adorno/Der Capitaneo di giustizia Hoher Bass Graf Andrae Vitelozza Tamare Bariton Lodovico Nardi, Podestà der Stadt Genua Bass Carlotta Nardi, seine Tochter Sopran Alviano Salvago, ein genuesischer Edelmann Tenor Guidobald Usodimare, genuesischer Edler Tenor Menaldo Negroni, genuesischer Edler Tenor Michelotto Cibò, genuesischer Edler Bariton Gonsalvo Fieschi, genuesischer Edler Bariton Julian Pinelli, genuesischer Edler Bass Paolo Calvi, genuesischer Edler Bass Ein Jüngling Tenor Ein Mädchen Sopran Erster Senator Tenor Zweiter Senator Bariton Dritter Senator Bass Chor
Acht Vermummte, Bürger, Edle, Bürger, Soldaten, Dienerinnen, Frauen, Mädchen, Kinder, Faune, Najaden, Bacchanten Die Stadt Genua/ ein Eiland in der Nähe Genuas, 16. Jahrhundert
ERSTER AKT Ein hoher Saal im Palaste des Alviano Salvago. Vormittag.
ERSTE SZENE Alviano Salvago, Guidobald Usodimare, Menaldo Negroni, Michelotto Cibo, Gonsalvo Fieschi, Julian Pinelli, Paolo Calvi. ALVIANO hässlicher Mann von ungefähr 30 Jahren, bucklig, grosse leuchtende Augen hastig
Lasst! – Genug – – ! Ich will nichts mehr hören! Es widert mich an – entsetzt mich – ! Und doch – ich – der’s ersonnen, ausgebrütet in Nächten – in Nächten – ah! – Ihr ahnt nicht! Euch ist’s ein Spiel – würzend – was sonst das Leben euch willig bietet. Doch mir – ! Ein Durstender! Einer, nah dem Verschmachten – gehöhnt, gehetzt, geschunden von Qualen die – ah – ! kurz, scharf
Teufel, was gab die Natur – mir – mit dieser Fratze und diesen Stummeln, solch ein Fühlen, solch eine Gier – MENALDO geflüstert
Ich bitte dich – still! Der Ordnung Hüter sind auf – und voll Ehrgeiz. Hinter den Türen lauern – bestochen – die Diener; in den Gärten bergen sich Schergen – –
MENALDO
Dass wir mit Bauerndirnen und Mägden, Krämertöchtern und Freudenmädchen uns nicht begnügen, dass wir die Feinsten und Schönsten erwählen – ist ein Zeichen für unsern Geschmack. PAOLO
Wie nur war die Losung, die Du uns gabst vor wenigen Wochen? «Die Schönheit sei Beute des Starken! Alle Pracht der Erde erliege der Macht des Geistes, und des Bezwingenden Glorie strahle heller und dringe tiefer, sehrender in die Seelen, als jener Glanz, der das Auge nur blendet!» ALLE durcheinander
Sehr wahr! So sprachst Du. Und seither – ? Was Du schufst, meidest Du! Fliehst uns selbst! Kein’s jener heimlichen Feste noch grüsste Dich! GONSALVO
Weil ein paar Väter die Hände ringen – MENALDO
– und ein paar Mütter herzbrechend schluchzen! GUIDOBALD
Glaub nur nicht, dass die Schönen selber – GONSALVO
dass sie uns zürnen – ! MICHELOTTO
GONSALVO
Du übertreibst, mein Freund. Es sind allzutiefe Skrupel fürwahr nicht am Platze –
Gestern – Alissa – die kleine Jüdin – hei – was die für Augen machte! Und die reizende Tochter des Biparello –
JULIAN
– des Dichters, wahrlich – sie war entzückend! ALLE durcheinander, ekstatisch
Ihrer Liebsten alltagbeschwerten Armen entreissen wir sie! Dem Gatten, unerfahren in Liebeskünsten, weint keine Träne die «Unverstand’ne»! Aus engen Zimmern in weite mystische Räume – – düftegeschwängert von Fackeln durchloht! Alle Märchen werden lebendig! Alle Träume verschwiegener Nächte – Morgenlandsträume von Schauern geboren, gehn in Erfüllung! Was sich keine gesteht, und jede ersehnt – jählings ward’s zur Wirklichkeit!
