Semele

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SEMELE

GEORG FR IEDR ICH HÄNDEL


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SEMELE GEORG FRIEDRICH HÄNDEL (1685-1759)

Mit freundlicher Unterstützung der Kühne-Stiftung


Kein Oratorium, aber eine obszรถne Oper Charles Jennens


Cecilia Bartoli, Charles Workman Spielzeit 2006/07


HANDLUNG 1. Akt Die Hochzeit von Semele und Athamas wird vorbereitet. Cadmus beschwört seine Tochter, in die Ehe einzuwilligen. Doch Semele liebt Jupiter, den Gatten der Juno. Semele bittet Jupiter, sie aus ihrer Situation zu befreien. Auch Seme­ les Schwester Ino ist unglücklich: Sie liebt Athamas ebenso aufrichtig wie der untröstliche Athamas Semele. Während Juno die Verbindung zwischen Semele und Athamas gutheisst, um sich so ihrer Rivalin zu entledigen, gelingt es Jupiter, Semele zu entführen. Die Eheschliessung zwischen Semele und Athamas wird verhindert. Semele geniesst die Freuden, die Jupiter ihr in seinem Palast zuteil werden lässt.

2. Akt Iris berichtet der eifersüchtigen Juno, wo sich Semele aufhält und wie schön das Leben ist, das Jupiter ihr bereitet. Juno sinnt auf Rache und begibt sich zu Somnus, dem Gott des Schlafes. Er soll ihr helfen, Semele und Jupiter zu über­ listen und zu bestrafen. Nach anfänglichem Glück wird Semele in Jupiters Abwesenheit von Ängs­ ten und Einsamkeit geplagt. Ihre Sorgen sind mit dem unerfüllten Wunsch nach Unsterblichkeit verbunden. Jupiter erkennt die Gefahr in Semeles Verlangen. In seinem Ansinnen, sie abzulenken, lässt er Ino zu ihr kommen. Er versucht, Semeles Umgebung so angenehm wie möglich zu gestalten.

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3. Akt Juno überredet Somnus zur Beihilfe an ihrem Racheplan. Somnus soll Jupiter in tiefen Schlaf versetzen und träumen lassen, dass Semele vor ihm flieht, um sein Verlangen nach ihr zu steigern. Jupiter soll unfähig werden, Semele einen Wunsch abzuschlagen. Juno erscheint als Ino verkleidet. Sie gibt Semele den Rat, Jupiter solange abzuweisen, bis er durch einen Eid schwört, ihren Wunsch nach Unsterblichkeit zu erfüllen. Semele fällt auf Junos List herein: Durch einen Spiegel von ihrer eigenen Schönheit geblendet, nimmt Semele ihren Rat an. Der Traum von der entflohenen Semele hat Jupiter heftig bewegt. Er schwört Semele, jeden ihrer Wünsche zu erfüllen. Als sie von ihm verlangt, sie unsterblich zu machen, kann Jupiter nicht mehr zurück. Er weiss, dass er Se­ mele nicht retten kann. Juno geniesst ihren Triumph über die Rivalin. Semele hat ihre Grenze über­ schritten. Zu spät erkennt sie die tödlichen Folgen ihres Wunsches und stirbt. Ino und Athamas beschliessen ihre Hochzeit. Jupiter und Juno werden als wiedervereintes Herrscherpaar gefeiert.

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Cecilia Bartoli Spielzeit 2006/07


DER FALL SEMELE Robert Carsen

Der «Fall Semele» stellt sich als eine Warnung an die Mensch­heit dar: Hüte dich davor, nach mehr zu streben als dir zugemessen ist. Ich sehe in Seme­le ein jun­ ges und bezauberndes Mädchen, das in seinen eigenen Ehrgeiz verstrickt und durch seine Eitelkeit dem Untergang geweiht ist. Jupiter mag sie in sein König­ reich mitnehmen, ihr einen Palast für ihre Spiele errichten und ihr angenehme Unterhaltungen bereiten, es genügt nicht: Semele will nicht nur die Ge­lieb­te Jupiters sein, sondern sie will auch den Platz Junos einnehmen. In ihrer virtuo­ sen Arie «No, no! I’ll take no less» zeigen die aufgebrachten Koloraturen sie am Rand der Hysterie. Aber auch Jupiter trägt Schuld an Semeles Untergang: Er belügt sie und versucht sie von ihrem Ehrgeiz abzulenken, ohne ihr zu ver­ste­ hen zu geben, dass ihr Status als Mätresse des Götter­vaters sie nicht zu weiter­ gehenden Forderungen berechtigt. So sehr Jupiter diese ausser­eheliche Ver­ bindung vorantreibt, so sehr hütet er sich davor, die Situation zu klären und begnügt sich damit, vom Thema abzulenken: «I must with speed amuse her/ Lest she too much explain.» Letztendlich ist es Juno, die alles daran setzt, ihre Stellung und ihren Mann zu behalten. In ihrem Bemühen, Semele zu vernich­ ten, hat sie leichtes Spiel, da Semele zu naiv und zu blind ist, um zu verstehen, dass sie mit dem Feuer spielt. Beim Libretto zu Semele handelt es sich um ein wahres Wunderwerk, das Händel zu einer fantastischen Musik voller Überraschungen inspiriert hat. Con­ greves Sprache pulsiert vor Leben, Gefühl, Komik und Erotik – und lässt sie dadurch der Sprache Shakespeares ähnlich erscheinen. Die mythologische Ge­ schichte wird auf eine sehr direkte Weise erzählt: Die Personen werden in ein Raster familiärer und gefühlsmässiger Bindungen gestellt, der Chor spielt eine grosse Rolle, alle bilden eine echte Gesellschaft. Wie im Sommernachts­traum treten die übernatürlichen Figuren in Interaktion mit dieser Gesellschaft, in diesem Fall Jupi­ter und Juno, die sich – nach dem Beispiel von Titania und

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Oberon – in ihrem Groll, ihrer Eifersucht und ihrem Egoismus als menschlicher als die Menschen selbst entpuppen. Die Ausstattung von Patrick Kinmonth und meine Inszenierung von Semele sind nicht in einer mythologischen oder fantastischen Welt angesiedelt. Uns war daran gelegen, büh­­nen­taugliche Parallelen für die Beziehungen zu finden, welche die Götter, Halbgötter und Menschen miteinander ver­bin­den. Diese Parallelen sollen den Zuschauer für die Standesunterschiede der Charak­ tere sensibilisieren: Wie macht man den Statusunterschied deutlich, der zwi­ schen Jupiter und Semele besteht? Welche Metapher findet man für die Unsterb­ lichkeit, nach der sich das junge Mädchen sehnt? Semele ist keine Lolita: Sie stammt aus einem privilegierten, wenn nicht gar aristokratischen Milieu. Folg­ lich kann man das «göttliche» Wesen Jupiters dadurch bestimmen, dass man ihn auf eine noch höhere sozia­le Stufe stellt. Es ist nicht schwierig, auf der Hand liegende Ähnlichkeiten für ein Publi­ kum des 21. Jahrhunderts zu finden, gerade weil Congreves Libretto so reich­ haltig und diese Geschichte von masslosem Ehrgeiz und einer fatalen Liebes­ beziehung geradezu alterslos ist. Das macht Semele zu einem der subtilsten Werke, das seinen unwiderstehlichen Reiz aus den einander gegenüberstehenden Welten der Götter und Menschen bezieht.

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EINE OPER IST EIN ORATORIUM IST EINE OPER Silke Leopold

Ein untreuer Ehemann zwischen einer ambitionierten Geliebten und einer rachsüchtigen Ehefrau; eine Intrige, die mit dem Tod der Geliebten endet; eine tragische Verstrickung, die alle Beteiligten in dieser Dreiecksgeschichte schul­ dig werden lässt, ein Ende, das erschüttert und dennoch hoffen lässt – das ist der Stoff, aus dem Opern sind. Um so seltsamer mutet es an, dass Georg Fried­ rich Händel, der zweifellos bedeutendste Musikdramatiker zwischen Monte­ verdi und Mozart, die Geschichte von der thebanischen Königstochter Semele, die ihren Drang nach Unsterblichkeit mit dem Tode bezahlen muss, als Orato­ rium vertont hat – als ein Oratorium freilich, das mehr als alle anderen Orato­ rien Händels zur Oper tendiert, das gar auf einem Opernlibretto basiert und vielleicht einen Versuch Händels darstellt, zwischen den scheinbar gegensätzli­ chen Bereichen seines Schaffens zu vermitteln: zwischen der höfischen italieni­ schen Oper und dem bürgerlichen englischen Oratorium. Dabei bedarf es zunächst einer Erklärung, warum Händel, als er im Som­ mer 1743 mit der Komposition der Semele begann, auf einen Text zurückgriff, der beinahe vierzig Jahre alt war. Zugegeben – die meisten seiner 40 Opern ba­sierten auf Libretti, die mindestens ei­ne Generation zuvor zum ersten Mal vertont worden waren; bis zum Schluss stellte Händel jene altmodischen Libret­ ti, in denen die Bühnenaktion, die überraschenden Ereignis­se, die übernatürli­ chen Erscheinungen für Abwechslung und Unterhaltung sorgten, über die neuen rationalistischen Libretti mit ihrer lediglich auf dem Dialog aufgebauten Dramaturgie der Intrige. Doch mit Semele hatte es eine besondere Bewandtnis. Sie stellte den vorerst letzten und – wie alle anderen zuvor – gescheiterten Ver­ such dar, in London eine genuin englische, zumindest aber englischsprachige

