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ATELIER MAL _ ANDERS S

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CAFÉ MALDANER S

CAFÉ MALDANER S

Der künstlerische Leiter von Mal_anders Artjom Chepovetskyy (Mitte) mit seinen Künstler:innen

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„Wir haben nie den Pausenknopf gedrückt“

Das Atelier Mal_anders in bewegten Zeiten

Hell erleuchtet ist das Malatelier in der Wiesbadener Johannes-Brahms-Straße an diesem trüben Novemberabend. Kunst braucht Licht. Nach und nach treffen die ArtBrut-Künstlerinnen und Künstler ein, die meisten nach ihrem Arbeitstag in den Werkstätten, setzen sich an ihre Arbeitsplätze und beginnen sofort zu malen. Derzeit passiert das zweimal die Woche.

Seit über 20 Jahren besteht das Kunstatelier Mal_anders der EVIM Behindertenhilfe in Wiesbaden. Es ist eines von mehreren Kulturprojekten, die Menschen mit Beeinträchtigungen die Möglichkeit eröffnen, projektbezogen und unter Anleitung von Profis aktiv zu sein: tanzen, malen, gestalten, Theater spielen oder Musik machen. Heute Abend treffen wir im Atelier den Geschäftsführer der EVIM Behindertenhilf Björn Bätz, den Prokuristen Eugen Krauter und den künstlerischen Leiter von Mal_anders Artjom Chepovetskyy, um mit ihnen über die EVIM Kulturarbeit im Allgemeinen und speziell in Zeiten von Corona zu sprechen. Sie alle sind stolz auf das, was hier in 20 Jahren entstanden ist. „Wir wollen eine Plattform schaffen, damit die Menschen Kultur erleben und leben können. Es geht darum, heraus zu finden, wo jemand seine kreativen Fähigkeiten hat. Im Atelier Mal_anders macht das Artjom Chepovetskyy seit einigen Jahren, und man merkt, wie er kreatives Potential zu wecken versteht – genial!” schwärmt Eugen Krauter, der vor sechs Jahren, als die damalige Leiterin Monika Niebergall aufhörte, einen Nachfolger suchte und bei einer Ausstellung den jungen Künstler aus der Ukraine fand.

Artjom Chepovetskyy kam als 16jähriger nach Deutschland, studierte Kunst auf Lehramt an der Kunsthochschule Mainz, lebt und arbeitet heute in Frankfurt, wo er auch sein Atelier hat und im Programm der Galerie Heike Strelow vertreten ist. Der Job bei Mal_anders war komplettes Neuland für ihn, doch er konnte hier sein pädagogisches Instrumentarium einbringen – und es hat, zu seiner Überraschung, sofort geklappt. Nun kommt er zweimal die Woche nach Wiesbaden, um die Gruppe anzuleiten, doch diese Arbeit ist für ihn keine Arbeit – sondern ein Austausch. „Das ist mein Ansatz: Ich suche den Austausch nicht nur mit Ausstellungen, sondern auch in Form eines kreativen miteinander Arbeitens. Und das gelingt hier ausgezeichnet. Und es ist sehr spannend zu beobachten, wie sie auf ihre Ideen kommen und wie sie das umsetzen, ganz leicht und sehr schnell. Wenn ich in mein Atelier komme, setze ich mich erst mal vor ein Bild, trinke Kaffee und

Björn Bätz, Geschäftsführer der EVIM Behindertenhilfe (li.) und Evim-Prokurist Eugen Krauter im Atelier

nach einer Stunde fange ich langsam an. Das ist hier völlig anders. Die Menschen kommen rein und legen sofort los.” Bei unserem Werkstattbesuch sind sechs Künstler:innen anwesend. Da sind Heidi und Fatou, zwei Porträtmalerinnen, die sich mit dem Thema Frauenbild beschäftigen. Stefan entwickelt abstrakte Kreisbilder. Ralf besitzt ein phantastisches Farbgefühl und malt Landschaftsbilder, die in die Abstraktion übergehen. Christian ist ein sehr begabter Zeichner mit eigener Zeichensprache; er beschäftigt sich seit langem mit afrikanischen Masken. Jenny hat während der Coronazeit pausiert und ist seit kurzem wieder eingestiegen. Sie hat mit Zeichnung angefangen und dann langsam in die Malerei gewechselt. Alle sind vertieft in ihre Werke, man spürt förmlich die kreative Energie, die den Raum erfüllt. Welche große Bedeutung Kulturarbeit bei EVIM hat, sagt uns Geschäftsführer Björn Bätz: ”Es hat sich in den letzten Monaten, ja Jahren gezeigt, wie wichtig Kulturarbeit ist, und was uns allen fehlt, wenn diese in unserer Gesellschaft und im sozialen Raum wegbricht. Und man sieht gerade an diesem Projekt Mal_anders, wie schön es ist, dass Menschen mit Beeinträchtigung Teil dieser Kulturarbeit sind. Das finde ich super.” Doch wie ergeht es der Kulturarbeit in Coronazeiten? Der Lockdown hat auch bei EVIM Spuren hinterlassen. „Es gab leider gravierende Einschnitte,” erzählt uns Bätz, „Die einzelnen Projekte konnten nicht in ihrer gewohnten Form stattfinden, wir mussten Wege finden, wie sich Menschen mit Beeinträchtigungen mit diesen besonderen Herausforderungen in der digitalen Welt zurecht finden.”

Dabei sind großartige Dinge gelungen. So konnte die Band „Ruhestörung” online proben, jeder bei sich zu hause haben sie in einer Videokonferenz gemeinsam Musik gemacht. Auch bei Mal_anders hat es mit kleineren Gruppen und individuellen Angeboten geklappt. „Aber es fehlt diesen Menschen doch sehr, in Erscheinung treten zu können und Teil der Kulturszene zu sein”, hat Bätz beobachtet. „Denn das ist ja nicht nur Beschäftigung oder Selbstzweck, man will auftreten und in der Kulturszene präsent sein. Natürlich haben wir die Nischen genutzt, uns z.B. im Sommer bei „Wiesbaden tanzt” beteiligt. Überall, wo die Türen auf waren, sind wir auch durchgegangen. Wenn wir wieder zurück kommen zur Normalität, sollen alle EVIM Kulturprojekte im Sozialraum, wieder im Miteinander erlebbar sein. Wir haben nie den Pausenknopf gedrückt, die Kulturarbeit ging immer weiter… leider manchmal ohne Öffentlichkeit. Da wollen wir wieder zurück.”

So sieht es auch Eugen Krauter, der sich angesichts der Krise klar positioniert: „Es gilt: nicht stoppen, nicht hängen lassen, Alternativen finden. Und gleichzeitig das Gewohnte wach halten.”

Und was können wir dazu beitragen? Ganz einfach: spenden. Denn auch darauf ist Mal_anders angewiesen. Weitere Infos unter: www.evim-kulturarbeit.de/galerie

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