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[ lat.: das Fahren]
#16 | Herbst 2015
Stoffdach-Renaissance
MERCEDES S CABRIOLET
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Gesamtverbrauch l/100 km: kombiniert 7.4–7.2; CO2-Emissionen: kombiniert 169–165 g/km; Ø aller Neuwagen: 144 g/km; Energieeffizienz-Kat.: F.
EDITORIAL
Matthias Pfannmüller, Chefredaktor
VECTURA #16
STUFENHECK
EDITION
L
aut Weltnaturschutzunion IUCN sind aktuell 23 000 Tierund Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Auch unter Automobilherstellern gibt es eine «Rote Liste»: Die Marke Lexus etwa scheint den nackten Absatzzahlen nach kaum überlebensfähig, zumindest in Europa: Nach nunmehr 25 Jahren vor Ort ist es der Toyota-Tochter nicht gelungen, einen nennenswerten Marktanteil zu erreichen. In der Schweiz liegt er bei gerade mal 0,2 Prozent. Das hat weniger mit der technischen Darbietung des japanischen Luxuslabels denn einer offensichtlich lust- und ideenlosen Vermarktung zu tun – und überstarken Rivalen: Hierzulande beherrschen Audi (6,9%), BMW (7,0%) und Mercedes (6,1%; jeweils 2014) das Oberklasse-Revier; für andere Anbieter bleibt da nur noch Aas übrig. Dass seit Herbst 2008 nun auch Infiniti in Europa auf feindlichem Terrain wildert, lässt für die Nissan-Division nichts Gutes ahnen. Dabei bieten bedrohte Spezies oft Einzigartiges, wie wir in dieser Ausgabe darstellen. Den Unterlegenen verhilft eventuell ein Überraschungsangriff zum Sieg, wie derzeit bei Stufenheck-Karosserien zu beobachten ist. Bei vielen Herstellern seit Jahren praktisch nicht mehr existent, feiert das einst als langweilig bis erzkonservativ geächtete «Three-BoxDesign» aktuell ein beachtliches Comeback: Die neue Alfa Romeo Giulia oder der Jaguar XE sind da nur zwei von vielen positiven Beispielen, auch wenn der Übergang zum Schrägheck bei beiden fast schon ein fliessender ist. Merke: Jenseits modischer CrossoverStrömungen verkörpert ein ansehnliches Stufenheck die Hohe Schule der Karosserie-Ästhetik. Und natürlich hält die Vergangenheit viele Interpretationen bereit, die zu den Klassikern der Automobilgeschichte gezählt werden müssen. Ob es jetzt zu einer Gesundung des Limo-Bestands reicht, werden die kommenden Jahre zeigen. Das Cabriolet hat sein Artensterben bereits hinter sich: Nach einer in den späteren 1970er-Jahren quer durch die Vereinigten Staaten führenden Treibjagd, in deren Verlauf Softtop-Modelle im Namen der Sicherheit dann auch weltweit nahezu ausgerottet wurden, hat sich ihre Population den komplexeren gesetzlichen Bedingungen angepasst und erholt. Mehr noch: Die Gattung der Stoff- und KlappdachAutos ist heute vielfältiger denn je, und das auf allen Kontinenten! Autos unter 3,5 Meter Länge geht es dagegen schon länger an den Kragen. Abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen, die heute in staatlich geschützten, vorwiegend asiatischen Reservaten äsen dürfen, sind sie von der Erdoberfläche verschwunden und nur noch in Museen zu bestaunen. Natürlich folgen Natur und Automobil unterschiedlichen Gesetzmässigkeiten: Fullsize-SUV, jene geklonten Dinosaurier der individuellen Fortbewegung, sind IQ-resistent und wie manch überflüssiger Virus anscheinend nicht totzukriegen. HERBST 2015 003
INHALT #16
EDITORIAL
003
078
008
KALKULIERTES RISIKO Der vierte Mazda MX-5 ist anders als seine Vorgänger, haben wir in Japan festgestellt
JENSEITS VON SCHWEDEN Volvo hat neue «Cross Country»-Modelle im Angebot, die positiv überraschen
090
KOFFER UND RÄUME Ob die Limousine in diversifizierten Autowelten überleben kann, diagnostiziert Wolfgang Peters
014
TITELSTORY Mit dem S-Klasse Cabriolet greift man in Stuttgart einmal mehr nach den Sternen
096
KREATIVITÄT DER KISTE Das Design aktueller Viertürer ist Änderungen unterworfen, wie unsere Marktübersicht zeigt
016
NACH OBEN OFFEN Zehn Stoffverdeck-Empfehlungen für die luftigen Momente mobilen Daseins
102
DER WEITE WEG Hinter dem Kürzel Q50 verbirgt sich ein Auto mit Potential und Ehrgeiz. Hersteller Infiniti hat sich aber noch viel mehr vorgenommen
020
JURASSIC PARK Wer stilecht durch die 1990er cruisen will, sollte eine Dodge Viper RT/10 nehmen EINFACH MAL DIE WELLE MACHEN Warum man kommenden Sommer bei Poroli Special Boats vorbeischauen sollte
110
KOMPLEXER WERDEGANG Über die Genese einer automobilen Grundform
034 122
BACK OUT Der Exodus hat längst begonnen: Down under funktioniert die Autoindustrie nicht mehr
038
NEUANFANG VON UNTEN Datsun ist zurück, wenn auch als DiscountLabel. Das wird sukzessive ausgebaut WESTENTASCHEN-RENNWAGEN Schmutz und Kohler haben einen Traum
124
KLASSISCHER KONTEXT Ein Blick ins Archiv kann amüsant sein
042 126
WAHLVERWANDTSCHAFTEN Man muss das neue Mercedes C-Klasse Coupé in Gegenwart seiner Vorfahren betrachten
046
RENDEZVOUS AN DER SARTHE Nissan hat es heuer wieder versucht bei den legendären 24 Stunden. Also nahmen auch wir einen GT-R und gaben alles
052
IM KREISVERKEHR Der italienische High-Speed-Kurs Nardò ist bewegte Geschichte mit Fortsetzung
138
SCHMUCK DES MANNES Armbanduhren für Autofahrer zeigen uns, wie spät es ist – und noch ein wenig mehr
058
PLAYSTATION Mit dem ED Torq will man Schnittstellen zwischen Wunsch und Wirklichkeit ausloten
146
ITALIENISCHES ROULETTE Alfa Romeo setzt voll auf die kommende Giulia. Doch das ist nur die halbe Geschichte
076
EIN SCHIFF WIRD KOMMEN Im Hafenviertel von L.A. trifft sich regelmässig die kalifornische Custom-Szene
150
GRENZEN DES GUTEN GESCHMACKS Es gibt Cabrios, die Mark Stehrenberger einfach nicht ausstehen kann
IMPRESSUM
160
STUFENHECK EDITION
004 VECTURA #16
016
020
052
078
110
126
HERBST 2015 005
INFOTAINMENT
Wo DIESES ICON steht, gibt es NOCH MEHR VECTURA. Möglich macht es die sogenannte «AUGMENTED REALITY» (erweiterte Realität, kurz AR): Diese computergestützte «Wahrnehmungserweiterung» erlaubt ZUSÄTZLICHE EBENEN, die interaktiv funktionieren und nicht nur die Augen anregen sollen. Zu weiteren Informationen in Text und Bild, wie sie bisher bereits mit unseren QR-Codes geboten wurden, kommen ab sofort ANIMIERTE INHALTE wie 360°- und 3D-Ansichten, Motorsounds oder Filme. Das alles ver m ittelt MEHR GEFÜHL direkt aus dem Magazin heraus.
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006 VECTURA #16
Die AR-Extras sind im Inhaltsverzeichnis markiert und wir beabsichtigen, das Angebot in den kommenden Ausgaben weiter auszubauen. An der inhaltlichen wie haptischen Qualität der Printausgabe ändert sich natürlich nichts.
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AUF DEN ERSTEN BLICK SCHEINEN DIE NACHGEREICHTEN CROSS-COUNTRYVARIANTEN DER VOLVO-BAUREIHEN S60 UND V60 NUR KOSMETIK ZU SEIN. TATSÄCHLICH ZÄHLEN SIE ZU DEN GRÖSSTEN ÜBERRASCHUNGEN DER AUTOSAISON 2015 Text Hubertus Hoslin · Fotos Ian G.C. White, map
FAHRTERMIN
V
olvo, das stand einst für solide Karosserien, eine unerschütterliche Zuverlässigkeit mit unkaputtbaren Motoren und bestmöglichen Insassenschutz. Und tut es noch, denn der Hersteller aus Torslanda bei Göteborg hat es in der Vergangenheit stets verstanden, diese vertrauensbildenden Attribute zu pflegen und dennoch neues Terrain zu erobern. Als wichtigste Bewusstseinserweiterung des Hauses muss zweifellos die Einführung des Cross-Country-Gedankens genannt werden, der, beabsichtigt oder nicht, den US-amerikanischen AMC Eagle (1979–87) zitierte und 1997 zunächst vom damaligen V70 Besitz ergriff – parallel zum Subaru Legacy Outback, aber Jahre vor einem Audi Allroad. Seinerzeit noch ausgeschrieben «Volvo Cross Country» genannt, emanzipierte sich das Konzept mit dem nächsten V70 im Jahr 2000 zur eigenständigen, lautmalerischen XC-Familie, der auch der zwei Jahre später präsentierte erste XC90, sein kleinerer Bruder XC60 (ab 2008) und ein fast schon subtiler V40 Cross Country (ab 2013) zuzurechnen sind. Sie alle bieten eine Extraportion Bewegungsspielraum und Abenteuer-Feeling, ohne auf die Volvo- typischen Eigenschaften Qualität, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit verzichten zu müssen. Fast überflüssig zu sagen, dass die Allrad-Varianten heute zu den erfolgreichsten des Hauses gezählt werden dürfen. Ergo präsentierten die Schweden auf der Los Angeles Auto Show Ende 2014 erstmals einen V60 Cross Country; der viertürige S60 im Offroad-Look stand dann letzten Januar in Detroit. Während der beiden US-Premieren wurden die Modelle fast beiläufig,
ja auffällig unauffällig aufgetischt, als seien sie lediglich Ausstattungsvarianten bestehender Baureihen. Das kann man so sehen, vor allem beim V60 Cross Country, muss man aber nicht. Denn die in der unteren Mittelklasse angesiedelten, seit Sommer in der Schweiz verfügbaren Autos bieten nicht nur ein Plus von 6,5 Zentimeter Bodenfreiheit. Sie wurden durch diese und andere Massnahmen stilistisch derart verändert, dass fast von einer eigenständigen Serie gesprochen werden kann. Wie bei allen Allradlern aus Südschweden geht es hier nicht um rustikalen Holzfäller-Charme, sondern um ein dynamisches 4x4-Erlebnis auf und gerne auch mal neben der Strasse. Vor allem das bisher etwas blass aufgetretene Stummelstufenheck S60 hat dank Querfeldein-Optik eine erstaunliche Metamorphose durchgemacht: Dank scheinbar banaler Zutaten, die es alle auch beim Querfeldein-V60 gibt (Wabengittergrill, Unterfahrschutz, Kotflügelverbreiterungen, andere Schwellerleisten sowie spezielle 18- oder 19-Zoll-Felgen mit besonders hohem Querschnitt), ist der SchwedenSedan allein durch sein nun ungewöhnlich hoch aufragendes Konkav-Heck zu einem Charakterdarsteller gereift, der das Zeug dazu hat, eine eigene Crossover-Gattung innerhalb der eher konservativen unteren Mittelklasse zu beleben – eben die der vergessen geglaubten SUV-Sportlimousine. Stilistische Ähnlichkeiten zum über 27 Zentimeter längeren Egotrip BMW X6 oder dem neuen, 4,67 Meter langen Schrägheck-Rivalen BMW X4 (dessen Heckscheibe in der Heckklappe enthalten ist) sind nicht von der Hand zu weisen, aber dem Fahrzeugkonzept und nicht dem jeweiligen Design geschuldet. Und so ist dem viertürigen wie eigenständigen Cross-Country-Nachwuchs die Aufmerksamkeit anderer Verkehrsteilnehmer auch ohne allzu grosses Auftrumpfen sicher. HERBST 2015 009
FAHRTERMIN
TECHNISCHE DATEN VOLVO S60/V60 CROSS COUNTRY Konzept Crossover-Varianten der bekannten Mittelklassemodelle mit erhöhter Bodenfreiheit und verschiedenen Ausstattungsumfängen. Selbsttragende Karosserie, 4/5 Türen mit je 5 Sitzplätzen. Zahnstangenlenkung mit hydr. Servo, Scheibenbremsen rundum (v. belüftet). Vorne Dreieckquerlenker, hinten Mehrlenkerachse, wahlweise Front- (Sechs-/Achtgang-Schaltgetriebe und Sechsstufen-Automat) oder Allradantrieb (nur mit A6) Motor Wassergekühlte, vorne quer eingebaute Reihenvier- und -fünfzylinder-Benzin/Dieselmotoren. 4 Ventile/Zyl., 2 oben liegende Nockenwellen (Zahn riemen/VVT), Alu-Zylinderkopf, Benziner mit Direkteinspritzung, Diesel mit Common Rail, alle mit Turbo, Intercooler, Stopp-Start-System S60 Cross Country T5 AWD
V60 Cross Country D4 AWD
2497
2400
Bohrung x Hub in mm
83 x 92,3
81 x 93,2
Verdichtung
9,5:1
16,5:1
Leistung in PS (kW) @ U/min
254 (187) @ 5400
190 (140) @ 4000
Max. Drehmoment in Nm @ U/min
360 @ 1800 – 4200
Hubraum in cm
3
Abmessungen (L/B/H) in cm
463,5/186,5/154
463,5/186,5/154,5 277,5
Radstand in cm
162 /157,5
Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder
420 @ 1500 – 3000 A6
Kraftübertragung
215/55 R16 auf 7J
215/65 R16 auf 7J 67,5
Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L
380
430 – 1240
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg
1680
1760
Zulässiges Gesamtgewicht in kg
2200
2300
Leistungsgewicht in kg/PS
6,6
9,3
0 – 100 km/h in Sek.
7,0
8,9
Höchstgeschwindigkeit in km/h
210
205
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km
8,5
5,7
CO2-Emission in g/km
198
149
Energieeffizienzkategorie
G
D
Preis ab CHF
57 300.–
51 250.–
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus
010 VECTURA #16
HERBST 2015 011
FAHRTERMIN
als auch der frontgetriebene T5 (245 PS, 350 Nm) vorbehalten, während der S60 CC entweder als T5 AWD oder D4 (mit Frontbzw. Allradantrieb) kommt. Der grössere Selbstzünder ist in beiden Modellen verfügbar und wird von uns als besonders ausgewogen empfunden, weil er ordentlich Druck macht – was sich nicht nur spüren, sondern auch an einem Power-Meter im Display ablesen lässt. Dabei bleibt der verbrauchsoptimierte Diesel ebenso schön sparsam wie angenehm leise; trotz relativ hohem Gewicht ist das Auto deutlich agiler als ein stärkerer XC70 D5 mit seinen 220 PS.
