Gastro
tipp
der wow-effekt
Zu Gast im
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M
it Neueröffnungen ist das immer so eine Sache: Die einen „hypen“ den Laden – eben gerade, weil er neu, frisch, trendy ist. Man lässt sich während der Anfangszeit mehrmals pro Woche sehen, testet, hält Hof, nimmt Freunde und Bekannte mit, präsentiert voller Stolz „seine“ Neuentdeckung. Oft ebbt diese Euphorie dann nach einigen Monaten merklich ab: Der Neu-Bonus ist verbraucht, und die Gastronomie ist im Handumdrehen wieder eine Option unter vielen. Die zweite Gruppe meint, sich nach einem einzigen Besuch, schlimmstenfalls gleich in der Eröffnungswoche, eine abschließende Meinung über das Lokal bilden zu können. Nur wenn der Gastronom Glück hat und exakt zum Testzeitpunkt alles reibungslos läuft (was in den ersten Wochen schlicht und ergreifend unrealistisch ist), erbarmt sich die erlauchte, selbsternannte Testerklientel wieder zu einem Besuch des Etablissements. Kleinste Unachtsamkeiten, technische Pannen, Wartezeiten oder personelle Defizite, die gerade beim Start einer neuen Gastronomie kaum zu vermeiden sind, werden hingegen peinlich genau registriert, seziert
und mit sofortiger Nichtbeachtung bestraft. Kurzum: Zwischen Erfolg oder Misserfolg eines neuen Konzeptes liegt ein denkbar schmaler Grat. So gesehen liegen die Startvoraussetzungen für das vor wenigen Wochen eröffnete Weingut in der Theresienstraße auf den ersten Blick gleich wie bei all den anderen „neuen“ Lokalitäten, die wir über die letzten Jahre testen und besuchen durften. Sieht man jedoch genauer hin, sprechen viele Indizien dafür, dass es sich hier tatsächlich um ein Konzept handeln könnte, das langfristigen Erfolg haben wird. Aber der Reihe nach: Der gelernte Koch und Sommelier Stephan Öller, vielen bekannt aus seiner Zeit in der „Waldschänke“ in Grieskirchen oder diversen Spitzenhäusern in Wels und Salzburg, hat Jahre gewartet, bis er diesen ersten Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Das Konzept einer Vinothek und Weinbar für Passau hatte der heute 30-Jährige schon seit Jahren im Kopf. Und genau das merkt der Gast sofort, wenn er die Räumlichkeiten im ehemaligen „Natter-Haus“ (jetzt „Theresienhof“) betritt: Hier hat sich jemand mal richtig Gedanken gemacht und nicht etwa schnell-schnell
So funktioniert der PASTA! Gastro Wir stellen Ihnen jeden Monat ein neues Lokal vor. Es handelt sich beim Gastro Tipp, wie der Name schon sagt, um einen „Tipp“, nicht um eine „Kritik“. Grundsätzlich gilt: Gastronomie ist immer Geschmackssache. Jeder Gast hat seine eigene Wahrnehmung.
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PASTA! PASSAUER STADTMAGAZIN
FEBRUAR 2013
eine Kneipe eröffnet. Die Zeit (und das Geld), die in dieses Schmuckstück geflossen sein müssen, wagen wir nicht zu beziffern. Die Einrichtung setzt jedenfalls schon mal ein großes Ausrufezeichen: Behaglichkeit durch Einsatz von Materialien wie Filz und Holz, warme Farben und gedimmtes Licht gekonnt mit moderner Architektur bzw. Inneneinrichtung zu verbinden ist eine Kunst: Hier ist sie fantastisch gelungen. Im Ergebnis mutet das Weingut trotz Wow-Effekt und „State of the Art“-Style schon jetzt irgendwie klassisch-zeitlos an. Der Lohn: Publikum jeden Alters sitzt an den erhöhten Bartischen oder auf der Empore. Auffällig ist, dass sich auch „ältere Semester“ hierher trauen und sich richtig wohl fühlen – die hiesigen Optionen in diesem Segment sind – abgesehen von Wirtshäusern und dem ScharfrichterHaus – bisher sehr überschaubar gewesen (im Gegensatz zum gastronomischen Angebot für junge Leute). Das Weingut positioniert sich an der Schnittstelle zwischen Vinothek, Weinbar und Bistro. Tagsüber kann man hier bequem den passenden Wein für daheim aussuchen und zu Vinothekpreisen mitnehmen. Gastronomisch möchte man bewusst kein Restaurant
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Tipp
Wir wollen die Vorzüge des jeweiligen Lokals hervorheben – PASTA! ist nicht der Gault Millau und will das auch nicht sein. Wir kennen und schätzen das Angebot der hiesigen Gastronomie seit über 15 Jahren und bringen Monat für Monat unzählige Gäste mit dem Gastro Tipp
„auf den Geschmack“. Schreiben Sie uns, ob Sie begeistert waren oder enttäuscht wurden. Sie kennen ein Lokal, welches wir unbedingt einmal vorstellen sollten? Schicken Sie uns Ihren Hinweis an redaktion@pastaonline.de
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