Norma

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NORMA VINCENZO BELLINI


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NORMA VINCENZO BELLINI (1801-1835)


Elena MoĹ&#x;uc Spielzeit 2O1O/11


Von wannen, o Sonne, dein Strahl? Oh du, die du oben rollest, Rund, wie der Schild meiner Väter, Von wannen, o Sonne, dein Strahl? Dein immerdauerndes Licht? Du trittst hervor in deiner hehren Schöne! Die Sterne selbst verbergen am Himmel sich dir! Der Mond, erblassend und kalt, Sinket in Woge des Niedergangs! Du aber bewegest allein dich selbst! Wer kann Gefährt deines Laufes seyn? Es fallen die Eichen der Berge, Mit den Jahren verfallen die Berge selbst! Der Ocean schrumpfet in Ebbe, Dann schwillet er wieder in Flut! Der Mond selbst schwindet am Himmel dahin. Du aber bist immer dir gleich, Dich erfreuend in dem Glanze deines Laufs! Erdunkelt von Stürmen die Welt, Rollet der Donner, zückt der Blitz, So schauest in deiner Schöne Du herab aus den Wolken, Und lachest der Wetter! Doch bist du vielleicht, gleich mir, Für einen Zeitlauf nur. Auch deine Jahre werden enden! Schlafen sollst einst in den Wolken du, Unbekümmert um des Morgens Ruf. Jauchze denn, o Sonn‘, in der Jugend Kraft! Trüb ist das Alter! Unhold! Es ist gleich dem flimmernden Lichte des Monds, Wenn durch gebrochenes Gewölk er scheint, Und an den Hügeln der Nebel weilt; Wenn der Windstoss aus Norden fährt, Hinab auf die Ebne! Wenn, mitten im Wandel gehemmt, Der Pilger erschauert! Ossian


ERSTER AKT Oroveso, Oberhaupt der Druiden und Normas Vater, fordert die gallischen Krieger auf, den Gong zu schlagen, sobald der Mond aufgeht, damit seine Toch­ter im heiligen Hain den Ritus vollziehe und den Willen des Kriegsgottes Irminsul ergründe. Die Männer wünschen sich, dass Norma endlich das Zeichen zum Aufstand gegen die römische Besatzungsmacht gibt. Der römische Prokonsul Pollione, Normas heimlicher Mann und Vater ihrer beiden Kinder, eröffnet seinem Freund Flavio, dass er sich in eine andere, jüngere Priesterin verliebt hat: Adalgisa. Er erzählt von einem Traumbild: Bei der Trauung mit Adalgisa in Rom wurde er von Normas Rache überrascht. – Das heilige Erz der Druiden ertönt und Norma wird in den Hain gerufen. Flavio warnt vor der Todesgefahr, die jedem Ungläubigen in diesem Wald droht. Pollione bekräftigt, um seiner Liebe zu Adalgisa willen werde er die Götter der Gallier besiegen. Die Gallier versammeln sich, um aus dem Mund der Seherin Norma zu erfahren, was der Gott Irminsul befiehlt. Sie tritt dem Ruf nach Krieg entgegen, da der Feind überlegen sei, und prophezeit, Rom werde eines Tages durch seine eigenen Laster zugrunde gehen. Dann ruft sie die Mondgöttin an; sie soll ihrer Mahnung zum Frieden Kraft verleihen. Das Volk stimmt in ihr Gebet ein. Sie will Pollione weiterhin schützen; doch es ist ihr nicht entgangen, dass dessen Liebe zu ihr nachgelassen hat. Nachdem alle abgezogen sind, will Adalgisa beim Altar Irminsuls Beistand erflehen gegen die Versuchung durch den ihr unbekannten Römer, mit dem sie sich seit einiger Zeit heimlich im Wald trifft. Da erscheint Pollione und bedrängt sie, als seine Frau mit ihm zusammen nach Rom zu gehen. Sie kann ihre Gefüh­ le nicht länger unterdrücken und verspricht, ihren Eid als Priesterin zu brechen und am nächsten Morgen mit ihm zu fliehen. In Normas Behausung hält Clotilde, Normas Vertraute, ihre beiden Kinder versteckt. Normas Gefühle ihnen gegenüber sind gespalten, seit sie weiss, dass Pollione nach Rom zurückberufen ist; bisher verschweigt er ihr, ob er die Absicht hat, sie mitzunehmen. – Clotilde versteckt die Kinder vor Adalgisa, die gekommen


ist, um Norma im Vertrauen zu sprechen. Die Novizin gesteht der Druidin, dass sie sich verliebt hat, und bittet sie darum, sie entweder von ihrem Gelübde zu entbinden oder ihr dabei zu helfen, die verbotene Liebe zu überwinden. Nor­ ma fühlt sich durch Adalgisas Schilderung an ihre eigene Begegnung mit Pollio­ ne erinnert. Sie verspricht Adalgisa, sie solle mit ihrem Geliebten glücklich werden. Als Norma nach dem Namen des Geliebten fragt, erscheint Pollione. Nach­ dem Adalgisa erfahren hat, dass er nicht nur Normas Gatte ist, sondern auch Kinder mit ihr hat, wendet sie sich entsetzt von ihm ab. Während Norma ihn verflucht, hält Pollione daran fest, seine Liebe zu Adalgisa sei stärker als alles andere. In Normas Racheschwüre mischt sich der ferne Gesang der Gallier, die die Priesterin erneut zum Altar des Irminsul rufen.

ZWEITER AKT Mit einem Dolch nähert sich Norma den beiden schlafenden Kindern. Ohne Polliones Hilfe kann sie sie nicht mehr vor ihrem eigenen Volk beschützen; andererseits will sie nicht zulassen, dass sie in Rom zu Sklaven einer Stiefmutter werden. Sie bringt es jedoch nicht übers Herz, die Kinder zu töten. Sie befiehlt Clotilde, Adalgisa zu rufen. Norma verkündet ihr, sie wolle ihre eigenen Verfeh­ lungen durch Selbstmord sühnen und der Rivalin die Kinder anvertrauen. Doch Adalgisa will nichts mehr von einer Verbindung mit Pollione wissen. Stattdessen schlägt sie vor, ins Lager der Römer zu gehen, um ihn zur Rückkehr zu Norma zu bewegen. Die beiden Frauen schwören sich ewige Freundschaft. Die Krieger treffen sich heimlich im Wald und beraten, was angesichts der bevorste­hen­den Rückberufung Polliones nach Rom zu tun sei. Oroveso kommt hinzu und berichtet, auf Pollione folge ein Heerführer, der noch grausamer sei. Doch solange Irminsul durch Norma nicht seine Zustimmung zum Angriff gibt, sind die Männer zum Stillhalten verdammt. Sie beschliessen, sich friedfertig zu geben, um dann umso wirkungsvoller loszuschlagen.


Norma wiegt sich in neuen Hoffnungen, als Clotilde ihr Nachricht von Adal­ gi­sa überbringt: Pollione denkt nicht daran, zu ihr zurückzukehren; vielmehr schwört er, Adalgisa vom Altar zu entführen. Jetzt kennt Normas Zorn keine Grenzen mehr: Sie schlägt das heilige Erz und fordert das herbeigeeilte Volk auf, den Kriegsgesang anzustimmen. Da meldet Clotilde die Gefangennah­me eines Römers, der im heiligen Hain aufgegriffen wurde; es ist Pollione. Auf Orovesos Fragen will er nicht antworten, sondern bittet viel­mehr um seinen Tod. Norma tritt vor und nimmt das Opfermesser an sich. Sie besinnt sich jedoch und schickt alle weg – mit der Begründung, sie müsse zunächst in Erfahrung brin­ gen, mit wem der Frevler im Bunde steht. Ein letztes Mal beschwört Norma ihren untreuen Gatten, Adalgisa zu ent­ sagen; unter dieser Bedingung werde sie sein Leben retten und dann auf immer von ihm scheiden. Als er sich weigert, berichtet sie davon, wie sie bereits kurz da­vor stand, ihrer beider Kinder zu töten. Nun genügt ihr Polliones Tod nicht mehr: Alle Römer sollen mit dem Leben für seine Untreue bezahlen – und Adalgisa, von deren verbotener Liebe sie den Galliern berichten will. Dem versammelten Volk verkündet Norma, ein neues Opfer für Irminsuls Blutdurst sei gefunden: eine Priesterin, die ihr Gelübde verletzt und sich mit dem Feind verbunden habe. Sie nennt jedoch nicht Adalgisas Namen, sondern klagt sich selbst des Verbrechens an. Oroveso ist ebenso entsetzt wie alle ande­ ren. Pollione bekennt sich nun wieder zu Norma und bittet sie um Verzeihung; er will in Liebe vereint mit ihr sterben. Norma ringt ihrem Vater das Versprechen ab, sich ihrer – gegen das göttliche Gesetz gezeugten – Kinder anzunehmen. Daraufhin ist sie bereit, den Scheiterhaufen zu besteigen.


Elena MoĹ&#x;uc Spielzeit 2O1O/11


Roberto Aronica Spielzeit 2O1O/11



NOTIZEN ZU BELLINIS «NORMA» Konrad Kuhn

Ich glaube, dass Bellini der letzte Opernkomponist war, der sich wirklich dessen bewusst war, dass Singen nicht nur ein dramatisches Mittel ist, sondern eine magische Kraft. David Kimbell Vincenzo Bellini war überzeugt, seine beste Oper geschrieben zu haben – und doch war die Reaktion des Publikums bei der Uraufführung der Norma an der Mailänder Scala am 26. Dezember 1831 zunächst eher verhalten. Und das, obwohl die Besetzung glänzend war: Die Titelrolle war der Sängerin Giuditta Pasta, die schon Bellinis Sonnambula aus der Taufe gehoben hatte, auf den Leib bzw. in die Kehle komponiert. Die Pasta, ursprünglich eine Mezzosopranistin, verfügte über eine ungemein breite Palette von Ausdrucksmitteln. Darauf spielt Bellini in einem Brief vom Sommer 1831 an, in dem er der verehrten Sängerin zum ersten Mal von dem Stoff schreibt, den er komponieren möchte: «Meine liebe Freundin! Ich muss mich jetzt der neuen Oper widmen, von der mir Ro­ mani erst gestern das Szenario überreicht hat. Ich hoffe, dass das Sujet Ihnen gefällt. Romani glaubt, es sei sehr wirkungsvoll und wie geschaffen für Ihren enzyklopädischen Charakter – denn so ist auch der Charakter der Norma.» Was es mit diesem «enzyklopdischen Charakter» auf sich hat, soll weiter unten ge­ nauer betrachtet werden. An der Seite von Giuditta Pasta stand Giulia Grisi, die später selbst als Norma reüssierte, in der Rolle der Adalgisa. Mit dem Tenor Domenico Donzelli hatte Bellini noch keine Erfahrungen gesammelt; der Kom­ ponist zeigte sich aber höchst erfreut, als der Sänger ihm brieflich den Tonum­ fang sowie die Stärken und Schwächen seiner Stimme beschrieb, und bezog diese Informationen in die Anlage der Partie ein. Als Oroveso war Vincenzo Negrini verpflichtet. Dieses Quartett ergab zusammen ein wirklich erstklassiges


