PRESTIGE Switzerland Volume 60

Page 32

PRESTIGE

AUS DEM LEBEN EINES GALERISTEN: HAND UND Autor_Wilhelm J. Grusdat

FUSS

Wenn etwas «Hand und Fuss» hat, dann ist es gut überlegt und vorbereitet. Das besagt schon das Sprichwort. Dessen Ursprung ist allerdings etwas brutal. Im Mittelalter wurden Missetäter mit dem Abtrennen eines Fusses und einer Hand bestraft – meist die rechte Hand und der linke Fuss. Auf diese Weise konnte der Bestrafte weder ein Schwert halten noch ein Pferd besteigen. Und da die übriggebliebene linke Hand auch noch als unheilbringend galt, hatte dieser nichts zu lachen – es sei denn, er war ein Linkshänder. Aber die waren schon im Mittelalter selten. Nur zehn Prozent der Weltbevölkerung sind Linkshänder und davon interessanterweise überproportional viele Künstler. Die meisten als Linkshänder gehandelten Künstler stellen sich bei genauerer Untersuchung als Beidhänder heraus. So nannte man Leonardo da Vinci zwar liebevoll «Mancino» – was so viel wie «der Linkshänder» bedeutet –, aber gearbeitet hat der Künstler mit beiden Händen. Mit der Linken schrieb er in seiner berühmten Spiegelschrift, wechselte aber für Verträge und ähnlich offizielle Schreiben zur Rechten. Manchmal ist es aber auch eine Krankheit, die einen Künstler zwingt, die dominante Hand zu wechseln. Nach einem Schlaganfall musste der Künstler Robert Rauschenberg lernen, seine linke Hand zu benutzen, und konnte so bis zuletzt produktiv arbeiten. Hände faszinieren. Kein anderes Körperteil ist so wichtig für den Künstler wie seine Hände. «Meine Hand sagt mir, was ich denke», bemerkte Pablo Picasso einmal. Es wundert also nicht, dass sie häufig als Motiv in seiner Kunst, etwa als Gipsabguss, auftaucht. Neben flach ausgestreckten Varianten gibt es auch eine zur Faust geballte Linke. Diese entstand 1937, nachdem Picasso

sein Jahrhundertwerk «Guernica» fertiggestellt hatte. Nun liess sich Picasso auch gerne fotografieren. Den befreundeten Fotografen Brassaï bat er bei einer dieser Gelegenheiten um ein Porträt von sich und seinem wichtigsten Werkzeug. Herausgekommen ist ein Bild, das den frontal blickenden Künstler mit erhobenen Händen zeigt. In dieser Geste verharren normalerweise nur auf frischer Tat ertappte Missetäter. Doch danach sieht der Künstler nicht aus. Andy Warhol hatte eher ein gespaltenes Verhältnis zu seinem Körper und war stets bemüht, sein Aussehen zu verbessern. In seinem Tagebuch hält er fest: «Meine rechte Hand ist eifersüchtig, wenn meine linke ein schönes Bild malt.» Daraus könnte man jetzt schliessen, dass Warhol Linkshänder war. Gesichert ist leider nichts, aber es existieren von ihm erstaunlich wenig handgeschriebene Zettel. Es könnte sein, dass er an einer nichterkannten Dyslexie litt und darum lieber seine Texte diktierte. Fakt ist, dass Warhol stark an einem anderen Körperteil – dem Fuss – interessiert war, ja regelrecht einen Fetisch hatte. Es war nicht ungewöhnlich, dass er Freunde, potenzielle Liebhaber, Kunsthändler und Prominente dazu einlud, seine Fussmodelle zu werden. Als man nach seinem Tod die unzähligen Kisten seines Nachlasses öffnete, fanden sich darin neben einem Schuhpaar, das einst Clark Gable gehörte, auch eine grosse Anzahl an filigranen Fussbildern, mal mehr, mal weniger erotisch aufgeladen. Der wohl ungewöhnlichste Fund aber war ein mumifizierter menschlicher Fuss. Es wäre interessant zu wissen, wie er dazu gekommen ist. Hoffentlich war es kein Geschenk eines etwas zu begeisterten Fans.

