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UNSERE ERDE 2030“ S
„Unsere Erde 2030“
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Jubiläumsausstellung – 15 Jahre Kinder- und Jugendgalerie Wiesbaden jetzt im Rathaus
Bis zum 22. November 2021 war die Jubiläumsausstellung zum Malwettbewerb „Unsere Erde 2030”, zu der es 115 Einsendungen von Kindern und Jugendlichen gab, in den Räumen der Kinder- und Jugendgalerie Wiesbaden am Loreleiring zu sehen. Der große Zuspruch bei Kindern und Besuchern sowie die eindringlichen und eindrucksvollen Werke erfahren nun eine besondere Würdigung, denn die Ausstellung wanderte ins Wiesbadener Rathaus und ist aktuell dort zu sehen. Die Malwettbewerbe und Aktionen der Kinder- und Jugendgalerie sind und waren immer besonders, aber in dieser Ausstellung werden die Ängste, Hoffnungen, Wünsche und Zukunftsvisionen der Kinder und Jugendlichen nochmals besonders deutlich. Zwischen Hoffen und Bangen sind alle Themen vertreten. Die Kinder haben überlegt, wie sie die Erde retten können, denn dass die Erde der Rettung bedarf, ist in allen Exponaten zu sehen. So bekommt die Erde Medizin, um überleben zu können, ihre Bewohner:innen sammeln Müll oder vermeiden ihn; es wurde über technische Neuerungen nachgedacht, um der Erde zu helfen, oder um ein neues Miteinander oder andere Formen des Zusammenlebens – der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Während viele der jüngeren Kinder oft die aktuelle „kranke” Erde einer „gesunden” in 2030 gegenstellen, haben viele der Jugendlichen eine weniger positive Sichtweise auf die Erde in der Zukunft. Es ist eine sehr berührende Ausstellung, die Gänsehaut macht und absolut sehenswert ist. Die 115 Einsendungen wurden übrigens nicht kuratiert, das heißt: ALLE Einsendungen werden gezeigt. Hier ist nichts gefiltert oder angepasst. Das soll auch eine Würdigung an alle Kinder sein, die sich Gedanken zu dem Thema gemacht haben, aber es zeigt auch sehr eindringlich, was die Kinder und Jugendlichen aktuell bewegt.
Kunst gibt nicht das Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, son Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar dern macht sichtbar (Paul Klee) (Paul Klee)
Zu Beginn der 2000er Jahre wurden die ersten Schritte, Kunst von Kindern sichtbar zu machen, im Rahmen der Ferienprogramme getan.
“Der zweite Versuch“, Selin Ciro, 16 Jahre Alexandra Waldmann und Hildegunde Rech, beide vom Amt für Soziale Arbeit, gründeten dann in 2006 die KinderKunstGalerie, um Kunst von Kindern „in einem professionellen Rahmen sichtbar zu machen”, so die Gründerinnen. Neben der Bereitstellung von Räumlichkeiten und Materialen sollten von Anfang an bildende Künstler:innen und pädagogische Fachkräfte die Kinder begleiten und unterstützen. Das formulierte Ziel der Galerie war und ist „… das Verständnis von kultureller Bildung als SELBSTbildungsprozess mithilfe ästhetischer Gegenstände (Produktion und Reproduktion) zugrunde zu legen. Inmitten der Ausstellungsräume können die Teilnehmer:innen in offenen Werkstätten ihre eigenen künstlerischen Erfahrungen machen. Hier wird ein Möglichkeits- und Experimentierraum für eigene Gestaltung geschaffen, der ergebnisoffen und bewertungsfrei ist.” Inklusion und Migration Die gezielte Ansprache und Einbeziehung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus dem Stadtteil ist ebenso Ziel wie die Inklusion. Der politische Aspekt war und ist auch unverkennbar. Die Kinder und Jugendlichen bringen ihre Erfahrungen, ihren Alltag, ihre Geschichte und ihre Visionen mit ein.
