philou. #12 Chaos

Page 1

THEMA: CHAOS

. A USGA BE 12 UNABHÄNGIGES STUDIERENDENMAGAZIN AN DER RWTH AACHEN
philou
Anzeige

Darum ist die Natur so groß, weil sie vergessen hat, dass sie Chaos war; und doch kann es ihr auch wieder einfallen, wenn es sein muss.

SØREN KIERKEGAARD 1813–1855

Liebe Leser*innen,

wir leben heute in einer sogenannten VUCA Welt, die von zunehmender Volatilität, Unsicherheit, Komplexi tät und Ambiguität gekennzeichnet ist. Klimawandel, Globalisierung, politische Konflikte und Überbevöl kerung führen dazu, dass Mensch und Umwelt auf Grenzen stoßen, die vielleicht nicht zu überwinden sind. Im Zusammenspiel kann dabei schnell Chaos entstehen, beispielsweise bedingt durch plötzliche, nicht vorhergesehene Ereignisse, wie Naturkatastrophen, oder auch durch Krisensituationen, in denen Verantwortlichkeiten ungeklärt sind.

CHAOS im Begriff : Was meinen wir, wenn wir über „Chaos“ sprechen? Zum einen bedarf es einer Ab grenzung zu komplexen Kontexten oder Situationen, beispielsweise in verschiedenen Entscheidungssituati onen (S. 9). Zum anderen können wir davon ausgehen, dass Chaos nicht gleich Chaos ist, da der Begriff in unterschiedlichen Kontexten und Disziplinen ver wendet wird. So beschreiben beispielsweise die Be griffe Chaos im Altgriechischen bzw. Tohuwabohu im Althebräischen kein Durcheinander, sondern eine weite Leere – wie kann aber ein „Nichts“ chaotisch sein? (S. 12) Insbesondere da wir in den Naturwis senschaften über dynamische, chaotische Systeme sprechen, in denen verschiedene Ausgangszustände zu unterschiedlichen Entwicklungen führen können: Wie reagiert ein System auf Störungen und inwieweit können wir dieses Verhalten überhaupt vorhersagen? (S. 14) Schlussendlich: Wäre es nicht viel einfacher, wenn wir eine Weltformel hätten, die alles erklären, vereinheitlichen und damit Ordnung in das Chaos bringen könnte? (S. 18)

CHAOS im Gefühl : Kierkegaard sieht die Natur als einen chaotischen Zustand, als etwas, das wie ein Damokles Schwert über uns schwebt. So können uns Naturereignisse jederzeit unsere eigene Vergäng lichkeit, aber auch Hilfslosigkeit vor Augen führen. Gleichzeitig versucht der Mensch, sich über die Natur zu erheben. Dieses gegenseitige Machtspiel zwischen Mensch und Natur findet sich auch in zahlreichen künstlerischen Verarbeitungen wieder (S. 24). Aber nicht nur in der Natur erleben wir Chaos und Un berechenbarkeit, sondern auch in unserem täglichen Empfinden. Dabei kann die Wahrnehmung von Cha os von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein (S. 28).

CHAOS in Aktion : Nicht nur unsere Wahrneh mung von Chaos prägt uns in unseren Entscheidun gen und Handlungen, sondern auch physiologische Effekte: Als dynamisches und komplexes System macht unser Gehirn manchmal, was es will. Ist die ses aber tatsächlich chaotisch oder hat es nur den Anschein? (S. 32) Und wie äußert sich Chaos in unse ren Zellen, beispielsweise, wenn eine Krebserkrankung vorliegt? (S. 36) Daneben zeigt sich auf der Arbeit, im Alltag und im Schauspiel, wie wir in chaotischen Umgebungen handeln (S. 40, 44). Und wie reagieren wir auf eine chaotische Extremsituation, wie beispiels weise eine Flutkatastrophe? (S. 46)

Wir freuen uns darauf, uns gemeinsam mit Euch ins Chaos zu stürzen, diese und weitere Fragen sowie Problemstellungen mit Euch teilen zu können und präsentieren Euch nun die 12. philou. Durch den Fokus auf die Diversität und Interdisziplinarität der Themen wollen wir zeigen, dass das inneruniversitäre Gespräch eine der höchsten Prioritäten im Studium genießen muss. Wir wollen Euch hiermit Anreize zu neuen Perspektiven und Gedanken liefern und hoffen, dass Euch die 12. Ausgabe genauso gefällt wie uns!

Eure philou. Redaktion

VERFASST VON ANN-KRISTIN WINKENS

Editorial philou .

Erfolgreiche Mitarbeiter sind kein Zufall!

Arbeitgeber suchen nach Persönlichkeiten, die aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen perfekt in das ge suchte Profil passen, während Arbeitsuchende bestrebt sind eine Tätigkeit zu finden, die ihrer Persönlichkeit ent spricht. Diese Idealkonstellation zu finden ist eine sehr aufwendige Angelegenheit. Es sei denn, man baut auf die onlinebasierten Services von e-stimate, dem Pionier im Bereich webbasierter Analyse-Tools für das Personal wesen.

Seit 1982 entwickelt und liefert e-stimate Tools für Persönlich keits- und Teamprofile als Grundlage für alle erdenklichen Ana lysen im Personalwesen. Dieses Know-how transferierte das Team um den Dänen Jørgen C. Friis in das Medium «World Wide Web» und bietet somit die jahrelang erprobten Tools seit 2000 auch online an. Dank dieser digitalen Expansion können sämtliche Analysen noch präziser, relevanter, schneller und vor allem auch kostengünstiger angeboten werden. Doch aller Technologie zum Trotz: Es gibt einige Faktoren im Bewerbungs prozess, die sich nie verändern werden.

Nehmen Sie es persönlich.

Ein gutes Betriebsklima ist der Humus, aus dem jeder Erfolg erwächst. Was nützt ein fachlich hochkompetenter Mitarbeiter, wenn er menschlich nicht in eine bestehende Personalstruktur passt? Die Chemie aller Beteiligten muss passen, sonst drohen Disharmonie, unproduktive Konkurrenzkämpfe und in immer

mehr Fällen ein Burnout bei einem der Betroffenen. Und das alles nur, weil wichtige soziale Faktoren zu wenig berücksichtigt wurden. Denn heutzutage werden komplexe Aufgaben meist in variierend zusammengesetzten Projekt-Teams gelöst.

Fördern Sie Persönlichkeiten.

Mitarbeiter sind Menschen mit eigenen Zielen und Träumen. Unterstützt man Angestellte auf ihrem individuellen Weg, so steigt in der Regel auch die Loyalität zum Arbeitgeber, von der Motivation ganz zu schweigen. Mit einer gezielten För derung von Talenten und dem Erschließen schlummernder Potenziale legen Unternehmen den Grundstein für den Erfolg von morgen. Es gilt also, einen gemeinsamen Nenner zu fin den, zu fördern – und auch wieder einzufordern. Jetzt müssen Sie nur noch herausfinden, wo die Gemeinsamkeiten sind: info@e-international.com

e-international GmbH

Schweiz (Hauptsitz) Kanalweg 8, 3322 Schönbühl-Bern Tel.: +41 44 586 4662 www.e-stimate.ch

Deutschland Filderstraße 45, D-70180 Stuttgart Tel.: +49 711 72 24 68-56 info@e-international.com

Anzeige

Inhalt

CHAOS IM BEGRIFF

09 Chaotische Entscheidungsfindung

Ann-Kristin Winkens

Eine Einführung in das Cynefin Framework

12 Chaos, wo noch nichts war Claudia Stenske Ursprung und Bedeutung des Begriffs „Tohuwabohu“

14 Versuch einer Klassifikation des Chaos Felix Engelhardt Über die Unvorhersehbarkeit von Systemen

18 A Theory of Everything? Karla Weingarten

Wie die Physik versucht, Ordnung in unsere Welt zu bringen

CHAOS IN AKTION

32 Chaos im Gehirn – Is it a bug or is it a feature?

Kirsten Fischer, Michael Dick Von der Nähe zur Instabilität und ihren Vorteilen für die Informationsverarbeitung

36 Rules for thee but not for me –Das chaotische Verhalten der Krebszellen Merle Riedemann Über die Entstehung und Bekämpfung von Krebs

40 Der Chaos Club Ein Interview mit dem Chaos Computer Club Aachen über (Nicht-)Organisation

44 (Un)-Ordnung szenischer Darstellung: Ist Theater chaotisch? Ein Interview mit dem MörgensLab

46 Mutual Aid – Chaos als Chance für neue Formen des Engagements Tim Franke

24

CHAOS IM GEFÜHL

Chaos der Naturgewalten –Die Ästhetik des Erhabenen Yvonne Schneider Der Mensch im Angesicht überwältigender Natur

26 Ballade des kleinen Unbekannten Samuel Perepelitsa

28

Chaos im Kopf

Karl Bendler

Eine autistische Perspektive auf Chaos und Struktur

Prozesse sozialer Reorganisation im Anschluss an katastrophale Ereignisse

philou .rwth-aachen.de facebook.com/philou magazin instagram.com/philou .magazin info@ philou .rwth-aachen.de

Chaos ist das Wort, das wir für eine Ordnung erfunden haben, die wir nicht verstehen.“

DIE CHAOSFAMILIE

Nassim Nicholas Taleb stellt in seinem Buch „Antifragilität“ (2012) die sogenannte Chaosfa milie vor: Die Familienmitglieder stellen dabei in Kombination mit Volatilität Einwirkungen auf komplexe Systeme dar. Die Familienmitglieder können sich dabei gegenseitig bedingen, ver stärken oder beeinflussen.

DER BEGRIFF „ CHAOS“ IN DER PHILOSOPHIEGESCHICHTE

Unvollkommenes, Unvollständiges Wissen Unsicherheit Variabilität Stressoren Irrtum Streuung der Ergebnisse Unwissen Risiko Chaos Unbeständigkeit, Volatilität Unordnung Entropie Zeit Das Unbekannte Zufälligkeit Unruhen > Der gähnende Abgrund des Weltbeginns
> Der leere Raum, der
Urstoff des Kosmos.
> Das
Durcheinander
> Das Formlose und Ungeordnete
(Hesiod)
abstrakte, ungeformte
(Aristoteles)
wüste
(Platon)
(Stoiker)
Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Metzler-Philosophie-Lexikon.
philou.
Chaos im Begriff griechisch cháos:
FOLGT UNS AUF INSTAGRAM @FUTURELABAACHEN www.futurelab-aachen.de Anzeige
WE SCIENCE

CHAOTISCHE ENTSCHEIDUNGSFINDUNG

Cynefin Framework

Das Cynefin (gesprochen ku-nev-in) Framework ist eine Organisations und Managementstrategie für das Ver ständnis sowie die Entscheidungsfindung innerhalb kom plexer Systeme (vgl. Snowden/Boone 2007). Entwickelt von Snowden und Boone (2007), war das ursprüngliche Ziel des Frameworks, Führungskräften zu ermöglichen, neue Perspektiven einzunehmen, den Kontext, in dem sie arbeiten, zu verstehen sowie reale Probleme anzugehen. Das Wort „Cynefin“ stammt aus dem Walisischen und beschreibt un ser mangelndes Verständnis über den Einfluss vielfältiger Faktoren unserer Umgebung und unserer Erfahrungen (vgl. Snowden/Boone 2007). Heute wird das Framework in verschiedenen Bereichen angewandt, wie beispielsweise in der Gestaltung und Planung von Infrastrukturen (vgl. Helmrich/Chester 2020, Chester/Allenby 2019, siehe Ta belle 1) oder im Hinblick auf die Ingenieurausbildung (vgl.

Hadgraft/Kolmos 2020). Grundsätzlich soll das Framework ermöglichen, einen Kontext, ein System oder ein Problem, in dem operiert wird, zu beschreiben sowie damit verbundene Lösungsstrategien zu definieren.

Das Framework beschreibt insgesamt vier wesentliche Ent scheidungsbereiche oder kontexte (siehe folgende Seiten), in die sich Themen, Systeme oder Probleme einteilen lassen (vgl. Snowden/Boone 2007): Simple/Obvious, Complicated, Complex, Chaotic.

Die Einteilung basiert dabei auf der Art der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung, woraus folgend ein Ver halten analysiert werden kann und Entscheidungen getroffen werden können (vgl. Lowe et al. 2022).

Domäne Klimaszenario Infrastruktur

Simple Erkennen des aktuellen Wetters Verwaltung des täglichen Betriebs, z.B. kein Betrieb von Flugzeugen bei extremer Hitze

Complicated Extrapolation historischer Klimamuster Festlegung von Parametern, z.B. Normen für die Bemessung von Regenfällen für Wasserinfrastruktur

Complex Analyse von vorhergesagten Klimaszenarien

Entwicklung einer Infrastruktur, die mit Unvorhersehbarkeit umgehen kann (z.B. Planung für Ausfälle)

Chaos Ein Extremwetterereignis erleben Reagieren auf ein Ereignis, ohne alle Informationen zu ken nen, z. B. sofortige Reaktion auf einen Hurricane der Stufe 5

Tabelle 1: Beispiel – Cynefin Framework bei der Planung von Infrastrukturen in Bezug auf das Klima (übersetzt nach Helmrich/Chester 2020)

artikel » » im begriff philou .

artikel » zehn

Simple/Obvious

Die Domäne der Best Practice. Hier gibt es eine klare Ursache Wirkung Beziehung, die eine – häufig offensichtliche – Lösung aufzeigt (vgl. Helmrich/Chester 2020, Snowden/Boone 2007). In diesem Bereich sind alle Informationen bekannt (known knowns), die notwendig sind, um eine Entscheidung zu treffen. Entscheidungsträger*innen müssen damit die Fakten der Situa tion bewerten (sense), diese organisieren (categorize) und basierend auf bewährten Praktiken reagieren (respond).

Disorder

Die fünfte Domäne (Unordnung) kommt dann zum Tragen, wenn Entscheidungsträger*innen nicht wissen, in welcher der vier Domänen sie agieren.

bewerten der fakten

organisieren der fakten reagieren basierend auf bewährter praxis

analysieren von möglichkeiten ANALYZE

SENSE CATEGORIZE RESPOND SENSE RESPOND ANALYZE

Complicated

Die Domäne der Experts. Ursache Wirkung Beziehungen sind nicht – für jede Person – erkennbar und es kann mehr als eine richtige Antwort oder Lösung geben (known unknowns). Probleme können jedoch mit Fachwissen gelöst werden. Expert*innen müssen hier ebenfalls zunächst das Problem sowie zugrundeliegende Fakten erkennen und bewerten (sense) und auf dieses reagieren (respond). Aber statt die verschiedenen Möglichkeiten zu kategorisieren, müssen diese analysiert (analyze) werden (vgl. Helmrich/Chester 2020, Snowden/ Boone 2007).

erforschen von möglichkeiten handeln SENSE CATEGORIZE RESPOND PROBE ACT

PROBE

SENSE RESPOND

Complex

Die Domäne der Emergence. In diesem Bereich ist nicht klar, ob es eine gute bzw. sinnvolle Lösung für ein Problem oder eine Situation gibt, da nicht alle Informationen bekannt sind (unknown unknowns). Dieser Bereich ist vor allem durch Unvorhersehbarkeit gekennzeichnet, weshalb kreative und innovative Lösungen im Vordergrund stehen (vgl. Helmrich/Chester 2020, Chester/ Allenby 2019). Entscheidungsträger*innen müssen hier zunächst verschiedene Optionen erforschen (probe), dann die Fakten der jeweiligen Option bewerten (sense), um anschließend reagieren (respond) zu können. Der Klimawandel, zukünftige Technologien sowie Infrastrukturen, wie urbane Räume, fallen in diesen Bereich (vgl. Chester/Allenby 2019, Hadgraft/Kolmos 2020, Helmrich/ Chester 2020).

Chaos

ACT

SENSE RESPOND

Die Domäne der Rapid Response. Ursache Wirkungs Beziehungen sind hier unmöglich zu bestimmen (unknowables), da sich diese basierend auf einem hohen Grad an Turbulenz ständig ändern (vgl. Snowden/Boone 2007). Es gibt auch keine Zeit, nachzudenken (vgl. Helmrich/Chester 2020, Snowden/Boone 2007). Chaotische Situationen sind häufig die Ergebnisse einer Katastrophe, beispielsweise einer Überschwemmung (vgl. Hadgraft/Kolmos 2020, Chester/ Allenby 2019 – siehe auch den Beitrag zu „Mutual Aid“, S. 46). Hier besteht zunächst akuter Handlungsbedarf (act), um die Situation zu stabilisieren, sodass erst dann die Fakten bewertet werden können(sense) und darauf reagiert werden kann (respond).

Chester, M.; Allenby, B. (2019): Infrastruc ture as a wicked complex process. In: Ele menta Science of the Anthropocene, 7(21). Hadgraft, R.; Kolmos, A. (2020): Emer ging learning environments in engineering education. In: Australasian Journal of Engi neering Education, 25(1). S. 3–16.

Helmrich, A.; Chester, M. (2020): Recon ciling complexity and deep uncertainty in inf rastructure design for climate adaptation. In: Sustainable and Resilient Infrastructure, 7(2). S. 83–99.

Lowe, D.; Goldfinch, T.; Kadi, A.; Wil ley, K.; Wilkinson, T. (2022): Engineering graduates professional formation: the con nection between activity types and professi onal competencies. In: European Journal of Engineering Education, 47(1). S. 8–29. Snowden, D.; Boone, M. (2007): A Leader’s Framework for Decision Making. In: Harvard Business Review, November 2007. S. 69–76.

» im begriff philou .

CHAOS, WO NOCH NICHTS WAR

CLAUDIA STENSKE THEOLOGIE

„Tohuwabohu“ ist im deutschen Sprachraum ein bekannter und häufig verwendeter Begriff, der meist in Kontexten zur Anwendung kommt, in denen Chaos wahrgenommen wird. Der Duden erklärt dessen Wortbedeutung mit entspre chenden Synonymen, wie einem „völligen Durcheinander“ und „Wirrwarr“ (Bibliographisches Institut 2022). Über den Ursprung und damit auch der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs besteht jedoch wenig prominentes Wissen, birgt er weitaus mehr Potenzial in sich als die schlichte Beschrei bung eines chaotischen Zustands. Im Folgenden gilt es die genannten Lücken zu füllen und mehr über den etymolo gischen Hintergrund zu erfahren.

Das Wort stammt ursprünglich aus dem Althebräischen und bildet ein Wortpaar: Tohuwabohu (תהו ובהו) ist in sei ner sprichwörtlichen Bezeichnung zusammengesetzt aus tōhū und wā bōhū; ersteres (tōhū – תהו) umfasst in seiner Bedeutung „eine Bandbreite von ‚nichts‘ bis hin zu ‚Wüste‘“ (Fischer 2018: 127), zweiteres (bōhū – בהו) tritt ausschließ lich in Kombination mit tōhū auf und „dürfte ebenso einen Mangel besagen“ (ebd). Eine getreue Übersetzung dieser Konstruktion ist schwerlich möglich (vgl. Görg 2001: 895) und dementsprechend zahlreich sind die Bedeutungswie dergaben: von „öde und leer“ zu „wüst und wirr“ als auch „öde Wüste“ und „ein Nichts und Gar Nichts“ (Fischer: ebd).