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Oper zu etablieren. Seit die italienische Oper um die Mitte des 17. Jahrhunderts ihren Siegeszug durch ganz Europa angetre­ten hatte, seit sowohl in Frankreich als auch in Deutschland in schöpferischer Auseinan­der­setzung mit dem italieni­ schen Modell Opern entstanden, hatte es auch in England immer wieder Vor­ stösse gegeben, eine englische Oper zu schaffen. Henry Purcells «Semi-Operas» genannte musikalische Dramen, in denen so patriotische Themen wie «King Arthur» und «Albion and Albanius» behandelt oder so genuin englisches The­ ater wie Shakespeares Midsummer Night’s Dream verarbeitet wurden, bildeten nicht nur den Höhepunkt dieser Bemühungen, sie förderten auch zutage, dass das englische Publikum, was das Wesens­merkmal der Oper, den gesungenen Dialog, anging, tief gespalten war. Vor allem in intel­lektuellen Kreisen galt die Oper als Inbegriff welschen Unsinns. «Wenn ich in die Oper gehe» – so brach­ te es Lord Chesterfield später auf den Punkt, «lasse ich meinen Verstand zu Hause». Die Semi-Operas hatten auch deshalb so grossen Erfolg, weil sie auf das Rezitativ, auf den gesungenen Dialog verzichteten und Musik nur dort zuliessen, wo sie auch im richtigen Leben hingehörte – in den Festen wie den grossen Divertissements, mit denen Titania ihre Gefolgschaft unterhält, oder in Zusammenhang mit übernatürlichen Erscheinungen wie in der berühmten Szene des Frostgeistes. Purcells einzige Oper Dido and Aeneas, die diesen Na­ men in vollem Umfang verdient, stand als Privataufführung nicht im Kreuz­feuer der öffentlichen Kritik. Mit Purcells Tod 1695 erlahmte zunächst auch das gerade gewachsene Interesse an musikalischem Theater wieder; mehr als ein Jahrzehnt sollte es dauern, bis der neuerliche Versuch, eine englische Oper zu schaffen, unternommen wurde. Diesmal war es der Komponist John Eccles, der gemeinsam mit dem er­ folgreichen Komö­dien­dichter William Congreve eine englische Oper plante, die sich diesmal ganz an den kontinentalen Modellen orientieren sollte. Statt eines «britischen» Themas wählte Congreve die in Ovids Metamorphosen behandelte Geschichte der Semele und stellte sich nach den gängigen Erzählstrukturen seiner Zeit als einen bunten Bilderbogen mit tragischen und komischen Ereig­ nissen dar, erhaben und lächerlich in abruptem Wechsel, mit viel Raum für Bühnenzauber und Maschinenwerk. Das Thema war dafür gut gewählt – hat es doch alles, was ein Libretto benötigte. Eine schöne Protagonistin wie Semele,

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die der Versuchung erliegt, ihre Liebe für ihren Ehrgeiz zu instrumentalisieren, und dafür den Tod durch den Gott erleiden muss, der nichts anderes als ihre Liebe wollte; einen Liebhaber wie Jupiter, zärtlich und fordernd, dessen eroti­ sche Ungeduld über die Vernunft des Weltenlenkers siegt; eine dunkle Ränke­ schmiedin wie Jupiters Gemahlin Juno, die Semeles unschuldige Eitelkeit in todbringende Bahnen lenkt; eine komische Figur wie Somnus, der Gott des Schlafes, den Juno nur mit Mühe aus seiner Lethargie reissen und auf ihre In­ trige einschwören kann; darüber hinaus zahlreiche Gelegenheiten, die Schaulust des Publikums zu befriedigen: Etwa zu Beginn, wenn Juno das Feuer auf dem ihr geweihten Altar zweimal löscht, wenn Jupiter Semele durch die Lüfte ent­ führt, oder am Schluss, wenn eine dunkle Wolke Semele einhüllt, in der sie zu Asche verbrennt. Und wie die meisten Geschichten aus Ovids Metamorphosen hat auch die von Semele ein versöhnliches Ende; denn noch im Sterben gab Semele ihrem Sohn Bacchus das Leben, der aus der Asche geborgen wurde – ein Gott, dem bestimmt war, die Menschen vor Sorgen zu bewahren und ihnen Glück zu schenken. Semele hätte 1707 in Szene gesetzt werden sollen, und es ist nicht bekannt, warum die­se Aufführung schliesslich abgeblasen wurde. Eccles’ Partitur ver­ schwand in den Archi­ven, und Congreve veröffentlichte sein Libretto 1710 in einer Gesamtausgabe seiner Werke. Ein Jahr später gab Händel mit seiner Oper Rinaldo sein Londoner Debüt, und der Erfolg dieses Werkes machte alle zaghaft spriessenden Bemühungen um eine englische Oper mit einem Schlag zunichte. Drei Jahrzehnte lang sollte Händel mit seinen italienischen Opern das Londoner Theaterleben dominieren: finanzielle Schwierigkeiten, Angriffe von Seiten der «englischen» Partei, Konkurrenzunternehmen, Querelen mit den Sängern – nichts konnte letztlich den Siegeszug der Opera seria verhindern. Erst als der Opernbesuch bei der tonangebenden Londoner Gesellschaft aus der Mode kam, als die Opernkompanien vor leeren Häusern spielten, wandte er sich nach dem Misserfolg seiner Oper Deidamia im Jahre 1741 anderen Aufgaben zu. Es scheint jedoch, als habe Händel vom Theater nicht lassen können. Schon zwei Jahre später – nachdem er sich in L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato mit John Miltons Oden­text, in The Messiah mit der wunderbar poetischen Prosa der King’s Bible und in Samson mit der Tragödiendichtung Miltons auseinan­

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dergesetzt hatte – entschloss er sich zu einer Neubearbeitung des Congrevschen Semele-Librettos. Und es lag durchaus eine Ironie der Geschichte darin, dass Händel sein Interesse gerade auf jenes Libretto richtete, dessen möglichen Er­ folg er selbst einst mit verhindert hatte. In gewisser Weise setzte er mit Semele Versuche fort, die er mit Serse 1738 und mit Deidamia fortgesetzt hatte: einen neuen Ton für das musikalische Drama zu finden, der das Pathetische abmil­ derte, ohne darauf zu verzichten, der aber gleichzeitig das Komische zum inte­ gralen Bestandteil einer Oper machte. Congreves Libretto ermöglichte ihm eine direkte Fortsetzung dieser Bemühungen; denn es erzählte eine tra­gische Ge­ schichte im leichten Komödienton; es stutzte die Götter auf mensch­liches Mass zurecht und enthielt sich jeglicher moralischer Wertung. Und es bot dramatur­ gisch im Grossen der Handlung und metrisch im Kleinen der einzelnen Num­ mern Lösungen jenseits der altgewohnten Bahnen der Opera seria an. In Semele konnte Händel sich, unbelastet von den Konventionen der Gattung und ohne Rücksicht auf die Erwartungen des Publikums, neue Ge­danken über die Ver­ bindung von Musik und Drama machen. Das betraf zuallererst die Erzähltechnik. Von der aristotelischen Forderung nach der Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung, die in der Opera seria der Zeit eine so bedeu­ten­de Rolle spielte, wusste Congreves Libretto nichts. Anders als in der Dramaturgie der Opera seria, die alle Personen, alle Ereignis­ se zu einem grossen ebenmässigen Netzwerk aus Dia­logen und logisch aufein­ ander bezogenen Interaktionen innerhalb einer klar defi­nierten Rollenhierarchie verknüpfte, lebte die Handlung der Semele von abrupten Szenen­wech­seln und von unvorhergesehenen Ereignissen. Das betraf aber auch – und vor allem – die musikalischen Lösungen für all jene szenischen Begebenheiten, deren visuelle Kompo­nente durch die konzertante Aufführung wegfiel. Händel war gezwun­ gen, die fehlenden Bilder durch eine besonders bildhafte Musik zu ersetzen. Seine Musik übernahm gleichsam die Funktion der Bühne und liess das Gesche­ hen vor dem geistigen Auge des Zuhörers erstehen; damit kehrte er die Hierar­ chie zwischen Bühne und Musik um: Hatte die Musik zuvor zur Untermalung, zur Illustration der szenischen Abläufe in der von diesen vorgegebe­nen Zeit gedient, so gab sie nun selbst nicht nur den zeitlichen Rahmen für ein Ereignis vor, sondern musste auch ein akustisches Äquivalent für optische Vorgänge

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schaffen; dies bewirkte eine ungeheure Verdichtung der Kompositionen; es for­ derte – und ermöglichte – eine musikalische Komplexität, die von der realen Bühnen­aktion eher abgelenkt hätte. Die Opferszene des I. Aktes etwa, während der das Altarfeuer mehrmals bühnenwirksam verlöscht, nahm in Eccles’ Partitur etwa zehn Minuten in Anspruch; Händel drängte diese ohne den vi­suel­len Reiz wirkungslose Szene auf wenige Takte Accompagnato-Rezitativ zu­sam­men, in dem der Orchestersatz die Rolle des verlöschenden und wieder auf ­fl ackern­den Feuers übernimmt. Das Prinzip der Verdichtung, der Wille, Bühnenhandlung durch eine «han­ delnde» Musik zu ersetzen, kennzeichnet aber auch jene Musik, die auf der realen Bühne durchaus möglich gewesen wäre. Semele ist eine der reichsten und konzentriertesten Partituren in Händels gesamtem Schaffen. Es scheint, als habe er die Vorzüge der Oper mit den neuen Möglichkeiten des Oratoriums ver­ schmel­­zen wollen, um ein universelles musikalisches Drama zu schaffen. Der Chor, dem Händel in seinen bisherigen Oratorien eine bedeuten­de Rolle zu­ gewiesen hatte, blieb in Semele im Hintergrund; fast hat man den Eindruck, als habe Händel in dieser Geschichte von Intimität und Vertraulichkeit nur mit Mühe Situa­tio­nen gefunden, in denen auch der Chor sinnvoll eingesetzt werden konnte. In den Solo­ge­sängen aber, die eine auffallend ausgewogene Mischung aus herkömmlichen Da-capo-Arien, neuen Arienformen ohne Da-capo und grossen Accompagnato-Rezitativen darstel­len, verwirklichte Händel, was die Dramatur­ gie der Oper seiner Zeit unterband – einen nahtlosen Übergang von Rezitativ und Arie und eine bruchlose Verwendung von Arien als Teile des dramatischen Dialogs. Dabei beeindruckt das psychologische Fingerspitzengefühl, mit dem Händel musikalische Form und dramatische Situation in Einklang brachte. Die zahlreichen Accompagnato-Rezitative dienten nicht, wie in der Oper, der affek­ tiven Vorbereitung auf eine Arie, sondern als musikalische Chiffre für jede Art emotionaler Verwirrung. Junos ungezügelte Wut stellt Händel durch Accom­ pagnato-Rezitative – die am wenigsten «kontrollierte» musikalische Form – dar. Semele aber, deren virtuose und exquisite Da-capo-Arien nicht nur von ihrer makellosen Schönheit, sondern auch von ein wenig berechnender Raffinesse künden, legt am Schluss den ganzen glitzernden musikalischen Prunk ab; das