Ensemble. Ein Grund dafür, dass der Oper am Premierenabend in Mailand, den Bellini mit ein wenig Übertreibung als «fiasco fiaschissimo» verbuchte, nur ein mittelmässiger Erfolg beschieden war, lag wohl darin, dass die Probenzeit sehr kurz und für die Sänger anstrengend gewesen war, so dass sie sich nicht in ihrer besten Form zeigen konnten. Ein anderer Grund für die anfangs zögerliche Begeisterung der Mailänder mag in der ungewohnten Anlage der beiden Akt­ schlüsse gelegen haben. So steht am Ende des ersten Akts anstelle eines gross­ angelegten Ensembles mit Chor und Nebenrollen das intime Terzett NormaAdalgisa-Pollione, in das sich erst am Ende der Nummer die Stimmen des Chores, die hinter der Bühne erklingen, mischen. Auch der ergreifende Schluss der Oper folgt weniger überkommenen Formmustern als einer inneren drama­ tischen Notwendigkeit. Dass das Publikum trotz solcher Brüche mit der Tradi­ tion empfänglich war für Bellinis neugefundene Verbindung von dramatischer Wucht und elegisch anmutendem, zartem Gefühlsausdruck, zeigte sich im Lauf der Zeit zunächst in Mailand, wo der Erfolg der Oper von Aufführung zu Auf­ führung zunahm. Endgültig bestätigte es sich bei einer Serie von Vorstellungen in Bergamo im Jahr nach der Uraufführung, die euphorische Reaktionen aus­ löste. Wie auch nicht: «Jemand, der aus einer Aufführung von ‹Norma› kommt und nicht bis zum Überfliessen gefüllt ist mit den letzten Seiten dieses Aktes, weiss nicht, was Musik ist», schrieb der Musikwissenschaftler Alfred Einstein mit Bezug auf das Finale der Oper; dem kann man nur beipflichten. So trat Bellinis Norma schon bald ihren unaufhaltsamen Siegeszug um die Welt an: In den ersten fünf Jahren nach der Uraufführung reüssierte die Oper u.a. in Neapel, Venedig, Rom, Wien, London, Paris, Amerika, Mexiko ... und kam bereits 1837 erstmals in Zürich auf die Bühne. 1850 dirigierte dann kein Geringerer als Richard Wagner das Stück im hiesigen «Aktientheater». Er hatte seine Dirigierpartitur aus Riga, wo er die Oper Jahre zuvor schon einmal einstu­ diert hatte, mitgebracht. Wagner blieb sein Leben lang fasziniert von Bellinis Kunst, unendlich lange Gesangslinien zu erfinden, die den in der jeweiligen Situation geforderten Ausdruck auf authentische Weise transportieren. Noch 1880 äusserte er anlässlich eines Besuchs in Neapel gegenüber Francesco Flori­ mo, der ein enger Freund des 45 Jahre zuvor mit Mitte dreissig verstorbenen Bel­lini gewesen war: «Bellini ist einer meiner Lieblingskomponisten: Seine Musik

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ist ganz Herz und eng mit dem Text verbunden.» Damit beschrieb der Bayreu­ ther Meister zwei entscheidende Qualitäten seines sizilianischen Komponisten­ kollegen, die man zusammensehen muss. In Vincenzo Bellinis eigenen Worten: «Die Oper muss das Publikum weinen, schaudern, sterben machen – durch den Gesang.» Und das ist so zu verstehen: Der Gesang ist kein Selbstzweck; erst in der engen Verbindung mit dem Text entfaltet er seine magische Wirkung. Auch ein Komponist wie Igor Strawinsky zollte Vincenzo Bellini, der zu diesem Zeit­ punkt relativ in Vergessenheit geraten war, 1942 seine Bewunderung: «Bellini sind Melodien von seltenster Qualität zugeflogen, ohne dass er sich die Mühe machte, danach zu suchen – als hätte der Himmel zu ihm gesagt: Du sollst das geschenkt bekommen, woran es Beethoven mangelte.» Und auch Frédéric Cho­ pin war so stark beeindruckt von Bellinis melodischer Gabe, dass man es in manchen seiner Klavierkompositionen deutlich spüren kann. Das entscheidende Kennzeichen von Bellinis Musik, die keineswegs nur dem Schönklang huldigt, liegt aber nicht in der Eleganz der «melodie lunghe, lunghe, lunghe, wie sie nie­mand zuvor geschrieben hat» (um ein vielzitiertes Wort Giuseppe Verdis auf­ zugreifen). Bellini vermeidet es, dass der Gesang sich verselbständigt, sei es als Sprungbrett für Sänger mit geläufiger Kehle, die mit ihrer Virtuosität das Publi­ kum beeindrucken wollen, sei es als Lieferant «schöner», aber nichtssagender Melodien. Vielmehr entzündet sich seine musikalische Phantasie an bestimmten Versen, an konkreten Situationen und an den Charakteren eines Dramas. Sowohl in der Gestaltung der einzelnen Szenen, deren Steigerungsbögen z.T. über grosse Zeiträume entwickelt werden, als auch in der Zeichnung der Figuren achtet Bellini stets auf die dramatische Wahrhaftigkeit und reagiert sehr fein­ fühlig auf die besondere Atmosphäre des jeweiligen Sujets. Und das nirgendwo so vollendet wie in seiner Norma. Der Anlage der Figur der Titelheldin haftet bei näherer Betrachtung durch­ aus etwas Konstruiertes an. Verschiedene Charaktereigenschaften, die von meh­ reren Vorbildern abgeleitet sind, werden beinahe wie in einer «Enzyklopädie» (vergleiche die oben zitierte Wendung in Bellinis Brief an Giuditta Pasta) neben­ einandergestellt und geradezu auf den «Begriff» gebracht, wie schon ihr Name besagt: Das italienische Wort «norma» kann man als «Inbegriff» übersetzen. Doch trotz dieser synthetischen Genese, die eine schier überlebensgrosse Statur


zur Folge hat, ist uns Norma als Mensch in jedem Augenblick nahe; ihre Emotio­ nen sind von Bellini so glaubhaft gezeichnet, dass sie uns ganz direkt berühren. Untergründig scheinen allerdings noch weiterreichende Kraftlinien zu verlaufen. «Selten tritt die echt tragische Wirkung der Katastrophe, also die durch sie herbeigeführte Resignation und Geisteserhebung der Helden, so rein motiviert und deutlich ausgesprochen hervor wie in der Oper Norma, wo sie eintritt in dem Duett ‹Qual cor tradisti, qual cor perdesti›, in welchem die Umwendung des Willens durch die plötzlich eintretende Ruhe der Musik deutlich bezeichnet wird.» Was Arthur Schopenhauer hier in Anlehnung an die Grundbegriffe seines philosophischen Denkens beschreibt, entfaltet seine kathartische Wirkung bei jeder Aufführung des Werks aufs Neue mit unverminderter Kraft. Woran liegt das? Wird hier nicht eine scheinbar simple Dreiecksgeschichte erzählt, auf etwas unbestimmte Weise eingebettet in ein fabelhaftes Gallien, dessen Ingredienzien uns heute eher in Comic-Form begegnen?

Das komplette Programmbuch können Sie auf Was ist das Besondere an www.opernhaus.ch/shop diesem Stoff? oder am Vorstellungsabend im istFoyer Voraussetzung für die Entstehung eines Meisterwerks wie der Norma ein inspirierendes Libretto; es wurde von Felice Romani, dem umfassend gebildeten unddes versiertenOpernhauses Partner Bellinis für nicht weniger als sieben Opern, geschaffen. erwerben Die unmittelbare Vorlage war eine französische Tragödie von Alexandre Soumet. Dessen Drama Norma ou L’Infanticide hatte erst acht Monate vor der Urauf­ führung von Bellinis Oper am Pariser Odéon-Theater Premiere gehabt. Romani griff jedoch so geschickt in das Handlungsgerüst ein, dass aus Soumets Schauer­ geschichte, in der Norma eine Kinds- und Selbstmörderin ist und am Ende wahnsinnig wird, eine rätselvolle Geschichte mit tieferen Bedeutungsschichten entstand. Romanis Charakterportrait einer gespaltenen Frau, deren Schicksal sich am Ende mit unausweichlicher Konsequenz erfüllt, orientiert sich, wie schon angedeutet, an diversen Vorbildern. Der Librettist lehnt sich jedoch jeweils nur bruchstückhaft an seine Quellen an. Da sind zunächst antike Figuren wie die blutrünstige Zauberin Medea. Sie bestraft ihren ungetreuen Geliebten Jason für seinen Verrat bekanntlich, indem sie ihre beiden gemeinsamen Kinder ermordet.


Doch genau das tut Norma bei Romani (im Gegensatz zur Vorlage von Soumet) eben nicht; sie spielt nur mit dem Gedanken. In der grossartig ge­stalteten Szene zu Beginn des zweiten Aktes, die als freies, arioses Rezitativ geformt ist, steht sie kurz vor der Tat, schreckt jedoch davor zurück. Für diesen Moment, der viel über Norma aussagt, erfindet Bellini eine seiner berühmten Kantilenen, deren Sog man sich kaum entziehen kann: Zunächst erklingt sie im Vorspiel, von den Violoncelli gespielt, später wird sie dann von der Singstimme aufgegriffen. Als weiteres Vorbild ist die Figur der Priesterin Velleda zu nennen. Diese wohl historische Gestalt wird von Tacitus als Seherin beschrieben. Der Name begegnet wieder in François-René de Chateaubriands Roman Les Martyrs von 1809, der eine weitere wichtige Inspirationsquelle für Felice Romani war. Hier ist die ursprünglich germanische Prophetin zur Gallierin geworden. Chateau­ briands Velleda ist Druidin und als solche an ein Keuschheitsgelübde gebunden – wie die römischen Vestalinnen, denen beim Verlust ihrer Jungfernschaft ein schlimmes Ende drohte. Als sie dem römischen Offizier Eudore verfällt, der sich jedoch nicht auf eine Beziehung mit ihr einlässt, schneidet sich Chateaubriands wildes Weib eigenhändig die Kehle durch. In Les Martyrs hallt nicht zuletzt die Kelten-Begeisterung wieder, die die Ossian-Dichtung des schottischen Autors James McPherson in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in ganz Europa ausgelöst hatte. Es sollte noch einige Jahrzehnte dauern, bis die angeblich nur mündlich überlieferten, aus dem frühen Mittelalter stammenden Texte des kel­ tischen Helden Ossian, die McPherson aus dem Gälischen übersetzt haben wollte, als Erfindungen entlarvt worden waren. Konnte Ossian auch als Fäl­ schung erkannt werden, so wissen wir bis heute wenig über die Kelten und ihre religiösen Vorstellungen. Das liegt unter anderem daran, dass es den Druiden verboten war, ihr Wissen schriftlich festzuhalten. Die genannten Versatzstücke aus verschiedenen Mythologien verdichten sich in Romanis Libretto – und erst recht in Bellinis Musik – zu einer geheimnis­ voll kultischen Atmosphäre, die im Heiligen Hain der Druiden herrscht. Auch für dieses besondere Fluidum finden sich Anregungen in Chateaubriands sug­ gestiven Szenen, die in die Gestaltung der Oper Norma eingeflossen sind. Hier ein Ausschnitt aus Les Martyrs: «Herabgestiegen war die Nacht. Jetzt glänzten im Dunkel des Waldes tausend Lichter. Jede Eiche schien sozusagen einen


Gallier hervorzubringen; die Barbaren kamen in Scharen aus ihren Schlupfwin­ keln hervor. Man wollte zur dreissigjährigen Eiche hin, wo man die geheiligte Mistel entdeckt hatte. Später hörte man von ferne der Barden Chor: ‹Teut will Blut; er hat in der Druideneiche gesprochen. Mit der goldenen Sichel wurde geschnitten die heilige Mistel, am sechsten Tage des Mondes, am ersten Tag des Jahrhunderts. Teut will Blut! Er hat in der Druideneiche gesprochen!›» Bei Chateau­­briand, aber auch bei Soumet spielt noch ein anderes Motiv eine zen­ tra­­l­e Rolle: Der Gegensatz zwischen Christentum und barbarischem Kult. So wen­det sich Eudore in Les Martyrs auch deshalb gegen Velleda, weil er seinem christlichen Glauben treu bleibt, und in Soumets Norma bekehrt Clotilde Adal­ gisa zum Christentum. Auch darin ist Romani seinen Vorlagen nicht gefolgt; vielleicht gewinnt die Oper Norma ihre Macht über den Zuschauer (und Zuhö­ rer) gerade daraus, dass die Ebene einer archaischen, vorchristlichen Religiosi­tät (gegen die Pollione in der Oper nur den Liebesgott Amor beschwört) durchge­ halten wird und dadurch ein ganz eigener Kosmos entsteht. Von wahrhaft kosmischer Dimension ist der archetypische Grundkonflikt, den man als untergründiges Zentrum der Oper bezeichnen kann. Er lässt sich als Entgegensetzung von Mond und Sonne als weiblichem und männlichem Prinzip beschreiben. Felice Romanis Norma-Libretto kann man in dieser Be­ ziehung mit Emanuel Schikaneders Libretto zu Mozarts Zauberflöte vergleichen; auch bei dieser Oper greift man gern den Librettisten wegen der angeblich minderen Qualität seines Textes an. Dagegen nimmt ihn Theodor W. Adorno in Schutz: «Wie wenige Kunstwerke in ihrer Genese aufgehen und wie sehr darum die philologische Methode sie verfehlt, ist sinnfällig zu demonstrieren. Schikaneder hat nichts von Bachofen sich träumen lassen. Das Libretto der Zauberflöte kontaminiert die verschiedensten Quellen, ohne Einstimmigkeit her­ zustellen. Objektiv aber erscheint in dem Textbuch der Konflikt von Matriarchat und Patriarchat, von lunarem und solarem Wesen. Das erklärt die Resistenzkraft des vom altklugen Geschmack als schlecht diffamierten Textes.» Schikaneder wird nicht sehr intensiv über die mythologischen Implikationen seines Zauberflöten-Textes nachgedacht haben. Wie genau dagegen Felice Romani über die Bedeutung der archetypischen Mond-Sonne-Konstellation, die in Norma durch­ scheint, im Bilde war, belegen die betreffenden Artikel in einem von ihm ver­

