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Interv. Christine Neubauer
Ganz
oder gar nicht
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Foto: José Campos
Die Schauspielerin Christine Neubauer, in München geboren und Mutter eines erwachsenen Sohnes, lebt mit ihrem Lebenspartner, dem Fotograf José Campos, hauptsächlich auf Mallorca, in Palma und in der Tramuntana. Nach Schauspielunterricht u.a. am Lee Strasberg Theatre and Film Institute in New York konnte man sie in zahlreichen Theater- und bis heute über Einhundert TV- und Filmproduktionen sehen, so zum Beispiel in der „Löwengrube“ (1987), „Liebe mich bis in den Tod“ (1998), „Momella – Eine Farm in Afrika“ (2007) und „Die Holzbaronin“ (2012). EL AVISO befragte Christine Neubauer zu ihrem 60-sten Geburtstag (24. Juni 2022) zum Älter werden, zu Mallorca und ihrem neuen Projekt „Design-Team“ im Can Bordoy Grand House & Garden in Palma.
EL AVISO: Man hat Sie oft als Quoten-Queen bezeichnet. Aus der TV- und Kinolandschaft sind Sie nicht wegzudenken und wurden mit Preisen für Schauspielkunst überhäuft. Was war bisher Ihre Lieblingsrolle, was der schönste Preis? Christine Neubauer: Eine Lieblingsrolle gibt es für mich nicht, aber es gibt Produktionen, die für meinen Weg wichtig waren. Die erste prägende Rolle war die Traudl Grandauer in der „Löwengrube“. Wir hatten fünf Jahre Zeit für diese monumentale Produktion. Dafür habe ich meinen ersten Grimme-Preis bekommen. Da war ich als junge Schauspielerin so aufgeregt, dass ich nur „Danke“ sagen konnte, was ich im Nachhinein ganz furchtbar fand. Die Verleihung genießen und mich richtig bedanken konnte ich erst beim zweiten Grimme-Preis für „Krambambuli“. In all der Zeit ist auch das Bild vom „Vollweib“ entstanden, gefolgt von einer Reihe von TVProduktionen, wie die „Geierwally“, die ich unbedingt spielen wollte! Diese Frau mit all ihrer Urgewalt auf dem Berg, und mit dem grandiosesten Partner, einem riesigen Adler, der mir im Laufe der Zeit dann schon geantwortet hat, allein mit seinen Bewegungen und seinem Verhalten. Großartig auch die Produktion „Gottes mächtige Dienerin“, die Rolle der Pascalina, das Leben einer bayerischen Nonne bei Papst Pius XII, die mich nicht nur nach Rom, sondern auch international zu einer Rolle in „Under the Roman Sky“ brachte, ebenfalls als Pascalina. Ein weiterer Höhepunkt war „Hannas Entscheidung“. Für die Rolle der Hanna habe ich vier internationale Preise als beste Schauspielerin bekommen, eine wunderbare Anerkennung für meine Arbeit.
EA: Bei Ihrem Erfolg könnte man meinen, Sie sind mit sich und der Welt zufrieden. Trotzdem ist es noch nicht so lange her, da haben Sie experimentiert: nicht mehr brünett und langhaarig, sondern blond und Fransenpony. War das Midlife-Crisis? CN: Überhaupt nicht, das Gegenteil ist der Fall. Und wenn ich etwas mache, dann ganz oder gar nicht. Die Ausgangsgeschichte war eine Typveränderung für die Zeitschrift „Gala“. Nach einer endlosen Prozedur war ich dann auch richtig blond, aber nur auf dem Kopf, nicht im Herzen. Heute bin ich froh, dass mir meine Haare nicht ausgefallen sind und auch die Rolle rückwärts, begleitet durch den Berliner Stylisten Apjar Black, problemlos gelang. Um ehrlich zu sein, hatte auch mein Partner José gedacht, die blonde Christine würde ihm gefallen. Südamerikaner mögen blonde Frauen (lacht), aber irgendwie war es ihm dann doch fremd, brünett gefällt ihm besser.
EA: Sie haben gesagt, Sie hätten immer Mut gehabt, es sei allerdings auch eine Altersfrage, die Entschlossenheit zu entwickeln, etwas durchzuziehen und an sich selbst zu glauben. Fällt Ihnen das mit 60 Jahren – die man Ihnen nicht ansieht – leichter? CN: Ja, das ist so. Man hat schon so viel erlebt, dass als positiver Effekt eine Gelassenheit entsteht, und vieles ist
Foto: José Campos dann nicht mehr so dramatisch, und es gibt immer Lichtblicke, auch wenn alles zunächst doch so negativ erscheint.
EA: Verändert auch die Umgebung Mallorcas? CN: Ich fühle mich einfach sauwohl hier auf der Insel. Alles was hier ist entspricht zu 1000 Prozent mir und meiner Seele, so wie ich bin und wie ich fühle: Die Wärme, die Sonne, das freundliche Lächeln … und eben nicht die eingezogenen Schultern, um der Kälte zu trotzen. Ich habe südländisches Temperament.