Der Zeitpunkt ist gut gewählt: Crossover ist das Gebot der Stunde, und in einer durch Gesetze und Gleichteile-Strategie immer ähnlicher werdenden Autolandschaft hebt sich diejenige Marke ab, welche es versteht, Individualität mit Alltagstauglichkeit zu verbinden. Die auch innen verfeinerte 60er-Baureihe bringt dafür alle Voraussetzungen mit. Ihr überarbeitetes Cockpit mit optisch variierbaren Digitalinstrumenten (es gibt die drei Design-Modi Eco, Sport und Elegance) und aktualisiertem Sensus-Infotainmentsystem sowie optimierte Triebwerke sorgen für eine ebenso moderne wie effiziente Fortbewegung. Interessant ist der Aggregate-Mix: Dem V60 Cross Country sind die Drive-E-Einstiegsmotorisierung D3 (150 PS, 350 Nm; ab CHF 43 300.–)
012 VECTURA #16
Die Allrad-Versionen gibt es ausschliesslich mit Geartronic, die ihre Arbeit so unauffällig und ruckfrei verrichtet, dass man sich gar nichts anderes mehr wünscht. Der V60 Cross Country ist ab Ausstattung Kinetic zu haben, während es den Viertürer ausschliesslich in der Vollversion Summum gibt. Die enthält dann fast alles, was man in so einem Auto erwartet – allerdings nicht jene adaptive Servosteuerung (CHF 290.–), die drei Lenkkraftmodi kennt und Autofahren noch müheloser, aber nicht langweiliger macht. Fazit: Die neuen Cross-Country-Modelle schärfen die Wahrnehmung, sie sind ausreichend geländetaugliche Allrounder mit ebenso hohen Spass- wie Sicherheitsreserven, dabei langlebig, schlank und sozial verträglich geblieben. Und es ist die Kombination genau dieser Eigenschaften, die sie zu etwas Besonderem macht.
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FAHRTENBUCH
STANDHAFT UND WEHRBAR VIELLEICHT RETTET DER SCHNELLE RÜCKEN DIE LIMOUSINE Text Wolfgang Peters
D
ie Limousine ist in Gefahr. Sie wird bedroht von immer neuen Hervorbringungen, von Spielarten der vierrädrigen Mobilität, die nur wenig zu tun haben mit der euro päischen Kultur des Fahrens. Dabei handelt es sich um autoähnliche Gefährte, die unter dem Begriff der Sport Utility Vehicles geführt werden. Das sind die entfernten Verwandten der einstigen Geländewagen, die für Förster, das Militär, für Waldarbeiter und Holz-Barone sowie für Abenteurer, Berghüttenwirte und Baustellenbetreuer vereinzelt eingesetzt wurden. Jetzt sind sie als sportliche Nutzfahrzeuge in unübersehbarer Vielfalt unterwegs. Sogar Damen, die man sich mit einem leichten Schauder des exotischen (oder des erotischen) Ursprungs nur im weissen Pelz in einem offenen Roadster mit femininem Design vorzustellen vermochte, sind in diesen Geräten unterwegs. Weil sich jeder die damit etikettierten Vehikel vorstellen, aber ihren sperrigen Namen keiner merken kann, sind sie die SUV. Gesprochen wird das «Ess-Ju-Vie», das klingt schon nach Boom und nach Trend, keine Marke mag sich diesen Fahrzeugen verschliessen, und die Hersteller verdienen zwar prächtig daran. Aber weil die SUV schwerer sind und trotz rundlicherer Kastenform nicht gut im Wind liegen, verbrauchen sie mehr und bringen die Emissionsmengen ihrer Produzenten durcheinander. Diese müssen zum Ausgleich einige Kleinfahrzeuge mit Spatzendurst anbieten, an denen dann leider wenig verdient wird. Happige Preise werden deshalb für die trendigen SUV gefordert. Doch das scheint die Käufer nicht zu stören, sie betteln geradezu um Zuteilung einer grösseren, schweren und teuren Maschine. Gleichzeitig jedoch stören sich Auge und Stilempfinden des historisch interessierten Automobil-Ästheten am SUV und er verweist auf ihre Herkunft und auf die sinnliche Wirkung einer Limousine.
Eine labbrige Filzmatte ist kein Ersatz zur blechern-soliden Trennwand, die Limousinen traditionell auszeichnet Letztere ist eine zutiefst europäisch geprägte Daseinsform des Automobils. Auf diesem alten Kontinent wurde das Auto erfunden und alsbald erhielt es ein schützendes Dach für alle, also auch für den Chauffeur, und es bekam breite Türen für einen bequemen Zustieg, und die Dreiteilung des Raumes auf Rädern definierte sich wie von selbst: Vorne steckten die Antriebsaggregate, während die Motorkraft unter und durch den mittleren Abschnitt der Limousine, wo ihre menschliche Fracht untergebracht war, zum Heck geleitet wurde – so einfach stellte sich einst der Standardantrieb dar. Im Heck also wurde die Motorkraft von der Kardanwelle angeliefert und über ein Ausgleichsgetriebe auf die Hinterräder gebracht. Weil darüber noch Platz frei war, siedelte sich dort fast zwangsläufig ein Kofferraum an; als Erinnerung diente zudem die längst überholte Pferdekutsche mit ihrem Gepäckkasten. Gleichzeitig eine nicht unglückliche Aufteilung: 014 VECTURA #16
vorne die Pferde, dann die Menschen und schliesslich die Koffer. Das machte die klassische Limousine mit ihrem wie abgestuft wirkenden rückwärtigen Abteil so angenehm: Das Stufenheck gestattete es, den Raum für die Menschen auch optisch deutlich zu separieren: Wer möchte schon während einer längeren Reise in direkter Nachbarschaft zu Koffern, Kisten und Körben sitzen? Obwohl bei Kompaktwagen die Trennung zwischen der durchaus komfortablen Kabine und dem Transportraum eher symbolisch mittels labberiger Filzmatte stattfindet, erscheint es nicht erstrebenswert, als Quasi-Nachbarn die harte Schale eines weitgereisten Billigkoffers neben sich zu wissen. Beim Blick auf Herkunft und Abstammung der eingangs beschriebenen neuen Fahrzeug-Spezies wird deutlich: Das SUV ist kein europäisches Automobil. Es entstand auf den Computern weltweit agierender Konzerne, vorzugsweise bei asiatischen Marken oder in den Vereinigten Staaten. Die jüngeren SUV aus Japan und Südkorea haben in ihren Heimatländern jenseits von Asphalt nichts zu suchen. Man trifft sie in den grellen Vergnügungsvierteln und ist froh darüber, ihnen beim Hundespaziergang nicht auch noch im Wald begegnen zu müssen. Sie sind mehrheitlich für den Export bestimmt, werden häufig gleich im Ausland produziert und erobern die Welt. Diesem profitträchtigen Treiben hat die europäische Autoindustrie in einer Art von Schockstarre lange Zeit zugesehen. Dann hat sie entdeckt, wie sich langjährige Kunden von ihren Kompakt-, Kombi-, Van- und Limousinen-Modellen abwandten, um sich in Massen dem SUV anzuvertrauen. Die späte Erkenntnis der westlichen Autobauer, sich von diesen Fernost-SUV nicht die Profitbutter vom harten Brot nehmen zu lassen, führte zu einer fatalen Entwicklung. Statt eine neue Konkurrenz-Spezies im bewährten LimousinenStil zu entwickeln, holten sie ihre Kopierer aus den Schränken – und bauen seither wie die Teufel nun selbst nur noch mehr SUV. Und weil sie schon dabei waren, drückten sie die Dächer flacher und spülten die Karosserielinien und Proportionen weicher. So sollten Kritiker beruhigt und SUV auf erträglichere Formate eingedampft werden. Deshalb müssen wir jetzt EU-SUV mit dem Aussehen von Hefeteig-Produkten ertragen, deren Formen zwar gebändigt erscheinen, aber jederzeit wieder überquellen können. Die Limousine ist da ernsthaft in Gefahr. Doch sie wehrt sich und erreicht zunehmend eine neue Körperlichkeit. Denn das für manchen Kunden allzu konservativ erscheinende Stufenheck wird neu definiert und eingekleidet. Nicht mehr im kastigen Stil des Kombis, sondern zunehmend in der fliessenden Eleganz des Schräghecks. Auch das war schon da. Dank neuen Entwurfsund Produktionstechniken geraten Dachübergang, Heckfenster und Abschluss heute jedoch eleganter als je zuvor. Auch die Verbindung vom Gleiten des Hecks hin zu den Flanken wird harmonischer gelöst. Und optisch erlaubt die Schrägheck-Limousine mit ihrem schnellen Rücken immer häufiger eine wunderbare Illusion: Dem Auge des Ästheten wird aus bestimmten Blickwinkeln das gewohnte Stufenheck geliefert. Es ist eine Täuschung, der er sich zur Rettung der europäischen Limousine gerne hingibt.
M ESUR E ET D ÉMESUR E *
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EINFACH MAL DIE KLAPPE HALTEN Text Stefan Lüscher, hh · Fotos Werk
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TECHNISCH NEU, OPTISCH ALT: AUDI A4 Dass die neue Mittelklasse-Limo aus Ingolstadt perfekter, raffinierter, grösser, leichter, stärker und sparsamer ausfallen würde als die bisherige vierte Modellgeneration, lag auf der Hand. Schade nur, dass man die beiden kaum unterscheiden kann, denn der geschärfte Kühlergrill und die schmaleren Scheinwerfer fallen allenfalls Fetischisten auf. Die grössten Unterschiede finden sich innen und in Sachen Bedienung. Da gibt es TFTInstrumente, Head-up-Display, WLAN-Verbindung oder eine induktive Ladestation. Als Antriebe stehen vorerst vier Diesel und drei Benziner mit 150 bis 272 PS zur Wahl, ebenso verschiedene Getriebetypen, Vorder- und Allradantrieb. Im November geht es ab 41 900 Franken los; 2016 wird die Baureihe mit den bekannten Derivaten ausgebaut. www.audi.ch
ÖV-ALTERNATIVE: BENTLEY MULSANNE BLUE TRAIN Mit einem Sondermodell namens Blue Train auf Basis des Mulsanne Speed erinnert der britische Luxushersteller an ein legendäres Rennen von 1930, bei dem ein Bentley Speed Six gegen den gleichnamigen Schnellzug antrat – und gewann. Zu den Besonderheiten der aktuellen Kleinserie zählen eine spezielle Lederausstattung, filigrane Intarsien auf dem Armaturenbrett, diverse Blue-Train-Plaketten und ein spezieller quadratischer Maschendraht-Kühlergrill, wie ihn schon das Original vor 85 Jahren trug. Das in Europa auf vier Exemplare limitierte Auto wird vom Bentley-Spezialisten Mulliner in Handarbeit gefertigt; ein Preis von exakt 357 795 Euro netto wundert da kaum. Unverändert bleibt der Antrieb mit einem 537 PS starken 6,7-LiterV8-Aggregat und einer seidenweich arbeitenden AchtgangAutomatik. www.suisse.bentleymotors.com
016 VECTURA #16
SHOWROOM
BAYERISCHE RAFFINESSE: BMW 7ER Mit Opulenz, Komfort und technischer Innovation will der neue BMW 7er einmal mehr die Spitze des Luxussegments erobern. Die sechste Generation des bayerischen Flaggschiffs (Typcode G12) wird noch im Herbst eingeführt, hat sich in den Dimensionen kaum verändert und dennoch rund 130 Kilogramm abgespeckt. Neben modifizierten Sechs- und Achtzylindermotoren mit neu 265 bis 450 PS (manche wahlweise mit Heck- oder Allradantrieb) gibt es erstmals einen Plug-in-Hybrid mit 326 PS (E-Reichweite: 40 km); 2016 folgt ein V12-Benziner. Im 7er ist Luftfederung ab sofort serienmässig, dazu kommt jede Menge optionaler Assistenzsysteme, z. B. Gestensteuerung oder teilautonomes Fahren. Die Preise beginnen bei 108 400 Franken. www.bmw.ch
WAS LANGE WÄHRT: FORD MONDEO Schon der neue – oder doch noch der alte? Bei Ford weiss man das nie so genau. Selbst Mitarbeiter haben da ihre Schwierigkeiten, denn der US-Hersteller hat es sich zur Angewohnheit gemacht, neue Modelle Jahre vor deren Lancierung vorzustellen. In diesem Fall kamen Produktionsverzögerungen hinzu, immerhin scheint die lange gehegte Idee vom Weltauto endlich Wirklichkeit zu werden: Der neue, 4,78 Meter lange und nunmehr fünfte Mondeo steht mit seinem Stummel-Stufenheck nun auch bei den Schweizer Händlern; in den USA läuft er bereits nahezu baugleich als Fusion und soll weitere Kontinente erobern. Es gibt Benzin- und Dieselaggregate mit 150 bis 210 PS und dazu ein Hybrid-Modell; neben Frontantrieb stehen auch 4x4-Varianten zur Verfügung. Preislich geht es bei 30 900 Franken los; am oberen Ende rangiert die Edel-Variante Vignale. www.ford.ch
BUSINESS CLASS FÜR GENTLEMEN: JAGUAR XF Die britische Edelmarke setzt ihre Modelloffensive fort. Auf den neuen XE (siehe VECTURA #14) folgt Ende Jahr die zweite Generation der oberen Mittelklasse XF; ein fünftüriger Sportbrake folgt 2016. In den Dimensionen schrumpft der XF minimal, allein sein Radstand wächst um fünf auf 296 Zentimeter, was den Platzverhältnissen im Interieur zugutekommt. Aluminium und die Verwendung der neuen XE-Bodengruppe ermöglichen eine Gewichtsreduktion von bis zu 190 kg. Das Design – man muss eher wieder von einem Fliessheck sprechen – gibt sich sehr sportlich, der CW-Wert sinkt von 0,29 auf 0,26. Als Einstiegsmotorisierungen sind Vierzylinder-Turbodiesel (163/180 PS), dazu V6-Benziner (340/380 PS) und ein 3,0-L-Biturbo-Diesel mit 300 PS vorgesehen. Es gibt Achtstufen-Automaten und Hinterradantrieb, wahlweise auch Allrad. Die Preise starten bei 47 800 Franken. www.jaguar.ch
HERBST 2015 017
SHOWROOM
SIEBEN JAHRE GARANTIE: KIA OPTIMA Die 2014 überarbeitete Mittelklasse aus Südkorea hat sich auch bei uns zu einem ernsthaften Wettbewerber gemausert – nicht zuletzt, weil sie explizit für Europa konzipiert und entworfen worden ist. Das schmeichelt unseren Geschmacksnerven; konkurrenzlose Service- und Garantiepakete sowie die umfangreiche Serienausstattung mit vielen Sicherheits- und Assistenzsystemen tun ein Übriges. Auf 4,85 Meter Länge finden sich bis zu fünf Plätze – vor allem im gestreckten Fond sitzt es sich sehr komfortabel – sowie ein separates Gepäckabteil. Als StandardMotorisierung steht ein Vierzylinder-Turbodiesel mit 136 PS und Frontantrieb bereit; die Optima-Preise starten bei CHF 39 950.–. Der neue Parallelhybrid leistet 131 kW (177 PS), begnügt sich mit 5-L-Verbrauch und kostet 47 950 Franken. www.kia.ch
DIE INSTANZ: MERCEDES S-KLASSE Der grosse Benz führt das Oberklassesegment seit jeher haushoch an und ist das Fahrzeug, an dem sich Konkurrenten weltweit zu messen haben. Das kommt nicht von ungefähr. Technologisch setzt das selbsternannt «beste Auto der Welt» mit all seinen Raffinessen immer wieder neue Massstäbe. Die Leistungsspanne der aktuell (je nach Zählweise) achten Generation (W222) reicht vom Hybrid-Modell mit 231 PS bis zur brachialen, 630 PS starken Sportlimousine AMG S65; manche Modelle gibt es mit 4Matic. Neu im Programm ist ein Plug-in-Hybrid mit 325 kW (442 PS) Systemleistung und 33 km E-Reichweite. Die S-Klasse gibt es mit zwei Radständen und ein dritter, noch längerer folgt demnächst. Dazu gesellen sich die jeweils viersitzigen Modellderivate S Coupé und S Cabriolet (siehe auch S. 090). Die klassische S-Limousine kann ab 107 700 Franken erworben werden. www.mercedes-benz.ch
AUSSENDIENST-UPGRADE: VW PASSAT Wer beim Geschäftswagen auf die neue Wolfsburger Mittelklasse zurückgreifen darf, kann sich glücklich schätzen. Denn das einstige Biedermann-Modell hat sich zum eleganten Familien- und Dienstwagen mit Premium-Anspruch, elegantem Design, viel Platz und Komfort sowie modernster Technologie auch bezüglich der verfügbaren Assistenzsysteme entwickelt. Das gilt natürlich gleichermassen für die Kombi-Variante, wobei VW erstmals glaubt, ähnlich viele Viertürer verkaufen zu können. Umweltbewusste Autofahrer dürfte interessieren, dass kürzlich der GTE vorgestellt worden ist – ein Plug-in-Hybrid mit 218 PS Systemleistung sowie rund 50 km Elektroreichweite, der Anfang 2016 für CHF 49 100.– zu haben sein wird. Schon jetzt im Angebot stehen Front- oder Allradantriebe mit 120 PS bis 280 PS; die Preisliste beginnt bei 29 950 Franken. www.volkswagen.ch
018 VECTURA #16
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020 VECTURA #16
ANERZOGENE
TRADITION DEN STETS POTENTEN NISSAN SKYLINE GIBT ES ZWAR SCHON SEIT BALD 50 JAHREN. DIE AKTUELLE GENERATION DER TRADITIONS LIMOUSINE WIRD BEI UNS ALLERDINGS MIT INFINITI-LOGO ANGEBOTEN – ALS TECHNISCH HOCH AUFGERÜSTETER Q50. UND DER MUSS SICH IN EINEM DICHT BESETZTEN SEGMENT BEHAUPTEN Text Stefan Fritschi · Fotos Ian G.C. White, map
W
er den 2013 eingeführten Infiniti Q50 als Nobel-Nissan bezeichnet, wird dem Auto nicht gerecht. Sicher, es ist konservativ gekleidet, wie es in dieser Fahrzeugklasse erwartet wird – für unseren Geschmack vielleicht etwas zu konservativ. Aber eben, Geschmack. Da muss man sich nur mal die anderen Mittelklasse-Vertreter vom Schlage eines Audi A4 oder Mercedes C anschauen. Ihnen gegenüber ist der Infiniti dann fast schon wieder progressiv gestylt, dazu mehr Fliessoder höchstens Stummelstufenheck – und zudem eine halbe Schuhnummer grösser. Denn mit seinen 4,8 Meter Länge nutzt er die Lücke als zusätzlichen Lebensraum, parkt genau zwischen A4 und A6, zwischen der C- und E-Klasse und ergo auch zwischen 3er- und 5er-BMW. Der Antriebsstrang unseres Testwagens wiederum ist baugleich im Mercedes C250 zu finden; alternativ stehen ein 170 PS starker 2,2-L-Diesel oder – im mindestens 68 500 Franken teuren Topmodell – ein Hybrid mit 364 PS Systemleistung und 3,5-L-V6 sowie wahlweise Allradantrieb zur Verfügung. Der auf anderen Märkten erhältliche 3,7-L-V6-Benziner mit 333 PS wird in der Schweiz leider nicht angeboten.
