philou. #7 Urbanität

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DIVERSITÄT DIVERSITÄT

Thema: urbanität


Wenn du zur Arbeit gehst am frühen Morgen, wenn du am Bahnhof stehst mit deinen Sorgen: dann zeigt die Stadt dir asphaltglatt im Menschentrichter Millionen Gesichter: Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider – Was war das? Vielleicht dein Lebensglück... vorbei, verweht, nie wieder. Du gehst dein Leben lang auf tausend Straßen; du siehst auf deinem Gang, die dich vergaßen. Ein Auge winkt, die Seele klingt; du hast’s gefunden, nur für Sekunden... Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider – Was war das? Kein Mensch dreht die Zeit zurück... vorbei, verweht, nie wieder. Du musst auf deinem Gang durch Städte wandern; siehst einen Pulsschlag lang den fremden Andern. Es kann ein Feind sein, es kann ein Freund sein, es kann im Kampfe dein Genosse sein. Es sieht hinüber Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider – Was war das? Von der großen Menschheit ein Stück! Vorbei, verweht, nie wieder.

i n d e r G r o ß s t a d t

K u r t T u c h o l s k y 1 89 0– 19 35

und zieht vorüber...

A u g e n


Editorial

Liebe Leser_innen, die gegenwärtige Stadt weist ein beispielloses Wachstum auf: Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten und bis 2030 wird ein Anstieg auf 5 Milliarden Menschen erwartet. Damit sind zahlreiche Herausforderungen verbunden, die in Zeiten der rasant fortschreitenden Globalisierung zunehmend an Komplexität gewinnen. Als Drehund Angelpunkt anthropogener Einflüsse stellt die Stadt ein hochkomplexes Wirkungsgefüge zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Faktoren dar. Stadt wird sowohl als Lebens- als auch als Arbeitswelt verstanden, als Heimat und Fremde zugleich. Der Drang nach einem urbanen Leben offenbart die Sehnsucht nach Individualisierung, Autonomie, nach Öffentlichkeit und Gemeinsamkeit. Zwischen Sehnsuchtsort und Flüchtigkeit wird das Leben in der Stadt von kultureller Vielfalt bestimmt und kennzeichnet das Zentrum menschlicher Interaktion. Dabei gehen Distanz und Entfremdung, Vereinzelung und Gemeinschaft Hand in Hand.

Städte. Der Ausbau von Straßen und Parkflächen erhöht das Verkehrsaufkommen proportional. Können Radfahren und Sharing-Angebote die Flächennutzung nachhaltig und effizient gestalten? (S. 31) Stadt & Gesellschaft: Neben dem alltäglichen Leben in der Stadt gilt es ebenso, selbiges bewusst zu gestalten, wahrzunehmen und aktiv darin teilzunehmen. Dabei haben Bürger_innen häufig die Möglichkeit, an Entscheidungsprozessen mitzuwirken und mitzubestimmen. Sind diese Beteiligungsverfahren wirklich demokratisch oder eine Illusion von Partizipation? (S. 36) Bezeichnet als Gentrifizierung wird das städtische Bild zwischen Aufwertung und Verdrängung durch Umstrukturierungsprozesse geprägt – forciert durch wirtschaftliche und politische Akteure. (S. 40) Neben den Verdrängungsprozessen gehört die Anonymität zu den urbanen Phänomenen: Zwischen Verwahrlosung und Dunkelheit wirkt die Stadt nicht nur als Sehnsuchtsort, als Zentrum der Selbstverwirklichung, sondern auch als Angstraum. (S. 43)

Stadt & Mensch: „Die Städte aber wollen nur das Ihre“, wie Rilke 1903 bezeichnend schrieb. Was macht eine Stadt Was ist einer Stadt, dem dominierenden Lebensraum der besonders, was ist ihr Alleinstellungsmerkmal? (S. 10) Zwi- Menschen, immanent? Was ist Stadt? schen Distanz und Nähe, Vereinzelung und Gemeinschaft liegt das urbane Dilemma: ein Kampf gegen die Entfrem- Wir freuen uns, diese und weitere Fragen sowie Problemdung. (S. 14) stellungen mit euch teilen zu können und präsentieren euch nun die siebte philou. Durch den Fokus auf die Diversität Stadt & Umwelt: Das hochkomplexe Wirkungsgefüge und und Interdisziplinarität der Themen wollen wir zeigen, dass die zahlreichen diversen Einflüsse, denen eine Stadt ausge- das inneruniversitäre Gespräch eine der höchsten Prioritäten setzt ist, erhöht auch das Gefahren- und Störungs­potential. im Studium genießen muss. Wir wollen euch hiermit AnKann eine Stadt robust und widerstandsfähig auf Störun- reize zu neuen Überlegungen liefern und hoffen, dass euch gen reagieren? (S. 20) Als dominierender Lebensraum des die siebte Ausgabe genauso gefällt wie uns! Menschen sind die anthropogenen Einflüsse entsprechend bedeutend – es bedarf Schutzmechanismen, die ein lebens- Eure philou. Redaktion wertes Leben in der Stadt in Zeiten des Klimawandels und der Ressourcenverknappung gewährleisten können. (S. 25) Bedeutende Umweltbelastungen sind beispielsweise neben der verstärkten Feinstaubbelastung auch die erhöhte Lärmbelastung (S. 28) sowie die mit einem zunehmenden BevölVerfasst von Ann-Kristin Winkens kerungswachstum einhergehende Flächeninanspruchnahme. Mobilität bleibt ein relevantes Thema für die Zukunft der

philou.


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I n ha lt 06

Urbanität in Zahlen

STADT &

Cristina García Mata

Nils Honkomp & Frédéric Falter

Wie ein Leuchtturm-Projekt die Entwicklung einer Stadt zum Positiven verändern kann.

14 Das Schöne an der Wüste ist, dass sie irgendwo einen Brunnen versteckt hält Thomas Sojer

Urbane Demokratie – zwischen Partizipation und Illusion.

40 Immer diese Künstler... – Kritik eines eindimensionalen Gentrifizierungsbegriffes Moritz Hirmer

Über den Kampf gegen die Entfremdung im Stadtleben.

STADT &

Gesellschaft

36 Mit weichem Knüppel in die Mitmachfalle – wie politische Mediation bürgerliche Selbstorganisation imitiert

Mensch

10 Bilder einer Stadt

STADT &

Von Künstlern, Yuppies und Investoren – wer steckt hinter der Gentrifizierung der Stadt?

43 Urbane Angsträume und rechte Diskurse

Umwelt

Sonja Gaedicke

20 Die Grenzen der Stadt – Urbane Resilienz

Angst essen Räume auf. Wie der Diskurs die Realität überdeckt.

Ann-Kristin Winkens

What doesn‘t kill you makes you stronger: Wie resiliente Strukturen Städten dabei helfen, mit Katastrophen umzugehen.

25 Der Lebensraum des Menschen – eine ökologische Betrachtung der Stadt

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Stadt vs. Land Januskopf Thomas Ruddigkeit

Aaron Förderer

Mensch versus Umwelt. Wie Städte Ökosysteme zerstören und erschaffen.

28 Viel Lärm um nichts? Merle Riedemann

Von Einflugschneisen und Amateurtrompetern: Wie Lärm die Gesundheit beeinflussen kann.

31 Copenhagenize – das Fahrrad als Verkehrsmittel der Zukunft? Anonym

Wem gehört die Straße? Wie es dazu kam, dass das Auto Vorfahrt erhielt.

philou.rwth-aachen.de facebook.com/philoumagazin info@philou.rwth-aachen.de

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Zahlen

URBANITÄT

in Zahlen

Top 5 Megacities Gegenwärtig gibt es weltweit 33 Megacities (städtische Agglomerationen mit mehr als 10 Mio. Einwohner). Die meisten von ihnen liegen in Asien (19) und Latein­a merika (6). 1,2) 2005

2018 1.

Tokio 35,2

37,6 +2,4

2.

28,9 +10,7

New York 18,7

3.

21,6 +3,3

São Paolo 18,3

4.

20,3 +1,6

New York

Mumbai 18,2

5.

20,1 +0,7

Mexiko-Stadt

Mexiko-Stadt 19,4

Tokio

Mumbai São Paolo

ANTEIL VON STADT- UND LANDBEWOHNERN IN DEUTSCHLAND 4) 2020

NATURAL URBAN MODEL nach Burgess/Park 3)

2010

2000

V. PENDLERZONE 1990

IV. MITTELSCHICHT (EINFAMILIENHÄUSER)

0,00% 0%

20,00% 20%

40,00% 40%

60,00% 60%

Stadtbewohner

III. ARBEITERWOHNGEBIET (MIETSKASERNEN)

80,00% 80% 100,00% 100% 120,00%

Landbewohner

Stadt- und Gemeindetypen in Deutschland 5)

II. ÜBERGANGSZONE

I. STADTKERN/ GESCHÄFTSVIERTEL

6

Landstadt: 2.000–5.000 Einwohner

Kleinstadt: 5.000–20.000 Einwohner

Mittelstadt: 20.000–100.000 Einwohner

Großstadt: > 100.000 Einwohner

Afrika Asien

Weltweit Ozeanien


Genf 42m2

Peking 58m2

Berlin 176m2

Singapur 43m2

São Paolo 176m2 Sydney 59m2

Hong Kong 30m2

Monaco 17m2

London 30m2

New York 26m2

Shanghai 46m2

Paris 55m2

Tokio 91m2

WIE 2020 VIEL WOHNFLÄCHE BEKOMMT 2010 MAN FÜR 1 MILLION DOLLAR? 6) 2000

Los Angeles 61m2

Miami 79m2

Istanbul 102m2

Kapstadt 209m2

Mumbai 99m2

Melbourne 110m2

Dubai 162m2

1990

QUELLEN

79 0,00%

20,00%

40,00%

60,00%

84%

Großstädte Stadtbewohner gibt es in Deutschland. 7)

Vier deutsche Millionenstädte: Berlin 3,5 Mio. Hamburg 1,7 Mio. München 1,4 Mio. Köln 1,05 Mio.

7)

80,00% 100,00% 120,00%

Landbewohner

Prognostizierter Urbanisierungsgrad in Europa im Jahr 2050 8)

1) Bundeszentrale für politische Bildung 2008 2) UN 2018: World Urbanization Prospects 3) Burgess/Park (1925): The City: Suggestions for Investigation of Human Behavior in the Urban Environment 4) Statista 2018 5) Bundesinstitut für Bau- und Raumforschung 2015 6) Statista 2016 7) Statistisches Bundesamt; Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2016 8) UN 2015: World Population Prospects, the 2015 Revision

URBANISIERUNGSGRAD Anteil der Stadtbewohner in den Weltregionen im Jahr 2018

4)

Afrika Asien Weltweit Ozeanien Europa Lateinamerika und Karibik Nordamerika 0% 0,00%

20% 20,00%

40% 40,00%

7

60% 60,00%

80% 80,00%

100% 100,00%

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Die kleinen Zimmer oder Behausungen lenken den Geist zum Ziel, die groĂ&#x;en lenken ihn ab. Leonardo Da Vinci

1452–1519

Foto: Sarah Hilker

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Stadt & Mensch

Nur 21% der Deutschen möchten in einer Großstadt leben. Tatsächlich leben allerdings 31% der Deutschen in den Großstädten.

Charta von Athen Die funktionale Stadt

Die Charta von Athen ist ein städtebauliches Manifest, das 1933 im Rahmen des IV. Kongress der Congrès Internationaux d‘Architecture Moderne (CIAM) in Athen zum Thema „Die funktionale Stadt“ verabschiedet wurde. Mit dem Ziel einer geordneten Stadtentwicklung wird in dem Manifest eine grundsätzliche Trennung der urbanen Nutzflächen nach Wohnen und Arbeiten gefordert.

1,8 Millionen Wohnungen in Deutschland stehen leer, während 860.000 Menschen in Deutschland wohnungslos sind.

„Stadtbau kann niemals durch ästhetische Überlegungen bestimmt werden, sondern ausschließlich durch funktionelle Folgerungen.“ – eine der Forderungen im Manifest.

YUPPIE

young urban professional (people)

Junger, karrierebewusster, großen Wert auf seine äußere Erscheinung legender Stadtmensch, Aufsteiger. (Duden)

Vitruv

Prinzipien der Architektur

Anleitung: Wie werde ich ein Yuppie

https://de.wikihow.com/Sich-wie-einYuppie-kleiden

Vitruv war ein Architekturtheoretiker, dessen Werk De architectura libri decem im gesamten Mittelalter bekannt war und das seit der Renaissance einen wesentlichen Einfluss auf architektonische Konzepte aufwies. Nach ihm gibt es drei Hauptanforderungen an die Architektur: Firmitas (Festigkeit), Utilitas (Nützlichkeit) und Venustas (Schönheit). Diese drei Begriffe galten als die grundlegenden Maßstäbe für die Bewertung von Architektur – sie mussten alle drei gleichermaßen erfüllt sein.

Suburbanisierung Suburbanisierung beschreibt den Abwanderungsprozess der Stadtbevölkerung, der Industrie und des Dienstleitungsgewerbes ins städtische Umland. Die Zentralität der Stadt wird in Frage gestellt und nimmt ab.

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Opener

Cristina GarcĂ­a Mata TEchnik-kommunikation

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Stadt & Mensch

Wäre der Autor des Romans Die unsichtbaren Städte, Italo Calvino, in seinem Leben jemals in Bilbao gewesen, hätte er wahrscheinlich nicht gewusst, ob er sie als eine verborgene oder als eine zusammenhängende Stadt einstufen sollte. Wahrscheinlich hätte er von einer Wasserzunge gesprochen, die eine Bevölkerung in zwei aufteilt, von einer Bergwand, die die Stadt schützt und gleichzeitig isoliert, und von der Art und Weise, wie die Erde sich zum Meer hin öffnet. Er hätte mit Sicherheit den konstanten und unaufhaltsamen Rhythmus des Regens bemerkt, der sogar den Himmel verwischt und ihn in die Farbe des Stahls verwandeln kann – derselbe, der aus dieser Erde gekommen ist und seine Bewohner reich gemacht hat. In den achtziger Jahren blieben vom goldenen Zeitalter der Stahlindustrie und des Schiffbaus jedoch nur geschwärzte Gebäude, eine Ria voll chemischen Abfalls, eine hohe Arbeitslosigkeit, und die Introvertiertheit und Angst, die durch politische Instabilität hervorgerufen wurde. Bilbao benötigte dringend einen Richtungswechsel, einen Wandel von einer Industrie- zur Dienstleistungs- und Kulturstadt. Die Lösung der bilbaínos (die Einwohner Bilbaos), wenn auch utopisch, bestand darin, den Architekten Frank Gehry mit dem Bau eines völlig bahnbrechenden Gebäudes zu beauftragen: das Guggenheim Museum Bilbao. Diese Kreuzung aus Palazzo und Schiff aus Stein und Titan sollte die Transformation der Stadt repräsentieren und gleichzeitig der Motor der wirtschaftlichen Erneuerung sein. Die Einweihung des Museums veränderte die Geschichte der Stadt schlagartig: Dank des katalytischen Impulses erlebte Bilbao in den Folgejahren eine für eine Stadt dieser Größenordnung nie zuvor gesehene urbane und wirtschaftliche Renaissance, die heute als Bilbao-Effekt bekannt ist. Viele andere postindustrielle Städte wie Wolfsburg, Graz oder Luzern haben versucht, den Erfolg, der durch die sogenannte Star-Architektur erzielt wurde, nachzuahmen. Nach einer

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aktuellen Forschung der Technischen Universität München hatten alle ikonischen Projekte jeweils positiv wirtschaftliche und soziale Auswirkungen für die Städte, obwohl ein Erfolg wie in der spanischen Gemeinde sicherlich nicht erreicht wurde. Die Wahrheit ist, dass ein einzelnes Gebäude, egal wie ikonisch es ist, die Zukunft einer Stadt nicht ändern kann. Frank Gehry selbst hat während des Baus seines Guggenheim Museums seine Zweifel eingestanden. Der Schlüssel zum Erfolg von Bilbao liegt in einer Mischung aus einem gelungenen lokalen und regionalen Kontext, einer wirksamen Umweltpolitik und einer kontinuierlichen Investition in neue Infrastrukturen, von denen viele von anderen bekannten Star-Architekten wie Zaha Hadid, Norman Foster oder Santiago Calatrava entworfen wurden. All dies geschah, ohne die Geschichte der Stadt und die dazugehörigen Gebäude zu vergessen. Das Guggenheim Museum war schließlich nicht die einzige Maßnahme gewesen, mit der sich Bilbao erneuert hat. Jede Stadt, die besonders sein will, muss mit dem arbeiten, „was an Materialitäten, Praktiken und Repräsentationen bereits vorhanden [sei]“, wie der Kultursoziologe Andreas Reckwitz in seinem Buch „Die Gesellschaft der Singularitäten“ schreibt. Jede Stadt, die international anerkannt werden will, muss auch die lokalen Eigenlogiken kennen und nicht nur die Formel des Bilbao-Effekts. Möglicherweise kann der Bilbao-Effekt nur an einem Ort funktionieren: in Bilbao. Weiterführende Literatur Sklair, L. (2017): The Icon Project: Architecture, Cities and Capitalist Globalization. Oxford: Oxford University Press. Ponzini, D.; Nastasi, M. (2016): Starchitecture: Scenes, Actors and Spectacles in Contemporary Cities. Turin: The Monacelli Press.

