Luisa Miller

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LUISA MILLER

GIUSEPPE VER DI


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LUISA MILLER GIUSEPPE VERDI (1813–1901)


Luise: Dies bisschen Leben – dürft ich es hinhauchen in ein leises schmeicheln­des Lüftchen, sein Gesicht abzukühlen! Dies Blümchen Jugend – wär es ein Veilchen, und er träte drauf, und es dürfte bescheiden unter ihm sterben! («Kabale und Liebe», I. Akt, 3. Szene)

Wurm: Ich müsste mich schlecht auf den Barometer der Seele verstehen, oder der Herr Major ist in der Eifersucht schrecklich wie in der Liebe. («Kabale und Liebe», III. Akt, 1. Szene)


Du Und Du, der mir Abgrund bist und Ziel, in den ich falle und schwebe am Ende. Annette Gonserowski


Leo Nucci, Kind Spielzeit 2OO9/1O



ERSTER AKT «Liebe» Im Hause Miller wird Luisas Geburtstag gefeiert. Neben ihrem Vater und ihrer Freundin Laura ist auch der Jägerbursche Carlo unter den Gratulanten. Luisa stellt ihn dem Vater als ihren Geliebten vor. Miller ist misstrauisch. Während alle anderen zum Gottesdienst in die nahe Kirche gehen, stellt Wurm, der vor kurzem Schlossverwalter geworden ist, Miller zur Rede. Schon vor einem Jahr hatte er um Luisas Hand angehalten. Millers Entgegnung, gegen die Zustimmung seiner Tochter werde er die Verbindung nicht erzwingen, lässt Wurm nicht gelten. Er enthüllt die wahre Identität Carlos: Es ist Rodolfo, der Sohn des Gra­fen von Walter; dieser hat eben erst die Herrschaft im Ort angetreten. Miller sieht sich in der Befürchtung bestätigt, seine Tochter sei Opfer eines Verführers geworden. Walter hat durch Wurm von Rodolfos unstandesgemässer Liebschaft erfah­ ren. Er ist empört über den undankbaren Sohn, für den er andere Pläne hat: Er will Rodolfo mit Federica, der Witwe des Herzogs von Ostheim vermählen. Durch deren Beziehungen zum Hofe stünde ihm eine glänzende Karriere offen. Die Herzogin hält Einzug; Rodolfo beschliesst, sich der Jugendfreundin anzu­ ver­trauen und gesteht ihr, eine andere zu lieben. Federica, die ihn seit ihrer ge­­meinsam verbrachten Jugend liebt, zeigt sich jedoch unversöhnlich, sollte Rodolfo ihre Hand ausschlagen. Luisa wartet auf ihren Carlo, während eine Jagdgesellschaft vorüberzieht. Miller, der sich auf dem Schloss erkundigt hat, berichtet Luisa, dass ihr Gelieb­ ter der Sohn des Grafen ist und in Kürze eine hochgestellte, adelige Dame heiraten wird. Rodolfo hat das Ende des Gesprächs mitangehört und schwört, Luisa heiraten zu wollen, auch wenn er des Grafen Sohn ist. Millers Angst vor dem Zorn Walters beantwortet er mit Andeutungen über ein Geheimnis, dessen Enthüllung sein Vater so sehr fürchten müsse, dass er ihn damit in der Hand habe. Der Graf erscheint persönlich und beschimpft Luisa als Hure. Rodolfo zieht den Dolch, bedroht damit zuerst seinen Vater, dann seine Braut, die er lieber töten als der Schande ausliefern will. Miller beruft sich auf seine alte Soldatenehre und

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fordert den Grafen heraus. Als Walter Luisa verhaften lassen will, flüstert Rodol­ fo seinem Vater ins Ohr, er werde das Geheimnis lüften, wie dieser an die Macht gekommen ist. Daraufhin hebt Walter den Befehl zur Verhaftung auf.

ZWEITER AKT «Kabale» Laura und die Dorfbewohner berichten Luisa, dass ihr Vater ins Gefängnis ge­ bracht wurde. Wurm behauptet Luisa gegenüber, Miller sei wegen Majestätsbe­ leidigung zum Tode verurteilt; Graf von Walter verlange als Preis für seine Schonung, dass Luisa einen Brief schreibt, in dem sie ihre Liebe zu Rodolfo leug­net. Widerstrebend schreibt Luisa den Brief, den Wurm ihr diktiert. Er macht sich selbst darin zum Adressaten als wahrem Geliebten Luisas und verlangt von ihr, einen Eid darauf zu leisten, diesen Brief als freiwillig geschrieben an­zu­ erken­nen. Ausserdem muss sie mit aufs Schloss und sich vor Federica zu Wurm bekennen. Walter berichtet Wurm von der Drohung Rodolfos. Gemeinsam hatten beide Walters Vorgänger in der Grafschaft, einen kinderlosen Verwandten, um­ bringen lassen; Rodolfo hatte jedoch von dem Sterbenden die Namen seiner Mörder erfahren. Beide schweben in Todesgefahr, wenn Wurms Intrige, die Ro­dolfo und Luisa entzweien soll, nicht aufgeht. Luisa lügt der Herzogin aus Angst um ihren Vater vor, sie habe nie einen anderen geliebt als Wurm. Federi­ ca schöpft neue Hoffnung; Walter und Wurm scheinen ihr Spiel gewonnen zu haben, während Luisa verzweifelt. Luisas Brief wird Rodolfo von einem Bauern, den Wurm bestochen hat, in die Hände gespielt. Er fordert seinen vermeintlichen Nebenbuhler zum Duell. Wurm gelingt durch einen Schuss in die Luft die Flucht. Walter gibt vor, der Heirat von Luisa und Rodolfo nunmehr zustimmen zu wollen, woraufhin Ro­ dolfo ihm von der Untreue Luisas berichtet. Der Graf schlägt seinem Sohn vor, sich durch die Heirat mit Federica an Luisa zu rächen.

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DRITTER AKT «Gift» Luisa hat beschlossen, sich das Leben zu nehmen. In einem Brief, der Rodolfo erst nach ihrem Tod erreichen soll, schlägt sie ihm vor, es ihr gleich zu tun. Vater Miller, der aus der Haft entlassen worden ist und von Wurm alles erfahren hat, liest Luisas Abschiedsbrief. Durch seine Vorwürfe, Luisa wolle ihn im Alter alleinlassen, kann er sie bewegen, ihren Plan aufzugeben. Statt dessen schlägt sie ihm vor, den Ort anderntags zu verlassen und gemeinsam ein Leben in Armut zu führen. In der Kirche wird die Hochzeit Rodolfos mit Federica vorbereitet. Wäh­ rend Luisa betet, erscheint Rodolfo. Er beauftragt einen Diener, seinen Vater herzuholen, betritt das Haus und schüttet heimlich Gift in einen Trank. Als Luisa auf seine Frage hin bestätigt, den Brief an Wurm geschrieben zu haben, trinkt er davon und fordert auch Luisa unter einem Vorwand dazu auf. Nach­ dem er ihr eröffnet hat, sie werde in kurzer Zeit zusammen mit ihm sterben, fühlt sich Luisa nicht mehr an ihren Eid gebunden und sagt ihm die Wahrheit. Das Gift tut seine Wirkung. Miller muss mit ansehen, wie seine Tochter stirbt. Als Wurm und Walter eintreffen, ersticht Rodolfo mit letzter Kraft Wurm als den Urheber der Intrige und gibt seinem Vater Mitschuld am Tode seines eigenen Sohnes.

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Barbara Frittoli Spielzeit 2OO9/1O


Walter: Wenn ich auftrete, zittert ein Herzogtum. Lass doch sehen, ob mich ein Starrkopf von Sohn meistert. («Kabale und Liebe», I. Akt, 7. Szene)

Miller: Gott weiss, wie ich schlechter Mann zu diesem Engel gekommen bin! – Meine Luise, mein Himmelreich! («Kabale und Liebe», V. Akt, 1. Szene)

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VÄTER, SÖHNE, TÖCHTER SCHWIEGERSÖHNE Zeugnisse der Weltgeschichte Mein Sohn, bewahre das Gebot deines Vaters und lass nicht fahren die Weisung deiner Mutter. Binde sie dir aufs Herz allezeit und hänge sie um deinen Hals, dass sie dich bewachen, wenn du dich legst; dass sie zu dir sprechen, wenn du aufwachst. Denn das Gebot ist eine Leuchte und die Weisung ein Licht, und die Vermahnung ist der Weg des Lebens, auf dass du bewahrt werdest vor der Frau deines Nächsten, vor der glatten Zunge der Fremden. Lässt du ab, mein Sohn, auf Ermahnung zu hören, so irrst du ab von ver­ nünftiger Lehre. Ein weiser Sohn liebt Zucht; aber ein Spötter hört selbst auf Drohen nicht. Wende dein Herz hin zur Zucht und deine Ohren zu vernünftiger Rede. Mein Sohn, wenn dein Herz weise ist, so freut sich auch mein Herz, und meine Seele ist froh, wenn deine Lippen reden, was recht ist. Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn beizeiten. Denn es steht geschrieben: Lass nicht ab, den Knaben zu züchtigen; denn wenn du ihn mit der Rute schlägst, so wird er sein Leben behalten; du schlägst ihn mit der Rute, aber du errettest ihn vom Tode. Züchtige deinen Sohn, solange Hoffnung da ist, aber lass dich nicht hin­ reissen, ihn zu töten. Wer einen Toten zeugt, muss sich grämen, und eines Toren Vater hat keine Freude. Ein törichter Sohn ist seines Vaters Verdruss und ein Gram für die Mutter, die ihn geboren hat. Wer den Vater misshandelt und die Mutter verjagt, der ist ein schandbarer und verfluchter Sohn. Wenn jemand einen widerspenstigen und ungehorsamen Sohn hat, der der Stimme seines Vaters und seiner Mutter nicht gehorcht und auch, wenn sie ihn

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züchtigen, ihnen nicht gehorchen will, so sollen ihn Vater und Mutter ergreifen und zu den Ältesten der Stadt führen und zu dem Tor des Ortes und zu den Ältesten der Stadt sagen: Dieser Sohn ist widerspenstig und ungehorsam und gehorcht unserer Stimme nicht und ist ein Prasser und Trunkenbold. So sollen ihn steinigen alle Leute seiner Stadt, dass er sterbe, und du sollst so das Böse aus deiner Mitte wegtun, dass ganz Israel aufhorche und sich fürchte. Aus dem Alten Testament (5. Buch Mose, Sprüche Salomos, Prophet Maleachi)

Ein eigensinniger, böser Kopf, der nicht seinen Vater liebet; denn wenn man nun Alles tut, absonderlich seinen Vater liebet, so tut man, was er haben will, nicht wenn er dabei steht, sondern wenn er nicht Alles sieht. Zum Andern weiss er wohl, dass ich keinen effeminirten Kerl leiden kann, der keine männliche Inclinationen hat, der sich nicht schämt, nicht reiten noch schiessen zu können, und dabei malpropre an seinem Leibe, seine Haare wie ein Narr sich frisiret und nicht verschneidet, und ich Alles dieses tausendmal reprimandiret, aber Alles umsonst und keine Besserung in nichts ist. Zum Andern hoffärtig, recht bauernstolz ist, mit keinem Menschen spricht, als mit Welschen, und nicht populär und affable ist, und mit dem Gesichte Grimassen macht, als wenn er ein Narr wäre, und in nichts meinen Willen Tut, als mit Force angehalten; nichts aus Liebe, und er Alles dazu nichts Lust hat, als seinem eigenen Kopf folgen, sonsten Alles nichts nütze ist. König Friedrich Wilhelm I. von Preussen an seinen Sohn Friedrich (1728)

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Liebster Schwiegervater, nachdem ich lange gewartet hatte, glaubte ich nicht, von Ihnen einen so kalten Brief zu erhalten, in dem es, wenn ich mich nicht täusche, ein paar recht kränkende Sätze gibt. Wenn dieser Brief nicht von Anto­ nio Barezzi, das heisst meinem Wohltäter, unterschrieben wäre, hätte ich sehr heftig geantwortet oder ich hätte überhaupt nicht geantwortet; da er aber die­ sen Namen trägt, den zu achten mir stets Pflicht sein wird, werde ich Sie nach Möglichkeit zu überzeugen versuchen, dass ich solchen Tadel nicht verdiene. Um das zu tun, muss ich auf Vergangenes zurückkommen, von Anderem spre­ chen, von unserer Kleinstadt, und der Brief wird etwas weitschweifig und lang­ weilig werden, aber ich will versuchen, mich so kurz zu fassen, wie ich kann. Ich glaube nicht, dass Sie mir aus eigenem Antrieb einen Brief geschrieben hätten, der mir, wie Sie wussten, nur Missfallen bereiten konnte; aber Sie leben in einer Kleinstadt, die die schlechte Eigenschaft hat, dass man sich häufig in die Angelegenheiten anderer eindrängt und alles missbilligt, was den eigenen An­ schau­ungen nicht entspricht; ich habe die Gewohnheit, mich in die Angelegen­ hei­ten anderer nicht einzumischen, wenn man mich nicht darum bittet, weil ich eben verlange, dass niemand sich in die meinen mengt. Daher kommen Ge­rede, Klatsch und Missbilligung. Diese Freiheit des Handelns, die man auch in weni­ ger zivilisierten Kleinstädten achtet, verlange ich als mein gutes Recht auch in der meinen. Seien Sie selber Richter, und seien Sie ein strenger Richter, aber kühl und ohne Leidenschaft: Was ist Schlimmes daran, wenn ich abseits lebe, wenn ich es für gut halte, Leuten, die Titel haben, keine Besuche zu machen? Wenn ich an den Festen, den Vergnügungen der anderen nicht teilnehme? Wenn ich meine Güter verwalte, weil es mir gefällt und mich zerstreut? – Ich wiederhole: was ist Schlimmes daran? In jedem Fall hätte niemand dabei Schaden zu leiden. Damit habe ich Ihnen meine Ansichten, mein Tun, mein Wollen, mein Leben, mein sozusagen öffentliches Leben aufgedeckt, und da wir dabei sind, Enthüllungen zu machen, fällt es mir keineswegs schwer, den Vorhang aufzuzie­ hen, der die Geheimnisse meiner vier Wände verdeckt, und Ihnen von meinem häuslichen Leben sprechen. Ich habe nichts zu verbergen. In meinem Hause lebt eine Dame – frei, unabhängig, die Einsamkeit liebend wie ich, mit einem Vermögen, das sie vor jeder Notlage schützt. Weder ich noch sie sind über unser Tun irgend jemand Rechenschaft schuldig; aber andererseits, wer weiss, was für