„Die Ausstellungen sind das Herzstück der Galerie” Bisher fanden 56 Ausstellungen statt, viele in Kooperation mit Schulen oder außerschulischen Wissenswertes in Kürze:
Von 2006 bis 2016 = KinderKunstGalerie Seit 2016 = Kinder- und Jugendgalerie. Das Alter der Teilnehmer:innen liegt von 3 – 18 Jahren. Die Zahl der Besucher:innen stieg stetig: von 286 in 2006 auf fast 4000 in 2019. In 2020 ging die Zahl leicht auf ca. 3500 zurück aufgrund der Pandemie. Teilnahme an der „Kurzen Nacht der Galerien” in 2007, 2008, 2016 und 2017. Bildungseinrichtungen und Kindertagesstätten. Durchschnittlich hängt eine Ausstellung ca. sechs Wochen. Sie wird stets mit einer Vernissage durch die Amtsleitung oder den Sozialdezernenten/die Sozialdezernentin eröffnet. Die in 2015 von Titus Grab (Kunstkoffer) initiierte und von Sare Nabil (Künstlerin aus Afghanistan) kuratierte Ausstellung „eine andere Deutschland” versinnbildlicht die künstlerische Auseinandersetzung und Verarbeitung der eigenen Fluchterfahrungen. Titus Grab hat den Kindern aus der Gemeinschaftsunterkunft Mainzer Landstraße über ein Jahr lang einmal wöchentlich Papier, Farbe und Ton aus seinem Kunstkoffer zum freien Gestalten zur Verfügung gestellt. Das Ergebnis ist eine Ausstellung, deren Bilder für sich selbst sprechen. Es folgten Ausstellungen zum Thema Kunst gegen Terror (Warum müssen Menschen sterben? 2016), eine Kunstausstellung von Schüler: innen der Sophie- und Hans-SchollSchule. Die Schüler:innen hatten das Thema selbst gewählt. Es handelte sich vor allem um ein Anliegen von Schüler:innen, die noch nicht lange in Deutschland lebten. „Allein unterwegs, 2017” war eine Kunstaktion unbegleiteter Jugendlicher der Wohngemeinschaften des Jugendhilfeverbandes Antoniusheim. Gemeinsam mit Künstler: innen gestalteten sie die Flure und Gemeinschaftsräume. Höhepunkt war eine Fotoausstellung „Allein unterwegs” mit einem Fotografen, die 2017 in der Kinder- und Jugendgalerie ausgestellt wurde. „Wer sind die Anderen?” War ein Ausstellungsprojekt in Kooperation mit einem Wahlpflichtkurs der achten Klasse der Kleistschule – fast alle hatten Migrations- oder Fluchterfahrungen. Deutschlandweit gibt es sehr wenige vergleichbare Einrichtungen mit dieser umfangreichen Ausstellungstätigkeit. Malwettbewerbe Der erste Malwettbewerb 2008 wurde zum Thema „Meine Familie” ausgeschrieben. Die Einsendungen wurden prämiert, ausgestellt und die besten Ergebnisse auf das Plakat der Familienkarte gedruckt. Gemeinsam mit dem Verein „die Kunstwerker e.V.” wurde in 2020 der Malwettbewerb „In Zeiten von Corona” während des ersten Lockdown ausgeschrieben und war mit 80 Einsendungen bei den Kindern und Jugendlichen schon sehr erfolgreich. Die künstlerische Auseinandersetzung über die Malwettbewerbe ermöglicht den teilnehmenden Kinder und Jugendlichen eine
