FUZE.94

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STAND ATLANTIC

Foto: quintenquist.com

DURCH DIE HÖLLE. STAND ATLANTIC sind unermüdlich: Erst 2020 veröffentlichten sie ihr Album „Pink Elephant“, nur zwei Jahre später und einer Pandemie zur Trotz erscheint nun bereits der Nachfolger „F.E.A.R.“. Darauf gab es einige persönliche Probleme zu verarbeiten, wie uns Sängerin Bonnie im Interview erzählt.

I

ch finde es cool, dass ihr euer letztes Album „Pink Elephant“ während der Pandemie veröffentlicht habt, anstatt die Veröffentlichung zu verschieben, und jetzt seid ihr schon wieder mit einem neuen Album zurück. Hattet ihr während des Lockdowns einfach so viel Zeit, um an neuem Material zu arbeiten? Ja und nein. Ich habe eine Menge Zoom-Sessions gemacht, und das habe ich gehasst, das war ätzend. Als wir dann in Australien waren, hatten wir jede Menge Zeit, aber dann kam wieder Corona und ich konnte mein Haus wieder nicht verlassen. Also habe ich sieben Wochen lang im Haus meines Produzenten gewohnt und das ganze Album in drei oder vier Wochen fertiggestellt. Es kam uns so vor, als hätten wir viel Zeit gehabt, aber gleichzeitig fühlte ich mich so lange so uninspiriert, dass es keinen wirklichen Unterschied gemacht hat. Ich dachte nur: Ich hasse das! Der Albumtitel lautet „F.E.A.R.“ – „Fuck Everything And Run“. Wovor rennst du weg? Vor meinem ganzen Leben. Einfach vor meiner ganzen Einstellung. Ich fühlte mich so eingeengt, weil ich nicht frei war, das zu tun, was mich am meisten nach mir selbst fühlen lässt. Ich war also in Bezug auf meine Identität irgendwie verloren. Ich wusste einfach nicht mehr, wer zum Teufel ich war, denn mein ganzes Leben und alles, wofür ich gearbeitet hatte, und alles, was ich bis zu einem gewissen Grad gekannt hatte, war mir einfach entrissen worden. Und ich weiß auch, dass viele Menschen während der Pandemie in viel schlimmeren Situationen waren. Ich bin zur Therapie gegangen, weil es mir einfach nicht gut ging, und ich habe auch nichts getan, um mir selbst zu helfen, weil ich mich so unmotiviert und haltlos gefühlt habe – ich war im Grunde genommen ein ausgebranntes Stück Dreck. Das steckt hinter dem Titel auch so. Es ist ja nicht so, dass es ein Konzeptalbum ist. Es ist eigentlich eher eine Art AntiKonzept. Der Titel war das Einzige, das ich in meinen Notizen hatte, was von der Einstellung her Sinn machte. Wenn du Anti-Konzept sagst, was meinst du damit? Ich habe einfach das Gefühl, dass ich in der Vergangenheit, nachdem ich Songs geschrieben habe,

gefragt wurde: Worum geht es auf diesem Album? Was ist die Geschichte? Dieses Mal gibt es einfach keine verdammte Geschichte. Ich war allein, frustriert, wütend, isoliert – es gibt keine verdammte Geschichte. Es sind einfach nur meine Gefühle, und ich habe bisher nie richtig über meine Gefühle gesprochen. Ich bin wirklich schlecht darin, mich den Menschen um mich herum zu öffnen, und Musik und das Schreiben von Songs war immer die einzige Möglichkeit, mich richtig auszudrücken und ein Gefühl loszuwerden. Es ist wie eine Therapie für mich. Wenn du versuchst, ein Konzept zu erzwingen, oder wenn du versuchst, das, was du tust, in etwas anderes zu zwingen – das funktioniert einfach nicht.

MUSIK UND DAS SCHREIBEN VON SONGS WAR IMMER DIE EINZIGE MÖGLICHKEIT, MICH RICHTIG AUSZUDRÜCKEN UND EIN GEFÜHL LOSZUWERDEN.

Einige der Titel auf dem Album klingen irgendwie düster, aber auch sehr interessant, zum Beispiel „Doomsday“. Kannst du mir die Bedeutung hinter dem Song erklären? Es gibt einen Grund, warum wir ihn als ersten Song ausgewählt haben. Ich habe das Gefühl, dass „Doomsday“ buchstäblich die Situation beschreibt, in der ich mich befand, wie ich mich fühlte und worauf der Rest der Songs abzielt. Ich hockte im Keller meiner Mutter, es gab so gut wie kein natürliches Licht, also war ich einfach ein Wrack. Kein Vitamin D, nichts. Und dadurch war alles, was ich erlebte, so nach innen gerichtet, dass ich mich in einer Art Spirale bewegte. Mein Schlafrhythmus war sowieso durcheinander, weil ich zu der Zeit in einer Fernbeziehung lebte, denn mein Partner lebt hier in Großbritannien, was ich jetzt auch tue, aber ich war etwa sechs Monate von ihm getrennt. Ich

habe nicht richtig gegessen und bin nachts herumgefahren, nur um etwas zu tun zu haben. Und ich fuhr zu all den Orten, an denen ich als Kind aufgewachsen war, und wünschte mir, das Leben wäre wieder so. Ich fühlte mich innerlich und äußerlich maximal unattraktiv und ich dachte: Das ist doch scheiße! Darum geht es also in dem Stück. Ich habe versucht, ein genaues Bild davon zu zeichnen, wo ich stand und was ich in der Zeit in Australien gemacht habe. Ihr habt auch ein wirklich interessantes Albumcover für diese Platte, wie ich finde. Es sieht aus, als ob jemand in die Hölle geworfen wird – was war die Idee hinter dem Motiv? Buchstäblich das. Ich wollte auf jeden Fall so etwas wie ein Abbild der Hölle haben, weil es viele Anspielungen in dieser Richtung auf der Platte gibt. Nicht absichtlich, es hat sich einfach so ergeben. Aber wir wollten das nicht zu ernst nehmen, denn das sind wir nicht, also haben wir den Teufel in einen Schlafanzug gesteckt. Es steht in starkem Kontrast zu eurem letzten Albumcover, „Pink Elephant“. Dieses hier wirkt chaotischer, punkiger in gewisser Weise. Liegt das auch an der Entwicklung, die ihr als Band genommen habt? Ich denke, mit „Pink Elephant“ haben wir versucht, die Grenzen dessen, was wir als Band sind, zu erweitern. Letztendlich wollten wir uns nie in ein bestimmtes Genre oder was auch immer einordnen lassen. Wir wollen einfach tun können, was immer wir wollen. Ich glaube, weil die Welt so verrückt war, haben wir uns gedacht: „Wenn das so weitergeht, sind wir in zwei Jahren vielleicht nicht mehr in der Lage, als Band zusammenzubleiben“, und dann ging es zwei Jahre so weiter und wir sind immer noch da, was großartig ist. Wir dachten uns: Scheiße, was ist, wenn wir nie wieder ein Album machen können? Wenn dies unser letztes Album sein wird, dann soll es so klingen. Wir werden alles machen, was wir wollen, wir werden nicht auf den Scheiß hören, den uns andere erzählen. Wir machen genau das, was wir wollen, und wir machen es so gut, wie wir können. Isabel Ferreira de Castro

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