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Beziehungen es zwischen uns gibt? Was sind unsere Geschäfte, was unsere Bin­ dungen, was die Rechte, die ich über sie habe und sie über mich? Wer weiss, ob sie meine Frau ist oder nicht? Und in diesem Fall, wer weiss, was die besonderen Gründe, was die Absichten sind, die Veröffentlichung zu verschweigen? Wer weiss, ob das gut oder schlecht ist? Warum könnte es nicht auch etwas Gutes sein? Und wäre es auch etwas Schlechtes, wer hat das Recht, den Bannfluch gegen uns zu schleudern? Ich will sogar sagen, dass ihr in meinem Haus die gleiche und sogar noch grössere Achtung gebührt als mir, und dass es daran nie­mand fehlen lassen darf, unter keinerlei Vorwand; und dass sie schliesslich Anspruch darauf hat, sowohl wegen ihrer Haltung wie wegen ihres Geistes und ihrer besonderen Rücksicht auf andere, woran sie es niemals fehlen lässt. Mit dieser langen Rede habe ich nichts anderes zu sagen beabsichtigt, als dass ich meine Freiheit des Handelns verlange, weil alle Menschen Recht darauf haben und weil sich meine Natur dagegen auflehnt, wie andere zu handeln. Und Sie, der Sie im Grund so gütig, so gerecht sind und so viel Herz haben, lassen Sie sich nicht beeinflussen und nehmen Sie die Denkart einer Kleinstadt nicht an, die mich – man muss das so sagen! – seinerzeit nicht als ihren Orga­ nisten zu nehmen geruhte und jetzt zu Unrecht und entgegen den Tatsachen über meine Angelegenheiten klatscht. Das kann nicht so weitergehen; sollte das aber der Fall sein, wäre ich Manns genug, meine Entschlüsse zu fassen. Die Welt ist so gross und der Verlust von zwanzig- oder dreissigtausend Francs wird mich nie hindern, mir anderswo eine Heimat zu finden. In diesem Brief kann nichts Beleidigendes stehen; sollte Ihnen aber irgend etwas darin missfallen, dann halten Sie es für nicht geschrieben, denn ich schwöre Ihnen bei meiner Ehre, dass ich nicht die Absicht habe, Sie in irgend einer Weise zu kränken. Ich habe Sie stets als meinen Wohltäter angesehen und sehe Sie weiter so an; ich mache mir eine Ehre daraus und bin stolz darauf. – Addio, addio! In alter Freundschaft. Giuseppe Verdi aus Paris an seinen Schwiegervater Antonio Barezzi (21. Januar 1852)

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[ Die Dame, die seit 1849 – dem Entstehungsjahr der Oper «Luisa Miller» – auf Verdis Landsitz Sant’Agata lebte, ohne mit ihm verheiratet zu sein, woran die Bürger der nahen Kleinstadt Busseto Anstoss nahmen, war die Sängerin Giuseppina Strepponi (1815-1897). Erst 1859 heiratete Verdi sie. Antonio Barezzi (1787-1867), der Verdis Karriere von Beginn an ge­ fördert hatte, war der Vater von Verdis erster Frau Margherita, die 1840 im Alter von nur 26 Jahren starb. Mit ihr hatte Verdi zwei Kinder: Virginia, gestorben 1838, und Icilio, gestorben 1839. ]

Mein geliebter Vater, Deine Briefe aus Dresden haben wir erhalten, und ich danke Dir für Deine lieben Zeilen; grosse Sehnsucht hätte ich, Dich, mein lieber Vater, wieder zu sehen und mit Dir so recht in aller Liebe und Eintracht einmal zu reden; so lass es mich jetzt wenigstens schriftlich tun. Ich las deinen Brief an Emilie und gestehe Dir aufrichtig, dass Du manches berührt, was schon längst in mir sprach, und worüber ich schon viel im Stillen nachgedacht. Meine Liebe zu Schumann ist allerdings eine leidenschaftliche, doch nicht bloss aus Leidenschaft und Schwärmerei lieb ich ihn, sondern weil ich ihn für den besten Menschen halte, weil ich glaube, dass kein Mann mich so rein, so edel lieben und mich so verstehen würde als er, und so glaub ich auf der anderen Seite auch ihn mit meinem Besitz ganz beglücken zu können, und gewiss keine andere Frau würde ihn so verstehen wie ich. Du wirst mir verzeihen, lieber Vater, wenn ich Dir sage, Ihr alle kennt ihn doch gar nicht, und könnte ich Euch doch nur überzeugen von seiner Herzensgüte! Jeder Mensch hat ja seine Eigenheiten, muss man ihn nicht darnach nehmen? Ich weiss, was Schumann fehlt, das ist ein Freund, ein erfahrener Mann, der ihm beisteht und hülfreiche Hand leistet; bedenke, dass Schumann nie in die Welt gekommen war – kann es denn nun auf einmal gehen? Ach Vater, wärest Du ihm ein Freund – Du solltest ihn gewiss nicht undankbar finden und Du würdest ihn gewiss achten; glaubst Du denn, dass ich Schumann so liebte, wenn ich ihn nicht achtete? Glaubst Du nicht, dass ich wohl seine Fehler weiss? Aber auch seine Tugenden kenne ich. Uns würde zu unserem Glücke nichts fehlen als ein, wenn auch kleines, doch sicheres Aus­ kommen, und Deine Einwilligung; ohne letzteres wäre ich ganz unglücklich,

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Lรกszlรณ Polgรกr, Kind Spielzeit 2OO9/1O


ich könnte nie Ruhe haben, und Schumann, der ja so viel Gemüth hat, würde das auch unglücklich machen; ich sollte verstossen von Dir leben und Dich unglücklich wissen! Das hielte ich nicht aus. Lieber Vater, versprichst Du mir Deine Einwilligung, wenn Dir Schumann ein Einkommen von 1000 Thalern ausweisen kann? [...] Ich verspreche Dir hingegen, Schumann nicht eher zu heiraten, als bis uns keine sorgenvollen Tage mehr erwarten. Gewinnt Schumann ein sicheres Aus­ kommen, was ich sicher glaube, und wir haben alsdann Deine Einwilligung, so machst du uns zu den glücklichsten Menschen – sonst zu den Unglücklichsten. Nie kann ich von ihm lassen, und er nicht von mir – nie könnte ich einen an­ deren Mann lieben – ich bitte Dich, versprich es mir, sage mir aufrichtig, was Du verlangst, was Du in Deinem Innern denkst, mache mir keine Hoffnung, wenn es Dir nicht Ernst damit ist. Ach wie glücklich kannst Du uns machen! Mein Herz ist so voll Liebe – willst du es brechen? Das hätte ich nicht verdient! Du hältst mich nicht für gut, Du sagst, mein Charakter sei verdorben, ich wis­ se nicht, wie Du mich liebst, ich sei undankbar – ach Vater, da tust Du mir doch gar zu unrecht. Emilie und Henriette sind Zeuge, mit welcher Liebe ich von Dir spreche, immer, selbst nach Deinen vorwurfsvollen Briefen! Oft weinte ich schon im Stillen, von Dir getrennt zu sein, Dich auf Deinen Spaziergängen nicht begleiten zu können, mich von Dir undankbar genannt zu wissen und so vieles noch! Hing ich je an Dir, so ist es jetzt. Du zanktest mir in Leipzig, dass ich nie heiter war; bedenke doch einmal in welchem Zustande ich in Leipzig war, und wie man überhaupt ist, wenn man liebt, dass man da liebevoller teilnehmender Umgebung bedarf – hatte ich die? Durfte ich Dir je von meiner Liebe sprechen? Mit wem möchte man wohl lieber darüber sprechen als mit den Eltern? Und vollends ich mit Dir! Wie oft versuchte ich es, Dich durch mein Vertrauen zu Dir teilnehmender zu machen, hingegen machte ich dich immer zorniger; nichts durfte ich! Im Gegenteil, ich musste meine Liebe in mich verschliessen, und musste, ach so oft! mich und den Gegenstand meiner Liebe verspottet sehen – das kann ein liebend Herz wie das meine nicht ertragen; Ihr kanntet meine Gefühle nicht; und dachtet nicht dass jedes Eurer Worte, ja nur eine Miene mir schon das Herz hätte zerreissen können! War es so nicht natürlich, dass ich mich unglücklich fühlte? Ach, mein lieber Vater, wie glücklich würden wir sein, wenn

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Du mich schonender behandeltest und einen Funken Liebe nur wieder in Dir er­wachen liessest für Schumann, Du würdest ihn nicht undankbar finden – wir alle wären glücklich! Könnte ich Dir nur alles sagen, was noch in mir spricht, hätte ich Dich nur da, Du liessest dich rühren! – Oder hältst Du mich für eine Lügnerin? Für falsch heuchlerisch? Glaub ich es doch fast! Du kennst mich wirk­ lich nicht ganz! Haben mich doch andere Menschen lieb, weil sie meinen, ich sei gut, und Du hältst mich nicht dafür? Oh ja, doch! Und darum gib mir einen Kuss – so! Ich bitte Dich, schreib mir gleich wieder, ich kann nicht lange in der Unruhe bleiben. [...] Ich bitte Dich aber dringend, gib mir keine Hoffnun­gen, um mich zu vertrösten – Du würdest mich desto trauriger dadurch machen... Clara Wieck aus Paris an ihren Vater Friedrich Wieck (1. Mai 1839) [ Nachdem Friedrich Wieck die Heirat seiner Tochter Clara (1819-1896) mit Robert Schumann (1810-1856) jahrelang verhindert hatte, erteilte ein Gericht in Leipzig 1840 die amtliche Zustimmung, wodurch die väter­ liche Einwilligung unnötig wurde. Die Trauung fand am 12. September 1840 statt. Drei Jahre nach diesem Bruch kam es auf Initiative des Vaters zur Versöhnung. ]

Mein liebes Christianerl, heute ist mein letzter Tag hier. Es bietet sich gerade eine Gelegenheit mit Alexander Beroldingen der per Auto nach Schönbichl zurückfährt (das Schloss an der Donau unweit Melk) bis Salzburg zu fahren, vielleicht fahre ich auch weiter mit ihm und steige erst in Wels oder Linz in den Zug. Vorgestern abends habe ich Deinen Brief bekommen, und mit all der Liebe, die Du verdienst und ziemlicher Bekümmernis darüber nachgedacht. Die Angst gerade durch den Verzicht auf allen Zwang und durch das Ab­ weichen von der Convention, in der doch so viel Gesundes liegt, eine schwere Verantwortung auf mich zu laden, lässt mich nicht los. Alles wie Du es tust und auffassest ist mir ja so sympathisch und fasslich – aber gerade was menschlich

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eine grosse Qualität ist, Deine droiture und der Wille, alles mit dem Verstand und einfach anzufassen, und nicht auf die gewissen halb instinctiven Kunstgrif­ fe und Grimassen des Weiblichen Dich einzulassen, darin liegt andererseits für Dich als Frau, als ein junges und unerfahrenes weibliches Wesen, eine so grosse Gefahr, die ich klar vor mir sehe, ohne ihr wehren zu können. Die Nachricht, dass M. sich verheirathet, kommt mir ganz unerwartet. Dass dieses einseitige Attachement dadurch ein Ende findet, ist mir sehr erwünscht – aber ich muss doch mit grossem Leid aus Deinem Brief sehen, wie nahe es Dir gegangen ist, wie du gerade diese Wendung gar nicht vorausgesehen hast – und das Verhalten des M. wird mir ganz unerklärlich – aber das wird sich Dir indessen aufgeklärt haben, und so werde ich es später auch von Dir erfahren. Nun aber mit wirklichem Schrecken sehe ich aus Deinem Brief dass du diesen bedenklichen schwebenden Ausdruck «Freund» von einem neuen Be­ kannten gebrauchst – abermals von einem Menschen an dem vielleicht Du stärkeres Interesse nimmst, als er an Dir – abermals von einem Menschen, den anderwärts Pflichten binden u. belasten – und der vielleicht gar nicht frei ist dir ein Freund – auch nur im Sinne des wahrhaft Wohlgesinnten, mit dem Gemüth an deiner Existenz Teilnehmenden – zu sein. Ganz natürlich erschiene mir ja das von meiner Seite, als Mann gesehen. Gerade die Männer die es am meisten sind, sind am wenigsten «Männer für Frauen». Wen, wie einen Schwimmer auf unruhigem Meer, das gefährliche Element des Lebens umgibt – der hat vielleicht für ein Mädchen das seinen Blick trifft, nicht viel mehr übrig als diesen Blick. Und was ich menschlich so sehr verstehen kann, dass sich Dir die Lebensneu­ gierde der Jugend, die Lust gerade das Gefährliche des Lebens zu erkennen und bis zu einem gewissen Grad auf Dich zu nehmen – dass sich Dir diese Neugier­ de, und der schöne Drang, zu bewundern, vermischt mit weiblichem Mitgefühl und der Fähigkeit gerührt und bewegt zu werden – dies Menschliche wieder worin Du dich weiter sozusagen grossmütiger verhältst als die nur frauenhafte Frau – gerade dies birgt für Dich wieder die Gefahr, zu leiden. Nicht als ob das Leiden aus dem Dasein auszuscheiden wäre: nein es ist der eigentliche Inhalt unseres Daseins und auch was wir das Schöne nennen, ist ohne das Leiden nicht denkbar – ja es ist die Blüte die aus dem Leiden hervorwächst – aber es ist ein Anderes ob wir leiden wo wir leiden müssen und wovor keine Schutzwehr uns