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zunehmend verstummende Accompagnato-Rezitativ ihrer Sterbeszene – im Orchester untermalt von Jupiters göttlicher, vernichtender Erscheinung – ist ein Meisterwerk geradezu realistischer musikalischer Menschendarstellung. Besonders deutlich lässt sich Händels Absicht, musikalische Form und emotionale Situation aufeinander zu beziehen, jedoch an der Rolle des Jupiter ablesen. Wie seine Macht sich in Hilflosigkeit verwandelt – das macht Händel durch die musikalische Form seiner Gesänge deutlich. Der mächtige Donner­ gott, der die Ordnung der Welt repräsentiert, der verliebte Gott aber auch, der jeden Moment des Glücks mit seiner irdischen Fee festhalten möchte, singt so lange reguläre Da-capo-Arien, wie die Welt im Liebesnest in Ordnung scheint. Als das Verlangen nach Semele ihm halb die Sinne raubt, beginnt seine präch­ tige Fassade und mit ihr die Da-capo-Form seiner Arie zu bröckeln; seine Bitte, Semele möge ihren verhängnisvollen Wunsch zurücknehmen, kündet auch durch die gänzlich irreguläre Form der Arien von seiner Verzweiflung. Nirgend­ wo aber manifestiert sich Jupiters Elend deut­li­cher als in seinen Reflexionen über die Unausweichlichkeit der Katastrophe, die Händel in ein rondoartiges Gebilde zwischen Arie und Accompagnato kleidet. Selbst die rührende Über­ legung, nur den sanftesten Blitz und den schwächsten Pfeil mit sich zu führen, mündet in die Erkenntnis des Refrains, dass Semele sterben muss. Von psychologischem Einfühlungsvermögen über jene Möglichkeit hinaus, die die Oper seiner Zeit einem Komponisten bot, kündet auch die komische Szene der Oper, in der Juno sich Somnus, den Gott des Schlafs, gefügig macht – eine Szene, die mit der Geschichte von Semele genaugenommen nichts zu tun hat; tatsächlich entstammt die Episode, in der Hera Hypnos Pasithea als Belohnung für geleistete Dienste verspricht, einer anderen antiken Quelle – Homers Ilias – und aus einem anderen Zusammenhang. Als ein retardierendes Moment kann diese Szene, auch wenn sie dem Gang der Handlung nichts hinzufügt, dennoch nicht bezeichnet werden. Sie ist vielmehr ein Genrebild von so umwerfender Komik, wie erst die Opera buffa des späteren 18. Jahrhun­ derts sie wieder erschuf. Schlafszenen waren besonders in der französischen Oper nichts Ungewöhnliches; mit welchen Tricks Juno hier allerdings Somnus am Schlafen hindert – das erweist sich als ein Kabinettstückchen musikalischer Verführungskunst. In dem Duett zwischen Juno und Somnus kann dieser den

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Namen Pasithea nicht aussprechen, ohne dass Juno seine Vision mit einem nach­ drückli­chen «soll die Deine sein» pariert. Das bedeutendste und vielversprechendste musikdramatische Experiment aber stellte das Quartett im ersten Akt der Semele dar. Dieses Quartett, in dem Inos Verzweiflung, Kadmos’ Klärungsversuche, Semeles und Athamas’ mitfüh­ lendes Unverständnis in einem ein­zi­gen, nur wenige Minuten währenden Mu­ sikstück zusammengefasst werden, ist das erste in der Geschichte der dramati­ schen Musik, das unterschiedliche Gefühlssituationen nicht nacheinander in einer Serie von Arien abhandelt, sondern gleichsam untereinander bündelt und auf einen Punkt bringt. Nur wenige Komponisten haben nach Händel – unab­ hängig voneinander – ähnliche dramatische Situationen geschaffen, deren mu­ sikalische Faktur diesem Quartett freilich in verblüffender Weise ähnelt: so etwa Mozart in Idomeneo und Verdi in jenem berühmten Quartett des Rigoletto, das Victor Hugo zu dem Stossseufzer veranlasste, die Oper habe Möglichkeiten, die dem Sprechtheater prinzipiell abgingen. Semele, 1744 aufgeführt, war das erste von zwei Oratorien, in denen Hän­ del nicht-reli­giöse Sujets verarbeitete. Beide, auch der ein Jahr später entstande­ ne «Hercules», sollten sich als eklatante Misserfolge herausstellen. Waren es die heidnischen Themen, die im religiösen Bürgertum Londons nicht ankamen? Steckte, wie man vermutet hat, einmal mehr eine der vielen politischen Querelen dahinter, die mit dem Werk selbst gar nichts zu tun hatten? Oder überforderte Händel sein Publikum einmal mehr mit musikalischen Neue­r un­gen? Mrs. Dela­ ny, Händels treue Freundin, liebte Semele ganz besonders und versäumte keine Aufführung. Als Gegner dieses Werkes macht sie in einem Brief vom 21. Feb­ ruar 1744 die «fine ladies, petit maîtres and ignoramus’s» aus – das heisst die Snobs und Banausen jeglicher Couleur: Händel selbst hatte freilich dazu bei­ getragen, dass seine Musik seit Jahrzehnten Gegenstand öffentlicher und damit bisweilen niveauloser Diskussionen war. Dass aber auch die «opera people», ihrem Brief zufolge, wütend auf Händel waren, sollte schon eher zu denken geben. Denn Händel hatte ein Angebot abgelehnt, noch einmal eine (italieni­ sche) Oper zu schreiben; und nun trat er mit einer englischen Oper im Gewand eines Oratoriums an die Öffentlichkeit und machte deutlich, dass dramatische Musik mehr sein konnte als die Dramaturgie der Oper erlaubte. Mit Semele setzt

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Händel ein Zeichen: Er bewies nicht nur, dass die Oper nicht tot war, sondern auch, dass die englische Sprache sehr wohl geeignet war, musikalische Menschen­ bilder von nicht geringerer Eindringlichkeit als die der italienischen Libretti zu entwerfen. Dies war auch an die Adresse jener patriotischen Schulmeister ge­ richtet, die die Oper als welschen Unsinn abgetan hatten. Doch es gelang Hän­ del auch diesmal nicht, das Publikum von den Herrlichkeiten jener mythischen Erzählungen von Liebe und Verstrickung, jener in spannende Geschichten ge­ fassten Grund­erfahrung aller Menschen, zu überzeugen. Seine Zeitgenossen fanden sich eher in der buss­fertigen Zerknirschung eines Samson oder in dem säbelrasselnden Todesmut eines Judas Maccabäus wieder.

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Cecilia Bartoli Spielzeit 2006/07


«Semele» ist zauberhaft; je öfter ich sie höre, desto besser gefällt sie mir, und da ich Subskribentin bin, werde ich kei­ nen Abend versäumen. Da die Handlung profaner Natur ist, hält es D.D. (Mrs. Delanys Mann, der Geistlicher war) nicht für angemessen, das Oratorium zu besuchen; aber wenn «Joseph» oder «Samson» aufgeführt werden, werde ich ihn zum Mitkommen überreden – du weisst ja, was für eine Freude er an der Musik hat. Es heisst, «Samson» soll nächsten Freitag gezeigt werden, denn «Semele» hat viele Gegner, nämlich die feinen Damen, Kleingeister und Ignoranten. Alle Opernleute zürnen Händel, aber Lady Cobham, Lady Wester­moreland und Lady Chesterfield versäumen keine Vorstellung. Mrs. Delany an Mrs. Dewes (21. Februar 1744)


DIE GELIEBTE DES KÖNIGS Ian Burton

Im 17. und 18. Jahrhundert gab es eine im Wesentlichen kritisch geführte De­ batte darüber, wie weit eine satirische Portraitierung gehen könne und dürfe. Die Identifizierung von lite­rarischen, dramatischen und visuellen Typen histo­ rischer Persönlichkeiten wurde geschätzt und sogar gefördert, solange sie in einem eher «allgemeinen» Sinn interpretiert werden konnten. Scheinbar war es damals der allgemeine Konsens, dass in der Satire alles erlaubt sei, selbst detail­ lierte Beschreibungen äusserer Kennzeichen und auch des Verhaltens, da sich die Satire als Kunstform zur Verlockung und zur Anpassung der öffentli­chen Moral ausgezeichnet eignete. William Congreve, Librettist von Semele, war ein bekannter Schriftsteller komischer und satirischer Dramen. Als er seine Pläne enthüllte, eine mytholo­ gische Oper über Jupiter und eines seiner vielen amourösen Abenteuer zu schreiben, begannen wilde Spekulationen, ob Congreve damit vielleicht einen versteckten satirischen Hinweis auf König William von Oranien und eine seiner Liebhaberinnen geben wollte. Eine ähnlich gelagerte Situation er­gab sich, als Georg Friedrich Händel vierzig Jahre später das Libretto wieder aufgriff, um es zu einem «weltlichen Oratorium» umzuarbeiten – diesmal fragte man sich, auf welchen König Georg und welche der zahllosen Mätressen angespielt werden sollte. Das satirische Portrait der «Geliebten des Königs» konnte so gnadenlos detailliert sein wie eine «Spitting-Image»-Puppe, solange man nur seine gesell­ schaftliche Relevanz beweisen konnte. Das öffentliche Interesse und Aufsehen, das aussereheliche Affären hochstehender Persönlichkeiten erregen – ob es sich dabei nun um einen Monarchen oder (wie in modernen Zeiten) um einen Präsidenten, um ein Mitglied einer königlichen Familie oder um einen wichtigen Wirtschaftsmagnaten handelt – ist noch immer gleichermassen gross.