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Artikel

Das Schöne an der Wüste ist, dass sie irgendwo einen Brunnen versteckt hält THOMAS SOJER

THEOLOGIE/RESONANTE WEltBEZIEHUNGEN (ERFURT/GRAZ)

Der Soziologe und katholische Priester Pierre-Marie Delfieux (1934–2013) wurde 1965 als Studentenseelsorger an die Sorbonne bestellt. Am 3. Mai 1968 begannen die Universitätsbesetzungen und es kam zur Geburt der 68er-Revolution in Frankreich. Delfieux war innerlich zerrissen: Zwar war er den Anliegen der Studierenden wohlgesonnen. Die sozialphilosophischen Erklärungsmodelle der Bewegung erschienen ihm jedoch zu seicht, als unmittelbare Reaktion und nicht als längerfristige Lösung. Im selben Jahr verließ er die französische Hauptstadt und zog sich für sieben Jahre in eine Steinbaracke auf dem Assekrem-Plateau im Ahaggar-Gebirge im Süden Algeriens abseits jeder Zivilisation zurück. Ausgehend von einer systematischen, jahrelangen Reflexionspraxis wie sie auf die antiken Wüstenväter zurückgeht, meditierte er darüber und versuchte all dem, was er im Herzen von Paris miterlebt hatte, einen Sinn zu geben. Schließlich gelang er zu einer bemerkenswerten Beobachtung: Die vollkommene Menschenleere der algerischen Wüste und die „Monotonie der Fensterreihung der Hochhäuser und der starren Addition von Siedlungshäusern“ (Mitscherlich 1965: 19) hatten paradoxerweise eine ähnliche Wirkung auf ihn, nämlich Vereinsamung und Verrohung. Gleichzeitig machten ihm beide Lebensräume ununterbrochen das Angebot, Neues zu schaffen und alte Strukturen zu überwinden.

stammen, aber in ihr leben, in der Lage sind, die Wüste in eine menschliche Welt zu verwandeln“ (Arendt 2003: 181). Auf der anderen Seite beleuchtet Georg Simmel die Ambiguität der Stadt in seiner Studie Die Großstädte und das Geistesleben, indem er ungeahnte Möglichkeiten subjektiver Beziehungsgestaltung moderner Urbanität herausschälte und ebenfalls die Gefahr der Melancholie aufgrund einer damit einhergehenden Reizüberflutung skizzierte. Für Simmel war es eben diese Ambivalenz, die das städtische Leben zum Heilsversprechen der Moderne werden ließ, jedoch seine Bewohner_innen stattdessen mit einer Realität beerbte, die Simmel subsummierend mit dem Begriff Blasiertheit bezeichnete (vgl. Simmel 2006: 28). Wüste und Großstadt vereinen es somit, Hindernis und Chance in einem zu sein. Als Antwort auf diese coincidentia oppositorum [gleichzeitige Gültigkeit von Widersprüchen] formulierte Delfieux eine raumtheoretische Anthropologie, die Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen nicht nur auf einer diskursiven oder praktischen Ebene verwurzelt, sondern sich vor allem ausgehend von den konkreten, aber meist unbewussten Raumverhältnissen derselben bestimmt (vgl. Delfieux 2014).

Als François Marty, der damalige Erzbischof von Paris, von Delfieuxs Beobachtungen erfährt, beordert er ihn 1975 zuIn dieser Ambiguität schreibt einerseits Hannah Arendt dem rück in die französische Hauptstadt und erteilt ihm den Lebensraum Wüste eine transformierende Qualität zu, und Auftrag, eine kirchliche Antwort auf die Herausforderung begründet es damit, „daß wir, die wir nicht der Wüste ent- der Urbanität zu erarbeiten. Mit einer Gruppe ehemaliger 14


Stadt & Mensch

Studierender aus seiner Sorbonnezeit gründete Delfieux im selben Jahr die Fraternités monastiques de Jérusalem; in Anspielung an Jerusalem als die Stadt der Städte der drei großen Buchreligionen. Als Gegenprogramm zu einer „Vertreibung menschlicher Erlebniserwartungen aus dem aktuellen Bild unserer Städte“ und einem „umfassenden Prozess der Enthumanisierung der Lebenswelt“ (Lorenzer 1981: 19), den der Psychoanalytiker und Soziologe Alfred Lorenzer moniert, wollte Delfieux Oasen der Ambiguität in der urbanen Monotonie schaffen. Als Mönche und Nonnen leben die Mitglieder in gewöhnlichen Wohnhäusern (seit 2009 auch in Köln) und arbeiten tagsüber im Ordensgewand in besonders ‚urbanen Berufen‘ wie zum Beispiel Metrofahrer_in oder Stadtparkgärtner_in. Den Rest des Tages bieten sie in zentralen Stadtkirchen ein öffentliches religiös-künstlerisches Programm an, das in Anklang an die antike Wüstenvätertradition die Möglichkeit bietet, in einer kulturellen (Neu-)Aufladung der Großstadt als Wüste von den „vormodernen Gesellschaften [zu] lernen, in denen über lange Zeit eine sehr ambiguitätstolerante Mentalität herrschte“ (Bauer 2018: 95). Durch ihre Lebensform versuchen sie täglich bewusst Ambiguität zu verwirklichen und „eine moderne Disposition zur Vernichtung von Vielfalt“, dessen Kulmination Thomas Bauer im Urbanen erkennt (Bauer 2018: 12), prismatisch in Farbfacetten zu brechen. Schon Stefan Zweig verspürte zum Fin de Siècle hin „ein leises Grauen vor der Monotonisierung der Welt“, wenn „immer mehr die Städte einander äußerlich ähnlich“ werden und „dieser Niedersturz in die Gleichförmigkeit der äußeren Lebensformen“ (Zweig 1990: 33) sichtbar werde. Trotz der unüberschaubaren Anzahl neuer Initiativen – vom urban gardening bis Skylines, die dank augmented reality zu gigantischen Kinoleinwänden werden – bleiben die Bemühung vor dem Hintergrund der alltäglichen Dynamisierung und Beschleunigung des städtischen Tagesablaufs wie Baudelaire im Gedicht À une Passante schreibt „Un éclair... puis la nuit!“ [ein Blitz, dann wieder Nacht]. Eine recht junge Antwort auf das städtische Entfremdungsproblem bietet Hartmut Rosa mit seiner Resonanztheorie, in der er Resonanz als ein Konzept der ‚Nicht-Entfremdung‘ elaboriert (vgl. Rosa 2018: 284). Rosa kommt analog zu Delfieux zum Schluss, dass Resonanz stets vom entgegenkommenden Resonanzraum, einer antwortenden Umwelt abhängig ist, die Resonanzwirkungen zulässt und aktiv fördert; ja, „dass die materielle und figurative räumliche Umgebung jeweils einen beträchtlichen Einfluss darauf haben kann, ob sich in 15

philou.


Dicht wie Löcher eines Siebes stehn Fenster beieinander, drängend fassen Häuser sich so dicht an, daß die Straßen Grau geschwollen wie Gewürgte stehn. einer bestimmten Interaktionssituation horizontale, diagonale oder vertikale Resonanzen ausbilden oder ob stumme Beziehungen dominieren“ (Rosa 2018: 642). Steife Räume resonieren nicht, ist somit Rosas Kurzformel. Interessant ist hier besonders Rosas Einsicht, dass die disponierende Wirkung von Räumen Konsequenz „ihrer kulturellen Aufladungen im Rahmen der affektiven und kognitiven Bedeutungen“ (Rosa 2018: 646) ist. Den urban sisters und monks können im Anschluss an Rosa kulturelle Aufladungen des städtischen Lebens im doppelten Sinn attestiert werden: Einerseits geben sie dem Resonanzraum Großstadt die affektive und kognitive Bedeutung einer Wüste, indem sie sakrale Räume als Oasen und damit lebensnotwendige Orte der Gastfreundschaft (neu-)aufladen. Diametral zur hostile architecture (vgl. De Fine Licht 2017: 28), die durch bauliche Maßnahmen zweckfremde Verwendung ausschließt (z. B. Stahlstacheln auf Lüftungsgittern mit warmer Luft gegen Obdachlose), dürfen die Besucher_innen die ‚Jerusalemer‘ Kirchen auch als ambigue Orte z.B. für körperliche Erholung in Gebrauch nehmen. Andererseits durchbrechen sie affektive und kognitive Bedeutungsparameter im öffentlichen Raum, indem sie in ihrem sakralen Erscheinungsbild des Ordensgewandes in säkularen, öffentlichen Berufsbildern auftreten und damit den öffentlichen Raum zum ambiguen Raum werden lassen. Vor fünfzig Jahren interpretierte Delfieux die sozialphilosophischen Erklärungsmodelle der 68er-Bewegung als unmittelbare Reaktion und nicht als längerfristige Lösung und versuchte selbst mit der (Neu-)Aufladung des urbanen Raumes als Wüste täglich ein anthropologisches Modell zu leben, das zwar noch nicht konkret auf die sozialpolitischen Probleme eingeht, aber jenen ambiguen Raum sicherstellt, der es erst zulässt, „die Wüste in eine menschliche Welt zu verwandeln“ (Arendt 2003: 181) oder wie der Kleine Prinz resümiert: „Das Schöne an der Wüste ist, dass sie irgendwo einen Brunnen versteckt hält.“

Ineinander dicht hineingehakt Sitzen in den Trams die zwei Fassaden Leute, ihre nahen Blicke baden Ineinander, ohne Scheu befragt. Unsre Wände sind so dünn wie Haut, Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine. Unser Flüstern, Denken... wird Gegröle... Und wie still in dick verschlossner Höhle Ganz unangerührt und ungeschaut Steht ein jeder fern und fühlt: alleine. – Städter, Alfred Wolfenstein

1883–1945

Arendt, H. (2003): Was ist Politik? Fragmente aus dem Nachlaß. München: Pieper. Bauer, T. (2018): Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt. Ditzingen: Reclam. De Fine Licht, K. P. (2017): Hostile urban architecture: A critical discussion of the seemingly offensive art of keeping people away. In: Etikk I Praksis – Nordic Journal of Applied Ethics. 11. Jg. 2017/2. S. 27–44. Delfieux, P.-M. (2014): Jérusalem, livre de vie: Par la Fraternité monastique de Jérusalem. Paris: Cerf. Lorenzer, A. (1981): Das Konzil der Buchhalter. Die Zerstörung der Sinnlichkeit. Eine Religionskritik. Frankfurt a.M.: Europäische Verlagsanstalt. Mitscherlich, A. (1965): Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Rosa, H. (2017): Für eine affirmative Revolution. In: C. Helge & P. Schulz (Hg.), Resonanzen und Dissonanzen. Hartmut Rosas kritische Theorie in der Diskussion. Bielefeld: transcript. S. 311–329. Rosa, H. (2018): Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Simmel, G. (2006): Die Großstädte und das Geistesleben. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Zweig, S. (1990): Die Monotonisierung der Welt. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

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New york. Originalfoto: Tom adams via unsplash

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Stadt & Umwelt

New Clark City „Die Stadt der Zukunft“

Regionale Resilienz Aachen e.V. Der Verein wurde mit der Zielsetzung gegründet, die StädteRegion Aachen resilienter und nachhaltiger zu gestalten. Durch eine Zusammenarbeit mit Partnern aus der Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft soll auf kommunaler Ebene ein ganzheitliches und interdisziplinäres Transformationskonzept entwickelt werden, das sich den Nachhaltigkeitszielen auf ökologischer, ökonomischer und sozialer Ebene verpflichtet:

Manila, die dicht bevölkerte Hauptstadt der Philippinen, ist sowohl bekannt für ihren immerwährenden Stau als auch für ihre Luftverschmutzung. 2016 wurde Manila als die Stadt mit dem „schlechtesten Verkehr weltweit“ bewertet. Um dem entgegenzuwirken, plant das Land eine komplett neue, nachhaltige Stadt zu bauen – New Clark City. Die Pläne für die 14 Milliarden Dollar teure Vision, die mit rund 9450 Hektar größer als Manhattan werden und 1,2 Millionen Menschen beherbergen soll, beinhalten Drohnen, autonome Autos, energie- und wasserreduzierende Technologien und vor allem viel Grün.

„Mit dem Ziel, die StädteRegion auf Dauer zu einem l(i)ebenswerten, ökologisch gesunden und wirtschaftlich stabilen Raum zu gestalten, möchten wir – gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren – die Potentiale und Chancen, aber auch die Verletzlichkeiten unserer Region ausloten, Visionen und Projekte zu ihrer Entfaltung entwickeln und diese in einem partizipativen und transparenten Resilienz-Prozess engagiert umsetzen.“ (Regionale Resilienz Aachen e.V. 2017)

Die Stadt der Brücken Berlin ist eine grüne Oase: Mehr als 44 Prozent der Stadt bestehen aus Wasserstraßen, Wäldern, Flüssen und Grünanlagen. Berlin hat sogar mehr Brücken als Venedig: Insgesamt zieren 1.700 Brücken das Stadtbild.

19

philou.


Opener

Urbane Resilienz

Die Grenzen der Stadt Ann-Kristin Winkens

Umweltingenieurwissenschaften

In Zeiten eines globalen und komplexen Wandels müssen male einer Stadt, wie ihre Architektur, Bevölkerungsstruksich auch Städte an die damit verbundenen Auswirkungen turen sowie Infrastruktursysteme erhöhen gleichzeitig die anpassen, Veränderungen zulassen und plötzlichen Störun- Anfälligkeit für Erdbeben, Hochwasser oder Terroranschläge. gen entgegentreten. Die Herausforderungen des Klimawandels, der zunehmenden Verstädterung, des demografischen Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten. Wandels sowie des technologischen Fortschritts sind in ur- Die Vereinten Nationen sprechen von einem beispiellosen banen Räumen besonders prägnant. Städte fungieren als Wachstum in der Stadt: 2015 lebten knapp 4 Milliarden Drehscheibe für wirtschaftlichen Aufschwung, Zentren des Menschen – 54 Prozent der Weltbevölkerung – in Städten Wohlstands, der Innovation, Produktion und kultureller In- und bis 2030 wird ein Anstieg auf 5 Milliarden Menschen teraktion – gleichzeitig symbolisieren sie die Schere zwi- prognostiziert. schen Armut und Reichtum, systematischer Ungleichheit Nach aktuellen Schätzungen einer Studie des Schweizer und den anthropogenen Eingriffen in die Natur. Rückversicherungsunternehmens Swiss RE traten im Jahr Städte sind hochkomplexe Systeme, die zahlreiche wirt- 2017 301 Katastrophenereignisse auf, von denen 183 als schaftliche, soziale und ökologische Faktoren miteinander Naturkatastrophen deklariert wurden, die hauptsächlich auf verknüpfen, wodurch sie extrem anfällig für Bedrohungen schwere Stürme, Niederschlag und Erdbeben zurückzufühdurch beispielsweise Naturkatastrophen sind. Die Merk- ren waren. Insgesamt kamen mehr als 11.000 Menschen

COLONIAL QUITO

QUITO Revolution

Global Reference

1534 Spanish Foundation of San Francisco de Quito 1534 Checkboard layout of the new “village”

1809 First independence uprising in South America 1822 Battle of Pichincha Independence 1830 The Republic of Ecuador is born, with Quito as its capital city

1736 French Geodesic Mission Visit defined the location of the Equator 1978 Declared a World Heritage Site 1989, 1996 Tumbes-ChocóMagdalena and the Northern Andes declared as biodiversity hotspots 2012 First Declaration of Areas for Conservation and Sustainable Use in the Metropolitan District of Quito

1541 Quito declared as city 1563 Quito named as a Royal Audience

20

Seismic Territory 1541 Mount Antisana • MSK: 8 1587 San Antonio de Pichinch • Richter: 6,3; MSK: 8 1627 Quito • MSK: 7 1755 Quito • Richter: 7,0; MSK: 9 1797 Riobamba • Richter: 8,3; MSK: 8 1859 Quito/Ibarra • MSK: 9 1868 Ibarra • Richter: 6,3 and 6,7; MSK: 10 1919 Tambillo/Uyumbicho • MSK: 8 1938 Los Chillos Valley • Richter: 7,1; MSK: 5 1949 Ambato • Richter: 6,8 1987 Sucumbíos • Richter: 6,9; MSK: 9 1990 Pomasqu • Richter: 5,0; MSK: 7 2014 Quito • Richter: 5,1 2016 Pedernales • Richter: 7,8 2016 Quito • Richter: 4,7

Rainy Season 1975 Mudslide La Gasca • La Mariscal 1983 Mudslides Cotocollao and former Quito Airport 1986 Mudslide La Raya 1997 Mudslide Santa Clara de San Millán 2008 Floods and landslides El Recreo 2009 Mudslide Rumihurco 2010 Landslides and floods across the city 2011 Landslide La Forestal 2012 Mudslide Ibarra neighborhood 2013 Mudslide Pomasqui 2017 Quito declares an emergency for rains • Record rains: May 15mm


Stadt & Umwelt

durch Katastrophen ums Leben oder gelten seitdem als vermisst, Millionen Menschen verloren ihr Zuhause. Weiterhin haben sich die gesamtwirtschaftlichen Verluste 2017 im Vergleich zu 2016 beinahe verdoppelt (2016: 180 Milliarden USD; 2017: 337 Milliarden USD) – der zweithöchste weltweite Gesamtschaden, der je verzeichnet wurde. Um diesen Herausforderungen auch in urbanen Räumen entgegenzutreten, wurde im Jahr 2013 von der Rockefeller Stiftung die Initiative „100 Resilient Cities (100RC)“ ins Leben gerufen. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, Städte weltweit dabei zu unterstützen, resilienter gegenüber den physischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu werden. 100RC definiert urbane Resilienz als “the capacity of individuals, communities, institutions, businesses, and systems within a city to survive, adapt, and grow no matter what kinds of chronic stresses and acute shocks they experience.”