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bewahren kann, oder ob Du Dich in ein unnotwendiges Leiden halb spielend halbbegehrlich verstrickst. Hier ängstet mich nun die Verantwortung dass ich dich so ausserhalb der Conventionen leben lasse, die eben die natürlichen Schutz­ mauern der Existenz sind. Denn es ist ein Anderes ob Du einen Menschen in den Grenzen der Häufigkeit siehst die eben von den conventionellen Umstän­ den errichtet werden – oder ob wieder ein ungehemmtes Zusammensein für den einen eine vielleicht reizende Zerstreuung in einem angespannten Dasein bedeutet, für Dich aber, für die andere, den gefährlichen schliesslich die innere Ruhe auflösenden ganzen Inhalt sonst inhaltleerer Tage. Und die innere Ruhe, das Gleichgewicht zwischen Verstand u. Gemüth, die Fähigkeit des Beruhens auf Dir selber und des Ziehens der Freudigkeit aus Dir selber, aus den geheimen fast unerschöpflichen Ressourcen des Individuums – das ist ja Alles! mein gutes Kind – das ist das Höchste, das Gott Dir geben kann. Ich möchte Dir dies Alles besser u. eindringlicher sagen können – leider ist das Wetter drückend, gegen Schneewetter hin, und ich bin nicht Herr meiner Gedanken und der Mittel, sie auszudrücken – und will doch diesen Brief nicht aufschieben. Leb wohl, und gib mir bald wieder eine directe Nachricht – es quält mich, wenn ich so wenig von Dir weiss. – Dass Du über eine notwendige u. natürliche Ausgabe von 60 Mark consterniert bist, ist lächerlich u. soll nicht sein. Ich will durchaus dass Du nicht etwa deswegen eine Behandlung aufgibts! – Es müssen bei Fischer seit Anfang November 60 Buchmark gutstehen – nimm die u. weiteres von Fürstner u. nutzt dies nicht so lass Dir von Wiegand 100 Goldmark vorstrecken. Ich will durchaus nicht dass Du Dich um Geldes willen abquälst. Dein Papa.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Hugo von Hofmannsthal an seine Tochter Christiane von Hofmannsthal (5. Dezember 1923) [ Christiane von Hofmannsthal (1902-1987) heiratete 1929 den Indo­lo­gen Heinrich Zimmer. Im selben Jahr starb ihr Vater Hugo von Hofmannsthal (geb. 1874) an einem Schlaganfall, der ihn ereilte, als er zur Beerdigung seines Sohnes Franz aufbrechen wollte; dieser hatte im Alter von 26 Jahren Selbstmord begangen. ]

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Barbara Frittoli Spielzeit 2OO9/1O


Ferdinand: Ich soll diesen Engel würgen? Die Hölle soll ich in diesen himmlischen Busen schütten? Ich will sie führen vor des Weltrichters Thron, und ob meine Liebe Verbrechen ist, soll der Ewige sagen. («Kabale und Liebe», II. Akt, 5. Szene)

Luise: Nur ein heulender Sünder konnte den Tod ein Gerippe schelten; es ist ein holder Knabe, blühend, wie sie den Liebesgott malen, aber so tückisch nicht – ein stiller, dienst­barer Genius, der der erschöpften Pilgerin Seele den Arm bietet über den Graben der Zeit, das Feenschloss der ewigen Herrlichkeit aufschliesst, freundlich nickt und verschwindet. («Kabale und Liebe», V. Akt, 1. Szene)

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DIE INNENANSICHT DER FIGUREN TRITT IN DEN VORDERGRUND Ein Gespräch zwischen dem Regisseur Damiano Michieletto, dem Bühnenbildner Paolo Fantin, dem Dirigenten Massimo Zanetti und dem Dramaturgen Konrad Kuhn

Konrad Kuhn: Luisa Miller gehört zu den weniger häufig gespielten VerdiOpern, entstanden in der Zeit der sog. «Galeerenjahre». Die Aufführungstradi­ tion ist bei solchen Stücken, anders als z.B. bei La traviata oder Rigoletto, in den Köpfen des Publikums weniger präsent. Schafft das eine grössere Freiheit für die Interpreten? Damiano Michieletto: Ich versuche immer, mich frei zu machen von berühmten Vorgängern. Man sollte die Tradition kennen, dann aber seinen eigenen Weg finden, die jeweilige Geschichte zu erzählen. Das ist vielleicht einfacher, wenn das Stück weniger bekannt ist. Im Vordergrund steht aber für mich in jedem Fall das Werk selbst, mit dem ich mich auseinandersetze und das mich herausfordert. Das gilt sicher auch für den Dirigenten. K. K.: Verdi hat nicht weniger als vier Opern geschrieben, deren Sujet auf ein Theaterstück von Friedrich Schiller zurückgeht. Briefen von ihm über Kabale und Liebe zufolge dürfte ihn in diesem Fall besonders fasziniert haben, mit welcher Unausweichlichkeit die Handlung auf ihr tragisches Ende zurast. In Schillers «bürgerlichem Trauerspiel» ist der Grundkonflikt dadurch gegeben, dass zwei verschiedene Welten aufeinandertreffen: die Bürgerwelt Millers und die höfisch-aristokratische Welt Walters. Dieser Zusammenprall tritt bei Verdi in den Hintergrund, was auch der Zensur im Neapel des Uraufführungsjahres 1849

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geschuldet ist. Statt dessen rücken die mit schonungsloser Härte und psycholo­ gischem Scharfblick beschriebenen Eigenheiten der Figuren in den Mittelpunkt des Interesses. Entsteht die Tragik in der Oper Luisa Miller nicht aus dem Aufei­ nandertreffen von Charakteren, deren unterschiedliche Schwächen dazu führen, dass sie immer genau das Falsche tun? Oder woran scheitert die Liebe zwischen Luisa und Rodolfo? D. M.: Wir haben die unterschiedliche Standeszugehörigkeit der Figuren durch einen klaren Kontrast in den Kostümen und im Bühnenbild auszudrücken ver­ sucht, die sich im Übrigen von der Epoche her an der Entstehungszeit von Schillers Drama orientieren. Im Wesentlichen ging es mir um die Beziehungen der Figuren zueinander. Das irrationale Element, vor allem in den sehr emotiona­ len Beziehungen zwischen den beiden Vätern und ihren jeweiligen Kindern, wirkt sich zerstörerisch aus. Die Väter wollen in ihren Kindern vor allem das eigene Ebenbild, sozusagen das ‹eigene Fleisch und Blut› sehen. Das bringt ein sehr primitives Denken und Fühlen in die Beziehung. Der Verstand kann dagegen nicht an. Ein gesundes Verhältnis wird unmöglich. Das hat mich sofort ange­ sprungen, auch bei Schiller. Die Figur des Miller ist bei Verdi allerdings sehr viel nobler, romantischer gezeichnet; in der Vorlage ist er härter, direkter, geradezu derb. Es gibt bei Schiller einen Satz, in dem Miller sinngemäss über Luisa sagt: Das Mädchen ist einfach nicht klug genug für diese Welt, das Denken muss ich an ihrer Stelle übernehmen. Walter sagt in der Oper etwas ganz Ähnliches von Rodolfo: «Am Morgen des Lebens weicht Verstand oft blinder Liebe! Der Vater muss den Mangel an Vernunft des Sohnes wettmachen.» Beide Väter wünschen natürlich das Beste für ihre Kinder. In Wirklichkeit projizieren sie damit aber nur ihre eigenen Wünsche auf die Kinder, denen sie keinerlei Freiheit lassen. So er­ reichen sie am Ende das Schlimmste: beide Kinder liegen tot vor ihren Vätern. K. K.: Die Beziehungen zwischen Luisa und Miller sowie zwischen Rodolfo und Walter erscheinen zunächst streng parallel gesetzt. Die beiden Vätergestalten unterscheiden sich charakterlich jedoch erheblich, wie Du schon angedeutet hast.

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D. M.: Luisas Vater ist viel emotionaler, sucht die Nähe zu seiner Tochter, auch körperlich. Walter ist dagegen verhärtet, ein wirklich autoritärer Charakter. Ich traue allerdings den Worten Millers nicht so ganz, wenn er Wurm gegenüber erklärt, die Gattenwahl der Kinder müsse frei sein. Er schiebt dieses Argument nur vor, weil er auf keinen Fall möchte, dass Luisa Wurm heiratet. Wenn es um einen anderen Bräutigam ginge, der ihm gefiele, täte er alles, damit sie ihn hei­ ratet. Beide Väter wollen letztlich den Kindern ihre eigenen Vorstellungen auf­ zwingen, wenn auch im Falle Miller mit einer ehrlichen Zuneigung zu seiner Tochter. Deshalb gibt es Szenen eines zärtlichen Umgangs zwischen Miller und Luisa, die es zwischen Walter und Rodolfo nicht gibt. Massimo Zanetti: Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, was Verdi an Das komplette Programmbuch Schillers Stück fasziniert hat. Ich glaube, da gibt es etwas, was bei Schiller wie­ derum von Rousseau beeinflusst war: die Vorstellung vom Kind als einem rei­ können Sie auf neren, noch nicht von der Gesellschaft deformierten Wesen. Das Kind hat ein Gerechtigkeitsempfinden, spricht die Dinge viel direkter aus; in der Erwachse­ www.opernhaus.ch/shop nenwelt dagegen dominieren Lüge, Intrige, Verstellung. Diesen Generations­ konflikt hat Verdi betont. Den politischen Aspekt, der bei Schiller natürlich sehr oder im Foyer stark am ist, mussteVorstellungsabend Verdi in dem geschichtlichen Augenblick, als die Oper Luisa Miller entstand, einfach beiseite lassen. Er hatte seit seinem Durchbruch mit Nabucco (1842) bis zu diesem Zeitpunkt eine ganzeerwerben Reihe von Opern geschrie­ des Opernhauses ben, die hochpolitische Stoffe behandeln: u.a. La battaglia di Legnano, I Lombardi alla prima crociata, Attila usw. Nach der gescheiterten Revolution von 1848, die für das weiterhin von fremden Mächten besetzte, ungeeinte Italien katastrophale Folgen hatte, konnte er so nicht fortfahren. Mit Luisa Miller be­ ginnt die Reihe der Opern, die sich mehr psychologisch brisanten Sujets zuwen­ den, wie das wenig später noch mehr bei La traviata der Fall ist. Paolo Fantin: Was die Zweiteilung des Bühnenbildes betrifft: Das ist nicht als realistischer Raum zu verstehen, sondern eher als Abbild der Psyche der Figuren. Deren Ängste gewinnen Gestalt. Die Elemente des Bühnenbildes geraten immer mehr durcheinander im Verlauf der Aufführung, die beiden Welten – die MillerWelt und die Walter-Welt – vermischen sich, die Spiegelbildlichkeit des Anfangs

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wird zunehmend durchbrochen. Durch die Bewegungen der Drehbühne gerät alles in Fluss, die Räume laufen einander sozusagen hinterher. Eine Art Labyrinth entsteht: was Fussboden war, fährt plötzlich hoch und wird zur Wand, so dass die Figuren in manchen Augenblicken wie eingesperrt sind. Einige Türen sind normal begehbar, andere stehen auf dem Kopf; diese Türen führen nicht in einen anderen Raum, sondern öffnen vielleicht eher Durchblicke auf bestimmte Vor­ stellungen im Kopf der Figuren. In anderen Szenen wiederum entsteht, wenn die Türen im oberen Bereich des Umraums sich plötzlich öffnen, eine Situation des Beobachtet-Werdens. K. K.: Dieser Effekt wird an einer Stelle noch durch Passanten, die man als Video­ projektion hinter diesen Türen sieht, verstärkt. P. F.: Die Videoprojektionen sind ein weiteres Mittel, um Zustände der Figuren zu versinnbildlichen. Die Passanten, deren Silhouetten man hinter den geöffne­ ten Türen sieht, stehen für die Angst, ausgespäht zu werden, die Miller in diesem Augenblick empfindet. Er fürchtet, die Schande seiner Tochter, die in seinen Augen einem Verführer in die Hände gefallen ist, könnte öffentlich werden. Wir wollten nicht so sehr realistische Bilder zeigen, sondern vielmehr abstrakte As­ soziationen ermöglichen. In der Finalszene ist im gesungenen Text von Tropfen die Rede: die Tropfen des Giftes, das sich im Körper von Luisa und Rodolfo ausbreitet, die Tränen, die Rodolfo als Eistropfen beschreibt, die vom Gewölbe eine Grabes herabtropfen. Mit einer Videoprojektion von sich ausbreitenden Tropfen soll der innere Zustand der beiden Figuren in diesem Augenblick sym­ bolisiert werden: Die helle Fläche wird durch das sich immer mehr ausbreitende Dunkel vereinnahmt, das Gift im Denken der Figuren lässt Weiss zu Schwarz werden. Am Ende hüllt das Dunkel die beiden Protagonisten ganz buchstäblich ein – im Augenblick ihres Todes. K. K.: Zugleich führt das Bühnenbild realistische Versatzstücke wie die beiden Tische mit Stühlen und die beiden Betten oder auch die Madonna sowie den Blumenstrauss ein, die mehr und mehr über ihre naturalistische Funktion hinaus Bedeutung gewinnen.

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P. F.: Die Möbel und Requisiten erfüllen immer weniger das, was die Regieanwei­ sungen nahelegen würden, sondern werden zu Symbolen. Die Elemente bleiben durch das ganze Stück hindurch dieselben; sie verändern aber ihre Position, verselbständigen sich und folgen jeweils den sich verändernden Situationen. Der Raum wird zum Ausdruck für das, was sich in den Köpfen der Figuren abspielt. Simultanszenen werden möglich, wie z.B. mit Wurm, der an einigen Stellen auf­ tritt, wo das im Libretto nicht vorgesehen ist. Ebenso die beiden Kinderstatis­ten, die wir als Verdoppelung von Luisa und Rodolfo eingeführt haben. D. M.: Mit den beiden Kinderstatisten, die quasi auf einer eigenen Ebene durch die Aufführung hindurchgehen, wollten wir etwas verstärken, das schon in der Geschichte drinsteckt. Wir wollten deutlich machen, dass beide Väter nicht auf­ hören können, ihre Kinder dominieren zu wollen: Sie sehen immer noch die klei­nen Kinder in ihnen, die Luisa und Rodolfo längst nicht mehr sind. Verdi zeigt uns Walter und Miller stets als Eltern; es gibt keine Szene, in der sie uns als Erwachsene, unabhängig von ihrer Elternrolle, begegnen oder von sich selbst erzählen. Alles, was sie tun oder sagen, ist immer auf die Kinder bezogen. Auch, wenn sich die beiden Väter im Finale des 1. Aktes begegnen, läuft die Konfronta­ tion zwischen Miller und Walter über die Kinder. Im 3. Akt erleben wir Miller wieder im Duett mit Luisa, in dem beide sich finden in dem Gedanken, ihr Leben lang vereint zu sein. Eine solche Vater-Kind-Beziehung erscheint mir krank­haft. Miller hat doch sicher vieles erlebt: Er war Soldat, war verheiratet. Da­rüber er­ fah­ren wir nichts. Das Leben von Miller besteht nur aus seiner Tochter. Es gibt einen utopischen Moment in der Aufführung, in dem man ahnt, wie die beiden Kinder einen Ausweg finden könnten, der es ihnen erlaubt, es später einmal anders zu machen als die Erwachsenen. Im concertato des Quar­ tetts, also in der grossen Ensembleszene im 2. Akt, nehmen sich die beiden Kinder an der Hand, als wollten sie sich still und leise aus dem Staub machen, ohne dass die Erwachsenen, die vollständig unbeweglich ihn ihren Irrtümern, Lügen und Intrigen gefangen sind, etwas davon merken. In diesem Augenblick verdichten und überkreuzen sich all die Handlungsfäden, die zum tragischen Ende führen. Keiner der Erwachsenen kann sich aus der Verstrickung befreien, niemand findet zu seinem Glück, von dem drei der Figuren singen; die Kinder schauen sich das an und nehmen einfach Reissaus.