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FAHRTERMIN
Der Q50 ist trotz der Unzahl von Mรถglichkeiten, insbesondere bei den Assistenzsystemen, einfach und intuitiv zu bedienen
022 VECTURA #16
TECHNISCHE DATEN INFINITI Q50 2.0 T Konzept Sportliche Limousine auf Nissan-Skyline-Basis. Selbsttragende Karosserie mit 4 Türen und 5 Sitzplätzen. Vorne Quer- und Längslenker, hinten Mehrlenkerachse. Elektrische Drive-by-Wire-Lenkung, belüftete Vierrad-Scheibenbremse, Fussparkbremse, Hinterradantrieb Motor Vorne längs verbauter Vierzylinder (baugleich mit Mercedes C250), 4 Ventile/Zylinder, fünffach gelagerte Kurbelwelle (Kette), Aluzylinderkopf und -block, Benzindirekteinspritzung, Turbolader, Intercooler, StoppStart-System Hubraum in cm3
1991
Bohrung x Hub in mm
83 x 92
Verdichtung
9,8:1
Leistung in PS (kW) @ U/min
211 (155) @ 5500
Max. Drehmoment in Nm @ U/min
350 @ 1250–3500
Kraftübertragung
A7
Abmessungen (L/B/H) in cm
480/182/145
Radstand in cm
286
Spur vorne/hinten in cm
155/157
Reifen und Räder
245/40 R19 auf 8J
Tankinhalt in L
80
Kofferraumvolumen in L
500
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg
1620
Zulässiges Gesamtgewicht in kg
2165
Leistungsgewicht in kg/PS
7,7
0 – 100 km/h in Sek.
7,2
Höchstgeschwindigkeit in km/h
245
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km
6,3
CO2-Emission in g/km
146
Energieeffizienzkategorie
D
Preis ab CHF
54 950.–
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus
HERBST 2015 023
024 VECTURA #16
FAHRTERMIN
Damit wäre die technische Einordnung erledigt, lassen die uns zur Verfügung stehenden 211 PS bei über 1,6 Tonnen Leergewicht ein etwas behäbiges Fahrerlebnis befürchten. Doch das Gegenteil ist der Fall: Von Untermotorisierung keine Spur, Schub ist sofort da und er bleibt in fast allen Lebenslagen erhalten. Ohne Blick aufs Datenblatt vermutet man sogar viel mehr Leistung, die sich akustisch übrigens sehr zurückhält und nur bei höheren Drehzahlen bemerkbar macht. Sportlich klingt zwar anders, doch bedauerlicher ist, dass sich die Stopp-Start-Automatik zuweilen ruppig aufführt; der Markt kennt hier harmonischere Systeme. Die serienmässige Siebenstufenautomatik ist dagegen ein Gedicht: Sie agiert schnell, absolut ruckfrei und lässt sich – wenn man denn will – auf der linken Schaltgasse manuell betätigen. Nach vorne wird hoch-, nach hinten runtergeschaltet und wir meinen, es sollte umgekehrt sein. Parallel lässt sich die Schaltarbeit auch per (fest stehender) Lenkradpaddel erledigen, aber wie gesagt muss das alles gar nicht sein, wenn man einen so schönen Automaten an Bord hat. Ein Sechsgangschaltgetriebe würde auch gut zum Turbobenziner passen, ist aber nur beim Diesel lieferbar. Fahrwerkstechnisch zeigt sich der Q50 jeder Situation gewachsen. Sein Federungskomfort ist sehr gut, bewegt sich aber auf der sportlich-straffen Seite, besonders mit optionalen 19-Zoll-Rädern. Die kraftvoll zupackenden Bremsen sind über jeden Zweifel erhaben – auch dann, wenn man den Fahrzeugcharakter ändert: Per Mittelkonsolenschalter lassen sich Lenk- und Antriebsparameter in den vier Stufen Standard, Sport, Schnee oder Individuell variieren. Von amerikanisch-weich bis straff-hart ist alles dabei; das weltweit erste in einem Serienauto verbaute Steer-by-Wire-System gehört zu den Highlights des Q50. Alle Lenkradbefehle werden per Datenleitung an einen Stellmotor am Lenkgetriebe weitergeleitet; so lässt sich die Lenkung individueller konfigurieren – allein die Abstimmung des Sportmodus darf unserer Meinung nach künftig etwas lebendiger werden. Einen eventuellen System ausfall muss man nicht fürchten, weil dann eine im Hintergrund vorhandene mechanische Notlenkung einkuppeln würde. In die Lenkung integriert ist das adaptive Spurhaltesystem ALC (Active Lane Control), welches mittels Kamera die ideale Fahrspur ermittelt, diese Informationen verarbeitet, weiterleitet und gegebenenfalls per Lenkeingriff ausführt. Das funktioniert in der Praxis sehr gut und hält den Q50 je nach Einstellung stärker oder schwächer auf Kurs. Ein selbstlenkendes Auto darf man jedoch nicht erwarten, zudem zeigen sich in Baustellen mit teilweise unklaren Bodenmarkierungen ein paar Erfassungs-Defizite. Letztlich bleibt es eine Einstellungssache, ob man sich von derartigen Assistenzsystemen unterstützt oder bevormundet fühlt; ALC kann leicht deaktiviert werden.
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FAHRTERMIN
Überhaupt sind Bedienung, Haptik und Verarbeitung im Q50 ohne Tadel; das Interieur vermittelt – vor allem in der Topversion – ein sehr angenehmes Wohlfühl-Ambiente. Infiniti setzt auf eine Mischung aus konventionellen Schaltern und zwei Touchscreens, dazu kommt das heute unvermeidbare Multifunktionslenkrad. Dank dieser Verteilung entfällt bei fast allen wichtigen Funktionen die Sucherei in Unter-, Neben- oder Zwischenmenüs, wie man es bei zahlreichen aufgeräumten Cockpits unserer Tage so oft antreffen muss. Im Infiniti sind Bildschirm-Symbole angenehm gross und leicht zu treffen. Die Rückmeldung ist okay, wenn auch nicht so gut wie bei konventionell mechanischen Drucktasten. Insgesamt ist der Q50 trotz der Unzahl von Möglichkeiten, insbesondere bei den komplexen Assistenzsystemen, recht einfach und intuitiv zu bedienen. Auch die Ergonomie passt; als einziges Manko sind uns die zwar in der Höhe verstellbaren, aber ansonsten starren Kopfstützen aufgefallen. Davon abgesehen haben sich die Japaner sehr viel Mühe gegeben, alle Flächen, die mit der Haut in Berührung kommen, so angenehm wie möglich zu gestalten. Das gilt beispielsweise für die Mittelkonsole, welche mit seitlichen Lederpolstern versehen ist, was Rockträgerinnen oder Kurzhosenträger sehr schätzen, wenn die Beine angelehnt werden. Jeder Schalter, jedes Rädchen, jede Klappe wirkt solide und wird gerne angefasst. Nichts klappert, nichts wackelt, die Verarbeitung ist oberklassig. Das gilt für die Platzverhältnisse im Fond nur bedingt, weil grössere Personen hier etwas beengt sitzen. Aber eben – Sportlimousine. Immerhin, die Rücksitzlehnen lassen sich geteilt abklappen, eine Durchreiche für lange Gegenstände dürfte insbesondere Skifahrer erfreuen. Weiter bietet der Q50 die ganze Klaviatur an Infotainment- und Assistenzsystemen, die je nach Ausstattungsvariante serienmäs sig oder optional sind. Und natürlich kann sich ein Smartphone via «Intouch»-System ins Fahrzeug einloggen, wo dann auch Apps genutzt werden können, das funktioniert ausgezeichnet. Was nicht ganz überzeugt, ist das Exterieur. Die Frontmaske wirkt wie eine verkleinerte Form des Diavolo-Grills von Lexus, seitlich erinnert der Q50 im vorderen Bereich an BMW und das Heck trägt Mazda. Insgesamt ein hübsches Auto, keine Frage, aber
026 VECTURA #16
eben zu wenig Infiniti. Selbst der von 2006 bis 13 gebaute Vorgänger dünkte uns eigenständiger. Die Designer müssen künftig mehr «Haben-Wollen» ins Blech bringen, um die Kunden von deutschen, englischen oder japanischen Premium-Produkten wegzulocken. Dass sie es können, haben sie mit dem FX45 (siehe S. 030) hinreichend bewiesen. In der Quintessenz ist der Q50 ein durchdachtes, technisch hochwertiges und sauber verarbeitetes Auto. Das ist mehr, als wir ihm zugetraut hatten, weil er ja gegen etablierte, hochkarätige Rivalen antritt – und durchaus bestehen kann. Dazu kommt seine sehr geringe Verbreitung, die auch eine gewisse Seltenheit darstellt. Ein Fall für Individualisten ist die Kompakt-Limousine dagegen nicht unbedingt – dafür sticht sie einfach zu wenig aus der Masse heraus, ist nicht unverwechselbar genug. Preislich – unser Testwagen kostete über 70 000 Franken – kann man auch nicht meckern, denn die Ausstattung ist üppig. Wer weniger wünscht, kann mit dem 2.2 D bereits unter 48 000 Franken einsteigen. Achtung, Infiniti: Trotz den Optionspaketen «Premium», «Premium Tech» oder «Sport» sind die Wahlmöglichkeiten (Lackfarben, Innendekor, Felgen) viel begrenzter als etwa bei deutschen Herstellern. Auch Personalisierung wird beim Q50 klein geschrieben, obwohl verwöhnte Kunden erwiesenermassen viele Stunden am Konfigurator verbringen und dort ein paar zusätzliche Franken ausgeben. Ja, und dann immer wieder die typische Schweizer Frage nach Allrad und Kombi: 4WD gibt es nur mit Hybrid, und fünf Türen sind nicht vorgesehen. Insofern wird es der hauptsächlich auf den US-Markt ausgerichtete Q50 in der europäischen Auto-Landschaft weiter schwierig haben – obwohl er ein hervorragendes Angebot ist.
Stefan Fritschi, Jahrgang 1966, gehört zur raren Spezies Schweizer Automobilstylisten. Nach seiner Ausbildung zum Transport- und Industriedesigner am Art Center College of Design in Vevey war er von 1990 bis 2009 in verschiedenen Funktionen beim VW-Konzern beschäftigt und dort u. a. am Design des Golf IV beteiligt; zwischen 2003 und 07 leitete er das VolkswagenDesignbüro Shanghai. 2009 machte sich der gebürtige Aargauer selbstständig und begann zusätzlich als Motorjournalist zu arbeiten. Er kann also nicht nur Autos entwerfen, sondern sie auch fahrdynamisch beurteilen und darüber schreiben. Und wird das in VECTURA jetzt öfter tun.