Eine Stadt kann entsprechend als resilient bezeichnet werden, wenn sie fähig ist, externe oder interne Störungen vorherzusehen, diese vorzubeugen, sich von ihnen zu erholen und aufgrund dieser Erfahrung im besten Fall ihre Strukturen und Funktionen zu verbessern. Um urbane Resilienz generieren zu können, muss eine Stadt ganzheitlich betrachtet werden. Das heißt, die inneren Strukturen sowie die interdependenten Systeme gilt es gleichermaßen zu erkennen und zu verstehen wie auch die daraus resultierenden Ab-

Volcanic Threat

ECONOMIC CRISES

1534 Mount Cotopaxi eruption 1566 Mount G. Pichincha eruption 1914 Cocoa crisis 1575 Mount G. Pichincha eruption 1970 Oil Boom 1582 Mount G. Pichincha eruption 1999 Financial Crisis/Banking Holiday 1660 Mount G. Pichincha eruption 2000 Dollarization 1734 Mount Cotopaxi eruption 2009–2014 Second oil boom 1742 Mount Cotopaxi eruption 1744 Mount Cotopaxi eruption 1768 Mount Cotopaxi eruption 1802 Mount Reventador eruption 1856 Mount Reventador eruption 1877 Mount Cotopaxi eruption 1894–1898 Mount Reventador eruption 1998–1999 Mount G. Pichincha eruptions 2000–2002 Mounts Reventador and G. Pichincha eruptions 2015 Mount Cotopaxi reactivates

hängigkeiten und verbunden United Nations Risiken. Die 100RC unter- Sustainable Development Goals scheidet zwischen „chronic Goal 11: Make cities and human stresses“ und „acute shocks“: settlements inclusive, safe, resilient Unter ersterem werden lang- and sustainable. sam voranschreitende Katastrophen verstanden, die das Gefüge einer Stadt schwächen. Darunter fallen beispielsweise hohe Arbeitslosigkeit, endemische Gewalt, chronischer Nahrungs- und Wassermangel sowie ein ineffizientes oder überlastetes Verkehrssystem. Acute shocks hingegen sind plötzliche, tief eingreifende Ereignisse, wie beispielsweise Erdbeben, Überschwemmungen oder Terroranschläge. Die meisten Städte erfahren jedoch eine Kombination dieser Ereignisse, wie beispielsweise die Folgen des Hurrikans Katrina in New Orleans im Jahr 2005 veranschaulicht haben. Die Auswirkungen des Sturms wurden durch Gewalt, Armut, Umweltzerstörung und andere chronic stresses verstärkt, wodurch letztlich ein Großteil der Widerstandsfähigkeit New Orleans eingebüßt wurde. Durch ein solch verheerendes Ereignis werden die Schwächen einer Stadt nicht nur sichtbar gemacht, sondern auch ervhöht – was den Aufbau von resilienten Strukturen erheblich erschwert. Städte sind gekennzeichnet von menschlichen Gemeinschaften sowie physischen Systemen. Darunter sollen alle konstruierten und natürlichen Komponenten verstanden werden: Straßen, Gebäude, Infrastruktur, Energieeinrichtungen, Kommunikationsnetzwerke, Wasser- und Abfallversor-

Hotspot for Protest

FOREST FIRES

1592 Tax Revolution 1765 Quito’s Neighborhoods revolution 1875 Assassination of President G. Moreno 1895 Liberal Revolution 1912 President Eloy Alfaro’s body dragged through town 1932 Four-day war 1976–1979 Military dictatorship 1990 First indigenous uprising 1997 Fall of President Abdalá Bucaram 1997 Rosalía Arteaga takes power as president and then is removed from power in a period of 2 days 1999 Taxi drivers’ demonstration blocks the streets of the entire city 2000 Fall of President Jamil Mahuad 2000 Military triumvirate takes power for a few hours 2005 Forajidos Revolution 2005 Fall of President Lucio Gutierrez 2013 Protests against oil exploitation in the Yasuni National Park 2015 Indigenous protests 2017 Post-presidential election protests

1991 1.231 forest fires 1999 1.567 forest fires 2009 2.700 ha burned 2012 3.796 ha burned • Quito declares a state of emergency 2015 3.102 ha burned

21

INNOVATING MOBILITY 1908 Guayaquil-Quito Railroad Route 1914 Electric trams 1995 Trolley (first Bus Rapid Transit [BRT] line) 2000 Ecovía (second BRT line) 2013 New Airport 2019 Quito Metro

philou.


100 Resilient Cities:

“Resilience is what helps cities adapt and

Quito, Ecuador

transform in the face of these challenges, helping them to prepare for both the expected and the unexpected.” (100 Resilient Cities)

Bei dem im Jahre 2013 ausgeschriebenen Wettbewerb „100 Resilient Cities“ haben sich international 400 Städte beworben, um durch einen unterstützten Prozess drei Jahre lang ihre jeweilige urbane Resilienz strategisch verbessern zu können. Ein Beispiel hierfür ist Quito, die Hauptstadt Ecuadors. Eingebettet in den Anden, liegt Quito auf einer Höhe von 2850 Metern – und damit die höchste Hauptstadt der Welt – nur knapp 20 Kilometer südlich des Äquators. Quito ist von 14 Vulkanen umgeben und der Großteil der Stadt befindet sich auf sandigen Böden vulkanischen Ursprungs. Die Stadt wurde 1978 aufgrund ihrer Architektur und biologischen Vielfalt zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt. Gleichzeitig ist dieser kulturelle und natürliche Reichtum durch verschiedene ökologische, wirtschaftliche und soziale Herausforderungen bedroht.

zersiedlung in quito

1822

1921

1946

Der Großstadtbezirk ist täglich durch massive seismische Bewegungen, Überschwemmungen und Waldbrände einem Risiko ausgesetzt – allein im Jahr 2012 wurden 2.600 Waldbrände gemeldet. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Stadt auch regelmäßig Erdbeben und Vulkanausbrüchen ausgesetzt. Der Ausbruch des Vulkans Pichincha im Jahr 1999 zwang den Flughafen Quito zum Schließen, mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen. Im Jahr 2011 führten knapp 144 Erdrutsche während der Regenzeit zu zahlreichen Todesfällen und Schäden an Häusern in den am stärksten gefährdeten Teilen der Stadt. Insbesondere die ärmeren Regionen am Stadtrand – kaum stabile Blechhütten gebaut auf rutschigen Steilhängen – sind gefährdet, wenn ein Starkbeben auftritt, das die Siedlungen sofort zerstören würde. Zuletzt im August 2015 wurde für ganz Ecuador der Ausnahmezustand verhängt, da der Cotopaxi – ein 6.000 Meter hoher Vulkan bei Quito – nach 75 Jahren tagelang Asche bis zu

1978

1995

2016

22


Stadt & Umwelt

ECUADOR 16,5 Mio.

bevölkerung

fünf Kilometer in die Luft schleuderte, ein Ausbruch war zur damaligen Zeit ungewiss. Trotz Ausnahmezustand fand keine Aufklärung beispielsweise an den Flughäfen statt, die Menschen trugen keine Atemmasken, obwohl die Luft rußverschmutzt und die Gesichter schwarz waren – was das Atmen in 2.800 Meter Höhe beinahe unmöglich machte.

quito Aktuell: 2,6 Mio. 2020: 2,8 Mio. 2040: 3,4 Mio.

Die Resilienzstrategie Quitos basiert auf einer Analyse der Stärken und Chancen, die diese Herausforderungen darstellen. Sie beinhaltet einen integrierten und interdisziplinären Ansatz für die wichtigsten akuten Schocks und chronischen Belastungen der Stadt. Bis 2040 soll die Strategie umgesetzt werden – basierend auf der Vision of Quito 2040:

58

66

Bewohner/km2

Gemeinden

“Quito in 2040, will be a city with a high quality of life, capable of successfully facing all the challenges that arise in the social, cultural, economic and environ-

Jeder zweite Quinteño ist

unter 29 Jahre alt

mental fields and in the territory. It will thus become a resilient city and will have ensured the sustainable

60%

development of its population.”

Jugendarbeitslosigkeit

Beispiele für chronic stresses der Hauptstadt Ecuadors sind Siedlungen in risikoreichen Gebieten, Umweltzerstörung oder Verlust der biologischen Vielfalt. Acute shocks sind unter anderem Starkregenfälle, Erdbeben, Waldbrände oder vulkanische Eruptionen. Interessant dabei ist jedoch der Fokus auf die weitestgehend externen Einflüsse, wie Naturkatastrophen.

2,08 Tonnen

C0 2 pro Kopf

2,037 Tonnen Müll pro Tag

14,78ºC

durchschnittliche Temperatur

Auf knapp 70 Seiten wird die Resilienzstrategie der Stadt unter Einbindung verschiedener Akteure wie Politik und Wirtschaft dargestellt und erläutert.

16

Quelle (Informationen & Daten zu Quito): http://www.100resilientcities.org/strategies/quito/

1,2ºC

Temperaturanstieg in den letzten 100 Jahren

Vulkanausbrüche in den letzten 500 Jahren

23

philou.


gung, Geologie und Topografie. Diese physischen Systeme halten die Stadt in ihrem Ganzen zusammen und bilden das Grundgerüst für das menschliche Leben innerhalb der Stadt. Diese Systeme müssen während einer Belastung standhalten und funktionieren – ein fragiles Stadtgerüst kann nicht resilient sein und erhöht die Anfälligkeit für Katastrophen. Die Hoffnung, die Lösung im technologischen Fortschritt von Frühwarnsystemen zu finden, bleibt unerfüllt. Präzise und verlässliche Frühwarnsysteme für Naturkatastrophen stecken nach dem heutigen Stand der Wissenschaft noch in den Kinderschuhen. Insbesondere Erdbeben sind unberechenbar, wie beispielsweise das Starkbeben in Mexiko City 2017 gezeigt hat – ein Hochrisikogebiet für Erdbeben. Die Vorwarnzeit betrug knapp 20 Sekunden – von Vorhersage kann hier nicht gesprochen werden, was eine Evakuierung unmöglich macht. Prognosen sind hier nicht nur unzuverlässig, sondern auch schlichtweg nicht machbar. Deshalb müssen Städte, urbane Strukturen und Systeme per se resilient geplant, konstruiert und betrieben werden – der Fokus sollte auf Prävention und nicht auf Schadensbehebung bzw. Nachsorge liegen. Wenn wir genau wüssten, wann, wo und wie sich Katastrophen in der Zukunft ereignen würden, könnten Systeme so entwickelt und geplant werden, dass sie Störungen wiederstehen. Katastrophen- und Risikomanagement zeichnet sich jedoch durch Unsicherheiten und Ungewissheiten aus, entsprechend müssen Städte so entworfen werden, dass sie mit Eventualitäten effektiv umgehen können. Städte sind komplexe und dynamische Systeme, in denen technologische und soziale Komponenten interagieren, wodurch die Schwierigkeiten in der Planung weiter erhöht werden. Die Planung einer resilienten Stadt erfordert dichotome Konzepte, die in sich greifen: Zwischen Redundanz und Effizienz, Diversität und Interdependenz, Stabilität und Flexibilität, Autonomie und Zusammenhalt, Kontrolle und Unvorhersehbarkeit.

Weiterführende Literatur Figueiredo, L.; Honiden, T.; Schumann, A. (2018): “Indicators for Resilient Cities”, OECD Regional Development Working Papers, 2018/02, OECD Publishing, Paris.

Institutionelle Trends mit dem Thema urbane Resilienz •• Das United Nations Development Programm (UNDP) veröffentlichte 2012 das Community-Based Resilience Analysis tool, mit dem Ziel, die Schlüsselkomponenten der Community Resilience zu messen und zu identifizieren sowie verschiedene humanitäre Maßnahmen zur Umsetzung dieser Merkmale zu bewerten. •• Die Kampagne der United Nations for Disaster Risk Reduction (UNISDR) Making Cities Resilient (seit 2010) unterstützt eine nachhaltige Stadtentwicklung, indem sie Maßnahmen zur Resilienz fördert sowie das Verständnis für Katastrophenrisiken vor Ort verbessert. •• Die Weltbank hat 2013 das Resilient Cities Programm ins Leben gerufen, eine mehrjährige Initiative, mit deren Hilfe Städte urbane Resilienz stärken können, die mit dem Klimawandel, Naturkatastrophen und anderen systemischen Störungen zusammenhängen. Im Jahr 2016 veröffentlichte die Weltbank in Zusammenarbeit mit Global Facility for Disaster Reduction and Recovery den Bericht Investing in Urban Resilience: Protecting and Promoting Development in a Changing World. •• Der City Resilience Index der Rockefeller Stiftung (2016) enthält Grundsätze, Indikatoren und Praktiken zur Bewertung und Förderung von Resilienz. Dabei wird die Bedeutung eines umfassenden und ganzheitlichen Rahmens zur Verbesserung der Funktion von Städten hervorgehoben. •• Das 100 Resilient Cities Programm wurde 2013 von der Rockefeller Stiftung mit Unterstützung eines breiten Netzwerks globaler Partner ins Leben gerufen. Das Programm unterstützt die Entwicklung neuer Resilienzstrategien und unterstützt die Einstellung eines Chief Resilience Officer für jede teilnehmende Stadt. •• ICLEI – Local Governments for Sustainability verfügt über ein übergreifendes Programm für Resilienz in Städten, Resilient Cities, das sich mit Fragen der Abschwächung und Anpassung an den Klimawandel, der Minderung von Katastrophenrisiken und der Lebensmittelsicherheit befasst. Das Programm bietet eine Reihe von Konferenzen, Seminaren, Netzwerken, Tools und Leitfäden an, um sowohl zu informieren als auch direkt von Führungskräften über Bemühungen zur Stärkung der Resilienz auf allen Regierungsebenen zu lernen. •• Die Europäische Kommission hat im Jahr 2016 das Projekt RESCCUE – RESilience to cope with Climate Change in Urban arEas – ins Leben gerufen, mit dem der Klimawandel im städtischen Bereich bewältigt werden soll: ein multisektoraler Ansatz, der sich auf Wasser konzentriert. Es zielt darauf ab, Städte auf der ganzen Welt dabei zu unterstützen, physischen, sozialen und wirtschaftlichen Belastungen oder Schocks zu begegnen, und den Wassersektor als Einstiegspunkt in die städtischen Systeme heranzuziehen.

Holling, C. S. (1973): Resilience and stability of ecological systems. In: Annual Review of Ecology and Systematics. 4/1973. Vancouver: Institute of Resource Ecology, University of British Columbia. ICLEI – Local Governments for Sustainability (2018): ICLEI in the urban era. Bonn, Germany.

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Artikel

Stadt & Umwelt

Der Lebensraum des Menschen Eine ökologische Betrachtung der Stadt Aaron FördereR

Angewandte GEowissenschaften

„Hörst du die Sträucher rascheln Hörst du die Äste knacken wenn wir die Bäume fällen Platz für die Städte schaffen“

Mit dem Bau von Städten gestaltet der Mensch sein Habitat selber und passt seine Umwelt radikal an seine individuellen Bedürfnisse an. Dabei werden ganze Landschaften verändert, Nähr- und Gefahrenstoffe mobilisiert und umgewandelt, das Überleben anderer Spezies wird gesichert und das – Antilopen Gang: Beton Aussterben anderer Arten wird vorangetrieben. Dies macht Seitdem der Mensch wie wir ihn kennen vor ca. 300.000 den Homo sapiens zu einem mächtigen, global agierenden Jahren zum ersten Mal die Erde bevölkerte, ist er einen be- Spieler im Bereich der Ökosysteme. Und hier kommt das eindruckenden Wandel durchlaufen. Wie auch für andere relativ junge Forschungsfeld der urbanen Ökologie ins Spiel: Spezies änderten sich die Lebensumstände und -gewohn- Dieses erforscht die Organismen in urbanen Lebensräumen heiten des Homo sapiens im Laufe der Zeit. Doch die Ge- und wie sie miteinander und mit ihrer Umwelt interagieren schwindigkeit, mit der dieser Wandel voranschritt, ist, genau (vgl. Niemelä 1999: 119). wie dessen Ausmaße, gewaltig. Innerhalb kürzester Zeit verwandelte der Mensch das Antlitz der Erde. Er grub Tunnel, Städte sind mittlerweile der dominierende Lebensraum des leitete Wasser, bändigte Tiere, stellte Fahrzeuge her und Menschen. Ihr Wachstum scheint mit unserem schnellen riss Berge und Wälder nieder, um daraus Städte aufzubauen. technologischen Fortschritt zu korrelieren: Während 1950 Mittlerweile wird sogar vom Anthropozän gesprochen – das bereits 751 Millionen Menschen weltweit in Städten lebten, Erdzeitalter des Menschen. wohnen 2018 4,2 Milliarden Menschen im urbanen Raum – das entspricht 55% der Weltbevölkerung. Die Prognosen Bis Anfang dieses Jahrtausends wurden anthropogene (grie- für die Zukunft folgen diesem Trend: Bis 2050 soll der Anchisch: „vom Menschen gemachte“) Aktivitäten in der Er- teil der urbanen Bevölkerung auf 68% ansteigen (vgl. United forschung von Ökosystemen als störend empfunden. Wenn Nations 2018). Immer mehr Menschen ziehen in Städte, und es um die Erforschung von Lebewesen und deren Lebens- wie diese wachsen, so wächst auch der Einfluss, den sie auf räume ging, wurde von Ökologen zumeist der „natürliche ihre Umwelt haben. In kaum einem anderen Lebensraum hat Zustand“ gesucht, was Wissenschaftler des 19. Jahrhun- der Mensch seine Umwelt so radikal an sich angepasst wie in derts wie Charles Darwin an die abgelegensten Orte die- der Großstadt. Und diese Anpassung hat Erfolg, denn Städser Welt führte. te erfüllen viele menschliche Bedürfnisse sehr effektiv. Eine flächendeckende medizinische Versorgung führt zu höheren Doch der anthropogene Einfluss steigt mit dem Wachstum Überlebenschancen. Vielfältige Berufsfelder, eine hohe kulunserer Städte stetig an und es zeigt sich ein Paradigmen- turelle Diversität und leichte Kommunikation durch kurze wechsel in der Ökologie. Mittlerweile interessieren sich im- Wege machen den urbanen Lebensraum für viele Menschen mer mehr Forscher für unseren eigenen Lebensraum und attraktiv. Neben diesen Vorteilen ergeben sich allerdings wie dieser mit seiner Umwelt interagiert (vgl. Collins et al. auch neue Herausforderungen: Durch die mit der Urba2000: 416). nisierung einhergehende Ballung von Industriestandorten 25

philou.


jedoch nur um 15%. Dies führte immer wieder zu Einschränkungen des individuellen Wassergebrauchs. 2018 erreichten die Speicher erneut kritische Werte, sodass vom Eintreffen des „Day Zero“, dem Tag, an dem der 4,3-Millionen-Stadt das Wasser ausgeht, gesprochen wurde. Das Desaster wurde nur abgewandt, indem die Bewohner selbst ihren Wasserverbrauch limitierten (vgl. Bohatch 2017).

werden Schadstoffe in Boden, Wasser und Luft freigesetzt, die dem Menschen und seiner Umwelt großen Schaden zufügen können. Die Flächenversiegelung durch Beton und andere Baustoffe verändert den Wasserkreislauf und steigert die Temperaturen in Städten in erheblichem Ausmaß (vgl. Murakami et al. 2000; Umweltbundesamt 2013). Die Zufuhr von Energie und Nährstoffen aus entfernten Gebieten wird notwendig. In Zeiten der Globalisierung hat dies Auswirkungen auf weit entfernte Ökosysteme. Menschliche Ballungsgebiete stören natürliche Abläufe massiv – es wird sogar vermutet, dass natürliche Niederschlagszyklen durch unsere Aktivitäten geändert werden (vgl. Cerveny/Balling 1998: 562). Diese Eingriffe in unser Umfeld bleiben nicht folgenlos. In 2013 führte ein Starkregenereignis in Uttarakhand (Indien) zu Überflutungen und Landrutschungen, die zu mindestens 5700 Toten führte. Für die katastrophalen Ausmaße der Flut waren vor allem menschliche Strukturen verantwortlich. Durch jahrelange Waldrodung sowie den schlecht durchdachten Bau von Straßen, Hotelanlagen und Dämmen wurden die Fließwege von Flüssen und Niederschlägen verändert. Als dann am 16. Juni 2013 besonders viel Wasser auf die Erde traf, entfaltete es aufgrund neuer Abflusswege eine ungeahnte Zerstörungskraft (vgl. Shadbolt 2013). Es scheint, als wäre der technische Fortschritt hier auf Kosten langfristiger ökologischer Planung bevorzugt worden zu sein – mit verheerenden Folgen.