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Ferdinand: Wer kann den Bund zweier Herzen lösen, oder die Töne eines Akkords auseinanderreissen? («Kabale und Liebe», I. Akt, 4. Szene)

Luise: Die Buchstaben liegen wie kalte Leichname da und leben nur Augen der Liebe. («Kabale und Liebe», V. Akt, 1. Szene)


K. K.: Eine wichtige Rolle in diesem Quartett spielt die Herzogin. In dieser Figur, der Federica, weicht die Oper am stärksten von der Schauspiel-Vorlage Schillers ab. Verdi und seinem Librettisten Salvatore Cammarano erschien es aussichtslos, für eine Aufführung am Teatro San Carlo in Neapel, wo nach wie vor die Bourbonen auf dem Thron sassen, die Maitresse eines Fürsten auf die Bühne zu stellen, wie es Schiller mit der Lady Milford tut. Verdi hat das sehr bedauert, wie wir aus den Briefen zwischen ihm und Cammarano wissen. Ein weiterer Grund dafür, der Herzogin eine weniger prominente Rolle zuzubilligen, als es dem Vorbild, der Milford in Kabale und Liebe, entspricht, liegt darin be­ gründet, dass es zu dieser Zeit nahezu als unmöglich galt, zwei gleichberechtig­ te Primadonnen in einer Oper auftreten zu lassen. Als Donizetti am gleichen Theater fünfzehn Jahre zuvor der Titelfigur in Maria Stuarda mit der Königin Elisabeth eine ebenbürtige Rolle an die Seite gestellt hatte, war es zum Eklat gekommen: Die beiden Sängerinnen griffen sich sogar tätlich an...

Das komplette Programmbuch können Sie auf M. Z.: Es sollte noch fast zwanzig Jahre dauern, bis Verdi dann im Don Carlo mit Eboli www.opernhaus.ch/shop und Elisabetta oder, noch später, in Aida mit Amneris und Aida zwei Rivalinnen einander gegenüberstellte, die zwar durch das Stimmfach voneinander oder amaberVorstellungsabend im etwas Foyer abgegrenzt, beide Hauptrollen sind. – Die Herzogin hat wiederum sehr Nobles. Sie hat keinen Anteil am Intrigenspiel von Walter und Wurm, gerät nur des zufällig durch ihre echte Zuneigung zu Rodolfo da hinein. Opernhauses erwerben K. K.: Verdi und Cammarano erfanden, um die Figur der Herzogin stark zu machen, eine gemeinsame Vergangenheit für Rodolfo und Federica. In der Kind­ heit war schon einmal so etwas wie Liebe zwischen den beiden aufgekeimt – zumindest von Seiten Federicas. Die Herzogin spielt eine zerstörerische Rolle, weil sie Rodolfo nicht zugestehen kann, mit einer anderen glücklich zu werden. Später ist sie nur zu schnell bereit, daran zu glauben, dass Rodolfo Luisas Liebe nicht wirklich besessen hat. – Diese Art von Leichtgläubigkeit findet man auch bei Rodolfo. Ich habe mich gefragt, von welcher Art die Liebe zwischen Rodol­ fo und Luisa ist, wenn sie so leicht zu erschüttern ist. Fasst man die beiden als idealisierte Kinder im Sinne Rousseaus auf, erscheint diese Liebe vielleicht gross und rein. Aber wie kommt es, dass sich Rodolfo so leicht irre machen lässt in

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seiner Liebe zu Luisa? Kaum gerät der fatale Brief, den Luisa unter Zwang ge­ schrie­ben hat, in seine Hände, schon ist er davon überzeugt, Luisa habe ihn von Anfang an betrogen. D. M.: Wenn Rodolfo im letzten Akt hereintritt, fragt er Luisa zuerst: «Hast du diesen Brief geschrieben?» Zu diesem Zeitpunkt haben beide das Gift noch nicht getrunken. So gross die Verzweiflung war, in die ihn der Brief gestürzt hat: Er kann einfach nicht glauben, dass Luisa Wurm liebt. Deshalb fragt er sie auf den Kopf zu. Erst als sie bestätigt, den Brief geschrieben zu haben, reicht er ihr das Gift und trinkt selbst davon. M. Z.: Mir ist aufgefallen, dass es in diesem Stück die Frauen sind, die die Ent­ scheidungen treffen – z.B. im Duett zwischen Luisa und Miller im 3. Akt: Es ist Luisa, die den Vorschlag macht, aufzubrechen und die Heimat zu verlassen. Auch Federica ist eine sehr starke Figur: Sie lässt sich nicht so leicht auf den Mechanismus der Ausflüchte ein. – Was die Eifersucht Rodolfos betrifft: Das ist vielleicht seinem Lebensalter zuzuschreiben, in dem man von Eifersucht, wenn sie einmal ausbricht, völlig überwältigt werden kann. Wie sind sich diese beiden überhaupt begegnet? Es muss eine eher flüchtige Begegnung gewesen sein. Viel Zeit hatten sie nicht, einander kennen zu lernen. K. K.: Ganz zufällig kann diese Begegnung andererseits auch nicht gewesen sein. Rodolfo verkleidet sich, verlässt bewusst die höfische Welt des Vaters, mischt sich unter falschem Namen unter die Dorfbevölkerung. Er benutzt Luisa in gewissem Sinne, um sich von seinem Vater und allem, wofür dieser steht, zu distanzieren. Damit bringt er seine Rebellion gegen das von Karrieredenken bestimmte Weltbild des Vaters zum Ausdruck. Luisa dürfte ihrerseits gespürt haben, dass sich hinter diesem Carlo etwas anderes als ein einfacher Jägerbursche verbirgt. Vielleicht hat sie sich auf diese Begegnung eingelassen, um aus der zu engen Beziehung mit ihrem Vater auszubrechen. Eine Liebesbeziehung, die auf beiden Seiten teilweise von solchen egoistischen Beweggründen getrieben ist, muss viel­leicht scheitern. Eine Schwierigkeit stellte für Verdi und Cammarano die Tatsache dar, dass es in einer Oper damals unbedingt einen Chor geben musste. In Schillers inti­

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mem Drama hat ein Chor jedoch absolut keinen Platz. Cammarano begegnete dieser Schwierigkeit zunächst damit, dass er die Handlung in ein «Dorf in Tirol» verlegte. Aber auch damit wird z.B. der erste Chorauftritt, gleich zu Beginn der Oper, nicht unbedingt plausibler: Eine Menschenmenge von vierzig oder fünf­ zig Personen versammelt sich am frühen Morgen, obendrein noch in der engen Stube Millers, um Luisa zum Geburtstag zu gratulieren... D. M.: Als ich das Libretto zum ersten Mal gelesen habe, habe ich zunächst gar nicht verstanden, wie das gemeint ist. Minutenlang singt der Chor: «Wach auf, Luisa» – und sie wacht einfach nicht auf davon... Aber diese szenische Funktion des Chores, die nach realistischen Massstäben etwas unglaubwürdig ist, fand ich dann gerade interessant. Der Chor ist in diesen Momenten eine Verdoppelung dessen, was Laura verkörpert. Auch textlich deckt sich das: Sie singen dasselbe. Das gilt für die Chorszene zu Beginn des 1. Aktes, aber auch für die zu Beginn des 2. und des 3. Aktes. Durch die Anbindung an Laura gewinnt der Chor eine andere Realität; dadurch können wir im Rahmen des bürgerlichen Trauerspiels von Schiller bleiben. Schon vom Kostüm her heben wir den Chor auf eine an­ dere Ebene: Wir gehen zeitlich etwas weiter in die Zukunft als mit den übrigen Kostümen – etwa frühes 20. Jahrhundert. Der Chor sticht dadurch von den handelnden Personen ab. Er wird zu einem epischen Element, sozusagen zum Zeugen der Geschichte, ohne das Geschehen dabei zu interpretieren.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben K. K.: Was den Chor betrifft, möchte ich auf zwei interessante Stellen in Luisa Miller hinweisen. Verdi schrieb zu Beginn des Finales im 1. Akt einen Jägerchor, der hinter der Bühne erklingt. Besungen wird das Wild, das den Jägern nicht entgehen wird. Auf der Szene sehen wir Luisa, die als das gehetzte Wild er­ scheint. – Eine weitere, sehr wirkungsvolle Stelle gibt es zu Beginn des 2. Aktes, wenn der Chor in Gestalt der Dorfbewohner Luisa zunächst Auskunft über das Schicksal ihres Vaters gibt. Darauf folgt ein kurzer Ausbruch, in dem sich die verzweifelte Wut der Bauern über die Willkür der irdischen Machthaber Luft macht, indem sie den Allmächtigen als Beschützer aller Elenden anrufen. Kaum tritt jedoch Wurm auf, der an dieser Stelle vom Chor mit einem jähen Ausruf des Erschreckens geradezu zum Dämon gemacht wird, schon wird aus der zuvor

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im Fortissimo vorgetragenen Anrufung Gottes ein ins Pianissimo gewendeter Stossseufzer, mit dem der Chor die Szene kleinlaut verlässt. M. Z.: Verdi verfuhr nach dem Prinzip: Wenn wir schon einen Chor haben, muss man ihn möglichst gut nutzen. Sogar eine Nummer wie der Auftrittschor der Her­zogin im 1. Akt – hier verkörpert der Chor das Gefolge der Herzogin, das die Vorzüge der noblen Dame besingt –, hat eine verborgene Funktion. So lä­ cher­lich diese Musik beim ersten Hören erscheint: gerade das Läppische dieses kurzen Chores schafft den nötigen Kontrast für das folgende Duett zwischen Federica und Rodolfo, in dem es dann sehr ernst wird. K. K.: Damiano, mir ist aufgefallen, dass Du als Regisseur sehr viel Wert darauf legst, die Umschwünge und Höhepunkte der einzelnen Szenen durch deutliche, stark körperbetonte Impulse herauszuarbeiten. Die Wendepunkte der Handlung werden dadurch dynamisiert. D. M.: Der vorhandene Raum, in dem die Figuren agieren, ist durch das Bühnen­ bild stark eingeengt. Die Grundfläche der einzelnen Räume, die auf der Drehbüh­ ne angeordnet sind, beträgt jeweils etwa vier mal vier Meter, was sich durch die Möbel noch verringert. Mir lag daran, in diesen engen Räumen prägnante, quasi bildhauerisch herausgearbeitete Haltungen zu entwickeln, ohne dass daraus Posen würden. Damit antworte ich auf das Raumkonzept von Paolo, das dem Arrange­ ment schon weitgehend die Struktur vorgibt. Wären die Bewegungen da­rin ganz naturalistisch, würde das dem Raum nicht entsprechen. Schon ein halber Meter weiter vorn oder weiter hinten verändert die Gewichtung der Figu­ren im Raum und bringt die angestrebte Ästhetik aus dem Gleichgewicht. Dadurch würde wie­derum die Intensität des Ausdrucks geschmälert. Die Gestik soll­­te dem gegen­ über eher einfach sein. Zugleich gehe ich auf die Körperlichkeit der Sänger ein und nehme lieber in Kauf, dass ihre Gestik nicht ganz so sauber der vorgegebe­ nen Form folgt, dafür aber lebendig, sozusagen sinnlich und damit menschlich bleibt – auch, was den Kontakt zwischen den Sängern betrifft. Der Dra­matik des Geschehens, die sich in der Musik ausdrückt, legt nach meinem Emp­finden eine gewisse Gewalttätigkeit im Umgang der Figuren mit einander nahe.

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K. K.: Als eine Art Leitmotiv könnte man die Todessehnsucht von Luisa beschrei­ ben: Sie scheint von Beginn an eine Ahnung davon zu haben, dass ihre Beziehung zu Rodolfo im Leben nicht glücken kann. Schon in der ersten Szene singt sie da­­von, dass ihrer beider Seelen von Gott im Himmel füreinander geschaffen wur­den, um nach dem Tode im Jenseits wieder vereint zu sein. Auch an anderen Stellen sind die Bezüge zum Jenseits als dem Ort, an dem diese Liebe erst mög­ lich wird, zahlreich. Darin schwingt eine tiefe Lebenserfahrung von Verdi mit, der früh seine eigenen beiden Kinder und seine erste Frau verlor. Immer wieder findet er bewegende Klänge für die bessere Welt nach dem Tode, in der das ei­ gent­­­liche Leben zu erhoffen ist: Sei es im Schlussduett von Aida, sei es in der Arie von Elisabetta und dem anschliessenden Duett mit Don Carlo in der gleich­ na­migen Oper (wiederum ein Stoff von Schiller!), um nur zwei Beispie­le zu nennen. Wenn man die Musik der Luisa Miller auf sich wirken lässt – vor allem, was die Titelpartie betrifft –, fällt auf, dass der ausgezierte Gesang der Luisa zunächst einmal mehr nach Donizetti oder Bellini klingt als nach Verdi. Dieser leichtfüs­ si­ge, koloraturensatte Stil wirkt, wenn Luisa zu Beginn den Moment ihrer ersten Begegnung mit Rodolfo beschwört, einigermassen oberflächlich. Später begeg­ net dieser tänzerische Tonfall dann im Quartett, wo er dem Zuschauer verdäch­ tig gemacht wird: die leichtfertigen Fiorituren werden zum Ausdruck dafür, wie Luisa der Herzogin auf Druck von Walter und Wurm etwas vormacht über ihre angebliche Liebe zu Wurm und ihre vorgebliche Gleichgültigkeit Rodolfo ge­ genüber. Diese Uneigentlichkeit der Musik mündet in das schon angesprochene concertato a cappella, das fast slapstickhaft anmutet. – Gewisser­massen zu sich selbst findet dieser Tonfall im 3. Akt, wenn Luisa wiederum in virtuosen Kolora­ turen davon singt, dass das Grab ein blumengeschmücktes Lager sei, vor dem die Gerechten keine Angst haben zu brauchen.