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fassten mythologischen Lexikon, das er 1809-1825 veröffentlicht hatte. Dort liest man unter dem Stichwort «Sol (Sonne)» u.a.: «Dieser Himmelskörper war der erste Gegenstand der Anbetung. Seine Schönheit, sein heller Glanz, die Schnelligkeit seines Laufes, die Regelmässigkeit, mit der er die Erde immer wieder erleuchtet, und die Tatsache, dass er überallhin Licht und Fruchtbarkeit bringt, all diese für eine Gottheit wesentlichen Eigenschaften machten ihn so­ wohl für die Jäger und Sammler als auch für die Ackerbau treibenden Menschen zum Gott. Es gibt Gelehrte, die behaupten, alle heidnischen Götter liessen sich letztlich auf den Sonnengott zurückführen, so wie alle heidnischen Göttinnen auf den Mond.» Und unter «Luna (Mond)» vermerkt das Lexikon: «Die zweit­ grösste heidnische Gottheit nach dem Sonnengott. Cäsar schreibt den Völkern des Nordens keine anderen Götter zu als Sonne, Feuer und Mond. In Gallien be­sass die Mondgöttin ein Orakel mit Druidinnen als Dienerinnen. Vielen Völ­ kern galt sie zusammen mit dem Sonnengott als Herrscherin der Welt. Da der Mond nur nachts erscheint, flösste er den Menschen mehr Angst und Schrecken ein und sein Einfluss war gefürchtet; daher der Aberglaube, der sich mit dem Mond verbindet und bis heute nicht aus unserer Hemisphäre verschwunden ist.»

Keusche Mondgöttin und kriegerischer Sonnengott Irminsul Als Pendant zu der – von Romani ins Spiel gebrachten, in Normas Gebet «Casta Diva» auf so unvergleichliche Weise angesprochenen – Mondgöttin, von der die Priesterin erfleht, sie möge ihr Volk zum Frieden mahnen, fungiert der Kriegsgott Irminsul, dessen Wesen sich in den suggestiven Versen des Librettos metaphorisch mit der Sonne verbindet. Dass der Name Irminsul ursprünglich eine Kultstätte der Sachsen vor ihrer Christianisierung durch Karl den Grossen im 8. Jahrhundert bezeichnet (die Irmensäule war wahrscheinlich eine Varian­ te der Weltesche, wie man sie aus der nordischen Mythensammlung Edda kennt) und also mit der Welt der gallisch-keltischen Naturreligion zur Zeit der römi­ schen Besetzung nichts zu tun hat, wusste Felice Romani sehr wohl. Auch das belegt das sechsbändige mythologische Lexikon, das der gelehrte Librettist zusammen mit einem Kollegen an der Universität Genua erarbeitet hatte. Es


ent­hält, neben Artikeln zu den Schlagworten «Druidin», «Eubage» und «Mistel», auch einen kundigen Eintrug zu «Irminsul». Schon bei Chateaubriand begegnet die Versetzung der Irminsul aus dem (von den Sachsen bevölkerten) Sauerland ins keltische Gallien achthundert Jahre zuvor. Und schon für Giovanni Pacini hatte Romani das Motiv im Libretto für dessen Sacerdotessa d’Irminsul (1821) verarbeitet. Doch erst in der Norma wird dem phallischen Säulen-Gott die in der Mondscheibe verkörperte Gestalt der «Grossen Mutter» entgegengesetzt. Freilich hat, um Adornos Formulierung aufzugreifen, Felice Romani ebenso wenig wie Schikaneder «von Bachofen sich träumen lassen»; schliesslich schrieb der Basler Mythenforscher und Rechtsgelehrte Johann Jakob Bachofen sein epochales Werk Das Mutterrecht erst 1861. Durch die Klitterung verschiedener Mythen erzeugt Felice Romani jenes Kraftfeld, das aus den Figuren, deren nachvollziehbare Affekte durchaus realis­ tisch gezeichnet sind, zugleich Träger symbolischer Vorgänge macht. So kann man Normas Verbindung mit dem feindlichen Römer Pollione als Versuch deu­ ten, die frühgeschichtliche Rolle einer mit den Naturgottheiten durch Geheim­ wissen im Bunde stehenden matriarchalen Führerin, von der ihr nur mehr das Amt einer Wahrsagerin und Priesterin des Irminsul übrig geblieben ist, durch ihre Verbindung mit dem römischen Krieger, die vordergründig einen Verrat an ihrem eigenen Volk bedeutet, auf magische Weise zurückzugewinnen, um damit letztlich zur Rettung der von Rom unterdrückten Gallier beizutragen. An dieser Stelle sei auf die erhellenden «Kommentare zu Bellinis Norma» ver­ wiesen, die der Dramaturg Sergio Morabito für das Programmheft zur Stutt­ garter Inszenierung der Oper von Jossi Wieler 2002 geschrieben hat. Dort werden weitere Bezüge des Librettos zur germanischen Mythologie hergestellt. Interessant ist etwa die Geschichte um den Gott Balder, der nur durch eine Mistel verwundbar war. Die symbolische Bedeutung der Mistel, die als Herz der Eiche angesehen wurde, verbindet sich auch mit jahreszeitlichen Ritualen. Ohne hier näher auf die Komplexität der Zusammenhänge eingehen zu wollen, sei das dahinterliegende Erzählmuster der mystischen Vereinigung einer Göttin mit einem Jüngling, der dafür sterben muss, erwähnt. Als gottgleiche Mond­ priesterin hat Norma sich mit Pollione eingelassen und sozusagen gegen den Sonnengott Irminsul verschworen. In der Erkenntnis, dass sie eben doch nur eine

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(sterbliche) Frau ist und sich durch ihre Ehe mit Pollione «über menschliche Vorstellungskraft» hinaus schuldig gemacht hat, provoziert Norma im Finale durch ihre erschütternde Selbstbezichtigung ihren eigenen Tod, dem sie am Ende gefasst entgegengeht. «Geisteserhebung» hatte Schopenhauer diesen Vor­ gang genannt: Die tragische Heldin erkennt ihre Hybris und erhöht sich selbst, indem sie sich dieser Erkenntnis stellt. In Sergio Morabitos Anmerkungen zu Norma wird auch mit dem Missver­ ständnis aufgeräumt, die tragische Wucht von Bellinis und Romanis Meister­werk kulminiere im gemeinsamen «Liebestod» Normas und Polliones. Liest man das Libretto genau, muss man zu dem Schluss kommen, dass sich vielleicht Pollio­ ne einen solchen «Liebestod» (wie er dann in Wagners Tristan und Isolde zum Ziel­punkt einer Oper und, in weiterer Folge, zum geflügelten Wort werden sollte) wünscht; Norma jedoch spricht ausdrücklich davon, dass nur sie von den Flammen des Scheiterhaufens verzehrt werden wird, wenn auch in Gegenwart ihres untreuen Gatten (und also doch auch «vereint» mit ihm). Dem Prokonsul werden die Druiden sicher keinen Feuertod bereiten – schliesslich ist er keine un­­keusch gewordene Priesterin wie Norma, die als Seherin so zentrale Bedeu­ tung für ihr Volk hat, dass ihre «ungeheure Verfehlung» durch den Feuertod gesühnt werden muss; der selbstherrliche römische Draufgänger ist nur ein Fremder und Feind, der durch sein unbefugtes Betreten des Heiligen Hains ein Sakrileg begangen hat und dafür mit dem Opfertod am Altar des Gottes bestraft werden muss. Um ihn dieser Strafe zuzuführen, zückt Oroveso zu Beginn der Final-Szene sein Messer, das ihm dann von Norma aus der Hand genommen wird. Wenn Norma also am Ende vom reinigenden Feuer verschlungen wird, darf der «ungläubige» Römer nur dabei zusehen. Und Normas letztes Anliegen ist nicht etwa, mit Pollione vereint zu sterben, auch wenn sie dessen reuiger, in neu entbrannter Liebe an sie gerichteter Bitte um Verzeihung gegenüber nicht taub ist; viel wichtiger ist es für sie, ihrem Vater das Versprechen abzunehmen, ihre beiden Kinder zu retten. In ihnen lebt die Hoffnung, dass aus der Verbin­ dung der Druidin mit dem römischen Feldherrn vielleicht doch eine bessere Zukunft für das Volk der Gallier erwächst.


Robert Wilsons «Norma»-Inszenierung in Zürich Welche mythologischen Deutungen man der Oper Norma abgewinnen mag, bleibt letztlich jedem Zuschauer selbst überlassen. Die untergründigen Sinn­ schichten des Werkes erschliessen sich zuallererst durch die Musik – und für diese Musik gilt es, ein Gefäss zu schaffen. Unter diesem Blickwinkel betrachtet ist es besonders spannend, wenn Bellinis Werk nun in Zürich durch den Theater­ zauberer Robert Wilson eine Realisierung erfährt, deren bewusst abstrakte For­ mensprache offen ist für viele Deutungen. So ist es das erklärte Hauptanliegen des amerikanischen Regisseurs, einen Raum für die Musik zu schaffen, durch den wir sie vielleicht ganz neu wahrnehmen können. Die in diesem Programm­ heft mitgeteilten Äusserungen von Robert Wilson (s. Probennotate, S. 46ff.) sollten nicht als zusammenhängender, programmatischer Text aufgefasst, son­ dern als Schlaglichter auf Wilsons Theaterarbeit gelesen werden. Alle Äusserun­ gen wurden beim «Workshop» im Februar 2010 (der ersten intensiven Phase der Arbeit an Norma) sowie im Laufe der Proben im Januar und Februar 2011 notiert. Wilsons Inszenierung ist ebenso von der zeitgenössischen Lichtkunst eines Olafur Eliasson oder Doug Wheeler inspiriert wie von den mystischen Wesen, die auf keltischen Kultgegenständen dargestellt sind. Besonders der «Kessel von Gundestrup», ein 2000 Jahre altes Ritualgefäss aus vergoldetem Silber, das wahrscheinlich aus Gallien stammt, aber in Dänemark gefunden wurde und mit Darstellungen seltsamer Götter, Krieger, Tiere und Fabelwesen bedeckt ist, hat ihn fasziniert. Einige der keltischen Moti­ve, die Robert Wilsons in einem Zyklus bildnerisch verarbeitet hat, haben ihren Weg auch in dieses Heft gefunden.