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INFINITI – DER MARKENNAME IST VOM ENGLISCHEN WORT FÜR UNENDLICHKEIT (INFINITY) ABGELEITET. DIE PREMIUMDIVISION VON NISSAN STARTETE 1989, DOCH ERST 2015 GELANG ES, EIN HALBJAHRESERGEBNIS VON ÜBER 100 000 VERKAUFTEN AUTOS ZU ERREICHEN. DAS IST EIN ÜBERSCHAUBARES QUANTUM, UND SO FRAGEN WIR: HAT DIESE GESCHICHTE ZUKUNFT? Text Stefan Fritschi · Fotos Werk
War 1990 die erste Limousine ihrer Art: Infiniti Q45
028 VECTURA #16
HISTORIE
P
er Definition werden 2019 schon die ersten Infiniti-Modelle zu Oldtimern. Und dies, obwohl die Marke subjektiv doch eben erst aufgetaucht ist … Das stimmt wohl, allerdings nur aus europäischem Blickwinkel. Tatsächlich wurde Infiniti erst 2008 auf unserem Kontinent eingeführt und war davor hauptsächlich auf dem US-Markt sichtbar – von einigen wenigen über den Grossen Teich geschipperten Exemplaren mal abgesehen. InfinitiFahrzeuge waren anfangs, also ab 1989, nur umgebadgete NissanModelle; Unterschiede beschränkten sich auf kleinere Details wie etwa den Kühlergrill. Unter dem neuen Label sollten besonders die edleren Limousinen, Coupés, Cabrios und SUV ein eigenes, von der Brot-und-Butter-Marke Nissan abgekoppeltes Image aufbauen. Honda hatte es mit Acura vorgemacht, Toyota mit Lexus, und auch Mazda lancierte Anfang der 1990er den Kunstbegriff Xedos, um mit zwei Baureihen (6 und 9) Höherwertigkeit zu suggerieren. Letztere verschwanden aber ebenso schnell von der Bildfläche wie die ganze Marke. Lexus, Acura und Infiniti bilden somit die drei Speerspitzen der Japaner gegen die etablierten europäischen Häuser Jaguar, Audi, Mercedes oder BMW, allerdings hält sich Acura bisher von der Alten Welt fern. Im Gegenzug hat es die Edelmarke Infiniti in der Heimat Japan nie gegeben, und das ist bis heute so. Einen Strategie-Konsens gibt es also nicht, während parallel in Südkorea und China erste ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, um künftig auf internationalem Parkett in der Luxusklasse mitspielen zu können. Der allererste Infiniti anno 1989 war das zweitürige Coupé M30, dem ein Jahr später ein Cabrio-Ableger folgte. Das Styling des Duos war schlicht und gradlinig. Mit Ausnahme des Logos – ein Oval, das eine in die Unendlichkeit führende Strasse umfasst – war kaum Eigenständigkeit auszumachen. Unter der Haube surrte ein Dreiliter-V6 mit circa 150 PS, geschaltet wurde via Viergangautomat. Rundum Einzelradaufhängung und Vierradscheibenbremsen sowie ein sehr umfangreich ausgestattetes und gediegen verarbeitetes Interieur gefielen amerikanischen Kunden, aber weit mehr Aufsehen erregte die fünf Meter lange Limousine Q45: Deren Package umfasste einen 4,5-L-V8 mit 32 Ventilen, die Leistung wurde selbstbewusst mit «over 270 hp» angegeben. Auf Wunsch gab es elektronische Dämpfung oder Vierradlenkung und damit war der Q45 einheimischen Angeboten haushoch überlegen. Der Hauptgrund für die Aufmerksamkeit war jedoch das eigenständige und überaus moderne Styling, welches bei Designprofessoren jener Zeit gerne als Exempel gelungener Karosseriegestaltung und als Vorbote der 1990er-Jahre herangezogen wurde. Der Q45 stellte zwar eine konservative Limousine dar, war aber von der Flächengestaltung seiner Zeit weit voraus. Der Kühlergrill war komplett geschlossen, die Felgen aerodynamisch flach, das Heck sauber modelliert. Kurz: Mit diesem Auftritt konnte man sich selbst deutschen Konkurrenten stellen.
Keimzelle: Das Infiniti M30 Coupé gab es auch als Nissan Leopard
Frühe Derivate-Politik: 1990 erschien das M30 Cabriolet
Sprung in die obere Mittelklasse: Infiniti J30 anno 1992
Kaum überzeugend: Der G20 war ein leidlich aufgehübschter Nissan
Konstanz durfte von Infiniti freilich noch nicht erwartet werden – schon 1991 wurde der erste gute Eindruck mit dem Einsteigermodell G20 wieder verwässert. Es war schlicht die US-Version des Nissan Primera und damit baugleich – von edel oder eigenständig keine Spur. Auch in den kommenden Jahren sollte ein Auf und Ab zwischen Highlights und Banalitäten das Infiniti-Bild prägen – ein gutes Beispiel hierfür war die Limousine J30: eigentlich ein modernes Fahrzeug, 4,8 Meter lang und im Stil des Q45, aber baugleich mit dem unspektakulären Nissan Leopard und dazu mit einem stark abfallenden Kofferraum, der bei der anvisierten Käuferschaft auf wenig Gegenliebe stiess. Der nächste Fehl-
Profilsuche: Die ersten Infiniti M35 und 45 kamen 2003
HERBST 2015 029
HISTORIE
um die «unendliche» Marke scharen würde. Längst sehnten sich die Händler nach einem Leuchtturm-Modell, welches den Namen Infiniti in das grosse Markenmeer hinaustragen konnte.
Mit dem Terrano-basierten QX4 betrat Infiniti 1997 das SUV-Revier
tritt folgte 1993, als man dem Q45 per Facelift mit Buick-ähnlichem Chromgrill seine Eigenständigkeit nahm. Und der 1997 eingeführte SUV namens QX4 war wiederum nichts anderes als die US-Version des Nissan Terrano. Das Spiel wiederholte sich 2000 mit dem I30, einem lediglich umbenannten Maxima. Auch die 2001 eingeführte Neuauflage des Q45 war baugleich mit dem Nissan Cima, wenn auch stilistisch ohne Fehl und Tadel, aber eben – technisch nur Durchschnitt. Und langsam dämmerte auch den Verantwortlichen, dass man auf diese Weise keine Fangemeinde
Marktöffner: Mit dem trendigen Sport-SUV FX45 wurde Infiniti 2003 quasi über Nacht weltbekannt
030 VECTURA #16
Das kam dann 2003 – und wie! Der Sport-SUV Infiniti FX45, ein Entwurf von Mamoru Aoki, einem Studienkollegen des Autors, war schlicht sensationell und ist es heute noch. Denn das knapp fünf Meter lange Fahrzeug erschien zu einem Zeitpunkt, als die Crossover-Welle erst ganz wenige, zögerliche Nischenmodelle hervorgebracht hatte, und warf mit seinem Coupé-Dach, dem massiven Grundkörper, der hohen Gürtellinie und riesigen 20-Zoll-Rädern alle Sehgewohnheiten durcheinander, lange bevor Porsche «Cayenne» und «Macan» sagen konnte. Gleichzeitig überzeugte der Luxusjapaner mit grossartigen Proportionen, die jeglichen Zierrat erübrigten. Der Fairness halber muss man sagen, dass auch der FX45 von einem Nissan abgeleitet war – dem Murano. Weil er sich aber in Front, Heck und Fenstergrafik gravierend unterschied, erkannten nur Experten die Verwandtschaft. Der FX45 machte die Marke über Nacht erfolgreich und auch bei uns begehrenswert; nicht wenige von freien Importeuren oder Privatleuten eingeführte Exemplare tauchten bald auf europäischen Strassen auf. Auch hierzulande verdrehte er einige Köpfe, und wer ihn fuhr, musste gebetsmühlenartig immer wieder erklären, was das für ein Auto sei. Nebst dem FX45 mit V8-Motor und wahlweise Heck- oder Allradantrieb gab es einen etwas zahmeren FX35 mit V6-Power. Eine Stufe höher installierte Infiniti eilig den etwas ungelenk gezeichneten Grossgeländewagen XQ56 auf Nissan-Armada-Basis; auch eine Etage tiefer blieb man nicht untätig. 2003 erschien der
sofort als Infiniti identifizierbare G35 – wahlweise als sportliche Limousine oder als Coupé mit feinem V6 (250/280 PS); 2007 gab es die Neuauflage. Darüber, aber noch unterhalb des Q45, erschien 2005 die viertürige Limousine M35/M45, und mit Beginn des neuen Jahrhunderts war Infiniti mit einem Mix aus Nischenund Volumenfahrzeugen plötzlich relativ breit aufgestellt. Die zweite FX45-Generation feierte ihre Weltpremiere 2008 in Genf – und blieb. Denn ab jenem Jahr war das Auto wie eingangs erwähnt auch offiziell in Europa zu haben, wenn auch mittlerweile unter der Bezeichnung QX70; dazu kam eine kleine Auswahl anderer Modelle. Das Portfolio umfasst inzwischen sechs Fahrzeuge: die Limousinen Q50 (siehe Seite 020 ff.) und Q70, einen Q60, den es als Coupé und Cabrio gibt, sowie die beiden SUVReihen QX50 und QX70. Am letztjährigen Pariser Salon wurde der Q80 Inspiration als künftige Antwort auf S-Klasse, A8, 7er oder XJ gezeigt; seine Fliessheck-Karosserie soll als deutliche Abkehr vom Mainstream hin zu mehr Eigenständigkeit interpretiert werden. Die kleineren, volumenträchtigen und daher besonders wichtigen Q30 und QX30 stehen bereits in den Startlöchern. Alle Modellbezeichnungen sind inzwischen einheitlich auf Q und QX geändert worden und dahinter folgt eine zweistellige Zahl, um die Positionierung anzugeben. Der frühere Buchstaben- und Ziffernsalat ist passé. Dieses Line-up macht zwar klar, dass es sich um ein auf den US-Markt ausgerichtetes Modellprogramm handelt. Doch immerhin sind einige Infiniti zwischenzeitlich als Hybrid oder mit Dieselmotor erhältlich. Einzig die in Europa trotz SUV-Boom nach wie vor gefragten Kombis werden von den Japanern bisher konsequent ignoriert. Das noch lückenhafte Angebot – wo sind der Luxusvan oder ein waschechter Sportwagen? – mag mit ein Grund dafür sein, dass sich Bekanntheit und Verbreitung derzeit noch sehr in Grenzen halten. Der Trend im ersten Halbjahr 2015 verlief dank der Einführung des Q50 zwar positiv. Gesamthaft wurden gemäss «Auto Schweiz»-Statistik bei uns aber gerade mal 86 Infiniti verkauft. Zum Vergleich: Lexus setzte im gleichen Zeitraum 527 Fahrzeuge ab, Maserati 429, Jaguar 367, und selbst Aston Martin kommt mit 77 Exemplaren auf ein ähnliches Niveau. Immerhin: Weltweit verkaufte Infiniti im ersten Halbjahr 2015 erstmals über 100 000 Einheiten – 70 000 in den USA, 18 000 in China und 11 000 im EMEA-Raum (Europa, Mittlerer Osten, Afrika). Auf zwölf Monate macht das also plus/minus 200 000 Fahrzeuge, während Lexus in 2014 weltweit 584 000 verkaufen konnte – von den anderen Premium-Herstellern ganz zu schweigen.
Fullsize-SUV: In den USA sind die grössten QX-Modelle recht beliebt
Alle Achtung: Das G35 Coupé verschaffte sich schnell Respekt
Erhöht die Stückzahlen: EX35 unterhalb der FX-Serie
Die Infiniti Motor Company Ltd. sitzt übrigens nicht in Japan, sondern in Hongkong. Von dort aus steuert der kürzlich von BMW abgeworbene deutsche Markenchef Roland Krüger auch den Vertrieb in den derzeit über 50 Infiniti-Märkten. Die EMEA-Zentrale im waadtländischen Rolle wird von François Goupil de Bouillé geleitet. Die Fahrzeugfertigung erfolgt in Japan, Decherd (Tennessee, USA) und Xiangyang (China). Der kommende Q30/QX30 basiert technisch auf der Mercedes A-Klasse – die Stuttgarter sind seit fünf Jahren Kooperationspartner von Renault-Nissan, liefern unter anderem auch Dieselmotoren für Infiniti – und wird im englischen Sunderland vom Band laufen; ab 2017 ist zudem eine Fertigung in Mexiko angedacht. Im hart umkämpften Europa ist das Ziel klar definiert: de Bouillé will die 6000 in 2014 verkauften Autos bis 2018 auf 40 000
G Convertible: Inzwischen bedient Infiniti auch Nischen
HERBST 2015 031
HISTORIE
Chauffeurs-Limousine: der aktuelle Q70L
hochschrauben, was schwierig werden dürfte, aber wir lassen uns gerne positiv überraschen. Europa ist konservativ und trieft vor Historie, Infiniti ist dagegen ein Kunstbegriff, eine DesignMarke vielleicht, aber ohne Tradition oder Herkunft. Und doch kann gerade Letzteres von Vorteil sein. Denkt man beispielsweise an Cadillac, dann parkiert vor dem inneren Auge oft noch ein flossenbewehrtes, Benzin-gurgelndes Chrommonster. Infiniti hingegen ist ohne jeglichen negativen Ballast, sondern jung, unbeschwert, zukunftsträchtig. Das Mutterhaus Nissan gewährleistet bezüglich Technologie und Finanzen die Sicherheit eines Grosskonzerns, und die Assoziation muss man in jüngster Zeit dank Qashqai und Juke auch nicht mehr gross verheimlichen. Allerdings war es immer schon eine Sünde, identische Autos unter verschiedenen Namen zu verkaufen – im Internet-Zeitalter erst recht. Bezüglich einer Markenintegrität haben sowohl Infiniti als auch Nissan Nachholbedarf. Und auch das Thema der emotionalen Aufladung – Stichwort Rennsport – ist schwierig. Zwar gibt es seit 2013 das Formel-1-Team Infiniti Red Bull Racing, doch das fährt mit Renault-Motoren und jeder weiss, dass Infiniti-Ingenieure wohl kaum an der Entwicklung des Renners beteiligt waren. Die Verbindung ist reines Marketing, eine arrangierte Ehe. Für Infiniti schon interessanter ist «Gran Turismo 6» für die SonyPlaystation. Eigens für diesen Megaseller hat man im InfinitiDesignstudio Peking eine Konzeptstudie entworfen, diese anschliessend von Hand modelliert und dann wieder in digitale Daten verwandelt. Nissan ist in Sachen Videospiele ein Pionier, der das Werbepotential schon früh entdeckte. Die Studie «Vision Gran Turismo» soll denn auch die Essenz der Marke darstellen – quasi Infiniti als Konzentrat. Wenn etwas Ähnliches in wenigen Jahren tatsächlich auf die Strasse käme, könnte sich die FX45Geschichte wiederholen. Die Weichen sind also richtig gestellt. Denn was Infiniti mehr als alles andere braucht, ist Eigenständigkeit. Und die erreicht man im Automobilbau heute in erster Linie über das Erscheinungsbild.
Soll Wachstum beschleunigen: SUV-Konzept QX30
Zukunftsmusik: Infiniti-Studie Vision GT-1
032 VECTURA #16
NEW DAVIDOFF ESCURIO A NIGHT IN RIO INSPIRES AN ADVENTURE IN TASTE
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Kutscher, Kabine, Koffer: Die klassische Aufteilung – hier ein französisches Gefährt aus dem 18. Jahrhundert – ist konditioniert
EVOLUTIONÄRE KRAFT IST DAS STUFENHECK EINE NAHELIEGENDE KONSTRUKTIVE LÖSUNG – ODER ÜBERHOLTER ANACHRONISMUS? DIE DISKUSSION UM DEN «RICHTIGEN» AUF BAU WIRD SEIT DEM BENZ-DREIRAD GEFÜHRT, ZUWEILEN WENIG RATIONAL. EIN ERKLÄRUNGSVERSUCH Text Stefan Fritschi · Fotos Diderots Enzyklopädie, Werk
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arum kaufen gewisse Kulturkreise mehr Stufenheck-Fahrzeuge als wir Westeuropäer – wenn man von der Iberischen Halbinsel einmal absieht, wo diese Bauweise nach wie vor stark goutiert wird? Auch in Osteuropa, sprich Bulgarien oder Rumänien, stehen separat umblechte Kofferräume bei Käufern nach wie vor sehr hoch im Kurs. Mehr noch: Der Ablösungsprozess durch Kompaktwagen oder Kombimodelle fand in jenen Ländern kaum statt. Und während wir das hier schreiben, merken wir: Karosserievielfalt, Crossover, Fusion Design – das sind einseitige Wahrnehmungen von uns, das ist ein Tunnelblick.
plausibel erklärbar: Das Three-Box-Design hat im Gegensatz zum Heckklappen-Modell die Eigenschaft, die Passagiere nicht mit Gepäck-Angelegenheiten zu behelligen – oder deren Hinterköpfe gar unangenehmer Zugluft auszusetzen, wenn der Kofferraum geöffnet wird. Bekanntlich sitzen in China ja bedeutende Menschen im Fond, deren noch junger Automobilgeschmack sich bevorzugt an historischen Beispielen aus der Kaiserzeit orientiert. Also an Sänften, die – je nach Status der Transportierten – von zwei, vier oder gar zehn Dienern getragen wurden und heute als optische Vorlage für ein als standesgemäss empfundenes Automobildesign herhalten müssen: Wichtig ist richtig.