EA: Sie stammen aus Bayern, wo kommt das Temperament her? CN: Da wo ich geboren bin, geht historisch die alte Römerstraße durch. Ich habe mal Ahnenforschung betrieben, alle Frauen in meiner Familie hatten Fragezeichen bei den Vätern und ich frage mich warum und kombiniere: Römerstraße und wir sehen alle italienisch aus… (lacht). Ich rede mit den Händen, haue dabei alle Gläser vom Tisch, liebe das Meer und die Sonne, damit verbindet sich meine gegebene Mentalität.
EA: Sie malen auch. Maler sagen Mallorca ein besonderes Licht nach… CN: Erst gestern haben wir einen Sundowner in Can Pastilla genommen und ich habe auf ein tief türkises Meer geschaut, übergehend in einen blauen Himmel. So wie die alten Küchenschränke in den Fünfzigern, dieses Grün-blau (lacht). Hinzu kam das intensive Grün einer Palme. Alles in einem wunderbaren Licht. Die faszinierenden Farben liegen sozusagen auf der Straße. Ich fange in meinen Gemälden die außergewöhnliche Kolorierung samt strahlender Beleuchtung und habe mir dafür auch als Rückzugsort ein Atelier am Fuße des Tramuntana-Gebirges eingerichtet.
EA: Zurück zum TV: Die „Schubladenbesetzungen“ haben Sie kritisiert. Wie wird man Etikettierungen los? CN: Also als erstes muss man lernen, das zu ertragen. Denn das Etikett geht nicht von einem selbst aus, sondern von denen, die es einem antackern. Und das Einzige, was man tun kann, ist unbeirrt seinen Weg zu gehen. Das hängt natürlich auch daran, was einem an Rollen angeboten wird. Da muss man erspüren, was wann richtig ist. Ich bin zurzeit viel auf der Bühne, und es entsteht damit für andere Bereiche zugleich eine Pause, um wiederum Neues entstehen zu lassen. Das was immer bleibt ist die Hoffnung, dass sich die Schublade niemals schließt und man immer wieder rausspringen kann.
EA: Stichwort „Vollweib“ – immerhin Titel einer Buchreihe von Ihnen als Autorin – spielt der Begriff heute noch eine Rolle für Sie, oder ist es eher der Titel Ihres letzten Buches „Das Leben ist ein Jo-Jo“? CN: Beides stimmt. Das Leben ist immer ein Jo-Jo, es geht immer rauf und runter, dafür müssen es ja nicht gleich Katastrophen sein. Und das Vollweib bleibe ich immer. Der Begriff steht für Weiblichkeit und mein Gefühl dazu, nicht aber für Kleidergrößen oder sonstige Assoziationen, die andere damit verbinden. Deswegen werde ich auch immer das Vollweib sein, weil ich mit Leib und Seele Frau und weiblich bin und damit so gar keine Probleme habe.
EA: Sie haben mal gesagt, mehr Auswahl bei Film- und Fernsehrollen ist für Sie ein Ziel von Veränderung. Das ging in die Richtung beispielsweise von Netflix, auch die spanischsprachige TV-Landschaft war angedacht. Ist das heute noch ein Thema für Sie? CN: Naja, ich spreche vier Sprachen, Deutsch, Bayerisch (lacht), Englisch und Spanisch. Was liegt also näher, als auch in spanisch zu drehen. José und ich arbeiten seit vier Jahren an einem Filmprojekt in Chile und es wür-
de mich sehr glücklich machen, es irgendwann auch wirklich umzusetzen. Es ist ein Roadmovie zweier Frauen und spielt in der chilenischen Atacama Wüste. Corona hat uns einen wirklichen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber ich weiß, wir werden das machen, und wenn es das letzte ist (lacht).
EA: Mit Ihrem Lebenspartner, dem Fotografen José Campos, sind Sie seit 11 Jahren zusammen und sie leben hauptsächlich auf Mallorca. Es gibt vieles, was Sie auch beruflich verbinden. Ist das für Sie entscheidender Aspekt einer Partnerschaft? CN: 11 Jahre? Ich bin kein Zahlenmensch, deshalb weiß ich auch nicht, dass ich 60 Jahre alt bin (lacht). Zur Frage: Ja, es ist auch ein entscheidender Aspekt. Wenn uns der Beruf nicht verbinden würde, hätten wir uns bei Dreharbeiten in der Atacama Wüste auch nicht kennengelernt. José hat alle Bereiche des Films durchlaufen und arbeitet nun hauptsächlich als Fotograf. Es ist die Kunst, die uns verbindet und die ist bekanntlich ziemlich gefühlsimpulsiv.
Mit Gedeon Burkhard bei Dance Dance Dance 2017, Foto: RTL
EA: José Campos hat Sie mal als Vulkan bezeichnet… CN: Wir haben uns gegenseitig als Vulkan bezeichnet. Was dabei rauskommt, hinterlässt eine gute Lava (lacht).