Bisher geben diese Übersetzungen wenig Aufschluss über die Bedeutung von Tohuwabohu, insbesondere sein Bezug zum Chaos lässt sich aus der Vorstellung von Ödnis, Leere oder gar schlichtem Nichts nicht ableiten. Sachdienlich für ein besseres Verständnis ist die Erweiterung des Fokus auf den umliegenden Kontext, einfach gefragt: Wo tauchte der Begriff erstmalig auf?

In Genesis (Gen) – dem ersten Buch der jüdischen Tora und auch das erste Buch der christlichen Bibel – steht zu Anfang die Schöpfungserzählung, in welcher Tohuwabohu in Gen 1,2 zur Beschreibung des Zustandes der Erde aufgeführt wird; da heißt es: „Die Erde war wüst und wirr […]“ (Gen 1,2). Die Autorengruppe des Textes, die sich aus Personen der jüdischen Priesterkreise zusammensetzte, schaffte mit diesem konstruierten Ausdruck die Vorstellung eines VorWelt-Zustands, wie sie in ähnlicher Weise unter anderem in ägyptischen Kosmogonien – also Lehren über die Entste hung des Universums – auftritt (vgl. Nelis 1968: 285). Diese Art der Präexistenz beschreibt Jan Assmann wie folgt:

Das Mysterium der Präexistenz erfährt viele Ausgestal tungen. Diese[r] […] wird ein vorweltliches Ambiente beigegeben, ein Ur Chaos, das man sich lichtlos, endlos, formlos vorstellt. Das Chaos ist nach ägyptischer Vorstel lung kein Nichts, kein gähnender Abgrund (wie das grie chische Wort ‚Chaos‘ es ausdrückt), sondern ein Urschlamm voller Keime möglichen Werdens (Assmann 2003: 22).

Davon inspiriert, wird auf Textebene der jüdisch christlichen Schöpfungserzählung ein ähnliches Narrativ konstruiert, das im Wort Tohuwabohu seine sprachliche Gestalt erfährt. Die ser Vor-Welt-Zustand, das Tohuwabohu, markiert chaotische, ungeordnete und lichtlose Verhältnisse innerhalb einer Lee re; der schöpferische Akt steht in der Erzählung noch bevor.

Nach heutigem Verständnis wirkt die Charakterisierung eines leeren Raums als chaotisch fast widersprüchlich, gar paradox. Wie kann etwas chaotisch sein, wo noch nichts ist? Um dieser Frage in adäquater Form zu begegnen, gilt es die Perspektive der jüdischen Autorengruppe in den Blick zu nehmen, die in Anlehnung an bereits bestehende Kosmogo nien der antiken Welt eine eigene formulierte. Denn anders als das Chaosverständnis im angeführten Beispiel ägypti scher Kosmogonie, die in der Vorstellung eines pulsierenden

artikel » zwölf

und bereits vor Leben strotzendem Urschlamms ein Chaos manifestiert sieht, zeigt es sich in der jüdisch christlichen Kosmogonie als Verneinung von Ordnung. Johannes Nelis erläutert dazu:

Bei dieser Beschreibung geht der priesterliche Denker vom heutigen Kosmos aus. Vom Begriff dieses Kosmos löst er nun alles, was ihm entsprechend Ordnung und Vollkommenheit ausmacht, um dadurch unter Verwendung der damals ge bräuchlichen kosmogonischen Begriffe zu dem Punkt zu kom men, wo Gottes schöpferische Aktivität eingegriffen hat (ebd.).

Die Rolle des Begriffs Tohuwabohu wird damit eindeutig bestimmt: Innerhalb des Erzähltextes setzt er einen kontras tierenden Marker; weniger steht die Beschreibung des Chaos im Vordergrund als die im Begriff zu entstehende Ordnung. Damit fungiert er auf sprachlicher Ebene als Startpunkt, ab welcher der Text die im Fokus liegende Schöpfungshand lung entfaltet. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn das vorweltliche Nichts als wüst, öde und leer bezeichnet und damit negativ konnotiert wird. Eine Absicht des Textes besteht unter anderem darin, in der Kontrastierung zum Urchaos eine hoffnungsvolle Perspektive zu eröffnen, die in der Fülle des Lebens ihren Höhepunkt erreicht.

Mit welcher Konnotation der Begriff Tohuwabohu heut zutage versehen wird, unterscheidet sich damit nicht un wesentlich von seiner ursprünglichen Bedeutung. Diese vermag dennoch inspirierend nachzuhallen, kann Chaos offensichtlich auch in der Leere bestehen und notwendiger Nährboden für Ordnung sein.

Assmann, J. (2003): Kosmogonie, Schöp fung und Kreativität im Alten Ägypten. In: Krüger, O.; Sariönder, R.; Deschner, A. (Hg.): Mythen der Kreativität. Das Schöpferi sche zwischen Innovation und Hybris. Frank furt: Otto Lembeck. S. 21–36.

Bibliographisches Institut (Hg.) (2022): Tohuwabohu. In: Duden. On line verfügbar unter: https://www.du den.de/node/183234/revision/595601 [27.05.2022].

Fischer, G. (2018): Genesis 1-11 (HThKAT). Freiburg: Herder.

Görg, M. (2001): Tohuwabohu. In: Görg, M.; Lang, B. (Hg.): Neues Bibel-Lexikon. Bd. 3. Düsseldorf: Benzinger. S. 895–896.

Nelis, J. (1968): Chaos. In: Haag, H. (Hg.): Bibel-Lexikon. 2. Auflage. Einsiedeln: Ben zinger. S. 284–286.

Verwendete Bibelfassung: Bischöfe Deutschlands, Österreichs, der Schweiz et al. (Hg.) (2017): Die Bibel. Einheitsüber setzung. Freiburg: Herder.

» im begriff philou .

VERSUCH EINER KLASSIFIKATION DES CHAOS

Um Chaos zu differenzieren, wird zunächst eine Begriffs bestimmung dessen benötigt, was Chaos darstellt. Hier ist Chaos nicht im Alltagssprachgebrauch – „die Küche ist reinstes Chaos“ – sondern im wissenschaftlichen Sinne als Zustand eines Systems gemeint, dessen zukünftige Ent wicklung in hohem Grade unvorhersehbar ist. Der natur wissenschaftlich technischen Perspektive folgend lassen sich solche Systeme durch einerseits Sensitivität gegenüber kleinen Störungen und andererseits komplexe Strukturen klassifizieren (vgl. Hunt/Ott 2015). Der folgende Artikel diskutiert diese Begriffsbestimmung, ihre Anwendbarkeit und führt neben Chaos als explizitem Attribut eines Systems auch Chaos als Attribut der Perspektive der beobachtenden Person ein.

Die Eigenschaft „Extreme Sensitivität gegenüber kleinen Störungen“ ist gut erfassbar, da sie ein Beiprodukt jeder experimentellen Vorhersage ist: Jede Messung des Anfangs zustands eines Experiments unterliegt gewissen Unsicher heiten, die zu Fehlern in der Vorhersage führen können.

artikel » vierzehn

Das muss aber nicht automatisch zu Chaos führen: Es ist in der Regel nicht möglich, beim Mischen von Wasserstoff und Sauerstoff die exakte Anzahl der Wasserstoffatome und der Sauerstoffatome zu bestimmen. Trotzdem ist, ob nun ein Atom mehr oder weniger beteiligt ist, das Ergebnis des An zündens der besagten Mischung (Knallgasreaktion) absehbar. Dabei ist Sensitivität gegenüber Störungen stets in einem Spannungsfeld: Schlechte Messungen oder blankes Unwis sen können jedes Experiment zu einem chaotischen Aben teuer verkommen lassen. Stattdessen stellt sich die Frage, was bei guten Messungen und korrekt angewandter Empirie vorhersagbar ist bzw. wäre. Um dies schärfer abzugrenzen, führen Ying und Zhang die Konzepte der intrinsischen und extrinsischen Vorhersagbarkeit ein. Erstere repräsentiert das Limit dessen, was unter der Annahme perfekter Modelle und vollständiger Information zu Modellbeginn vorhersag bar wäre. Letzteres hingegen beschreibt die beste Schranke für das, was im Rahmen realistischer Unsicherheiten sowohl im Modell als auch der Datenlage zu erwarten wäre (vgl. Ying/Zhang 2017). Wesentlicher Unterschied ist hier, dass die extrinsische Vorhersagbarkeit mittels technischen und wissenschaftlichen Fortschritts gesteigert werden kann, die intrinsische Vorhersagbarkeit jedoch nicht (vgl. Zhang et al. 2019).

Ausgehend von der obigen Definition lässt sich die folgende Faustformel formulieren, um die Chaotik von Systemen rela tiv zueinander zu bewerten: Systeme sind extrinsisch chaoti scher, wenn der zeitliche Rahmen zuverlässiger Vorhersagen, bei verhältnismäßigem und vergleichbarem Aufwand zur Datenerfassung, kürzer ist. Systeme sind intrinsisch chaoti scher, wenn der zeitliche Rahmen zuverlässiger Vorhersagen, bei perfekter Modellierung und vollständigen Anfangsdaten, kürzer wäre. Wobei zuverlässig hier immer bedeutet, dass die Chance, falsch zu liegen, unter einer zuvor definierten Schranke ist. Somit ist der Flug eines Asteroiden, dessen mögliche Kollision mit der Erde innerhalb eines 20 minü tigen Zeitfensters im März des Jahres 2880 heute nicht abschließend mit voll ständiger Sicherheit

zu klären ist (vgl. Giorgini et al. 2002), weniger chaotisch als das Schwingen eines Doppelpendels, bei dem wenige Sekunden genügen, um kleinste Abweichungen um mehr als das Tausendfache zu verstärken (vgl. Levien/Tan 1993). Wichtig ist, dass bei dem Vergleich die Zunahme von Unsi cherheit über die Zeit und die Fähigkeit, diese Zunahme zu verringern, (vgl. Draper 2011) im Mittelpunkt stehen und nicht nur die Unsicherheit der initialen Messung.

Die Frage, wie gut eine bestmögliche Vorhersage wäre, ist wichtig, weil sie mögliche Schranken wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns aufzeigt. In der Praxis zielen Vorher sagen aber häufig darauf ab, Entscheidungsprozesse zu un terstützen. Um ein wesentliches Beispiel aufzugreifen: Für den Klimawandel gilt, dass dessen Ausmaß stochastisch gut beschreibbar ist, aber trotzdem hohe Unsicherheiten enthält (vgl. Stainforth et al. 2005, Gregory et al. 2021). Ob es eines Tages möglich sein wird, diese Effekte analytisch vollständig und akkurat vorauszuberechnen, ist dabei für die aktuelle Bewertung und daraus folgende Maßnahmen unerheblich. Somit ist hier die Frage nach der intrinsischen Vorhersag barkeit gegenüber der extrinsischen Vorhersagbarkeit, auf die Realität des Handelns bezogen, bedeutungslos.

Egal wie gut Modell und Messung sind: Beliebig lange lässt sich kein System – erst recht nicht mit absoluter Sicherheit – voraussagen. Das bedeutet jedoch nicht, dass vollständiges Unwissen über den Zustand eines Systems vorliegen muss. So mag die Wellenfunktion eines Quantenteilchens bekannt und somit seine Aufenthaltswahrscheinlichkeit bestimmbar sein, auch wenn die genaue Position unsicher bleibt. Die Existenz einer einfachen Wahrscheinlichkeitsverteilung für mögliche Zustände ist auch deshalb wichtig, weil es Cha os von Zufall abgrenzt. So ist das Werfen eines Würfels inhärent zufällig, aber trotzdem wenig überraschend, und die Menge der möglichen Ergebnisse eines Wurfs klein. Deshalb lässt sich argumentieren: Systeme sind weniger chaotisch, wenn ihr Verhalten stochastisch gut beschreibbar ist. Dagegen sind Systeme chaotischer, wenn es schwieriger ist, eine Wahrscheinlichkeitsverteilung anzugeben. Ebenso

» im begriff philou.

sind Systeme chaotischer, wenn die Ergebnismenge größer ist, insbesondere unendlich groß und unbeschränkt.

Zurück zur Begriffsbestimmung von Chaos: Neben der Sensitivität gegenüber kleinen Störungen ging es dabei auch um komplexe Strukturen (vgl. Hunt/Ott 2015). Letztere sind deutlich schwerer zu operationalisieren, denn was komplexe Strukturen auszeichnet, hängt in hohem Maße von wis senschaftlicher Disziplin und gewählten Theorien ab. Aus naturwissenschaftlich technischer Perspektive führen Aziza et al. (2016) eine Reihe von Faktoren auf, die häufig kom plexe Systeme auszeichnen. Die Autoren diskutieren dies zusammen mit verschiedenen Komplexitätstheorien, weisen jedoch selbst darauf hin, dass die Auswahl geeigneter Theori en in jedem Einzelfall anders zu bewerten und insbesondere auch nicht eindeutig ist (vgl. Aziza et al. 2016). Hier lässt sich festhalten, dass die Eigenschaft „komplexer Strukturen“ zwar ebenso relevant ist für die Bewertung von Komplexität wie die Sensitivität gegenüber Störungen, in der Anwendung allerdings deutlich schwieriger zu handhaben ist.

Die zugrundeliegende Begriffsbestimmung hat Chaos als Eigenschaft eines Systems beschrieben. Allerdings spielt auch die Fähigkeit individueller Beobachter*innen eine we sentliche Rolle: Die Handlungen eines Roboters mögen für Uneingeweihte erratisch wirken, für die Entwickler*innen desselben aber rational und berechenbar sein. Insofern mag ein System chaotisch wirken, auch wenn es in Essenz deter ministisch ist. Das heißt auch der Begriff der extrinsischen Vorhersagbarkeit genügt nur, um die Welt von Expert*innen zu beschreiben, aber nicht, um die Wirklichkeit normaler Menschen zu erfassen.

Ähnlich lässt auch der Standpunkt der Beobachtenden im System unterschiedliche Bewertungen von Vorhersagbarkeit zu: Während viele Personen aus der Selbstwahrnehmung heraus davon ausgehen, geleitet von individuellen Moti vationen und Plänen zu handeln, erscheint von außen die Bewegung von Menschen größtenteils zufällig. Trotzdem

lässt sich diese Bewegung gut stochastisch modellieren und theoretisch mit vergleichsweise gutem Erfolg vorhersagen. (vgl. Song/Qu 2010)

Somit basiert die Antwort auf die Frage, ob ein System chaotisch ist und/oder chaotischer als ein anderes, auf der Auswahl der jeweiligen Beobachtenden. Dabei ist zu spezi fizieren, welches Wissen den Beobachtenden zur Verfügung steht. Falls es sich dabei um idealisiertes, bestmögliches Wis sen handelt, ist es wichtig genau zu definieren, was dieses enthalten würde.

Was sich im Rahmen dieses Artikels nur unzulänglich diskutieren lässt, ist welche Rolle eigentlich das Beobachten selbst spielt. Jede Beobachtung bedingt eine Interaktion mit dem beobachtenden System: Beim Pendel ist das weniger bedeutsam, wenn davon ausgegangen wird, dass der Licht strahl, der am Pendel gestreut wird, unser Auge erreicht und uns mitteilt, wo sich das Pendel befindet, das Experiment nicht wesentlich ändert. Taucht man jedoch in die Tiefen der Quantenmechanik, zeigt dieser Typ von Effekten fun damentale Grenzen unseres Wissens auf und das, obwohl Quantenphysik unter die Dinge fällt, die sich stochastisch sehr zuverlässig beschreiben lassen (vgl. Fließbach 2008). Dass Beobachtung die Wirklichkeit verändert, ist jedoch nicht bloß ein Problem von Physiker*innen: Der bekannte Historiker Yuval Noah Harari unterscheidet chaotische Sys teme von dieser Idee ausgehend in zwei Kategorien: Systeme erster Ordnung, die sich nicht wesentlich verändern, wenn man sie misst, und Systeme zweiter Ordnung, deren Messung die Eigenschaften des Systems wesentlich beeinflusst. Ha raris Beispiel dazu ist die Vorhersage des Ölpreises: Wäre es einzelnen Marktakteuren möglich, den Ölpreis für den nächsten Tag akkurat vorherzusagen, so würden diese das entsprechend nutzen und damit wiederum den Ölpreis än dern. (vgl. Harari 2013) Daraus folgt, dass Vorhersagbarkeit

artikel » sechzehn

zwar auf den ersten Blick die Zukunft sicherer macht, in manchen Fällen aber selbst wieder zu mehr Volatilität führen kann – Vorhersage bleibt also immer eine Gratwanderung.

Abschließend betrachte das folgende Gedankenexperiment: Nimm an, ein hochmotiviertes RWTH Forschungsteam findet im nächsten Jahr eine „Weltformel“, die jedes Problem fehlerfrei modelliert. Nimm an, dasselbe Team baut auch noch eine perfekte Messmaschine, welche jeden Teil unserer Wirklichkeit bis ins letzte Detail erfassen kann. Hat sich das mit dem Chaos dann erledigt? Das hängt davon ab: Gibt es überhaupt einen Server, der alle Messdaten speichern kann? Und gibt es einen Algorithmus, der die Weltformel tatsächlich löst? Und selbst wenn es einen solchen Algorith mus gibt, was ist dessen Laufzeit und Speicherbedarf? Nur weil ein Problem eine eindeutige Lösung hat, bedeutet das nicht, dass diese auch in akzeptabler Zeit berechenbar ist. Das gilt selbst, wenn es nur endlich viele Lösungen gibt und es im Prinzip reichen würde, alle durchzuprobieren. Somit bleibt selbst für idealisierte Systeme in der Praxis immer die Frage nach der Berechenbarkeit einer Lösung. Oder anders gesagt: Determinismus schützt zwar vor Chaos, aber nicht vor Unwissen.

Gregory, J.; Stouffer, R.; Molina, M.; Chi dthaisong, A.; Solomon, S.; Raga, G.; Friedlingstein, P.; Bindoff, N.; Treut, H.; Rusticucci, M.; Lohmann, U.; Mote, P.; Randall, D.; Christensen, J.; Hoskins, B.; Stocker, T.; Manning, M.; Denman, K.; Lemke, P.; Jones, P.; Brasseur, G.; Meehl, G.; Nicholls, N.; Arblaster, J.; Qin, D.; Wood, R.; Heimann, M.; Hegerl, G.; Fahey, D.; Alley, R.; Berntsen, T.; Forster, P.; Kattsov, V.; Zwiers, F.; Ren, J.; Wratt, D.; Whetton, P.; Ramaswamy, V.; Jansen, E.; Hewitson, B.; Stott, P.; Chen, Z.; Matsuno, T.; Jouzel, J.; Overpeck, J.; Knutti, R.; Somerville, R.; Trenberth, K.; Willebrand, J.; Joos, F.; Stone, D. (2021): Climate Change 2021 — The Physical Sci ence Basis. In: Chemistry International, 43(4). S. 22–23.