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Congreve schrieb Semele im Jahre 1704, nachdem er im Anschluss an den schwa­­chen Erfolg seines satirischen Meisterwerks The Way of the World seinen Abschied von der Büh­ne genommen hatte. Semele war ursprünglich für das ers­ te Londoner Opernhaus, das Queens Theatre am Haymarket, bestimmt, an dem Congreve finanziell beteiligt war. Der Komponist, der das Werk ursprünglich vertonen sollte, ein gewisser John Eccles, konnte die Partitur allerdings nicht rechtzeitig fertig stellen: Congreves gewitztes Libretto blieb für etwa vierzig Jahre liegen, bis Händel es im Jahre 1744 erneut aufnahm und in Musik setzte. Der ursprüngliche Librettotext wurde nur leicht bearbeitet. Einerseits musste der pikante Humor der Restaurationsepoche abgemildert werden, um den prüde gewordenen Geschmack des Londoner Publikums der Mitte des 18. Jahrhunderts nicht zu brüskieren (obwohl noch recht viel der Pikanterie durch die Maschen des Bearbeitungsnetzes rutschte). Andererseits nahm man lyrische Er­gänzungen vor, die zumal aus den pastoralen Hymnen und der Gelegenheits­ poesie bedeutender Dichter des 18. Jahrhunderts zusammengestoh­len wurden: Der Text zu Jupiters Arie «Where’er you walk» geht zurück auf Alexander Pope, «But hark! The heavenly sphere turns round / and silence now is drown’d / in ecstasy of sound» – die Arie Inos im zweiten Akt – stammt aus Daniel Prats Gedicht über Händel. Seit Ludwig XIV. in der Gestalt unterschiedlichster mythologischer Gott­ heiten in den «Masques» am französischen Königshof getanzt hat, war die Identifizierung von mythologischen Figuren mit königlichen Persönlichkeiten ein zentrales Thema der Barockoper und des Balletts. Und während der Regie­ rungszeit des Sonnenkönigs, der gesamten jakobinischen Epoche und der Re­ gent­schaft Karl I. bzw. Karl II. in England war man – vor dem Hintergrund dessen, was Roy Strong «politics of spectacle» nannte – sehr um die Identifizie­ rung von Figuren der Oper und des Comédie ballet mit realen historischen Figuren, insbesonde­re mit den Trägern der Macht, bemüht. Heute allerdings sind in vielen Fällen die Versuche, diese Figuren ausfindig zu machen ebenso hoffnungslos wie die Versuche einer Entschlüs­selung der vielen mythologischen Quellen, die Grundlage der Libretti sind. Dennoch ist nicht zu bestreiten, dass die Geschichte von Jupiter und Seme­ le (ob sie nun mit William III. und einer seiner Geliebten oder mit George II.

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und der Herzogin von Yarmouth in Verbindung gebracht werden kann oder nicht) im Kern von der Unmöglichkeit einer voll­wertigen Beziehung zwischen einem Monarchen und einer sozial weniger hochgestellten Geliebten erzählt. Ungeachtet seiner Macht ist Jupiter – oder Jove, wie er meistens im Libretto ge­nannt wird – ein fürsorgender Liebhaber, zärtlich und von einer überraschen­ den Zueignung. Semele ist ihm sehr teuer, und er versucht, jeden ihrer Wünsche zu erfüllen. Seine unglückliche Ehe mit Juno (der er trotzdem sehr zugeneigt bleibt) ist eine Wiedergabe zahlloser aristokratischer und königlicher Ehen, die Congreve genauestens beobachtet und im Verlauf seiner Theaterkarriere immer wieder beschrieben hat. Diese Ehen hatten eine bedeutende gesellschaftspoli­ tische Funktion: Sie sollten soziale Ordnung, Stabilität und Hierarchie inmitten eines komplizierten Systems sozial-ökonomischer Verbindungen garantieren. Ein Hauptthema in William Congreves satirischen Komödien ist der Ver­ such der Figuren, eine akzeptable «moderne» Alternative zum traditionellen Ehe­vertrag zu finden und als Gegenentwurf zu diesem durchweg auf rein kom­ merziellen Überlegungen gründenden Ehebündnis ein tiefgehendes und auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis aufzubauen. Persönliches Glück und Genugtuung waren nicht unbedingt notwendiger Teil einer Ehe des 18. Jahrhunderts und sicher nicht bei königlichen Ehen. Es exi­stierte dennoch eine ausdifferenzierte Hierarchie von Huren, «niedriger» und «höher» klassifizierter Kurtisanen und «königlicher» Mätressen – alles zur Befriedigung der männlichen Libido. Die Schauspiele Congreves scheinen in der Tat andeuten zu wollen, dass persönliches Glück und Erfüllung, wenn überhaupt, dann nur ausserhalb der üb­lichen Begrenzungen der Ehe zu entdecken seien. The Old Bachelor, The Double Dealer, Love for Love und vor allem The Way of the World sind Stück für Stück scharfe Satiren über das Scheitern eines Ehevertrages, während The Mourning Bride (zu seiner Zeit galt die Tragödie als Con­greves Meisterstück) eine Tragödie über die königliche Ehe ist, voller bruta­ler Sexualität, Lust, eifer­ süchtiger Passion und dem Drang zur absoluten Macht, ganz zu schweigen von Congreves unsterblicher Passage über «the fury of a woman scorned» («die Raserei einer gekränkten Frau»).

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In Semele ist Jupiter ein typischer Monarch des 18. Jahrhunderts, der nicht einmal daran denken würde, seine dynastisch wichtige königliche Ehe zu ge­ fähr­den, der aber zugleich – von seinem Hunger nach sexuellem Genuss getrie­ ben – auf der ständigen Suche nach ausserehelichen Partnern ist, die sich durch seine Avancen zwangsläufig geschmeichelt füh­len müssen. Semele ist eine sol­ che Partnerin und damit eine typische Herzogin von Yarmouth of Devonshire. Doch Semele gelingt es nicht, und das ist weniger typisch für die Konstellation, die grundlegenden Prinzipien des Spiels – und es ist nichts als ein Spiel – zu verste­hen. Ihr Verlangen, unsterblich zu werden und Junos Platz einzunehmen, kann und will Jupiter nicht tolerieren. Die «Mätresse des Königs» ist eine ge­sell­ schaftlich sehr hoch angesiedelte und im allgemeinen angesehene Rolle; die­je­ nige aber, die diese Rolle mit der Rolle der «königlichen Ehefrau» ver­wech­selt, erliegt einem grundlegenden Irrtum. Wie schon erwähnt, wurde viel da­rüber spekuliert, welche Persönlichkeit des 18. Jahrhun­derts als Semeles Modell gel­ ten könnte. Aber selbst wenn man Manuskripte von Congre­ve, Eccles oder Händel ausfindig machen würde, die eine definitive Antwort auf diese Frage geben, hätte dies keinen Einfluss auf die Art und Weise unserer Rezeption des Werkes: Wir werden durch Seelenregung unterhalten und gerührt, wir sind be­ troffen, weil es uni­verselle Charaktere sind, die dargestellt werden, erlebbar in allen Kulturen und den unterschiedlichsten historischen Zeitabschnitten, nicht zuletzt in unserer Zeit. In der Eröffnungsszene der Oper werden wir gleich Zeugen eines markan­ ten Ereignisses: Semele wird gegen ihren Willen durch den Prinzen Athamas und durch ihren Vater, König Cadmus, zu einer Ehe gezwungen. Semele aber hat bereits die amourösen Avancen Jupiters genossen, so dass ihr Herz durch Liebe – und Ehrgeiz – entflammt wurde. Den Annähe­r ungs­versuchen des übri­ gens nicht unattraktiven Prinzen Athamas begegnet sie nun in absoluter Gleich­ gültigkeit. Sie wird auf wunderbare Weise aus ihrer heiklen Situation durch Ju­piter gerettet, der sie entführt und in einem wunderschönen Palast unterbringt. Juno reagiert darauf mit einer fast wahnsinnigen, beinahe absurden Eifer­ sucht. Mit ihrer treuen Dienerin Iris macht sie sich auf den Weg, um Somnus, den Gott des Schlafes, um Hilfe zu bitten. Inzwischen geniesst Semele ihr «endless pleasure», obwohl sie im Grunde immer noch nicht so ganz zufrieden