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Roberto Aronica, Michelle Breedt, Elena MoĹ&#x;uc Spielzeit 2O1O/11



RICHARD WAGNER UND BELLINI Carmen Stocker

Richard Wagners Bewunderung für Vincenzo Bellinis Musik beginnt früh; sie geht auf den Besuch einer Aufführung der Oper I Capuleti e i Montecchi 1834 in Leipzig zurück. Seine begeisterte Reaktion auf dieses Erlebnis hatte einerseits mit seiner Wertschätzung für Bellinis Gabe, weitgespannte Melodien für die Singstimme zu komponieren, zu tun, andererseits mit der Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient. Sie sang die Hosenrolle des Romeo und faszinierte Richard Wagner immer wieder nachhaltig, seit er sie fünf Jahre zuvor, im Alter von 16 Jahren, als Leonore in Beethovens Fidelio erlebt und daraufhin beschlossen hatte, Komponist werden zu wollen. In einem Artikel, den er 1834 in der «Zei­ tung für die elegante Welt» über die Leipziger Capuleti e Montecchi-Aufführung veröffentlichte, drückt Wagner seine Begeisterung für Vincenzo Bellinis melodi­ sche Begabung so aus: «Ich werde nie den Eindruck vergessen, den vor kurzem eine Oper von Bellini auf mich machte, nachdem ich des ewigen in Allegorien Redens ganz überdrüssig geworden war und endlich ein einfaches, edles Lied wieder auftauchte.» Wie in vielen seiner späteren Schriften äussert er sich schon hier polemisch gegenüber der Kompositionstechnik der Deutschen, denen er empfiehlt, sich an der Art und Weise, wie Vincenzo Bellini mit der Gesangslinie umgeht, ein Beispiel zu nehmen. Von allen Opern Vincenzo Bellinis bezeichnet Wagner die Oper Norma als seine «gelungenste Komposition». In einer Rezen­ sion, die er am 8. März 1837 anlässlich einer Aufführung des Werks in Königs­ berg verfasste, überhäuft er Bellini geradezu mit Lob: «In dieser Oper hat sich Bellini entschieden auf die grösste Höhe seines Talentes geschwungen, und sie ist in diesen Tagen der romantischen Extravaganzen und Überreitzungen in sogenannten pikanten musikalischen Genüssen jedenfalls eine Erscheinung, die gar nicht genug zu würdigen ist.» Dieser Artikel dürfte allerdings zu Wagners


Lebzeiten nie veröffentlicht worden sein; er wurde erst 1973 durch den Musik­ wissenschaftler Friedrich Lippmann erstmals im Druck zugänglich gemacht. Im selben Jahr (1837) wählte Wagner, inzwischen als Kapellmeister in Riga engagiert, Bellinis Norma für seinen eigenen Benefizabend – d.h. für die Auf­ führung, deren finanzieller Erlös ihm direkt zugute kam. Als Ankündigung für diese Benefiz-Vorstellung schrieb er im Rigaer «Zuschauer» einen Artikel, in dem er Bellini seinen deutschen Komponistenkollegen erneut als leuchtendes Vorbild präsentierte: «Dass der Bellinische Gesang in Italien und Frankreich entzückt, ist einfach und klar, dass aber selbst der deutsche Musikkenner die Brille von den strapazierten Augen wegnahm und sich einmal so ganz rücksichts­ los der Freude eines schönen Gesanges hingab, das lässt uns zugleich tiefer in sein eigentliches Herz blicken, dass es zumal bei Bellini die klare Melo­die, der einfach edle und schöne Gesang war, der uns entzückte; dies zu bewahren und daran zu glauben, ist doch wahrlich keine Sünde; es ist vielleicht selbst keine Sünde, wenn man vorm Schlafengehen noch ein Gebet zum Himmel schickte, dass den deutschen Komponisten doch endlich solche Melodien und eine solche Art, den Gesang zu behandeln, einfallen möchte. – Gesang, Gesang und aber­ mals Gesang, ihr Deutschen! Gesang ist nun einmal die Sprache, in der sich der Mensch musikalisch mitteilen soll, und wenn diese nicht ebenso selbstständig gebildet und gehalten wird, wie jede andere kultivierte Sprache es sein soll, so wird man euch nicht verstehen. Das übrige, was an diesem Bellini schlecht ist, kann ja jeder eurer Dorfschulmeister besser machen, das ist bekannt; es liegt demnach ganz ausser der eigentlichen Sache, sich über diese Mängel lustig zu machen; wäre Bellini bei einem deutschen Dorfschulmeister in die Lehre ge­ gangen, er hätte es wahrscheinlich besser machen lernen, ob er aber dabei nicht vielleicht seinen Gesang verlernt hätte, steht allerdings sehr zu befürchten.» Für die Aufführung in Riga nahm Wagner einige Änderungen in der Partitur vor; er betätigte sich sozusagen als «Dorfschulmeister» und änderte für einzelne Stellen den Orchestersatz. Er komponierte sogar eine Bassarie mit Chorbeglei­ tung für den Oroveso («Norma il predisse, o Druidi») als Ersatz für die Arie «Ah! del Tebro». In Zürich wurde Bellinis Norma am 27. März 1837 zum ersten Mal aufge­ führt – und zwar am «Aktientheater», das damals unter der Leitung von Charlot­

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te Birch-Pfeiffer stand. Unter ihrer Direktion gastierte Antoinette Vial mehrmals in der Titelrolle und löste z.T. euphorische Reaktionen aus. Überliefert ist die Eloge eines Zürcher Zuschauers, der offenbar eine poetische Ader hatte (oder zu haben glaubte). Er dichtete die verehrte Gesangskünstlerin mit folgen­den Versen an: «Wie über Blumenmatten Alpenbrünnlein klar / Am Abend mur­meln, wenn die Firnen glühen, / Tönt Dein Gesang, süss wie des Hirten Flöte, / Und Liebe flüstert’s in die Abendröthe...» Nicht nur das Alpenglühen schien dem sich mit «Dr. G.» unterzeichnenden Opernfreund in der Stimme der Vial lieblich zu leuchten; auch Gebirgsbäche, die sich vom Eise befreien, werden beschwo­ren; offenbar standen der Sängerin dramatischere Ausbrüche ebenso zu Gebote: «... so des Gesanges Strom, o Norma! bricht hervor, / Und Hochge­witter kommen angezogen. / Doch deine Stimme schallt in Ungewittern, / Und Berg und Thal, und Menschenherzen zittern...» Eine echt schweizerische Umschreibung der breiten Ausdrucksskala, die die Figur der gallischen Druiden­priesterin kennzeich­ net! Noch grösseren Eindruck hinterliess in Zürich eine Aufführung der Norma am 21. August 1843. Es waren die letzten Vorstellungen unter der Direktion der Birch-Pfeiffer, die sich mit einer hochkarätigen Gast­spielserie verabschiedete: Sie hatte Wagners Lieblingssängerin, die berühmte Wilhelmine Schröder-Dev­ rient, nach Zürich geholt. Diese sang – neben anderen Glanzrollen ihres Reper­ toires wie Bellinis Romeo, Beethovens Leonore und Webers Agathe – auch Norma. Vor allem Wahrhaftigkeit wurde der Sänge­rin, die den Zenit ihrer Kar­ riere zu diesem Zeitpunkt schon überschritten hatte, at­testiert: «Den ‹lauten Markt› – Du durftest ihn verschmäh’n. / Du durftest kühn auf eig’nem Wege schreiten, / Zur Wahrheit nur konnt’ Dein Genie Dich leiten.» Den Auftritt der Schröder-Devrient als Norma in Zürich hat Richard Wag­ ner nicht erlebt; er kam bekanntlich erst 1849 als politischer Flüchtling in die Stadt. Nach einiger Zeit begann er sich für das «Aktientheater» zu interessieren. Zunächst versuchte er, zwei unterschiedlich begabte junge Kapellmeister ans Zürcher Theater zu vermitteln: Karl Ritter und Hans von Bülow. Nachdem sich jedoch beide dort nicht hatten durchsetzen können, trat er selbst für einige Auf­führungen ans Pult und wurde auch als Regisseur tätig. Zu den von Richard Wagner am Zürcher «Aktientheater» geleiteten Aufführungen gehörte auch eine Norma, die er am 21. Oktober 1850 in der von ihm bearbeiteten Fassung aus


der Partitur, die er aus Riga mitgebracht hatte, dirigierte. Diese Aufführung stiess allerdings beim Publikum, im Gegensatz etwa zu Aufführungen des Freischütz, des Fidelio, der Zauberflöte und des Don Giovanni, auf eher verhaltene Zustim­ mung. Das wird aus einer Rezension ersichtlich, die am 20. Oktober 1850 in der «Eidgenössischen Zeitung» erschien und Bellini mit Donizetti ver­gleicht: «Obwohl die Norma von Bellini offenbar viel mehr Werth hat als die ‹Regiments­ tochter›, so hat sie trotz der makellosen Aufführung unter Herrn Wagner meh­ rentheils kalt gelassen». Der Rezensent führt die mangelnde Begei­ste­r ung auf die sich wandelnden Vorlieben des Publikums zurück: «Es ist offenbar, dass sich der Geschmack des Publikums von dieser so übermässig gefeierten italienischen Musik immer mehr abwendet, sobald es eben nur Gelegenheit bekommt, weit Besseres und Gediegenes zu hören.» Wie man sieht, war Bellinis Stern in Zürich 15 Jahre nach dem frühen Tod des Komponisten schon ziemlich verblasst. An Wagners Bearbeitung der Norma-Partitur wird es nicht gelegen haben. Diese Dirigierpartitur mit aufschlussreichen Änderungen von Wagners Hand kann man übrigens bis heute in Zürich studieren: Sie befindet sich im Besitz der Hand­ schriftensammlung der hiesigen Zentralbibliothek.

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Giorgio Giuseppini Spielzeit 2O1O/11



DER LIBRETTIST FELICE ROMANI Carmen Stocker und Konrad Kuhn

Der Musikwissenschaftler Francesco Paolo Russo schreibt – indem er auf den Rang Pietro Metastasios, des unbestrittenen Meisterdichters des italienischen Opernlibrettos im 18. Jahrhundert, anspielt – über Felice Romani: «Als gründli­ cher Kenner der europäischen Kultur seiner Zeit war Romani in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die einzige Persönlichkeit, die eine Rolle ein­nehmen konnte, wie sie vorher Metastasio innegehabt hatte: die eines Libret­ tisten, der für mehrere Generationen von Opernkomponisten einen Bezugs­ punkt bildete.» Schon zu seiner Zeit wurde Felice Romani als «wiederaufer­ standener Metastasio» gefeiert. Tatsächlich war der Einfluss, den Romani als Li­brettist auf diverse Komponisten hatte, für seine Zeit singulär. Er war in der Lage, jährlich fünf bis sechs Libretti zu schreiben; insgesamt existieren 90 Li­ bret­ti aus seiner Feder, geschrieben für 34 verschiedene Komponisten – darun­ ter finden sich praktisch alle, die damals in Italien einen grossen Namen hatten: neben Vincenzo Bellini u.a. Gioachino Rossini, Gaetano Donizetti, Giacomo Meyerbeer, Simon Mayr, Saverio Mercadante, Giovanni Paccini und Nicola Vaccai; später hat auch Giuseppe Verdi ein Libretto von Romani vertont (Un giorno di regno). Felice Romani wurde 1788 in Genua geboren und starb 1865. Er war sehr gebildet. Nachdem er zunächst ein Studium der Rechtswissenschaften in Pisa auf­genommen hatte, wandte er sich schon bald in seiner Heimatstadt Genua der Literaturwissenschaft zu. An der Universität Genua war er später als Dozent tätig. Zusammen mit einem Kollegen veröffentlichte er dort zwischen 1809 und 1825 ein sechsbändiges mythologisch-antikes Lexikon: «Dizionario d’ogni mi­ tologia e antichità, incominciato da Girolamo Pozzoli sulle trace del Dizionario della favola di Fr. Noel, continuato ed ampliato dal Prof. Felice Romani e dal


