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KOLUMNE Wilhelm J.Grusdat

AUS DEM LEBEN EINES GALERISTEN: Autor_Wilhelm J. Grusdat

HAND UND FUSS

Wenn etwas «Hand und Fuss» hat, dann ist es gut überlegt und vorbereitet. Das besagt schon das Sprichwort. Dessen Ursprung ist allerdings etwas brutal. Im Mittelalter wurden Missetäter mit dem Abtrennen eines Fusses und einer Hand bestraft – meist die rechte Hand und der linke Fuss. Auf diese Weise konnte der Bestrafte weder ein Schwert halten noch ein Pferd besteigen. Und da die übriggebliebene linke Hand auch noch als unheilbringend galt, hatte dieser nichts zu lachen – es sei denn, er war ein Linkshänder. Aber die waren schon im Mittelalter selten. Nur zehn Prozent der Weltbevölkerung sind Linkshänder und davon interessanterweise überproportional viele Künstler. Die meisten als Linkshänder gehandelten Künstler stellen sich bei genauerer Untersuchung als Beidhänder heraus. So nannte man Leonardo da Vinci zwar liebevoll «Mancino» – was so viel wie «der Linkshänder» bedeutet –, aber gearbeitet hat der Künstler mit beiden Händen. Mit der Linken schrieb er in seiner berühmten Spiegelschrift, wechselte aber für Verträge und ähnlich offizielle Schreiben zur Rechten. Manchmal ist es aber auch eine Krankheit, die einen Künstler zwingt, die dominante Hand zu wechseln. Nach einem Schlaganfall musste der Künstler Robert Rauschenberg lernen, seine linke Hand zu benutzen, und konnte so bis zuletzt produktiv arbeiten. Hände faszinieren. Kein anderes Körperteil ist so wichtig für den Künstler wie seine Hände. «Meine Hand sagt mir, was ich denke», bemerkte Pablo Picasso einmal. Es wundert also nicht, dass sie häufig als Motiv in seiner Kunst, etwa als Gipsabguss, auftaucht. Neben flach ausgestreckten Varianten gibt es auch eine zur Faust geballte Linke. Diese entstand 1937, nachdem Picasso sein Jahrhundertwerk «Guernica» fertiggestellt hatte. Nun liess sich Picasso auch gerne fotografieren. Den befreundeten Fotografen Brassaï bat er bei einer dieser Gelegenheiten um ein Porträt von sich und seinem wichtigsten Werkzeug. Herausgekommen ist ein Bild, das den frontal blickenden Künstler mit erhobenen Händen zeigt. In dieser Geste verharren normalerweise nur auf frischer Tat ertappte Missetäter. Doch danach sieht der Künstler nicht aus. Andy Warhol hatte eher ein gespaltenes Verhältnis zu seinem Körper und war stets bemüht, sein Aussehen zu verbessern. In seinem Tagebuch hält er fest: «Meine rechte Hand ist eifersüchtig, wenn meine linke ein schönes Bild malt.» Daraus könnte man jetzt schliessen, dass Warhol Linkshänder war. Gesichert ist leider nichts, aber es existieren von ihm erstaunlich wenig handgeschriebene Zettel. Es könnte sein, dass er an einer nichterkannten Dyslexie litt und darum lieber seine Texte diktierte. Fakt ist, dass Warhol stark an einem anderen Körperteil – dem Fuss – interessiert war, ja regelrecht einen Fetisch hatte. Es war nicht ungewöhnlich, dass er Freunde, potenzielle Liebhaber, Kunsthändler und Prominente dazu einlud, seine Fussmodelle zu werden. Als man nach seinem Tod die unzähligen Kisten seines Nachlasses öffnete, fanden sich darin neben einem Schuhpaar, das einst Clark Gable gehörte, auch eine grosse Anzahl an filigranen Fussbildern, mal mehr, mal weniger erotisch aufgeladen. Der wohl ungewöhnlichste Fund aber war ein mumifizierter menschlicher Fuss. Es wäre interessant zu wissen, wie er dazu gekommen ist. Hoffentlich war es kein Geschenk eines etwas zu begeisterten Fans.

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