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Rätsel & mehr

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Ungers Krebs Teil 8

Aus dem Roman “Wie viel ist ein Leben wert?”

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von Ralph D. Wienrich

„Letztendlich wissen wir doch auch, was Ihr Institut zu leisten vermag, lieber Dr. König, oder?” Bestätigend nickte König dem Beamten zu und ergänzte übertrieben ho ärtig: „Dank der großzügigen Förderung durch den Bund, verehrter Herr Ministerialdirektor.” „Gewiss, wir tun, was wir können”, stellte dieser sachlich fest. „Wenn Sie einverstanden sind, Dr. König, dann werde ich noch heute dem Minister einen Bericht über unser Gespräch zukommen lassen. Ich glaube, dass Sie bei diesem Projekt, das Sie jetzt in Angri nehmen werden, politische Unterstützung gut gebrauchen können, nicht wahr?” „Darum ging es mir in erster Linie und dafür darf ich mich bei Ihnen beiden herzlich bedanken”.

Ein wenig heikel... König äußerte auch dem Referenten gegenüber ein freundliches Dankeschön und ho te gleichzeitig nichts inständiger, als dass dieser sich nun schleunigst vom Acker machen wollte. Ganz allein aus diesem Grunde versuchte er, mit Small Talk Zeit zu schinden, bis er schließlich die Abschiedsplauderei auf die Privatsphäre lenkte und der Referent sich mit einem artigen „Brauchen Sie mich noch?” zurückzog. Jetzt erhob sich auch König und strebte langsam in Richtung Tür. In der Büromitte verharrte er kurz, räusperte sich und trat wieder einen Schritt auf von Schwartau zu. Er schlug einen etwas vertraulicheren Ton an, als er mit gesenkter Stimme sagte: „Ich vergaß, einen etwas heiklen Aspekt anzusprechen, Herr Ministerialdirektor. Wir werden wohl nicht umhinkommen, unseren Patienten, nennen wir ihn mal so, vor einer allzu neugierigen Ö entlichkeit wirkungsvoll abzuschirmen, wohl auch vor einer neugierigen internationalen Konkurrenz, sollte das Besondere unseres Mannes bekannt werden.” Von Schwartau hob ostentativ beide Hände abwehrend in die Höhe. „Ich verstehe, was Sie hier andeuten wollen, aber, wenn Sie Ihren Probanden wegzusperren die Absicht haben sollten, dann wurde dieses Gespräch nie geführt. Forschungspolitisch sind und werden wir im Boot sein, keine Frage. Alles Weitere läuft ausschließlich in Ihrem Verantwortungsbereich und tangiert uns nicht. Da müssen wir beide uns verstanden haben.” Der Blick des Beamten, den er in diesem Augenblick König zu warf, ließ keine weitere Frage in dieser Angelegenheit zu.

Alles muss geheim bleiben In seiner Spezialklinik hatte Professor Bertram seine fähigsten und ihm wichtigsten Mitarbeiter versammelt. Es waren fünf Spitzenärzte ihres Faches. Der Klinikchef schaute milde blickend in die Runde, was sonst so gar nicht seine Art war, und erö nete die Zusammenkunft mit einer äußerst ungewöhnlichen Bitte. „Ich muss Sie ersuchen, dass das, was wir hier jetzt besprechen, korrekter, was Sie jetzt von mir erfahren werden, in diesem Kreis bleibt.” Abwartend schwieg er für einen Moment. „Ich habe aufgrund der Bedeutung dieses für alle hier im Raum anwesenden Kollegen eine Erklärung vorbereitet, sie liegt bereits vor Ihnen und ich bitte Sie, diese vor dieser Besprechung, nein, was sag ich, vor dieser Information natürlich, unterzeichnen zu wollen.” Er schaute jeden prüfend an, als wollte er sich ihres absoluten Vertrauens vergewissern. „Ich bin mir dieser ganz außerordentlichen Situation wohl bewusst und bitte Sie daher sehr um Ihr Verständnis und um Ihr Entgegenkommen.”

Der einmalige Patient Nachdem alle ihre Kugelschreiber gezückt und das Papier unterzeichnet hatten, ergri Professor Bertram erneut das Wort. „Meine verehrten Kollegen, es geht um eine medizinische Untersuchung von...”, er machte eine kurze gedankliche Pause, schaute erneut in die Kollegenrunde, um dann seinen Faden wieder aufzunehmen, „von einer für uns momentan nur schwer fassbaren Dimension. Wir werden in absehbarer Zeit über einen wohl weltweit einmaligen Patienten verfügen, der uns – so sehe ich es ganz persönlich – mit absoluter Sicherheit, ich betone mit absoluter Sicherheit, die Tür zum Sieg über den Hautkrebs und vielleicht auch noch mehr wird ö nen helfen.” „Hier bei uns in der Klinik?”, warf sein Oberarzt und Privatdozent Dr. Peer Ho mann in eine Pause des Chefs ein. „Wie”? Bertram wirkte für den Moment irritiert. Antwortete dann aber sachlich: „Nein, nein, nicht hier bei uns. Der Mann wird auf einer Spezialstation des Frabana-Institutes abgeschirmt untergebracht. Die zuständige politische Instanz ist bereits in vollem Umfang informiert worden.”

Dr. König ruft an „Warum, Herr Professor, ist diese Vorgehensweise nötig und welcher Grund spricht gegen eine Unterbringung in unserer Klinik?”, insistierte sein Oberarzt hartnäckig. Ungehalten fi xierte er seinen besten Mann mit dem erkennbaren Bemühen, ihn um sein Schweigen zu ersuchen. Die fragenden Gesichter seiner Kollegen allerdings nötigten Bertram schließlich doch, präziser zu werden. „Man hat sich”, blieb er aber dennoch bewusst ungenau, „für diese Lösung entschieden, weil wir hier, in unserer Klinik, nichts gegen den Willen des Patienten tun wollen, tun dürfen und tun können. Aber diese Klinik bleibt voll involviert.” Erstaunt vernahm die Runde diese, in sehr gereiztem Ton zur Kenntnis gebrachte Information, und harrte schweigend auf weitere Einzelheiten, als ein energisches Klopfen jäh diese leicht angespannte Stimmung aufl öste. Bertrams Sekretärin ö nete die schwere, von innen ledergepolsterte Tür und wisperte respektvoll: „Herr Dr. König für Sie, Herr Professor. Es ist dringend.” Er wollte schon zu seinem Telefon greifen, als die Sekretärin ihn mit einer eindeutigen Handbewegung ins Vorzimmer bat. Mit einer leise vor sich hingemurmelten Entschuldigung erhob er sich und verließ beinahe etwas erleichtert sein Arbeitszimmer.

Fortsetzung folgt …

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