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M. Z.: In diesem Augenblick werden die Koloraturen zum Ausdruck dafür, dass Luisa von einem Ort spricht, der allem Irdischen enthobenen ist. In La travia­ta, wenige Jahre nach der Luisa Miller entstanden, treibt Verdi diese Art von Fiori­ turen noch viel weiter, etwa in der Arie «Sempre libera»; sie werden vollends zum Zeichen dafür, dass die reale Ebene hier gänzlich verlassen wird. Das Mittel des ausgezierten Gesangs, das ursprünglich vor allem dazu diente, den Sängern Ge­ legenheit zu bieten, mit ihrem technischen Können zu brillieren, verändert sich völlig im Ausdruck. Verdi ist damit denkbar weit vom Belcanto-Stil etwa eines Donizetti entfernt. Diese Entwicklung nimmt ihren Anfang bei Verdi in der Oper Luisa Miller, deren musikalische Faktur sich wie ein grosses Crescendo in immer kühnere Formen hineinsteigert. Die Musik des 3. Aktes lässt sich nicht mehr durchgängig auf existierende Formmodelle zurückführen. Hier kündigt sich ein Verdi an, dem wir dann später in den reifen Meisterwerken wieder begegnen. Schon von der Disposition der Partien her ist Luisa Miller aufschlussreich. Nehmen wir eine Figur wie Wurm. Er hat keine eigene Arie, ist aber an fast allen Ensembleszenen beteiligt. Die Briefszene zu Beginn des 2. Akts ist formal eine Arie Luisas, in Wirklichkeit aber ein frei geformtes Duett zwischen Luisa und Wurm, unterbrochen von einem Cantabile Luisas. Ähnlich verhält es sich mit Millers Arie im ersten Akt, die ebenfalls in eine Szene mit Wurm eingebettet ist. Auch als Charakter ist die Rolle des Wurm sehr interessant: Verdi wollte darin ausdrücklich Elemente des Bösen mit Elementen des Komischen verbinden. Das Diabolische und das Komische halten sich die Waage. Ein solcher «gemischter» Charakter hat geradezu shakespearesche Dimensionen – zumindest in der Anla­ ge war das von Verdi intendiert, wie wir aus Briefen an Cammarano wissen. Später ist er mit dem Rigoletto weiter in diese Richtung gegangen. Für das da­ malige Publikum waren solche Charaktere als Opernfigur absolut neu! Verdi hat mit der Luisa Miller auf formaler Ebene in vielen Dingen Neuland betreten. Viele Nummern folgen zwar noch den traditionellen Schemata, sind aber gar nicht mehr als abgeschlossene Nummern wahrnehmbar, sondern in übergreifende szenische Zusammenhänge eingebunden. Der Fortgang der Hand­ lung und des Dialogs wird zum bestimmenden Kontinuum, dem sich die musika­ lische Faktur unterordnet. Dem gegenüber bedeutet die Partitur der Traviata geradezu einen Rückschritt. In Deutschland waren durchkomponierte Formen

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zu dieser Zeit freilich längst keine Seltenheit mehr. – Vom Stoff her gab es für Verdi bei Schillers Kabale und Liebe zwei Möglichkeiten: Entweder, der soziale Konflikt tritt in den Vordergrund, was in Neapel 1849 an der Zensur hätte scheitern müssen; oder die Innenansicht der Figuren, ihre Gefühlswelt tritt in den Vordergrund. Verdi hat sich für Letzteres entschieden und ist darin weit über das hinausgegangen, was uns in den Opern von Donizetti, Rossini oder Bellini begegnet.

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Ruben Drole, Liliana Nikiteanu, Kind Spielzeit 2OO9/1O

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Walter: Wem zulieb bin ich auf ewig mit meinem Gewissen und dem Himmel zerfallen? Lohnst du mir also für meine schlaflosen Nächte? Also für meine rastlose Sorge? Also für den ewigen Skorpion meines Gewissens? Auf mich fällt die Last der Verantwortung – auf mich der Fluch, der Donner des Richters – Du empfängst dein Glück von der zweiten Hand – das Verbrechen klebt nicht am Erbe. («Kabale und Liebe», I. Akt, 7. Szene)

Wurm: Schon allein die seltsame Phantasie, der Gerechtigkeit ein so merkwürdiges Opfer zu bringen, könnte Reiz genug für ihn haben, selbst seinen Vater zu stürzen. («Kabale und Liebe», III. Akt, 1. Szene)

Ferdinand: Der Schuldbrief der kindlichen Pflicht liegt zerrissen da. Es gibt eine Gegend in meinem Herzen, worin das Wort Vater noch nie gehört worden ist – dringen Sie nicht bis in diese. («Kabale und Liebe», II. Akt, 6. Szene)


WIE DIE OPER «LUISA MILLER» ENTSTAND Aus dem Briefwechsel zwischen Giuseppe Verdi und Salvatore Cammarano

Mailand, 31. August 1846 Herr Flauto hat mir gerade angeboten, nun im Herbst [1847] die Oper zu schreiben, die ich im Juni hätte machen sollen. [...] An Stoffen habe ich einiges angeschaut, an dem Eure Zensur wahrscheinlich etwas auszusetzen hätte; ob­ wohl einer durchkommen könnte: «Kabale und Liebe» von Schiller. Es ist ein grossartiges Drama, voller Leidenschaft und theatralisch sehr effektvoll, aber man bräuchte zwei prime donne. [...] G. Verdi

Neapel, 22. Dezember 1847 Sehr geehrter Maestro Verdi, [...] Ich habe sorgfältig «Kabale und Liebe» geprüft, das Ihr mir vorge­ schlagen hattet, sowohl in unterschiedlichen italienischen Bearbeitungen, als auch in der französischen von Dumas. Ich bin zu derselben Meinung gekommen wie Ihr: Das Drama ist reich an lebendigen Situationen und leidenschaftlichen Gefühlen, und vor allem erscheint mir die Katastrophe fürchterlich und Mitleid erregend. Drei Hindernisse gälte es allerdings zu überwinden: Erstens müsste man das strei­chen, was von der Zensur ohnehin nicht zugelassen würde; zweitens müsste man das Drama oder zumindest einige der Figuren nobilitieren; drittens müsste man die Anzahl der Figuren verringern (neben zwei rivalisierenden Frau­

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en haben wir den Präsidenten, den Sohn, den Sekretär, den Maschall und den Vater Luisas). [...] Euer Bewunderer und Freund, Salvadore Cammarano

Neapel, 14. April 1849 Hochverehrter Maestro, [...] Die Behörde, die die Oberaufsicht über dieses Theater hat, hat nach unserem Handlungsentwurf von «Maria de’ Ricci» gefragt und ihn abgelehnt. [...] In einer so schwierigen Lage weiss ich es nicht besser, als auf ein Sujet zurückzu­greifen, das Ihr ein anderes Mal vorgeschlagen hattet: «Kabale und Liebe» von Schiller. Und während ich auf Eure Antwort warte, werde ich dar­ aus einen Handlungsentwurf erstellen, um Zeit zu gewinnen. [...] Euer aufrichtiger Freund Salvadore Cammarano

Neapel, 15. Mai 1849 Hochverehrter Freund, [...] Ihr müsstet jetzt den Entwurf von «Eloisa Miller» erhalten haben: Es ist etwas getan worden, um für die Chöre Raum zu schaffen sowie für ein wenig Spektakel. Im Falle des Charakters der anderen weiblichen Figur [gemeint ist Federica] gebot es die Vorsicht, ihn zu ändern. Es scheint, dass gegebenenfalls eine comprimaria ausreichen würde, um die unschickliche Hürde von zwei prime donne zu umgehen; um so mehr, als es unmöglich wäre, der Rolle der Rivalin, zu­mindest im Dramatischen, ebenso viel Gewicht zu verleihen wie der der Eloisa. Vincenzo Flauto [Impresario des Teatro San Carlo] & Salvadore Cammarano 40


Paris, 17. Mai 1849 Lieber Cammarano, Ich habe gerade Euren Entwurf erhalten und ich gestehe Euch, dass ich gerne zwei prime donne gehabt hätte; die Favoritin des Fürsten hätte mir, was die Dimension ihres Charakters betrifft, so gefallen, wie Schiller sie geschaffen hat. So wäre ein Kontrast zwischen ihr und Eloisa gewesen, und die Liebe von Rodolfo zu Eloisa wäre schöner gewesen. Aber letzten Endes weiss ich, dass man nicht alles so machen kann, wie man will, und es ist auch so in Ordnung. Ich habe den Eindruck, dass die teuflische Intrige zwischen Walter und Wurm, die das ganze Drama schicksalhaft beherrscht, hier nicht die ganze Farbigkeit und Kraft hat wie bei Schiller. [...] Ausserdem scheint mir, dass in dem Moment, wenn Eloisa von Wurm gezwungen wird, den Brief zu schreiben, es natürlicher und glaubwürdiger wäre, wenn sie nicht behaupten müsste, die Geliebte Wurms zu sein, sondern die Geliebte eines anderen. Berücksichtigt von diesen Beobachtungen, was Ihr wollt. Mir liegt daran, Euch mitzuteilen, dass ich im 1. Finale keine Stretta oder Schluss-Cabaletta haben möchte. Die Situation erfordert es nicht; durch eine Stretta würde die dramatische Wirkung verloren gehen. Den Anfang dieser Nummer und das concertato könnt Ihr gestalten, wie Ihr wollt, das Ende müsstet Ihr aber genau­ so machen wie Dumas. [...] Im zweiten Akt lege ich Euch das Duett zwischen Wurm und Eloisa nahe. Es wird einen guten Kontrast hergeben zwischen der fürchterlichen Angst und Verzweiflung Eloisas und der teuflischen Kälte Wurms. Es scheint mir, dass, wenn Ihr dem Charakter Wurms noch eine gewisse Komik gebt, die Situation noch furchtbarer wird! [...] Der 3. Akt ist wunderschön. Entwickelt das Duett zwischen Vater und Tochter gut; macht daraus ein Duett, das die Tränen fliessen lässt. Auch das folgende Duett ist wunderschön und furchtbar; ausserdem glaube ich, dass es notwendig ist, mit einem Terzett mit dem Vater zu schliessen. Ab dem Moment, wo Walter auftritt, solltet Ihr so wenig Verse wie möglich machen! Wenn man, um diese zwei Stücke gut zu entwickeln, sie etwas verlängern müsste, macht es ruhig. In Bezug auf die drei Bässe denke ich, dass der Vater Eloisas die Hauptrol­ le sein wird. Macht deswegen hieraus eine schöne Partie! Dann Walter! Zuletzt

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Wurm: und vergesst nicht, in seiner gesamten Partie dieses irgendwie Komische beizubehalten, das dazu dient, seine Gerissenheit und Gemeinheit noch mehr hervortreten zu lassen. Euer geneigter G. Verdi

Neapel, 4. Juni 1849 Hochverehrter Freund, Hier ist das Finale des 1. Aktes. [...] Die Idee, dass Miller in seiner Jugend in der Armee gedient hat, ist nicht schlecht; sie hebt seinen Charakter, gibt ihm einen gewissen Schneid und bildet auch einen dramatischen Kontrast zum schö­ nen Pathos in seinem Charakter. Achtet auf die starken Worte, die er an Walter richtet! [...] Wie auch immer Ihr das concertato anlegt: Ich bin der Ansicht, dass gegen Ende das Tempo beschleunigt werden und das Ganze einen überaus lebhaften Abschluss haben müsste. Mir scheint, dass das Stück sonst – wenn man berücksichtigt, dass es keine Stretta hat – in Kraftlosigkeit absinken könnte. [...] Euer treuer Freund Salvadore Cammarano

Neapel, 11. Juni 1849 Teurer Freund, [...] Die dramatische Konzeption der Milady bei Schiller ist erhaben: Ich habe ihre Unterdrückung nur schwach ausgleichen können, aber man muss sich der Notwendigkeit nun einmal beugen. Auch, wenn sie die Favoritin geblieben wäre und die Anzahl ihrer Stücke grösser gewesen wäre, hätte keine zweite prima donna die Partie übernommen. Denn keine Anstrengung hätte bewirken können, die übermächtige Wirkung von Luisas Partie auf der melodramatischen Waage aufzuwiegen.