„Meine Hoffnung 2030“, Seohee Yun 8 Jahre
Ausdrucksform, die unabhängig von Sprache ist und somit mehr Kindern Ausdruck verleihen kann. Offene Werkstätten und Veranstaltungen Die Kinder- und Jugendgalerie soll ein Ort des Experimentierens sein – ergebnisoffen. Die Kinder und Jugendlichen können, müssen sich aber nicht mit Kunst auseinander setzen. Vielen kommen, um einen Raum für sich zu haben. Irgendwann beginnen sie, sich auszuprobieren, aber nicht immer ist das der Fall. Manche Kinder sind einfach nur da, aber alle genießen den Raum und die Zeit miteinander. „So wird die offene Werkstatt zu einem Ort des Experimentes und des kreativen Selbstausdruckes ohne pädagogischen Eingriff Erwachsener. Kein leichtes Unterfangen in einer Leistungsgesellschaft, die bereits in der Kita Vorgaben macht, wie ein Vogel auszusehen hat, und somit das spontane „Spuren hinterlassen” frühzeitig unterdrückt”, so Alexandra Waldmann. Aktuelle Angebote der Kinder- und Jugendgalerie Coronabedingt ist es nicht mehr möglich, ohne Anmeldung die offenen Werkstätten oder Veranstaltungen zu besuchen. Telefonische Anmeldung ist erforderlich, denn die Teilnehmerzahl ist begrenzt – leider! Angebote bis Dezember 2021: Malen und Tonen: jeden Dienstag von 16-17 Uhr oder von 17-18 Uhr, jeweils eine Stunde für Kinder ab 5 Jahren. Graffiti und Street Art: jeden Freitag von 14.30 – 16.30 Uhr oder von 17 – 19 Uhr. Für Teenis ab 10 Jahren mit dem Wiesbadener Graffiti und Street Art-Künstler Yorkar. Anmeldung erforderlich: Tel.: 0611 – 313 598 Weitere Infos unter:
www.wiesbaden.de/ kinderundjugendgalerie Alle Infos und aktuellen Angebote auch über den Newsletter, der hier abonniert werden kann: www.wiesbaden.de/newsletter Alexandra Waldmann vom Amt für Soziale Arbeit und Mitgründerin der Galerie stand uns für ein Interview zur Verfügung. Wie kam die Ausschreibungen zustande? Seit gut einem Jahr ist das Thema ökologische Nachhaltigkeit aktuell, und so wurde das Thema „Unsere Erde 2030” für die Jubiläums-Ausstellung ausgewählt. Das Thema ist aber offener gehalten, und die Kinder können ihrer Phantasie Lauf lassen. Neben den Einzeleinsendungen gibt es auch einige Gemeinschaftsarbeiten, die in Schulen oder Kinder- und Jugendbetreuungseinrichtungen entstanden sind. Alle Exponate werden auch in einem Buch veröffentlicht, worauf die Kinder extrem stolz sind. Mit einer Ausstellung können sie oft nichts anfangen, wohl aber mit einem Buch. Es ist eine enorme Motivation, an einer Ausschreibung teilzunehmen. Der erste Malwettbewerb war zu Beginn der Coronazeit, als die ersten Beschränkungen griffen. Hier gab es bereits 80 Einsendungen, und dieses Mal sind es noch mehr.
