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Magischer Realismus in abgefilmter Banlieue
Zusammen Leben
Der 16-jährige Yuri träumt davon, das Weltall als Astronaut zu erforschen. Sein Alltag hat allerdings mehr mit Endlichkeit als unendlichen Weiten zu tun: Er hat seine Pariser Banlieue noch nie verlassen. Seinen Träumen hängt er in der maroden Sozialbausiedlung Cité Gagarine nach. Als er erfährt, dass seine Welt, gebaut aus roten Ziegelsteinen, bedroht ist, richtet er den Blick nach innen: Während Freunde und Nachbarn bereits wegziehen, ist er entschlossen, Gagarine auf seine Weise zu retten …
Verspielter Widerstand
In Fanny Liatards und Jérémy Trouilhs Debüt wird die Großwohnsiedlung anvisiert, die in den Jahren 1961 bis 1963 entstand und ab dem Jahr 2019 abgerissen wurde, um Platz für eine neue Siedlung zu machen. Sozialrealismus wird hier anders als sonst im Film nicht mit brennender Wut, sondern traumwandlerisch begegnet. Dass der hier allein lebende Teenager Yuri vom Weltall träumt, hat womöglich mit dem Namen seines Zuhauses zu tun: Benannt ist das Bauprojekt nach dem sowjetischen Kosmonauten Juri Alexejewitsch Gagarin, der der erste Mensch im Weltraum war. Bei der Einweihung der Sozialbausiedlung war er anwesend.
Hauptdarsteller (und Newcomer) Alseni Bathily wird nun als einer der Letzten zu sehen sein, der sich hier bewegt. Die Euphorie der Eröffnung ist Ende der Nullerjahre Ratten, Dealern, Asbest und kaputter Bausubstanz gewichen. Was aber auch noch da ist: eine Gemeinschaft, die ein Auge aufeinander hat. Und mit Yuri ein Junge mit ebenso viel Entschlossenheit wie Idealismus und Fantasie. Er will das einzige Zuhause, das er auf diesem Planeten je hatte, retten. Unter anderem wird ihm sein Love Interest Diana (Lyna Khoudri, The French Dispatch) dabei helfen.
Ein poetisches Debüt mit visuellen Spielereien, das seine Premiere in Cannes feierte. #einmalschwerelosundzurück
EINMAL SCHWERELOS UND ZURÜCK –GAGARINE KINOSTART 17.02., F 2020, REGIE Fanny Liatard, Jérémy Trouilh, MIT Alseni Bathily, Lyna Khoudri, Jamil McCraven, FILMLÄNGE 98 Min., © Polyfilm
Familiensache?
Florian Zeller bringt den zweiten Teil seiner Familientrilogie auf die Leinwand: Auf „The Father“ folgt „The Son“.
Wie verwirrend der Alltag eines Menschen mit fortgeschrittener Demenz ist – wo plötzlich Eindringlinge in der Wohnung auftauchen, die aber behaupten, zur Familie zu gehören –, inszenierte der Dramatiker und Regisseur Florian Zeller mit The Father (und seinem fabelhaften Hauptdarsteller Anthony Hopkins) auf erschütternde Weise. Nun kommt der zweite Teil seiner Familientrilogie auf die Leinwand: das aufwühlende Drama The Son. „Als ich das Drehbuch las, war es wie ein Schlag in den Magen“, so Hauptdarsteller Hugh Jackman. „Ich wollte unbedingt diese Figur spielen“. „Diese Figur“ ist ein Mann, Peter, der sich aus seiner Familie gelöst hat, um mit einer anderen Frau eine neue zu gründen. Mit Beth (Vanessa Kirby) und dem gemeinsamen Baby lebt der Anwalt, der über einen Wechsel in die Politik nachdenkt, ein glückliches Leben – bis die Vergangenheit sich als alles andere als abgeschlossen zeigt: Seine Exfrau (Laura Dern) berichtet, dass der gemeinsame 17-jährige Sohn Nicholas (Zen McGrath) seit Wochen die Schule schwänzt, verstört, wie ausgewechselt sei. Nicholas wird zu Peter und seiner neuen Familie ziehen, in der Hoffnung, dass es ihm mit einem Tapetenwechsel bessergehen wird … #thesonfilm
THE SON KINOSTART derzeit im Kino, UK 2022, REGIE Florian Zeller, MIT Hugh Jackman, Laura Dern, Vanessa Kirby, Zen McGrath, Anthony Hopkins, FILMLÄNGE 122 Min., © Constantin Film