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ist. Sie sorgt sich um ihre etwas doppeldeutige Position zwischen dem Mensch­ lichen und dem Göttlichen – die Rolle der königlichen Geliebten ist nicht so einfach. Sie ist fest entschlossen, durch den Erwerb des Status der Unsterblich­ keit die Kluft zwischen Menschlichem und Göttlichem zu überbrücken. Juno zieht, ausgestattet mit dem bleiernen Stab des Somnus, zu Semeles Palast. Ihr grau­sa­mes Vorhaben ist es, das Verlangen Semeles nach Unsterblich­ keit – im vollen Bewusstsein der katastrophalen Folgen dieser Tat – noch zu ermutigen. Sie braucht Semele nur in einen Spiegel blicken zu lassen und sie davon zu überzeugen, dass sie unwiderstehlich ist. Juno redet ihr ein, dass in dem Moment, in dem Jupiter sich in seiner ganzen göttlichen Herr­lich­keit zu ihr ins Bett legen wird, dieser seine göttliche Existenz auf sie übertragen wird. Sie rät Semele, ihm solange ihre Gunst zu verweigern, bis er damit einverstan­ den ist, ihren Wunsch zu erfüllen und verweist dabei verschlüsselt auf ihre ei­ gene Person: «Conjure him by his oath / Not to approach your bed / In likeness of a mortal / But like himself, / The mighty thunderer, / In pomp of majesty / And heavenly attire / As when the proud Saturnia (Juno selbst) charms / And with inaffable delights / Fills her encircling arms, / And pays the nuptial rites.» Semele hört Junos Rat gefügig zu – und bereitet so ihren eigenen Tod vor. Semele wird durch Jupiters göttliches Feuer vernichtet – aber auch durch ihre allzu menschlichen Am­bi­tionen. Die Oper endet mit einem prächtigen Trinklied, in dem die Geburt von Bacchus aus der Asche Semeles gefeiert wird. Die ur­ sprüngliche griechische Mythe kannte aber ein weniger feierliches Ende. Juno ist nicht zufrieden mit Semeles Untergang. Sie ist wütend, da Jupiter seinen ungeborenen Sohn Bacchus aus den Flammen gerettet hat. Jupiter bewahrt den Fötus in seinem Oberschenkel auf, bis er sich vollständig entwickelt hat. Nach der Geburt aus Jupiters Oberschenkel wird Bacchus von Ino und Athamas er­ zogen. Die Raserei, die dieser weitere Verrat Jupiters bei Juno bewirkt, bringt sie dazu, Bacchus lebenslänglich zu verfolgen und Ino und Athamas wegen ihrer Mitschuld an der Erziehung des Kindes Dionysos / Bacchus zum Selbst­ mord zu treiben. Die Schattenseite der Oper liegt im tragischen Schicksal, das der königli­ chen Geliebten, die Königin werden will, beschieden ist. Unzufrieden mit den sinnlichen Vergnügungen, die Jupiter ihr bereitet, unzufrieden, die Mutter seines

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Kindes zu sein, verlangt sie die unmög­liche Gabe der Unsterblichkeit. Diese rast­lose Ambition hat sie zur leichten Beute Junos gemacht. Man könnte mit Recht hervorheben, dass Congreves Semele das beste Libretto ist, das im englischen Sprachraum je geschrieben wurde. Auden und Kallmans The Rake’s Progress ist wahrscheinlich – mit Myfanwy Pipers The Turn of the Screw – auf einem ehrenvollen zweiten Platz, der einzig wirkliche Kon­ kurrent. William Congreves Genie bestand darin, dass er Figuren aus der fremden und «exotischen» Welt der griechischen Mythologie zu realistischen und wieder­ erkennbaren Persönlichkeiten machte. Seine grossen satirischen Komödien bauen dabei auf einer scharfen und gewissen­haften Beobachtung der englischen Monarchie und Aristokratie.

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EIN KIND AUS DEN FLAMMEN Aus den «Metamorphosen» des Ovid

Man spricht darüber verschieden. Den einen scheint die Göttin ungebührlich grausam, an­de­re preisen und nennen sie entschiedner Jungfräulichkeit würdig. Beiden Teilen fehlt es nicht an Gründen. Jupiters Gemahlin allein äussert nicht so sehr Lob oder Tadel, als sie sich des Unglücks erfreut, das Agenors Haus traf. Den Hass, der sich in ihr wegen der Neben­buh­lerin aus Tyrus aufgestaut hat, dehnt sie aus auf die ganze Sippe. Und siehe, es kommt zu dem früheren Grund ein neuer hinzu: sie hört mit Schmerz, Semele sei vom grossen Jupiter schwanger. Und während sie ihrer Zunge freien Lauf lässt zum Schelten, spricht sie: «Was hat denn all mein Schelten je geholfen? An sie selbst muss ich mich halten, sie selbst, sofern ich zu Recht die gewaltige Juno heisse, will ich ver­nichten, wenn das edelsteinbesetzte Szepter meiner Rechten geziemt, wenn ich Königin der Götter und Jupiters Schwester und Gattin bin – Schwester auf jeden Fall! Dachte ich doch, sie würde sich mit einem Fehltritt begnügen, und nur von kurzer Dauer würde diese Schmach meines Ehebetts sein! Doch sie wird schwanger! Das fehlte noch! Mit dem schwellenden Leib zeigt sie deutlich die Schandtat, und Mutter – was kaum mir selbst widerfahren ist – will sie nur von Jupiter werden! So weit geht ihr Stolz auf ihre Schönheit! Aber ich bringe sie zu Fall! Ich bin nicht die Tochter des Saturnus, wenn sie nicht von ihrem Jupiter selbst zu den Wassern der Styx hinabgestürzt wird!» Mit diesen Worten erhebt sie sich von ihrem Thron und begibt sich, in eine fahlgelbe Wolke gehüllt, zu Semeles Schwelle. Nicht eher zerstreut sie die Wolken, als bis sie sich in eine Alte verwandelt und graues Haar um die Schläfen gelegt, die Haut von Runzeln durchfurcht hat. Wankenden Gangs schleppt sie ihre krummen Glieder, und auch die Stimme wird die einer Greisin. So ist sie ganz Semeles Amme, Beroe aus Epidauros.

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Sie fängt ein Gespräch an, und nach langem Geplauder fällt endlich Jupiters Name. Da sagt sie mit Seufzen: «Herzlich wünsche ich zwar, dass es Jupiter sei, doch ich rechne mit allem: Schon viele haben sich unter dem Namen von Göt­ tern in keuscher Mädchen Kammer geschlichen. Auch reicht es nicht, Jupiter zu sein; er gebe für seine Liebe ein Zeichen, wenn er es in Wahrheit ist, und so gross und so mächtig, wie ihn die hohe Juno empfängt, soll er dich, darum bitte, umarmen und vorher noch die Zeichen seiner Göttlichkeit anlegen!» Durch solche Worte der Juno berückt, bittet ahnungslos die Tochter des Kadmos um eine Gabe – sie sagt nicht, um welche. Zu ihr spricht der Gott: «Wähle nur aus; keine Weigerung sollst du erfahren, und damit du mir desto sicherer glaubst, so sei auch die Göttin des stygischen Stromes Zeuge, sie, der Schrecken, ja die Gottheit der Götter.» Froh über ihr Verhängnis und allzu erfolgreich im Wünschen, dem Ver­ derben geweiht durch Willfährigkeit des Geliebten, sprach Semele zu ihm: «Wie Juno dich zu umarmen pflegt, wenn ihr zusammen den Bund der Liebe schliesst, so erscheine du mir!» Noch im Reden wollte ihr der Gott den Mund verschliessen, doch das rasche Wort war bereits in die Lüfte entflohen. Er seufzte, denn weder ihre Bitte noch seinen Schwur kann er ungeschehen machen. Also stieg er tief­ betrübt zum hohen Äther empor, zog durch einen zornigen Blick die gehorsa­ men Wolken zusammen, mischte ihnen Regen bei und Wetterleuchten und Winde, Donnergrollen dazu und unentrinnbare Blitze. Doch so viel er vermag, sucht er seine Kräfte zu mindern und bewaffnet sich jetzt nicht mit dem Feuer, womit er einst den hundertarmigen Typhoeus traf: zuviel Gewalt liegt in ihm. Es gibt noch einen schwächeren Donnerkeil, dem die Hand der Zyklopen an Wildheit und Feuer weniger gab und weniger Ingrimm. Ihn nennen die Götter das zweite Geschoss. Solche nimmt er und betritt des Kadmos Palast. Semeles sterblicher Leib ertrug nicht den himmlischen Feuersturm: sie ver­­glüht an der Gabe des Gatten. Das noch unfertige Kind aber wird dem Schosse der Mutter entrissen. In des Vaters Schenkel eingeschlossen – kann man es glauben? – erwartet das zarte Knäblein die Zeit der Vollendung. Heimlich pflegt es, sobald es in der Wiege liegt, seine Tante Ino, dann wird es den Nymphen von Nysa übergeben, die es in ihrer Grotte verbergen und ihm Milch zur Nahrung geben.