Dr. Antonio Peracchi». Wie dem Titel zu entnehmen ist, schrieben Romani und sein Mitautor das von dem französischen Humanisten François Noël verfasste Dictionnaire de la fable, dessen Übersetzung und Erweiterung Girolamo Poz­ zoli begonnen hatte, fort – und zwar mit dem Anspruch, die Mythen aller Länder zu berücksichtigen. Bevor Felice Romani sich als Kritiker, Essayist und Librettist in Mailand niederliess, bereiste er einige Länder Europas: Frankreich, Spanien, Griechenland und Deutschland. So machte er sich vor Ort mit wich­ tigen Schauplätzen europäischer Kultur vertraut. Vor diesem Hintergrund ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich Felice Romani in seinen von mytholo­ gischen und antiken Themen inspirierten Libretti als Kenner der behandelten Stoffe erweist. Zugleich war er auch mit den Novitäten zeitgenössischer Auto­ ren vertraut – namentlich Lord Byron, Walter Scott und Victor Hugo. Aber auch ein Werk wie Les Martyrs von Chateaubriand kannte er, wie man am NormaLibretto ablesen kann. Felice Romani stützte sich für seine Norma auf verschie­ dene Quellen. Sein dramaturgischer Scharfblick erweist sich darin, wie er diese abwandelt. So wird Oroveso erst bei Romani zum Vater von Norma – ein genia­ler Eingriff gegenüber dem Theaterstück von Alexandre Soumet, das die unmittelbare Vorlage lieferte. Bei Soumet ist Oroveso ein tyrannischer Herrscher, der Norma gegenüber am Schluss unversöhnlich bleibt; das Finale in Romanis Opernlibretto zieht seine Kraft auch daraus, dass Norma ihren Vater hier über­ reden kann, sich ihrer Kinder anzunehmen. Den fünften Akt der französischen Vorlage hat Felice Romani ganz wegfallen lassen. Damit vermeidet er den bei Soumet schon im Titel erwähnten Kindsmord, der Norma zu einer Schwester der Medea macht. Indem er sie vor dem Mord an ihren Kindern zurückschrecken lässt (und diese Szene an einen anderen Punkt der Handlung vorverlegt), zeich­ net Romani seine Norma viel menschlicher als Soumet. Auch verzichtet er am Ende der Oper auf eine Wahnsinnsszene der Protagonistin, wie sie bei Soumet im fünften Akt vorkommt und sich gerade in der Oper der damaligen Zeit gros­ ser Beliebtheit erfreute. Indem Romani seine Titelheldin am Ende ganz be­wusst zu ihrer Schuld stehen lässt und gefasst den Scheiterhaufen besteigen lässt, ge­ winnt sie erst die tragische Grösse, die schon Schopenhauer an Bellinis Norma bewunderte. Wie geschickt Romani seine Quelle auch für die Gestaltung der Atmo­sphäre, die in Norma herrscht, zu nutzen verstand, zei­gen seine Anleihen


bei dem schon erwähnten Roman Les Martyrs (1809) von François-René de Cha­teau­briand. Hatte sich dieser der antiken römischen Beschreibungen der Gallier bedient, um ein düsteres Schreckensbild der Druiden zu malen, wendet Romani dieses Kolorit ins Positive und rückt uns die Protagonistin und ihre spirituelle Welt dadurch nahe. Der Musikwissenschaftler Friedrich Lippmann, der sich bereits in den 1960er Jahren intensiv mit Bellinis Oper beschäftigt hat, beschreibt die dramaturgische Funktion der Grundstimmung, die Romani durch sein Libretto vorgibt (und die von Bellini so überzeugend in Musik umgesetzt ist) so: «Norma spielt nur äusserlich in der römisch-gallischen Geschichte, we­ sent­lich aber im Dunkel eines geheimnisvollen Kults.»

Felice Romanis Zusammenarbeit mit Vincenzo Bellini Felice Romani arbeitete nicht nur sehr eng mit Vincenzo Bellini zusammen; beide verband eine echte Freundschaft. Zu sieben der zehn Opern, die Vincen­ zo Bellini in seinem kurzen Leben komponiert hat, verfasste Felice Romani das Libretto: Il pirata, La straniera, Zaira, I Capuleti e i Montecchi, La sonnambula, Norma und Beatrice di Tenda. Nur die Libretti für die beiden frühen Opern Bellinis, Adelson e Salvini und Bianca e Fernando, sowie für sein letztes, nach der Übersiedelung nach Paris geschriebenes Werk I puritani stammen von an­ deren Dichtern – letzteres von Carlo Pepoli, von dessen Text Bellini nicht sehr begeistert war. Eine so enge Verbindung zwischen Librettist und Komponist war zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Besonderheit. Einerseits mussten sich die Librettisten üblicherweise den Anweisungen und Vorstellungen der Kom­ ponisten fügen, andererseits gab es nur wenige Komponisten, die immer wieder mit demselben Librettisten zusammenarbeiteten. Zu einem ähnlich intensiven und fruchtbaren Austausch zwischen Komponist und Librettist ist es vielleicht nur noch im Falle Mozart und Da Ponte sowie Strauss und Hofmannsthal ge­ kommen. Während ihrer gemeinsamen Arbeit an der Oper Norma haben Bellini und Romani regelmässig miteinander korrespondiert; der Ton ist vertraulich: «Ich schicke dir die Ergänzungen zum Duett der zwei Frauen. Was die Ergänzungen


zum Duett zwischen dem Tenor und der Grisi [der Sängerin der Adalgisa] be­ trifft, so erinnere ich mich nicht mehr daran, was du gesagt hast. Wir treffen uns heute Abend im Café» – so heisst es z.B. in einer Notiz von Romani an Bellini, die während der Arbeit an Norma entstand. Vincenzo Bellini ging auf die meis­ ten Vorschläge seines Librettisten ein und vertraute seinem Urteil. Als der Kom­ ponist der Sängerin Giuditta Pasta, die bereits in La sonnambula die Titelpartie gesungen hatte und mit der Bellini ebenfalls eine besondere Beziehung verband, am 1. September 1831 in einem Brief den Norma-Stoff vorschlug, berief er sich dabei auf seinen Librettisten: «Romani glaubt, das Sujet sei sehr wirkungsvoll und wie geschaffen für Ihren enzyklopädischen Charakter – denn so ist auch der Charakter der Norma.» Und Romani sollte recht behalten: Sein Libretto inspirierte Bellini zu einer Partitur, deren Zentralfigur über ein unerhört breites Ausdrucksspektrum verfügt, was der Ausnahmesängerin Giuditta Pasta ent­ gegen­kam; galt sie doch in ihrer Zeit als «primadonna assoluta». Es gab aber durchaus auch Konflikte zwischen Librettist und Komponist. Felice Romani wollte den ersten Akt nicht – der Konvention folgend – mit einem grossangelegten Finale, bei dem normalerweise ein Auftritt des Chores obliga­ torisch war, schliessen, sondern aus dramaturgischen Gründen mit dem Terzett Norma-Adalgisa-Pollione. Vincenzo Bellini sträubte sich anfänglich gegen die­ sen Vorschlag, da er befürchtete, beim Publikum werde ein solches Finale zu negativen Reaktionen führen. Schliesslich liess er sich doch überzeugen. Seine Befürchtungen sollten sich bei der Uraufführung bestätigten, wie eine Rezen­ sion aus der Mailänder Zeitschrift L’Eco vom 28. Dezember 1831 nahelegt: «Das Publikum, welches zweifellos erwartete, dass der erste Akt mit einem grandiosen Finale schliessen werde, sah sich enttäuscht und war unzufrieden, als sich der Vorhang über einem wenig wirkungsvollen Terzett senkte.» Vincenzo Bellini stand aber zu seiner einmal getroffenen Entscheidung; in einem Brief an Felice Romani nach der Premiere der Norma in Bergamo 1832, die ungleich erfolg­ reicher verlief, als es bei der anfänglich kühlen Aufnahme an der Scala im Jahr zuvor der Fall gewesen war, schreibt er: «Das Trio hätte nicht besser vorgetra­ gen werden können. Sie führten es gut und kräftig auf; alle waren ergriffen und fanden, es sei ein prächtiges Finale, selbst ohne die ‹pertichini› [gemeint sind die Einwürfe unbedeutender Nebendarsteller, die meist nur für die mehrstimmigen


Vokalensembles gebraucht wurden] und Druidinnen und anderen Chören, die ja nur hinzukommen, um eine Bombenwirkung zu erzielen. Du hattest recht, darauf zu bestehen, dass es so sein sollte.» Immerhin erklingt der Gesang des Chores, der Norma zum Altar ruft, hinter der Bühne und steigert so die Wirk­ samkeit des Terzetts am Ende des ersten Aktes. Vincenzo Bellini stellte durchaus hohe Ansprüche an seinen Librettisten. Auf seinen Wunsch hin musste Felice Romani das Libretto an vielen Stellen verändern, teilweise mehrmals. So schrieb er nicht weniger als sieben Fassungen der berühmten Arie «Casta Diva», bis Bellini schliesslich zufrieden war. Roma­ nis Frau Emilia Branca, die auch eine Biografie über ihn verfasst hat, schreibt dazu: «Ohne unangemessene Übertreibung kann man behaupten, dass Roma­ ni mehr als drei Normas geschrieben hat, wenn man alle Varianten hinzuzählen will, die man gefunden hat, alle zusammen prächtig.» Vincenzo Bellini hat auch ohne Felice Romanis Einverständnis Änderungen im Libretto vorgenommen. So hat er viele Verse einfach ausgelassen; das für die Premiere gedruckte Lib­ retto enthält noch einige Textstellen, die in Anführungszeichen gesetzt sind. Es sind die Passagen in Romanis Text, die von Vincenzo Bellini nicht komponiert wurden, dem lesenden Publikum aber nicht vorenthalten werden sollten. Ro­ mani wusste auch die komplizierten Auseinandersetzungen mit der Zensurbe­ hörde, die regelmässig empfindliche Einschnitte oder gravierende Änderungen in letzter Minute forderte, zu meistern – im Falle der Norma z.B. beim «Guerra»-Chor, dessen aufrüttelnde Wirkung die in Oberitalien herrschenden österreichischen Besatzer fürchteten. Tatsächlich hat dieser Chor später im Zuge des «Risorgimento» Berühmtheit erlangt als Ausdruck für den Freiheitswillen des italienischen Volks; er löste bei Aufführungen der Norma teilweise heftige patriotische Reaktionen im Saal aus. Vincenzo Bellini wusste sehr wohl, dass er auf einen so versierten und inspirierenden Librettisten wie Felice Romani an­ gewiesen war. Seine musikalische Phantasie entzündete sich an einzelnen Wor­ ten und Versen. Das beschreibt er anschaulich in einem Brief an seinen Freund Francesco Florimo vom 10. September 1828, mit Bezug auf La straniera: «Ich möchte nicht, dass ich Romani in die Lage brächte, das Libretto nicht schreiben zu können; dann allerdings wäre ich in Verzweiflung, denn, obwohl mir Rossi ein gutes Libretto schreiben könnte, so wäre er doch nie ein Verselieferant wie


Romani, und das ganz besonders für mich, denn ich hänge sehr von einem gu­ ten Text ab. Die Worte und nicht die Handlung haben meine Kreativität ge­­ weckt, ganz besonders ‹Come un angelo celeste› [eine Zeile aus der Arie des Gualtiero im 1. Akt der Oper ‹Il pirata›]: Darum brauche ich Romani.» Vincen­ zo Bellini hat den Anteil an seinem Ruhm, der seinem Librettisten zustand, nie geschmälert, wie die folgende Stelle aus dem schon zitierten Brief an Felice Romani nach der Norma-Premiere in Bergamo 1832 zeigt: «Ich wünschte dich bei mir zu haben, um meine Emotionen mit dir, meinem guten Ratgeber und Mitarbeiter, teilen zu können, weil nur du mich verstehst und mein Ruhm und der deine eins sind.» Auch wenn es wenig später – 1833, nach der glücklosen Beatrice di Tenda – zum Bruch zwischen Vincenzo Bellini und Felice Romani kam, blieb der Komponist dem Librettisten bis ans Lebensende dankbar: «Wie sollte ich jemanden vergessen, der mir zu so viel Ruhm in meiner Karriere ver­ holfen hat?»; noch am 7. Oktober 1834, ein knappes Jahr vor seinem frühen Tod, nannte er seinen langjährigen Mitarbeiter «mio gran Romani».