Aus einer größeren Perspektive sind dramatische ökologische Ereignisse nicht ungewöhnlich: Die Lebensbedingungen verändern sich und die davon betroffenen Lebewesen müssen sich anpassen. Die Urbanisierung ist im Vergleich mit anderen großen Ereignissen der Erdgeschichte gar nicht so signifikant – der Meteoriteneinschlag zum Ende der Kreidezeit oder das Massensterben zum Ende des Perms führten zu weitaus dramatischeren Veränderungen der Lebensräume als die Urbanisierung heute. Sie sticht jedoch gegenüber diesen anderen dramatischen Ereignissen der Erdgeschichte dadurch hervor, dass sie vom Menschen bewusst geschaffen wird – anders, als die Evolution oder ein großer Vulkanausbruch. Die Inanspruchnahme der Natur durch den Menschen scheint zudem in einem unnatürlich schnellen Tempo voranzuschreiten. Wirtschaftliches Wachstum steht an erster Stelle und die dramatischen Folgen, die damit einhergehen, werden häufig erst im Nachhinein beobachtet anstatt bereits vorher antizipiert zu werden.

Doch ist das Ökosystem der Stadt nun mal auf andere Systeme angewiesen, die Rohstoffe wie Wasser, Essen und Baumaterial liefern. Die Betrachtung des urbanen Lebensraumes aus diesem Standpunkt heraus zwingt uns somit, unsere Rolle zu hinterfragen. Sehen wir uns als Lebewesen, die in ihrem urbanen Lebensraum allen anderen Spezies überlegen sind? Oder verstehen wir uns als Bewohner eines urbanen Ökosystems, welches Teil eines großen Flickenteppichs voller miteinander interagierender Systeme ist? Hier zeigt sich einer der wertvollen Aspekte, den die Stadtökologie beleuchtet. Den Lebensraum des Menschen zu erforschen heißt, dessen Rolle in Bezug auf die Pflanzen und Tiere, mit denen er interagiert, zu erforschen. So entsteht die Notwendigkeit unser anthropozentrisches Denken zu verlassen und uns als Die südafrikanische Wasserkrise ist ein weiteres Beispiel integralen Teil unserer Umwelt zu sehen. Das bedeutet eidafür, dass das Tempo der Urbanisierung oftmals nicht im nerseits, unsere grundlegenden Bedürfnisse wie Nahrung, Einklang mit den natürlichen Systemen ist, auf die sich un- Schutz und soziale Interaktion zu verstehen. Wir passen sere Städte stützen. Seit 1995 ist die Zahl der Bewohner von die Städte kontinuierlich daran an, um diese Bedürfnisse Kapstadt um 79% gestiegen, die Wasserspeicherkapazitäten zu erfüllen. Deshalb müssen andererseits auch die Folgen 26


Stadt & Umwelt

verstanden werden, die daraus resultieren. Aus Ereignissen wie der Flut in Uttarakhand muss der Mensch lernen, die Zusammenhänge zwischen seinem Siedlungsbau und seiner Umwelt zu verstehen.

Bohatch, T. (2017): What’s causing Cape Town’s water crisis? In: GroundUp. Online verfügbar unter: https://www.groundup.org.za/article/ whats-causing-cape-towns-water-crisis/ [Zugriff: 05.12.2018].

Manche Entscheidungsträger in der Stadtentwicklung haben dies erkannt und ziehen aus neuen Erkenntnissen Konsequenzen. „Green Citiy“-Initiativen sind ein aktuelles Beispiel, wie der urbane Raum aus einer umweltbewussteren Perspektive gestaltet werden kann (vgl. Rosemont 2018). Neben innovativen Technologien wie neuen Baustoffen ist hier vor allem intelligente Planung gefordert. Das Städtewachstum muss in den nächsten Jahrzehnten auf intelligentere Planung setzen. Von Versorgung über Mobilität bis zu Grünflächen müssen integrative Konzepte erstellt werden. Das bedeutet, dass die Konsequenzen der Gestaltung unseres Lebensraumes sowohl lokal als auch (über-)regional in Betracht gezogen werden müssen. Durch Ansätze wie diese werden ökologische Probleme der Stadt bekämpft und so die Lebensqualität erheblich gesteigert – getrieben von einem Selbstverständnis des Menschen als Teil eines größeren, komplexen Systems. In Zeiten des globalen Wandels ist das sicherlich ein Konzept, dem mehr Beachtung gebührt.

Cerveny, R. S.; Balling, R. C. (1998): Weekly cycles of air pollutants, precipitation and tropical cyclones in the coastal NW Atlantic region. In: Nature. 394. Jg. 1998/6700. S. 561–563. Collins, J. P. et al. (2000): A New Urban Ecology. In: American Scientist 5. Jg. 2000/88. S. 416ff. Murakami, S. et al. (2000): Development of software platform for total analysis of urban heat island. In: 14th JSCFD Symposium, D08–3, (in Japanese with English abstract). Niemelä, J. (1999): Ecology and Urban Planning. In: Biodiversity and Conservation. 8.Jg. 1999. S. 119–131. Rosemont, S. (2018): Earth Day 2020 Cities. In: Earth Day. Online verfügbar unter: https://www. earthday.org/campaigns/green-cities/earth-day2020-cities/ [Zugriff: 20.11.2018]. Shadbolt, P. (2013): Indian floods a man-made disaster, say environmentalists. In: CNN, 25.06.2013. Online verfügbar unter: https:// edition.cnn.com/2013/06/25/world/asia/india-floods-development/index.html [Zugriff: 05.12.2018]. Umweltbundesamt (2013): Flächenversiegelung. In: Umweltbundesamt, 08.10.2013. Online verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/ daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/boden/bodenversiegelung [Zugriff: 10.11.2018]. Umweltbundesamt (2018): Feinstaub-Belastung. In: Umweltbundesamt, 12.09.2018. Online verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/ daten/luft/feinstaub-belastung#textpart-1 [Zugriff: 10.11.2018]. United Nations (2018): Revision of world urbanization prospects. In: UN, 16.05.2018. Online verfügbar unter: https://www.un.org/development/desa/ en/news/population/2018-revision-of-world-urbanization-prospects.html [Zugriff: 01.11.2018].

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Artikel

Viel Lärm um nichts? Merle Riedemann Medizin

Ob Hauptstraße, feiernde Nachbarn oder kläffende Hunde – mit der Großstadt kommt der Krach, aber ist dieser nur lästig oder tatsächlich eine gesundheitsgefährdende „Geräusch-Verschmutzung“? Mit dieser Frage beschäftigte sich auch die World Health Organisation im Jahr 2011 (WHO 2011). Sie wollte herausfinden, wie viele gesunde Lebensjahre in Europa durch Lärm „verloren gehen“ und erörterte in einer Übersichtsarbeit unter anderem die Auswirkungen, welche Lärm auf das Herzkreislauf-System sowie die kognitive Leistungsfähigkeit von Kindern hat.

Herzkreislauf-Erkrankungen

Die WHO gibt die Anzahl der verlorenen Lebensjahre in DALY (Disability Adjusted Live Years) an. Der Wert setzt sich sowohl aus den Lebensjahren zusammen, die durch frühzeitigen Tod verloren gehen, als auch aus den Jahren mit eingeschränkter Lebensqualität auf Grund von Krankheit. Unterschiedlichen Krankheiten werden dabei in Abhängigkeit ihrer Schwere ein „disability weight“ beigemessen, welches durch das Global Burden of Disease Project (GBD) festgelegt wird. Als Maßstab für die „maximale Lebenserwartung“ gilt dabei die durchschnittliche Lebenserwartung der Bürger Japans (vgl. WHO 2018).

(dB), in etwa die Lautstärke einer Hupe, ausgesetzt wurden, einen deutlichen Anstieg des Blutdrucks messen. In Abhängigkeit des Narkosemittels kam es initial sogar fast zu einer Verdopplung des Ausgangwertes.

Aus medizinischer Perspektive ist ein hoher Geräuschpegel Selbstverständlich lassen sich derartig künstliche Umstänein „nicht-spezifischer Stressor“ (vgl. WHO 2011), also ein de nicht eins zu eins auf die tatsächliche Lebensrealität von Reiz, der das vegetative Nervensystem und das hormonelle Menschen übertragen, doch auch im echten Leben lassen System, welche die Funktionen des Körpers kontrollieren, sich Auswirkungen von Lärm, etwa durch einen Flughafen, aktiviert und in Alarmbereitschaft versetzt (vgl. Maschke bemerken. Beispielsweise wurde im Rahmen einer Studie et al. 2000). Dies äußert sich durch einen schnelleren Puls aus dem Jahre 2002 untersucht, wie sich der Blutdruck der und einen höheren Blutdruck – eigentlich völlig gesunde Anwohner nahe des Flughafens Schiphol in Amsterdam zu Reaktionen auf Stress. Geschieht dies jedoch immer wieder, dem Blutdruck von Einwohnern in weniger lauten Regionen kann es zu einer Dysregulation der normalen Körperfunk- verhält (vgl. Franssen et al. 2002). Dabei wurde festgestellt, tionen kommen, was unter anderem mit Herz- und Gefä- dass die Anwohner rund um den Flughafen, welche dauerßerkrankungen in Zusammenhang steht (vgl. Sabbah et al. haft einem Geräuschpegel über 55dB (etwa Zimmerlautstär2008). Die kurzfristigen Auswirkungen von Lärm auf das ke) ausgesetzt waren, pro 5dB über 55dB, ein 26% höheres Herzkreislaufsystem ließen sich, wenn auch in einem etwas Risiko hatten, an Bluthochdruck zu erkranken. befremdlich anmutenden Versuch, schon vor 30 Jahren im Labor nachweisen (vgl. Flynn et al. 1988). So konnte man Auch die WHO kommt in ihrem Report (2011) unter Bebei narkotisierten Meerschweinchen, welche fünf Minuten rücksichtigung zahlreicher Untersuchungen zu dem Schluss, lang über Kopfhörer einem Geräuschpegel von 115 Dezibel dass etwa 1,8% der DALYs in der EU, welche durch Her28


Stadt & Umwelt

zerkrankungen entstehen, auf die Auswirkungen von Lärm zurückzuführen sind. (3,4 Mio. DALYs insgesamt durch Herzerkrankungen auf 4,1 Mio. Einwohner in High Income Ländern der EU)

Kognitive Beeinträchtigung bei Kindern Ob Musik hören beim Lernen hilft oder stört, darüber scheiden sich die Geister. Gut erforscht ist jedoch, welchen Effekt Lärm auf die Leistungsfähigkeit von Kindern hat – von der WHO definiert als: „Reduktion der kognitiven Leistungsfähigkeit von Schulkindern, welche während der Exposition von Lärm auftritt und für einige Zeit nach Beendigung der Exposition anhält.“  (WHO 2011)

Um die Effekte von Lärm in einem möglichst natürlichen Setting zu beobachten, führte ein internationales Team von Psychologen 1992 ein Feldexperiment am damals neu eröffneten Flughafen in München durch. Sie untersuchten in mehreren Studien, welche Einschränkungen die Kinder im Einzugsgebiet des alten Flughafens hatten, wie sich diese nach dessen Schließung verhielten und wie sich die Leistungsfähigkeit der Kinder entwickelte, welche in der Nähe des neu in Betrieb genommenen Flughafens wohnten. Es

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zeigte sich, dass in beiden Fällen ein hoher Lärmpegel zu der gleichen Einschränkung des Langzeitgedächtnisses und des Leseverständnisses führte, der Effekt aber reversibel war und bei den Kindern um den alten Flughafen zwei Jahre nach Wegfall des Lärms nicht mehr auftrat (vgl. Evans et al. 1995–2002). Dass es durchaus einen Unterschied zwischen Fluglärm und Straßenlärm geben könnte, zu diesem Schluss kam die großangelegte RANCH-Studie (Road traffic and Aircraft Noise exposure and Childrens cognition and Health) von 2005, an der über 2.800 Kinder aus drei Ländern teilnahmen (vgl. Stansfeld et al. 2005/2010). Sie bezog unter anderem die sozioökonomische Situation, Ausbildung und Herkunft der Eltern mit ein, um zu verhindern, dass es zu einer Verzerrung der Ergebnisse kommt, etwa weil sozial schwächere Menschen eher in der Nähe von Flughäfen wohnen. So schien es einen linearen Zusammenhang zwischen der Exposition zu Flugzeuglärm und Defiziten im Leseverständnis und dem Langzeitgedächtnis zu geben, in Zusammenhang mit Straßenlärm ließ sich dieser Effekt aber nicht feststellen. Tatsächlich zeigte sich das episodische Gedächtnis bei Kindern, welche in viel befahrenen Gegenden wohnten, sogar

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Leiseste Großstädte Zürich CH Wien AT

0,02 0,07

Lauteste Großstädte

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Guangzhou CN

10,59

Delhi IN

Oslo NO

0,23

11,94

Kairo EG

München DE

0,24

12,02

Mumbai IN

Stockholm SE

0,26

11,86

Istanbul TR

12,56

Peking CN

Düsseldorf DE Hamburg DE Portland US

0,30 0,37 0,41

11,46

Barcelona ES

11,81

Mexiko-Stadt MX

Köln DE

0,42

12,01

Paris FR

Amsterdam NL

0,43

12,59

Buenos Aires AR

Die 10 leisesten/lautesten Großstädte im Mimi Hör-Index.

1,82

19,34

1,70

18,03

1,67 1,57

18,58 18,33 16,18

1,41

16,01

1,36

16,19

1,32 1,31

15,26

1,30

16,54

GESAMT-HÖRVERLUST (Index-Wert) 10

Daten: mimi.io Hör-Index 2017, via Statista.

17,43

1,72

HÖRVERLUST IN JAHREN

20

Das zusätzliche, durchschnittliche Höralter, welches ein Bewohner einer der jeweiligen Großstädte im Vergleich zu seinem tatsächlichen Alter aufweist.

als besser ausgeprägt, als das der Kontrollgruppe. Die Wissenschaftler der RANCH Studie vermuteten daher, dass Flugzeuglärm durch seine Unvorhersehbarkeit und höhere Lautstärke einen negativeren Effekt auf die Leistungsfähigkeit habe, als konstanter Straßenlärm.

Bundesgerichtshof (2018): Trompetenspiel in einem Reihenhaus. Mitteilung der Pressestelle. Nr. 171/2018. Online verfügbar unter: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&pm_nummer=0171/18 [Zugriff: 16.12.2018].

Unter Bezugnahme auf weitere Studien errechnete die WHO 2011 mit den Daten Schwedens als Beispiel für ein wohlhabendes europäisches Land, dass etwa 107 DALYs pro 1 Million Einwohner durch kognitive Einschränkungen bedingt durch Lärmbelästigung verloren gehen.

Evans, G. W. et al. (1998): Chronic noise exposure and physiological response: a prospective study of children living under environmental stress. In: Psychological Science. 9. Jg. 1998/1. S. 75–77.

Störend ist immer der Lärm, den man nicht selbst verursacht und mitten in der Stadt gibt es unter Umständen mehr davon, als erträglich ist. Solange man jedoch nicht in der Einflugschneise eines Flughafens lebt oder einen hauptberuflichen Trompeter zum Nachbarn hat (vgl. Pressemitteilung Bundesgerichtshof Nr. 171/2018), halten sich die gesundheitlichen Einschränkungen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit von Hirn und Herz in Grenzen. Wird man durch anhaltenden Lärm merkbar am konzentrierten Arbeiten oder im Schlaf gestört, Schnarchen kann durchaus eine Lautstärke von 60dB erreichen (vgl. Lee et al. 2016), sollte man über die Verwendung von Ohrstöpseln oder gegebenenfalls einen Umzug nachdenken.

Flynn, A. J. et al. (1988): Blood pressure in resting, anesthetized and noise-exposed guinea pigs. In: Hearing Research. 34. Jg. 1988/2. S. 201–206.

Evans, G. W. et al. (1995): Chronic noise and psychological stress. In: Psychological Science. 6. Jg. 1995/6. S.333–338.

Evans, G. W. et al. (2002): A prospective study of some effects of aircraft noise on cognitive performance in school children. In: Psychological Science. 13. Jg. 2002/5. S 469–474.

Franssen, E. A. et al. (2002): Assessing health consequences in an environmental impact assessment. The case of Amsterdam Airport Schiphol. In: Environmental Impact Assessment Review. 22. Jg. 2002/6. S. 633–653. Lee, G. S. et al. (2016): The Frequency and Energy of Snoring Sounds Are Associated with Common Carotid Artery Intima-Media Thickness in Obstructive Sleep Apnea Patients. In: Scientific Reports. 6. Jg. 2016/30559. Maschke, C. et al. (2000): The influence of stressors on biochemical reactions – a review of present scientific findings with noise. In: International Journal of Hygiene and Environmental Health. 203. Jg. 2000/1. S. 45–53. Sabbah, W. et al. (2008): Effects of allostatic load on the social gradient in ischaemic heart disease and periodontal disease: evidence from the Third National Health and Nutrition Examination Survey. In: Journal of Epidemiology and Community Health. 62. Jg. 2008/5. S.415–420. Stansfeld, S. A. et al. (2005): Aircraft and road traffic noise and children’s cognition and health: a cross-sectional study. In: Lancet. 365. Jg. 2005/9475. S. 1942–1949. Stansfeld, S. A. et al. (2010): The effects of road traffic and aircraft noise exposure on children´s episodic memory: the RANCH project. In: Noise and Health. 49. Jg. 2010/12. S. 244–254. WHO (2011): Burden of Disease from Environmental Noise. Quantification of Healthy Life Years Lost in Europe. Geneva. WHO (2018): About the Global Burden of Disease (GBD) project. Online verfügbar unter: http://www.who.int/healthinfo/global_burden_disease/about/en/ [Zugriff: 01.12.2018].

