FUZE.94

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GREG PUCIATO

Foto: Karo Schäfer (cateyephotography.com)

ALLEINE MIT SICH SELBST. Manchmal weiß man nicht so richtig, ob man Soloprojekte von Mitgliedern früherer Lieblingsbands allein aus Pflichtbewusstsein liebt. Oder sie nur verfolgt, weil man nicht loslassen kann. Weil man die Menschen so bewundert und, ja, vermisst. Umso schöner zu hören, dass es ihnen gut geht. So wie Ex-THE DILLINGER ESCAPE PLAN-Frontmann Greg Puciato, der gerade sein zweites Soloalbum veröffentlicht und sagt, er fühle sich so glücklich und so sehr im Reinen mit sich selbst wie nie zuvor.

M

ein Perfektionismus ist etwas, mit dem ich manchmal wirklich zu kämpfen hatte. Der unerbittliche innere Druck, das Beste aus mir herauszuholen. Ich habe mir sehr selten erlaubt, das Leben einfach nur zu erleben und zu genießen, ich muss immer mit mir selbst konkurrieren. Das zehrt natürlich an einem und macht einen mit der Zeit kaputt, und es ist hart für die Menschen um einen herum, es isoliert. Mittlerweile habe ich das zum Glück ganz gut in den Griff bekommen.“ Nun werden diese Emotionen auf dem neuen Album verarbeitet. „Alles war in einer Sackgasse. Das ist es, worauf sich der Titel der Platte ‚Mirrorcell‘ bezieht: eine Zelle, in der alle Wände dein eigenes Spiegelbild sind. Ich werde nie ein Mensch sein, der es sich leicht macht, aber ich musste wieder in Kontakt mit anderen Empfindungen kommen, mir erlauben, einfach nur ein Mensch zu sein und mich nicht ständig danach zu beurteilen, was ich erschaffe oder wie ich auftrete.“ Das verwundert mich, ich würde denken, ein Soloprojekt wäre vielleicht einschüchternder – schließlich repräsentiert es einen nun komplett alleine, insbesondere da Greg nicht nur singt, sondern auch einen Großteil der Instrumente selbst spielt. Sowohl bei seinem eher elektronischen letzten Album als auch beim neuen, das Richtung organischem Rock geht. „Beim ersten Mal war es einschüchternd, jetzt fühlt es sich ganz natürlich an. Ich liebe es immer noch, mit anderen zusammenzuarbeiten, und es gibt immer noch genug kollaborative Elemente für mich: mit meinem langjährigen Producer Steve Evetts, mit Chris Hornbrook, der Schlagzeug bei meinem Solo-Kram spielt, und mit Reba Meyers von CODE ORANGE bei ihrem Feature bei „Lowered“. Aber ich stehe so sehr darauf, die Kontrolle über

eine Vision zu haben. Das jetzt ohne Label zu veröffentlichen, verstärkt dieses Gefühl noch. Soloplatten selbst zu veröffentlichen, das passt gut zusammen. Natürlich steht man immer unter dem Druck, etwas zu machen, das sich genau so anhört, wie man sich innerlich fühlt. Aber ich liebe jeden Aspekt davon, und das schon, seit ich als Kind das erste Mal etwas geschrieben habe, das mir gehört, und diese Liebe ist mit der Zeit nur noch größer geworden.“

Während der TDEP-Zeit war Greg in den sozialen Medien fast gar nicht vertreten – nun muss er mit Instagram und Co. auch Eigenwerbung machen, vor allem, weil er ohne Label arbeitet. „Das war sehr, sehr schwer für mich. Ich war acht Jahre lang weg von den sozialen Medien. Ich hatte ein privates Instagram-Profil, das ich nur für mich selbst benutzt habe, um Dinge wie ein privates Fotoalbum für mich zu posten. Gott, das klingt verrückt, haha. Ich wollte einfach nie die Aufmerksamkeit auf mich lenken, wenn mein ganzer Output mit der Band zu tun hatte. Es war manchmal schon schwer genug, meine Persona davon abzuhalten, die Band zu dominieren, denn als Sänger/Frontmann bekommt man schon allein durch seine Position mehr als genug Aufmerksamkeit. Aber in den letzten Jahren wurde es mehr und mehr zu einem offensichtlichen Bedürfnis. Ich versuche, nicht zu viel darüber nachzudenken, und ich poste sowieso nicht alles, ich nehme es nicht zu persönlich, ich versuche, distanziert zu bleiben, ich habe Hilfe, was das Posten von Informationen und so angeht, damit ich nicht wie ein völlig Verrückter in der dritten Person über mich selbst spreche. Aber natürlich

läuft alles, was gepostet wird, über mich oder kommt von mir. Und dann versuche ich, mit Storys oder was auch immer etwas über die Hintergründe zu erzählen, aber das erzwinge ich nicht. Ich möchte mich in meinem Leben wirklich präsent fühlen, und das ist schwer, wenn man ständig damit beschäftigt ist, es zu dokumentieren oder den Leuten zu erzählen, was man tut.“ Wer mal bei einem TDEP-Konzert war, wird das vermutlich nicht vergessen haben, denn die Shows hatten teilweise eine unvergleichliche Energie. Wie fühlt es sich an, jetzt weniger chaotische und extreme Musik live zu spielen? „Der einzige wirkliche Unterschied ist das Publikum. Bei einer TDEP-Show bin ich mir des Publikums bewusster, da es auf eine Art und Weise zum Erlebnis beiträgt, die das Ganze zu einem kollektiven Ausdruck werden lässt. Die Energie im Raum ist einfach so hoch, dass sie die Shows verändert. Das war auch gut, denn viele dieser Songs sind textlich und musikalisch so giftig, hässlich und kathartisch, dass es ziemlich kräftezehrend wäre, die ganze Zeit in diesen Emotionen zu leben. Bei den TDEP-Shows gab es manchmal dieses Element des kollektiven Triumphs, was verrückt ist, da ein Großteil des kreativen Treibstoffs emotional negativ war. Bei anderen Auftritten, THE BLACK QUEEN oder mit Steve Cantrell von ALICE IN CHAINS, geht es mehr darum, voll und ganz in den Songs, in deiner Stimme und in der Musik aufzugehen. Das Publikum ist da weniger ein Faktor, obwohl es natürlich toll ist, wenn die Leute mitsingen, das erzeugt viel Liebe und Wärme im Inneren. Solo habe ich noch nicht gespielt, also wer weiß, wie das sein wird. Ich bin gespannt.“ Christina Kiermayer

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