Giorgio Giuseppini Spielzeit 2O1O/11


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Elena MoĹ&#x;uc, Michelle Breedt Spielzeit 2O1O/11



GLIEDERPUPPE UND BÄR Heinrich von Kleist

Ich erkundigte mich nach dem Mechanismus dieser Figuren, und wie es mög­ lich wäre, die einzelnen Glieder derselben und ihre Punkte, ohne Myriaden von Fäden an den Fingern zu haben, so zu regieren, als es der Rhythmus der Be­ wegungen, oder der Tanz, erfordere? Er antwortete, dass ich mir nicht vorstel­ len müsse, als ob jedes Glied einzeln, während der verschiedenen Momente des Tanzes, von dem Maschinisten gestellt und gezogen würde. Jede Bewegung, sagte er, hätte einen Schwerpunkt; es wäre genug, diesen, in dem Innern der Figur, zu regieren; die Glieder, welche nichts als Pendel wären, folgten, ohne irgend ein Zutun, auf eine mechanische Weise von selbst. [...] Ich fragte ihn, ob er glaubte, dass der Maschinist, der diese Puppen regierte, selbst ein Tänzer sein, oder wenigstens einen Begriff vom Schönen im Tanz haben müsse? Er erwiderte, dass wenn ein Geschäft, von seiner mechani­ schen Seite, leicht sei, daraus noch nicht folge, dass es ganz ohne Empfindung betrieben werden könne. Die Linie, die der Schwerpunkt zu beschreiben hat, wäre zwar sehr einfach, und, wie er glaube, in den meisten Fällen, gerad. In Fällen, wo sie krumm sei, scheine das Gesetz ihrer Krümmung wenigstens von der ersten oder höchstens zweiten Ordnung; und auch in diesem letzten Fall nur elliptisch, welche Form der Bewegung den Spitzen des menschlichen Kör­ pers (wegen der Gelenke) überhaupt die natürliche sei, und also dem Maschinisten keine grosse Kunst koste, zu verzeichnen. Dagegen wäre diese Linie wieder, von einer andern Seite, etwas sehr Geheimnisvolles. Denn sie wäre nichts anders, als der Weg der Seele des Tänzers; und er zweifle dass sie anders gefun­ den werden könne, als dadurch, dass sich der Maschinist in den Schwerpunkt der Marionette versetzt, d. h. mit andern Worten, tanzt. [...] Der Bär stand, als ich erstaunt vor ihn trat, auf den Hinterfüssen, mit dem Rücken an einen Pfahl gelehnt, an welchem er angeschlossen war, die rechte Tatze schlagfertig erhoben, und sah mir ins Auge: das war seine Fech­


terpositur. Ich wusste nicht, ob ich träumte, da ich mich einem solchen Gegner gegenüber sah; doch: stossen Sie! stossen Sie! sagte Herr v. G... und versuchen Sie, ob Sie ihm eins beibringen können! Ich fiel, da ich mich ein wenig von meinem Erstaunen erholt hatte, mit dem Rapier auf ihn aus; der Bär machte eine ganz kurze Bewegung mit der Tatze und parierte den Stoss. Ich versuchte ihn durch Finten zu verführen; der Bär rührte sich nicht. Ich fiel wieder, mit einer augenblicklichen Gewandtheit, auf ihn aus, eines Menschen Brust würde ich ohnfehlbar getroffen haben: der Bär machte eine ganz kurze Bewegung mit der Tatze und parierte den Stoss. Der Ernst des Bären kam hinzu, mir die Fas­ sung zu rauben, Stösse und Finten wechselten sich, mir triefte der Schweiss: umsonst! Nicht bloss, dass der Bär, wie der erste Fechter der Welt, alle meine Stösse parierte; auf Finten (was ihm kein Fechter der Welt nachmacht) ging er gar nicht einmal ein: Aug in Auge, als ob er meine Seele darin lesen könnte, stand er, die Tatze schlagfertig erhoben, und wenn meine Stösse nicht ernsthaft gemeint waren, so rührte er sich nicht. [...] Wir sehen, dass in dem Masse, als, in der organischen Welt, die Refle­ xion dunkler und schwächer wird, die Grazie darin immer strahlender und herrschender hervortritt. –  Doch so, wie sich der Durchschnitt zweier Linien, auf der einen Seite eines Punkts, nach dem Durchgang durch das Unendliche, plötzlich wieder auf der andern Seite einfindet, oder das Bild des Hohlspiegels, nachdem es sich in das Unendliche entfernt hat, plötzlich wieder dicht vor uns tritt: so findet sich auch, wenn die Erkenntnis gleichsam durch ein Unendliches gegangen ist, die Grazie wieder ein; so, dass sie, zu gleicher Zeit, in demjenigen menschlichen Körperbau am reinsten erscheint, der entweder gar keins, oder ein unendliches Bewusstsein hat, d.h. in dem Gliedermann, oder in dem Gott. Mithin, sagte ich ein wenig zerstreut, müssten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen? Allerdings, antwortete er, das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt. Aus: Über das Marionettentheater (1810)


DIE FREIHEIT DES THEATERS Edward Gordon Craig

Vermeiden Sie alles, was man «naturalistisch» nennt, sowohl in der Bewegung als auch in der Szenengestaltung. Diese Tendenz zur Natürlichkeit hat nichts mit Kunst zu tun und ist ebenso abgeschmackt, wenn sie sich in der Kunst zeigt, wie die Künstlichkeit abgeschmackt ist, wenn man ihr im täglichen Leben be­ geg­net. Wir müssen endlich begreifen, dass die beiden Dinge voneinander ge­ trennt sind und dass wir jedes für sich belassen müssen. Über die Kunst des Theaters (1911)

Das realistische Theater hebt den Vorhang nur, um unserem Blick belebte Kari­ katuren des Menschen und seines Tuns zu zeigen, lauter plumpe und hässliche Gestalten in schlechter, stilloser Haltung. Damit nähert es sich aber dem Wachs­ figuren-Kabinett und entfernt sich von den Grundlagen aller wahren und gros­ sen Kunst. Die Freiheit des Theaters verlangt sowohl in der Wahl der Gegen­ stände wie in der Art ihrer Darstellung einen grossen architektonischen Stil; nur dann kann man auf seine Gesundung hoffen. Stilkunst und Theater (1914)

Lassen Sie mich ein Wort zur Stille meiner Marionetten sagen. Diese bedeutet nicht, unnatürlich zu sein, durchaus nicht. In der Tat bedeutet sie, mehr wie das Leben zu sein. All jene Dinge, die wir nötigerweise aus dem Theater des Lebens auswählen und dem Publikum in unserem Theater der Kunst vorsetzen sollten, alle jene Dinge, sage ich, besitzen diese Bewegungslosigkeit. Viel Bewegung ver­körpert das Leben nicht eher, als viel Farbe und viel Klang das Leben verkör­ pert: Dies kann nur eine bestimmte ausgewählte Bewegung, ebenso wie einzig eine ausgewählte Farbe oder ein ausgewählter Klang. Der Schauspieler und die Über-Marionette (1905)


MITWIRKUNG UND GEGENWIRKUNG Wassily Kandinsky

So grenzt die Vertiefung in sich eine Kunst von der anderen ab, so bringt sie die Vergleichung wieder zueinander im inneren Streben. So merkt man, dass jede Kunst ihre Kräfte hat, die durch die einer anderen nicht ersetzt werden können. So kommt man schliesslich zur Vereinigung der eigenen Kräfte verschie­dener Künste. Aus dieser Vereinigung wird mit der Zeit die Kunst entstehen, die wir schon heute vorahnen können, die wirkliche «monumentale Kunst». Über das Geistige in der Kunst (1912)

Es kann also zum Beispiel die Musik vollkommen zurückgeschoben oder in den Hintergrund geschoben werden, wenn die Wirkung zum Beispiel der Bewegung ausdrucksvoll genug ist und durch starke musikalische Mitwirkung geschwächt werden könnte. Dem Wachsen der Bewegung in der Musik kann ein Abnehmen der Bewegungen im Tanz entsprechen, wodurch beide Bewegungen (positive und negative) grösseren inneren Wert bekommen. Eine Reihe von Kombinatio­ nen, die zwischen den zwei Polen liegen: Mitwirkung und Gegenwirkung. Gra­ fisch gedacht können die drei Elemente vollkommen eigene, voneinander äus­ ser­lich unabhängige Wege laufen. Das Wort als solches oder in Sätzen gebunden, kann angewendet werden, um eine gewisse «Stimmung» zu bilden, die den Seelen­­boden befreit und empfänglich macht. Der Klang der menschlichen Stim­ me kann auch rein angewendet werden, das heisst ohne Verdunkelung desselben durch das Wort, durch den Sinn des Wortes. Aus den Anweisungen zur Aufführung «Der gelbe Klang» (1912)

Der Punkt ist Urelement, Befruchtung der leeren Fläche. Die Horizontale ist kalte, tragende Basis, schweigend und «schwarz». Die Vertikale ist aktiv, warm, «weiss». Die freien Geraden sind beweglich, «blau» und «gelb». Die Fläche selbst ist unten schwer, oben leicht, links wie «Ferne», rechts wie «Haus». Punkt und Linie zu Fläche (1925)


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Bühnenbild-Skizzen von Robert Wilson zu «Norma», entstanden im Februar 2O11


PROBENNOTATE Robert Wilson

Formales Theater: Ich mag Naturalismus nicht. Naturalismus ist immer eine Lüge. Es gibt keine Natürlichkeit auf einer Bühne. Wenn man versucht, ein besonders natürliches Spiel zu entwickeln, dann kommt das meist sehr un­ natürlich rüber. Wenn das, was man zeigt, eine Künstlichkeit hat, kann es viel wahrhaftiger sein. Mein Theater ist ein formales Theater. Ich will einem Dar­ steller glauben können; das wird häufig erschwert, weil so viel Unehrlichkeit im Spiel ist. Man kann auch im formalen Theater «naturalistische» Wirkungen her­vorbringen, genau so wie melodramatische oder sonstwie übertriebene; aber man darf das Publikum nicht darüber belügen. Man darf nicht so tun, als würde man nicht spielen. Wenn man sich bewusst ist, dass man spielt, nimmt man die Dinge auch nicht so ernst. Im formalen Theater wird so alles zu einer Art von Tanz. Und in allem ist Musik. Was macht einen Künstler besonders? Wenn ich mir eine beliebige Vor­ stellung anschaue, egal in welchem Opern­haus, erschrecke ich oft: Wie viele von den Sängern spüren die Musik? Sehr wenige. Ich weiss nicht warum. Man kann das niemandem beibringen. Man kann darüber reden, aber jeder muss es selbst spüren. Eine Bewegung korrekt auszuführen, ist nicht wichtig. Dieser Kreisgang: unwichtig. Diese Geste: unwichtig. Dieses Arrangement oder diese Choreogra­ fie: unwichtig. Es ist nur eine Form. Es geht darum, wie du diese Form erspürst. Wie du sie füllst. Hundert Darsteller spielen dieselbe Rolle, führen dieselben Bewegungen aus, machen dieselben Schritte – aber nur einer ist besonders. Warum? Wichtig ist, was du fühlst. Das kann dir kein Regisseur sagen, kein Diri­ gent. Aber gerade das ist es, was einen Künstler besonders macht. Fragen stellen: Ich rede nicht über Psychologie. Ich gebe keine Interpreta­ tionen vor. Das langweilt mich. Wenn ich mit den Sängern arbeite, rede ich über