Giorgini, J.; Ostro, S.; Benner, L.; Cho das, P.; Chesley, S.; Hudson, R.; Nolan, M.; Klemola, A.; Standish, E.; Jurgens, R.; Rose, R.; Chamberlin, A.; Yeomans, D.; Margot, J. (2002): Asteroid 1950 DA‘s Encounter with Earth in 2880: Physical Li mits of Collision Probability Prediction. In: Science, 296(5565). S. 132–136.

Harari, Y. (2013): Eine kurze Geschichte der Menschheit. München: Pantheon, 29. Auflage 2015.

Hunt B.; Ott E. (2015): Defining chaos. In: Chaos, 25(9). S. 097618.

Levien, R.; Tan, S. (1993). Double pendu lum: An experiment in chaos. In: American Journal of Physics, 61(11). S. 1038–1044.

Aziza, R.; Borgi, A.; Zgaya, H.; Guin houya, B. (2016): Simulating Complex Systems - Complex System Theories, Their Behavioural Characteristics and Their Simu lation. In: van Herik, J.; Filipe, J. (Hg.): Pro ceedings of the 8th International Conference on Agents and Artificial Intelligence, 2. Setú bal: SCITEPRESS. S. 298–305.

Draper, D. (1995): Assessment and Propa gation of Model Uncertainty. In: Journal of the Royal Statistical Society: Series B (Metho dological), 57(1). S. 45–70.

Fließbach, T. (2008): Lehrbuch zur Theore tischen Physik III. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag. 5. Auflage 2012. S. 47–62.

Song, C.; Qu, Z.; Blumm, N.; Barabasi, A. (2010): Limits of Predictability in Human Mobility. In: Science, 327. S. 1018–1021.

Stainforth, D.; Aina, T.; Christensen; C., Collins; M., Faull, N.; Frame, D.; Kettle borough, J.; Knight, S.; Martin, A.; Mur phy, J.; Piani, C.; Sexton, D.; Smith, L. (2005): Uncertainty in predictions of the cli mate response to rising levels of greenhouse gases. In: Nature, 433. S. 403–406.

Ying, Y.; Zhang, F. (2017): Practical and Intrinsic Predictability of Multiscale Weather and Convectively Coupled Equatorial Waves during the Active Phase of an MJO. In: Jour nal of the Atmospheric Sciences, 74 (11). S. 3771–3785.

Zhang, F.; Sun, Y.; Magnusson, L.; Bu izza, R.; Lin, S.; Chen, J.; Emanuel, K. (2019): What Is the Predictability Limit of Midlatitude Weather?. In: Journal of the At mospheric Sciences, 76(4). S. 1077–1091.

» im begriff philou.

A THEORY OF EVERYTHING?

Wie die Physik versucht, Ordnung in unsere Welt zu bringen

Um unsere Welt zu beschreiben, kennen die Wissenschaften zahlreiche Theoreme, Axiome, Gesetze und Formeln. Dabei ist nicht immer einfach ersichtlich, ob – und wenn ja, wie – diese zusammenhängen. Insbesondere wenn ein physika lisches Gesetz experimentell motiviert ist, ist erst einmal kein direkter Zusammenhang zu einem anderen gegeben. Zahllose verschiedene Theorien sind aber nicht nur un praktisch, in einem Dschungel von unzusammenhängenden Gleichungen, Axiomen und Theoremen lässt sich leicht der Überblick verlieren. Solches Chaos widerspricht auch einem gewissen Bedürfnis der Menschen, die Welt, die sie umgibt, erklären zu können (vgl. Ayan 2014). Gleichzeitig werden besonders simple und besonders allumfassende Theorien von vielen Physiker*innen als besonders ästhetisch empfunden (vgl. Rovelli 2015). Eine Kombination dieser beiden Ziele hat in vielen Wissenschaften, neben den Natur auch etwa den Sozialwissenschaften, ein Streben nach Vereinheitli chung der Theorien hervorgebracht (vgl. Cat 2022). Es lässt sich allgemein sagen, dass „Vereinheitlichung erreicht [ist, wenn] unabhängige Entitäten (oder Strukturen) in der neu en Theorie auf eine einzelne Entität (oder Struktur) reduziert werden können“ (Salimkhani 2021: 7). Insbesondere in der Physik ist dieses Prinzip zu einer Suche nach einer einzigen Theorie, die alles beschreibt, sozusagen einer Weltformel oder Theory of Everything (TOE), avanciert. In der Literatur ist die Kenntnis dieser nach Belieben entweder für den Auf stieg oder den Untergang der Menschheit verantwortlich, etwa in Dürrenmatts Roman „Die Physiker“. Die Suche nach dieser noch unbekannten Formel treibt auch in der Realität die physikalische Forschung nicht unwesentlich an und bestimmt als Leitprinzip mitunter, in welche Richtung geforscht werden soll. (vgl. Müller 2014) In Anbetracht ak tueller Forschung, die gerade auf der Suche nach der TOE auch viele Rückschläge verkraften muss (vgl. Mättig/Stoelz ner), stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die Idee einer allumfassenden Theorie als wissenschaftliches Leitprinzip taugt. Kann dieses Streben nach Vereinheitlichung in der

Praxis zu neuen Erkenntnissen – und somit eventuell zu einer Weltformel – führen, oder wäre eine solche zwar äs thetisch und befriedigend für unser Ordnungsbedürfnis, in der Praxis aber nicht umsetzbar?

Vereinheitlichung kann sowohl zwischen zwei Diszipli nen, etwa der Chemie und der Physik, als auch zwischen Theorien innerhalb einer einzelnen Fachrichtung erreicht werden. In den meisten Fällen beschreibt Vereinheitlichung eine Reduktion, also zum Beispiel die Idee, dass alle Phäno mene innerhalb der Chemie durch die Gesetze der Physik ausgedrückt werden können. So war etwa der Philosoph Rudolf Carnap Vertreter einer reduktionistischen Version der Vereinheitlichung der Naturwissenschaften, die salopp auch unter „Alles ist Physik“ bekannt ist. (vgl. Access Sci ence 2014) Reduktion spielt auch eine Rolle, wenn sich Physiker*innen auf die Suche nach der Weltformel bege ben: Schon bekannte Theorien sollen in einer neuen, einen größeren Bereich abdeckenden Theorie wiederfindbar und somit auf sie reduzierbar sein. Die alte Theorie ist damit nicht falsch, aber überflüssig geworden.

Die fundamentalsten Theorien in der Physik sind die vier Grundkräfte, mit denen die Wechselwirkung zwischen Materieteilchen beschrieben werden kann: Die elektroma gnetische Kraft, die die Anziehung zwischen Ladungen be schreibt, die starke Kernkraft, die Atomkerne zusammenhält, die schwache Kraft, die zur Beschreibung von radioaktiven Zerfällen benötigt wird, sowie die Gravitation, die die Anzie hung von Körpern aufgrund ihrer Masse beschreibt. Diesen Kräften werden jeweils ein oder mehrere Austauschteilchen zugeordnet, mit denen die Wechselwirkungen modelliert werden können. Wenn von Vereinigung in der Physik ge sprochen wird, ist damit gemeint, dass es „eine Theorie gibt, in der keine Unterschiede zwischen diesen vier Kräften mehr bestehen“ (Maudlin 1996: 139). Mit besseren Messmethoden und neuen mathematischen Techniken hat sich das Wissen

artikel » achtzehn

über diese Kräfte vergrößert. Im Jahr 1865 fand James Clerk Maxwell heraus, dass magnetische und elektrische Felder ineinander umwandelbar und durch eine einzige Theorie be schreibbar sind. Die zwei ursprünglichen Theorien konnten auf ein System aus nur vier Gleichungen reduziert werden, die das Fundament des oben als erste Theorie genannten Elektromagnetismus bilden. (vgl. Müller 2014) Ein Jahrhun dert später, in den 1970er Jahren, kam die elektroschwache Theorie auf. Obwohl sich die elektromagnetische und die schwache Kraft in den für uns zugänglichen Energien sehr verschieden äußern – die schwache Kraft hat eine Reichweite kleiner als ein Atomkern, während die elektromagnetische Kraft prinzipiell unendlich weit reichen kann – wird bei

deutlich höheren Energien die Einheit der Kräfte sichtbar. Solche hohen Energien sind etwa kurz nach dem Urknall aufgetreten. Mit dem Abkühlen des Universums hat sich die elektroschwache Kraft in zwei Teile geteilt. (vgl. Morrison 2013) Mithilfe der elektroschwachen Theorie konnten neue Teilchen vorhergesagt werden, die später auch experimen tell nachgewiesen wurden, was zur allgemeinen Akzeptanz der Theorie unter Physiker*innen führte (vgl. Müller 2014). Zusammen mit der elektroschwachen Kraft ist die Kernkraft im sogenannten Standardmodell der Teilchenphysik zusam mengefasst, sie bleiben dort aber als unabhängige Theorien bestehen. Die Suche nach einer Vereinheitlichung dieser beiden Kräfte in einer sogenannten großen vereinheitlichten

» im begriff philou .

Theorie (Englisch Grand Unified Theory, GUT) ist Gegenstand aktueller Forschung. Die Energien, die zur experimentellen Überprüfung einer GUT benötigt werden, liegen weit über den aktuellen technischen Möglichkeiten. Daher konnte bisher keine mögliche GUT überprüft oder bestätigt werden, sodass mehrere Kandi daten mit unterschiedlich starker Akzeptanz in der Community kursieren. (vgl. Access Science 2014) In einer GUT wären drei der vier eingangs beschriebenen physikalischen Grundkräfte vereint. Eine TOE müsste auch die vierte Grundkraft, die Gravitation, berücksichtigen. Dies stellt eine besondere Herausforderung dar, da die Gravitation im Gegensatz zu den anderen drei Kräften nicht im Rahmen der Quantenmechanik beschrieben werden kann und sich somit mathematisch von ihnen unterscheidet (vgl. ebd.). Allerdings setzt die Suche nach einer TOE voraus, dass die schwache, starke und elektromagnetische Kraft erfolgreich ver einigt wurden (vgl. Morrison 2013). Dies ist jedoch, wie oben erläutert, noch nicht geschehen und wird aller Voraussicht nach auch nicht in der nächsten Zeit passieren. Aktuelle Experimente, etwa am Teilchenbeschleuniger CERN, bestätigen die bereits bekannten Theorien, liefern aber keine Hinweise auf Physik jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik, unabhängig von der Art (vgl. Mättig/Stoelzner 2020). Die Suche nach der TOE, egal ob aus pragmatischer oder ästhetischer Motivation, steht damit vor einigen Herausforderungen, führt sie aktuell zu keinen neuen Erkenntnissen. Neben dem momentanen Scheitern der Vereinheitlichung als Leitbild wird der Vereinheitlichungsgedanke auch durch sogenannte emergente Phänomene vor Probleme gestellt. Diese beschreiben Materieeffekte, die nicht durch das Verhalten der zugrundeliegenden Teilchen beschrieben werden können und treten etwa in der Festkörperphysik auf. Hier ist eine Reduktion auf eine einzelne grundlegende Theorie nur schwer vorstellbar. (vgl. Morrison 2013)

Kann der Vereinheitlichungsgedanke noch zu neuen Erkenntnissen führen oder sollte sich die Physik andere Motive suchen, die ihre Forschung anleitet? Kian Salimkhani argumentiert, dass der Vereinheitlichungsgedanke nicht von metaphy sischen – also außerhalb der Physik stehenden, eher philosophischen – Annahmen abhängt, sondern „das Ergebnis guter wissenschaftlicher Praxis ist“ (Salimkhani 2021: 20). Vereinheitlichung sei kein äußerlich angenommenes Prinzip, sie ent stehe innerhalb des wissenschaftlichen Prozesses als direkte Folge der Suche nach der bestmöglichen Erklärung.

Die Frage, ob das Ziel der Vereinheitlichung, die ganze Welt mit nur einer Formel beschreiben zu können, ein erreichbares und überhaupt erstrebenswertes ist, lässt sich also nicht einfach mit ja oder nein beantworten. Obwohl das Streben nach der simpelsten Beschreibung unserer Welt und damit die ultimative Bändigung des Chaos aus metaphysikalischer und ästhetischer Perspektive als nobles Ziel ange sehen werden kann, ist an der Praktikabilität, insbesondere innerhalb der Physik in den letzten Jahrzehnten, zunehmend Zweifel aufgekommen. Die Entdeckung immer neuer Phänomene in der Festkörperphysik scheint die Existenz einer TOE ebenso zu untergraben wie die Tatsache, dass die Teilchenphysik auf dem Weg, die Grundkräfte zu vereinheitlichen, aktuell nicht weiter vorankommt.

Access Science (2014): Unification theories and a theory of everything. In: McGraw Hill Access Science. Online verfügbar unter: ht tps://www.accessscience.com/content/uni fication-theories-and-a-theory-of-everything/ BR0814141 [Zugriff: 06.06.2022].

Ayan, S. (2014): Why We Wonder Why. In: Scientific American, 08.09.2014. Online verfügbar unter: https://blogs.scientificame rican.com/mind-guest-blog/why-we-wonderwhy/ [Zugriff: 13.06.2022.]

Cat, J. (2022): The Unity of Science. In: Zal ta, E. (Hg.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Stanford: Metaphysics Research Lab.

Mättig, P.; Stoelzner, M. (2020). Model landscapes and event signatures in elemen tary particle physics. In: Studies in History and Philosophy of Science Part B: Studies in History and Philosophy of Modern Physics, 69. S. 12–25.

Maudlin, T. (1996): On the Unification of Physics. In: The Journal of Philosophy, 93(3). S. 129–144.

Morrison, M. (2013): Unification in Physics. In: Batterman, R. (Hg.): The Oxford Hand book of Philosophy of Physics. Oxford: Ox ford University Press.

Müller, A. (2014): Vereinheitlichung. In: Spektrum. Online verfügbar unter: https:// www.spektrum.de/lexikon/astronomie/ver einheitlichung/512 [Zugriff: 06.06.2022].

Rovelli, C. (2015): The most beautiful physi cal theory. In: Rovelli, C. (Hg.): General Re lativity: The most beautiful of theories. Berlin, München, Boston: De Gruyter. S. 1–6.

Salimkhani, K. (2021): Explaining unifica tion in physics internally. In: Synthese, 198. S. 5861–5882.

artikel » zwanzig

• Raumlufthygiene

• Trinkwasserqualität

• Umwelttechnik

• Umweltberatung

HYGIENEPRÜFUNGEN

Finden sich Flächen mit erhöhter Keimbelastung? Stimmen Raumtemperatur und Luftfeuchte? Sind die Arbeitsabläufe hygienisch einwandfrei?

Fragen, die Ihnen gui-lab zuverlässig beantwortet: Von der Messplanung über die Analyseerstellung, die Detailauswertung bis hin zum Optimierungs vorschlag.

Ebenfalls sehr wichtig ist uns die Überprüfung von raumlufttechnischen Anlagen („Klimaanlagen“) auf eventuelle Hygieneschwachstellen. Schließlich muss die Luft, die wir einatmen, ebenso einwand frei sein wie unser tägliches Essen und Trinken. Unsere Fachleute führen in vielen renommierten Gebäuden Hygieneinspektionen von RLT-Anlagen analog VDI 6022 durch. Als VDI-geprüfte Fachin genieure RLQ und RLQ-Manager der DGUV-Test überprüfen wir Raumlufttechnische Anlagen bereits vor Inbetriebnahme und nehmen hier Aufgaben des Gesundheitsschutzes und der Gefährdungsbeurteilung wahr.

PRODUKTZERTIFIZIERUNGEN

Vom Handschuh über den Staubsauger, die Matratze, die Waschmaschine, den Teppich, bis hin zum Luftreinigungsgerät – für Allergiker relevante Produkte. Aber auch Produkte, die allgemein zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen, haben vielfach schon heute ein gui-lab Prüfzeichen. Auch Prozesse innerhalb der Gebäudetechnik, die die Hygiene beeinflussen, werden von uns zertifiziert. Innerhalb unseres Netzwerkes haben wir uns zu höchstem Qualitätsstandard verpflichtet. Darüber hinaus zertifizieren wir fertig installierte Raumlufttechnische Anlagen und dezentrale Befeuchter als VDI-geprüfte Fachingenieure RLQ gemäß der Richtlinien VDI 6022 Blatt 1 und Blatt 6. Bei erfolgreicher Prüfung erhält die Anlage einen VDI-Prüfaufkleber, der diesen Erfolg belegt, aber auch die nächsten notwendigen Hygieneinspektio nen terminiert.

Wieselweg 16 41239 Mönchengladbach info@dr-winkens.de

®
Anzeige

„Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch.“

1844–1900

Chaos im Gefühl

Dein Gehirn ist ein Dschungel wie jedes andere Ge hirn auch. Ein wilder, gefährlicher und gnaden- und gesetzloser Urwald voller unberechenbarer Kreatu ren. Perfekte Ordnung und totales Chaos, Diktatur und Anarchie, freier Wille und irrer Zwang, Fressen und Gefressenwerden – all das existiert darin. Wie in einem Zoo, in dem alle Käfigtüren offenstehen.“

ÜBER DAS ES

Einer der populärsten Ansätze zur Erklärung der Persönlichkeit ist die von Sigmund Freud begrün dete Psychoanalyse. Diese ist zwar in vielen Punkten empirisch nicht haltbar, hat aber die moderne Psy chologie stark beeinflusst und wird teilweise noch immer weiterentwickelt. Insbesondere die Vorstel lung vom Es, Ich und Über-Ich als zentrale und mit einander konkurrierende Persönlichkeitsbestandteile prägt noch heute die Vorstellung vieler Menschen. Während das Ich gewissermaßen die Exekutive der Persönlichkeit darstellt, sind im Über-Ich Weltan

schauungen und Prinzipien verinnerlicht. Über das Es, bei dem es sich um den triebhaften Teil der Per sönlichkeit handeln soll, schrieb Freud: „

[Das] Es ist der dunkle, unzugängliche Teil unserer Persönlichkeit; das wenige, was wir von ihm wissen, haben wir durch das Studium der Traumarbeit und der neurotischen Symptombildung erfahren und das meiste davon hat negativen Charakter, läßt sich nur als Gegensatz zum Ich beschreiben. Wir nähern uns dem Es mit Vergleichen, nennen es ein Chaos, einen Kessel voll brodelnder Erregungen. Wir stel len uns vor, es sei am Ende gegen das Somatische offen, nehme da die Triebbedürfnisse in sich auf, die in ihm ihren psychischen Ausdruck finden, wir können aber nicht sagen, in welchem Substrat. Von den Trieben her erfüllt es sich mit Energie, aber es hat keine Organisation, bringt keinen Gesamtwil len auf, nur das Bestreben, den Triebbedürfnissen unter Einhaltung des Lustprinzips Befriedigung zu schaffen. Für die Vorgänge im Es gelten die logi schen Denkgesetze nicht, vor allem nicht der Satz des Widerspruchs.“

Siegmund Freud (1940): Gesammelte Werke XV Walter Moers (2017): Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr
philou.