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Isabel Rey, Birgit Remmert Spielzeit 2006/07


BRIEF AN SEMELE Hans Jellouschek

Zeus und Hera sind wieder vereint. Und was ist mit Dir, Semele? Die Frucht Deiner Liebes­be­ziehung ist auf Zeus übergegangen. Vielleicht wird es tatsäch­ lich zu einem Neubeginn und zu einer nachhaltigen Veränderung zwischen ihnen führen. Dann wirst Du sehr belebend auf die Beziehung der beiden ge­ wirkt haben. Das hört man ja, dass die Geliebten sich zuweilen sehr belebend auf die ehelichen Beziehungen auswirken. Ein schwacher Trost für Dich! Ich kann mir vorstellen, dass Du Dich ganz schön ausgenützt fühlst und allein ge­ lassen in Deiner Unterwelt, wo Du, nach dem Eklat, Dein Schattendasein führst. Alle Welt ist froh, dass der Konflikt vorüber, das Dreieck aufgelöst ist. An Dich, wie es Dir jetzt geht, denkt keiner, so meinst Du. Geliebte haben keine Rechte, und wenn sie meinen, welche beanspruchen zu können, ziehen sie den kürze­ ren. Du hast das erlebt und hast es jetzt auszubaden. Wie wirst Du damit fertig werden? Was wirst Du aus dieser Erfahrung machen? Die Gefahr ist gross, dass Du bitter und enttäuscht zurückbleibst und Dich mit Klischees tröstest, wie zum Beispiel mit dem vom Ausbeuterverhalten der Männer, dem von den Besitzansprüchen der Ehefrauen oder dem von der «Hohlheit der ganzen Institution Ehe». Sicher, auf den ersten Blick hast Du am meisten Schaden davongetragen. Du und Eure Liebe mussten «höheren Inte­ ressen» geopfert werden. Das tut weh. Aber immerhin solltest Du nicht vergessen, was Du mit Deiner Lebendig­ keit, Intensität und Hingabe bewirkt hast. So einen hartgesottenen Knochen wie den Zeus, so einen Willens- und Verstandesmenschen hast Du geöffnet und weich gemacht. Dionysos ist in Eurer Beziehung zum Leben erwacht. Du hast in Zeus den Enthusiasmus und die Ekstase der Liebe geweckt. Damit hast Du ihn verwandelt. Ich mache die Erfahrung, wie häufig hinter dem sexuellen Imponiergehabe von uns Männern nur Verklemmtheit und Körperfeindlichkeit stecken, Du hast den Zeus gelehrt oder ihn zumindest ahnen lassen, dass Sex

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etwas mit runder, lust- und hingebungsvoller Liebe zu tun hat. Das ist doch etwas. Und Du hast ihn und alle Beteiligten, auch wenn sie sich jetzt dagegen wehren müssen, zum Bewusstsein gebracht, dass es noch etwas anderes geben könnte unter der Sonne als Leistung, Ordnung und Pflicht. Zeus trägt nun Dionysos in seinem Leib. In ihm, dem Repräsentanten der herrschenden Ordnung, liegt nun der Keim einer ganz anderen, einer freudige­ ren, hingebungsvolleren, im natürlichen Rhythmus von Werden und Vergehen pulsierenden Welt. Was er damit macht, wie er damit umgehen wird, das ist natürlich noch eine andere Frage. Aber Du hast die Sehnsucht in ihm geweckt. Er weiss jetzt, auch wenn er es leugnen wird, für immer, dass seinem Herzen nicht genug ist, was Wohlstand und Sicherheit ihm zu bieten haben. Das hast Du bewirkt, und das solltest Du nicht geringachten, Semele, denn das ist viel, sehr viel. Aber davon, höre ich Dich erwidern, hast Du selbst nicht sehr viel, da in Deiner Unterwelt. Du möchtest verständlicherweise da raus. Oder vielleicht möchtest Du gar nicht raus. Vielleicht hast Du erst mal genug von allem. Ja, ich glaube, es ist gut, erst mal da zu bleiben, wo Du bist und wie Du bist, mit Dir allein, in der Tiefe. Du brauchst jetzt diese Zeit, und Du könntest die Zeit nützen. Für Dich. Irgend­wann mal wirst Du wieder auftauchen, und dann wird es entscheidend sein, dass Du über das, was geschehen ist, nachgedacht und daraus gelernt hast. Das braucht Zeit. Du meinst, da gibt es nichts zu lernen, das sei doch sonnenklar? Du warst eben völlig beknackt, dass Du Dich auf diesen Zeus eingelassen hast, wo doch daraus nie etwas werden konnte? Diese «Moral von der Geschichte», falls es die Deine ist, wird Dir nicht weiterhelfen. Wenn Du dabei stehenbleibst, wirst Du nicht gefeit sein, dass es Dir bald wieder genauso geht. Nie mehr! höre ich Dich sagen. Na, ich wäre da nicht so sicher. Ich habe das schon oft erlebt mit Geliebten wie Dir, dass sie sich das geschworen haben. Es hat ihnen nichts genützt. Ohne dass sie es merkten, waren sie im nächsten Dreieck drin, und alles lief genau­so wie beim ersten Mal. Immer wieder ver­ brennen, das ist nicht angenehm. Irgendwann verbraucht einen das. Irgendwann hat die Geliebte dann sich selbst überlebt, ist grau und hässlich geworden, und die ganze Schminke, die sie darüberkleistert, kann nicht darüber hinwegtäuschen,

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dass sie endgültig zum Schatten in der Unterwelt geworden ist. Wenn das Dein Schicksal werden würde, Semele, das fände ich sehr schade. Du bist noch zu jung und zu lebendig dazu. Darum will ich Dich jetzt nicht Deiner Resignation überlassen. Ich werde Fragen stellen, ich werde bohren, auch wenn Dir das nicht angenehm sein sollte. Was hast Du gesagt? Es war blöd von Dir, Dich auf Zeus einzulassen, weil doch daraus nie etwas werden konnte? Aber hör mal, Semele, wolltest Du denn damals, dass «daraus etwas wird»? War es Dir denn nicht gerade recht, dass der Mann beruflich und familiär so ge­bun­den war? War es denn nicht genau das, was Du wünschtest, endlich diesen langweiligen Freund, den Athamas, loszu­ werden, mit dem Dein Vater Dich verkuppeln wollte, weil er so gut zu seinen Vorstellungen und Werten passte? War Dir da nicht gerade so ein Zeus wichtig, damit Du Dich endlich frei, ungebunden, selbstbestimmend fühlen konntest, nach der jahrelangen Gängelung zu Hause? Einen Mann, der gleich wieder festhält, so wie Dein Vater und Athamas, den hättest Du doch gar nicht ertra­ gen, oder? Und gerade das Verbotene an der Beziehung, gab es Dir nicht die Gelegenheit, zur längst fälligen Revolte anzutreten und zum längst fälligen Befreiungsschlag auszuholen? So wolltest Du doch gar nicht, dass etwas daraus wird, wolltest kein «legales Verhältnis», keine Dauer und keine Bindung. Aber ich denke, hier hast Du Dir eine Falle gebaut. Denn Du hast das Verhältnis ver­ heimlicht, musstest es vielleicht verheimlichen. Damit bist Du eben doch nach aussen hin für Deine Eltern die brave Tochter geblieben, die halt gerade etwas trotzte, wenn sie sich dem Athamas verweigerte. Hast Du Dich damit nicht selbst um Deine Befreiung betrogen? Ich vermute, dass Dir eine Beziehung, aus der nichts werden konnte, noch aus einem an­de­ren Grund wichtig war. Zeus blieb nicht da. Er ging immer wieder weg, ging zu Hera, ging zu seinen Regierungsgeschäften. Du konntest sicher sein: Der wird mir nicht die Luft zum Atmen nehmen, dazu ist er zu be­schäftigt. War das nicht gerade die Voraussetzung dazu, dass Du es wagen konntest, Dich so vorbehaltlos zu öffnen, Dich so direkt und inten­siv hinzuge­ ben? War das nicht genau die Voraussetzung dazu, dass Du entdecken konntest, welche Fülle von Lust und Liebe in Dir schlummert? Und hast Du nicht selbst gerade darin die Chance gesehen, die Beziehung so intensiv und lebendig zu

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erhalten? Dadurch, dass die Beziehung sozusagen zu Ende war, wenn er die Tür hinter sich schloss, dadurch war es Euch doch gerade möglich, wenn er sie wieder öffnete, die Beziehung jedesmal wieder neu und frisch wie am ersten Tag zu erschaffen und nicht in den trüben Trott zu verfallen, den Du wahrscheinlich bei Deinen Eltern erlebt hast und den Du auf keinen Fall wiederholen wolltest! Ich glaube wirklich, dass das sehr, sehr wichtig für Dich war, Semele. Du solltest das nie vergessen, dass Du das warst, die soviel Liebe und soviel Lebendig­ keit in sich entdeckte, dass Du das bist, dass das wirklich zu Dir gehört und dass das Deins bleibt, auch wenn Dir jetzt alles wie verbrannt und ausgedörrt er­ scheint. Ich glaube aber, dass Du etwas nicht gemerkt hast, was auf die Dauer mehr und mehr zum Tragen kam. Genau die Situation, die Dir eine Zeitlang Freiheit zum Lieben und Schutz vor zu früher Bindung gab, dieselbe Situation wurde für Dich bald doch wieder zum Gefängnis. Dadurch, dass Du seine heim­ li­che Geliebte warst, musstest Du Dich doch, je länger, je mehr, nach seinem Terminkalender richten. Er kam und ging, und Du wurdest immer mehr die Wartende. In Eurem Liebesnest war es schön und kuschelig, aber bald auch recht einsam. Du wurdest abhängig. Bekam Deine Lage jetzt nicht eine fatale Ähnlich­ keit mit der in Deinem elterlichen Schloss? War Dein Leben jetzt nicht fast ge­nauso beherrscht von Zeus wie früher von Deinem Vater und seinen Normen? Von vielen Deiner Schicksalsgenossinnen höre ich ähnliches: dass die ur­ sprünglich erlebte grosse Befreiung auf Dauer umschlägt in genau dieselbe Knechtschaft, der sie sich gerade entkommen wähnten. Vielleicht ist es also doch nicht der richtige Weg, sich mit einem Zeus von einem Kadmos oder Athamas zu befreien. Es besteht die Gefahr, vom Regen in die Traufe zu kommen. Das hast Du auch gespürt. Du hast Dich ja dagegen zu wehren begonnen. Du hast Dich nicht mehr zufriedengegeben. Heute machst Du Dir das zum Vorwurf. Aber ich will Dir sagen: Es spricht für Dich. Viele Deiner Schicksalsgenossinnen halten das jahrelang aus und verewigen damit nur, was sie gerade überwinden wollten, nämlich das kleine Töchterlein zu bleiben, das den Vater nur durch einen «Göttervater» ersetzt hat, dem gegenüber sie auf ein eigenes Leben als er­wachsene Frau verzichten. Du sagst, es war Hera, die Dir diesen Gedanken ein­gegeben hat, mehr zu wollen und Zeus in seiner wahren Gestalt zu sehen und Dich als Unsterbliche an seiner Seite. Denn radikaler hättest Du mit nichts