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Dass die teuflische Intrige etwas von ihrer Grausamkeit verliert, ist eine unver­ meidbare Konsequenz daraus, dass sie keine Favoritin mehr ist, der zuliebe der ehrgeizige Walter sogar so weit gehen wollte, die Ehre seines eigenen Sohnes zu opfern. Aber dass der von Luisa geschriebene Brief, der vorher an den Mar­ schall gerichtet war und es nun an Wurm ist, weniger glaubwürdig sei, das glaube ich nicht. Wurm hatte schon vorher um die Hand Luisas angehalten, und dieser Umstand muss mächtigen Einfluss nehmen auf die blinde Eifersucht Rodolfos. Man bedenke auch, dass es schwer wäre, eine andere Person zu finden – jetzt, wo die Handlung in einem Dorf spielt, was dem Sujet, bei dem eine Beteiligung des Chores vorher nicht nur schwierig, sondern unmöglich war, sehr geholfen hat. Aber ich werde trotzdem darüber nachdenken. Über das 1. Finale hatten wir uns schon geeinigt, das Stück wurde Euch bereits geschickt. Auch im 3. Akt stimmen unsere Vorstellungen überein. Bleibt der 2. Akt, und insbesondere die Verteilung der Nummern, aus denen er sich zusammensetzt. Nach meinem Entwurf besteht er aus einer Arie der Luisa – einem Quartett – und einer Arie des Rodolfo; Ihr dachtet, er müsste ein Duett Luisa-Wurm – ein weiteres zwischen Wurm und Walter – das Quartett – und die Arie des Rodolfo umfassen, sowie etwas anderes, das besser als Aktschluss geeignet wäre. Dagegen gibt es viele Einwände: Die Oper würde länger werden – wir haben drei Bässe; die Partie des Wurm konzentriert sich nur auf den zweiten Akt, mit drei Stücken, die direkt aufeinander folgen – schliesslich die Unmöglichkeit, nach der Arie Rodolfos etwas hinzuzufügen, das nicht über­ flüssig erschiene und dementsprechend wenig Wirkung hätte. Vielleicht könnte man die Reihenfolge zwischen dem Quartett und der Arie ändern und mit dem Quartett schliessen; aber die Situation der Arie er­ scheint mir heisser. Bedenkt ausserdem, dass wir, falls die Szene, in der Luisa den Brief schreibt, eine Arie bliebe, zwei Arien nacheinander hätten. Es wäre richtiger, in der Szene mit Rodolfo auch den Chor einzuführen und den Akt so enden zu lassen, wie es in dem Entwurf ist. Salvadore Cammarano

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Neapel, 28 Juli 1849 Mein mir stets teurer Freund, [...] Durch Flauto werdet Ihr die Arie des Rodolfo erhalten; sie bildet das Finale des 2. Aktes. Es fehlt noch das pezzo concertato, das ihr vorangestellt ist, wie auch eine Nummer aus dem ersten Akt, die ich erst schreiben werde, wenn Ihr endgültig entschieden habt, wer Walter singt. Ernsthaft habe ich über den Abschluss des 2. Aktes nachgedacht, und sicherlich nicht aus Dickköpfig­ keit, sondern aus reiflicher Überlegung bin ich zur ersten Idee zurückgekehrt. Die Arie hat (wenn ich mich nicht irre) eine sehr effektvolle, dramatische Situ­ ation, sie wird von einem der besten Künstler gesungen werden, sie wird von Verdi vertont: Unter diesen Umständen kann man auf einen guten Erfolg zäh­ len, und mitten im Applaus fällt der Vorhang immer gut. Das pezzo concertato ist ein notwendiges Glied in der Kette der Ereignisse [...]. Ich empfehle Euch, dass das tempo di mezzo der betreffenden Arie schnell ist, sich überstürzend; das wird zwei gute Dinge bewirken: Es wird besser das Ungestüme der Leiden­ schaften Rodolfos ausdrücken, ihm gar nicht erst Raum zu Reflexion und zum Verdachtschöpfen gegenüber Walter lassen, und die scheinbare Länge dieses Abschnitts der Szene wird verschwinden. Euer Freund Salvadore Cammarano [Anmerkung: Die Titelfigur der Oper hiess ursprünglich nicht «Luisa», sondern «Eloisa». Der Librettist selbst schrieb seinen Vornamen «Salvadore»; heute ist «Salvatore» gebräuchlicher.]

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Ruben Drole Spielzeit 2OO9/1O

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Barbara Frittoli Spielzeit 2OO9/1O



Luise: Auch will ich ihn ja jetzt nicht, mein Vater. Dieser karge Tautropfe Zeit – schon ein Traum von Ferdinand trinkt ihn wollüstig auf. Ich entsag ihm für dieses Leben. («Kabale und Liebe», I. Akt, 3. Szene)

Miller: Das Mädel ist just so recht, mein ganzes Vaterherz einzustecken – hab meine ganze Barschaft von Liebe an der Tochter schon zugesetzt. (Kabale und Liebe», V. Akt, 3. Szene)

Ferdinand: Bleich wie der Tod! – Jetzt erst gefällt sie mir, deine Tochter! («Kabale und Liebe», V. Akt, 2. Szene)


FALSCHE VATERLIEBE ODER WIE ENTSTEHT SELBSTVERLUST? Verdis Oper «Luisa Miller» aus der Sicht eines Psychotherapeuten Siegfried Höfling

Anders als Friedrich Schiller in seinem Drama Kabale und Liebe, das als Vorlage für die Oper diente, konzentrieren sich Giuseppe Verdi und sein Librettist Salva­ tore Cammarano in ihrem Melodramma tragico Luisa Miller vorwiegend auf die Beziehung der heranwachsenden Kinder zu ihren Vätern. Die Mütter blei­ ben aussen vor – vielleicht nicht so sehr, weil sie unwichtig wären für die Erzie­ hung und Entwicklung ihrer Kinder, sondern weil Väter im Spiegel der Entste­ hungszeit des Werks sowohl nach innen in die Familie hinein als auch nach aussen in der Gesellschaft bestimmender wirkten. Sie fungierten gleichsam als Tor zwischen privater und öffentlicher Welt. Väter wussten besser (und glauben auch heute noch oftmals besser zu wissen), wie man sich in der Welt des Wett­ bewerbs, des Konkurrenzkampfs, der vielfältigen Beeindruckungsrituale und Selbstrepräsentationsspiele zum eigenen Vorteil zu bewegen, zu benehmen und zu bewähren hat. Väter kennen die ungeschriebenen Gesetze der Welt da drau­ ssen, ausserhalb des familiären Kosmos. Für Luisa ist diese «Welt da draussen» noch sehr neu und aufregend – ist sie doch noch fest in der Familie verankert und ihrem Vater loyal verbunden. Sie macht im Laufe der Opernhandlung nur eine geringe Entwicklung in Richtung einer Ablösung vom Elternhaus durch. Rodolfo dagegen hat, wie für junge Männer üblich, schon deutlichere Erfah­ rungen mit der Aussenwelt, der Welt des Militärs und des Lebens am fürstlichen Hof gemacht. Seine Entwicklung zu einem jungen Mann, der vom familiären System unabhängig ist, schreitet im Laufe der Oper stärker voran. Insgesamt

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bleiben die Reifungsprozesse der beiden jungen Akteure Luisa und Rodolfo jedoch eher stecken. Verdi zeigt in der Analyse der Vater-Tochter- und VaterSohn-Beziehungen mit ihrer letztlich katastrophalen Wirkung auf, woran ein solcher Reifungsprozess scheitern kann. Die Vater-Kind-Beziehung ist häufig von zentraler Bedeutung in Verdis Opern – so z.B. in La traviata, Rigoletto und Don Carlos. In seinem letzten Werk, Falstaff (1883), lässt Verdi die Jugend über das mittlere Alter (also die Elterngeneration) triumphieren; gleichzeitig relativiert er die altersspezifischen Sichtweisen, die ansonsten wieder nur destruktive Wirkungen hervorbringen wür­den: «Tutto nel mondo è burla» («Alles auf der Welt ist Posse», Falstaff, 3. Akt, Finale). – Sind wir nicht alle Narren, wenn wir ausschliesslich unsere Sicht der Dinge für richtig erachten und sie anderen, vor allem unseren eigenen Kin­dern, aufzudrücken versuchen? Aber so altersweise gibt sich Verdi 1849 bei der musikalischen Adaption von Schillers bürgerlichem Trauerspiel Kabale und Liebe noch nicht. Aufschlussreich ist hier, wie er die Beziehung von Luisa und ihrem Vater Miller parallel setzt zur Beziehung zwischen Rodolfo und seinem Vater Walter.

Der Reifungsprozess der jungen Generation In der Jugend ist man mit allem verschwenderisch: mit seinen Kräften, mit seinen Begabungen, mit seiner Zeit und mit seinen Gefühlen, insbesondere mit der Liebe. Aussehen, Ausstrahlung, Attraktivität, Ausdauer, Direktheit und Schnelligkeit sind die Attribute der Jugend. Im mittleren Lebensabschnitt do­ siert man dann seine Kräfte und auch seine Gefühle, kalkuliert den Einsatz für das Erreichen eines bestimmten Ziels: Anstrengungen müssen effizient sein. Liebe ist meist das erste richtige Abenteuer der jungen Generation, das die früher innige und einflussreiche Beziehung der Eltern zu ihren Kindern relati­ viert. Die erwachsen werdenden Kinder setzen neue Beziehungsprioritäten. Ein Fremder steht nun im Mittelpunkt der Lebensgestaltung und Gefühlsausrich­ tung, wo zuvor jahrelang der Vater oder die Mutter standen. Über das Liebes­ abenteuer werden bei der Jugend in einem oft mühsamen und häufig auch

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schmerzhaften Prozess die Formen zwischenmenschlicher Verbindlichkeiten und die Regeln, die das Verhalten bestimmen, ausgebildet. Echte Selbstverwirk­ lichung gelingt nur in den Augen eines Anderen. In dieser Phase ist man von der unendlichen Dauer des Verliebtheitsgefühls überzeugt: «Ich liebe dich mit einer Liebe, die man mit Worten nicht ausdrücken kann! Nicht einmal die Ei­ seskälte des Todes kann eine so glühende Liebe auslöschen», singen Luisa und Rodolfo (1. Akt, 3. Szene). Diese Liebe scheint nicht frei von Besitzansprüchen zu sein. «Wahre» Lie­ be verzichtet, wenn der oder die Liebende mit seiner bzw. ihrer Liebe dem geliebten Menschen schaden würde. «Wahre» Liebe wünscht dem- oder derjeni­ gen Glück, der bzw. die sich für eine andere bzw. einen anderen entscheidet – auch wenn es schmerzt. Rodolfo aber tötet lieber das, was er nicht besitzen zu können glaubt, als dass er auf seine Ansprüche verzichtete. Hierin ist er seinem Vater durchaus ähnlich. Luisa dagegen ist auch in ihrer unglücklichen Liebe nicht rachsüchtig. Sie würde niemals ihren Geliebten töten, weil er sich für eine andere Frau entschieden hat. Sie würde lieber ihren Schmerz zu töten versuchen und womöglich sich selbst (siehe Luisas Abschiedsbrief, 3. Akt, 1. Szene). Je­ doch liebt auch sie nicht ganz ohne Besitzansprüche. Das Glück ihrer Konkurren­ tin Federica kann sie kaum ertragen: «Wie soll ich nur das Rasen meiner eifer­ süch­tigen Liebe verbergen» (2. Akt, 6. Szene). Bevor Jugend in die Schaffensphase des mittleren Lebensabschnitts hin­ einwächst, distanziert sie sich erst einmal von der Besserwisserei der Elternge­ neration. Jugendliche sind sich gern selbst genug und passen sich den elterlichen und gesellschaftlichen Normen nur oberflächlich an – und zwar nur dann, wenn sie glauben, daraus persönlichen Vorteil ziehen zu können. Der junge Mensch denkt individuell. Seine Ziele sind eher von Eigennutz geprägt, und nicht auf Errichtung und Verteidigung eines familiären oder allgemeinen Wertesystems ausgerichtet. «Ich trage keine ehrgeizigen Absichten im Herzen, wie du weisst», entgegnet Rodolfo seinem Vater, als dieser ihm die Karriereaussichten eröffnet, die sich durch eine Vermählung Rodolfos mit Federica eröffnen würden (1. Akt, 6. Szene). Rodolfo möchte ein anderes Leben führen als sein Vater, er möchte sich befreien von dessen Macht- und Karrieredenken. Er sucht in der Verkleidung eines Jägers und unter dem falschen Namen Carlo neue Beziehungen ausserhalb

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des Hofes. Die Liebe zu Luisa ermöglicht ihm einen Ausstieg aus dem Werte­ system seines Vaters. Er (ge)braucht Luisa also, um sich von der Lebensphiloso­ phie und der Lebensführung Walters abzulösen. Rodolfo weiss zu diesem Zeit­ punkt nur, was er nicht will, jedoch nicht so genau, was er eigentlich will. Ihm fehlt eine positive Lebensplanung. Kein Wunder, dass er letztlich in die Fussstap­ fen seines Vaters tritt und wie dieser zum Mörder wird. Wenn man nicht werden will wie die eigenen Eltern, aber kein Alternativkonzept entwickelt hat, geschieht es leider nur zu oft, dass man genau zu dem wird, was man vermeiden wollte. Die Ablösung vom Elternhaus ist dann gescheitert. Auch Luisa stellen sich Hindernisse in den Weg. Selbst wenn die Liebesan­ gelegenheit Rodolfo-Luisa einen weniger tragischen Verlauf nähme: es ist zwei­ fel­haft, ob Luisa ihren Vater je verlassen würde; zu sehr liebt sie ihn und weiss, dass er von ihr abhängig ist. Um den Vater zu beruhigen, stellt sie Rodolfo als Gewinn für die Familie dar: «Umarme ihn, er liebt dich wie ein Sohn» (1. Akt, 2. Szene). Sie möchte Vater Miller nicht verlassen, sondern den Schwiegersohn in spe in die Familie integrieren. Die Popsängerin La Fee schildert in ihrem Lied «Lass mich frei» (2005), das bei dreizehn- bis fünfzehnjährigen Teenagern heut­ zutage sehr beliebt ist, den Ablösewunsch der Tochter vom Vater: «Ich soll funk­tionieren [...] / und deine liebe Tochter sein / nein / lass mich frei / lass mich los / dein kleines Mädchen ist jetzt gross / lass mich los / ich pass nicht mehr auf deinen Schoss [...] / du willst nur mein bestes / es ist besser du lässt es / und lässt mich einfach gehen / lass mich frei / lass mich los...» Viel scheint sich seit dem 19. Jahrhundert in der Vater-Tochter-Beziehung nicht geändert zu haben! Nur darf man heute offen darüber singen oder reden. Was wäre wohl passiert, wenn Luisa so mit ihrem Vater geredet hätte?