30


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook

Articles inside

DER SINN DER ARBEIT Identifizierung und Engagement im Job

7min
pages 230-233

KUNST FÜR EINE REICHERE WELT UBS Art Collection

3min
pages 226-228

KOLUMNE Tristan Brandt

1min
pages 224-225

LIVING

1min
pages 196-197

CULINARIUM

1min
pages 210-211

COCOONING Der alte neue Wohntrend

5min
pages 180-185

DIE SCHWARZE PERLE Ein Blick in eine aussergewöhnliche Residenz

6min
pages 190-195

KOLUMNE Maura Wasescha

1min
pages 188-189

TRADITIONELLES HANDWERK TRIFFT AUF MODERNES DESIGN Sebastian Herkner im Interview

5min
pages 186-187

SIEGER IM FLAKON Duftstars 2021

4min
pages 172-175

EINE OLFAKTORISCHE OFFENBARUNG Die Kraft der Yuzu

2min
pages 170-171

EIN SIEGEL FÜR DIE GARDEROBE Das Schweizer Modelabel ZIIAS

2min
pages 162-163

BRUSTKREBS Kampf für sich selbst

7min
pages 164-169

FASHION MEN

0
pages 156-157

DAS RAFFINIERTE ERBSTÜCK Prada «Galleria»

6min
pages 150-155

FASHION WOMEN

0
page 149

DUO INFERNALE Jil Sander

3min
pages 144-148

DAS GENESIS-VERSPRECHEN Das Genesis-Studio in Zürich

5min
pages 126-129

MODERNE FREIHEIT UND SCHWEIZER PIONIERGEIST Harley-Davidson

4min
pages 116-119

MUST-SEE Von Blechkisten und Rekordhaltern

1min
page 111

ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE Ein Rennen zweier Elemente mit dem Lamborghini Urus

4min
pages 112-115

DAS I-TÜPFELCHEN BMW i4 und iX

4min
pages 106-110

DIE HINGABE FÜR EINZIGARTIGKEIT Bvlgaris «Magnifica»-Kollektion

5min
pages 100-105

JEWELLERY

1min
page 99

EIN FUTURISTISCHES GESPANN Hypercar trifft auf Zeitmesser

2min
page 98

KLASSENBESTER «SLS Dubai»

2min
pages 70-71

TRAVEL

1min
pages 72-73

DER MARINE CHAMPION Hublot «Classic Fusion Chronograph Bol d’Or Mirabaud»

3min
pages 96-97

EDITORIAL Die Reinheit der Eleganz

2min
pages 74-81

DIE ESSENZ DES LUXUS «Kenshõ Psarou Grand Villa»

2min
pages 68-69

EIN GEFÜHL VON FREIHEIT «Santa Marina» Mykonos

1min
pages 66-67

TRAUMHAFTES ENGADIN Zuflucht im «Carlton Hotel St.Moritz»

7min
pages 62-65

ABSTRAKTE KUNST MIT BOTSCHAFT Milana Schoeller im Interview

4min
pages 34-35

WEISSE NÄCHTE St.Petersburg

10min
pages 56-61

KOLUMNE Wilhelm J.Grusdat

2min
pages 32-33

GEBALLTE FRAUENPOWER Ein Gespräch mit Lori Spector

9min
pages 48-53

ART BASEL 2021 Ein Kunstmarkt im Umbruch

7min
pages 24-31

EDITORIAL

1min
page 23

ART&CULTURE

1min
pages 54-55

NEUE WEGE FÜR DAS AUKTIONSHAUS CHRISTIE’S Fünf Fragen an Jutta Nixdorf

5min
pages 36-39
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.