Die Ästhetik des Erhabenen

Naturgewalten sind unberechenbar, chaotisch, beängstigend, zerstörerisch – sie können uns die eigene Vergänglichkeit und physische Schwäche vor Augen führen. Zugleich ist die chaotische Natur in ihren vielen Erscheinungsformen auch eine Quelle für ästhetische Erfahrungen: Reißende Fluten, Wasserfälle, abgrundtiefe Schluchten oder der bestirnte Himmel erfüllen uns mit Ehrfurcht und lassen uns über die Schönheit und Unergründlichkeit der Natur staunen. Auch wenn wir bedrohlichen Naturschauspielen nur als Be trachtende beiwohnen und ihnen nicht hilflos ausgeliefert sind, fühlen wir dennoch ihre zerstörerische Kraft, die uns von einem Moment auf den anderen auslöschen könnte. In dieser Spannung liegt das Moment, das in der Ästhetik das Erhabene genannt wird: Im Angesicht der majestätischen Natur, ihrer Schönheit und unendlichen Weite, versinkt der Mensch in einen ehrfürchtigen und kontemplativen Zustand – weit weg von alltäglichen Gefühlen und Gedan ken. „Der Anblick unbegrenzter Fernen und unabsehbarer Höhen, der weite Ozean zu seinen Füßen, und der größere Ozean über ihm, entreißen seinen Geist der engen Sphä re des Wirklichen […]“ (Schiller 1801: 400) – so schreibt Friedrich Schiller in seiner Abhandlung „Über das Erha bene“.

Bereits in der Antike ist das Gefühl des Erhabenen für die Dichtkunst von großer Bedeutung: Das Pathos des geschei terten Helden in der griechischen Tragödie soll die Zu schauenden in einen emotionalen Zustand der Ergriffenheit versetzen, ohne dass sie sich in einer unmittelbar bedroh lichen Situation befinden. Die Darstellung der erhabenen Natur wird besonders in den Kunstwerken der Romantik programmatisch: Das berühmte Gemälde „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ (1818) von Caspar David Friedrich zeigt eine Berglandschaft, umhüllt von undurchsichtigen Nebelschleiern, und einen Wanderer, der als subjektiver Betrachter aufrecht und stolz auf einem emporstehenden

Felsen steht. Der Wanderer vermittelt das Bild des ver nunftbegabten Menschen, der sich trotz seiner physischen Unterlegenheit über die chaotische Natur erhebt. Im Ange sicht der „geistreichen Unordnung“ (Schiller 1801:400) einer Naturlandschaft gelangt der Mensch in eine gedankliche Versunkenheit, die seine sinnliche Wahrnehmung übersteigt und durch die er sich seiner reinen Vernunft gewahr wird:

[...] kaum entdeckt er in dieser Flut von Erscheinun gen etwas Bleibendes in seinem eigenen Wesen, so fangen die wilden Naturmassen um ihn herum an, eine ganz andere Sprache zu seinem Herzen zu re den: und das relativ Große außer ihm ist der Spiegel, worin er das absolut Große in ihm selbst erblickt. (Schiller 1801:400)

Die Spannung zwischen der chaotischen Natur und dem Menschen als Vernunftwesen, das sich über diese erheben will, ist auch das zentrale Thema in Mary Shelleys weltbe kanntem Schauerroman „Frankenstein“ (1818). Der Wis senschaftler Victor Frankenstein versucht, die Naturgesetze zu überwinden – er will über Leben und Tod herrschen und wird zum Schöpfer einer aus leblosen Körperteilen zusam mengesetzten Kreatur, die er durch seine wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Leben erweckt. Erschrocken von der Hässlichkeit seiner Kreatur wendet er sich jedoch von ihr ab und verstößt sie. Verzweifelt sucht der Wissenschaftler Trost in den Weiten der Natur: Umgeben von einer Schneeland schaft, Gletschern, tiefen Schluchten und Nebel, wandert er eines Tages einsam in den Alpen umher. Im Angesicht der überwältigenden Natur fühlt er die Unbedeutsamkeit und Vergänglichkeit des menschlichen Seins, denn schon kleine Veränderungen können in einer friedlich anmutenden Schneelandschaft unvorhersehbare, zerstörerische Ereignisse auslösen, die den Menschen ins Verderben stürzen:

kreativ » vierundzwanzig

as the slightest sound,such as even speaking in a loud voice,produces a concussion of air sufficient to draw destruction upon the head of the speaker.(Shelley 1818: 68)

Überwältigt von der Anmut der ihn umgebenden Land schaft und verzweifelt über sein Schicksal, überkommt Frankenstein eine Sehnsucht nach dem Göttlichen:

Wandering spirits, if indeed ye wander, and do not rest in your narrow beds, allow me this faint happiness, or take me, as your com panion, away from the joys of life. (ebd.: 69)

Im Angesicht der endlosen Natur kann der Mensch nicht nur zum betrachtenden Gegenüber werden, wie es der Wan derer in Friedrichs Gemälde suggeriert, er kann auch den Wunsch nach Zugehörigkeit verspüren und sich als Teil dieser göttlichen Welt begreifen.

Frankensteins spirituelle Naturerfahrung endet abrupt, als er das hässliche Antlitz seiner Kreatur erblickt, die im Bergmassiv plötzlich vor ihm in Erscheinung tritt. Sie hat sich auf die Suche nach ihrem Erschaffer gemacht, und nun konfrontiert sie ihn mit der Verantwortung, die er für sei ne Schöpfung trägt – eine Schöpfung, die dazu verdammt ist, als Verstoßener in dieser Welt zu weilen. Frankensteins Versuch, über die Natur zu herrschen und sie kontrollieren zu können, ist gescheitert: Seine Schöpfung ist außer Kon trolle geraten und hat seine Welt ins Chaos gestürzt, denn die Kreatur versucht nun eigenmächtig, ihren Platz in der Welt zu finden und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Doch dabei scheitert sie, wird verstoßen, verzweifelt, tötet.

Die Spannung zwischen Mensch und Natur, die Ambivalenz seiner Gefühle – Erstaunen, Ehrfurcht, Angst, Schwäche –und sein Bestreben, sich über die Natur zu erheben, ist seit jeher Stoff künstlerischer Verarbeitungen. Denn die Frage, in welcher Beziehung wir Menschen zu der uns umgebenden chaotischen Welt stehen und welche Rolle wir ihr gegen über einnehmen sollen, ist schon immer eines der größten Menschheitsthemen gewesen.

Schiller, F. (1801): Über das Erhabene. In: Netolitzky, R. (Hg.): Friedrich Schiller. Ge sammelte Werke in fünf bänden. Bd.5: Schriften zur Kunst und Philosophie. Gü tersloh: Bertelsmann 1955. S. 391–407. Shelley, M (1818): Frankenstein. Or the mo dern Prometheus. Oxford: Oxford University Press. 3. Auflage 2019.

» im gefühl philou.

Ballade des klei n en U tnnakebn en

Lehramt Deuts ch/Geschichte SAMUEL PER EPELITSA

Als die Tage wurden trüber, Habe ich mich gut versteckt, Dass egal, wer schaut herüber Keines Falls mich hier entdeckt.

In den Baumkronen des Lebens Sah ich auf die Welt hinab, Suchte ewig, doch vergebens Den Blick hinter die Attrapp‘.

Menschen, Menschen, unversehen Sah ich auf- und untergeh‘n, Manche mit dem Winde wehen, And‘re fest auf Erden steh‘n.

Doch die Zeit, sie blieb nicht stehen Und ich fiel, nicht weit vom Stamm. Es erfasste mich ein Wehen Auf dem Meer, wo ich verschwamm.

kreativ »
sechsundzwanzig

In der Tiefe war‘s, da hört‘ ich Eine webende Musik, Eine Stimme fern, doch deutlich Die sich an die Seele schmiegt:

„Groß wähnt sich des Menschen Wille, Groß im Auge seiner Qual!“

Und ein Blitz schlug ein, dann Stille, Die noch mächt‘ger als der Strahl.

Leise, zart begann von Neuem Eine Stimme, diesmal nah. Deutlich klingend, doch mit scheuem Ton, sodass man Quell‘ nicht sah:

„Ach, je größer sein Empfinden, Umso weiter reicht sein Blick, Doch er tastet gleich dem Blinden Nach dem ewig größer‘n Stück.

Ohne je gewahr zu werden, Ursprung, Kreislauf, Ziel und Sinn. Doch – mit maßlosen Gebärden Wähnt er sich als Herr darin.“

Eine weit‘re Stimme, strenger Fügte sich dem zarten Klang. Die Distanz schien wieder länger Doch mit tiefer wirkend‘ Drang:

„Räume steigern sich ohn‘ Ende, Gleiches gilt der Hybris auch. Doch was daraus auch entstände, Ist von zyklischem Gebrauch.

Strebe, Mensch, nicht nach der Größe, Nach dem endlos trüben Schein, Denn je höher deine Stöße, Holt sehr bald dich Kleines ein.“

Stille, ziehend, ich zog weiter Wie ein Fremdkörper im Meer. Ferne Welten als Begleiter Schwammen tonlos um mich her.

Chaos, Ordnung: Raum-(Kol)lapse? Denk-Skalierung, treibend Sand? Eine große Welt-Synapse Spiegelt Kleines im Verstand.

» im gefühl philou.

CHAOS IM

Sam sitzt im Biologieunterricht – seinem Lieblingsfach – und trägt eine Lederjacke. Es ist das erste Mal, dass er von seiner Kleidungsroutine, immer das gleiche Shirt mit der gleichen Baumwolljacke, abweicht. Die neue Jacke fühlt sich am ganzen Kör per ungewohnt an, die metallenen Schnal len klimpern bei jeder Bewegung leicht gegen den Stuhl, chaotische Reize fluten Sams Gehirn, dem Unterricht kann er nicht mehr folgen. Plötzlich springt Sam auf, reißt sich die Jacke vom Leib und stopft sie in den Mülleimer.

Aus „Atypical“ Staffel 1, Episode 3 (vgl. Robia et al. 2017)

KOPF?

repetitiven Verhalten und ungewöhnlichen Spezialinteressen sowie Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion. Schwierig ist für viele Autist*innen die Interaktion mit Menschen ohne Autismus, da sie häufig Probleme bei der Interpretation von nonverbalem Verhalten, Redewendungen und unausgespro chenen gesellschaftlichen Regeln haben. (vgl. van Elst et al. 2021) Weitere, die Sensorik betreffende, Symptome können eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber äußeren Sinnes eindrücken, ein Verlangen nach geregelten Abläufen, dem die eigenen Fähigkeiten zur Selbstorganisation nicht immer gerecht werden, und ein Hang zur Muster und Detailwahr nehmung sein (vgl. Clausen/Riedel 2020). Menschen mit Autismus fällt das Filtern von äußeren Reizen schwieriger als neurotypischen Menschen, mitunter fließen „Informati onen aus verschiedenen Sinneskanälen […] ineinander und vermengen sich zu einem verwirrenden sensorischen Chaos“ (Preißmann 2015: 107).

Diese Form der Reizüberflutung löst Stress aus. Stress, der wie im eingangs aufgeführten medialen Beispiel auch im echten Leben zu spontanen, emotionsgesteuerten Bewälti gungsmustern führen kann. Die Reduktion von Stressauslö sern, der Umgang mit Stress und das individuelle Finden von Bewältigungsmechanismen ist daher für viele Autist*innen eine wichtige Maßnahme. (vgl. Theunissen 2017)

Diese Szene aus der Serie „Atypical“ ist nur eines von vielen Beispielen für die Darstellung von autistischem Verhalten in Filmen, das eine besondere Wahrnehmung von Ordnung und Chaos vermuten lässt. Da viele Menschen keinen per sönlichen Kontakt zu Autist*innen haben, haben solche medialen Darstellungen einen großen Einfluss auf die gesell schaftliche Wahrnehmung von Autismus. Doch dieses durch Filme vermittelte Bild ist oft nicht sonderlich realistisch: In vielen Filmen werden Autist*innen und ihre Gedankenwelt sehr stereotypisiert dargestellt. (vgl. Nordahl Hansen et al. 2018, Conn/Bhugra 2012) Um mediale Darstellungen, wie die eingangs aufgeführte, besser einordnen zu können, lohnt es sich, sich näher mit dem Thema auseinanderzusetzen. Doch was genau ist Autismus überhaupt?

Es handelt sich bei Autismus um eine neuronale Ent wicklungsstörung, die meist im Kindes oder Jugendalter diagnostiziert wird. Während in der Anfangsphase der Autismusforschung noch von strikt getrennten Subtypen (z.B. dem Asperger Syndrom) ausgegangen wurde, hat sich inzwischen die These von einem kontinuierlichen und breiten Spektrum von Symptomen durchgesetzt, sodass von einer Autismus Spektrum Störung (ASS) gesprochen wird. Hierbei verschwimmt der Übergang zu neurotypischen Menschen, eine klare Trennung zwischen Autismus und „Normalität“ ist nicht definierbar. Die von Person zu Person stark variierenden Symptome von Autismus sind sprach liche Entwicklungsstörungen im Kindesalter, Neigung zu

Eine chaotisch empfundene Welt löst sehr viel Stress aus, der wiederum zu einer natürlichen Labilität im Verhalten führt. Zur Kompensation suchen und brauchen Autisten daher dringend Stabilität. Auf diese Weise verspüren Autisten ein besonderes Bedürfnis nach Beständigkeit, Routine und Ordnung. Es ist deutlich stärker ausgeprägt als bei anderen Menschen. (Schmidt 2016: 158)

Über die Wahrnehmung von Chaos und den eigenen Um gang damit hat die philou. mit einem Aachener mit Autis mus gesprochen, der lieber anonym bleiben möchte. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine einzelne Perspektive keine Repräsentation für alle – nicht einmal zwingend für viele –Menschen mit Autismus sein kann.

philou. Wie empfindest du als Mensch mit Autismus Chaos in deiner Umgebung?

Interviewpartner. Mit Chaos umzugehen, finde ich schwierig, denn ich bin wie viele Menschen mit Autismus sehr strukturiert. Ich habe eine Struktur und wenn ich die nicht einhalte, komme ich ganz durcheinander. Anord nung, Aufbau, innere Gliederung – solche Strukturen spielen für Autisten eine große Rolle.

p. Und wie wirken sich chaotische Umstände auf deine Struktur und dein Wohlempfinden aus?

I. So chaotische, unvorbereitete Sachen gehen bei mir gar nicht, da komme ich mit meiner Struktur ganz durchein ander. Und das wirkt sich negativ auf mein Wohlempfin den aus.

interview » achtundzwanzig

p. Was ist ein Beispiel für eine solche Struktur, die in deinem Leben integriert ist?

I. Beispielsweise stehe ich jeden Samstag früh auf, um einkaufen zu gehen. Nachmittags geht Einkaufen bei mir gar nicht, ich stehe nämlich nicht so auf Rangeln und Schubsen.

p. In den letzten Jahren gab es wiederholt Zeitungsberichte über Supermärkte, die eine sogenannte „Stille Stunde“ einge führt haben: Über die Lautsprecher wird nichts abgespielt, die Lichter sind gedimmt und es können Pläne über die Tempera turzonen im Supermarkt ausgehändigt werden. So soll unter anderem Menschen mit Autismus das Einkaufen erleichtert werden. Wie bewertest du solche Maßnahmen zur Inklusion?

I. Ich finde das klingt gut, auch wenn ich persönlich kein Problem damit habe, einfach früh einkaufen zu gehen. Ins gesamt finde ich es aber wichtig, dass die Gesellschaft und auch Unternehmen auf Menschen mit Beeinträchtigung Rücksicht nehmen und ihnen Teilhabe ermöglichen.

p. Bezieht sich deine Ablehnung von Chaos lediglich auf Ab läufe wie zum Beispiel Verabredungen, oder stört dich auch op tisches Chaos, zum Beispiel wenn ein Zimmer unordentlich ist?

I. Da reagiere ich allergisch, ein Zimmer muss schon ord nungsgemäß aufgeräumt sein. Oder der Leergutraum im Supermarkt, da stehe ich gar nicht drauf, wenn der wie ein Schlachtfeld aussieht.

p. Das ist ein gutes Stichwort: Du arbeitest ja in einem Aa chener Supermarkt. Wie stark beeinflusst dein Autismus deinen Arbeitsalltag?

I. Mal mehr, mal weniger. Mein Anspruch an Ordnung und Genauigkeit beansprucht natürlich Zeit, also brauche ich länger für Aufgaben. Aber hoddelig arbeiten kann ich einfach nicht.

p. Menschen mit Autismus haben es ja schwer auf dem Arbeits markt, sie gelten als weniger leistungsfähig und ihnen wird häufig kein Mindestlohn gezahlt. Würdest du sagen, dass du durch deine ordentliche Arbeitsweise auch Vorteile gegenüber deinen nicht-autistischen Mitarbeiter*innen hast?

I. In mancher Hinsicht könnten sich einige Kolleg*innen tat sächlich eine Scheibe von meiner Arbeitsweise abschneiden – wenn ich gut arbeite. Aber es ist auch schwierig manchmal. Dass ich so deutlich unter dem Mindestlohn bezahlt werde, finde ich dreist, da könnte ich zuhause manchmal anfangen zu weinen. Ich muss auf viele Sachen verzichten und das schmerzt.

p. Wie reagieren andere Menschen darauf, dass du ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Strukturen hast?

I. Manche Menschen können gut damit umgehen, andere nicht. Wenn ich mich mit Menschen verabreden möchte, erhalte ich mehr Ablehnungen als Zusagen. Woran genau das liegt, kann ich natürlich nicht sagen.

p. Abschließend: Wenn du auf deinen Drang nach Struktur blickst, empfindest du ihn als etwas Positives, Negatives oder Neutrales?

I. Als etwas Neutrales. Ich bin es halt gewohnt und es ist ein Teil von mir.

p. Vielen Dank für das Gespräch.

Clausen, J.; Riedel, A. (2020): AutismusSpektrum-Störungen bei Erwachsenen. Köln: Psychiatrie Verlag.

Conn, R.; Bhugra, D. (2012): The portrayal of autism in Hollywood films. In: Internati onal Journal of Culture and Mental Health, 5(1). S. 54–62.

Nordahl-Hansen, A.; Tøndevold, M.; Fletcher-Watson, S. (2018): Mental health on screen: A DSM-5 dissection of portrayals of autism spectrum disorders in film and TV. In: Psychiatry Research, 262. S. 351–353.