Die Ursache dieser Stufenheck-Präferenz ist im Kutschenzeitalter zu suchen. Vor dem eigentlichen Wagen markierte die Anzahl der Zugpferde die Wichtigkeit der Insassen, ergo gilt bis heute: je länger die Motorhaube, umso bedeutender die Passagiere. Natürlich reflektierte auch die Nachhut den jeweiligen Wert eines Reisenden: Je mehr Gepäck die Herrschaft mit sich führte – man denke nur an die diversen überdekorierten Krönungskutschen der Königshäuser –, umso würdevoller (und reicher) war sie auch. Die edelste und eleganteste Form der Pferdekutsche war denn auch ein Stufenheck – dieses Bewusstsein hat sich ins Automobilzeitalter retten können – ganz besonders in noch vergleichsweise jungen Auto-Nationen wie den eingangs genannten – oder in China. Dort liebt man das Stufenheck und diese Sichtweise ist sogar
Die Denkweisen pro Dreivolumenkarosserie sind also konditioniert und weltweit ähnlich. Genauer gesagt stellen sie die vorherrschende Geschmacksrichtung dar: Das kompakte Steilheck dominiert seit Mitte der 1960er-Jahre lediglich die Parkplätze von Nordwesteuropa, das bis heute vom Stufenheck umzingelt ist.
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Auch jenseits des Atlantiks ist das Stufenheck «mainstream»; in den USA müssen selbst zweitürige Coupés hinten einen Knick tragen. Der 1966er Oldsmobile Toronado behielt sein Fliessheck gerade mal drei Jahre, bevor er von der Realität eingeholt und fortan mit extra abgekantetem Kofferraum verkauft wurde. Besonderheit der Vereinigten Staaten damals: Neue Autos hatten eleganter und imposanter auszusehen und jeweils ein paar Inch länger
SCHULTERBLICK
zu sein als ihr Vorgängermodell. Nur so liess sich in der Vorstadtsiedlung der steigende Wohlstand des Ernährers dokumentieren. Das ging, bevor man den SUV bemühte, natürlich am einfachsten mit angesetztem Kofferraum, während ein Fliessheck jeden Wagen optisch kompakter wirken lässt. Solche Autos waren jedoch stets in preisgünstigen unteren Fahrzeugklassen positioniert; der «Hatchback» galt als «Einwandererauto», das kein aufstrebender Abteilungsleiter vor der Einfahrt stehen haben wollte. Dass Nordamerika in den 1970er-Jahren letztlich trotzdem mit kleineren Autos liebäugelte, lag an der Ölkrise. Und es führte dazu, dass Volkswagen den Golf (alias Rabbit), Renault den 5 (alias Le Car) oder Talbot-Simca den Horizon (alias Dodge Omni) in den Verkauf brachten, wenn zunächst auch recht erfolglos. Die europäischen Importeure hatten nicht erkannt, dass StufenheckDerivate in den USA populärer gewesen wären; der spätere Erfolg des VW Jetta beweist es. Die Amerikaner selber agierten mit eigenen Kompaktwagen im Stil der AMC Gremlin und Pacer sowieso glücklos. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Renault 9: Dieses Auto wurde im Zuge der Übernahme der American Motors Company durch Renault im Hinblick auf den AMC-Heimatmarkt als Stufenheck von Giugiaro entworfen und dann als Renault Alliance verkauft – auch als schönes Convertible. Allerdings hatte dies auch zur Folge, dass der europäische Kompaktmarkt, die sogenannte Golf-Klasse, für den R9 nicht mehr infrage kam – das Auto floppte. Die Dreivolumenkarosserie bietet noch andere, ganz naheliegende Vorteile: So ist ein kleiner Kofferraumdeckel einfacher zu bedienen als eine Riesenklappe. Der Einkauf fliegt im Falle eines Falles nicht im ganzen Innenraum herum, sondern verbleibt brav in seinem Abteil. Das verbirgt seinen Inhalt auch vor neugierigen Blicken, die beim Kombi mittels Abdeckung oder Rollo verhindert werden wollen. Dass fünftürige Autos letztlich an Popularität gewannen, hatte mit den steigenden Transportbedürfnissen für Familie und Hobby zu tun – der Siegeszug des variableren Kombi war unaufhaltbar. Doch auch hier gilt: Wer seine Möbel nicht selbst
zusammenschrauben muss, sondern es sich leisten kann, diese fixfertig liefern zu lassen, fährt Stufenheck. Es punktet somit wieder beim Prestige. Das Stufenheck ist deshalb auch in unseren Breitengraden trotz zeitweiligem Mittelscheitel-Image nie ganz von der Bildfläche verschwunden. Es markiert eine Art «Baumgrenze», die Kombis und Kurzhecks niemals überschreiten können. Luxuslimousinen werden allenfalls als Einzelstücke mit Kombiheck gebaut. Prestige und Oberklasse gibt es nun mal nur mit Stufe. Wer den Automarkt in den letzten Jahren beobachtet hat, wird trotz SUV-Boom gar eine Stufenheck-Renaissance feststellen, und dies notabene auch in kleineren Wagenklassen. So hat Audi die für China konzipierte viertürige A3-Limousine auch in das Europa-Programm aufgenommen und Volkwagen rechnet beim neuesten Passat damit, im Vergleich zum Vorgänger mehr Stufenhecks verkaufen zu können – ganz einfach weil die viertürige Version mindestens so schön ausgefallen ist wie der Variant; auf einen CC hat man diesmal komplett verzichtet. Nicht zuletzt sind viele Automobilhersteller verstärkt auf die USA und China ausgerichtet – und haben folglich kaum noch Kombis im Programm. Ein weiterer Grund ist sicher auch die Völkerwanderung unserer Tage: Aus Ost- oder Südeuropa stammende Mitbürger dürften ihrem Automobilgeschmack auch weiterhin treu bleiben. Doch könnten künftig neue Technologien der Trennung von Motor-, Passagier- und Kofferraum den Garaus machen? Beim Elektroantrieb beispielsweise können ja die Motoren in den Rädern und die Batterien über das ganze Fahrzeug platziert sein. Wenn also die lange Motorhaube entfällt, macht auch ein angehängter Koffer keinen Sinn mehr … Oder sind vielleicht neue Verkehrssysteme, die reine Fahrkabinen im Stil des Smart hervorbringen, das Ende traditioneller Karosserieformen, weil wir nur noch uns selbst, aber kein Gepäck mehr transportieren? Theoretisch ist das möglich, aber wir glauben, dass sich der Schuhkarton spätestens dann als Alternative zurückmelden würde, wenn es darum ginge, eine Standardform zu finden. Bei allen Erklärungsversuchen und der eingangs gestellten Frage nach dem Warum ist die Wahrheit vielleicht eine ganz banale: Stufenhecks haben einfach den schöneren Rücken. Punkt.
Koffer aus Coventry: Um welches Modell handelt es sich? Mail schreiben und ein VECTURA-Jahresabo gewinnen! antwort@prestigemedia.ch
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BRIEF AUS MELBOURNE
Ford Ranger Pick-up
SACKGASSE AUSTRALIEN? FAST 70 JAHRE LANG KAM DER FÜNFTE KONTINENT IN DEN GENUSS VON AUTOS, DIE SPEZIELL FÜR SEINE GEOGRAFISCHEN UND KULTURELLEN BEDÜRFNISSE VOR ORT ENTWICKELT UND AUCH GEBAUT WURDEN. UND ES SIND GENAU DIESE FAHRZEUG-SPEZIFIKA, DIE JETZT UNVERMEIDBAR ZUM UNTERGANG DER NATIONALEN AUTOMOBILINDUSTRIE BEITRAGEN Text Byron Mathioudakis · Fotos Werk
E
bevölkerten. Australien ist eines der grössten Länder der Erde; die Dimensionen entsprechen der Population von Paris und Rom, die man über ganz Europa verteilt.
Ähnliches widerfährt derzeit der seit 1948 vorhandenen heimischen Autoindustrie. Sie hat Modelle entworfen und umgesetzt, die genau auf die besonderen Anforderungen dieses riesigen Kontinents zugeschnitten waren. Mehr noch: Bis heute gehört diese Industrie zu den weltweit wenigen, die über das Know-how und die Ressourcen verfügen, ein Fahrzeug von Grund auf zu entwickeln.
Wie in den meisten entwickelten Ländern vor dem Zweiten Weltkrieg gab es auch in Australien viele letztlich gescheiterte Versuche, lokal ein Auto herzustellen; die Marke Australian Six (1919–25) ist wahrscheinlich die bekannteste von ihnen. Ihr Motto lautete: «Gebaut in Australien, von Australiern für Australier». Dieser Claim sollte dem weltgrössten Automobilproduzenten General Motors helfen, den Markt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu dominieren. Schon in der Gründerzeit sind die grossen Geschütze aus Amerika erfolgreich gewesen, während die meisten anderen scheiterten.
s gehört zum Allgemeinwissen, dass die jahrtausendelange Abgeschiedenheit Australiens zu einer Pflanzen- und Tierwelt geführt hat, die einzigartig ist. Viele dieser Spezies haben zwar bis heute überlebt oder blühen noch, aber die meisten sind ausgestorben.
2017 soll damit nun Schluss sein. Was ist passiert, und hat diese Branche down under überhaupt noch eine Zukunft? Nach der Staatsgründung 1901 war Australien damit beschäftigt, eine unabhängige Nation zu werden, während ein Grossteil der Transportinfrastruktur ausserhalb der Metropolen Melbourne oder Sydney bestenfalls aus einspurigen Strassen bestand (und das immer noch tut), welche damals häufig noch in unbefestigte Pisten mündeten, um dann in raue, ungastliche Gegenden wie Buschland oder Outback zu führen. In gewisser Weise mussten Autos jene Eigenschaften mitbringen, die heute gestandenen 4x4 zu eigen sind – einen robusten Charakter und viel Bodenfreiheit. Und weil die Distanzen mit tausenden Kilometer zwischen den meisten Plätzen enorm waren, sind Zuverlässig- und Haltbarkeit unabdingbare Voraussetzungen gewesen. Tatsächlich ging es unter extrem heissen Bedingungen um nicht weniger als Überleben oder Umkommen, wenn es zu einer Fahrzeugpanne kam. Dann musste der Fahrer in der Lage sein, den Defekt vor Ort zu beheben – oder er starb. Man darf dabei nicht vergessen, dass noch 1930 gerade mal 6,5 Millionen Einwohner eine Landmasse von 7,6 Millionen Quadratkilometer 038 VECTURA #16
Ford war 1925 der erste US-Hersteller in Australien und produzierte in Melbourne das epochale Model T. 1931 wurde dann die in Adelaide ansässige Pferdekutschenfirma Holden & Frost, welche auch Autokarosserien auf verschiedenen Chassis hergestellt hatte (unter anderen denen der US-Hersteller Dodge, Ford oder General Motors), von GM übernommen. So entstand General Motors-Holden (GM-H) und mit ihr jenes Gebilde, das die australische Automobilindustrie werden sollte; zunächst fertigte man GM-Fahrzeuge der Marken Chevy, Buick, Pontiac und Vauxhall. 1934 entwarfen innovative Ford-Ingenieure dann das erste CoupéNutzfahrzeug – halb Auto und halb Lieferwagen, wurde es unter der umgangssprachlichen Bezeichnung «UTE» (für Utility) zu dem, was man künftig als typisch australisches Fahrzeug bezeichnen würde. Der heutige Ford Ranger Pick-up repräsentiert in diesem Zusammenhang eine mögliche Zukunft unserer lokalen Autoindustrie, aber damit greife ich hier vor. Nach dem Zweiten Weltkrieg «begünstigte» die australische Regierung den Bau eines einheimischen Fahrzeugs, woraufhin mehrere Firmen, einschliesslich Ford und Holden, Vorschläge einreichten. GM gewann (mit einem
ausrangierten US-Chevrolet-Entwurf), und so entstand 1948 das erste Auto mit eigenem Holden-Logo. Bei ihm handelte es sich in erster Linie um ein viertüriges, sechssitziges Stufenheck mit Sechszylindermotor, manuellem Dreiganggetriebe, Heckantrieb und rudimentärer Federung. Die Australier liebten es! Neben der Tatsache, sehr simpel aufgebaut, zuverlässig, robust und einfach reparierbar zu sein, war der 48/215 oder schlicht FX genannte Wagen auch erschwinglicher als jedes andere vergleichbare Fahrzeug. Bis 1958 hatte der FX einen Marktanteil von 50 Prozent inne. Australien erlebte derweil einen wirtschaftlichen Aufschwung; Millionen meist europäischer Immi granten kamen ins Land und halfen dabei, grosse infrastrukturelle Projekte zu verwirklichen – was viele wiederum ermutigte, enorme Strecken zurückzulegen. Der Holden wurde ausserdem erfolgreich in australasiatische und afrikanische Regionen exportiert. Ford und dann auch Chrysler folgten dem Beispiel übereinstimmend mit ihren Baureihen Falcon (1960–2016) beziehungsweise Valiant (1962–81), die nach dem gleichen konservativen Muster – riesige Karosserie und Sechszylinder – gestrickt waren, das den Australiern so sehr gefiel. So blieb es auch in den Folgejahren, zumal grosse Fahrzeuge dominierten.