formale Dinge: Mach etwas innerlicher, mach es äusserlicher, langsamer, schnel­ ler, sanfter, aggressiver. Mach die Linie länger, mach sie kürzer. Spüre den Raum vor dir, spüre den Raum in deinem Rücken. Was du dabei fühlst oder denkst, ist deine Sache. Es kann etwas sehr Persönliches sein. Es kann auch jeden Abend etwas anderes sein. Versuche, offen zu bleiben. Lege dich nicht zu sehr fest! Für mich liegt der Antrieb, Theater zu machen oder ein Künstler zu sein, darin, Fragen zu stellen: Was tue ich hier? Was ist das, was ich tue? Und wenn man zu 100 Prozent zu wissen glaubt, warum man etwas so und nicht anders macht – dann muss man es anders machen… Gesetze sind dazu da, gebrochen zu werden; auch die Gesetze, die man sich in einem formalen Theater selbst auferlegt. Auf der Bühne stehen: In der Oper geht es nicht nur um die Stimme; der Das komplette Programmbuch ganze Körper ist das Instrument! Man muss mit dem Körper beginnen. Das Schwierigste, was es auf der ganzen Welt gibt, ist, auf einer Bühne zu stehen. können Sie auf Man muss sich damit beschäftigen, noch bevor man den ersten Ton singt. Es ist die Grundlage. Man steht auf einer Bühne nicht so wie an einer Bushaltestelle. www.opernhaus.ch/shop Die nächste Schwierigkeit besteht darin, auf einer Bühne zu gehen. Es ist nicht dasselbe wie auf der Strasse zu gehen. Man muss es lernen! oder am Vorstellungsabend im Foyer Inneres Gefühl: Man kann Musik nicht «ausdrücken». Wenn man bewusst einen Ausdruck für eine bestimmte Musik herzustellen versucht, wird er immer des Opernhauses erwerben falsch sein. Der Ausdruck muss aus einem inneren Gefühl heraus entstehen. Ich habe einmal mit Jessye Norman Schuberts Winterreise erarbeitet. Dann kam der 11. September 2001; am selben Abend war Vorstellung in Paris. Jessye rief mich an und sagte, sie könnte unmöglich auftreten; ihre Emotionen angesichts des­ sen, was in New York geschehen war, würden sie überwältigen. Ich antwortete ihr: «Gerade heute brauchen wir deine Stimme.» Sie ging schliesslich auf die Bühne und begann die Vorstellung. Nach ein paar Liedern konnte sie nicht mehr weiter. Sie stand da und weinte. Nach einer Weile hörten die Tränen auf zu fliessen. Sie stand einfach weiter da, ohne etwas zu tun. Das ging sehr lange. Am Ende weinte der ganze Saal – obwohl sie nichts tat, als einfach nur dazu­ stehen. In meinem formalen Theater geht es um eine Art von Wahrheit, die mit dem innersten Gefühl zu tun hat!


Zu einer Einheit werden: Es ist so wichtig, zuzuhören. Erst, wenn alle be­ginnen, gemeinsam zu atmen und einander zuzuhören – Orchestermusiker, Dirigent, Sänger, Techniker, alle eingeschlossen –, dann entsteht eine Einheit. Wenn du gerade nicht singst, aber dein Partner singt, dann muss die Musik auch in dir sein; als ob du alles sängest, deine Replik und die des Partners. Es gibt ver­schiedene Arten sich auszudrücken, ein Teil der Aufführung zu werden, und es gibt verschiedene Emotionen und Rhythmen; aber es muss eine Einheit werden. Das ist das Ideal. Das kann man nur erreichen, wenn alle zusammen die Musik hören. Nicht eindimensional sein: Das was hinter den Worten steht, verleiht ihnen die Kraft. Es ist wie ein Raum hinter dir, ganz physisch; einen solchen Raum gibt es auch hinter den Worten. Man muss dem Text vertrauen, darf ihm nicht mit Druck nachhelfen wollen. Der Text steht für sich. Man muss ihn nicht illustrie­ ren. Die Dinge dürfen nicht eindimensional sein. Vor allem in einer Partie wie Norma: In ihren dunkelsten Momenten muss sie leicht und hell sein. Das ist wesentlich. Wenn man «dunkel» spielt, indem man schwer ist, ist das langweilig. Im dunkelsten Moment muss sie ein Licht ausstrahlen. Ganz plötzlich. Wenn die Musik weich ist, wie in »Casta Diva», darf man sie nicht weich gestalten, sonst wird es sentimental. Sei unberechenbar! Niemand darf wissen, was du als nächstes tust: Vielleicht gibst du jemandem einen Kuss? Oder du nimmst ein Messer und tötest ihn? Bewege dich am Rande, da wo du absturzgefährdet bist... Oper als Cheeseburger: Nehmen wir einen Cheeseburger. Er hat verschie­ dene Schichten: Da ist das Brötchen, ein Salatblatt, eine Tomatenscheibe, ein Gürkchen, eine Scheibe Käse, das Fleisch, die Sauce etc. ... jede Schicht ist anders und hat einen spezifischen Geschmack. Und zusammen ergibt es wieder einen spezifischen Geschmack. So ähnlich ist es in der Oper: Es gibt das Bühnen­ bild, die Kostüme, die Maske, das Licht, das Arrangement, also die Spannung der Körper zueinander im Raum, die Gesten, die Blicke, die Mimik, den Text, den Rhythmus, den Gesang, das Orchester ... alle diese Elemente haben ihre eigene Wertigkeit, können ihre eigene Geschichte erzählen. Es kommt darauf an, wie sie sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken!


Fokus: Man darf nicht versuchen, für das ganze Publikum zugleich zu spielen, sondern man muss immer einen bestimmten Zuschauer adressieren. Dadurch entsteht ein Fokus, und die Darstellung gewinnt eine Kraft, die alle Zuschauer erreicht. Auch sollte man sich als Darsteller für jede Szene so etwas wie eine Überschrift zurechtlegen. Die Energie für die Szene sollte hauptsächlich aus dieser Überschrift gespeist werden. Wenn man zu viele verschiedene Dinge zugleich darzustellen versucht, wird der Zuschauer nicht folgen können. Ich muss als Regisseur gar nicht wissen, wie die Überschrift lautet, die ein Sänger sich für eine bestimmte Szene gewählt hat. Aber es sollte ein einfacher Satz sein; auch für die Rolle als Ganzes: Was ist Norma? Ausgehend von diesem Satz können dann wieder tausend Dinge hinzukommen.

Das komplette Programmbuch Die Kraft in der Stille: Wesentlich für meine Arbeit ist es, zu verstehen, welche Kraft in der Stille liegt. John Cage hat mich darin stark beeinflusst. Auch können Sie auf in der Bewegung gibt es eine Stille. Zugleich ist in der Stille immer Bewe­gung. Wenn man sich über diese Bewegtheit im Stillstand nicht klar ist, wird man www.opernhaus.ch/shop einen Bruch provozieren, sobald man eine Bewegung beginnt. Selbst, wenn die Bewegung ruckartig ist, muss die Linie weitergehen. Man darf sie nicht brechen. oder Foyer Wennam man eineVorstellungsabend Opernaufführung anschaut, was bekommt manim da meist zu sehen? Start, Stop, Start, Stop, Start, Stop… Ein Darsteller macht einen Gang unddes stoppt ab.Opernhauses Dann macht er einen Gang zur anderen Seite und stoppt wieder. erwerben Oder er macht sonst etwas – am Ende ist immer ein Stop. Nein! Es darf keine Stops geben im Theater! Wenn ich einen Gang hier herüber mache und dann stehen bleibe, muss die Spannung trotzdem weitergehen! Es ist eine Linie. Man sagt einen Satz oder singt eine Phrase, und auch am Ende des Satzes, wenn man zu sprechen aufhört, geht die Linie weiter. Wenn man gut zuhört, bevor man zu sprechen oder zu singen beginnt, dann geht die Linie immer weiter. Den Raum spüren: Es gibt einen Raum vor mir und einen Raum hinter mir. Man muss ihn spüren. Der Raum in meinem Rücken ist genauso wichtig wie der Raum vor mir. Wenn ich ihn mit einbeziehe, gibt er mir Kraft – wie ein gespannter Bogen. Mein Körper wird von einem Lichtstrahl durchbohrt, der aus der Unendlichkeit kommt und in die Unendlichkeit geht. Auch mein Blick


muss diese Spannung haben. Ganz besonders, wenn man sich umdreht, muss man den Raum spüren: Ich schwenke vom Mars zur Venus und weiter zum Planeten Erde; die Energie geht durch den ganzen Kosmos. Ich drehe mich im Universum. So stellt sich auch die Beziehung zum Partner her: über den Raum. Ich kann den Partner direkt ansprechen, ich kann ihn aber auch adressieren, ohne ihn anzusehen, und trotzdem geht meine Energie zu ihm. Wie trete ich auf? Es gibt viele Arten, eine Bühne zu betreten oder abzugehen. Ich kann auftreten, und meine Präsenz ist zuvor schon spürbar. Oder abgehen und mei­ ne Präsenz zurücklassen, ob­wohl ich gar nicht mehr da bin. Es wird jeweils den Raum verändern. Mechanik: Nur wenn etwas vollkommen automatisiert, also ganz mecha­ nisch ist, wird man als Darsteller frei. Als Deafman Glance – mein Stück, das ich mit dem taubstummen, farbigen Darsteller Raymond Andrews entwickelt habe – in Paris aufgeführt wurde, kam Charlie Chaplin in die Vorstellung. Nach der Aufführung sass ich mit ihm beim Essen zusammen mit einem Herrn, der aufdringliche Fragen stellte. Aber da er so wissbegierig war, wollte Chaplin sich nicht entziehen. Der Mann fragte also: «Herr Chaplin, wenn Sie das Spiel mit der unsichtbaren Fliege machen – wie gelingt es Ihnen, das so perfekt zu ma­ chen, dass man die Fliege wirklich zu sehen meint?» Chaplins Antwort war: «Wissen Sie, ich mache diese Nummer seit 45 Jahren...» Man darf allerdings nicht den Fehler machen, mein Theater allzu mechanisch aufzufassen. Es sollen keine Roboter auf der Bühne stehen, es muss lebendig sein! Das ist eine der schwierigsten Aufgaben im Theater: Es darf nicht statuarisch werden. Du führst genau dieselben Gesten aus, du singst dieselben Noten, und doch ist es immer etwas anderes. Diese Folge von Tönen, diese Hand­bewegung, deine Art, etwas ruhig auszusprechen – all das ist einzigartig. Es wird nie wieder geschehen. Du machst dieselbe Bewegung, und doch ist sie immer anders. Das einzige was konstant ist, ist der Wandel. Das macht es lebendig. Das Kind sichtbar machen: Ein genialer oder grossartiger Schauspieler kann das Kind sichtbar machen, das in einer Figur steckt. Das bricht einem das Herz. Ich habe Salome gemacht mit Montserrat Caballé. Sie sang die Titelrolle;


es war vielleicht ihr letzter wichtiger Auftritt. Sie war schon alt. Sie sang sehr leise – piano, piano, piano. Man sah das Kind in ihr. Das brachte mich zum Weinen. Oder Bernhard Minetti als König Lear: In dem Augenblick, wenn er stirbt, war er wie ein kleiner Junge. Das machte die tragische Wirkung aus. Auch in der Figur der Norma steckt ein Kind: Sie kann sehr stark sein, aber auch ganz zerbrechlich und schutzbedürftig. Was ihr widerfährt, bekommt dann etwas Unausweichliches. Mit dem Körper hören: Man hört nicht nur mit den Ohren, nicht nur mit dem Trommelfell. Man kann auch mit den Augen hören. Ein Tauber spürt den Schall; er hört mit seinem Körper. Wie bei einem Tier; Tiere sind die besten Lehr­­meister! Kühe spüren ein Erdbeben lange, bevor Menschen das tun. Sie spü­ren die Vibrationen mit ihrem Körper. Auch als Sänger muss man lernen, mit dem Körper zu hören. Wenn sich ein Hund an einen Vogel an­schleicht, lauscht er mit seinem gesamten Körper. Man muss nur beobachten, wie seine Pfoten den Boden berüh­ren, wie sich sein Rücken anspannt, bis in die Schwanzspitze. Genauso muss man versuchen, die Musik in sich aufzunehmen. – Ich bin einmal in den Berliner Zoo gegangen, es war schon gegen Ende der Öffnungszeit. Ich ging gleich zu den Wölfen und blieb vor ihrem Gehege stehen. Ausser mir war niemand mehr da. Ich stand regungslos, und auch die Wölfe waren reglos. Wir lauschten gemeinsam, vielleicht 20 Minuten lang. Ich wurde ein Teil ihres Ru­ dels. Es entstand eine ungeheure Spannung, bis jemand vom Personal vorbeikam und mich bat zu gehen, da der Zoo schloss. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie Theater sein könnte.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Keine Bedeutung aufzwingen: Ich habe den Text von Shakespeares Hamlet auswendig gelernt, als ich zwölf Jahre alt war. Jetzt bin ich fast 70 Jah­ re alt und spreche diesen Text immer noch. Ich habe ihn nie ganz ausgeschöpft. Jedesmal, wenn ich ihn spreche, denke ich völlig anders über ihn. Das heisst nicht, dass er keine Bedeutung hat. Er ist voller Bedeutungen! Aber wenn man etwas auf eine bestimmte Bedeutung festlegt, nimmt man sich die Möglichkeit, all den anderen Ideen nachzugehen. Man sollte nie versuchen, zu sehr auf etwas zu bestehen, sonst zwingt man dem Publikum eine bestimmte Bedeu­tung auf.