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die Beziehung zerstören können als mit diesem Wunsch. Ihn in seiner wahren Gestalt zu sehen, das ist ja der Wunsch, mit dem Versteckspiel aufzuhören, und damit der Wunsch nach Verbindlichkeit, nach Anerkennung und angemessener Öffentlichkeit. Kein Wunder, dass dieser Gedanke von Hera stammt. Das sind ja die Seiten der Beziehung, die sie mit Zeus lebt. Aber deshalb allein müssen sie ja noch nicht schlecht und zerstörerisch sein. Und ist es nicht so, dass dieser Wunsch eigentlich ganz aus Deinem Inneren heraus, ganz direkt aus Deiner Liebe selbst gewachsen ist und Hera mit ihrer List nur den äusseren Anstoss da­zu gab, ihn zu äussern? Die Tatsache, dass Zeus Dich nicht an sich binden konn­te, ermöglichte Dir zunächst, Dein Herz ganz zu öffnen. Aber wurde es ge­rade dadurch nicht immer schmerzhafter, wenn er dann ging? Fühltest Du Dich dann nicht oft mit offenem Herzen einfach stehengelassen? Je mehr Du Dich einliessest, «weil keine Gefahr bestand», desto mehr begabst Du Dich in die «Gefahr», selber, aus Dir heraus, Verbindlichkeit, Dauer, Öffentlichkeit zu wollen. Es sieht so aus, dass in Dir selbst überraschenderweise eine «Hera-Seite» erwacht ist, dass Du Deiner Liebe eine Form geben wolltest. War es also ein Fehler, dass Du «mehr» wolltest? Nein, es war kein Fehler, es war ein notwen­ diger Schritt. Wenn Du zu diesem Schritt wirklich ja sagst, würde das bedeuten, dass Du den Bereich der «heimlichen Geliebten» endgültig verlassen hast. Es würde bedeuten, dass Du, bevor der Blitz des Zeus Dich verbrann­te, selbst die­se Lebensform zerbrochen hast. Zeus hat mit seinem Blitz dann nur noch eine äussere Hülle verbrannt. Wenn Du zu Deinem Wunsch stehst, könntest Du darin sogar eine Hilfe sehen, die «Kind-Frau» endgültig sterben zu lassen und da­mit die Rolle der Tochter, der braven oder aufmüpfigen, endgültig auf­ zugeben. Semele, Du brauchst die Zeit in der Unterwelt, um diesen Schritt, den Du gegangen bist, innerlich nachzuvollziehen. Und wisse: Dionysos lebt. Durch Dich ist dieser Gott entstanden. Deine Liebe hat ihn zum Leben gebracht. Das ist viel, sehr viel. Wenn es jetzt für Dich danebengegangen ist, lass Dich dadurch nicht abbringen, an diesen Dionysos zu glauben. Das ist Deine Chance. Nütze die Zeit in der Unterwelt.

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Cecilia Bartoli, Charles Workman Spielzeit 2006/07


MYTHOLOGISCHES RUND UM SEMELE Zeus / Jupiter

Göttinnen, Halbgöttinnen und Menschenfrauen, denen er sich mit­unter verwandelt genähert hatte; entführte z.B. Europa, Schwester des Kadmos, in Gestalt eines Stieres; aus seinen erotischen Abenteuern gingen viele Kinder hervor, die er liebte und beschützte.

Herrscher über die Götter des Olymps; Gott des Lichts, des Himmels und der Berggipfel; Sohn des Kronos (Saturnus) und der Rheia; wurde von Rheia kurz nach der Geburt, zum Schutz vor seinem Vater, der seine Kinder aus Angst vor Entmachtung verschlang, nach Kreta gebracht; sorgte später dafür, dass Kronos seine Geschwister wieder aus­spuckte; mit seinen Brüdern Poseidon (Neptun) und Hades (Dis) stürzte er Kronos und die drei verteilten die Herrschafts­ gebiete Himmel / Erde, Meer und Unterwelt unter sich; galt weiterhin als Gott der ausgleichen­ den Gerechtigkeit; im Trojanischen Krieg war er unpar­teiisch, beauf­ sichtigte jedoch das Eingreifen der anderen Götter; seine Waffen waren Blitz und Donnerkeil; war auch als mächtigster Gott manchen Schick­ salsbestim­mun­gen unterworfen; schloss mit seiner Schwester Hera (Juno) eine heilige Ehe; hatte zahl­reiche Liebesbeziehun­gen mit

Hera / Juno Göttin der Ehe und der Geburt; Tochter von Kronos und Rheia; beherrschte mit ihrem Bruder und Gatten Zeus den Himmel; hatte den Frauen in der Eheführung und bei der Geburt beizustehen; war selbst eine ausgesprochen eifer­süch­tige Gattin, vor der keine Geliebte ihres Mannes sicher war; racheübend ver­­­folgte sie auch die von Zeus mit seinen Geliebten gezeugten Kinder oder jene, die ihnen halfen; manche ihrer aus Eifersucht gesponnenen Intrigen gingen so weit, dass Zeus sie bestrafte; wegen ihrer Rachsucht gegen Herakles (Sohn von Zeus und Alkmene) z.B. hängte er sie an den Handgelenken am Olymp auf und

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beschwerte ihre Füsse mit Ambossen; im Trojanischen Krieg stand sie auf der Seite der Griechen, weil Paris (trojanischer Königssohn) nicht sie oder Athena (Minerva), die Tochter von Zeus und seiner ersten Frau Metis, zur schönsten Göttin gewählt hatte, sondern Aphrodite (Venus).

sein Lieblingsinstrument, die Lyra, als Versöhnungsgeschenk von seinem Halbbruder Hermes (Merkur), der ihm eine Vieh­herde gestohlen hatte; ihm direkt unterstellt waren die Musen, die er in der Musik und Dichtkunst unterrichtete; viele unglückliche Liebesverhältnisse zu Frauen und Männern sind über­­lie­fert, so z.B. hatte er Kassandra prophe­tische Begabung verliehen, die erwartete Gegenleistung – ihre Zuneigung – blieb je­doch aus und er bestrafte sie mit dem Schicksal, eine ungehörte Seherin zu sein.

Apollon / Apollo Olympischer Gott der Weissagungen, der Künste und Wissenschaften, seit dem 5. Jh. v. Chr. auch Sonnengott; weiterhin Gott der Sühne, Beschützer der Vieh­­zucht, der Vegetation, der Häuser und ihrer Bewohner; Sohn des Zeus (Jupiter) und der Leto; erhielt von seinem Vater die Aufgabe, die Menschen für ihre unrecht­ mässigen Taten zu bestrafen und für Gerechtigkeit zu sorgen; wurde zusammen mit seiner Zwillings­ schwester Artemis (Diana) auf Delos geboren, wohin ihre Mutter geflüch­ tet war, um der eifersüchtigen Hera zu entkommen; Delphi wurde sein wichtigstes Heiligtum, dessen Orakel er als Gott der Weis­sa­gungen für sich in Anspruch nahm und dessen Bewacherin Python, ein Dra­chen­­ ungeheuer, er jedoch zuvor töten muss­te; seine Waffe waren Pfeile, die nie­­mals das Ziel verfehlten; bekam

Kadmos / Cadmus Gründer und König von Theben; Sohn des Königs Agenor und der Telephassa; seine Brüder und er mussten die Heimat verlassen, um die von Zeus entführte Europa zu suchen, ohne die sie nicht zu­rück­ kehren durften; für alle blieb die Suche erfolglos; gelangte aufgrund eines Orakelspruches des Apollon nach Böotien, wo er den Drachen des Ares (Mars) tötete; musste acht Jahre lang Ares dienen, um den Drachenmord zu büssen; erbaute danach Theben; erhielt Harmonia, Tochter von Ares und Aphrodite zur Frau.

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Semele

bestrafte häufig jene, die sich seinen orgiastischen Riten widersetzten.

Tochter des Königspaares Kadmos und Harmonia; Geliebte des Zeus; wurde von der eifersüchtigen Hera in Gestalt ihrer Amme überredet, von Zeus zu for­dern, ihr in seiner göttlichen Gestalt zu erscheinen; wegen seines Versprechens, ihr jeden Wunsch zu erfüllen, musste sie durch seine Blitze verbrennen; das un­­ge­ bore­ne Kind entnahm Zeus ihrem Leib und nähte es sich in seinen Schenkel, aus dem später Dionysos (Bacchus) geboren wurde; um ihr Unsterblichkeit verleihen zu lassen, holte sie der erwachsene Dio­nysos aus der Unterwelt auf den Olymp, wo sie unter dem Namen Thyone weiterlebte.

Ino Tochter des Kadmos und der Harmonia, Schwester der Semele, Gattin des Königs Athamas; vom Götterboten Hermes dazu überredet, ihren Neffen Dio­nysos aufzuziehen; deshalb trieb Hera das Königspaar in den Wahnsinn, woraufhin es seine eigenen Kinder umbrachte – das eine mit Pfeilen, das andere, indem sich Ino mit ihm ins Meer stürzte; wurde darauf von Poseidon zur Meeres­göttin Leukothea erhoben.

Athamas Sohn des Aiolos von Thessalien; wurde König von Orchomenos in Böotien; nach der Ehe mit der Nymphe Nephele, mit der er auch Kinder hatte, heiratete er Ino; verlor durch verschiedene Intrigen seine gesamte Familie und wurde aus seinem Reich verbannt.