Historischer Crossover: Ford Coupe Utility 302 von 1934
Beispiellose Erfolgsgeschichten: oben der Ford Falcon, hier als XK 1960/61, unten Holden Commodore, im Bild ein VB-Modell (1978–80)
Zu jener Zeit schützten zusätzlich strenge Importquoten sowie Strafzuschläge die heimische Industrie, was wiederum viele Hersteller dazu bewegte, ihre Produkte vor Ort aus CKD-Bausätzen zu montieren (Completely Knocked Down), die ganz woanders produziert worden waren. Letztlich stellten die British Motor Corporation, Volkswagen, Renault, Peugeot, Rootes (Hillman), Standard/Triumph, Toyota und Nissan hier Autos her. Dennoch strauchelten die meisten von ihnen, als die Verschiffung von CKD-Teilen aus Europa oder Amerika zu teuer wurde und billigere japanische Modelle wie der Datsun 1600 oder ein Honda Civic mehr Gegenwert und Zuverlässigkeit boten. Besonders Japan erkannte in Australien einen idealen Testmarkt für seine blutjunge Nachkriegs-Autoindustrie, weil Nissan beziehungsweise Datsun oder Toyota hier seit den späten 1950er-Jahren gekauft wurden. Deren Rezept gegenüber anderen Herstellern war effektiv: hohe Qualität, vergleichsweise geringe Anschaffungskosten und eine üppige Serienausstattung. Australische Autofahrer konnten gar nicht genug von ihnen kriegen. Steigende Benzinpreise sorgten in den 1970ern für noch mehr Nachfrage, und Mitte der 1980er-Jahre hatten sich Kleinwagen wie Corolla, 323, Bluebird und Colt im Verkehrsbild etabliert. Sowohl die Amerikaner als auch die Europäer hielten parallel dagegen, um Holden (wo man 1978 den Opel Senator adaptiert hatte, um daraus einen Commodore zu machen) und Ford herauszufordern – mit unterschiedlichen Ergebnissen. 1973 führte BMC/British Leyland, bisher mit den frontgetriebenen Modellen Morris Mini und 1100 vertreten, den heckgetriebenen P76 als direkten HoldenRivalen ein. Dieser Sedan war technisch anspruchsvoller, schlechter zusammengebaut, wies ein polarisierendes Styling auf – und scheiterte kläglich, was Leyland letztlich dazu zwang, die aus tralische Fertigung aufzugeben. Zur selben Zeit erfreute sich der US-basierte Valiant zwar grosser Popularität, doch als Chrysler 1971 den extra für Australien konzipierten Nachfolger präsentierte, war er den Kunden schlicht zu gross ausgefallen. Mitsubishi dagegen schwamm mit der Sigma-Mittelklasse auf einer Woge des
Erfolges – und übernahm 1980 die Reste von Chrysler Australia einschliesslich des Werks in Adelaide, das fortan unter Mitsubishi Motors Australia Limited (MMAL) firmierte. Was MMAL dann tat, traf nicht nur auf dem roten Kontinent ins Schwarze, sondern definierte auch den Geschmack US-amerikanischer und asiatischer Familienväter bis heute: Der visionäre Magna von 1985 nutzte die japanische Galant/Eterna-Plattform, war aber 6,5 Zentimeter breiter und auch stabiler gebaut, um den lokalen Gegebenheiten trotzen zu können. Das Ergebnis war so brillant, dass es Honda und Toyota dazu animierte, in den USA genau das Gleiche zu tun; 1990 erschien dort der neue Accord, zwei Jahre später der Camry. Beide Hersteller dominieren seither den nordamerikanischen Pw-Markt, MMAL sei Dank. Leider wurde die gute Idee in Australien nicht patentiert … Der für den Export zum Diamante umbenannte Magna verkaufte sich in den 1990ern und 2000ern jedenfalls auch in den USA hervorragend. Und doch deuteten viele Zeichen auf Veränderung hin. Im bisher bestens funktionierenden Kreislauf, ausladende wie kraftvolle Sechs- und Achtzylinder-Limos und -Kombis herzustellen, übersahen Ford und GM, dass sich australische Konsumenten von grossen Autos abwandten – ganz einfach, weil die nicht mehr benötigt wurden. Flugreisen waren spottbillig geworden, kleine Fahrzeuge HERBST 2015 039
BRIEF AUS MELBOURNE
Doch das Timing war denkbar ungünstig, denn kurz darauf lief alles schief, gingen die Spritpreise durch die Decke, kam es zur Wirtschaftskrise und 2009 zur GM-Pleite. Die Marke Pontiac wurde abgeschafft, damit waren die schönen Holden-Pläne nur noch Makulatur und das Schicksal dieses Herstellers so gut wie besiegelt. Ford hatte zwar einen neuen Falcon aufgeboten, aber 2010 hatten die Menschen andere Prioritäten, als australische Autos zu kaufen. Lediglich der hier ab 2004 hergestellte Ford Territory (bisher der einzige je in Australien gebaute SUV) und der 2011 lancierte Holden Cruze (auf Chevy-Cruze-Basis) entsprachen aktuellen Konsumtrends. Alle anderen – Commodore, Falcon, Camry oder Mitsubishi 380 – parkten dagegen weit ausserhalb der Mode. Importwagen wie Corolla, Mazda 3, Hyundai i30, Subaru Forester, Nissan Qashqai, VW Golf und Ford Ranger bestimmten die Verkaufslisten, während sich die Zukunft der australischen Autoindustrie immer deutlicher abzeichnete.
Knapp daneben: Der Leyland-Vorstoss geriet in den 1970er-Jahren zum Riesenflop, während Holden den Markt dominierte – noch
Mit zunehmender Globalisierung machte es inzwischen mehr Sinn, auf günstige Fertigungsstätten in Thailand, Südkorea und Indien zurückzugreifen, anstatt in Australien zu produzieren. Die Regierung gewährte GM, Ford und Toyota vor einigen Jahren zwar noch Milliarden an Zuschüssen, um sie im Land zu halten (Mitsubishi hatte bereits 2008 den Stecker gezogen), doch erwiesen sich auch solche Massnahmen auch angesichts eines starken AustralienDollar als finanziell nicht nachhaltig genug: Im Mai 2013 kündigte der einstige Down-Under-Pionier Ford an, seine Falcon- und Territory-Werke Melbourne und Geelong im Oktober 2016 schlies sen zu wollen. Es war ein schwarzer Tag für die australische Wirtschaft, mit entsprechend medialem Nachbeben. Im Dezember gab dann auch GM bekannt, «Australiens eigene Marke» Holden 2017 einzustellen – und im Februar 2014 erklärte Toyota die CamryProduktion ab 2017 als beendet. Diese Hiobsbotschaften bedeuteten gleichzeitig das Aus für zehntausende Jobs in der Fertigung und bei den Zulieferern, aber wirklich überrascht war niemand. Australien hatte den automobilen Anschluss längst verpasst.
immer besser und im Zuge des steigenden Verkehrsaufkommens auch geeigneter. Zudem zogen die Benzinpreise an und traditionelle Kernfamilien, die typischerweise aus Vater, Mutter und zwei Kindern bestanden hatten, kamen bedingt durch starke Zuwanderung und den damit einhergehenden kulturellen Unterschieden immer seltener vor. Kurz: In den späten 1990ern brauchte eigentlich niemand mehr ein Vierliter-Stufenheck mit fünf Sitzplätzen und Wohnwagen-Zugfahrzeug-Qualitäten. Familien nahmen den Flieger, während Commodore und Falcon immer mehr wie Dinosaurier wirkten. Rückblickend fast unglaublicherweise reagierten die australischen Hersteller noch schnell genug. Während die C- und SUVSegmente dramatisch anzogen, fiel der Strassenkreuzer-Absatz ins Bodenlose. Dennoch entwickelte Holden fast trotzig und mit Milliardenaufwand den VE Commodore. Und die grösste jemals in diesem Land gebaute Stufenheck-Limousine blieb keine reine Ignoranz – Holden gewann mit ihr einen lukrativen Exportauftrag. In den Vereinigten Staaten verkaufte man das Auto ab 2008 als Pontiac G8, in England als Vauxhall und anfänglich auch unter dem Saab-Label. 040 VECTURA #16
Aber noch ist nicht alles verloren. Ford Australia wird sein hervorragendes Design- und Entwicklungszentrum in Melbourne erhalten, um dort den Nachfolger des sehr beliebten, in 180 Ländern verkauften Ranger zu entwerfen. Ausserdem sollen auf der weitläufigen You-Yang-Entwicklungsstrecke viele Baureihen auf ihre jeweiligen Weltmärkte vorbereitet werden. GM lässt, wenn auch in kleinerem Massstab, mit einer ähnlichen Dependance ebenfalls einen Koffer in Australien stehen und hält zudem am Testgelände Lang Lang nahe der bekannten Phillip-Island-Grand-Prix-Strecke bei Melbourne fest. Ganz in der Nähe verfügt Nissan – trotz dem 1992 vollzogenen Ende einer eigenen Fahrzeugherstellung – noch über eine kleine australische Produktionsstätte, in der AluminiumKomponenten für verschiedene Werke in Europa, den USA oder Japan entstehen. In diesem etwas seltsamen Sinne ist es also nicht korrekt, von einem Ende der australischen Automobilindustrie zu sprechen – selbst wenn das auf die Fahrzeugfabriken zutrifft. Isolierende Faktoren, die die Fertigung einst überhaupt erst möglich machten, sind nicht länger relevant. Und doch ist es gerade die Globalisierung, die Australiens Fahrzeug-Know-how so wertvoll macht. Dieses Wissen definiert derzeit die Rolle, welche der fünfte Kontinent in der Autowelt künftig spielen wird – und sei sie noch so klein.
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Text sfr · Fotos Archiv Fritschi, zwischengas.com, Werk
DAIHATSU COMPAGNO (1963–69) Der Daihatsu Compagno kommt einem zwar bekannt vor, lässt sich aber schwer einordnen. Wer auf Autobianchi, Fiat oder einen (von Pininfarina gestylten) Austin tippt, dem sei verziehen. Die Ursache liegt an der geringen Verbreitung und an der Tatsache, dass die Karosserie von Vignale gezeichnet worden war – wo vermutlich auch die Modellbezeichnung erfunden wurde. Auf dem LeiterrahmenChassis entstanden zuerst Lieferwagen, dann folgten die zwei- oder viertürige Stufenheck-Limousine Berlina und schliesslich noch ein hübsches Cabrio. Der Compagno war Daihatsus erster Kleinwagen und legte den Grundstein für das Wachstum der Marke.
Dieser Zweitürer verkörpert eine äusserst rare Spezies. Mit Unterstützung von Graf Görtz, dem Schöpfer von BMW 507 und Datsun 240Z, entstand sein sehr gelungenes und eigenständiges Stufenheck-Design – zu einer Zeit, als die Japaner noch den Westen, hauptsächlich Amerika, kopierten. Leider waren die Abmessungen für den wichtigen US-Markt zu klein. Es blieb bei etwas über 500 zwischen 1964 und 68 von Hand gebauten Exemplaren. Dabei hätte dieser schöne Entwurf definitiv eine weitere Verbreitung verdient gehabt.
DATSUN SYLVIA 1600 COUPÉ (1964–68)
HONDA LEGEND (1985–90) In den 1980ern stand der Honda Legend – es gab ihn auch als Acura RL (Road Luxury) und Rover 800 – am Anfang einer steilen Karriere: Manche nannten ihn den «japanischen Mercedes». Leider wurde nie wirklich etwas daraus; 2010 hat man den Europa-Verkauf eingestellt. Dabei trug doch insbesondere die erste Generation, intern KA1-KA6 genannt, ein sehr gefälliges und modernes Kleid, auch wenn sich die Designer die Audi-Quattro-ähnlichen Backen hätten sparen können. Aber auch innen war alles top, Technik top, Preis und Ausstattung sowieso. Was lief schief? Der Name! Honda ist halt Motorrad oder Civic, aber nicht Legend.
ISUZU BELLETT (1963–73) Isuzu ist bei uns nur als Lieferant von Last- und Lieferwagen, allenfalls vielleicht als 4x4-Produzent bekannt. Doch es gab auch einige Personenwagen, beispielsweise den zwischen 1963 und 73 produzierten Bellett und das zweitürige Coupé Bellett GT; beide Versionen wurden ab 1965 von der Isuzu Vertriebs AG im aargauischen Kölliken für 8750 Franken aufwärts auch in der Schweiz angeboten. Das sauber gestaltete 4-Meter-Stufenheck hätte auch von einem britischen oder italienischen Fliessband gelaufen sein können. Aber dafür war der Bellett zu gut verarbeitet … 042 VECTURA #16
RÜCKSPIEGEL
LEXUS LS400 (1989–94) Wer Lexus sagt, denkt meist an das Ur-Modell LS400, das 1989 in den USA lanciert wurde und ein Jahr darauf schon sehr zügig auch seinen Weg nach Europa fand – und das Markenbild bis heute prägt. Damals war man geneigt, im sehr strengen, ganz ohne Zierrat gestalteten Entwurf etwas zu viel S-Klasse zu entdecken. Doch angesichts der wilden Formen aktueller Lexus-Modelle ist die Frage berechtigt, ob die wohl auch so langsam altern werden wie der 25 Jahre junge, fast zeitlos wirkende LS400. MAZDA LUCE 1500/1800 (1966–73) Dieser Viertürer, im Export mit der Hubraumzahl 1500 oder 1800 bezeichnet, war für die Marke aus Hiroshima 1966 der Schritt in die Mittelklasse. Unter der Bezeichnung R130 stand ihm ein Zweitürer mit Wankelmotor zur Seite. Vorbild der Baureihe war unverkennbar ein anderes sportliches Stufenheck, die Neue Klasse von BMW, bei der man die Grundform mit luftigem Dachaufbau inklusive Hofmeister-Knick entlieh. Von den fast 40 000 gebauten Exemplaren fanden einige den Weg in die Schweiz; laut Preisliste von 1969 ab 9990 Franken. MITSUBISHI LANCER (1973–79) Der Lancer eröffnete 1973 als zwei- und viertüriges Stufenheck nicht nur die Unter-4-MeterKlasse zwischen Minica und Galant, sondern er war 1977 – lange nach anderen Japan-Marken – der Startschuss für den Europa-Launch, auch in der Schweiz. Und er ist bis heute im Programm. Der erste Lancer wirkte wie ein grösseres und teureres Auto. Besonders das Heck mit Chromschmuck, Hüftschwung und Hochkant-Heckleuchten hat etwas Britisches an sich. Mangels Heckklappe hiess das Mitsubishi-Zugpferd aber bald nicht mehr Lancer, sondern Colt. NISSAN BLUEBIRD (1979–83) Er kam als Datsun und ging als Nissan: Im November 1979 vorgestellt, geriet der Hecktriebler Bluebird des Baumusters PL910 mitten in den Strudel des Markennamenswechsels, was aber nichts daran ändert, dass die sehr klar, kantig und schlicht gezeichnete Karosserie fast schon als klassisch bezeichnet werden kann. Denn sie schaffte den Spagat, gleichzeitig mehrheitstauglich, aber auch charakteristisch zu sein. Kam der Vorgänger 180B (in Japan mit der Zusatzbezeichnung Bluebird) noch recht barock daher, so verwässerte ab 1984 der frontgetriebene Nachfolger das einst so gelungene Design.
SUBARU XT (1984–90) Dass man einen Subaru nicht unbedingt wegen dessen Styling kauft, ist Allgemeingut. Vermutlich gerade deshalb lancierte Subaru den Designer-Keil XT, der in Japan als Alcyone und in Australien/ Neuseeland als Vortex vermarktet wurde (siehe VECTURA #5). Ein Erfolg wurde das extrem kantige Design mit einem hervorragenden Cw-Wert von 0,29 trotzdem nicht. Sowohl die nach hinten aufragende Karosserie als auch das Cockpit im Flugzeug-Stil waren zu extrem, zu unausgewogen und zu unpraktisch – und damit am Denkschema der typischen Subaru-Kundschaft vorbeiproduziert.
TOYOTA COROLLA E20 (1970–74) Wie konnte ein so konservatives Auto nur so erfolgreich werden? Die ersten vier Generationen seit 1966 waren schlichte Hecktriebler mit Starrachse und Stufenheck. Es gab zwar Kombis und später sogar «Liftback»-Variationen (Fliessheck), aber ein Kompakt-Fronttriebler mit Corolla-Schriftzug kam erst 1983. Die hier gezeigte zweite Generation ist archetypisch für das japanische Design jener Zeit: eine etwas schüchtern gezeichnete Dreivolumenkarosserie mit leicht barocken Details hier und dort, dazu eine verspielte Front im US-Stil. Aber eben – weltweit höchst populär. HERBST 2015 043
KLASSISCHE STUFENHECK-TRÄGER – DAS WAREN SOWOHL BUTTERBROT-AUTOS ALS AUCH DELIKATESSEN, NICHT NUR IM KONSERVATIVEN JAPAN. UND DESHALB FOLGEN HIER ZEHN EVERGREENS AUS ALLER WELT Text map · Fotos Werk
ASTON MARTIN LAGONDA (1978–90) Das Erstaunlichste an diesem exaltierten Brit-Saloon ist wahrscheinlich die Tatsache, dass er von William Towns gestaltet wurde – jenem Herrn also, der uns den traumhaften DBS bescherte. Der streng geometrische Lagonda sollte dagegen nicht nach Aston Martin aussehen – glücklicherweise, denn die 5,3 Meter lange, aber nur 1,3 Meter hohe (und innen recht enge) Sportlimousine litt unter allerhand technischen Problemen. In zwölf Jahren entstanden nicht weniger als drei Serien, aber nur 645 Exemplare. Und die gehörten zum Teuersten, was man damals fahren konnte.