Es sollte immer ein Raum da sein. Dann entsteht ein echter Dialog mit dem Publikum. Wenn dieser Raum nicht offen gehalten wird, wird der Geist zu sehr eingeengt und es findet kein wirklicher Austausch statt. Gegensätze: Ein wichtiges Prinzip ist das der Isometrie. Darunter verstehe ich, dass man bei einer Bewegung immer ein Gegengewicht mitdenkt. Wenn ich den Arm hebe, zieht gleichzeitig ein Gewicht nach unten. Wenn ich den Arm senke, steigt dieses Gewicht nach oben. Wenn ich mich nach links drehe, geht die Drehung gleichzeitig nach rechts. Diese imaginäre Gegenkraft verleiht einer Geste Gewicht und Ausdruck. Überhaupt ist das Prinzip des Gegensatzes sehr wichtig. Ich habe einmal Marlene Dietrich in Paris im Konzert erlebt. Es war sehr ergreifend. Hinterher beim Empfang sprach jemand Marlene darauf an, ihre äussere Erscheinung und ihr Ausdruck seien so kalt. Sie antwortete: «Aber haben Sie denn meine Stimme nicht gehört? Reines Feuer...» Die Hitze in ihrer Stimme konnte nur wirken, indem ihr Körper gleichzeitig kalt wie Eis erschien. Dieses Erlebnis hat mich sehr beeindruckt. Distanz schaffen: Das Leben ist viel zu komplex, als dass man es auf eine Sache einengen könnte. Vielleicht bewegt sich der Körper viel schneller, als wir mit den Gedanken folgen können. Der Psychologe Daniel Stern hat mir einmal demonstriert, was alles geschieht, wenn eine Mutter auf ihr schreiendes Kind reagiert. Er und sein Team hatten viele Mütter in dieser Situation gefilmt. Ein Film hat bekanntlich 24 Bilder in der Sekunde. Die Mütter hatten subjektiv alle das Gefühl, mit Liebe und Zuwendung auf ihr Kind zu reagieren. Doch wenn man den Film Bild für Bild anschaute, sah man eine Vielzahl von Emotionen, die sich z.T. in Sekundenbruchteilen veränderten: Aggression, Wut, Hilflosig­ keit, Verzweiflung – und nicht nur Fürsorge und Zuwendung! Man sollte deshalb jeder eindimensionalen Darstellung misstrauen. Wenn wir uns eine Situation auf der Bühne vorstellen, dürfen wir sie nicht nur auf eine Sache reduzieren. Es geht immer um viele Dinge gleichzeitig. Deshalb versucht das formale Theater, eine Distanz zu schaffen. Das eröffnet einen Raum für Reflexion. Respektiere das Publikum, dränge dich ihm nicht auf!


Vom Zentrum aus: Man muss das eigene Gewicht spüren, den Schwer­ punkt. Jede Bewegung geht vom Zentrum aus. Nicht vom Oberkörper oder von der Brust: Daraus entsteht ein oberflächlicher Ausdruck. Nur wenn die Bewe­ gung an ein inneres Empfinden angebunden ist, ist sie glaubhaft. Sie darf nicht leer sein. Die Bewegung der Hand oder des Arms muss wie mit einem unsicht­ baren Gummiband mit dem Zentrum verbunden sein. Jede Geste, die ich vor­ schlage, soll den Gesang unterstützen. Das Singen muss leichter werden durch die Geste, sonst ist die Bewegung falsch. Man darf auch nicht zu intellektuell herangehen! Dann wird der Kopf schwer und neigt sich ständig Richtung Büh­ nenbogen. Erfahrung ist etwas Physisches:Programmbuch Wir müssen lernen, nicht nur mit dem Das komplette Intellekt aufzunehmen, sondern auch mit dem Körper. So wie ein Grizzlybär. Ich bin in Kanada, hoch oben in den Bergen von British Columbia, einmal ei­ können Sie auf nem Bären begegnet. Es wurde schon dunkel, da stand er plötzlich vor mir. Ich blieb ganz still sitzen und schaltete die Taschenlampe in meiner Hand ein. Damitwww.opernhaus.ch/shop leuchtete ich ihm ins Gesicht. Nach einer Zeit fing mein Arm an zu schmerzen, aber ich rührte mich nicht. Ganz vorsichtig versuchte ich, mich ein oder Vorstellungsabend im Foyer wenigam zu entspannen. Ich merkte, dass auch der Bär weniger spannungsgeladen da stand. Ich wusste genau: Wenn ich mich als erster rühren würde, wäre ich ver­ldes oren. So harrten wir aus, einander gegenüber, über eine lange Zeit. Schliess­ Opernhauses erwerben lich drehte er sich um und ging weg. Diese Erfahrung hatte etwas sehr Physi­ sches, das man auf einer Bühne wiederfinden sollte.

Abstraktion: Vieles von dem, was ich tue, ist abstrakt. In der westlichen Welt der Oper gibt es das selten; am ehesten im Tanz: Wir gehen in eine Vor­ stellung und schauen uns den Tanz an, ohne dass sich damit eine Geschichte ver­binden muss. Wir nehmen es als etwas Abstraktes. Wir erleben die Bewegung im Raum und in der Zeit als solche, so wie wir ein Bild anschauen und die Far­ be, die Form, den Raum und die Bewegung, die dieses Bild ausmachen, auf uns wirken lassen. Es muss keine Geschichte erzählen. Es muss keinen «Inhalt» haben. Wenn man einen Sonnen­untergang anschaut, erlebt man einen Sonnen­ untergang – es muss uns nichts Bestimmtes sagen. Man erlebt einfach diesen


Augenblick. So zu denken, sind die meisten Sänger und Darsteller nicht ge­ wohnt. Sie wollen ihre Gestik und Mimik auf direkte Weise mit der Musik und dem «Inhalt» verbinden. Im japanischen Theater, besonders im klassischen Nô-Theater, denken die Darsteller anders. Die Geste, die auf der Bühne ausge­ führt wird, ist reine Bewegung. Sie muss sich nicht auf die Musik beziehen. Sie kann etwas Eigenes sein, das in den Raum gezeichnet wird. Die Gesten und Be­­wegungen sind unabhängig von der Geschichte, die erzählt wird. Abstraktion ist eine Art, zu denken. Die verschiedenen Ebenen trennen: Wenn man die verschiedenen Ebenen einer Theateraufführung unabhängig voneinander denkt, entsteht Abstraktion. In meinen Arbeiten spielt vor allem das Licht eine grosse Rolle. Ein Licht­wech­ sel, eine Veränderung im Bühnenbild, eine andere Stimmung in der Musik – alle diese Dinge haben natürlich miteinander zu tun; aber sie müssen sich nicht gegenseitig illustrieren! Man kann sie unabhängig voneinander be­trachten und gestalten. Die Art und Weise, wie sie sich zueinander verhalten, macht Theater interessant. Als ich das erste Mal eine Wagner-Oper inszeniert habe – das war Lohengrin, vor 20 Jahren hier in Zürich –, war das ein Schock für mich. Wagner ist kostbar: In seinen Opern spielt sich z.B. im Orchester etwas völlig anderes ab als im Gesang. Das ist fast so wie bei John Cage und Merce Cunningham: Sie haben über 100 Jahre später Auffüh­r ungen geschaffen, in denen Musik und Tanz unabhängig voneinander entstanden und sogar erst bei der Premiere zusammen­ gefügt wurden. Wagner war seiner Zeit da weit voraus! «Oper», das komm von «Opus»: Werk. Darin ist alles enthalten: Architektur, Malerei, Licht, Bewegung, Musik und so weiter – wie es die Darstellung der Musen, die den Eisernen Vorhang im Opernhaus Zürich schmückt, versinnbildlicht. Oper ist all das!

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben


Elena MoĹ&#x;uc Spielzeit 2O1O/11


NORMA VINCENZO BELLINI (1801-1835) Tragedia lirica in zwei Akten Libretto von Felice Romani nach der Tragödie «Norma ou L’Infanticide» von Alexandre Soumet Uraufführung: 26. Dezember 1831, Mailand

Personen

Pollione, römischer Prokonsul in Gallien Tenor Oroveso, Oberhaupt der Druiden Bass Norma, Druidin, Orovesos Tochter Sopran Adalgisa, junge Priesterin im Tempel des Irminsul Sopran Clotilde, Vertraute Normas Mezzosopran Flavio, Freund Polliones Tenor Zwei Kinder Normas und Polliones Stumme Rollen Chor

Gallische Druiden, Barden, Seher, Priesterinnen, Krieger und Soldaten Der Schauplatz der Handlung ist Gallien, im Heiligen Hain und im Tempel des Irminsul.


Das Libretto kรถnnen Sie im gedruckten Programmbuch nachlesen. www.opernhaus.ch/shop


Programmheft NORMA Melodramma in zwei Akten von Vincenzo Bellini (1801-1835) Premiere am 27. Februar 2011, Spielzeit 2010/11 Wiederaufnahme am 31. Januar 2015, Spielzeit 2014/15

Herausgeber

Intendant

Opernhaus Zürich Andreas Homoki

Zusammenstellung, Redaktion Konrad Kuhn

Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli, Giorgia Tschanz

Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing

Schriftkonzept und Logo

Druck

Textnachweise: Die Handlung schrieb Konrad Kuhn. – Original­ b ei­ trä­ ge: «Notizen zu Norma», «Richard Wagner und Bellini» sowie «Der Librettist Felice Romani». – Die Äusserungen von Robert Wilson auf den Proben zu «Norma» (Workshop im Februar 2010, szenische Proben im Januar/Februar 2011) wurden notiert und aus dem Englischen übersetzt von Konrad Kuhn; Mitarbeit: Carmen Stocker. – Die Gedichte von Ossian, dem Sohne Fingals. Nach dem Englischen des Herrn MacPherson ins Deutsche übersetzt von Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Hamburg 1806. – Heinrich von Kleist, Über das Marionettentheater, in: Sämtliche Werke und Briefe. Bd. 2, München 1977. – Edward Gordon Craig, The Actor and the Über-Marionette, in: The Mask, Vol. 1/1908, Nr. 2, aus dem Englischen von Konrad Kuhn; ders., Über die Kunst des Theaters (1911), Berlin 1969; ders., Stilkunst und Theater, in: Katalog zur Ausstellung «Theaterkunst», Kunstgewerbe-

Telefon 044 268 64 14, inserate@opernhaus.ch Studio Geissbühler Fineprint AG

museum Zürich 1914. Zitiert nach: Hanna Ribi, Edward Gordon Craig. Figur und Abstraktion, Basel 2000. – Wassily Kandinsky, Über das Geistige in der Kunst. Insbesondere in der Malerei, München 1912; ders., Punkt und Linie zu Fläche. Beitrag zur Analyse der malerischen Elemente, München 1926; ders., Modest Mussorgsky. Bilder einer Aus­s tellung, in: Kunstblatt 14. Jg., 1930. Zitiert nach: Peter Simhandl, Theatergeschichte in einem Band, Berlin 2007. Bildnachweise: Die Bühnenbild-Skizzen von Robert Wilson zu «Norma» entstanden im Februar 2011; wir danken für die freundliche Genehmigung zum Abdruck. Suzanne Schwiertz fotografierte das «Norma»-Ensemble bei der Klavierhauptprobe am 23. Februar 2011. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nach­richt gebeten.


Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

ab PRODUKTIONSSPONSOREN EVELYN UND HERBERT AXELROD FREUNDE DER OPER ZÜRICH

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