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Artikel

Stadt & Umwelt

Copenhagenize Das Fahrrad als Verkehrsmittel der Zukunft? Anonym

Mobilität ist ein zentrales und relevantes Thema im Diskurs um nachhaltige Stadtgestaltung. Neben den Aspekten wie Nutzerfreundlichkeit, Digitalisierung und städtebaulicher Umsetzung haben verschiedene Mobilitätskonzepte auch entsprechend Einfluss auf die Umwelt. Der Ausbau von Straßen und die Flächeninanspruchnahme durch die Ausgestaltung weiterer Parkflächen erhöhen das Verkehrsaufkommen proportional. Damit sind wiederum entsprechend hohe Feinstaub- und Lärmbelastungen verbunden, die das Leben in der Stadt enorm beeinträchtigen. Doch kann ein Verzicht einer privilegierten – automobilen – Verkehrsauswahl Fußgänger, Radfahrer sowie den öffentlichen Nahverkehr tatsächlich begünstigen? Kopenhagen, Utrecht, Amsterdam – laut dem Copenhagenize Index 2017 sind das die drei fahrradfreundlichsten Städte weltweit (vgl. Copenhagenize Design Company 2017). Hier teilen sich sowohl Autos als auch Fahrradfahrer gleichwohl den Platz auf kommunalen Straßen und Fahrradfahrer sind sicher vor zu schnell fahrenden oder zu hastig abbiegenden PKWs. Diese werden wiederum im fließenden Verkehr nicht aufgehalten und können auf ihrer Spur im vorgegeben Tempo fahren. Eine solch ausgeglichene Verkehrssituation ist kaum vorstellbar auf deutschen Straßen. In vielen deutschen Städten dominieren innerorts PKWs auf der Straße, Fahrradfahrer werden als der Feind des fließenden Verkehrs deklariert. Doch wieso ist das so? Warum ist, statistisch gesehen, das Fahrrad kein sicheres Verkehrsmittel? Im 21. Jahrhundert, einem Jahrhundert der (verstärkt) voranschreitenden Urbanisierung, in dem immer mehr Menschen in die Stadt ziehen, scheinen die Antworten auf diese Fragen längst überfällig. In Kopenhagen gibt es für den beispiellosen Wandel der Infrastruktur in und um die Innenstadt herum sogar einen Namen: Copenhagenize it! Wer schon einmal in Kopenhagen oder einer beliebigen Stadt in den Niederlanden gewesen ist, dem fiel sofort eins auf: Fahrräder sind überall. Wenn man genauer hinschaut, oder sogar selbst in den Fluss des 31

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LONDON

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MOTORISIERTER INDIVIDUALVERKEHR

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PARIS

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MÜ N C H E N

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K OP ENHA GE N

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ÖFFENTLICHER VERKEHR FAHRRADVERKEHR FUßGÄNGERVERKEHR SONSTIGES

L OS A NG ELE S

S IN GA P UR

J O H A N N E SB U R G

Mobilität in Städten. Anteile zurückgelegter Wege nach Fortbewegungsmittel in Großstädten in Prozent (Modal Split). Eigene Darstellung. Daten: [alle außer Paris] Wulfhorst, G., Priester, R. und Miramontes, M. (2013): What Cities Want, MAN SE (Auftraggeber und Herausgeber). [Paris] Observatoire de la mobilité en Île-de-France (2012): Enquête Globale Transport (EGT).

Fahrradverkehrs kommt, wird schnell klar, warum sich hier senter auf den Straßen wurden, die auch von Fußgängern, so viele Menschen auf zwei Rädern fortbewegen: es ist die Kutschen und spielenden Kindern genutzt wurden, wurde Infrastruktur. Allein in Kopenhagen, einer Stadt mit rund beschlossen, für alle jeweils getrennte Bereiche einzurich793.500 Einwohnern, ergibt die Strecke aller Fahrradwege ten. So wäre es zeitgemäß, diesen Beschluss auf die heutige 454 km, die allesamt beschildert und mit speziellen Ampeln Zeit bezüglich der Sicherheit vieler Radfahrer anzuwenden. ausgestattet sind. Diese systematische Infrastruktur erlaubt es Fahrradfahrern, sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h durch die Stadt zu bewegen. Aufgrund dessen Auto vs. Fahrrad – Platz vs. Sicherheit wählen lediglich 9% aller Einwohner ihren PKW, um in die Stadt zu fahren. 62% tun dies lieber auf ihrem Fahrrad (vgl. Auch der so drastisch ansteigende Platzmangel in zahlreiCycling Embassy of Denmark 2015). Verglichen mit Mün- chen Innenstädten bewirkt das Umdenken vieler Städteplachen, einer Stadt mit 1,4 Mio. Einwohnern, liegt die Länge ner. In Deutschland sind etwa 45,5 Mio. PKW zugelassen aller Radwege zwar bei ca. 1.200 km, davon sind jedoch nur (vgl. Destatis 2018). Rund die Hälfte aller Autofahrten wird 350 km beschildert. Auf ihrer Webseite gibt die Stadt Mün- von nur einer Person pro PKW angetreten (vgl. BMVI 2018). chen an, dass ca. 20% der sich fortbewegenden Menschen Dieselbe Anzahl an Alleinreisenden würde auf einem Fahrauf ihr Fahrrad zurückgreifen, so viel wie in keiner anderen rad also eine sehr viel kleinere Fläche in Anspruch nehmen. deutschen Stadt. In den kommenden Jahren soll München Das Umsatteln aufs Fahrrad würde jedoch nicht nur auf Strazur Vorzeigestadt für eine fahrradfreundliche Infrastruktur ßen zu mehr Platz führen – auch müssten in Zukunft weniwerden. Schon jetzt gibt es hier die meisten 30er-Zonen. ger Parkplätze für PKW errichtet werden – ein Paradigma, Zudem sollen 14 Schnellstraßen mit intelligenten Ampeln das bereits 1939 gesetzlich festgelegt wurde. Die damalige gebaut werden (vgl. Copenhagenize Index 2017). Auch der Reichsgaragenverordnung sicherte nach dem Auto-Boom, Copenhagenize Index, der Städte weltweit nach ihrer Fahr- ausgelöst durch Volkswagen, jeder neu erbauten Wohneinradfreundlichkeit bewertet, sieht in München großes Poten- heit einen PKW-Stellplatz zu. Eine ähnliche Verordnung tial und platziert sie als zweitbeste deutsche Stadt auf Rang für Fahrradstellplätze wurde erstmals 1993 festgelegt. Viele Städte versuchen durch Zuschüsse bei neu geplanten Büro15 (hinter Berlin auf Rang 10). gebäuden dem Parkplatzausbau entgegenzusteuern. So hat Der Infrastrukturwandel in vielen Innenstädten dieser Welt die Stadt Dortmund ein Konzept ins Leben gerufen, bei wird zu einem großen Teil durch mangelnde Sicherheit für dem die Stadt die Kosten für teure Stellplätze bezuschusst, Radfahrer angetrieben. Als Autos vor 100 Jahren immer prä- wenn auf gleichem Gelände eine Mindestanzahl an siche32


Stadt & Umwelt

ren Fahrradstellplätzen errichtet wird. Auch werden diese Zuschüsse verteilt, wenn der Arbeitgeber kostengünstige Jobtickets für den ÖPNV an seine Arbeitnehmer garantiert. Ein größer aufgestelltes Carsharing-Angebot könnte dem Platzmangel ebenfalls entgegenwirken. Laut Angaben der Stadt Aachen könnte ein Carsharing-PKW durchschnittlich sieben private PKW ersetzen, die sonst rund 23 Stunden am Tag im Parkmodus stehen (vgl. Brockmeier et al. 2014). Neuer Raum, der für neue Wohneinheiten, Kindergärten, Parks, usw. genutzt werden könnte.

BMVI (2018): Mobilität in Deutschland 2017. Tabellarische Grundauswertung Deutschland. Bonn.

In Zeiten der Urbanisierung spielt vor allem Platz für die stetig wachsende Bevölkerung eine große Rolle. Dieser kann nur gewährt werden, wenn durch Sharing-Angebote und intelligente Systeme für diese moderne Art unserer Alltagsgestaltung gemeinschaftliche Flächen effizient genutzt werden. Diese können gleichzeitig zu mehr Sicherheit im Verkehr führen und uns dazu anhalten, auf umweltfreundlichere, weniger lärmintensive und platzsparende Alternativen umzusteigen.

Danmarks Statistik (2018): Injured and killed in road traffic accidents 2017. Online verfügbar unter: https://www.dst.dk/en/Statistik/emner/ levevilkaar/trafikulykker/faerdselsuheld [Zugriff: 23.12.2018].

Brockmeier, F. et al. (2014): Urbane Mobilität im Umbruch? Verkehrliche und ökonomische Bedeutung des Free-Floating-Carsharing. In: Internationales Verkehrswesen. 66. Jg. 2014/3. Copenhagenize Design Company (2017): The Copenhagenize Bicycle Friendly Cities Index 2017. Online verfügbar unter: http://copenhagenizeindex.eu [Zugriff: 18.11.2018]. Cycling Embassy of Denmark (2015): Bicycle Statistics from Denmark.

Statistisches Bundesamt (Destatis) (2018): Unfallentwicklung auf deutschen Straßen 2017. Statistisches Bundesamt (Hg.). Wiesbaden.

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Originalfoto: Yiran Ding via unsplash

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Stadt & Gesellschaft

Megacity

Städte sind Orte, an denen zusammenkommt, was nicht zusammengehört.

Stadt mit mehr als 10 Millionen Einwohnern. Weitergeht der unscharf definierte Begriff „Gigacity“. Er beschreibt zum Beispiel die geplante Verbindung der Megacities Peking, Tianjin und Hebel zu einer Metropole mit 130 Millionen Einwohnern und einer Fläche doppelt so groß wie Bayern.

– Armin Nassehi *1960 (Soziologe, LMU München)

Urbanisierung Im Vergleich zur Verstädterung, die nur demografische und siedlungsstrukturelle Aspekte beinhaltet, bezeichnet der Begriff der Urbanisierung zusätzlich aus sozioökonomischer und sozialpsychologischer Sicht die Ausbreitungs- und Diffusionsprozesse städtischer Lebensformen, die sich z.B. in Haushaltsstrukturen, beruflicher Differenzierung, Konsummustern und Wertvorstellungen der Einwohner in Städten ausdrücken.

Räumliche Trennung der Wohngebiete von sozialen (Teil-)Gruppen in einer Stadt oder Region. Der Grad der Segregation ist umso höher, je stärker die räumliche Verteilung der Wohnstandorte einer Gruppe von der Verteilung der Gesamtbevölkerung abweicht. Das Ghetto stellt eine extreme Form der Segregation dar.

Metropole

Glokalisierung

Eine Metropole ist historischer, kultureller, politischer, sozialer und wirtschaftlicher Mittelpunkt einer Region, der sogenannten Metropolregion. Die Konzentration einzelner oder mehrerer genannter Faktoren bezeichnet man als Metropolisierung. Metropolen zeichnen sich auch immer durch verhältnismäßige Größe aus, die sich sowohl auf die Fläche als auch auf die Anzahl der Einwohner bezieht. Millionenstädte sind deshalb fast schon zwangsläufig auch Metropolen.

Ist ein Neologismus bzw. ein Kofferwort und wird aus den Begriffen Globalisierung und Lokalisierung gebildet. Der Begriff Globalisierung bezeichnet den Vorgang, dass internationale Verflechtungen in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens eine Rolle spielen. Die Lokalisierung bezeichnet das Anpassen an die lokalen Gegebenheiten eines Ortes. Beide Begriffe stehen dabei nicht im Gegensatz zu einander, sondern im Gleichgewicht.

Segregation

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Opener

Mit weichem Knüppel in die Mitmachfalle Wie politische Mediation bürgerliche Selbstorganisation imitiert Nils Honkomp & FréDéRic Falter

Politikwissenschaft, Gesellschaftswissenschaften

„Hatten Investoren und Eigentümer in früheren Jahren sehr schnell nach der Polizei gerufen, um ihre Interessen gegen widerständige Bürger durchzusetzen, haben sie mittlerweile gelernt, die Protestbewegungen mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen.” (Wagner 2013a: 54) So lautet die Analyse des Kultursoziologen Dr. Thomas Wagner, die er am 31.10.2018 im Kontext der Veranstaltungsreihe „Demokratie leben“ vom Resilienz Verein Aachen vorgetragen hat. Obwohl Wagner die Forderung nach Basisdemokratie frühzeitig als linke Forderung verstand, konstantiert er, dass vorgefertigte Partizipationsangebote und Konsultationsverfahren sukzessive zur Aushöhlung bürgerlicher Mitbestimmung führen. Unter den Stichworten „politische Mediation”, „strategische Dialoge“, „Akzeptanzbeschaffung“ und „kollaborative Demokratie“ versteht der Soziologe, den spezialisierten Einsatz von Dienstleistungsunternehmen um Bürger_innen in die Planungsprozesse von Großbauprojekten miteinzubeziehen und das Ergebnis in Richtung der Interessen von Wirtschaft und Politik zu beeinflussen. Bürger_innenbeteiligung würde damit Teil des Repertoires an Herrschaftsinstrumenten, die den Politiker_innen, neben dem Einsatz von Polizeikräften, zur Verfügung stehe. Im Vortrag schlussfolgert Wagner, dass politische Mediation damit auch als „weicher Knüppel“ der Staatsgewalt bezeichnet werden könne: Sein erstes zentrales Argument lautet daher, dass politische Mediation das Kriterium der Ergebnisoffenheit nicht erfülle. In erster Linie gehe es darum, Diskussionen zu „versachlichen“ und die Politisierung der Projekte im Vorfeld zu verhindern, indem die betroffenen Bürgerinnen und Bürger in vorstrukturierte Diskussionsangebote eingeladen werden. Im Sinne der Investoren sollen hier größere Proteste, also Verzögerungen und steigende Kosten, möglichst vermieden werden. Daher seien sie per se nicht ergebnisoffen und in die Landschaft der erwerbbaren Dienstleistungen einzuordnen. Sein zweites Argument bezieht sich auf die Verbindlichkeit der Ergebnisse des zu durchlaufenden Beteiligungsprozesses: Werden sie in den Entscheidungen von den gewählten Volksvertrer_innen berücksichtigt? Oder taktieren sie zusammen mit Unternehmer_innen, doch im geheimen Hinterzimmer? Rechtlich seien sie, nach Wagner, zumindest nicht bindend.

Dr. Thomas Wagner begreift sich selber als politisch links und war Autor für die anarchopazifistische Zeitschrift „Graswurzelrevolution“. Des Weiteren schrieb er als freier Autor für die deutsche und internationale Presse: unter anderem junge Welt, Die Zeit, Süddeutsche Zeitung, Neue Züricher Zeitung, der Freitag etc. Nach eigenen Angaben hat er auch Anfänge der Studentenbewegung in seinem eigenen Seminar an der RWTH Aachen beobachten können.

Belege dafür findet der Vortragende in der systematischen Auswertung von diversen Studien und Zeitungsartikeln. Zum Beispiel solle laut einer Studie des RWE-Konzerns Bürger_innenbeteiligung zum selbstverständlichen Teil von 36


Stadt & Gesellschaft

NIMBY

Großbauprojekten werden. Auch im Manager-Magazin werde in diesem Kontext empfohlen, den Dialog mit den Bürger_innen zu forcieren. Aus der Perspektive des Kultursoziologen werden hier ursprünglich linke Ansätze, Verfahren und Ideen von großen Unternehmen genutzt und sind folglich als Mittel zur Erreichung des zugrundeliegenden Zwecks, also der kostengünstigen Realisierung der Investitionsmittel, zu verstehen.

Häufiges, aber nicht alleiniges Argumentationsmuster in lokalen Entscheidungsprozessen: NIMBY. Das englischsprachige Akronym steht für Not In My Backyard („Nicht in meinem Hinterhof“). Es bezeichnet eine ethische und politische Position von Menschen, die sich gegen Entwicklungen richten, die ihre Nachbarschaft und damit ihre eigene Lebensqualität beeinträchtigen könnten. Meist wird eine generelle Zustimmung für politische Vorhaben unterstellt, solange diese nur weit genug weg von der eigenen Haustür realisiert werden. Der NIMBY-Ansatz wird besonders in Diskussionen um die Ansiedlung von marginalisierten und diskriminierten Gruppen (Obdachlose, Flüchtlinge usw.), aber auch um den Aufbau von Industrie-Standorten, Mülldeponien, Lagerung radioaktiven Abfalls, Mobilfunkmasten oder Stromtrassen etc. verfochten. Dabei kommen teilweise auch soziale oder ökologische Argumente zum Einsatz, die aber fadenscheinig sind, solange es nur um die Verlagerung eines Problems geht.

Als Gegenbeispiel für eine funktionierende politische Mediation gelte das umstrittene Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21. Im Verlauf des Projektes formierten sich Proteste, an denen sich zehntausende Menschen beteiligten. Im Zuge dessen kam es auch zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei sowie einer kontroversen, öffentlichen Debatte. Schon lange bevor der Moderator Heiner Geißler im Stuttgarter Rathaus mit dem Schlichtungsverfahren beginnen konnte, sei, nach Wagner, „das Kind schon in den Brunnen gefallen.“ In diesem Sinne hätte eine politische Mediation, die gelingen soll, schon im Vorfeld ansetzen müssen, um jene Menschen in die Verfahren miteinzubeziehen, die sich im Zuge der Proteste politisch selbst organisiert haben.