Die Pflichten der elterlichen Erziehung Eltern sind, um es mit einem Fachbegriff aus der Psychologie zu sagen, «einbin­ dende Kulturen» für das Wachstum und die Reifung ihrer Kinder zu selbstbe­ stimm­ten, eigenverantwortlichen Individuen. Die Aufgaben der Eltern bei diesem Prozess verändern sich je nach der Alters- und Entwicklungsphase ihrer Kinder

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und können mit drei grundlegenden Tätigkeiten beschrieben werden: Festhal­ ten, Loslassen und In-der-Nähe-Bleiben. Die scheinbar natürlichste Aufgabe für Eltern, die ihre Kinder lieben, ist sicherlich das Festhalten. In dieser Phase kümmern und sorgen sich die Eltern um ihr Kind, um es lebenstauglich zu machen. Dazu müssen Grenzen gesetzt werden, Verbote ausgesprochen und deren Nichtbefolgung bestraft werden. Kinder lernen Schritt für Schritt, den elterlichen Ratschlägen, Geboten und Verboten zu folgen und versuchen ihrer­ seits, den Eltern durch Wohlverhalten zu gefallen. Kinder bewundern oft die Weisheit und das Können ihrer Eltern. Besonders wichtig ist es in dieser Entwicklungsphase, dass Eltern ihre Kin­ der auch bei Auftreten negativer Gefühle halten und schützen können. Die Fä­­hig­keit, beim Kind zu bleiben, wenn es Angst, Wut oder Kummer erlebt, seine Ge­fühle zu erkennen und zu akzeptieren, ohne dabei selbst ängstlich, wü­tend oder traurig zu werden oder sofort zu versuchen, diese Gefühle abzustellen: Das be­deutet Halten, Schützen und Tragen des Kindes. Die zweite Funktion einer «einbindenden Kultur» besteht darin, dass die Eltern loslassen müssen, um das Kind in seinem Ablösungsprozess vom Eltern­ haus zu unterstützen. Das gehört zur Erziehung, auch wenn es nicht jedem Elternteil leicht fällt, seinem Kind grössere Freiheiten einzuräumen. Je mehr Autonomie Eltern ihren Kindern gewähren können, desto eher entwickelt sich bei den heranwachsenden Kindern bzw. Jugendlichen Würde, personale Iden­ tität und Selbstwert. Loslassen bedeutet, jugendliche Lebenspläne und Ent­ scheidungen, denen man als Vater oder Mutter kritisch oder sogar ablehnend gegenüber steht, auszuhalten und zu respektieren. In diesem Sinne Autonomie zu gewähren, kann zu Verlassenheitsgefühlen auf Seiten der Eltern führen. Das eigene Kind loszulassen, ist eine grosse psychische Leistung der Eltern; gefühls­ mässig ist es zugleich ein grosser Verlust, der leichter zu ertragen ist, wenn Eltern ihrerseits in einer «einbindenden Kultur» leben. Das können z.B. befrie­ digende Beziehungen zum Ehepartner und zu Freunden sein. Interessanterweise verzichtet Verdi in seiner Oper Luisa Miller darauf, Ehepartner bzw. Mütter darzustellen und lässt auch keine zusätzlichen Geschwister auftreten. Luisa und Rodolfo sind von alleinerziehenden Vätern betreute Einzelkinder. Nur Laura spielt als Vertraute Luisas eine begrenzte Rolle.

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Die dritte Funktion der «einbindenden Kultur» besteht darin, in der Nähe zu bleiben, während die erwachsenen Kinder ihren Weg gehen; dann können die Kinder aus der eigenen Autonomie heraus die Beziehung zu ihren Eltern neu gestalten. Nach einer Phase der Abkehr von den Eltern kann so eine Phase der Zuwendung zu den Eltern stattfinden; dazu dürfen sich die Eltern nicht ab­ wenden von ihren erwachsenen Kindern, sondern sie müssen abwarten und in der Nähe bleiben. Denn Kinder wollen ihre Eltern nicht verlieren, wenn sie sich von ihnen trennen. Sie haben in den beiden vorangegangenen Phasen des Fest­ haltens und Loslassens, wenn diese gut verlaufen sind, viele wertvolle Erfahrun­ gen mit ihren Eltern machen können und nehmen diese Erfahrungen zu einem späteren Zeitpunkt sukzessive in ihr Wertesystem auf. Die beiden Väter Walter und Miller können diese letzte, wunderbare Erfahrung – die Wiederannäherung ihrer Kinder an das Elternhaus nach erfolgreicher Ablösung – nicht mehr ma­ chen. Bei dem Versuch, ihre Kinder in einer deren Alter unangemessenen Wei­ se festzuhalten, während diese nach Autonomie und Selbstbestimmung streb­ ten, haben sie ihre Kinder im radikalsten Sinne verloren: nämlich für immer. Der Verlustkummer bei Vater Miller, der als Verlustangst schon während der ganzen Oper spürbar war, wird in der Finalszene lebensbedrohlich für ihn.

Wie meistern Vater Miller und Vater Walter ihre elterlichen Aufgaben? Beide Väter bleiben in der Phase des Festhaltens stecken, so sehr ihre Kinder auch versuchen, sich langsam von ihnen loszulösen. Die Gründe für das Festhal­ ten sind jedoch bei beiden Vätern unterschiedlich. Vater Miller hat von Beginn an Angst davor, seine Tochter zu verlieren. Eine Stimme in seinem Herzen lässt ihn sich elend fühlen: «Weh mir, wenn Luisa das Opfer eines Verführers gewor­ den wäre» (1. Akt, 3. Szene). Er sieht, dass sein schönes und bisher glückliches Kind von der Anwesenheit des Geliebten abhängig geworden ist – und nicht mehr so sehr seine Anwesenheit zählt. Er prognostiziert einen schlech­ten Aus­ gang; das Leid, das er für Luisa befürchtet, wäre, so sagt er voraus, sein eigener Tod. In die Angst und Sorge um seine Tochter mischt sich also durchaus Sorge um sich selbst. Natürlich wollen Väter / Eltern ihren Kindern den Desillusionie­

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rungsprozess ersparen, den sie oftmals selbst schmerzhaft durchlitten haben. Aber die Blaupausen des Lebens schauen meistens anders aus als das Bauwerk, das man dann mit seinem Leben errichtet. Am Anfang regiert die Illusion. Glücksgefühle bauen auf den Ewigkeitsgedanken. Der Alltag dagegen macht aus dem Glück ein Kontrasterlebnis: Glück empfindet nur derjenige, der das Unglück kennt. Sein eigenes Kind vor einem (vermeintlichen) Unglück schützen zu wollen, untergräbt das Autonomiestreben des Heranwachsenden. Ausserdem ist es im Falle Miller gar nicht das wahre Motiv für das Festhal­ ten seiner Tochter Luisa. Dem Sekretär Wurm erklärt er, dass er an die Entschei­ dungsfreiheit in Liebesdingen glaube. Ein Liebesband könne nicht erzwungen werden; er sei ein Vater, kein Tyrann. Kinderherzen könne man keine Befehle erteilen: «Auf Erden gleicht ein Vater Gott durch Güte, nicht durch Strenge» (1. Akt, 4. Szene). Würde er nur danach handeln! Wäre er doch nur ein echter Beschützer seiner Tochter und nicht ein Bewahrer des Vater-Glücks – abgesehen von der Hybris, Gott auf Erden sein zu wollen! Stattdessen ist Miller erst zu­ frieden, wenn Luisa die Liebe zu Rodolfo um der Liebe zu ihrem Vater willen aufgegeben hat (3. Akt, 10. Szene). Das ist eben doch das grösste Geschenk, das eine Tochter ihrem Vater machen kann: Wenn er der erste bleiben darf unter allen Männern! Er wird wegen Rodolfo nicht vom Thron gestossen. Wenn Väter Braut oder Bräutigam für ihre Söhne und Töchter auswählen können – bleiben sie dann nicht automatisch an erster Stelle? Dann sind sie ja die Garan­ ten des Glücks, und auch die Schwiegertöchter und -söhne müssen ihren Schwiegervätern dankbar sein. Die Väter bekommen sozusagen noch ein «Kind», das sie mit ihrer angeblichen Weisheit beraten und damit manipulieren können. Doch als Miller den Abschiedsbrief seiner Tochter an Rodolfo liest, muss er erkennen, dass es offenbar auf unerwartete Weise doch vorbei sein könnte mit seinem unangefochtenen ersten Platz im Herzen Luisas. Er fühlt sich betrogen: «Die Liebe, die ein Vater gesät hat, sollte er in reifen Jahren ernten dürfen… Und du, Grausame, willst mir eine Ernte aus Tränen und Schmerzen bereiten? Ach, ins Grab, das du dir auftun willst, soll als erstes der Vater hinabsteigen» (3. Akt, 11. Szene). Luisa fühlt sich durch den Gefühlsausbruch des Vaters schuldig. Schuldig, weil sie nicht den Erwartungen des guten Vaters entspricht. Aus diesem Schuldgefühl heraus beschliesst sie, für ihn am Leben zu bleiben:

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Die gewünschte Liebeshierarchie ist wieder hergestellt. An erster Stelle bleibt der Vater: «Sieh, wie deine Tochter dir voll Reue zu Füssen fällt.» Sie schlägt vor, gemeinsam zu fliehen. Das hält Miller für einen weisen Entschluss: Spätestens jetzt wird der Vater zum Geliebten – denn eigentlich sollte Luisa gemeinsam mit Rodolfo fliehen, wenn sie ihre Liebe leben wollten. Gemeinsam fliehen, als Bettler zu leben, aber auf immer vereint – so malen sich Vater und Tochter ihre Zukunft aus: «Die Tochter wird immer an der Seite des Vaters sein» (3. Akt, 12. Szene, Duett Luisa-Miller). Die psychologische Strategie des Vaters, um seine Tochter festzuhalten und an sich zu binden, ist die Erzeugung von Schuld­ gefühlen. Wenn Kinder sich schuldig fühlen müssen, weil ihre Eltern sich schlecht oder krank fühlen, versuchen sie, das Leid der Eltern zu lindern, indem sie Wiedergutmachung versprechen oder tatsächlich leisten. Dabei müssen sie oft ihre eigenen Bedürfnisse aufgeben. Zusätzlich ist es notwendig, aufkommende Gefühle von Wut und Ohnmacht zu unterdrücken. Depressive Eltern, wie es der alternde, nach dem Verlust seiner Frau allein gebliebene Vater Miller wohl auch ist, leben ihr Leben durch ihr Kind und nicht mit ihrem Kind. Der Weggang der einzigen Tochter wäre sein Tod. Das spürt Luisa. Und dies ist ihr eigentliches Trauma, das schon zu Beginn der Oper ahnungsvoll im Bekenntnis ihrer Liebe zu Rodolfo anklingt: «Und wenn wir auf Erden gestorben sind, werden wir uns im Himmel weiter lieben» (1. Akt, 3. Szene, Duett Luisa-Rodolfo). Vielleicht wäre es Luisa nie möglich gewesen, im irdischen Leben Rodolfo frei zu lieben, so­lange ihr Vater lebt. Die Welt von Vater Walter ist dagegen berechnend und zielorientiert. Es geht um den Erhalt oder die Steigerung von Macht und Einfluss. Der Fürst würde laut eigener Aussage sein Leben opfern für das Glück seines Sohnes; Glück, das bedeutet für ihn, dass er auch aus dem Sohn einen mächtigen, einfluss­ reichen Mann machen will: «Ich gäbe mein Blut, mein Leben, um ihn glücklich und mächtig zu sehen» (2. Akt, 4. Szene). Glück ist also das, was er für richtig hält, nicht etwa das, was sein Sohn will. Väterliche Liebe besteht für Walter nicht aus zärtlichem Einfühlen in die Welt des Sohnes; im Gegenteil: «Der Vater muss den Mangel an Vernunft des Sohnes wettmachen. Mein Werk muss vollendet werden. Nichts darf mich beirren. Nachgiebigkeit wäre hier nur Grausamkeit» (2. Akt, 3. Szene). Der eigene Sohn wird so zum Sklaven und Erfüllungsgehilfen

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der Pläne und Vorstellungen des Vaters. Liebe, das mächtigste aller Gefühle in einer Beziehung, ist für ihn nur Mittel zum Zweck. Aus Sicht Walters bedeutet Sohnesliebe, dass Rodolfo gehorcht, sich fügt in das vom Vater bestimmte Schick­sal. Gegen diese väterliche Haltung, die dem Sohn keine Eigenbestim­ mung zubilligt, wehrt sich Rodolfo heftig, wie die verschiedenen Szenen, in denen Vater und Sohn aufeinander treffen, zeigen. Rodolfo kann seine Wut auf den Vater kaum beherrschen. Wenn Walter im Hause Miller erscheint, steigert er den Zorn des Sohnes noch, indem er ihn auffordert, Luisa zu töten (1. Akt, letzte Szene). Er demonstriert damit die Ohnmacht des Sohnes und stärkt sein eigenes Ego; seine Macht erhöht ihn über alle anderen. In dieser verworrenen Gefühlslage sieht Rodolfo nur einen Ausweg: Er droht dem Vater, ihn an den Galgen auszuliefern, indem er das Verbrechen, dem der Vater seine Karriere verdankt, öffentlich macht. Der Sohn verhält sich damit ganz ähnlich wie sein Vater. Er kann offenbar nicht unabhängig vom Vater denken und fühlen; das sieht man auch daran, dass er – als er durch Luisas Brief von deren vermeintlicher Untreue erfährt – sofort die Menschenkenntnis seines Vaters rühmt: Der Vater hatte doch Recht, Luisa ist eine Verführerin und Betrügerin. Seinen eigenen Gefühlen und den Liebesbekundungen Luisas misstraut er nur zu bereitwillig: «Der Vater hat sie gleich durchschaut! Doch die Schwüre, die Hoffnungen, die Glückseligkeit, die Tränen, der Kummer? Alles Lüge, Verrat, Betrug» (2. Akt, 7. Szene). In keiner Phase der Erziehung hat Walter die Gefühle seines Kindes respek­ tiert. «Mangelnde Gefühlsvalidierung» – so nennt man das in der Fachsprache der Psychologie. Die Gefühle des eigenen Sohnes zu respektieren, heisst, sie für gültig ansehen, für echt und wahr, und sie nicht als verzerrte Wahrnehmung oder als alberne Laune einer noch naiven Jugend abzutun. Da Vater Walter seinen Sohn nicht loslassen kann, versucht er alles, um ihn in seinen Gefühlen zu ver­ wirren: «Verlass dich auf mich, dein Vater kann dich nicht verraten» (2. Akt, letzte Szene). Doch gerade das hat er getan: Er hat Rodolfo auf hinterhältige Weise verraten!