Preißmann, C. (2015): Glück und Lebens zufriedenheit für Menschen mit Autismus. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag. 2. Aufla ge 2021.

Robia, R.; Tanen, B.; Saldua, D.; Tramer, A.; Oppenhuizen, M. (Autorenschaft); Re gan, J. (Autorenschaft); Jann, P. (Regie) (2017): Julia Says. In: Gordon, S.; Leigh, J.J.; Oakes, A.; Pereira, K.; Port, M.; Rashid, R.; Rohlich, M.; Tanen, B.; Tarses, M.; Toll, J. (Produzierende): Atypical. Exhibit A; Sony Pictures Television. Staffel 1, Episode 3.

Schmidt, P. (2016): Bedürfnis nach Be ständigkeit, Routine und Ordnung. In: Theunissen, G. (Hg.): Autismus verstehen. Außen- und Innenansichten. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag. S. 158–167.

Theunissen, G. (2017): Autismus und her ausforderndes Verhalten. Freiburg: Lamber tus Verlag. 4. Auflage 2021.

Van Elst, L.; Biscaldi-Schäfer, M.; Riedel, A. (2021): Asperger-Syndrom, AutismusSpektrum-Störungen und Autismusbegriff: historische Entwicklung und moderne No sologie. In: Van Elst, L. T. (Hg.): AutismusSpektrum-Störungen im Erwachsenenalter. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Ver lagsgesellschaft. S. 3–16.

» im gefühl philou .

„Chaos tritt dort am meisten auf, wo Ordnung gesucht wird. Es besiegt immer die Ordnung, denn es ist besser organisiert.“

Chaos in Aktion

Bei Chaos Engineering handelt es sich um eine Dis ziplin aus dem Bereich der Software-Entwicklung, welche zum Ziel hat, die Schwächen eines tech nischen Systems sichtbar zu machen, bevor diese zu einem akuten Problem führen. Durch Chaos En gineering sollen z.B. Risiken für Firmen minimiert werden, da nicht vorhergesehene Fehler im Sys tem zu einem großen Gewinnverlust führen kön nen. Um dies zu vermeiden, werden verschiedene Experimente durchgeführt, um herauszufinden, wie das System auf verschiedene, vielleicht auch überra schende, Umstände reagiert. Dabei sollen möglichst viele Komponenten des Systems getestet werden. Das erste auf Chaos Engineering beruhende Stress test-Werkzeug ist Netflix‘ Chaos Monkey.

All in the immediate vicinity of the ship, is the blackness of eternal night, and a chaos of foamless water; but, about a league on either side of us, may be seen, indistinctly and at inter vals, stupendous ramparts of ice, tow ering away into the desolate sky, and looking like the walls of the universe.“

Miles, R. (2019): Learning Chaos Engineering. Sebastopol: O’Reilly Media. Edgar Allan Poe (1809–1849)
philou.

CHAOS IM GEHIRN

FISCHER,

Das metaphorische „Chaos im Gehirn“ hat bestimmt jede*r bereits erlebt: Die Gedanken sind durcheinander und lassen sich nicht ordnen. Aus der neurowissenschaftlichen Per spektive wird anstelle von „Gedanken“ die Dynamik von elektrischen Signalen untersucht. Das Gehirn stellt also ein komplexes, dynamisches System dar und solche Systeme weisen oft chaotisches Verhalten auf. Entsprechend stellen sich die Fragen: Verhält sich unser Gehirn tatsächlich cha otisch? Was genau ist in diesem Kontext mit chaotischem Verhalten gemeint? Und welche Vor oder Nachteile erge ben sich daraus? Um diese Fragen beantworten zu können, werden zunächst die notwendigen Konzepte aus den Neu rowissenschaften eingeführt.

Historisch betrachtet hat das Gehirn seit jeher den Men schen fasziniert: Schon Aristoteles befasste sich mit der Fra ge, welche Aufgabe es übernimmt. Er hielt das Gehirn für ein Kühlorgan, während das Herz für Gedanken zuständig sei (vgl. Oeser 2002). Seitdem haben sich die Neurowis senschaften stark weiterentwickelt. Zum einen hat sich die Auflösung der experimentellen Methoden deutlich verbes sert: Verfahren wie Calciumbildgebung (vgl. Grienberger/ Konnerth 2012) und Mikroelektroden Arrays (vgl. Obien et al. 2015) ermöglichen es, die Hirnaktivität lebender Orga nismen mit hoher Auflösung aufzuzeichnen. Zum anderen entwickelte sich der Bereich „Computational Neurosci ence“, welcher sich mit der Modellierung und Simulation neuronaler Netzwerke befasst (vgl. Churchland et al. 1990). Dazu werden Modelle einzelner Neuronen aufgestellt, die in ihrem Abstraktionslevel variieren: Das Hodgkin Huxley Modell beschreibt, wie die Ionenströme durch die Nerven zellmembran das elektrische Potenzial der Zelle verändern und basiert auf Messungen an einem Nerv des Tintenfischs. Ist ein eingehendes Signal groß genug, wird es als sogenann

tes Aktionspotenzial weitergeleitet (vgl. Hodgkin/Huxley 1952). Vereinfachte Modelle, wie das von Hindmarsh und Rose, haben zwar keine direkte biologische Interpretation, erzeugen aber eine vergleichbare Dynamik und sind weniger rechenaufwendig (vgl. Hindmarsh/Rose 1984). Das wird relevant, wenn viele Neuronen zu einem Netzwerk verschal tet werden, um beispielsweise ein Hirnareal zu simulieren. Heutzutage gibt es viele Softwareprojekte, die entsprechende Simulatoren verfügbar machen (vgl. Gewaltig/Diesmann 2007, Stimberg et al. 2019). Mithilfe dieser lässt sich die Dynamik von neuronalen Netzwerken in Echtzeit oder sogar schneller simulieren (vgl. Kurth et al. 2022).

Zur Untersuchung derartiger Gehirnmodelle hinsichtlich chaotischen Verhaltens wird zunächst ein zugehöriger Chaosbegriff benötigt. Im Folgenden wird der Begriff aus der Theorie der dynamischen Systeme eingeführt, da viele Modelle das Gehirn als ein derartiges System beschreiben (vgl. Eberl 1995): Sie geben die zeitliche Entwicklung von Systemvariablen vor, in diesem Fall die elektrischen Poten ziale aller Neuronen des Netzwerkes. Im Allgemeinen hängt diese zeitliche Entwicklung davon ab, in welchem Zustand sich das System zu Beginn befindet. Dies bedeutet, dass verschiedene Anfangszustände zu verschiedenen Folgezu ständen führen. Für ein neuronales Netzwerk kann der An fangszustand beispielsweise als Eingangssignal verstanden werden. Mögliche Eingangssignale sind das Erfühlen eines Würfels oder das Sehen einer Katze. Diese Formulierung nimmt bereits die Folgezustände vorweg: Im ersten Fall liegen sensorische Signale wie Druckwerte, im zweiten Fall visuelle Signale wie Helligkeitswerte vor, welche im neuronalen System verarbeitet werden. Die Folgezustände, die sich aus diesen Eingangssignalen ergeben, sind „Würfel“ und „Katze“.

KIRSTEN MICHAEL DICK PHYSIK
zweiunddreissig artikel »

Das Weiterdenken dieser Ana logie führt zu der Frage, wie sich Anfangszustände verhalten, die sich nur gering voneinander unterscheiden: Dreht die Katze leicht den Kopf, ändert sich das Eingangssignal und damit der Anfangszustand ebenfalls leicht. Dennoch erkennt das Ge hirn dieses Signal als Katze, wenn auch in einer anderen Position. Die Folgezustände bleiben also ähnlich. Diese Überlegung führt zur Einteilung von dynamischem Verhalten in zwei Klassen (vgl. Eberl 1995): Ausgehend von zwei Anfangszuständen, die sich geringfügig voneinander unterscheiden, wird die anschließende zeitliche Entwicklung beider Zustände verglichen. In einem Fall ist die zeitliche Entwicklung sehr ähnlich und das System wird als stabil bezeichnet. Im anderen Fall entfernen sich die Systemzustände im Verlauf der Zeit voneinander, hängen also nicht mehr voneinander ab und werden als chaotisch klassifiziert (vgl. Teschl 2012).

Für das Beispiel der Katze bedeutet dies, dass sich das System stabil verhält. Wäre es chaotisch, könnte das Ergeb nis stattdessen „Hund“ oder „Baum“ lauten. Entsprechend erscheint chaotisches Verhalten im Gehirn zunächst wenig intuitiv. Dennoch zeigt die Analyse von Gehirnmodellen, dass sich diese unter bestimmten Bedingungen an die Modellparameter chaotisch verhalten. Ein bekanntes Beispiel ist das nach seinen Schöpfern Sompolinsky, Crisanti und Sommers benannte SCS Modell (vgl. Som polinsky et al., 1988). In jedem Neuron findet eine iden tische nicht lineare Transformation des Signals statt, die durch eine sogenannte Aktivierungsfunktion beschrieben

Künstliche neuronale Netzwerke wurden von biologischen Netzwerken inspiriert, stellen in der Regel aber ein anderes Abstraktionslevel dar (vgl. Thiboust 2020). Tatsächlich weisen diese ebenfalls einen Übergang von stabilem zu chaotischem Verhalten auf (vgl. Poole et al. 2016). Dies illustriert die Verbundenheit dieser beiden Forschungsgebiete und beide Felder befruchten sich weiterhin gegenseitig.

wird. Außerdem werden die Neuronen miteinander gekoppelt, wobei die jewei lige Verbindungsstärke zwischen zwei Neuronen zufällig von derselben Gaußverteilung mit Mittelwert null gezogen wird. Abhängig von der Varianz der Verbindungsstärken s owie von den Eigenschaften der Aktivierungsfunktion verhält sich das System dann stabil oder chaotisch.

Sind diese Bedingungen nun im Gehirn erfüllt? Da es sich um ein vereinfachtes Gehirn modell handelt, gibt es für die Modellparameter kein biologisches Äquivalent im Gehirn, das gemessen werden könnte. Um Modell und Realität zusammenzubringen, können stattdessen charakteristische Größen im Modell bestimmt werden, welche sich dann mit Experimenten vergleichen lassen. Ein wichtiges Merkmal ist die Kovarianz zwischen einzelnen Neuronen; diese Größe beschreibt, in welchem Ausmaß zwei Neuronen zum selben Zeitpunkt aktiviert werden. Die Kovarianz variiert zwischen verschie denen Neuronenpaaren und folgt dabei in der Gehirnrinde (Kortex) einer bestimmten Verteilung. Die Breite der Verteilung hängt von denselben Parametern ab, die festlegen, ob sich das SCS Modell stabil oder chaotisch verhält und lässt sich auch experimentell bestimmen. Dabei zeigt sich, dass sich neuronale Netzwerke im Kortex zwar nicht chaotisch, aber nahezu chaotisch verhalten (vgl. Dahmen et al. 2018).

Was bedeutet dieses Ergebnis nun? Einerseits gilt für ein chaotisch arbeitendes Gehirn, dass es Informationen schnell vergessen würde: Die Systemdynamik verliert bereits nach

» in aktion philou .

kurzer Zeit ihre Abhängigkeit vom Anfangszustand und so mit geht auch dessen Information schnell verloren. Da diese Information dem System damit nur eine geringe Zeitspanne zur Verfügung steht, kann sie nur eingeschränkt gespeichert und verarbeitet werden. Ein stabiles Verhalten ist also vor teilhaft für die Informationsverarbeitung. Andererseits gibt es Anzeichen dafür, dass Nähe zu chaotischem Verhalten durchaus von Vorteil sein kann: Es erlaubt, dass die zeitliche Entwicklung im System deutlich komplexer werden kann. Entsprechend ist ein nahezu chaotisches Netzwerk in der Lage deutlich komplexere Berechnungen durchzuführen. Da die Abhängigkeit der Systemdynamik vom Anfangszu stand gegenüber einem vollständig chaotischen System über längere Zeitskalen erhalten bleibt, können Informationen länger gespeichert werden. Insgesamt können deswegen In formationen mit höherer Rechenleistung verarbeitet werden (vgl. Legenstein/Maass 2007).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich das Gehirn nicht chaotisch verhält. Zugleich gibt es aber Hinweise, dass es sich zumindest nahezu chaotisch verhält. Dadurch erge ben sich Vorteile für die Informationsverarbeitung, sowohl in Komplexität als auch in Speicherkapazität.

Churchland, P.; Koch, C.; Sejnowski, T. (1990): What is computational neuros cience? In: Schwartz, E. L. (Hg.): Com putational Neuroscience. Cambridge, Massachusetts: MIT Press. S. 46–55.

Dahmen, D.; Grün, S.; Diesmann, M.; Helias, M. (2019): Second type of criticality in the brain uncovers rich multiple-neuron dynamics. In: Proceedings of the National Academy of Sciences, 116(26). S. 13051–13060.

Eberl, W. (1995): Grundlagen und Metho den zur nichtlinearen Dynamik. Online ver fügbar unter: http://www.eberl.net/chaos/ Skript/ [Zugriff: 22.5.2022].

Gewaltig, M.; Diesmann, M. (2007): NEST (NEural Simulation Tool). In: Scholarpedia, 2(2). S. 1439.

Grienberger, C.; Konnerth, A. (2012): Imaging calcium in neurons. In: Neuron, 73(5). S. 862–885.

Hindmarsh, J.; Rose, R. (1984): A model of neuronal bursting using three coupled first order differential equations. In: Proceedings of the Royal Society of London, Series B, Biological Sciences, 221(1222). S. 87–102.

Hodgkin, A.; Huxley, A. (1952): A quanti tative description of membrane current and its application to conduction and excitati on in nerve. In: The Journal of Physiology, 117(4). S. 500–544.

Kurth, A.; Senk, J.; Terhorst, D.; Finner ty, J.; Diesmann, M. (2022): Sub-realtime simulation of a neuronal network of natural density. In: Neuromorphic Computing and Engineering, 2(2). S. 021001.

Legenstein, R.; Maass, W. (2007): Edge of chaos and prediction of computational per formance for neural circuit models. In: Neu ral networks, 20(3). S. 323–334.

Obien, M.; Deligkaris, K.; Bullmann, T.; Bakkum, D.; Frey, U. (2015): Revealing neuronal function through microelectrode array recordings. In: Frontiers in Neuro science, 8. S. 423.

Oeser, E. (2002): Geschichte der Hirnfor schung. Darmstadt: Wissen verbindet. 2. erw. Auflage 2009.

Poole, B.; Lahiri, S.; Raghu, M.; SohlDickstein, J.; Ganguli, S. (2016): Expo nential expressivity in deep neural networks through transient chaos. In: Advances in neural information processing systems, 29. Sompolinsky, H.; Crisanti, A.; Sommers, H. (1988): Chaos in random neural net works. In: Physical Review Letters, 61(3). S. 259.

Stimberg, M.; Brette, R; Goodman, D. (2019): Brian 2, an intuitive and efficient neural simulator. In: eLife, 8. S. e47314.

Teschl, G. (2012): Ordinary Differential Equations and Dynamical Systems. Provi dence: American Mathematical Society. Thiboust, M. (2020): Insights from the brain: The road towards Machine Intelli gence. Online verfügbar unter: https:// www.insightsfromthebrain.com/ [Zugriff: 22.05.2022].

vierunddreissig artikel »
ALL E I NFO S UNTE R : C A RO L U S  THER M E N . D E / L A Z Y  TUE S D A Y D I E N S T A G S I S T S TUD I  T A G L A Z Y TUES D A Y Tarife für Studie r end e , S c h üler : innen u n d A z ubi s RE L A XE N OHN E ZEIT LI M I T THER MA LB A D 11 € SAUN A 2 2 € Anzeige

RULES F R THEE BUT N T F R ME

Das chaotische Verhalten der Krebszellen

Normalerweise befinden sich unsere Zellen in einem Gleich gewicht, in dem alle Reaktionen geregelt ablaufen – der Ho möostase. Liegt jedoch eine Krebserkrankung vor, kommt es zur Auflösung der bekannten Ordnung und Chaos bricht aus. Das komplexe System des zellulären Stoffwechsels gerät aus den Fugen, die entartete Zelle ordnet ihrem Wachs tumsdrang alle anderen Dinge unter und hält sich nicht mehr an die Regeln, die für normale Zellen gelten. Wie es zu diesem Chaos kommt, welche Auswirkungen es hat und welchen Nutzen die Krebszelle daraus zieht, ist Gegenstand der Betrachtung in diesem Artikel.

Leberkrebs eignet sich sehr gut als Modell, um zu verste hen, wie wiederholte Schädigung die Verwandlung einer normalen Zelle in eine bösartige, sogenannte maligne, Zelle auslösen kann. Die wohl bekannteste und in Europa häufigs te Ursache für die Entstehung von Leberkrebs ist exzessiver Alkoholkonsum (vgl. Akinyemiju et al. 2017); infektiöse Leberentzündungen können jedoch ebenfalls zur Entste hung von Leberkrebs führen (vgl. Robert Koch Institut 2018, 2021). Virale Leberentzündungen sind deshalb so gefährlich, weil sie häufig Jahre oder Jahrzehnte unerkannt bleiben und zu einer chronischen Entzündung der Leberzellen führen, ohne dass die Infizierten dies bemerken. Das körpereigene Immunsystem erkennt dabei immer wieder infizierte Le berzellen, zerstört diese, löst eine Entzündungsreaktion mit Freisetzung von Botenstoffen aus und regt die Produktion neuer Leberzellen an (vgl. Iannacone et al. 2007). So befindet sich die Leber ständig in einem Kreislauf von Zerstörung und verstärkter Regeneration, in dem irgendwann Ablese fehler der DNA während der Zellteilung und damit Muta

tionen entstehen. Der gleiche Prozess vollzieht sich bei langjährigem übermä ßigen Alkoholkonsum – Zellen werden immer wieder beschädigt, regenerieren sich, und je häufiger der Teilungspro zess vonstattengeht, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass eine Zell teilung nicht reibungslos funktioniert und eine Mutation entsteht (vgl. Yang et al. 2014).