Wenn Wagner versucht, die Ungerechtigkeiten in Mitbestimmungs- und Partizipationsverfahren als Mitmachfalle zu demaskieren, analysiert er sehr präzise die einzelnen Missstände, die aus der Weiterentwicklung von Herrschaftstechniken des politischen Establishments resultieren. So genau er auch den Fokus darauflegen kann, was moralisch nicht wünschenswert ist, so schwer fällt es ihm, Alternativen aufzuzeigen: Wie soll die Partizipation in einer gut funktionierenden Demokratie aussehen? Wenn sie sich nicht – wie Ingolfur Blühdorn passend beschrieben hat – zur simulativen Demokratie entwickeln soll, müssen wir darüber sprechen, wie im Detail vernünftige politische Aushandlungsprozesse strukturiert werden können. Zum Beispiel beim Bau eines Flughafens, der Planung einer Stromtrasse oder der Errichtung eines Windparks. Wie finde ich die Balance zwischen einer der Allgemeinheit dienenden, rationalen Entscheidung und der angemessenen Berücksichtigung einzelner Menschen? Und vielleicht als letzte Frage: Wer wird überhaupt berücksichtigt? Wer ist betroffen von einer Entscheidung, wer nicht? Fest steht, dass diese Fragen kaum allgemeingültig beantwortet werden können. Sie müssen detailliert aus den un37

philou.


philou. im Gespräch

Von der Zähmung unzähmbarer Herdentiere Ob Bürgerbeteiligungsverfahren wirklich zur Mitmachfalle werden und was sie vielleicht doch für Chancen für alle Beteiligten bieten, haben wir für euch mit Dr. Oliver Märker (Foto) besprochen. Er ist Mitbegründer von Zebralog GmbH & Co. KG und leitet seit 2007 das Bonner Büro. Die Agentur bietet crossmediale Beteiligungsangebote – also die Verknüpfung von klassischen und elektronischen Beteiligungsinstrumenten – vor Ort und im Netz an. Kunden von Zebralog sind diverse Bundesministerien, Kommunen, Unternehmen und Vereine. Märker ist als Geograph Spezialist in verschiedenen Themenfeldern. Außerdem ist er reger Twitter-Nutzer und passionierter Mountainbikefahrer.

philou. Was ist „Zebralog“ und was hat das Ganze mit Zebras zu tun? Märker: Wir sind eine Agentur für verständigungsorientierte Kommunikation und Beteiligung. Seit 10 Jahren realisieren wir partizipative Dialogprozesse, etwa im Auftrag von Kommunen, Unternehmen oder Ministerien. Was das mit Zebras zu tun hat? Zebras sind soziale Herdentiere, sie sind aber auch eigenwillig, wild und nicht zähmbar.

Plan, dann kann die Beteiligung einfach umgesetzt werden, vor Ort, online oder crossmedial. Ein Beteiligungsverfahren läuft also nach einem verlässlichen Plan ab, mit einem klaren Startund Endzeitpunkt und es ist in Schritte untergliedert, manchmal auch mit längeren Beteiligungspausen, um Zwischenergebnisse für die weitere Planung nutzen zu können. Wichtig ist, dass sich alle darauf verlassen können, damit keine falschen Erwartungen geweckt, kommunizierte Spielräume der Einflussnahme aber auch eingelöst werden. p. Wie sehen die Möglichkeiten und Grenzen der Beteiligung konkret aus?

p. Wer ist die Zielgruppe Ihres Beteiligungsangebots? M.: Das hängt immer von der Zielsetzung des Beteiligungsverfahrens ab. Wenn wir ein Beteiligungsverfahren planen, fragen wir daher immer zuerst: Was ist die Zielsetzung? Welche Beteiligungsspielräume gibt es? Wer ist von dem Beteiligungsthema betroffen? Je nach Beteiligungsthema variieren daher die Zielgruppen stark. Mal können es bestimmte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Unternehmen sein, ein anderes Mal Bewohnerinnen und Bewohner eines Quartiers oder einer ganzen Region, oder auch Anwohner entlang einer in Planung befindlichen Straßenbahntrasse. p. Wie läuft ein Beteiligungsverfahren in der Regel ab? M.: Am Anfang steht immer die Konzeption der Beteiligung, in der zentrale Fragen nach den Zielsetzungen, Spielräumen oder Zielgruppen geklärt werden, ebenso Fragen, bis wann Beteiligungsergebnisse vorliegen sollen, in welcher Form sie dokumentiert und wie sie anschließend – vielleicht die zentralste Frage überhaupt – verwendet werden. Letztlich geht es um die Frage, wie ein fachlicher Planungsprozess zum dem beteiligt werden soll und Beteiligungsangebote sinnvoll miteinander verwoben werden. Dazu erstellen wir einen Verfahrensplan aus dem hervorgeht, in welchen Schritten zu welchen Themen und Fragestellungen welche Zielgruppen zu welchen Zeitpunkten mit welchen Formaten beteiligt werden. Hört sich kompliziert an, ist es aber nicht. Wichtig ist es aber, dass eine Beteiligung „von der Stange“ in der Regel nicht weiterhilft. Gibt es einen

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M.: Das ist die Kernfrage überhaupt, die es für jede Beteiligung zu klären gilt. Je nachdem wo eine Planung (zu der beteiligt werden soll) im Prozess steht, wird diese Frage anders zu beantworten sein. Steht die Planung noch am Anfang, sind Spielräume naturgemäß größer als am Ende, wenn beispielsweise nur noch wenige Alternativen einer schon konkretisierten Planung zur Diskussion stehen. Die Möglichkeiten und Grenzen müssen daher geklärt und ohne ehrlich kommuniziert werden. Gibt es keine Beteiligungsspielräume, dann darf auch keine Beteiligung angeboten werden. p. Welches ist das prominenteste Projekt, das Sie begleitet haben? M.: Welches das prominenteste ist, das müssen andere entscheiden. Aber ich habe ein Lieblingsprojekt: www.ludwigshafen-diskutiert.de, ein Informations-, Dialog- und Beteiligungsangebot, das die Stadt Ludwigshafen am Rhein mit unserer Unterstützung etabliert hat, in der sie seit vielen Jahren zu großen Stadtentwicklungsprozessen immer wieder auf die Öffentlichkeit zugeht und zu zentralen Fragestellungen Bürgerbeteiligungen durchführt. Dabei wird immer darauf geachtet, welche Beteiligungsspielräume es gibt und dies klar kommuniziert. In Ludwigshafen am Rhein hat sich daher eine vorbildliche Kommunikations- und Beteiligungskultur entwickelt, die aus meiner Sicht Vorbildcharakter hat.


Stadt & Gesellschaft p. Was sind die größten Herausforderungen, die sich bei solchen Projekten herauskristallisieren? M.: Die größte Herausforderung scheint mir die zu sein, dass Partizipationsprozesse von denjenigen, die sie anbieten, seien es Unternehmen, Kommunen, Landkreise, Landes- oder Bundesministerien, abverlangen, selbst partizipativer zu werden. Partizipationsprozesse sind so gesehen immer auch mit Veränderungsprozessen aufseiten der beteiligten Institutionen verbunden. p. Wie reagieren Sie, wenn die Wertevorstellungen der Teilnehmenden nicht mit Ihren vereinbar sind? M.: Das kommt sehr häufig vor. Wenn wir vor Ort oder online moderieren, dann tun wir das wertschätzend und offen: Wir geben Räume für viele Perspektiven und Wertesysteme, aber wir setzen gleichzeitig auch klare Spielregeln, um einen wertschätzenden und verständigungsorientierten Dialog zu ermöglichen. Ich würde das mal „souveräne Offenheit“ nennen. p. Auf ihrer Internetseite sprechen Sie im Hinblick auf ihre „12 Grundsätze für gute Partizipation“ von Entscheidungsspielräumen. Was meinen Sie konkret damit? Sind die getroffenen Entscheidungen rechtlich bindend? M.: Nein, rechtlich bindend sind Bürgerbeteiligungen nicht – das können und sollten sie auch nicht sein. Denn durch sie wird keine Entscheidungsmacht – im Unterschied zu Bürger- oder Volksentscheiden – an die Bürgerinnen und Bürger delegiert, nach dem Motto: „Entscheidet ihr jetzt doch mal!“. Stattdessen wird – wenn es gut läuft – der fachpolitische Abwägungsprozess zu komplexen Fragestellungen durch Bürgerbeteiligung unterstützt. Also zu komplexen Planungen, die nicht mit einem einfachen „Ich bin dafür“ oder „Ich bin dagegen“ abgehandelt werden können. Bürgerinnen und Bürger werden also konsultiert und am Ende entscheiden die, die durch Wahlen legitimiert wurden. Aber: Bürgerbeteiligung macht nur Sinn, wenn es fachliche und politische Entscheidungsspielräume gibt, also die Möglichkeit und den Willen, zuzuhören und sich durch Ergebnisse aus der Bürgerbeteiligung bereichern zu lassen. Alles andere wäre „Particitainment“ (so wie es Klaus Selle formulieren würde). p. Außerdem sprechen Sie davon „ePartizipationsDienstleister“ oder „Partizipationsallrounder“ zu sein. Sind Sie nicht vielmehr Akzeptanzbeschaffer für Politik und zahlende Unternehmen? M.: Wir würden immer dann in Gefahr laufen, zum Akzeptanzbeschaffer zu werden, wenn wir uns und unseren Kunden nicht immer wieder genau diese Frage stellen würden. Daher gehört vor die weiter oben angesprochene Verfahrensplanung die zentralste Frage überhaupt: Was wird mit der Beteiligung bezweckt? Hier einfach voran zu gehen, ohne diese Frage (an der noch viele weitere hängen) zu beantworten, wäre fahrlässig. Ebenso klären wir immer unsere Rolle: Denn zur Gestaltung eines Verfahrens gehört, dass wir auch eigenständig agieren können um unserer Verantwortung als Verfahrensgestalter und -unterstützer, Moderatoren und Berater gerecht zu werden.

terschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden und die verschiedenen Interessensgruppen müssen miteinander sprechen lernen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine in Auftrag gegebene Studie des Umweltbundesamtes mit dem Aufgabenschwerpunkt Konfliktdialog. Es gehe um das Verständnis des Konfliktes, so die Studie: die genaue Analyse der jeweilig unterschiedlichen Hintergründe. Sonst sei es kaum möglich ein passendes Format zur Konfliktminderung zu finden. Ein Bericht des Lehrstuhls für Methoden der empirischen Sozialforschung an der Universität Potsdam liefert sogar theoretische Ansätze zur Bewertung von abgeschlossenen Beteiligungsverfahren: den sogenannten Beteiligungs-Bias. Er widmet sich der Frage, inwieweit die Meinungen der Beteiligten an einem Bürger_innenbeteiligungsverfahren von den übrigen Meinungen der nicht teilnehmenden Bürger_innen auseinandergeht. Dieses Instrument entstammt dem aus der Survey-Forschung bekannten Konzept der Verzerrung (Bias). Darüber hinaus sei er auch als Auswahlkriterium für zu planende Verfahren anwendbar. Auch wenn es sich bei letzterem Beispiel nur um theoretische Ansätze handelt, zeigen sie doch die Aktualität und Relevanz des Themas für die Gesellschaft eindrucksvoll auf. Welche Verfahren werden zukünftig angewandt, damit wir in unserer Demokratie auch wirklich demokratisch entscheiden?

Weiterführende Literatur Blühdorn, I.: (2013): Simulative Demokratie. Neue Politik nach der Postdemokratischen Wende. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2014a): Bürgerbeteiligung bei umweltrelevanten Großprojekten. Der Beteiligungs-Bias als methodisches Instrument zur Bewertung von Beteiligungsverfahren, 20.11.2014. Online verfügbar unter: https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/ Pools/Forschungsdatenbank/fkz_um_13_12_934_umweltrelevante_grossvorhaben_bf.pdf [Zugriff: 05.01.2019]. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2014b): Neuartiger Öffentlichkeitsdialog in Verfahren mit Umweltprüfung am Beispiel bestimmter Vorhabentypen/ Vorhabeneigenschaften. Leitfäden für Behörden und rechtliche Verankerung, 18.03.2015. Online verfügbar unter: https://www. bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Forschungsdatenbank/ fkz_3712_13_101_umweltpruefung_schlussbericht_bf.pdf [Zugriff: 05.01.2019]. o.V. (2013): Ein Gespräch mit Ingolfur Blühdorn. Das etablierte Lamento trägt nicht zur Veränderung bei. In: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft. 2013/3. S. 131. RWE Aktiengesellschaft (2012): Akzeptanz für Großprojekte. Eine Standortbestimmung über Chancen und Grenzen der Bürgerbeteiligung in Deutschland. Essen. Wagner, T. (2013a): Die Mitmachfalle. Bürgerbeteiligung als Herrschaftsinstrument. Köln: PapyRossa Verlag.

p. Was möchten Sie jungen Menschen mit auf den Weg geben?

Wagner, T. (2013b): Bürgerprotest in der Mitmachfalle. Wie aus Partizipation eine Herrschaftsmethode gemacht wird. In: PROKLA, Zeitschrift für Kritische Sozialwissenschaft. 43. Jg. 2013/2. S.297–304.

M.: Überlasst den Vereinfachern und Empörten dieser Welt nicht die Bühne.

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Artikel

Immer diese Künstler ... Kritik eines eindimensionalen Gentrifizierungsbegriffes Moritz Hirmer

historische Urbanistik (Berlin)

Ob in medialen Berichterstattungen zu städtischem Wan- existieren in der Forschung zu Gentrifizierung zahlreiche del, als Thema kommunalpolitischer Veranstaltungen oder Definitionen, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte als Diskussionsgegenstand in der WG-Küche – der Begriff markieren. Hartmut Häußermann erläuterte in den 90er Gentrifizierung und der damit bezeichnete Trend hat in zahl- Jahren, dass wir von „Gentrification sprechen [...], wenn reichen Städten seinen Weg in die Lebenswelt vieler Men- in einem Stadtgebiet die Bewohner mit niedrigem Einschen geschlagen. So viele diesen Begriff zur Erklärung von kommen durch Bewohner mit höherem Einkommen und/ steigenden Mietpreisen und Veränderungen in Sozial- und oder anderen Konsumstilen ersetzt werden“ (Häußermann Baustruktur verwenden, so wenige treffen dabei den Kern 1990: 35) und versteht so Gentrifizierung als sozialökolodieses sozialräumlichen Prozesses. Gentrifizierung wird hier- gische Dominanzsituation zwischen Bevölkerungsgruppen. bei oftmals mit Yuppisierung und Subkulturalisierung von ehe- Überspitzt gesagt: Reiche verdrängen Arme aufgrund ihmals kiezigen Stadträumen assoziiert, in denen Pioniere und res ökonomischen Kapitals. Daran anschließende nachfraGentrifier die antreibenden Akteure sind. Dies impliziert eine georientierte Erklärungsansätze, die, wie in der Einleitung Konkurrenzsituation auf dem freien Markt, infolgedessen beschrieben, Gentrifizierung als Resultat von Konkurrenz beispielsweise Studierende (Pioniere) durch ihr kulturelles unter Gruppen mit unterschiedlichem ökonomischen, kulKapital oder alternative Wohnformen (Wohngemeinschaf- turellen und sozialen Kapital erklären, waren dabei treffend ten) Altmieter verdrängen, daraufhin einkommensstärkere und wichtig. Die Herausbildung als Forschungsgegenstand Haushalte anziehen (Gentrifier) und somit Viertel grund- in den 60er Jahren durch die britische Soziologin Ruth legend verändern. Jedoch ist diese idealtypische Darstellung Glass und die ersten wissenschaftlichen Arbeiten in den oftmals blind gegenüber strukturellen Bedingungen und ein- 70er Jahren gründeten sich explizit auf Beobachtungen, flussreichen Akteuren wie Eigentümerkonstellationen oder dass der innerstädtische Wohnraum massiv an Relevanz politischen Institutionen. Vielerorts sind es heute zusätzlich und Attraktivität gewonnen hat. Das Aufkommen neuer durchgeführte Aufwertungen, wie Luxussanierungen oder Lebensstile, Konsum- und Haushaltstypen und der Begezielte Investitionsstrategien zur Profitmaximierung, die deutungswandel von Gebäudetypen (Altbau/Neubau) hat ganz unterschiedliche Formen von Gentrifizierung implizie- sich in den 80er und 90er Jahren nochmals gesteigert. Die ren. Marktbedingte wie politische-administrative Entschei- ehemals von der Arbeiterklasse bewohnten innerstädtischen dungen, privatwirtschaftliche Akteure und globales Kapital Viertel wurden von der Mittelschicht (wieder-)entdeckt, die spielen demzufolge eine immense Rolle bei der Betrachtung zuvor maßgeblich in der Peripherie lebten (Suburbanisievon Gentrifizierung. Wie könnte also eine angemessene und rung). Die Funktion der Stadt veränderte sich im Kontext zeitgemäße Beschreibung des Begriffes lauten? des Strukturwandels, welcher sich durch eine Tertiärisierung (Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft) und allGentrifizierung soll in diesem Artikel als ein städtischer mählich flexibilisierten Formen der Arbeit, des Lebens und Umstrukturierungsprozess verstanden werden, welcher sich des Wohnens kennzeichnete. Diese neue Nachfrage, heutdurch Formen der Aufwertung (physisch-baulich, funktional, zutage in vielen Großstädten auf ihrem Höhepunkt, ist eine symbolisch) und Verdrängung kennzeichnet (vgl. u.a. Kra- konkrete Folge dieses fortlaufenden Bedeutungswandels jewski 2006; Holm 2011; Bouali/Gude 2014). Derweilen des Urbanen. 40


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Die Beschreibung von Gentrifizierung alleinig über eine veränderte Nachfrage und im Besonderen durch kulturelle Kapitale (Künstler, Studenten etc.), lässt jedoch außer Acht, dass die Stadt zunehmend global-ökonomisch durchdrungen ist. Ein immer stärker werdender, globalisierter Wirtschafts-, Finanz- und vor allem Wohnungsmarkt hat Städte weltweit in ihren Handlungsansätzen wie auch Eigentumsstrukturen transformiert. Die Kategorien Pioniere und Gentrifier spielen dabei kaum noch eine (aktive) Rolle (siehe Neubau-/Super-Gentrification; Symbolische Gentrification bei Holm 2011). Dennoch sind sie bis heute beliebte Erklärungsmuster in der öffentlichen Diskussion und werden vor allem von immobilienwirtschaftlichen Akteuren genutzt, da strukturelle und marktbedingte Kontexte ausgeblendet werden. Angebotsseitige Ansätze, die die ökonomisch-strukturellen Bedingungen in den Vordergrund ihrer Analyse stellen und somit die Bereitstellung eines speziellen Angebots fokussieren, sind demzufolge essentiell. Denn die Grundbausteine für Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse liegen heute in der Beschaffenheit von Wohnungsmärkten (z.B. de-/reguliert), spezifischen Inwertsetzungsstrategien von Eigentümergruppen (v.a. Investoren, Pensionskassen, Fonds) und generell Maßnahmen politischer Administrationen. Städte sind nicht mehr nur aus ihrem lokalen, regionalen oder nationalen Kontext heraus zu erklären. Vielmehr spielen globales Kapital und institutionelle Investoren eine verstärkte Rolle im städtischen Wandel, da Wohnungen als vergleichsweise sichere und dennoch gewinnversprechende Geldanlage gelten. Ein gegenwärtiges Beispiel in Deutschland ist das Wohnungsunternehmen Vonovia SE, welche ihren ursprünglichen Namen Deutsche Annington wohl nicht nur aus ästhetischen Gründen, sondern wegen ihres schlechten öffentlichen Rufs ablegte. Bei diesem und ähnlichen Unternehmen steht das Profitstreben im Vordergrund. Die 41

Problematik eines privatwirtschaftlich dominierten Wohnungssektors bedingt sich explizit durch die soziale Blindheit des Marktes: „Auf dem Markt zählen weder Bedürfnis noch Bedarf, sondern nur die kaufkräftige Nachfrage zahlungswilliger Konsumenten.” (Krätke 1995: 196 [hervorgehoben im Original]) Der Einfluss der bereits angesprochenen politisch-administrativen Akteure wird vor allem hinsichtlich steuerlicher Subventionen, Mietpreiseinflussnahme und Bestandsentwicklung sichtbar. Die Herausbildung der unternehmerischen Stadt, welche unter den Prämissen des neoliberalen Handels agiert und Städte in einen Wettbewerb um Investoren treten lässt, führte vielerorts zum Verlust kommunaler und städtischer Autonomie. Großflächige Privatisierungsmaßnahmen (besonders drastisch ist die En-bloc-Strategie, mit welcher u.a. in Berlin in der Vergangenheit mehrere Häuserblöcke als Paket verkauft wurden, vgl. hierzu Uffer 2014: 68) und die Beendigung des sozialen Wohnungsbauprogramms sind zwei entscheidende Entwicklungen gewesen. Teure Rekommunalisierungsprozesse und fehlende Steuerungsmöglichkeiten (z.B. Bestandsschutz) sind heutige Folgen dieser politischen Entscheidungen.