Dionysos / Bacchus Gott des Weines, der Fruchtbarkeit und der Ekstase; Sohn von Zeus und Seme­le; unternahm weite Reisen, bei denen sein Gefolge aus Mänaden (rasende Frauen, die sich ihm zur Verehrung an mysteriösen Riten und Versammlungen beteiligten) und Satyrn/Silenen (lüsterne, übermütige Waldgeister in Gestalt von Misch­ wesen – halb Mann, halb Bock – mit tierischen Gesichtszügen) bestand; auf Naxos heiratete er Ariad­ne;

Eros / Amor oder Cupido Gott der Liebe und der Fruchtbar­ keit; Sohn des Ares und der Aphro­ dite, auf deren Befehl er mit Pfeilen auf Götter und Menschen schoss, worauf diese sich verliebten; symbo­

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Pasithea

lisiert die geschlechtliche Liebe, welche das Fortbestehen der Menschen, Tiere und Pflanzen sichert; steht für die Grundbedürf­ nisse Essen, Trinken, Schlafen und Lieben; mit einer Augenbinde versehen, kennzeichnet er die wollüstige Liebe, nimmt er die Augenbinde ab, hat die höhere Liebe in ihm gesiegt.

Eine der Grazien (Grazien sind kleinere Göttinnen, meistens im Gefolge von oder in Verbindung mit Aphrodite); über ihre Herkunft herrschte Uneinigkeit; am häufigsten wurden als ihre Eltern Zeus und Eurynome, eine Tochter von Okea­ nos und Tethys, genannt; Homer erzählt eine Geschichte, in der eine Grazie namens Pasithea vorkommt: Damit die Götter den Griechen helfen könnten, wollte Hera Zeus einschläfern und gewann hierfür Hypnos (Schlaf), indem sie ihm Pasithea zur Braut anbot.

Hypnos / Somnus Zwillingsbruder des Thanatos (Mors), beide Personifikationen des Schlafes und des Todes; schlummerte in einer Höhle, durch die Lethe, der Fluss des Ver­gessens, strömte; ver­setzte andere in Schlaf z.B. Endymion, den Geliebten der Mond­göttin Selene (Luna), damit er ihr auf ewig erhalten bliebe.

Iris Göttin des Regenbogens, Gattin des Zephyros; überbrachte die Botschaften der Götter; bei dem Dichter Kalli­machos heisst es, sie schlief beschuht unter Heras Thron, immer bereit zu Botengängen; bei Homer überbrachte sie die Botschaf­ten des Zeus.

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Thomas Michael Allen, Cecilia Bartoli, Anton Scharinger Spielzeit 2006/07


SEMELE FRIEDRICH HÄNDEL (1685-1759) Opera after the manner of an Oratorio von Georg Friedrich Händel (1685-1759) Libretto von William Congreve Uraufführung: 10. Februar 1744, Covent Garden Theatre, London

Personen

Jupiter, Oberhaupt der Götter

Tenor

Cadmus, König von Theben

Bass

Athamas, Fürst von Böotien

Tenor

Somnus, Gott des Schlafes Juno, Gattin Jupiters

Bass

Alt

Iris, Götterbotin Junos, Göttin des Regenbogens

Sopran

Semele, Tochter von König Cadmus, Geliebte Jupiters Ino, Schwester Semeles

Alt

Chor

Priester, Auguren, Zephyre, Liebesgötter, Schäfer, Schäferinnen, Satyrn

Sopran


OUVERTURE – GAVOTTE

OUVERTURE – GAVOTTE

ACT ONE

ERSTER AKT

SCENE 1

ERSTER AUFTRITT

The temple of Juno. Near the altar is a golden image of the Goddess. Priests are in their solemnities, as after a sacrifice newly offered: flames arise from the altar and the statue of Juno is seen to bow.

Im Tempel der Juno. In der Nähe des Altars steht eine goldene Statue der Göttin. Die Priester stehen in fest­täglichem Gewand und Zeremoniell, wie nach einem soeben vollbrachten Opferritus; Flammen lodern vom Altar empor, und man sieht, wie die Statue der Juno zustimmend nickt.

ACCOMPAGNATO

ACCOMPAGNATO

CADMUS

CADMUS

Behold! Auspicious flashes rise! Juno accepts our sacrifice; The grateful odour swift ascends, And see, the golden image bends.

Seht an! Gunstbezeugende Flammen lodern auf! Juno nimmt unser Opfer an. Schnell strömt der Duft hinan, und sieh: das gold’ne Abbild neigt sich.

CHORUS

CHOR

CHORUS OF PRIESTS

CHOR DER PRIESTER

Lucky omens bless our rites, And sure success shall crown your loves; Peaceful days and fruitful nights Attend the pair that she approves.

Glückliche Vorzeichen segnen unsere Rituale, und sicherer Erfolg wird eure Liebe krönen; friedliche Tage und fruchtbare Nächte erwarten das Paar, das Juno segnet.

RECITATIVE AND ARIOSO

REZITATIV UND ARIOSO

CADMUS

CADMUS

Daughter, obey, Hear and obey! With kind consenting Ease a parent’s care; Invent no new delay, On this auspicious day.

Tochter, gehorche, höre, und gehorche! Mit freundlicher Zustimmung erleichtere die elterlichen Sorgen; erfinde keinen neuen Aufschub an diesem glückverheissenden Tage.

ATHAMAS

ATHAMAS

Oh, hear a faithful lover’s prayer! On this auspicious day Invent no new delay.

Oh, erhöre eines treuen Liebenden Flehen! An diesem glückverheissenden Tage erfinde keinen neuen Aufschub.

ACCOMPAGNATO

ACCOMPAGNATO

SEMELE apart

SEMELE beiseite

Ah me! What refuge now is left me? How various, how tormenting Are my miseries!

Weh mir! Welche Ausflucht bleibt mir nun noch übrig? Wie mannigfach, wie quälend sind meine Schmerzen!


O Jove, assist me! Can Semele forego thy love, And to a mortal’s passion yield? Thy vengeance will o’ertake such perfidy. If I deny, my father’s wrath I fear.

O Jupiter, steh mir bei! Kann Semele deine Liebe verschmähen und sich eines Sterblichen Leidenschaft hingeben? Deine Rache wird solche Treulosigkeit strafen. Weigere ich mich, fürcht’ ich meines Vaters Zorn.

AIR

ARIE

SEMELE

SEMELE

O Jove! In pity teach me which to choose, Incline me to comply, or help me to refuse!

O Jupiter, in Gnade lehre mich, was ich wählen soll; stärke mich, zuzustimmen, oder hilf mir, mich zu weigern!

RECITATIVE

REZITATIV

INO

INO

Alas, she yields, And has undone me: I cannot longer hide my passion; It must have vent – Or inward burning Will consume me. O Athamas! – I cannot utter it.

Ach, sie gibt nach und hat mich vernichtet. Ich kann meine Leidenschaft nicht länger verbergen: sie muss sich Luft machen – oder ein inneres Brennen wird mich verzehren. O Athamas! – Ich kann es nicht sagen.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben ATHAMAS

ATHAMAS

On me fair Ino calls With mournful accent, Her colour fading, And her eyes o’erflowing!

Die schöne lno ruft mich mit seufzendem Ton, ihre Farbe erlischt, und ihre Augen fliessen über!

INO

INO

O Semele!

O Semele!

SEMELE

SEMELE

On me she calls, Yet seems to shun me: What would my sister? Speak –

Mich ruft sie, dennoch scheint sie mich zu meiden. Was möchtest du, Schwester? Sprich!

INO

INO

Thou hast undone me!

Du hast mich vernichtet.

QUARTET

QUARTETT

CADMUS

CADMUS

Why dost thou thus untimely grieve, And all our solemn rites profane? Can he, or she thy woes relieve, Or I? Of whom dost thou complain?

Warum grämst du dich so zur falschen Zeit, und entweihst all unsere feierlichen Riten? Können er oder sie dein Leid mindern? Oder ich? Über wen beklagst du dich?


Programmheft SEMELE Opera in the manner of an Oratorio von Georg Friedrich Händel. Premiere am 14. Januar 2007, Spielzeit 2006/07 Wiederaufnahme am 31. Dezember 2018, Spielzeit 2018/19

Herausgeber

Intendant

Zusammenstellung, Redaktion

Layout, Grafische Gestaltung Anzeigenverkauf

Opernhaus Zürich Andreas Homoki Michael Küster Carole Bolli Opernhaus Zürich, Marketing

Telefon 044 268 64 14, inserate@opernhaus.ch

Schriftkonzept und Logo

Druck

Textnachweise: Robert Carsen: Der Fall Semele, aus: L’Avant-Scène «Sémélé». Paris 1996. Übersetzung: Michael Küster. – Silke Leo­ pold: Händels «Semele» oder «Eine Oper ist ein Oratorium ist eine Oper», aus: Programmbuch «Semele», Staatsoper Unter den Linden. Berlin 1996/97. – Brief von Mrs. Delany an Mrs. Dewes, aus: Christopher Hogwood: Händel. Frank­ furt /M. und Leipzig 2000. – Ian Burton: Die Geliebte des Königs, aus: Programm­heft «Semele», Bühnen der Stadt Köln 2001. – Ovid: Metamorphosen. Das Buch der Mythen und Verwandlungen, neu übersetzt und hrsg. v. Gerhard

Studio Geissbühler Fineprint AG

Fink, Zürich und München 1984. – Hans Jellouschek: Brief an Semele, aus: Die Rolle der Geliebten in der Dreiecksbe­zie­ hung. Zürich 1995. – «Mytho­logisches – Rund um Semele», zusammenge­stellt von Michael Küster und Kathrin Brunner. Bildnachweise: Suzanne Schwiertz fotografierte das «Semele»-Ensemble während der Klavierhauptprobe vom 9. Januar 2007. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.


Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

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