Einige dieser Mutationen führen viel leicht dazu, dass die mutierte Zelle des integriert, andere dazu, dass die Zelle sich schneller teilen kann. Zellen, die sich schneller teilen, haben dadurch einen Selektionsvorteil gegenüber gesunden Zellen. Gleichzeitig führt schnellere Teilung aber auch dazu, dass neue Mutationen noch schneller ent stehen (vgl. Beerenwinkel et al. 2007). So „sammeln“ die schnell wachsenden Zellen mit der Zeit Mutationen an. Diese Mutationen verschaffen ihnen einen Wachstumsvorteil gegenüber an deren Zellen und werden nach einer gewissen Zeit zu Krebs (vgl. Merlo et al. 2006). Diesen Vorgang bezeichnet man als Karzinogenese oder auch als somatische Evolution (vgl. Yang et al. 2014).

sechsunddreissig artikel »

Es wäre falsch anzunehmen, dass das gesteigerte Wachstumspotenzial die einzige Eigenschaft wäre, die Krebszel len von normalen Zellen differenziert. Eine normale Zelle arbeitet in geord neten Bahnen, in denen alle Vorgänge darauf ausgerichtet sind, dass die Zelle ihre Funktion wahrnehmen kann, zum Beispiel als Nervenzelle Signale wei terzuleiten oder als Hautzelle die Bar riere zwischen Körper und Außenwelt aufrechtzuerhalten. Die Krebszelle hat als einziges „Ziel“, noch schneller zu wachsen, und verwendet ihre ganze Energie darauf. Das führt dazu, dass die bösartigen Zellen in den meisten Fällen nicht mehr ihrer ursprünglichen Funktion nachgehen, sondern damit beginnen, massenhaft Botenstoffe auszuschütten, um beispielsweise neue Blutgefäße wachsen zu lassen und den Tumor zu versorgen. Ordnung und Struktur werden zugunsten exzessiver Zellteilung geopfert (vgl. Hanahan/ Weinberg 2000).

Bösartige Tumore brechen bei ihrem Vorhaben, so schnell wie möglich zu wachsen, häufiger auch grundlegende Regeln, die für normale Zellen gelten. Nicht nur ignorieren Krebszellen die Grenzen umliegender Zellen und infiltrieren diese, gelegentlich kommt es auch vor, dass ein Tumor so schnell wächst, dass die Zellen im Inneren des Tumors nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden können. Dies führt bei sehr schnell wachsen den soliden Tumoren, wie zum Beispiel dem Glioblastom, einer bestimmten Sorte Hirntumor, häufig dazu, dass die Zellen im Inneren des Tumors durch Unterversorgung absterben, während der Tumor in seiner Peripherie immer weiterwächst (vgl. Noch/Khalili 2009).

Ein gutes Beispiel für die Kollate ralschäden, die durch maligne Zellen entstehen können, ist die primäre My elofibrose. Dabei handelt es sich um eine Krebserkrankung der blutprodu zierenden Zellen des Knochenmarks, den sogenannten hämatopoetischen

Stammzellen. Diese entarteten Stammzellen schütten im Fall der primären Myelofibrose konstant entzündliche Botenstoffe aus, um ihr eigenes Wachstum zu begünstigen, und regen dadurch nicht nur sich selbst, sondern auch die umgebenden Fibroblasten, jene Zellen, die für den soliden Anteil der Knochen mitverantwortlich sind, zur Vermeh rung an (vgl. Chou et al. 2003, Gleitz et al. 2020, Fisher et al. 2021). Dadurch kommt es mit der Zeit zur Fibrose des Knochenmarks. Durch die Vermehrung der soliden Anteile des Knochens wird die Blutbildung des Knochenmarks stark eingeschränkt, die „hohlen“ Anteile des Knochens, die früher Platz für das Knochenmark gelassen haben, solidifizieren und die hämatopoetischen Stammzellen wandern aus Platz mangel in andere Organe ab, zum Beispiel in die Milz (vgl. Wolf/Neimann 1987).

Komplizierter wird es bei der Krankheitsentstehung von Hauttumoren. Sowohl das Basaliom, landläufig auch als weißer Hautkrebs bezeichnet, als auch das Melanom, auch schwarzer Hautkrebs genannt, entstehen durch übermäßige Sonneneinstrahlung und wiederholte Sonnenbrände (vgl. WHO 2003). Die Sonne schädigt die DNA der Hautzellen, es kommt zu einem Abbau und verstärkter Regeneration der Zellen sowie zu einer Entzündungsreaktion und irgendwann entartet eine geschädigte Zelle und wird zu einer bösarti gen (Rünger et al. 2012, Oliveria et al. 2006). Unser Im munsystem ist darauf ausgelegt, Fremdes zu erkennen, das potenziell eine Gefahr darstellen könnte. Daher erkennt es auch entartete Zellen, wie etwa Zellen deren DNA durch Sonneneinstrahlung beschädigt wurden, und eliminiert die se meist umgehend. Tatsächlich tötet unser Immunsystem ständig maligne Zellen, ohne dass wir dies bemerken, und verhindert so Schlimmeres (vgl. Afshar Sterle et al. 2014). Krebszellen müssen diesen eingebauten Filter des Körpers also überwinden, um ungestört wachsen zu können. Dabei geht ein Tumor nicht planmäßig vor, vielmehr handelt es sich um eine chaotische, aber sehr effektive Brute Force Attacke auf das Immunsystem, bei der die Tumorzellen immer neue Mutationen entwickeln, um die Erkennungsmechanismen des Immunsystems zu umgehen und sich schließlich die Zel len durchsetzen, die nicht als „böse Zellen“ erkannt werden können (vgl. Merlo et al. 2006). Dieser Mechanismus wird als Immunevasion bezeichnet. Diese Eigenschaft wird sich medikamentös mit sogenannten Checkpoint Inhibitoren, wie zum Beispiel Pembrolizumab, zunutze gemacht. Weiße Blutkörperchen patrouillieren durch den Körper auf der Su che nach fremden, potenziell gefährlichen Zellen, wie zum Beispiel Bakterien. Jede Zelle des menschlichen Körpers exprimiert PD L1 (programmed cell death ligand 1) auf der Zelloberfläche und bindet damit an PD 1 (programmes cell death receptor 1) der weißen Blutkörperchen (vgl. Riley 2009). So wird den weißen Blutkörperchen signalisiert, dass es sich um eine normale Zelle handelt, die nicht angegriffen

» in aktion philou .

werden sollte. Fehlt PD L1 auf der Oberfläche, gehen die weißen Blutkörperchen davon aus, dass es sich um eine frem de, vielleicht schädliche Zelle handelt, die vernichtet werden sollte. Melanomzellen, also Zellen, die schwarzen Hautkrebs verursachen, produzieren das PD L1 Protein jedoch häufig ebenfalls und ducken sich so vor der Erkennung durch das Immunsystem (vgl. Sunshine et al. 2017). Wird PD 1 an den weißen Blutkörperchen durch einen Antikörper wie Pembrolizumab gebunden, so kann er nicht mehr mit PD L1 interagieren und der Immunevasion der Tumorzellen wird entgegengewirkt. Dies führt zu einer vermehrten Erkennung der Tumorzellen und zu einem verlängerten Überleben der Patienten (vgl. Buqué et al. 2015, Pardoll 2012, Garon et al. 2015).

Ausgefeilter in der medikamentösen Bekämpfung von Tumorzellen sind sogenannte Bi specific T cell engagers (BiTEs). Vereinfacht erklärt, sind dies Y förmige Antikör per, welche auf einem Ärmchen eine Andock Stelle für ein Oberflächenprotein der Tumorzelle und auf dem anderen Ärmchen eine Andock Stelle für T Zellen (eine bestimmte Sorte weißer Blutkörperchen) besitzen. Dadurch werden Tumorzelle und Immunzelle in räumliche Nähe gebracht, die Immunzelle wird durch die Bindung an den Antikörper gleichzeitig aktiviert und kann die Tumorzelle vernichten (vgl. Helwick 2008). Diese sehr moderne Form der Immun therapie scheint auf den ersten Blick elegant, ist in der Praxis jedoch nicht nur äußerst teuer (22.000€ pro Dosis Teben tafusp, welches lebenslang einmal wöchentlich verabreicht wird), sondern auch nicht selten durch die starke Aktivierung des Immunsystems mit heftigen Nebenwirkungen wie Fie ber, Hautreaktionen, Erbrechen und Blutdruckabfällen ver bunden (vgl. Nathan et al. 2021). BITE Antikörper stellen daher leider meist nur eine letzte Option dar, wenn andere Therapieoptionen bereits ausgeschöpft sind.

Bösartige Tumorzellen vervielfältigen sich rasant, mutieren dabei ungezielt und ignorieren die üblichen Zellgesetze. Ihr chaotisches Verhalten ist dabei kein Nachteil – sondern gewissermaßen eine ihrer stärksten Eigenschaften. Um Krebserkrankungen trotz des chaotischen Verhaltens der Krebszellen effektiv behandeln zu können, suchen Forscher*innen stetig nach neuen Therapiemöglichkeiten.

Afshar-Sterle, S.; Zotos, D.; Bernard, N.; Scherger, A.; Rödling, L.; Alsop, A.; Walker, J.; Masson, F.; Belz, G.; Corcoran, L.; O‘Reilly, L.; Strasser, A.; Smyth, M.; Johnstone, R.; Tarlinton, D.; Nutt, S.; Kallies, A. (2014): Fas ligandmediated immune surveillance by T cells is essential for the control of spontaneous B cell lymphomas. In: Nature Medicine, 20(3). S. 283–290.

Akinyemiju, T.; Abera, S.; Ahmed, M.; Alam, N.; Alemayohu, M.; Allen, C.; AlRaddadi, R.; Alvis-Guzman, N.; Amoako, Y.; Artaman, A.; Ayele, T.; Barac, A.; Bensenor, I.; Berhane, A.; Bhutta, Z.; Castillo-Rivas, J.; Chitheer, A.; Choi, J.; Cowie, B.; Dandona, L.; Dandona, R.; Dey, S.; Dicker, D.; Phuc, H.; Ekwue me, D.; Zaki, M.; Fischer, F.; Fürst, T.; Hancock, J.; Hay, S.; Hotez, P.; Jee, S.; Kasaeian, A.; Khader, Y.; Khang, Y.; Kumar, A.; Kutz, M.; Larson, H.; Lo pez, A.; Lunevicius, R.; Malekzadeh, R.; McAlinden, C.; Meier, T.; Mendoza, W.; Mokdad, A.; Moradi-Lakeh, M.; Nagel, G.; Nguyen, Q.; Nguyen, G.; Ogbo, F.; Patton, G.; Pereira, D.; Pourmalek, F.; Qorbani, M.; Radfar, A.; Roshandel, G.; Salomon, J.; Sanabria, J.; Sartorius, B.; Satpathy, M.; Sawhney, M.; Sepanlou, S.; Shackelford, K.; Shore, H.; Sun, J.; Mengistu, D.; Topór-Mądry, R.; Tran, B.; Ukwaja, K.; Vlassov, V.; Vollset, S.; Vos, T.; Wakayo, T.; Weiderpass, E.; Werdecker, A.; Yonemoto, N.; Younis, M.; Yu, C.; Zaidi, Z.; Zhu, L.; Murray, C.; Nag havi, M.; Fitzmaurice, C. (2017): The Bur den of Primary Liver Cancer and Underlying Etiologies From 1990 to 2015 at the Global, Regional, and National Level: Results From the Global Burden of Disease Study 2015. In: JAMA Oncology, 3(12). S. 1683–1691.

Beerenwinkel, N.; Antal, T.; Dingli, D.; Traulsen, A.; Kinzler, K.; Velculescu, V.; Vogelstein, B.; Nowak, M. (2007): Gene tic progression and the waiting time to can cer. In: PLoS Computational Biology, 3(11). S. e225.

Buqué, A.; Bloy, N.; Aranda, F.; Cas toldi, F.; Eggermont, A.; Cremer, I.; Fridman, W.; Fucikova, J.; Galon, J.; Ma rabelle, A.; Spisek, R.; Tartour, E.; Zitvo gel, L.; Kroemer, G.; Galluzzi, L. (2015): Trial Watch: Immunomodulatory monoclonal antibodies for oncological indications. In: Oncolimmunology, 4(4). S. e1008814.

Chou, J.; Li, C.; Tefferi, A. (2003): Bone marrow immunohistochemical studies of an giogenic cytokines and their receptors in myelofibrosis with myeloid metaplasia. In: Leukemia Research, 27(6). S. 499–504.

Fisher, D.; Fowles, J.; Zhou, A.; Oh, S. (2021): Inflammatory Pathophysiology as a Contributor to Myeloproliferative Neoplasms. In: Frontiers in Immunology, 12. S. 683401.

achtunddreissig artikel »

Garon, E.; Rizvi, N.; Hui, R.; Leighl, N.; Balmanoukian, A.; Eder, J.; Patnaik, A.; Aggarwal, C.; Gubens, M.; Horn, L.; Carcereny, E.; Ahn, M.; Felip, E.; Lee, J.; Hellmann, M.; Hamid, O.; Goldman, J.; Soria, J.; Dolled-Filhart, M.; Rutledge, R.; Zhang, J.; Lunceford, J.; Rangwala, R.; Lubiniecki, G.; Roach, C.; Emancipa tor, K.; Gandhi, L. (2015): Pembrolizumab for the treatment of non-small-cell lung can cer. In: The New England Journal of Medici ne, 372(21). S. 2018–2028.

Gleitz, H.; Dugourd, A.; Leimkühler, N.; Snoeren, I.; Fuchs, S.; Menzel, S.; Ziegler, S.; Kröger, N.; Triviai, I.; Bü sche, G.; Kreipe, H.; Banjanin, B.; Prit chard, J.; Hoogenboezem, R.; Bindels, E.; Schumacher, N.; Rose-John, S.; Elf, S.; Saez-Rodriguez, J.; Kramann, R.; Schneider, R. (2020): Increased CXCL4 expression in hematopoietic cells links in flammation and progression of bone marrow fibrosis in MPN. In: Blood, 136(18). S. 2051–2064.

Hanahan, D.; Weinberg, R. (2000): The Hallmarks of Cancer. In: Cell, 100(1). S. 57–70.

Helwick, C. (2008): Novel BiTE antibody mediates contact between T cells and can cer cells. In: Oncology NEWS Internatio nal, 02.06.2008. Online verfügbar unter: https://www.cancernetwork.com/view/no vel-bite-antibody-mediates-contact-between-tcells-and-cancer-cells [Zugriff: 28.06.2022].

Iannacone, M.; Sitia, G.; Ruggeri, Z.; Guidotti, L. (2007): HBV pathogenesis in animal models: recent advances on the role of platelets. In: Journal of Hepatology, 46(4). S. 719–726.

Merlo, L.; Pepper, J.; Reid, B.; Maley, C. (2006): Cancer as an evolutionary and eco logical process. In: Nature Reviews Cancer, 6(12). S. 924–935.

Nathan, P.; Hassel, J.; Rutkowski, P.; Baurain, J.; Butler, M.; Schlaak, M.; Sul livan, R.; Ochsenreither, S.; Dummer, R.; Kirkwood, J.; Joshua, A.; Sacco, J.; Shoushtari, A.; Orloff, M.; Piulats, J.; Milhem, M.; Salama, A.; Curti, B.; Demi dov, L.; Gastaud, L.; Mauch, C.; Yushak, M.; Carvajal, R.; Hamid, O.; Abdullah, S.; Holland, C.; Goodall, H.; PipernoNeumann, S. (2021): Overall Survival Be nefit with Tebentafusp in Metastatic Uveal Melanoma. In: The New England Journal of Medicine, 385(13). S. 1196–1206.

Noch, E.; Khalili, K. (2009): Molecular mechanisms of necrosis in glioblastoma: the role of glutamate excitotoxicity. In: Cancer Biology & Therapy, 8(19). S. 1791–1797.

Oliveria, S.; Saraiya, M.; Geller, A.; Heneghan, M.; Jorgensen, C. (2006): Sun exposure and risk of melanoma. In: Archives of Disease in Childhood, 91(2). S. 131–138.

Pardoll, D. (2012): The blockade of immu ne checkpoints in cancer immunotherapy. In: Nature Reviews Cancer, 12(4). S. 252–264.

Riley, J. (2009): PD-1 signaling in primary T cells. In: Immunological Reviews, 229(1). S. 114–125.

Robert Koch-Institut (2018): Hepatitis C. RKI-Ratgeber, 01.01.2018. Online verfügbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/In fekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Hepati tisC.html [Zugriff: 28.06.2022].

Robert Koch-Institut (2021): Virushepati tis B und D im Jahr 2020. In: Epidemiologi sches Bulletin 29/2021.

Rünger, T.; Farahvash, B.; Hatvani, Z.; Rees, A. (2012): Comparison of DNA da mage responses following equimutagenic doses of UVA and UVB: a less effective cell cycle arrest with UVA may render UVA-indu ced pyrimidine dimers more mutagenic than UVB-induced ones. In: Photochemical & Pho tobiological Sciences:, 11(1). S. 207–215.

Sunshine, J.; Nguyen, P.; Kaunitz, G.; Cottrell, T.; Berry, S.; Esandrio, J.; Xu, H.; Ogurtsova, A.; Bleich, K.; Cor nish, T.; Lipson, E.; Anders, R.; Taube, J. (2017): PD-L1 Expression in Melanoma: A Quantitative Immunohistochemical Antibody Comparison. In: Clinical Cancer Research, 23(16). S. 4938–4944.

WHO (2003): World cancer report. Lyon: IARC Press.

Wolf, B.; Neiman, R. (1987): Hypothesis: splenic filtration and the pathogenesis of ext ramedullary hematopoiesis in agnogenic my eloid metaplasia. In: Hematologic Pathology, 1(1). S. 77–80.

Yang, S.; Chang, C.; Wei, R.; Shiue, Y.; Wang, S.; Yeh, Y. (2014): Involvement of DNA damage response pathways in hepato cellular carcinoma. In: BioMed Research In ternational. S. 153867.

» in aktion philou .

Der Chaos Club

Der Chaos Computer Club e.V. (CCC) ist ein Verein von Hackern in Deutschland. Gegründet in den 1980er Jahren als Austauschort für „Komputerfrieks“ erlangte er schnell Bekanntheit durch öffentlichkeitswirksame Hacks, bei denen auf Schwachstellen in Datensystemen aufmerksam gemacht wurde. In vielen Städten existieren außerdem lokale Ableger des CCC, die von diesem unabhängig handeln. Die philou. hat mit Carsten, einem langjährigen Mitglied beim CCC Aachen (CCCAC), über den Bezug von Chaos, Computern und Vereinsarbeit gesprochen.

vierzig interview »

philou. Hallo Carsten, du bist Mitglied des Chaos Computer Club Aachen. Was ist das?

CCC. Der Chaos Computer Club Aachen ist die lokale Entität des Chaos Computer Clubs, den es deutschlandweit gibt. Und „lokale Entität“ ist ein Teil von unserer Organi sationsstruktur: dass es ganz viel davon gibt, also in vielen Orten – hier in der Nähe wäre zum Beispiel auch in Köln und Düsseldorf ein Chaos Computer Club. Wir sind ei gentlich unabhängig voneinander, also eigene Vereine, aber man macht doch Dinge miteinander, so wie uns gerade Lust und Laune dazu ist. Die Dinge, die wir machen, sind uns kreativ mit Technologie zu beschäftigen. In aller möglicher Art und Weise: Dass wir sie nutzen, reparieren und ganz wichtig: hinterfragen. Dass wir sie analysieren und dann auch darüber berichten und Wissen austauschen.

p. Und wofür steht aus deiner Sicht das „Chaos“ in „Chaos Computer Club“?