BMW 3ER-REIHE (SEIT 1975) Ein Stufenheck par excellence – unter anderem auch deshalb, weil das visionäre Fliessheck-Experiment 02 Touring (1971–74) zu früh kam. Der flache Kofferraumdeckel blieb beim Dreier jedenfalls Programm, bevor 1987 parallel eine Touring (!) genannte Kombiversion angeboten wurde. Die Baureihe selbst (im Bild der E36 von 1990–2000) ist jetzt seit 40 Jahren erhältlich, mittlerweile in ihrer sechsten Generation angekommen, war immer klar als Dreier erkennbar und gilt auch fahrdynamisch als Benchmark in der unteren Mittelklasse. Luja, sog i.
CHEVROLET CAPRICE SEDAN (1976–90) Der Standard-Chevy transportierte Abermillionen Menschen; als Volkswagen im US-Format verkörpert(e) er Pragmatismus in Grossserie, stand für fragwürdige Ergonomie (allein das Kofferraumvolumen ist über jeden Zweifel erhaben), nonchalante Verarbeitung und eine qualitativ kurze Halbwertszeit. Achsenbruch? Never mind; ein neuer alter Caprice war oft billiger als die Reparatur. Und so starben die bis zu 5,48 Meter langen Schlitten wie die Fliegen: Erst heute, 25 Jahre nach Produktionsende, erfährt auch die dritte Generation jene Wertschätzung, die sie kraft ihrer bestechend schlichten Gestaltung verdient hat. Alles, was danach kam, sieht aus wie Seife.
CITROËN AMI 6 BERLINE (1961–69) Die einen halten die Dachpartie für das automobile Pendant zu Louis de Funès, für die anderen ist sie ein kongenialer Einfall. Klar ist: Der viertürige Ami 6, damals zwischen 2CV und DS positioniert und als französisches Wortspiel «L’Ami Six» mit «Fräulein» übersetzbar, lässt niemanden kalt. Das im Jahr 1966 meistverkaufte Auto Frankreichs leistete zunächst nur 19,5 PS; ab 1968 waren es dann 32, immerhin. Die Anordnung der Heckscheibe war kein Selbstzweck, sondern der Kopffreiheit der Fondpassagiere und damit einer optimalen Raumausnutzung geschuldet. Schönheit liegt eben im Auge des Betrachters; bis zum Produktionsende entstanden über eine Million Einheiten. 044 VECTURA #16
RÜCKSPIEGEL
LAMBORGHINI ISLERO (1968–70) Lange als langweiligster Lambo aller Zeiten abgetan, entwickelt sich der Islero gerade vom Geheimtipp zur allgemein begehrten Rarität. Der zweitürige, noch von TouringDesigner Ferruccio Formenti entworfene Sportwagen wurde nur zwei Jahre lang rund 250 Mal hergestellt und sieht viel weniger wild aus als seine Artgenossen. Genau diese Mischung aus eigenständig-elegantem Auftritt (man beachte die Klappscheinwerfer und hoch positionierte Heckstossstange) und souveränen Fahrleistungen macht den Reiz aus. Die ab 1969 produzierte S-Version verfügte über 350 PS. MERCEDES-BENZ 190 (1982–93) Mit der kompakten, zunächst 4,42 Meter langen Baureihe W210 wagten es die Stuttgarter vor über drei Jahrzehnten erstmals, ihr Modellportfolio nach unten auszuweiten. Das Wagnis sollte sich lohnen: Der unter dem damaligen Chefdesigner Bruno Sacco bewusst anders gestaltete und im Volksmund bald auch als Baby-Benz bezeichnete 190er entwickelte sich zum Bestseller – 1,9 Millionen Einheiten sollten es schliesslich werden. Kaum zu glauben, dass es schon über zwei Jahrzehnte her ist! Was gleichzeitig beweist, dass wir es hier mit einem Klassiker von morgen zu tun haben. OPEL KADETT B (1965–73) Was dem 190er-Mercedes gerade bevorsteht, hat der B-Kadett längst erreicht – ein ebenso anerkannter wie erschwinglicher Oldie zu sein. Gerade hat er seinen 50. Geburtstag gefeiert; als modernerer Käfer-Konkurrent stand er damals vor vielen Reihenhäusern, deren Bewohner sich mit ihm erstmals ein Auto gekauft hatten. Neben der zweitürigen Basisvariante – mit Kofferraumklappe, versteht sich – gab es weitere Karosserieversionen; bis 1973 fanden 2,6 Millionen einen glücklichen Besitzer. Der Kadett wurde sogar 2560 Mal in der Schweiz gebaut – als viertüriger, üppig ausgestatteter Ascona 1700 «montage suisse». PORSCHE 914 (1969–76) So viel vorweg: Die Idee, einen Volks-Porsche zu bauen, fand 120 000 Liebhaber. Das Konzept war ebenso simpel wie bestechend: unter vier Meter Länge, zwei Sitze, ein luftgekühlter Boxer-Mittelmotor und ein Targadach, das bedarfsweise unter dem Heckdeckel Platz fand. Damit war der 914 auch Vorbild für den ab 1972 gebauten Fiat X1/9, der sich ebenfalls durch ein Stufenheck auszeichnete. Den 914 dagegen konnte und kann man im Notfall sogar als Dreisitzer nutzen; eine seitlich angeordnete Handbremse mach’s möglich. Besonders gesucht sind heute die vergleichsweise seltenen Sechszylindermodelle mit 110 PS. VOLVO 700 (1982–90) Der schwedische Hersteller hat dem Stufenheck in den 1970er- und 80er-Jahren intensiver gefrönt als die meisten anderen Automarken, doch mehr Kante als bei der Gehobene-Mittelklasse-Limousine 760/740 gegen die selbst die VorgängerBaureihe 260 rundlich wirkte (das markante Styling stammte vom langjährigen Hausdesigner Jan Wilsgaard), hat es seither nicht mehr gegeben. Darauf standen nicht nur die Skandinavier, sondern auch US-Kunden. Der im 760 bis zu 182 PS starke wie kompakt-leichte PRV-V6-Benziner (1974–98) kam übrigens auch bei Peugeot, Renault, Alpine, DeLorean, Lancia oder Venturi zum Einsatz. KARMANN GHIA TYP 34 (1961–69) Der 4,28 m lange «grosse Karmann» Typ 34 folgte sechs Jahre nach dem kleinen (Typ 14) und trug ebenso Stufenheck wie jener bis zu 54 PS leistende Volkswagen Typ 3, auf dem er konstruktiv basierte. Doch anders als der 14er, der zwischen 1955 und 74 fast eine halbe Million Mal gebaut wurde (über 385 000 davon waren Coupés), war der grundsätzlich geschlossene 34 kein Verkaufserfolg – gerade mal 42 500 Einheiten entstanden. Das macht die seinerzeit eleganteste, aber auch schnellste und teuerste VW-Baureihe heute so interessant. Allerdings ist ihre komplexe Blechkarosserie ein restaurierungstechnischer Albtraum. HERBST 2015 045
C-KLASSE À LA MODE MITTELKLASSE-COUPÉS GEHÖREN ZU MERCEDES-BENZ WIE SCHÖNE FRAUEN ZUR FORMEL 1: OHNE SIE WÜRDE NATÜRLICH AUCH WEITERGEFAHREN, UND DOCH WÜRDE ETWAS FEHLEN. SO IST ES AUCH BEI DER AB DEZEMBER VERFÜGBAREN COUPÉVERSION DER C-KLASSE. WER ALSO NOCH IDEEN FÜR DEN WEIHNACHTS-WUNSCHZETTEL SUCHT … Text Claus Engler · Fotos Werk
AHNENGALERIE: MERCEDES-COUPÉS AUS SECHS JAHRZEHNTEN
Barocke Formen: 220 Coupé (W187)
046 VECTURA #16
Moderne Zeiten: 220 S (W180 II)
NEUVORSTELLUNG
O
b formal eigenständig, ob eng an die Limousine angelehnt, entweder besonders chic oder betont sportlich; mal mit eigenem Namen, mal mit einem schlichten «Coupé» als Namenszusatz: Die Mittelklasse-Zweitürer von Mercedes verkörpern über die Jahrzehnte nicht nur den stilistischen Zeitgeist der jeweiligen Epochen, sondern geben stets auch Hinweise auf kommende Trends. So sind sie immer auch Ausdruck der gerade in der Markenführung vorherrschenden Mode gewesen. Und trotz dieser scheinbaren Launenhaftigkeit verkörpern sie eine Konstante in der Mercedes-Welt.
strafferer Auslegung von Federung, Dämpfung und Sport-Direkt lenkung. Auf Wunsch gibt es erstmals die Luftfederung Airmatic mit elektronisch geregelter, kontinuierlicher Verstelldämpfung an Vorder- und Hinterachse. Hier kann der Fahrer per Schalter vorwählen, ob er sportlich, komfortabel oder verbrauchsoptimiert unterwegs sein will. Zum Modellstart stehen zunächst vier Benzinund zwei Dieselmotoren zur Verfügung. Das Leistungsangebot reicht vom 1,6-L-Vierzylinder im C180 mit 156 PS zu drei ZweiliterTriebwerken mit 184 PS (C200) bis 245 PS (C300); die beiden Selbstzünder haben wahlweise 170 PS oder 204 PS.
Nun also das neue C-Klasse Coupé. Der aktuelle Akzent der intern C205 genannten Baureihe liegt auf Sportlichkeit und Fahrspass, das Fahrwerk ist gegenüber der Limousine um 15 Millimeter flacher angelegt und steht damit bereits bei der 17-Zoll-Serienbereifung auf Sportniveau. Schärfer ist hier ein optionales Sportfahrwerk mit
Natürlich wird mehr gehen. Im Januar 2016 folgt das MercedesAMG C63 Coupé, dessen Vierliter-V8-Biturbo entweder 476 oder 510 PS leistet. Um Verwechslungen auszuschliessen, hat das AMG-Coupé vorne und hinten markant ausgestellte Kotflügel, dazu Powerdomes auf der Motorhaube sowie einen anderen
Zählt zu den Stil-Ikonen aus Stuttgart: 220 SEC (W111)
HERBST 2015 047
Wachsender Erfolg Der Stammbaum der Mercedes-Coupés hat die Form einer knorrigen Eiche: Etwas verwinkelt und ursprünglich eher im S-Bereich wurzelnd, reichen jüngere Triebe ins fruchtbare, später E-Klasse genannte Beet, während die kleinsten Sprösslinge der C-Kultur zuzurechnen sind. Der Beginn jedenfalls war besonders exklusiv und auf «… wiederholtes Drängen einzelner prominenter Persönlichkeiten» zurückzuführen, wie es damals in einem Rundschreiben der Verkaufsabteilung stand: Vom 220 Coupé (W187) baute man 1954/55 gerade mal 85 Exemplare. Auch die Ponton-Nachfolger 220 S (W180 II) beziehungsweise 220 SE (W 128) waren der Oberklasse verpflichtet und wurden von 1956 bis 60 in raren Stückzahlen hergestellt. Das galt zwar auch für den W111 (1961–71), doch immerhin wurden davon 28 918 Coupés ausgeliefert.
Mehr als die Limousinen verkörpern die Coupés den stilistischen und technischen Status quo ihrer Epoche
Erstmals klar Mittelklasse war das parallel lancierte /8-Coupé (W114, 1969–76), dessen flaches Pagodendach rund 36 000 Fans gefunden hat. Echte Smash-Hits wurden dann die Nachfolger C123 (99 884 Exemplare von 1977–85, davon erstmals 15 509 mit Dieselmotor für den US-Markt) sowie C124 (zwischen 1989–96 ganze 141 498 Mal gebaut). Ihnen allen waren Eleganz, Qualität, Sicherheit und souveräne Fahrleistungen zu eigen; Fabrikanten-Gattinnen ohne Mercedes-Coupé schienen künftig nur unter Aufbietung grösster Phantasie vorstellbar. Vom C124 gab es dann zwar keinen Diesel mehr, aber erstmals eine AMG-Version. Seither ist das Mercedes-Coupé der C-Klasse treu geblieben; schon 1993 hatte eine Coupé-Studie am Genfer Salon für Aufsehen gesorgt. 1997 ging sie dann als eigenständiges Modell C208 unter dem Namen CLK in Serie und wurde bis 2003 über 230 000 Mal gebaut. Nachfolger war der CLK der zweiten Generation (C209): Zwischen 2002 und 10 entstanden, einschliesslich Cabriolets, rund 360 000 Einheiten. Daneben gibt es seit 2009 das E-Klasse Coupé (C207), das sich seine Architektur mit jenem kleineren, 2011 erschienenen C-Klasse Coupé C204 teilt, das nun Platz für die Neuauflage macht. cle
Moderne Klassiker (von hinten nach vorne): 250 CE Coupé (W114), 280 CE (C123) und 200 CE (C124)
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NEUVORSTELLUNG
Frontspoiler, eine breitere Spur und grössere Räder. Als weitere wichtige Zutaten müssen das Ride-Control-Sportfahrwerk mit elektronisch geregelten Stossdämpfern, die andere Auslegung der Dynamic-Select-Fahrprogramme von komfortabel bis supersportlich, das Hinterachs-Sperrdifferential oder eine dynamische Motorlagerung genannt werden. Alle C-Coupé-Varianten tragen den hochwertigen Diamantgrill und profitieren zudem von den neuen Proportionen der Motorhaube – zwischen Stirnwand und Vorderachse ist das Auto sechs Zentimeter länger als sein Vorgänger. Dahinter folgt ein geducktes Greenhouse, das harmonisch in die Heckpartie übergeht. Letztere verrät, dass das S-Klasse Coupé aus dem gleichen Haus stammt. Die hohe Gürtellinie und rahmenlose Türen mit freistehenden Aussenspiegeln wie seinerzeit beim /8 sind ebenfalls Signale der
Neu interpretiert: CLK 230 K (C208)
angestrebten Sportlichkeit. Ausserdem, so lehren uns die Stuttgarter Coupé-Designer unter Gorden Wagener, streckt sich die lang gezogene seitliche «Dropping-Line» im Gegensatz zur C-Limousine über das hintere Radhaus. Insgesamt ist das neue C-Coupé knapp zehn Zentimeter länger und vier Zentimeter breiter geworden – bei einem ebenfalls um 8 cm gewachsenen Radstand. Das erweiterte Fahrzeugvolumen ist vorwiegend einem gesteigerten Raumkomfort für Fahrer und Beifahrer geschuldet; auch im Fond haben Kopf-, Schulter- und Ellenbogenfreiheit zugelegt. Leider macht der tägliche Stau auch vor einem Coupé nicht Halt. Umso erfreulicher ist, dass ein mit Distronic Plus samt Lenk assistent und Stop-and-go-Pilot ausgestattetes C-Coupé bei Geschwindigkeiten unter 130 km/h einem vorausfahrenden Fahrzeug in der Spur folgen und so teilautonom im dichten Verkehr
Optisch leichter: CLK II (C209)
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NEUVORSTELLUNG
mitschwimmen kann – selbst bei fehlenden oder weniger deutlichen Spurmarkierungen. Da bleibt dann mehr Zeit zum Hören und Schauen: Der Frontbass der Burmester-Soundanlage sorgt für ein Klangerlebnis auf Konzertsaal-Niveau, in dem er das Volumen der Quer- und Längsträger als Resonanzraum für die Lautsprecher nutzt. State-of-the-art ist auch eine Navigation, welche den Fahrer mit präzisen Verkehrsinformationen in Echtzeit versorgt – Mercedes nennt das «Live Traffic Information» – und ihre Inhalte jetzt auch interaktiv aufbereitet. Dazu gehört unter anderem ein animierter Kompass, eine Flugzeug-artige «Drive Show» mit Informationen für die Passagiere sowie die Anzeige von Google Maps auf dem Bildschirm. Neben solchen Ausstattungsmöglichkeiten bietet das Coupé noch eine Vielzahl anderer nützlicher Zusatzsysteme, etwa den
Farewell: bisheriges C-Klasse Coupé (C204)
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aktiven Park-Assistenten, dessen teilautomatisiertes Einparken mit aktiven Lenk- und Bremseingriffen jetzt auch Längs- und Querparklücken beherrscht. Oder einen adaptiven FernlichtAssistenten Plus, welcher Dauerfernlicht durch gezieltes Ausblenden anderer Fahrzeuge im Fernlichtkegel ermöglicht. Überhaupt scheint das Coupé jede Art der Kollision vermeiden zu wollen: Erwähnt seien in diesem Zusammenhang der Auffahrverhinderer «Collision Prevention Assist Plus» oder der Brems assistent Plus, der nach dem Motto «ich bremse auch für Querverkehr» agiert. Fazit: Mehr Auswahl und Komfort hat es im C-Coupé noch nie gegeben. Und so wagen wir die Prognose, dass sich die Baureihe schnell einen vorderen Platz im Mercedes-Portfolio erobern wird.