EA: Wie haben Sie die letzten beiden Jahre Corona überstanden? Das war ja auch beruflich für Film- und TV-Drehs keine einfache Zeit. CN: Wie gesagt, das Filmprojekt in Chile musste warten und beim ersten Lockdown wurde ein Theater-Engagement verkürzt. Wir sind dann im weiteren Lockdown bei Freunden auf einem Ponyhof hängen geblieben und haben ihn gemeinsam restauriert. Darin haben wir eine gewisse Routine, nachdem wir vier Jahre lang hier in einem mallorquinischen Bergdorf, am Fuß des Tramuntana-Gebirges, eine Bauruine aus dem 14. Jahrhundert, restauriert hatten, wo sich auch mein Atelier befindet.
EA: Restaurierung von Häusern – das hört sich nach einem neuen Hobby an… CN: Nach unserer ersten Restaurierung war klar, dass es nicht die letzte sein wird, und wir haben ein zweites, altes Haus gekauft und auch ihm neues Leben eingehaucht. Inzwischen hat es die Runde gemacht und von den Ergebnissen sind nicht nur wir überzeugt und begeistert – wir sind für andere Ausbauprojekte als DesignTeam buchbar… (lacht). Unser erstes Haus kann man bei Westwing und über YouTube bewundern und einen Teil der Entstehungsgeschichte verfolgen. Unser Stil ist sehr speziell und nachhaltig. Wir verbauen sehr viele alte Materialien und gestalten beispielsweise alte Möbel neu. Hier zählt auch der Gedanke an Nachhaltigkeit, aber es ist einfach auch schön, wenn aus Altem Neues entsteht. José ist hauptsächlich für den Umbau zuständig. Meine Passion ist die Innengestaltung, Restaurierung von Möbeln, das Interieur und nicht zuletzt, auch ein bisschen das damit verbundene Shoppen, z.B. auf Flohmärkten, aber natürlich auch das in Geschäften (lacht). Also, wer sich eine alte Finca zulegt, kann uns gerne kontaktieren.
EA: Sie sind sozial engagiert für PETA, Plan International,
Engagiert bei PETA, Foto José Campos
die Christoffel Blindenmission, das Rote Kreuz, aktionsweise auf Mallorca auch für Pan de Mar oder die Stiftung von Peter Maffay. Welchen Stellenwert hat das für Sie? CN: Einen großen Stellenwert. Es ist einfach schön, dem Leben etwas zurückzugeben und überhaupt zu geben. Es macht glücklich und wenn Du Glück verschenkst, kommt es auch zu Dir zurück. Wir haben unseren Sonnenschein, unseren Hund Gismo, aus einem mallorquinischen Tierheim adoptiert und mit PETA entstand daraus die gemeinsame Aktion „Adoptieren statt kaufen“. Unsere kleine Fellnase ist glücklich, wir aber auch! Aber wir helfen auch gern im Stillen, wie z.B. in Bezug auf die Ukraine. Es ist uns einfach wichtig, Positives zu schaffen und zu bewirken.
EA: Schauspielberuf, Häuser restaurieren, malen, sozial engagieren, ist da noch Zeit für Hobbies und Sport? CN: Nun, mein Beruf und all das was ich tun kann, ist nicht Beruf im klassischen Sinne, sondern Berufung und Leidenschaft. Andere würden es Hobby nennen. Joggen mit unserem Hund ist nicht so optimal, obwohl ich viele Jahrzehnte gelaufen bin. Aber nach „Dance Dance Dance“ ist das Tanzen ist sehr intensiv geworden und perfekt, um Morbus Bechterew die Stirn zu bieten und beweglich zu bleiben. Das gelingt mir sehr gut. Ich bin mit 60 beweglicher als je zuvor. Und mit Musik geht vieles leichter und das Tanztraining ist kein Training, sondern purer Spaß, auch wenn mich hinterher jeder Muskel persönlich grüßt.
Foto: José Campos
kann. Am Ende des Sommers sind Dreharbeiten für einen Kinofilm geplant, die ich jetzt vorbereiten werde. Dann beginnen die Proben zum neuen Drei-Personen-Theaterstück von Gabriel Barylli „Eine Mutter, zwei Töchter“, Premiere ist dann im Oktober in Düsseldorf. Es ist ein bisschen wie „Sex in the City“, nur anders (lacht), aber geredet wird nur über Männer. Von Düsseldorf geht es dann erstmal weiter nach Essen und München. Alles Weitere wird sich zeigen.
EA: Es war schon mehrmals im Gespräch und 2021 angekündigt: wann wird geheiratet? CN: Nee, das lassen wir jetzt mal weg. Ich habe das einmal gesagt und nun werde ich immer gefragt. Und dann kommt das Gefühl, dass wir etwas machen müssen, nur weil wir gefragt werden. Ich will einfach nicht mehr drüber reden (lacht).
Das Gespräch führte Frank Heinrich
EA: Haben Sie neben dem Chile-Projekt künftig noch Zeit für neue Pläne, Projekte und können Sie einige nennen? CN: Ich habe eine sehr erfolgreiche Theatertournee hinter mir und hoffe, dass ich jetzt erstmal Urlaub machen
José Campos, Christine Neubauer, Frank Heinrich im Garten des Hotel Can Bordoy