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Warum ist Wurm so erfolgreich? Wir erfahren nichts über Herkunft und Elternhaus von Wurm. Aber man kann spekulieren, dass Wurm – bei Schiller ist er der Sekretär des Präsidenten Walter, in der Oper hat ihn der Graf von Walter sogar zum Schlossverwalter gemacht – die Leistungsphilosophie und das Mittel-Zweck-Denken seines eigenen Vaters wie auch seines jetzigen Vorgesetzten und Gönners gut verinnerlicht und auf sein Privatleben ausgedehnt hat. Er wirbt nicht um Luisa, sondern verhandelt mit deren Vater, damit dieser ihm seine Tochter als Braut auf dem Tablett serviert. Schliesslich wäre er doch eine gute Partie, die auch Miller zum Vorteil ge­reichen könnte (in Form von gesellschaftlichem Aufstieg). Er verknüpft die geschäftlichen Interessen Walters (die geplante Heirat zwischen Rodolfo und der Herzo­gin) mit seinen privaten und formt daraus die Intrige, durch die Luisa seine Frau und Walter endgültig sein Verbündeter werden sollen. Doppelter Nutzen, beruflich wie privat: Die Intrige ist ein strategisches Meisterwerk. Wurms Eltern haben bei seiner Erziehung vermutlich nie in die Attraktivi­ tät der Persönlichkeit des Kindes investiert, wie es im Sinne der drei Funktionen einer «einbindenden Kultur» förderlich gewesen wäre. Deshalb glaubt er nicht daran, dass sein persönlicher Einsatz ausreichen könnte, um eine Frau zu gewin­ nen – noch dazu, wenn es sich, wie die Dorfbewohner von Luisa sagen, um eine schöne Frau handelt. Aber warum gelingt seine Intrige so gut? Offensichtlich hat Wurm ein unbewusstes Wissen über das Erleben und Verhalten seines Gegen­ übers, also die Psychologie der Menschen, mit denen er es zu tun hat. Er zerstört die Liebesbeziehung zwischen Rodolfo und Luisa, indem er sie an der empfind­ lichsten Stelle angreift. Liebe ist auf Vertrauen angewiesen: Vertrauen in die eigenen Gefühle und Vertrauen in die Gefühle des geliebten Menschen. Sobald Rodolfo sich der Gefühle Luisas nicht mehr sicher ist, wendet er sich wieder dem väterlichen Rat zu; das sieht Wurm voraus. Er muss Luisa also dazu bringen, ihre Gefühle für Rodolfo zu leugnen. Sie steht ihrem Vater gefühlsmässig noch sehr nahe; auch das durchschaut Wurm. Wenn es – wie angedroht – um dessen Leben geht, entscheidet sie sich gezwungenermassen für die Liebe zu ihrem Vater und damit gegen ihre Liebe zu Rodolfo. Dieser Teil der von Wurm ver­ folg­ten Strategie ist nicht schwer umzusetzen, da sich Luisa noch nicht von ihrem

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Vater emanzipiert hat. Schwieriger ist die gewünschte Wirkung bei Rodolfo zu erzielen. Der Geliebte muss den vermeintlichen Verrat an seiner Liebe schon direkt aus dem Munde der Geliebten bzw. durch einen Brief von ihrer Hand erfahren. Nun stellt Rodolfo seine eigene Gefühlswahrnehmung, die vorher schein­bar kein Zweifel erschüttern konnte und für die er mit so grosser Entschie­ denheit gekämpft hatte, voller Misstrauen in Frage. Woher weiss Wurm so gut, wie man Liebende entzweit? Die Zürcher Psy­ cho­­analytikerin Alice Miller hat in ihrem Buch «Das Drama des begabten Kindes und die Suche nach dem wahren Selbst» die Auswirkungen einer anpassenden Erziehung beschrieben. Ein Kind lernt, nicht haben zu dürfen, was es sich wünscht, nicht fühlen zu dürfen, was es fühlt, letztlich nicht mehr sein zu dürfen, was es ist. An die Stelle der Wünsche und Bedürfnisse – «haben zu wollen, fühlen zu dürfen, sich selbst zu sein» – tritt Angst. Angst ist ein schlechter Lebens­­be­ weger, Angst ist ein Lebensvermeider (während begründete Furcht ein Le­bens­ retter sein kann). Anpassende Erziehung führt langfristig zu Selbstwertver­lust. Wurm hat kein Selbstwertgefühl; dafür verfügt er über das Wissen, was man ihm selbst angetan hat und wie man ihn zu dem gemacht hat, was er ist. Die gleiche Strategie, die ihn psychisch zerstört oder zumindest beschädigt hat, wen­det er bei den jungen Liebenden an. Gelingen kann die Intrige, weil Luisa und Ro­ dolfo von ihren Vätern nicht rechtzeitig losgelassen wurden, sich deshalb nicht zu autonomen, gefestigten Individuen entwickeln konnten. Die letzten Worte Rodolfos zu seinem Vater sind die eines Kindes: «Und hier ist deine Strafe: sieh her» (3. Akt, letzte Szene). Mit diesem Aufschrei sinkt er tot an Luisas Seite zu Boden. Weil Rodolfo vorher noch mit letzter Kraft Wurm erstochen hat, kann Walter unangefochten seine Stellung als regierender Graf beibehalten. Niemand ausser ihm weiss jetzt noch von dem Verbrechen, durch das er an die Macht gekommen ist; und niemand ausser ihm kennt die Intrige, der Rodolfo und Luisa zum Opfer gefallen sind. Walter selbst kann sich keine Gefühle leisten; vorher nicht, und jetzt schon gar nicht. Er ist dazu verdammt, als Herrscher zu funktionieren und seine Macht zu sichern – wahrlich kein sonderlich erstrebenswertes Leben! Verdis kompromissloser Opernschluss legt uns die Frage nahe: Wie viel von einem Walter, einem Miller oder auch einem Wurm steckt in uns selbst?

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Fabio Armiliato, Barbara Frittoli, Leo Nucci Spielzeit 2OO9/1O


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LUISA MILLER GIUSEPPE VERDI (1813-1901) Libretto von Salvatore Cammarano nach dem bürgerlichen Trauerspiel «Kabale und Liebe» (1784) von Friedrich Schiller Uraufführung: 8. Dezember 1849, Teatro San Carlo, Neapel

Personen

Graf von Walter

Bass

Rodolfo, sein Sohn

Tenor

Federica, Herzogin von Ostheim, Walters Nichte Wurm, Walters Schlossverwalter Miller, Soldat im Ruhestand Luisa, seine Tochter Laura, Bäuerin Ein Bauer

Bass

Bariton

Sopran

Mezzosopran Tenor

Chor

Hofdamen Federicas, Pagen, Bedienstete, Bewaffnete, Dorfbewohner Die Handlung spielt in Tirol, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts

Alt


NO 1 SINFONIA

NR. 1 OUVERTÜRE

ATTO PRIMO

ERSTER AUFZUG

«AMORE»

«LIEBE»

SCENA PRIMA

ERSTE SZENE

Ameno villaggio. Da un lato la modesta casa di Miller, dall’altro, rustico tempietto; in lontananza, ed a traverso degli alberi, le cime del castello di Walter. Un’alba limpidissima di primavera è sull’orizzonte; gli abitanti del villaggio si adunano per festeggiare il giorno natalizio di Luisa. Laura è fra dessi.

Hübsches Dorf. Auf der einen Seite Millers bescheidenes Haus, auf der anderen eine kleine Dorfkirche. Durch Bäume hindurch sieht man in der Ferne die Zinnen von Walters Schloss. Ein sehr klarer Frühlingsmorgen dämmert herauf. Die Dorfbewohner, darunter Laura, versammeln sich, um Luisas Geburtstag zu feiern.

Nº 2 INTRODUZIONE

NR. 2 INTRODUKTION

LAURA, CONTADINI

LAURA, BAUERSLEUTE

Ti desta Luisa, regina dei cori; i monti già lambe un riso di luce: d’un giorno sì lieto insiem con gli albori qui dolce amistade a te ne conduce: Leggiadra è quest’alba sorgente in aprile, ma come il tuo viso leggiadra, non è: è pura, soave quest’aura gentile, pur meno è soave, men pura di te.

Wach auf, Luisa, Königin der Herzen, die Berge bekränzt schon ein lächelndes Licht: Die Dämmerung eines Freudentages und zärtliche Freundschaft führen uns zu dir. Lieblich ist diese Morgendämmerung im April, doch so lieblich wie dein Gesicht ist sie nicht. Rein und sanft ist diese milde Brise, doch nicht so sanft, nicht so rein wie du.

SCENA II

ZWEITE SZENE

Luisa, Miller, e detti

Luisa, Miller, die Vorigen.

MILLER

MILLER

Ecco mia figlia.

Da ist meine Tochter.

LUISA

LUISA

O care amiche…

Liebe Freundinnen…

CONTADINI

BAUERSLEUTE

Il Cielo a te sia fausto.

Möge der Himmel dir Segen bringen.

LAURA

LAURA

In breve ad invocarlo andrem uniti al tempio.

Gleich gehen wir in der Kirche darum bitten.

MILLER

MILLER

Il vostro affetto dal mio ciglio esprime pianto di tenerezza… Al cor paterno è sacro il dì che spunta… esso mi diè Luisa!

Eure Zuneigung treibt mir Tränen der Rührung ins Auge… Dem Vaterherzen ist der heutige Tag heilig: Er hat mir Luisa geschenkt!

abbracciandola

Er umarmt sie.

LUISA

LUISA

Nè giunge ancor!

Er kommt noch immer nicht!


volgendosi d’intorno inquieta

sich unruhig umschauend

Da lui divisa non v’ha gioia per me!

Getrennt von ihm, kann ich nicht froh sein!

MILLER

MILLER

Figlia! ed amore, appena desto in te, sì vive fiamme già spande! Oh! mal non sia cotanto amor locato!

Tochter! Brennt denn die Liebe, kaum erwacht, in dir schon mit so heftiger Flamme! Wenn so viel Liebe nur nicht dem Falschen gilt!

Luisa vorrebbe parlare

Luisa möchte etwas sagen.

Del novello Signor qui giunto nella corte ignoto a tutti è questo Carlo. Io temo!

Am Hofe des neuen Herrn, der vor kurzem eintraf, kennt niemand diesen Carlo. Ich bin besorgt!

LUISA

LUISA

Non temer: più nobil spirto, alma più calda di virtù non mai vestì spoglia mortal.

Hab keine Angst: Kein edlerer Geist, keine wärmere, tugendhaftere Seele hat je eine sterbliche Hülle bewohnt.

con entusiasmo

schwärmerisch

M’amò … l’amai. Lo vidi, e il primo palpito il cor sentì d’amore; mi vide appena, e il core balzò del mio fedel. Quaggiù si riconobbero nostr’alme in rincontrarsi. Formate per amarsi Iddio le avea in ciel!

Er liebt mich, ich liebe ihn. Als ich ihn sah, klopfte mein Herz zum ersten Mal vor Liebe; kaum sah er mich, da schlug sein treues Herz für mich. Gleich bei der ersten Begegnung hier auf Erden haben sich unsere Seelen erkannt; damit sie einander lieben, hat Gott sie im Himmel geschaffen!

LAURA, CONTADINI presentandole tutti, prima le donne poi gli uomini un mazzettino di fiori

LAURA, BAUERSLEUTE indem ihr alle, zuerst die Frauen, dann die Männer, ein Blumensträusschen überreichen Luisa,

Das vollständige Libretto können Sie im gedruckten Programmbuch nachlesen. www.opernhaus.ch/shop Luisa, un pegno ingenuo dall’amistade accetta.

nimm diesen bescheidenen Beweis unserer Freundschaft entgegen.

LUISA

LUISA

Grata è quest’alma, o tenere compagne…

Ich bin euch von Herzen dankbar, zärtliche Freundinnen...

scorgendo un giovine cacciatore, che le porge i fiori Ah!

als sie einen jungen Jägerburschen erblickt, der ihr seinerseits Blumen reicht Ah!

SCENA III

DRITTE SZENE

Rodolfo, e detti

Rodolfo, die Vorigen.

RODOLFO

RODOLFO

Mia diletta…

Meine Liebste!

MILLER turbato

MILLER bestürzt

(Desso!)

(Er ist’s!)


Programmheft LUISA MILLER Oper von Jacques Offenbach (1819–1880) Premiere am 18. April 2O1O, Spielzeit 2OO9/1O Wiederaufnahme am 16. Dezember 2O14, Spielzeit 2O14/15

Herausgeber

Intendant

Opernhaus Zürich Andreas Homoki

Zusammenstellung, Redaktion Ronny Dietrich

Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli, Giorgia Tschanz

Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing

Telefon 044 268 64 14, inserate@opernhaus.ch

Schriftkonzept und Logo

Studio Geissbühler

Druck

Textnachweise: Die Handlung schrieb Konrad Kuhn für dieses Heft. – Das Gespräch mit Damiano Michieletto, Paolo Fantin und Massimo Zanetti führte Konrad Kuhn für dieses Heft. – Siegfried Höfling, Falsche Vaterliebe oder Wie entsteht Selbstverlust? Originalbeitrag für dieses Heft. – Annette Gonserowskis Gedicht «Du» zitieren wir nach der Web­ site: http://www.deutsche-liebeslyrik.de/gegenwart/annette_gonserowski.htm. – Friedrich Schiller, Kabale und Liebe. Ein bürgerliches Trauerspiel. Zuerst erschienen 1784; zitiert nach der Ausgabe im Verlag Philipp Reclam Jun., Stuttgart 1977. – Die Bibel in der Übersetzung Martin Luthers. Württembergische Bibelanstalt, Stuttgart 1968. – Friedrich Wilhelm I., in: Ursula Voss (Hg.), Herztakte. Briefe an Kinder und junge Menschen aus aller Welt, Weinheim / Berlin 1993. – Hans Busch (Hg.), Giuseppe

Fineprint AG

Verdi. Briefe, Frankfurt am Main 1979. – Berthold Litzmann, Clara Schumann. Ein Künstlerleben. Nach Tagebüchern und Briefen (Bd. 1), Leipzig 1903. – Maya Rauch / Gerhard Schuster (Hg.), Christiane von Hofmannsthal. Tagebücher 1918-1923 und Briefe des Vaters an die Tochter 1903-1929, Frankfurt am Main 1991. – Carteggio [Briefwechsel] VerdiCammarano 1843-1852, Istituto nazionale di studi verdiani, Parma 2001; aus dem Italienischen übersetzt von Konrad Kuhn. Fototeil: Suzanne Schwiertz fotografierte das «Luisa Miller»-Ensemble bei der Klavierhauptprobe am 13. April 2010. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nach­richt gebeten.


Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

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