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Insbesondere gilt es, sich bewusst zu machen, dass Wohnungen in stark kapitalistisch formierten Gesellschaften als Kapitalanlage und Ware fungieren. Damit verknüpfte, folgenreiche immobilienwirtschaftliche Strategien zur Ertragssteigerung verdeutlichen diesen Umstand – Luxuswohnungen bringen mehr Ertrag als Sozialwohnungen. Durch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen werden dringend benötigte Mietwohnungen dem Markt entzogen. Auch das Zusammenlegen von einzelnen kleineren Wohnungen, um diese in einem höheren Preissegment anzusiedeln, gehört zu diesen Strategien. Luxussanierungen beeinflussen zudem nicht nur den Bestand, sondern auch die kleinräumliche Mietentwicklung, denn sie wirken auf den Mietspiegel. Dieser wiederum dient als Faktor bei der Rent-Gap, welche die „Ertragslücke zwischen der aktuellen und potentiell möglichen Nutzung“ (Holm 2014: 102f.) einer Wohnung darstellt, maßgeblich also das Potential zur Ertragssteigerung definiert. Wie zuvor geschildert, gibt es gegenwärtig verschiedene Hinweise darauf, Abstand zu nehmen von vereinfachten und idealtypischen Gentrifizierungserklärungen. Die Reduktion des Begriffes auf veränderte Lebensstile oder Wohnpräferenzen lässt oftmals die grundlegenden Strukturen des Wirtschaftssystems und Maßnahmen einzelner privatwirtschaftlicher und politischer Akteure aus dem Blickfeld verschwinden. Daher wundert es kaum, dass das framing von Gentrifizierung als natürlich-positiver Prozess vor allem von immobilienwirtschaftlichen wie neoliberalen Akteuren vorangetrieben wird. Doch betrachtet man die Strategien von immobilienwirtschaftlichen Akteuren zur Ertragssteigerung, analysiert politisch-administratives Vorgehen zur Strukturierung des urbanen Raumes und verfolgt das Einwirken globalen Kapitals auf heutige Städte, kommt man zu einer anderen Auffassung. Dennoch spielen weiterhin auch soziodemografische und kulturelle Aspekte eine immense Rolle. Gegenwärtige Gentrifizierungsforschung impliziert daher auch eine Verzahnung der vorgestellten theoretischen Stränge (nachfrage- und angebotsseitige Erklärungsansätze) und sichert eine zunehmend gesamtheitliche, mehrdimensionale Analyse. Das Einnehmen einer solchen Perspektive ist wesentlich, um die gegenwärtigen Auswirkungen auf die Stadt und ihre Bewohnerschaft in Form von Verdrängung, Verknappung von Wohnraum und fortschreitender Segregation gehaltvoll zu adressieren. 42

Bouali, K.; Gude, S. (2014): Gentrifizierung oder Wiederkehr der Wohnungsnot? Sozialstrukturelle Entwicklungstendenzen in Berliner Innenstadtwohngebieten. In: Holm, Andrej (Hg.) (2014): Reclaim Berlin. Soziale Kämpfe in der neoliberalen Stadt. Berlin/Hamburg: Assoziation A. S. 27–49. Häußermann, H. (1990): Der Einfluß von ökonomischen und sozialen Prozessen auf die Gentrification. In: Blasius, Jörg; Dangschat, Jens S. (Hg.): Gentrification. Die Aufwertung innenstadtnaher Wohnviertel. Frankfurt/New York: Campus Verlag. S. 35–50. Holm, A. (2011): Gentrification in Berlin: Neue Investitionsstrategien und lokale Konflikte. In: Herrmann H., Keller C., Neef R., Ruhne R. (Hg.): Die Besonderheit des Städtischen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 213–232. Holm, A. (2014): Gentrification. In: Belina, Bernd; Naumann, Matthias; Strüver, Anke (Hg.) (2014): Handbuch Kritische Stadtgeographie. Münster: Westfälisches Dampfboot. S. 102–107. Krajewski, C. (2006): Urbane Transformationsprozesse in zentrumsnahen Stadtquartieren: Gentrifizierung und innere Differenzierung am Beispiel der Spandauer Vorstadt und der Rosenthaler Vorstadt in Berlin. Münster: Institut für Geographie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Krätke, S. (1995): Stadt – Raum – Ökonomie: Einführung in aktuelle Problemfelder der Stadtökonomie und Wirtschaftsgeographie. Basel/ Boston/Berlin: Birkhäuser Verlag. Uffer, S. (2014): Wohnungsprivatisierung in Berlin – Eine Analyse verschiedener Investitionsstrategien und deren Konsequenzen für die Stadt und ihre Bewohner. In: Holm, Andrej (Hg.) (2014): Reclaim Berlin. Soziale Kämpfe in der neoliberalen Stadt. Berlin/Hamburg: Assoziation A. S. 64–82.


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Urbane Angsträume und rechte Diskurse Sonja Gaedicke Soziologie

„Wie eine Bausünde zur No-go-Area wurde“ (Schmidt bane nicht existiert. Bei dem Versuch, Urbanität auf einige 2018), „Ebertplatz wird zur No-go-Zone – und die Polizei Charakteristika herunter zu brechen, besteht die Gefahr des ist machtlos“ ( Jedicke 2017), „Ebertplatz – Eine No-go- Essentialismus sowie einer Simplifizierung der komplexen, Zone im Herzen von Köln?“ (afd-fraktion.nrw 2018). Eine heterogenen Mechanismen, die Urbanität(en) prägen.] (vgl. schnelle Google-Suche unter Verwendung der Suchbegriffe Siebel 2015). Auch sogenannte Dis-Order Phänomene, die ‚Ebertplatz Köln No-go-Area‘ zeigt, wie dieser urbane Raum in Angsträumen zutage treten, sind charakteristisch für urbaals No-go-Zone, teilweise auch als Angstraum bezeichnet wird. ne Räume: Hierzu zählen Verschmutzung, Verwahrlosung, Auffällig ist dabei, dass sich unter den ersten fünf angezeig- Betteln, Vandalismus, Drogen- und Alkoholkonsum (vgl. ten Suchtreffern ein Link zur AfD-Fraktion NRW befin- Wehrheim 2006; Stiegler 2017). All diese Merkmale sind det. Unter den drei Videovorschlägen, die Google anzeigt, urbanen Räumen inhärent. Auch wenn Angsträume sichertaucht zudem ein Video der vom Bundesamt für Verfas- lich in suburbanen Bereichen auftreten, so können sie doch sungsschutz unter Beobachtung stehenden rechtsextremen als dem Urbanen immanent angesehen werden. Identitären Bewegung auf. Die Bezeichnung No-go-Area kommt aus dem MilitärbeIn dem vorliegenden Beitrag wird die soziale Konstruktion reich und wurde bspw. im Vietnamkrieg verwendet (vgl. von sogenannten Angsträumen beleuchtet und die exkludie- Clark 1990). Vor gut zehn Jahren wurden in öffentlichen rende Wirkung dieser Begrifflichkeiten auf unterschiedliche Debatten Räume als No-go-Area bezeichnet, in denen insbePersonengruppen aufgezeigt. Außerdem wird in diesem Bei- sondere Personen mit dunkler Hautfarbe vor rechter Gewalt trag erläutert, wie Angsträume von rechten Gruppierungen nicht sicher waren (vgl. Begrich/Weber 2007). Umgangsinstrumentalisiert werden, um ohnehin schon marginalisier- sprachlich findet der Begriff heutzutage im Zusammenhang te Personen(gruppen) zu stigmatisieren. mit urbanen Räumen als Steigerung des Angstraum-Begriffs Verwendung. Die Nutzung des Begriffs kann einen FraNachfolgend werden die Begriffe No-go-Area und Angst­ ming-Effekt auslösen, wonach angeblich unsichere Stadtteiraum näher beleuchtet und es wird dargelegt, warum hier der le, die eine hohe Migrant_innendichte aufweisen, mit einer Begriff Angstraum Verwendung findet. Vorab wird auf den (militärischen) Invasion in Verbindung gebracht werden. Zusammenhang zwischen Urbanität und Angsträumen ein- Auch wenn sich die Bedeutung des Begriffs über die Jahre gegangen. Auch wenn die Wahrnehmung von Angsträumen gewandelt hat, so scheint ihm die Abwesenheit des staatsubjektiv ist, werden in der Forschung gewisse Phänomene lichen Gewaltmonopols (vgl. Begrich/Weber 2007) inhägenannt, die oftmals charakteristisch für Angsträume sind. rent zu sein. Deshalb ist die Verwendung dieses Begriffs für Dazu gehört ein Aspekt der Fremdheit, der sich sowohl auf Räume wie den hier beispielhaft genutzten Kölner Ebertfremde Personen beziehen kann als auch auf die Fremdheit platz nicht passend, denn dieser ist kein rechtsfreier Raum, oder Unübersichtlichkeit eines Raumes. Fremde Personen in dem das Gewaltmonopol des Staates keine Wirkmacht können in dem hier analysierten Zusammenhang (also in mehr besitzt. westlichen, kapitalistischen Industrienationen) all jene sein, die bspw. aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Handlungen Seit den 1980er Jahren wird der Begriff Angstraum innernicht der weißen, bürgerlichen Mittelschicht entsprechen. halb feministischer Strömungen in Geographie, Stadt- und Darunter fallen Personen mit dunkler Hautfarbe ebenso wie Raumsoziologie und ähnlichen Disziplinen im deutschspraDrogenkonsumierende oder heruntergekommen aussehende chigen Raum kritisch diskutiert (vgl. Ruhne 2011). Diese Menschen. Fremde und Anonymität gelten gleichzeitig als Ansätze weisen darauf hin, dass Angst­räume angeblich insMerkmale urbaner Räume [Anm. d. Verf.: Eine Bestim- besondere für Frauen existieren. Dabei werden Frauen als mung des Urbanen ist allerdings kaum möglich, da das Ur- Opfer dargestellt, während Männern eher die Rolle von Tä43

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tern oder Beschützern zugeschrieben wird [Anm. d. Verf.: gestellt, wird Raum als mehrdimensional verstanden. Diese In diesem Zusammenhang wird sich hier ausschließlich auf Herangehensweise an Räume teilt Hille Koskela, die sich Frauen und Männer bezogen, obwohl dadurch die binäre (kameraüberwachten) Räumen mithilfe unterschiedlicher Geschlechterordnung reproduziert wird und Personen, die Raumdimensionen nähert (vgl. Koskela 2000). Auf Angst­ sich dieser binären Ordnung nicht zugehörig fühlen, un- räume lassen sich insbesondere zwei von Koskelas Raumsichtbar gemacht werden. Dies ist dem Umstand geschul- dimensionen anwenden: der power-space und der emotional det, dass im deutschsprachigen Raum Studien zu Gewalt im space. Machtstrukturen werden in Angsträumen auf vielfältige öffentlichen Raum gegen Trans*Personen immer noch sehr Art sichtbar. Die Nutzung oder Aneignung eines (Angst) selten sind.]. Angst wird zu einer typisch weiblichen Eigen- Raumes – bspw. durch Polizist_innen, Überwachungstechschaft und in diesem Angstraum-Verständnis wird eine über nologien, bestimmte Personen(gruppen) – ist nicht frei von die Kategorie Geschlecht transportierte Machtasymmetrie gesellschaftlich vorherrschenden Machtstrukturen. Das deutlich, die Ausschlüsse vom öffentlichen Raum zur Folge Konzept des emotional space hebt auf die paradoxen Gehat. Frauen verlassen in Deutschland das Haus in der Dun- fühle ab, die mit einem Raum verknüpft sein können (vgl. kelheit dreimal seltener als Männer (vgl. Infratest Dimap Koskela 2000). Die Nutzung eines Raumes kann Angst oder 2017), was auf eine eingeschränkte Mobilität schließen lässt. Unbehagen auslösen, falls dieser typische Merkmale von Dass auch andere Personengruppen von Gewalt oder Angst Angsträumen aufweist, selbst wenn dieser Raum statistisch im öffentlichen urbanen Raum betroffen sein können, wird gesehen nicht als unsicher gilt. Auch die Anwesenheit von durch den Angstraum-Begriff ausgeblendet. Demnach wer- Polizist_innen kann mit ambivalenten Gefühlen einhergeden negative Zuschreibungen zu Räumen reproduziert und hen: Nutzer_innen können sich gleichzeitig sicherer durch die Fakten verschleiert: Frauen sind öfter Gewalt im priva- ihre Anwesenheit fühlen aber auch dafür sensibilisiert werten Raum ausgesetzt, während Männer eher im öffentlichen den, dass dieser Raum scheinbar gefährlich ist, denn wie Raum Gewalt erleben (vgl. Ruhne 2011). Angst­räume wer- sonst wäre die Anwesenheit von Polizist_innen zu erklären? den mit räumlichen Merkmalen wie dunklen, verwinkelten Gefühle wie Angst sind stark mit Körpern verbunden, da Ecken, Zuständen wie Verwahrlosung und städtebaulichen sie einerseits körperliche Reaktionen, wie einen schnelleSituationen wie Unterführungen in Verbindung gebracht ren Herzschlag, hervorrufen können und „fear is felt diffe(vgl. Sailer 2003). Der Angstraum-Begriff weist auch auf eine rently by different bodies“ (Ahmed 2014: 68). Sara Ahmed Raum-Zeit-Dimension hin, da Angsträume häufig mit Dun- weist darauf hin, dass Körper durch Angst eingedämmt werkelheit assoziiert werden (vgl. Zinganel 2003). Jeder Raum den, schrumpfen und somit weniger Raum einnehmen: „fear kann für ein Individuum einen Angstraum darstellen. Dem- works to restrict some bodies through the movement or exnach erfolgt diese Zuschreibung subjektiv und es sind weni- pansion of others“ (Ahmed 2014: 69). ger die baulichen Strukturen, die Angst vermitteln, sondern die sozialen Komponenten – also die Menschen, die sich in Werden (Angst-)Raumkonstruktionen aus einer diskurstheRäumen aufhalten und ihr Verhalten (vgl. Sailer 2003). Die oretischen Perspektive betrachtet, kommt Sprache eine zentUmsetzung städtebaulicher Maßnahmen gegen Angst­räume rale Funktion zu, da sie durch Diskurse Wirklichkeit herstellt kann lediglich oberflächliche Erfolge erzielen, denn „Angst, (vgl. Kutschinske/Meier 2000). Diskurse produzieren Wisebenso natürlich wie menschlich, wird auf einen Raum pro- sen mithilfe von Sprache und beeinflussen unsere Weltsicht. jiziert, sie wird nicht ursächlich von diesem Raum produ- Insbesondere im Zusammenhang mit der Instrumentalisieziert“ (Sailer 2003: 12). Nachhaltiger wäre es, strukturelle rung von Angsträumen durch rechte Gruppierungen muss Ungleichheiten und Probleme anzugehen und die Stigma- danach gefragt werden, wer Wissen produziert und wer enttisierung bestimmter Personen(gruppen) und Räume ein- scheidet, welches Wissen als wahr und gültig verstanden zudämmen, anstatt diese in medialen Berichterstattungen wird und in Diskurse einfließt. Nach Michel Foucault könzu reproduzieren. nen Wissen – und demnach auch Diskurse - nicht neutral sein (vgl. Foucault 1974; Marquardt/Schreiber 2015). In In dem hier vorliegenden Beitrag wird davon ausgegangen, postkolonialen Theorien werden diese Überlegungen zu Disdass Raum kein starrer Behälter ist, sondern sozial produ- kursen bspw. von Edward Said mit dem Konzept des Anderen ziert wird (vgl. Lefebvre 1991). Er wird durch Personen und verknüpft. Dabei wird die soziale Konstruiertheit der Katederen Handlungen hergestellt und wirkt gleichzeitig auf gorien des Orients und des Westens betont. Diese Konzepdiese Personen und Handlungen ein. Somit sind Räume te können genutzt werden, um Menschen zu manipulieren eher fluide statt starr und unbeweglich. Stark verkürzt dar- und Angst sowie Hass gegenüber den Anderen zu schüren. 44