In der Ausstellung ist der Zusammenhang zwischen der Coronakrise und der Klimakrise sehr schön zu sehen. Ja, viele Medien haben diesen Zusammenhang hergestellt, und die Kinder, vor allem aber die Jugendlichen haben diesen Zusammenhang in ihren Arbeiten aufgegriffen. Die Jugendlichen hatten durch den Lockdown auch Zeit, sich mit dem Thema über die Medien beschäftigen. Entstanden sind Werke von oft besonderer Eindringlichkeit. Über welche Kanäle wird veröffentlicht? Die Ausschreibungen werden an die Schulen, Betreuungszentren, in der Presse, über Social Media Kanäle, wie Facebook und Instagram, aber auch über unseren Newsletter und unsere Homepage (www.wiesbaden.de/ kinderundjugendgalerie) sowie an diversen zentralen Orten veröffentlicht, zu denen Kinder und Jugend-
Luna Wang, 8 Jahre liche Zugang haben. Und natürlich werden Schulen und pädagogische Fachkräfte mit eingebunden, die unser Netzwerk bereichern. Die Malwerkstatt hat auch offene Ateliers. Haben die während Corona stattfinden können? Wir hatten wenig geschlossen. Wir sind Teil der Kinder- und Jugendhilfe. Vier Kinder plus ein(e) Künstler:in konnten arbeiten. Es gab natürlich Beschränkungen. In 2021 mussten wir drei Monate schließen, in 2020 waren es ca. 10 Wochen, ansonsten haben wir, soweit es ging, weiter gemacht. Das Programm musste aber sehr eingeschränkt werden. Vor der Pandemie gab es drei offene Werkstätten und zwei Nachmittage mit Projekten, an denen die umliegenden Schulen beteiligt werden, die z.B. eine AG zu diversen Themen hatten. Die Schulprojekte sind meist langfristig angelegt. So wurde zum Beispiel an dem Schulprojekt „Wir sind die anderen” gut ein Jahr gearbeitet. Vier verschiedene Künstler:innen haben nacheinander das Projekt begleitet und ihre Fähigkeiten vermittelt. Die Projektarbeit mit Schulen wurde coronabedingt im ersten Halbjahr 2021 komplett eingestellt, durch die Coronavorgaben war ein sinnvolles Arbeiten nicht möglich. Die Organisation war zu aufwändig. Im zweiten Halbjahr gibt es – soweit und solange es möglich ist – wieder Projekte. Welche Angebote sind aktuell in der Kinder- und Jugendgalerie möglich? Die Kreativ Werkstatt: Dienstags und Freitags Die offenen Werkstätten wurden durch die Kreativ Werkstatt abgelöst, da man sich – coronabedingt – vorher anmelden muss. Es gibt deutlich begrenzte Teilnehmerzahlen. Dienstags: Malen und Ton Freitags: Graffiti Wie sind die Angebote angelegt? Die Angebote sind total niederschwellig. Die Kinder müssen keine Kunst machen, es geht ums freie Gestalten, kein Kursangebot. Wenn die Kinder nichts machen wollen und einfach nur da sein möchten, können sie das auch tun. Eltern haben keinen Zutritt, die Kinder können sich ausprobieren und müssen nichts „Sichtbares” erstellen.
Gibt es finanzielle und ideelle Unterstützer? Finanziell ist die Galerie als städtische Einrichtung abgesichert. Wir freuen uns aber immer über Ausstellungsorte, die sich zur Verfügung stellen, wie z.B. Schulen und Jugendzentren, aber auch andere Ort sind willkommen. Casa e.V. ist aber einer der Hauptkooperationspartner. Dadurch können wir Kinder und Jugendliche aus dem umliegenden Viertel ansprechen, die sonst nicht so kommen würden. Wie hat sich die Kinder- und Jugendgalerie in den vergangen Jahren entwickelt? Vor 15 Jahren haben wir mit 250 Kindern im Jahr begonnen; vor Corona waren es dann 4000 Kinder. Wir haben erfolgreich mit Elternarbeit begonnen. Aber die Pandemie hat ihren Tribut gezollt. Derzeit haben wir sicher viele Kinder im Viertel vorerst verloren. Jetzt müssen die Eltern vorher anrufen und die Kinder anmelden. Viele Eltern machen das nicht, da sie andere Dinge im Alltag zu erledigen haben oder die Kinder ihre Anwesenheit selbst geregelt haben. Im offenen Betrieb konnten die Kinder einfach kommen, oft brachten sie die kleinen Geschwister mit. Früher wurde auch über die umliegenden Grundschulen Schnupperworkshops angeboten. Das alles ist aufgrund der Corona-Auflagen aktuell so nicht möglich, und wir werden hier wieder Aufbauarbeit leisten müssen.