tanzt es herein – alle schwülen Zauber – Blumengeruch, schwer und betäubend. Und ich musste fort, geschüttelt von Fiebern – hinaus in einsame Gassen. Und suchte ein Dirnchen, so recht ein verkomm’nes – sprach es an – bot ihr Gold – viel Gold und fühlte mich doch dem Bettler gleich, der Almosen heischt – – . Im Schein der Laterne mustert sie meine arme Gestalt, mit einem Blick – – einem Lächeln so schmachvoll, dass mir das Blut in den Adern gerann. Da – wirkte das Gold! Auf geschminkten Lippen spiegelt sein Gleissen, all meines Elends furchtbare Not; unflät’ge Worte verhiessen Gewähr – – doch mir fehlte die Kraft, mich selbst zu bespei’n und zu entweih’n die Lenznacht. ––––––––––––––
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben ALVIANO gepresst, ein wenig spöttisch und mit herbem Ausdruck
Ganz recht – ganz recht! Es ist überzeugend. Jedoch in einem Punkt – verzeiht – stimmt mir’s nicht ganz. – Ihr sprecht stets von euch nur. Von euch – die ihr wohlgestalt seid, und mit Anmut begabt, – und vergesst mich, – den Krüppel. Käm der zu den Festen, so wie ihr begehrt – er vergällte sie euch – und statt der Lust zög das Grausen ein!
EIN DIENER meldend
Gnäd’ger Herr – der Notar –
MENALDO, JULIAN, GONSALVO bestürzt
Mensch – Alviano – Du bist im Stande – Was soll der Notar – ?
ALVIANO traurig lächelnd
Seid unbesorgt! zum Diener
Ich lasse ihn bitten, sich kurze Zeit zu gedulden – !
PAOLO
ALLE Alviano bestürmend
Du überschätzt, mein Freund – so will mir scheinen – gewaltig der Frauen Schönheitsempfinden.
Was soll’s – was hast Du vor?
ALVIANO verhalten
Es gab – Frühlingsnächte. Bei offenen Fenstern
ALVIANO ruhig
Ich vergass – es Euch zu vertrau’n: zuerst stockenden Tones
Mein Eiland «Elysium»,
Programmheft DIE GEZEICHNETEN Oper in drei Aufzügen von Franz Schreker (1878-1934) Libretto vom Komponisten Premiere am 23. September 2018, Spielzeit 2018/19
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Textnachweise: Die Handlung schrieb Kathrin Brunner. – Die Interviews mit Barrie Kosky und Vladimir Jurowski sind Originalbeiträge für dieses Programmheft, ebenso die Artikel von Marco Frei, Claus Spahn und Hans-Klaus Jungheinrich. – Frank Wedekind: Hidalla oder Sein und Haben. http://www.zeno.org/ Literatur/M/ Wedekind,+Frank/DramenHidalla+oder+Sein +und+Haben. – Oscar Wilde: Der Geburtstag der Infantin. Deutsche Übertragung: Wilhelm Cremer. http://gutenberg.spiegel.de/buch/-5905/8. – Sigmund Freud: Über die Berechtigung, von der Neurasthenie einen bestimmten Symptomenkomplex als Angstneurose abzutrennen. Frank furt a.M. 1895. – Sigmund Freud: Die «kulturelle» Sexualität und die moderne Nervosität, in: ders., Fragen der Gesellschaft – Ursprung der Religion. (EA Leipzig, Wien) 1961. –
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Frank Harders-Wuthenow: Kunstdämmerung. Anmerkungen zu Schrekers Spiel- und anderen Werken, in: Programmheft der Bühnen der Landeshauptstadt Kiel zu «Das Spielwerk und die Prinzessin», 2003. – Franz Schreker, zitiert nach: Lewis Wickes: Die Entstehungsgeschichte der «Gezeichneten», in: Programmheft der Oper Frankfurt 1979. Bildnachweise: Monika Rittershaus fotografierte die Klavier hauptprobe am 13. September 2018. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.
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