CCC. Ich habe diese Frage antizipiert und habe trotzdem keine Antwort darauf. Was in sich vielleicht auch eine Antwort ist. Das „Chaos“ sagt für mich so ein bisschen, dass es kein explizites Ziel und auch keinen vor gegebenen Weg gibt, bei dem was wir tun und wie wir es tun. Wir haben natürlich entsprechend des deutschen Vereinsrechts eine Vereinssatzung und in der sind auch Ziele definiert, aber wir gehen auch gerne mal Wege, die sonst keiner geht, oder die nicht so offensichtlich sind.

CCC. Nein, ich glaube nicht, dass das Konzept nur auf den Chaos Computer Club passt. Wir haben den Luxus, nicht alles perfekt organisieren zu müssen, denn es ist, nüchtern betrachtet, nur ein Hobby. Da ist es nicht so wichtig, alles Top Down zu regeln mit exakten Prozessen. Aber ich glaube auch, dass das in anderen Settings teilweise funktioniert. Dass man nicht alles bis zum letzten Ende durchplant, sondern einfach mal macht. Das kommt auch auf die Anforderungen an und was andere Leute von den Handelnden wollen: Da muss man dann entsprechend agieren. Ich denke im Hobby und Freizeitbereich geht das mit Sicherheit sehr gut. Bei Unternehmen potenziell auch. Das hängt dann hauptsäch lich damit zusammen, ob Leute hinten dran sitzen, die ein Auge auf das Controlling werfen und sagen: Wir müssen unbedingt alles genau bei den Kosten im Blick haben. Dann wird das natürlich schwierig. Aber in kleinen Bereichen wird das auch schon entsprechend gelebt in Unternehmen. „Agil“ ist hier das Stichwort und das beschreibt auch eine gewisse Selbstorganisation in Teams, die teilweise sehr chaotisch laufen kann.

p. Was muss man denn mitbringen, um bei euch mitmachen zu können? Braucht man eine chaotische Veranlagung?

Der Einzug von digitaler Infor mationsverarbeitung ins Alltags leben unserer Gesellschaft hat eine Vielzahl von Möglichkei ten geschaffen. Der Umgang von Mensch mit Maschine und die schon als Eigenleben qualifizier bare Beweglichkeit von Daten bergen viele Chancen, erfordern aber auch spezielle Fähigkeiten und ein Bewusstsein für Risiken und Gefahren.

Auszug aus der Präambel der Satzung des CCCAC vom 17.12.2016

p. Das Chaos bezieht sich also in erster Linie auf eure Organisation und nicht auf eure Projekte?

CCC. Ich denke, so kann man das nicht sagen. Wir haben gar nicht so eine sonderlich gute Organisation, einfach weil wir die auch nicht brauchen. Es organisiert sich schon alles ein bisschen selbst. Da kann man natürlich sagen: Dann ist das doch alles Chaos. Und zu einem gewissen Teil stimmt das auch und manchmal funktionieren Dinge nicht. Aber man überlässt das halt einfach ein bisschen sich selbst. Und auch die Projekte, die wir tun, das sind die, die einem vor die Füße fallen. Man sieht irgendwas und beschließt, das zu tun und guckt mal, wer Lust hat, mitzumachen.

p. Siehst du dieses Konzept auch als Möglichkeit für andere Organisationen? Ist das etwas, das nur unter bestimmten Um ständen funktionieren kann bzw. nur zu euch gut passt?

CCC. Nein, eigentlich muss man gar nichts mitbringen außer Motivation beziehungsweise Interesse. Wir sind ein Erfahrungsaustauschkreis – so heißt das offiziell – und wenn du et was lernen oder weitergeben möchtest, bist du bei uns willkommen. Das liegt natürlich hauptsächlich im techni schen Umfeld, in dem wir uns bewe gen, also bzgl. Software und Hardware, aber auch nicht exklusiv.

p. An was für einem Projekt arbeitest du denn aktuell?

CCC. An ganz vielen – wie immer. p. Welches ist denn das Chaotischste?

CCC. Ich glaube tatsächlich, dass ich kein Mensch bin, der besonders chaotisch arbeitet. Ich arbeite häufig sehr gewis senhaft und dokumentiere Dinge auch sauber. Gib mir mal kurz einen Moment und ich schaue mich auch einmal um, was hier herumfliegt, vielleicht entdecke ich ja Teile eines chaotischen Projekts. Also ich habe zum Beispiel auf mei nem Tisch Batterien liegen, die gehören eigentlich zu einem Rasenmäher. Die gab es einmal irgendwann so günstig zu kaufen, dass ich diese nur gekauft habe, um die Batterien zu

» in aktion philou .

haben – ohne ein konkretes Ziel. Und jetzt baue ich die so um, dass sie dann in einem Akkuschrauber sind, der sonst nicht mehr funktioniert hätte. Und das habe ich einfach so beschlossen zu machen, weil der Akkuschrauber nicht mehr funktioniert hat und ich ihn nochmal benutzen wollte. Jetzt muss ich fairerweise sagen: So chaotisch ist das nicht. Ich habe ein Problem erkannt und eine Lösung gesucht.

Ich denke, etwas Chaotisches, das hier im Verein häufiger passiert, ist, dass man irgendwelche Softwarestücke zusam menstückelt, weil man schnell eine Lösung braucht. Und dann wird aus dem Provisorium ein Dauerzustand. Dazu ist dann die nette Anekdote: Es gibt ja diese TÜV Aufkleber, auf denen steht „nächste Überprüfung ab“. Und wir haben solche Aufkleber, da steht dann drauf „Provisorium seit“. Denn häufig passiert Folgendes: Dieses Provisorium hängt da, z.B. eine Lichtsteuerung, die man eigentlich nutzt, aber sie funktioniert nicht so richtig und man weiß auch nicht, wer das damals wie gebaut hat, das wurde gar nicht so richtig aufgeschrieben. Und dann wird da einfach nochmal was anderes rangefrickelt, um einen Aspekt zu verbessern. Aber vielleicht hat man etwas anderes dabei kaputt gemacht. Das passiert relativ häufig bei uns, weil es auch einfach keinen stört. Das ist tatsächlich Teil des Konzepts. Also nicht ex plizit, dass wir sagen, wir wollen, dass es so ist, aber es stört sich auch niemand daran. Weil effektiv war es ja doch eine Verbesserung.

p. Was sind Vor- und Nachteile dieser Organisationsstruktur bzw. Nicht-Struktur?

CCC. Ich fange mal mit den Vorteilen an. Dadurch, dass es keine strikte Aufgabenverteilung gibt, machen alle von uns Dinge, auf die sie gerade Lust haben und die sie interessieren. Außerdem sind wir dadurch, dass wir eher lose organisiert sind, widerstandsfähiger gegen viele Dinge, die bei anderen Vereinen ein Problem wären. Es gibt so eine gewisse Macher Mentalität im Sinne von „Wer macht, hat recht“. Es ist zum Beispiel sehr schön, wenn man mal zwei Wochen nicht im Clubraum war und zurückkommt und sieht, dass jemand etwas komplett Neues gebaut hat oder umdekoriert wurde. Wenn jemand beschließt, dass die Deckenbeleuchtung Mist ist, dann baut er die ab und macht eine neue hin. Da wird im Vorfeld nicht großartig kommuniziert, dass jemand sagt „Ja ich kaufe jetzt mal das und darf ich überhaupt X machen?“. Zumindest bei kleineren Sachen passiert das dann einfach.

Der Nachteil an der Geschichte ist dann, dass manchmal Dinge stehen bleiben, weil man das eben nicht so gut geplant hat. Weil man einfach mal machen wollte und stellt dann mitten im Umbau fest, dass das gar nicht so richtig funkti oniert. Und dann bleibt ein Provisorium oder eine Baustelle.

p. Vielen Dank für das Interview.

>> Das Interview wurde geführt von Karl Bendler

zweiundvierzig interview »
Anzeige

SZENISCHER DARSTELLUNG: IST THEATER CHAOTISCH?

philou. Wie ist die Idee zu dem aktuellen Theaterstück „Ad Memoriam“ entstanden und worum geht es in dem Stück?

Ulrike Günther. Wenn ich mir so ein Thema aussuche, star tet es immer aus einem persönlichen Interesse heraus. Oft ist es so, dass ich ein Projekt mache und dann innerhalb der Recherchearbeit ein nächstes interessantes Thema auftaucht. „Ad Memoriam“ ist ein Monolog, ein Ein Frau Stück, in dem es um Erinnerungen geht. Ein Ausgangspunkt für die Idee des Stücks war es, zu schauen, wie wahr eine Erinnerung ist. Wir denken von Erinnerungen immer, dass sie etwas sind, worauf wir uns verlassen können. Aber sind sie nicht vielleicht nur eine Schicht oder eine mögliche Version von etwas? Es geht darum, dass Erinnerungen immer wahr sind, aber trotzdem immer gelogen. Es ist immer beides. Es ist wahr für die Person, die sich erinnert. Das heißt zum Bei spiel: wenn ich mich an etwas erinnere, kann meine Familie sich anders daran erinnern. Dann ist das für mich kein be wusster Vorgang, dass ich da irgendetwas verändere, sondern für mich stimmt die Erinnerung. Aber das heißt nicht, dass sie nicht auch unwahr sein kann. Und das ist dann auch interessant für ein Theaterstück.

p. Welche wissenschaftlichen Grundlagen wurden für das Stück verwendet?

U. Die hauptsächlichen Informationsquellen waren wissen schaftliche Erkenntnisse aus der Neurologie und Psycholo gie. Zum einen die Neurologie, um abzugleichen, was der physische Vorgang ist, was wirklich passiert. Zum anderen die Psychologie, dort geht es mehr darum, wie wir das be werten. Also, wie kann man das psychologisch verstehen, was da passiert? Hier gab es dann unterschiedliche Quellen: Interviewpartner*innen, aber auch wissenschaftliche Artikel, die wir nach dem Lesen noch mal mit den Kolleg*innen aus der Forschung abgeglichen haben.

p. Inwiefern passt das Thema Chaos zum Inhalt des Stücks?

U. Was für mich zu dem Thema Chaos gut passt, ist die Funktion des Gedächtnisses: Wir arbeiten immer wieder mit dem Bild einer sehr chaotischen Bibliothek, in der nichts verloren geht. Das heißt, wenn ich etwas vergesse, ist es nicht unbedingt weg. Es ist eigentlich nie weg. Ich finde es nur nicht.

Die philou. hat mit Ulrike Günther vom Projekt MörgensLab des Theater Aachen über das Thema Chaos am The ater gesprochen. Ulrike ist Leiterin des Projektes und freischaffende Regisseu rin. Sie arbeitet an Stückentwicklun gen, das heißt an der Entstehung eines neuen Theaterstückes von der Idee hin bis zur Aufführung. „Ad Memoriam“ ist eines ihrer aktuellen Stücke, das im Rahmen des MörgensLab Kooperati onsprojektes entstanden ist.

MörgensLab

Das MörgensLab ist ein Theater Labor des Stadttheater Aachen, das als Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft fungieren soll. In zu sammenarbeit mit der RWTH Aa chen, der FH Aachen und weiteren Aachener Hochschulen bringt das MörgensLab aktuelle, in der Forschung relevante Themen auf die Bühne und versucht, dem Publikum komplexe, wissenschaftliche Zusammenhänge durch Schauspiel zugänglich zu ma chen.

(UN)-ORDNUNG
vierundvierzig interview »

p. Worin liegt die Schwierigkeit, ein komplexes wissenschaft liches Thema durch Schauspiel darzustellen?

U. Wenn ich so eine Stückentwicklung mache, noch dazu mit einem wissenschaftlichen Thema, dann habe ich erst mal Material, was nicht theatral ist. Das heißt, es gibt noch keine Figuren, es gibt noch keine Geschichte, es gibt erst mal nur Daten, es gibt erst mal Information. Und dann ist die große Aufgabe, daraus eine Geschichte zu machen oder Figuren entstehen zu lassen, eine Erzählform zu finden. Was ich bei Stückentwicklungen wichtig finde, ist: Man sammelt wissenschaftliches Material zum Thema und dann muss man irgendwann das Ganze auch zusammenziehen, indem man einen Fokus setzt, das heißt aber auch, dass man eine Aus wahl treffen muss.

p. Chaos kann als Zustand vollständiger Unordnung, als Wirrwarr beschrieben werden oder als Unvorhersagbarkeit von Prozessen. Wie verläuft der Prozess der Inszenierung, wie verlaufen die Proben? Kann man hier von einem kreativen Chaos sprechen?

U. Mein Schreibtisch ist tatsächlich nicht aufgeräumt, aber ich würde das nicht als kreatives Chaos bezeichnen. Wenn ich arbeite, ist das gar kein Chaos im Sinne von „es geht alles durcheinander“, sondern es ist mehr so, dass man an einem Punkt startet und ab dann öffnen sich – mit dem Re chercheprozess – immer mehr Türen. Und daraus entstehen Ideen. Aber das ist kein chaotischer Prozess, sondern ein assoziativer. Ich würde das als Assoziationsketten bezeichnen. Ebenso kann ich mir nicht theoretisch ausdenken, was zum Schluss als Form funktioniert. Der Probenprozess und die enge Zusammenarbeit mit den Schauspieler*innen haben auch immer einen Einfluss auf die Form und den Inhalt des Stücks. Man muss sich die Freiheit behalten, darauf einzugehen, was gerade passiert. Das ist, glaube ich, das Wichtigste in so einem Probenprozess. Denn wenn ich nur meine Linie durchziehe, dann entsteht auch nichts. Damit Kunst entstehen kann, muss auch ganz viel Freiheit da sein. Und das kann man nicht kontrollieren. Genauso wie man Ideen nicht kontrollieren kann und wie man Assoziatio nen nicht kontrollieren kann. Und es entstehen natürlich auch Ideen aus, ich sage jetzt mal Unfällen oder Dingen, die vielleicht nicht so geplant waren. Wir arbeiten ja auch mit Improvisationen in den Proben. Das heißt, man setzt sozusagen für die Schauspieler*innen einen Rahmen und darin probieren sie sich aus. Ich würde immer sagen, dass die Ideen, die die Schauspieler*innen auf der Bühne haben, besser sind als das, was ich mir am Schreibtisch ausdenken kann. Zum Schluss ist es meine Aufgabe, das Ganze so zu sortieren, dass es im Stück funktioniert.

Weitere Informationen über das Mör gensLab und Ulrike Günther finden sich unter:

www.theateraachen.de/moergenslab

„Ad Memoriam“ ist auch in der Spiel zeit 2022/23 wieder im Mörgens zu sehen.

p. Wir als Zuschauende stellen uns das so vor, dass es vor und hinter der Bühne manchmal ziemlich chaotisch zugehen kann. Ist das so? Und wenn ja, welche Auswirkungen hat das?

U. Also, wenn man eine große Oper aufführt, an der 80 Leute beteiligt sind, dann sind das auch viele Leute hinter der Bühne und das darf nicht chaotisch sein. Denn sonst funktioniert es auf der Bühne nicht. Das heißt, es ist im mer geordnet, wer wann in die Maske muss, wer wann ein Kostüm wechselt, welcher Scheinwerfer wann verändert wird, wann die Toneinsätze sind, damit es nach außen alles locker flockig improvisiert aussieht. Aber es ist schon alles gestimmt und geordnet.

Wenn jetzt aber bei einer Vorstellung jemand zum Beispiel den Text vergisst, oder wenn ein Scheinwerfer ausfällt oder ähnliches, dann sind das alles Situationen, die bei uns The aterschaffenden für Stress sorgen. Lustigerweise bekommt das Publikum das in den seltensten Fällen mit, weil es nicht weiß, wie es gedacht war. Die Schauspieler*innen fühlen sich ja auch nicht immer gleich auf der Bühne. Es gibt also immer auch eine menschliche Komponente, die man überhaupt nicht kontrollieren kann. Und das ist nicht nur auf der Bühne so, sondern auch im Zuschauerraum. Auch dort kann etwas passieren, das völlig unvorhergesehen ist. Ich kann nicht die Reaktion des Publikums planen. Vielleicht steht jemand plötzlich auf, geht raus und schmeißt die Türen, weil er das Stück ganz furchtbar findet. Oder jemand lacht an einer Stelle, an der eigentlich noch nie irgendjemand gelacht hat. Es gibt so viele Faktoren, die so eine Aufführung beeinflus sen. Da wären wir dann bei der Chaostheorie. Man kann den Output nicht exakt planen, weil es zu viele Faktoren gibt. Und darum ist so eine Aufführung immer anders. Es passiert immer noch irgendetwas, das nicht so geplant war. Und das macht das Theater lebendig.

DAMIT KUNST ENTSTEHEN KANN, MUSS AUCH GANZ VIEL FREIHEIT DA SEIN. UND DAS KANN MAN NICHT KONTROLLIEREN

p. Vielen Dank für das Interview.

» in aktion philou.
Das Interview wurde geführt von Jil Hoffmann, Sumin Kim und Yvonne Schneider >>

Überschwemmte Straßen, zerstörte Häu ser und Erdrutsche, die ganze Ortschaften von der Außenwelt abschnitten: Das Tief druckgebiet „Bernd“ brachte im Juli 2021 eine starkregenbedingte Flutkatastrophe mit sich, die vielerorts für Chaos sorgte. Chaos auf Seiten der Bewohner*innen, die unerwartet auf sich selbst gestellt waren, und auf Seiten der Kommunal und Landesregierungen, die sich mit den sintflutartigen Niederschlägen konfrontiert sahen. Im Anschluss an Ext remwetterereignisse greifen etablierte individuelle und orga nisationale Handlungsroutinen nicht mehr: Betroffene und Behörden müssen sich ad hoc reorganisieren, um Personen und Sachschäden zu reduzieren. Vor dem Hintergrund der Flutkatastrophe im Ahrtal drängt sich die Frage nach sozia len (Re )Organisationsprozessen auf: Welche Strategien zur sozialen Reorganisation entwickeln Betroffene, wenn infolge

sen, d.h. einer neuen Welt und Gesellschaftsformation, die systematisch verschiedene Krisen (wirtschaftlich, politisch, ökologisch) produziert, zwischen denen komplexe Wechsel wirkungen entstehen (vgl. Brand 2009). Um einen Umgang mit multiplen Krisen zu finden, sollte der innere Zusammen hang der Krisendynamiken identifiziert werden (vgl. ebd.). Dieser liegt in der „fossilistisch kapitalistischen Produktions und Lebensweise“ (Brand 2009: 2). Krisen sind insofern „formationscharakteristische Phänomene“ (Lessenich 2020: 220), als sie mit unserer Gesellschaftsformation, mit unserer sozialen Ordnung im Zusammenhang stehen, die wesentlich durch kapitalistisches Wirtschaften geprägt ist. Folgerich tig wird die Zahl reziproker Krisen zunehmen, es sei denn, das globale Wirtschafts und Konsumsystem ändert sich.