Stadt & Gesellschaft

(vgl. Said 1978). Said und Chandra Mohanty warnen davor, rikanische Männer, die objektiviert, stigmatisiert und einer Personengruppen eine kollektive Identität zuzuschreiben, eigenen Stimme beraubt werden. Demnach werden nicht nur anstatt sie als heterogene Gruppen von Individuen wahr- asymmetrische Machtstrukturen zwischen den Geschlechzunehmen. In Mediendiskursen wird diese Heterogenität tern in Angstraum-Diskursen sichtbar, sondern auch hegehäufig nicht beachtet, insbesondere wenn über den Islam, moniale, (post)koloniale Machtpositionen verfestigt und den Westen, muslimische Männer und deutsche Frauen berich- reproduziert. Gleichzeitig wird ein Narrativ von den fremden tet wird. (vgl. Said 1978; Mohanty 1984). Demnach sind Männern sowie von Angsträumen durch Diskurse sozial konSprache und Diskurse nicht neutral, sondern von Macht- struiert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Erfahrungen mit verhältnissen beeinflusst. Gewalt oder Kriminalität bspw. am Kölner Ebertplatz nicht real sind. Dieses dialektische Verhältnis zwischen sozialer Die AfD NRW schreibt in einer kleinen Anfrage an die Konstruktion und realen Erfahrungen soll am Beispiel von Landesregierung, dass „Einheimische versuchen, den „Krieg Frauen als Analysekategorie beleuchtet werden. Mohanty zwischen Schwarzafrikanern und Marokkanern“ auf dem schreibt dazu, dass Frauen in feministischen Analysen oftEbertplatz zu „meiden“ und dass „insbesondere für Frauen mals durch ihre vermeintlich geteilte Unterdrückungserfah[…] hier offensichtlich eine größere No-go-Zone in Köln rung charakterisiert werden. Die angebliche Gleichheit der entstanden“ ist (afd-fraktion.nrw 2018) und bezieht sich Form ihrer Unterdrückung ist das, was sie ausmacht. Durch dabei auf Berichterstattungen überregionaler Medien. Mit diese Sichtweise wird verschleiert, dass Frauen sowohl als derlei Aktionen macht die AfD Angsträume zu einem zent- diskursiv konstruierte Gruppe existieren, als auch als materalen Thema ihrer politischen Agenda. Wenn auch Medien- rielle Subjekte ihre individuellen Geschichten verkörpern. berichte bestimmte urbane Räume als Angsträume labeln und Dadurch wird die diskursiv hergestellte homogene Gruppe dabei insbesondere nordafrikanische, muslimische, zugewan- von Frauen mit der individuellen materiellen Realität unterderte Männer als Täter(gruppe) stigmatisiert werden, dann schiedlicher Gruppen von Frauen verwechselt (vgl. Mohanhat dies Einfluss auf die gesellschaftliche Wahrnehmung ty 1984). Die diskursive Konstruktion von Frauen und ihre dieser Personen(gruppen) und dieser Räume. Machtstruk- Rolle als materielle Subjekte ihrer individuellen Geschichte turen werden dabei insbesondere durch eine postkolonia- zeigen, dass Angsträume sozial konstruiert sein können, ohne le Betrachtungsweise sichtbar (vgl. Said 1978; Hall 1996): tatsächlich stattgefundene Übergriffe in diesen Räumen zu Diejenigen, die Angstraum-Diskurse bestimmen, sprechen negieren (vgl. Gaedicke, im Erscheinen). Somit werden inund schreiben über die Anderen, aber lassen sie selber kaum dividuelle Erfahrungen auf der Mikroebene zu einer (Maszu Wort kommen. Die Anderen sind in diesem Fall nordaf- sen-)Erfahrung auf der Makroebene.

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Die teilweise durch mediale Berichterstattung vermittelte eindimensionale Sicht auf Angsträume lässt verschiedene Personen(gruppen) besonders sichtbar in Räumen werden – bspw. nordafrikanische, fremde Männer – während andere Personen(gruppen) evtl. unsichtbar im öffentlichen Raum werden, da sie ihn aus Angst kaum noch (alleine) benutzen – wie bspw. Frauen. Damit einhergehen Formierungen, die an Bürger_innenwehren erinnern: Der Begleitschutz Köln e.V. wirbt damit, dass insbesondere ältere Menschen, Frauen und Kinder der Anonymität der Großstadt hilflos ausgeliefert sind und es daher dem Service des Begleitschutzes bedarf, um diese Personengruppen sich an ihr Ziel zu bringen (vgl. begleitschutz-koeln-ev.de). Der Verein sowie sein erster Vorsitzender werden der rechten Szene in Köln zugeordnet (vgl. Marken 2018). Gruppierungen wie diese können als anti-urban bezeichnet werden, da Merkmale der Großstadt wie Anonymität und Fremde zu Problemen gemacht werden (vgl. Wehrheim 2006). Demnach muss ihre Legitimation in Frage gestellt werden.

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“Finally, the discourse of ‘the West and the Rest’ could not be innocent because it did not represent an encounter between equals. (…) the Europeans stood, vis-à-vis the Others, in positions of dominant power. This influenced what they saw and how they saw it, as well as what they did not see.”  (Hall 1996: 204)

Koskela, H. (2000): ‚The gaze without eyes‘: video-surveillance and the changing nature of urban space. In: Progress in Human Geography. 24. Jg. 2000/2. S. 243–265. Kutschinske, K.; Meier, V. (2000): «...sich diesen Raum zu nehmen und sich freizulaufen...». Angst-Räume als Ausdruck von Geschlechterkonstruktion. In: Geographica Helvetica. 55. Jg. 2000/2. S. 138–145. Lefebvre, H. (1991): The Production of Space. Oxford: Blackwell Ltd. Marken, J. (2018): Rechte Bürgerwehr verbreitet Angst. In: zeit. de, 30.09.2018. Online verfügbar unter: https://blog.zeit.de/ stoerungsmelder/2018/09/30/rechte-buergerwehr-verbreitet-angst_27313 [Zugriff: 07.12.2018]. Marquardt, N.; Schreiber, V. (2015): Geographien der Macht: für einen integrierten Blick auf Raumproduktionen mit Foucault. In: Europa Regional (12). S. 36–46. Mohanty, C. T. (1984): Under Western Eyes: Feminist Scholarship and Colonial Discourses. In: Boundary 2. 12. Jg. 1984/3. S. 333–358. Ruhne, R. (2011): Raum Macht Geschlecht. Zur Soziologie eines Wirkungsgefüges am Beispiel von (Un)Sicherheiten im öffentlichen Raum, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Said, E. (1978): Orientalism, New York: Vintage Books. 25. Auflage 1994. Sailer, K. (2003): Sicherheit im öffentlichen Raum. Von der Angst und den Versuchen, sie zu bekämpfen. In: Unimagazin, Hannover, Universität Hannover. Online verfügbar unter: https://www.uni-hannover.de/fileadmin/luh/content/ alumni/unimagazin/2003/03_1_2_10_13_sailer.pdf [Zugriff: 02.07.2018]. Schmidt, J.-E. (2018): Wie eine Bausünde zur No-go-Area wurde. In: welt. de, 11.04.2018. Online verfügbar unter: https://www.welt.de/regionales/ nrw/article175354017/Koelner-Ebertplatz-Wie-eine-Bausuende-zur-No-go-Areawurde.html [Zugriff: 15.11.2018]. Siebel, W. (2015): Die Kultur der Stadt, Berlin: Suhrkamp Verlag. Stiegler, J. M. (2017): Von der Straßenbeleuchtung zum Machtverhältnis. Wien. Online verfügbar unter: http://othes.univie.ac.at/46147/1/48131.pdf [Zugriff: 03.12.2018]. Verfassungsschutz.de (o.J.): Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet „Identitäre Bewegung Deutschland“. Online verfügbar unter: https:// www.verfassungsschutz.de/de/aktuelles/zur-sache/zs-2016-001-maassendpa-2016-08 [Zugriff: 22.11.2018]. Wehrheim, J. (2006): Die überwachte Stadt. Sicherheit, Segregation und Ausgrenzung. Opladen: Verlag Barbara Budrich. Zinganel, M. (2003): Real Crime: Architektur, Stadt & Verbrechen, Wien: edition selene.

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S t a d t o d e r L a n d – wo wollen wir zukünftig eher leben? Natürlich in den Großstädten und deren Ballungsgebieten! Klar, hat das naturnahe dörfliche Idyll auch seinen Reiz, aber wo sonst werden so viele menschliche Bedürfnisse durch schnelle Erreichbarkeit so effizient und vielseitig befriedigt? Sei es in kultureller, gesundheitlicher, beruflicher oder vielerlei sonstiger infrastruktureller Hinsicht.

Was will man denn bitte in einem 3.000-Seelen-Dorf mit Schützenverein und Maibaum in der Mitte sowie angestaubter Mentalität in den Köpfen, wo sich zwar alle kennen mögen, sich aber auch hinter der Fassade einer sich höflich grüßenden dörflichen Gemeinschaft meist nur die konservativen Überreste einer längst vergangenen Zeit befinden, die in ihren Einfamilienhäusern bloß ihre Ruhe haben wollen und beim Stammtisch mit ein und denselben Menschen im jahrzehntelangen geistigen Inzest ihre Angst vor dem Fremden, Neuen und Andersartigen kultivieren. Wer nicht in diese Welt reinpassen kann oder will, wird ausgeschlossen und ergreift verstärkt durch den Mangel an beispielsweise Verkehrsanbindung und einem diverseren Freizeitangebot die Flucht in die Stadt.

Verständlich, dass man sich, eingeengt durch den fast wie eine omnipräsente Überwachungsinstanz wirkenden Dorfgossip und den sich so festfahrenden Fremdwahrnehmungen der eigenen Person, in der großstädtischen Anonymität durch die zahlreichen diversen Möglichkeiten neu kennenlernen und vor allem neu erfinden will.

Die Landflucht kommt auch nicht von ungefähr. Die Dorfromantik ist schlichtweg vorbei. In den Dörfern sind viele traditionelle Begegnungsräume verloren gegangen. Kleine Dorfläden oder Postschalter werden zunehmend geschlossen, die alte Dorflinde ist längst gefällt. Viele Dörfer sind eher Ansammlungen von lieblos dahingeworfenen Nachkriegsbauten an sich kreuzenden Hauptstraßen. Auch ist das kulturelle Leben nicht ansatzweise so divers, wie in den Großstädten, wo neben beispielsweise Cafés oder verschiedenen anderen gemeinschaftsstiftenden Vereinen und Initiativen auch klassisch dörfliche Institutionen, wie Wochenmärkte Einzug halten.

Es ist ja auch nicht so, dass man in der Großstadt vollständig auf die Vorteile des Landes verzichten müsste. Die Natur ist im Umland durch die gute Verkehrsinfrastruktur meist zügig zu erreichen und selbst innerstädtisch bieten sich durch Parkanlagen oder Urban Gardening diverse Möglichkeiten an.

Und durch die Digitalisierung und den mit ihr einhergehenden Smart-City-Konzepten werden in naher Zukunft zahlreiche strukturelle Probleme der heutigen Großstädte lösbar. Durch eine digitalisiert effizientere Wasser- und Energiewirtschaft, abgasfreie Elektromobilität, unterirdisch roboterbetriebene Paketliefer- und Abfallentsorgungsdienste sowie zahlreichen weiteren innovativen Zukunftskonzepten und wegweisenden Anpassungen der Städtelandschaft können wir diesen Lebensraum noch effizienter als bisher und vor allem deutlich ökologischer gestalten. Ob fahrradfreundliche Verkehrsinfrastruktur, smarte Energienetze oder appbasierte Vernetzungen – die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt. Und dabei befinden wir uns erst am Beginn einer spannenden Entwicklung. Smart Cities sind die Zukunft!

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Solange die Digitalisierung auch auf dem Land Einzug hält durch die Etablierung entsprechender Infrastrukturen, erübrigen sich damit auch viele Gründe für Landflucht. Auf dem Land bedeutet die Digitalisierung wirklich Freiheit im Gegensatz zu den Großstädten, in denen Smart-City-Konzepte zwar das Blaue vom Himmel versprechen, aber gerne unter den Tisch fällt, wie viele private Daten dafür angehäuft werden müssen. Zweifellos wird die Smart City die Abhängigkeit vieler Städte von der Technologie und privatisierten Infrastruktur datensammelnder Konzerne befördern, die die Errichtung von hochtechnisierten Wohlhabenden-Enklaven vorantreiben – Silicon Valley lässt grüßen! Es braucht Alternativen! Das digitalisierte Land ist die Zukunft!

Es ist ja auch nicht so, dass man auf dem Land vollständig auf die Vorteile der Stadt verzichten müsste. Schließlich verliert der Raum zunehmend an Bedeutung im Rahmen der Digitalisierung, die zu einer Dezentralisierung von Leben und Arbeiten führt. Viele kulturelle Angebote sind online zugänglich und zahlreiche Arbeiten können im Home Office erledigt werden – regelmäßiges langes Pendeln ist nicht mehr nötig.

Die Stadtflucht kommt auch nicht von ungefähr. Wohnungsnot und Mietpreisexplosionen zwingen immer mehr Menschen in die Peripherie. Die Höhe des Anteils an Mietkosten in den Lebenshaltungskosten von so manchem Städter schmälert deren Kaufkraft enorm und wird dazu führen, dass sich Armut immer stärker in Städten konzentrieren wird, während die beruflichen Möglichkeiten sich zunehmend auf dem Land eröffnen, wo zahlreiche Regionen händeringend nach Fachkräften und Auszubildenden suchen.

Verständlich, dass man diese kalten Moloche nicht mehr ertragend eine Sehnsucht nach zwischenmenschlicher und regionaler Verbundenheit entwickelt. Dorf bedeutet – vielmehr als die Großstadt, in die man häufig auch nur aus beruflichen Gründen ziehen muss – Heimat. Es bedeutet Verwurzelung.

Was will man denn bitte in den überfüllten Metropolen dieser Welt inmitten einer durch kalte Anonymität voneinander entfremdeten Menschenmasse, die dauergestresst durch die feinstaubbelastete Betonwüste hastet, um die wenigen Quadratmeter Wohnung in ihrer zunehmenden Unbezahlbarkeit doch noch finanzieren zu können, während sie zwischen den unzähligen flüchtigen und oberflächlichen Bekanntschaften die innere Leere im deprimierenden Tinderverschleiß mit etwas zu füllen sucht, was die zwischenmenschliche Kälte zumindest kurzzeitig aufzutauen vermag? Wer schließlich im Konkurrenzkampf um den kostbaren Wohnraum den Kürzeren zieht – gentrifiziert wird – muss noch stärker im Hamsterrad rennen oder letztendlich den Ausstieg suchen.

Land und den kleineren Städten und Gemeinden! Klar, bieten Großstädte zahlreiche Angebote und komfortable Annehmlichkeiten, doch treten vor allem heutzutage auch zunehmend ihre negativen Kehrseiten zu Tage – sei es in ökologischer, sozialer, gesundheitlicher oder vielerlei sonstiger infrastruktureller Hinsicht.

Sta dt o der La nd – wo wollen wir zukünftig eher leben? Natürlich auf dem

Januskopf

Thomas Ruddigkeit

philou.


Impressum

philou.

Ausblick: Ausgabe 8

Identität

Das unabhängige wissenschaftliche Studierendenmagazin an der RWTH Aachen University.

Wer bin ich und wenn ja, bin ich morgen noch dieselbe Person?

Kontakt http://philou.rwth-aachen.de info@philou.rwth-aachen.de

Der Duden definiert „Identität“ folgendermaßen:

Ausgabe 7, 2019 Auflage: 3.000 Mitwirkende Bendler, Karl Dogan, Caner Eleftheriadi-Z., Sofia Falter, Frédéric García Mata, Cristina Hilker, Sarah

Echtheit einer Person oder Sache; völlige Übereinstimmung mit dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird.

Descartes stellte fest: „Ich denke, also bin ich“. Offen blieb: Bin ich immer dieselbe Person?

Honkomp, Nils Korr, Jan Lentzen, Nina Oschmann, Oliver Ruddigkeit, Thomas Winkens, Ann-Kristin

Und was ist das „Ich“? Zahlreiche Philosoph_innen, Psycholog_innen, Soziolog_innen wie auch Biolog_innen zerbrechen sich seit Jahrhunderten den Kopf darüber. Und wie verändert sich die eigene Identität in Zeiten des technologischen Fortschritts, der Digitalisierung und der Entfremdung? Mit welchen Werten, Kulturen, Beziehungen, Lebensformen identifizieren wir uns und warum? Und wer sind „Wir“?

Layout García Mata, Cristina (Konzept, Illustration, Layout) Hilker, Sarah (Layout)

Mit diesen und vielen weiteren Aspekten soll sich die nächste Ausgabe beschäftigen – dabei geht es um einen interdisziplinären Diskurs.

Credits S. 29: Originalbild Jon Tyson via Unsplash S. 45: Originalbild Freepik.com S. 48f.: Originalgrafiken von vectorpouch via Freepik.com Texturen: texturefabrik.com

Hast Du Lust zu schreiben, wissenschaftlich zu arbeiten und zu publizieren? Dann schreibe doch einen Artikel für uns! Melde Dich unter lektorat@philou.rwth-aachen.de

V.i.S.d.P Ann-Kristin Winkens Studierendenmagazin Philou. e.V. Robensstraße 65 52070 Aachen

Kontakt & Mitmachen

Im Namen der gesamten Redaktion bedanken wir uns herzlichst bei dem AStA, dem VDI Bezirksverein Aachen, Katrin Klubert, Defne Erel, Tobias Braun, Annika Siepe und allen anderen Mitwirkenden, die Zeit, Rat und Geld zur Verfügung gestellt haben.

Du willst die philou. mitgestalten? Du hast Ideen oder Kritik? Du hast Fragen, Anmerkungen oder Vorschläge? Du möchtest mit uns zusammenarbeiten oder uns kennenlernen?

Diese Ausgabe und die vorigen Ausgaben der philou. können auch online unter philou.rwth-aachen.de eingesehen werden.

Deine Anfragen nehmen wir gern entgegen. Darüber hinaus sind wir immer auf der Suche nach Studierenden aller Fachrichtungen, die bei philou. mitwirken möchten. Egal, ob im Layout, im Lektorat, in der Öffentlichkeitsarbeit oder in der Organisation: Tatkräftige Unterstützung ist zu jeder Zeit willkommen. Wir bieten Erfahrung und Hilfestellung im redaktionellen Arbeiten und sind immer offen für neue Ideen!

Die Redaktion behält sich das Recht vor, Artikel redaktionell zu bearbeiten. Eine Abdruckpflicht für eingereichte Beiträge gibt es nicht. Die in der philou. veröffentlichten, namentlich gezeichneten Beiträge geben die Meinungen der Autoren wieder und stellen nicht zwangsläufig die Position der Redaktion dar.

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Nachdruck und Wiedergabe von Beiträgen aus der philou. sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion erlaubt.

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