Flutkatastrophen können auch als Krise der sozialen Ord nung interpretiert werden, weil sie einen „Einschnitt in

MUTUAL AID

Chaos als Chance für neue Formen des Engagements

krisenhafter Ereignisse wie Starkregen oder Sturzfluten die bestehende soziale Ordnung temporär außer Kraft gesetzt ist? Und: Lassen sich solche Krisen durch die „nicht für mög lich gehaltenen Erfahrungen kollektiver Selbstwirksamkeit und politischer Handlungsfähigkeit“ (Rosa 2021: 203) als individuelle und kollektive Chancen verstehen, neue Formen der gegenseitigen Hilfeleistung zu etablieren?

Lokale Starkregenzellen sind meteorologisch schwierig zu identifizieren und zu prognostizieren, dennoch gilt es als sehr wahrscheinlich, dass deren Häufigkeit und Intensität in Folge des Klimawandels steigen (vgl. DWD 2021, Lengfeld et al. 2021). Vorausgesetzt, dass sich klimawandelbedingte Krisen häufen und gegenseitig verstärken, lohnt es sich, den Fokus „auf eine Krisendynamik zweiter Ordnung, nämlich die ‚Krise des Krisenmanagements‘“ (Lessenich 2020: 220) zu richten.

Das Krisenmanagement der öffentlichen Institutionen steht vor der Herausforderung sogenannter multipler Kri

die vorherrschenden sozioökonomischen und politischen Interaktionsmuster und Prozessketten“ (Rosa 2020: 192f.) darstellen. Es ist davon auszugehen, dass für diese Kri senmomente kaum etablierte Handlungsschemata oder gar routinen vorliegen, weder für Organisationen noch für Individuen, sodass sich Chancen für die Rekonfiguration der bestehenden Muster ergeben. „Dies sind die seltenen historischen Momente, in denen soziale Akteure Geschichte wirklich machen können, in denen es stärker als zu anderen Zeiten auf ihr Handeln ankommt.“ (Rosa 2020: 204)

Es lassen sich mindestens zwei Strategien sozialer Reorgani sation formulieren, die sich eröffnen, wenn wetterbedingtes Chaos die bestehenden Handlungs und Interaktionsmuster in Frage stellen: (a) In Folge der (temporären) Handlungs unfähigkeit kommunaler bis nationaler Institutionen – etwa, weil Behörden und Einsatzkräfte keinen oder nur begrenzten Zugang zu betroffenen Ortschaften haben – können sich die Akteure gegeneinander wenden. Sie könnten die Abwesen heit der Exekutive nutzen, um sich durch Plünderungen in

»
sechsundvierzig artikel »

der Nachbarschaft zu bereichern. Oder (b) die Betroffenen können sich vor Ort für die gegenseitige Hilfe entscheiden. Ersteres blieb weitestgehend aus, auch wenn es im Ahrtal zu Plünderungen kam (vgl. SPON 2021). Phänomene der gegenseitigen Hilfeleistung wurden von der Presse unter dem Stichwort Mutual Aid diskutiert (vgl. Tolentino 2020). Ein Konzept, das von Peter Kropotkin als Ergänzung der darwinistischen Evolutionstheorie entwickelt wurde.

Mit dem Konzept des Mutual Aid konfrontierte Kropotkin darwinistischen Ansätze, die u.a. von Herbert Spencer auf die soziale Welt übertragen und als survival of the fittest oder law of nature (Stichwort: Sozialdarwinismus) popularisiert wurden (vgl. Kropotkin 1902, Beetz 2010). Survival of the fittest, d.h. den Kampf aller gegen aller als Naturgesetz und darüber hinaus als Motor gesellschaftlichen Fortschritts zu

konsensorientiert, hierarchiefrei, antiautoritär, solidarisch und somit explizit politisch ausgerichtet sind (vgl. Cortez/ Kamba 2020). Mutual Aid richtet sich gegen klassisches eh renamtliches Engagement, weil dieses zunehmend Ausdruck eines neoliberalen Outsourcings sozialstaatlicher Pflichten in private und privatwirtschaftliche Hände sei, sodass Wohl tätigkeit zum Charakteristikum eines spezifisch neoliberal exklusiven Lebensstils kultiviert wird, welcher Solidarität zugunsten sozialen Prestiges verdrängt (vgl. Lachowicz/ Donaghey 2021). Lessenich spricht hier von dem „Umbau sozialstaatlicher Institutionen zu Ermöglichungsagenturen aktiver Eigenverantwortung“ (Lessenich 2008: 83f.). Mit anderen Worten: Eine ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben wird zum Ausdruck eines aktiven Lebensstils stilisiert, den sich nur manche leisten können, und, vice versa, wer sich nicht ehrenamtlich betätigt, gilt als unmoralisch und asozial.

begreifen, wäre weder bewiesen noch hinreichend beobach tet (vgl. Kropotkin 1902). Stattdessen spricht Kropotkin vom Instinkt zur Solidarität als zweiten relevanten evolutionären Faktor:

It is not love to my neighbour – whom I often do not know at all – which induces me to seize a pail of water and to rush towards his house when I see it on fire; it is a far wider, even though more vague feeling or instinct of human solidarity and sociability which moves me. (…) It is a feeling infinitely wider than love or personal sympathy – an instinct (…) which has taught animals and humans alike the force they can borrow from the practice of mu tual aid and support, and the joys they can find in social life. (...) It is the conscience – be it only the stage of an human instinct – of human solidarity. (Kropotkin 1902: 4)

Heute werden Mutual Aid Initiativen als lokale, informelle und soziale Netzwerke gegenseitiger Hilfe definiert, die

Mutual Aid sei deshalb eine politische Praxis konträr zum Ehrenamt und außerhalb des neoliberalen Mindsets, weil sie solidarische (Selbst )Hilfe und politischen Protest vereint, indem sie über die Lücken staatlicher Fürsorge aufklärt und Hierarchien meidet (vgl. Lachowicz/Donaghey 2020).

Tolentino (2020) listet auf, wie Mutual Aid Initiativen im Kontext der Corona Pandemie aussehen können: Lebens mittellieferdienste für immobile Personen, Spendenkonten für auftragslose Freiberufler*innen, Studierende, die sich mit Mensa Mahlzeiten versorgen. Der Mutual Aid Hub verzeich net mittlerweile hunderte lokale Mutual Aid Networks in den USA (siehe https://www.mutualaidhub.org), die inhaltlich sowie organisatorisch variieren und – trotz der Referenz im Namen – selten direkten politischen Bezug aufweisen. Ganz anders das Mutual Aid Desaster Relief-Network (MADR): Es ist spezialisiert auf die Katastrophen vor und Nachsorge im Kontext politischer Arbeit (siehe https://mutualaiddisaster relief.org) und stellt gewissermaßen einen Idealtyp für das

» in aktion philou .

Implementieren des linkspolitischen Mutual Aid Konzepts in die Katastrophenhilfe dar.

Im Ahrtal wurden Initiativen nach der Flutkatastrophe durch die Gründung zahlreicher ehrenamtlicher Vereine und gemeinnütziger Organisationen (Die AHRche e.V., hel pundfun Ahrtal, Fluthilfe-Ahr e.V., Helfer-Stab Hochwasser Ahr) institutionalisiert oder in digitale Formate überführt (Ahrhelp, HelferShuttle). Die politische Artikulation der Folgen der Flutkatastrophe beschränkt sich auf vereinzelte Demonstrationen der Anwohner*innen, die sich gegen die nach wie vor schleppende Auszahlung staatlicher Wieder aufbaufonds richten (vgl. SPON 2022).

In einem Vergleich von ehrenamtlichem Engagement und Mutual Aid kommen Lachowicz und Donaghey (2020) zu dem Schluss, dass auch die meisten Mutual Aid Initiativen einer pragmatischen (also einer neoliberal konformen) Agenda folgen, ohne systemische Ursachen zu themati sieren: „As in the most street level mutual aid groups, the expression of political opinions was often frowned upon by participating neighbours – the clear priority was filling the ‚gap‘ and addressing need, regardless of the systemic cause of that need.” (Lachowicz/Donaghey 2020: 15) Sowohl die Mutual Aid Initiativen als auch die Initiativen im Ahrtal adressieren zwar offensichtliche sozialstaatliche Leerstellen, die Individuen in Eigenregie, d.h. selbstständig, selbstorgani siert und spendenbasiert unter Aufwendung ihrer zeitlichen, sozialen und monetären Ressourcen füllen. Sie sind daher als Chance sozialer Reorganisation zu verstehen, weil sie lokale Soforthilfe im Katastrophenfall gewährleisten, Räume

„kollektiver Selbstwirksamkeit und politischer Handlungsfä higkeit“ (Rosa 2020: 203) eröffnen, kommunal solidarische Communities fördern und sich die Beteiligten Fähigkeiten aneignen, dank derer sie in zukünftigen Katastrophenfällen soziale Reorganisationsprozesse anleiten können.

Mutual Aid, wie die des MADR, geht jedoch dahingehend über die Ahrtal Initiativen hinaus, als dass sie ihre Aktivität an politischen Leitlinien orientiert und die Leerstellen staat licher Fürsorge politisch artikuliert. Mutual Aid kombiniert Prozesse sozialer Reorganisation mit dem emanzipatorischen Anspruch, den inneren Zusammenhang der „multiplen Krise“ zu identifizieren und gewinnt somit gesellschaftspolitische Relevanz. Mit den Worten Markus Schroers:

Die Menschen überall auf der Welt bekommen ein Stück zu sehen, dass sie selbst in Szene gesetzt haben, wenn auch mit unterschiedlich intensiver Beteiligung und in unterschiedlichen Rollen und Funktionen. Was sie auf den heimischen Bildschirmen zu sehen bekommen – die Flutkatastrophen, Überschwemmungen, Bodenzerstörun gen, Wasserverschmutzungen, Feuerbrünste und nun die Millionen Opfer der Pandemie – ist in wachsendem Maße als die nicht intendierten Folgen ihres eigenen Tuns anzu sehen. Dies vollumfänglich zu begreifen und die nötigen Schlüsse daraus zu ziehen, ist die eigentliche Herausforde rung unseres gegenwärtigen Zeitalters. (Schroer 2022: 566f.)

Beetz, M. (2010): Das unliebsame System. Herbert Spencers Werk als Prototyp einer Universaltheorie. In: Zeitschrift für Soziolo gie, 39(1), S. 22–37.

Brand, U. (2009): Die multiple Krise. Dy namik und Zusammenhang der Krisendi mensionen, Anforderungen an politische Institutionen und Chancen progressiver Poli tik. Berlin: Heinrich Böll Stiftung.

Cortez, A.; Kaba, M. (2020): Mutual Aid 101. #WeGotOurBlock. Online verfügbar un ter: https://gdoc.pub/doc/e/2PACX-1vRMx V09kdojzMdyOfapJUOB6Ko2_1iAfIm8ELeIg ma21wIt5HoTqP1QXadF01eZc0ySrPW6VtU_ veyp? [Zugriff: 23.05.2022].

DWD Deutscher Wetterdienst / Extrem wetterkongress (2021): Was wir heute über das Extremwetter in Deutschland wis sen. Offenbach am Main.

Kropotkin, P. (1902): Mutual Aid. A Factor in Evolution. Middletown: McClure, Philips & Company.

Lachowicz, K.; Donaghey, J. (2021): Mu tual aid versus volunteerism: Autonomous PPE production in the Covid-19 pandemic crisis. In: Capital and Class, November 2021. S. 1–21.

achtundvierzig artikel »

Lengfeld, K; Walawender, E.; Winter rath, T.; Becker, A. (2021): CatRaRe: A Ca talogue of radar-based heavy rainfall events in Germany derived from 20 years of data. In: Meteorologische Zeitschrift, 30(6). S. 469–487.

Lessenich, S. (2008): Die Neuerfindung des Sozialen. Der Sozialstaat im flexiblen Ka pitalismus. Bielefeld: transcript Verlag.

Lessenich, S. (2020): Soziologie – Corona –Kritik. In: Berliner Journal für Soziologie, 30(2). S. 215–230.

Rosa, H. (2020): Pfadabhängigkeit, Bifur kationspunkte und die Rolle der Soziologie. Ein soziologischer Deutungsversuch der Co rona-Krise. In: Berliner Journal für Soziologie, 30. S. 191–213.

Schroer, M. (2022): Geosoziologie. Die Erde als Raum des Lebens, Berlin: Suhr kamp Verlag.

SPON Spiegel Online (2021): Ver wesung, Plünderungen, schlechte me dizinische Versorgung. In: Spiegel Panorama, 29.06.2021. Online verfügbar unter: https://www.spiegel.de/panorama/ flutkatastrophe-verwesung-pluenderun gen-schlechte-medizinische-versorgung-a14e227cd-b852-4a4a-b472-7a0a0da62b00 [Zugriff: 23.05.2022].

SPON Spiegel Online (2022): "Viele von uns sind traumatisiert“. In: Spiegel Pa norama, 12.05.2022. Online verfügbar unter: https://www.spiegel.de/panorama/ gesellschaft/flutkatastrophe-demo-in-ahr weiler-viele-von-uns-sind-traumatisiert-a13b0abf6-1011-4b38-80e0-bfbeefa4f90b [Zugriff: 07.06.2022].

Tolentino, J. (2020): What Mutual Aid Can Do During a Pandemic. In: The New Yorker, 11.05.2020. Online verfügbar unter: https://www.newyorker.com/ma gazine/2020/05/18/what-mutual-aid-can-doduring-a-pandemic [Zugriff: 23.05.2022].

Anzeige » in aktion

philou .

Das unabhängige wissenschaftliche Studierendenmagazin an der RWTH Aachen

Ausgabe 12, 2022

Auflage: 2.500

Mitwirkende Ausgabe #12

Alberty, Victoria Bendler, Karl Döring, Luca Eleftheriadi Z., Sofia Fischer, Kirsten Funke, Friederike García Mata, Cristina Layout Döring, Luca Hoffmann, Jil Kim, Sumin

Credits

Hoffmann, Jil Kim, Sumin Korr, Jan Schneider, Yvonne Stenske, Claudia Weingarten, Karla Winkens, Ann Kristin

AUSBLICK: AUSGABE 13

DIVERSITÄT

Diversität, auch Vielfalt oder Heterogenität, wird zuneh mend als Schlüsselkonzept in verschiedenen Bereichen und Disziplinen formuliert und verwendet. Mithin hat der Begriff zahlreiche Bedeutungen. Die Naturwissenschaften diskutie ren chemische Vielfalt, die Sozialwissenschaften gesellschaft liche Vielfalt, die Ökologie untersucht Biodiversität und die Technikwissenschaften Redundanzen zur Erhöhung der Ausfallsicherheit.

Was ist Euer Verständnis von Diversität? Inwiefern ist Diversität relevant? Welche Effekte können diverse Teams in Arbeits und Entscheidungsprozessen haben? Wie kann Diversität Innovation und Kreativität fördern? Und was hat die Evolution damit zu tun?

Mit diesen und vielen weiteren Aspekten soll sich die nächste Ausgabe beschäftigen – dabei geht es um einen interdisziplinären und inneruniversitären Diskurs.

S.6: Originalbild (verändert) Jassin H.B. via Wikimedia, UPI via Wikimedia, Marcin Wichary via Wikimedia, Toni Frissell via loc, Laura Patterson via loc, Vance A. via Unsplash, Swan son Chan via Unsplash, Antonio Napodano via Unsplash

S.14: Originalbild (verändert) Ivan Bandura via Unsplash, Curioso Photography via Pexels, Carlo Orsolini via metmuse um.org, Silas Baisch via Unsplash

S.19: Originalbild (verändert) Detroit Publishing Co. via loc, Esther Bubley via loc

S.22: Originalbild (verändert) Fæ via Wikimedia, Kubra Acikgoz via Unsplash, Cleo Stracuzza via Unsplash, Pawel Czerwinski via Unsplash

S.25: Originalbild (verändert) British Library via Unsplash, Wilhelm Gunkel via Unsplash, Doug Kelley via Unsplash S.30: Originalbild (verändert) cdd20 via Unsplash, Tom Mor bey via Unsplash, Jack Atkinson via Unsplash, Ahkâm via fre eiconspng.com

S.33: Originalbild (verändert) Alina Blumberg via pexels, Lu cas George via Unsplash, Unknown author via Wikimedia S.40: Originalbild (verändert) Kilobaud Microcomputing 1979 via archive.org

S.47: Originalbild (verändert) Matthew Clark via Unsplash Texturen: Marjan Blan via Unsplash, David Maier via Uns plash

V.i.S.d.P

Ann Kristin Winkens

Studierendenmagazin Philou. e.V. Rehmplatz 7 52070 Aachen

Hast Du Lust zu schreiben, wissenschaftlich zu arbeiten und zu publizieren? Dann schreibe doch einen Artikel für uns oder sende uns einen kreativen Beitrag!

Melde Dich unter lektorat@philou.rwth-aachen.de

KONTAKT & MITMACHEN

Du willst selbst redaktionelle Luft schnuppern? Du hast Ideen oder Kritik? Du hast Fragen, Anmerkungen oder Vorschläge? Du möchtest mit uns zusammenarbeiten oder uns kennenlernen?

Deine Anfragen nehmen wir gern entgegen. Darüber hinaus sind wir immer auf der Suche nach Studierenden aller Fachrichtungen, die bei philou.  mitwirken möchten. Egal, ob im Layout, im Lektorat, in der Öffentlichkeitsarbeit oder in der Organisation: Tatkräftige Unterstützung ist zu jeder Zeit willkommen!

Melde Dich unter info@philou.rwth-aachen.de

philou.rwth-aachen.de facebook.com/philoumagazin instagram.com/philou.magazin info@philou.rwth-aachen.de

Im Namen der gesamten Redaktion bedanken wir uns herzlichst beim AStA, dem Chaos Computer Club Aachen, dem Theater Aachen, unserem anonymen Interviewpartner zum Thema Autismus sowie bei allen weiteren Mitwirkenden, die Zeit, Rat und Geld zur Verfügung gestellt haben.

Diese Ausgabe und die vorigen Ausgaben der philou. können auch online unter philou.rwth aachen.de eingesehen werden.

Die Redaktion behält sich das Recht vor, Artikel redaktionell zu bearbeiten. Eine Abdruckpflicht für eingereichte Beiträge gibt es nicht. Die in der philou. veröffentlichten, namentlich gezeichneten Beiträge geben die Meinungen der Autoren wieder und stellen nicht zwangsläufig die Position der Redaktion dar.

Nachdruck und Wiedergabe von Beiträgen aus der philou. sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion erlaubt.

Impressum
Finanzenberatenlassen–vonIhrerSparkasse. Mehraufsparkasse-aachen.de/mehralsgeld Weil’summehralsGeldgeht. Anzeige
InvestierenSiedoch malindieZukunft unseresPlaneten. Jetztzunachhaltigen

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.