Grosser Bruder: aktuelles E-Klasse Coupé (C207)
COSY JEANS
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Mit einem Schleppzeiger-Chronographen, auch Rattrapante genannt, lassen sich bei Autorennen bevorzugt Zwischenzeiten erfassen. Blancpain beherrscht dieses komplexe mechanische Metier seit 1988. Allerdings haben die Uhr macher seitdem kontinuierlich weitergearbeitet und das 8,4 Millimeter hohe Automatikkaliber 69F9 entwickelt. Selbiges beseelt den weissgoldenen und deshalb sehr dezenten «L’Evolution»-Chronographen. Neben besagter Zusatzfunktion verfügt das exklusive Uhrwerk auch über eine so genannte Temposchaltung: Wenn es auf der Piste einmal heiss hergeht, können die Besitzer den Stopper aus dem Lauf heraus mit einem Knopfdruck nullstellen und unverzüglich neu starten. Das spart logischerweise jede Menge Zeit. Der Tank, sprich die Zugfeder des Uhrwerks, speichert Energie für 40 Stunden Gangautonomie. Karbon für den Glasrand und das Zifferblatt, durch dessen grosse Öffnung bei der «6» sich das Datum ablesen lässt, verleihen dieser Armbanduhr eine gleichermassen sportive wie innovative Optik. Ihr Motor zeigt sich durch einen Saphirglas-Sichtboden.
Text Gisbert L. Brunner Fotos Werk
Die Produktion des «Speedmaster», eines «neuen Chronographen, entwickelt für Wissenschaft, Industrie und Sport», startete bei Omega im Jahr 1957. Zwölf Jahre später begleitete der Stopper die ersten Menschen auf der Ober fläche des Mondes und erhielt anschliessend den Namen «Speedmaster Professional». 2013 legte das SwatchGroup-Mitglied die ursprüngliche «Speedmaster» von 1957 neu auf. Das hauseigene Co-Axial-Kaliber 9300 verfügt über beidseitig wirkenden Rotoraufzug, zwei Federhäuser, 60 Stunden Gangautonomie, Silizium-Unruhspirale, Schaltrad-Chronograph und Zeitzonen-Funktion. Die Ganggenauigkeit bescheinigt ein amtliches Chronometerzeugnis. 2015 hat Omega weiter an diesem Modell gearbeitet. Betont nostalgisch präsentieren sich in diesem Fall die im «Broad Arrow»-Stil ausgeführten Zeiger für Stunden und Minuten. Und die Stundenmarkierungen sind bei der 41,5 Millimeter grossen Edelstahl«Speedmaster ’57» vertieft sowie teilweise mit «Vintage»-Super-LumiNova ausgelegt. Das spezielle Feature für Autofahrer: eine dezente Tachymeterskala auf dem Glasrand. Sie eignet sich zum Ermitteln von Durchschnittsgeschwindigkeiten über einen Kilometer hinweg. 052 VECTURA #16
SWISS MADE
Die gekonnte Synthese aus Tradition und Moderne hat Chronoswiss zu einem festen Bestandteil der hauseigenen Uhren-Philosophie erkoren. Ausdruck überlieferter Uhrmacherkunst ist das flache Automatikkaliber C. 289 mit beidseitig wirkendem Kugellagerrotor und rund 42 Stunden Gangautonomie. Kenner, die durch den Sichtboden der 44 Millimeter grossen EdelstahlSchale des markanten «Timemaster GMT» blicken, identifizieren dieses Uhrwerk als das zuverlässige Eta 2893. Erstmals in der Geschichte des 1983 in München gegründeten und nun vollkommen schweizerischen Familienunternehmens findet ein mehrschichtiges Karbon-Zifferblatt Verwendung. Seine vier Stunden ziffern lassen sich beim besten Willen nicht übersehen. Aus dem Zentrum drehen insgesamt vier Zeiger ihre Runden – je einer für die Sekunden und Minuten und gleich zwei für die Stunden. Jener mit der gelben Spitze benötigt für 360 Bogengrade einen ganzen Tag. Und er lässt sich unabhängig vom doppelt so schnell rotierenden Bruder verstellen. Dieses Feature werden Liebhaber edler Automobile, die meistens auch ein Aktienportfolio besitzen, sehr zu schätzen wissen. Mit einem Blick sehen sie nämlich, was es an einem entfernten Börsenplatz gerade geschlagen hat.
Bereits 1902 fand auf dem Daytona International Speedway das erste Autorennen statt. Zu diesem Zeitpunkt gab es Rolex noch nicht; die Genfer Uhrenmanufaktur entdeckte den Autosport erst in den 1960er-Jahren. 1963 debütierte die erste Edelstahl«Daytona», Referenz 6239. Im Folgejahr bewarben die Schweizer ihren Stopper mit dem Hinweis, dass er nach dem Rundkurs benannt sei und Rolex hier als offizielle Uhrenmarke auftrete. Exakt 50 Jahre später, also 2013, paktierte Rolex als weltweiter Partner und offizieller Zeitnehmer mit der Formel 1. Bereits anno 2000 gehörte die aktuelle Daytona mit dem hauseigenen Automatikkaliber 4130 zu den unangefochtenen Stars der Basler Uhrenmesse. Das durch und durch neu konstruierte Uhrwerk besitzt einen Durchmesser von 30,5 Millimeter und ist 6,5 Millimeter hoch, dazu kommen 44 funktionale Steine und eine gewohnte Unruhfrequenz von vier Hertz oder stündlich 28.800 Halbschwingungen. Ans Auto erinnert eine vertikale Reibungskupplung, welche einen ruckfreien Start des Chronographen mit 30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler gestattet – und selbstverständlich einer Tachymeterskala am Glasrand. Dank mindestens 66 Stunden Gangautonomie läuft die Uhr auch über ein freies Wochenende hinweg. Kenner schwören auf die Stahl-Version, Referenz 116520.
2013 fanden Certina und die FIA-Rallye-Weltmeister schaft WRC als Partner zusammen. In dieser Eigenschaft obliegt der traditionsreichen Schweizer Uhrenmarke die offizielle Zeitnahme bei allen 13 Rennen. Die Kooperation kommt natürlich nicht von ungefähr. Zum einen ist der Rallye-Sport ausgesprochen beliebt – speziell in Skandinavien, wo Certina zu den Marktführern gehört, verzeichnet die WRC beachtliche Zuschauer zahlen. In anderen Ländern rund um den Globus kann der Uhrenhersteller mittels Sponsoring ebenfalls punkten und so die Markenbekanntheit weiter steigern. Übrigens hatten die Eidgenossen bereits von 2002 bis 05 den mittlerweile verstorbenen schottischen Rallye-Piloten Colin McRae (Weltmeister 1995) sowie Petter Solberg (Weltmeister 2003) unter Vertrag. Eine augenfällige Armbanduhr zum aktuellen Engagement gibt es natürlich auch. Sie heisst «DS Podium Big Size Chronograph – WRC Limited Edition» und wird insgesamt nur 5000 Mal produziert. In den Edelstahlgehäusen kommt ein quarzgesteuertes «Precidrive»Kaliber zum Einsatz. Es geht im Jahr nicht mehr als zehn Sekunden falsch und gestattet Stoppungen auf die Hundertstelsekunde genau.
HERBST 2015 053
Die Kooperation zwischen Jaeger-LeCoultre und Aston Martin führte bereits 2006 zur Kreation des AMVOX2Chronographen. Bei oberflächlicher Betrachtung erkennt man bei diesem intelligent gestalteten Stopp-Boliden keine Bedienelemente. Aber das ist ein echter Trugschluss. Die drei zeitschreibenden Funktionen, also das Starten, Stoppen und Rückstellen, lassen sich durch Druck auf das beweglich befestigte Saphirglas ansteuern. Selbiges steht in Verbindung zu einem ausgeklügelten, natürlich patentierten Schaltwerk. Diese Ausnahmemechanik des Manufaktur kalibers 751E mit Rotor-Selbstaufzug und 65 Stunden Gangautonomie ist in der Tat einzigartig; das ganze Werk besteht aus 280 Komponenten. Beim «AMVOX2 Transponder» mit 44 Millimeter grossem Titangehäuse hat die Traditionsmanufaktur das Ganze noch um einen elektronischen Schlüssel erweitert. Mit dem «Sesam öffne dich» lassen sich, vorhergehende Freischaltung vorausgesetzt, die Türfunktionen eines Aston Martin fernsteuern. Damit Mann sein Auto nicht lange suchen muss, löst der Druck auf den «Open»-Sensor im Glas die Lichthupe aus.
Bugatti – dieser Name beschleunigt den Puls anspruchsvoller Autofreaks auf Anhieb. 2004 debütierte der Veyron mit 1001 PS. Dieses Ereignis veranlasste die Uhren manufaktur Parmigiani zur Konstruktion einer passenden Armbanduhr mit speziell konstruiertem MechanikInnenleben. Die Speichen seiner Zahnräder erinnern an diejenigen der Autofelgen. Blicke von oben auf das ergonomisch gewölbte Gehäuse zeigen das Uhrwerk in voller Pracht, denn im Gegensatz zum Üblichen steht das Kaliber PF 370 mit zwei Federhäusern in seinem markanten Gehäuse. Für das Aufziehen und Zeigerstellen sind externe Kardanwellen zuständig. Damit das Befüllen der beiden Energiespeicher nach spätestens zehn Tagen ja nicht in Vergessenheit gerät, weist eine Tankuhr auf die aktuell verbleibenden Kraftreserven hin. Zum Schutz vor Schocks ist das aussergewöhnliche Uhrwerk mit seinen insgesamt fünf Platinen auf Silent-Blöcken gelagert. All diese Merkmale finden sich auch in der «Bugatti 370 Mythe», deren Rotgoldgehäuse 52,50 x 32,40 Millimeter misst. Die Gesamthöhe liegt bei 18,6 Millimeter.
Liebhaber rassiger GT-Sportwagen reisen gern. Unterwegs wird sich die «Calatrava Pilot Travel Time» als hilfreiche Begleiterin erweisen. Für Patek Philippe verkörpert diese Weissgold-Armbanduhr einen gestalterischen Quantensprung, obwohl Piloten-Armbanduhren der Familienmanufaktur keineswegs fremd sind. Bereits 1938 hatte sie einige Zeitmesser zur Navigation hoch in den Lüften kreiert. Die Referenz 5224 knüpft an genau diese Tradition an, bietet jedoch völlig andersartige Funktionen. Ihr Automatikkaliber CH 324 S C FUS mit einseitig wirkendem Goldrotor, «Gyromax»Unruh und «Silinvar»-Unruhspirale besteht aus 294 Komponenten. Über das Übliche hinaus besitzt der sorgfältig finissierte Mikrokosmos ein praktisches Zeitzonen-Dispositiv mit zwei Stundenzeigern. Einer bewahrt im Verbund mit der Tag-/Nacht-Indikation bei «3 Uhr» die Heimat- oder Referenzzeit. Sein Pendant ist zur Indikation der jeweiligen Lokalzeit per Knopfdruck individuell verstellbar. Und zwar vorwärts bei der «8» und rückwärts bei «10». Ihm zugeordnet ist eine weitere, mit «Local» gekennzeichnete Tag-/Nacht-Indikation. Falls erforderlich lässt sich das Zeigerdatum über einen versenkten Drücker im Gehäuserand unkompliziert korrigieren.
Seit 2012 kooperiert Hublot mit Ferrari. Gründer Enzo meinte seinerzeit, dass man ein Auto zuerst träumen muss. So sieht es auch Jean-Claude Biver, der die Partnerschaft mit dem Agnelli-Enkel Lapo Elkann initiierte. Der ehemalige Hublot-CEO träumt Uhren seit den 1970er-Jahren. Einer seiner tickenden Ferrari-Träume ist auch dann am Handgelenk präsent, wenn der üppig motorisierte Bolide mal in der Garage ausharren muss. Gemeint ist die leichte «Big Bang Ferrari Carbon» mit ausdrucksstarkem 45-Millimeter-Gehäuse. Die bis zehn bar wasserdichte Schale kombiniert innovative Werkstoffe wie Kohlefaser, Titan, Kevlar und Kautschuk, während sie das Unico-Manufaktur kaliber mit Selbstaufzug und SchaltradChronographen schützt. Beim Blick aufs durchbrochene Zifferblatt stechen das legendäre «Cavallino Rampante» sowie Ferrari-rote und Ferrari-gelbe Elemente ins Auge. Die Sonder-Edition ist auf 1000 Exemplare begrenzt.
SWISS MADE
Nicht an einem Auto, sondern am legendären Motorrad «Ducati Scrambler» orientierte sich die Rolex-Tochter Tudor bei der Gestaltung ihres neuen «Fastrider». Bei der Kreation dieses Chronographen liessen sich die Designer von jenem Geist der Freiheit inspirieren, den der zweirädrige Traum verstrahlt. Drei unterschiedliche Zifferblätter stellen den Bezug zu ebenso vielen Scrambler-Versionen her: Gelb steht für die historische Farbe des Modells. Olivengrün verstrahlt einen kraftvollen urbanen Look. Rot bringt einen keineswegs aufdringlichen Retro-Chic zum Ausdruck. Die Lünette aus mattschwarzer Keramik trägt eine Tachymeterskala zum Erfassen von Durchschnittsgeschwindigkeiten über einen Kilometer hinweg – und damit passt diese Uhr auch hervorragend in ein sportliches Auto. Der kratzfeste Glasrand sitzt auf einem Edelstahlgehäuse, dessen Wasserdichte bis 15 bar Druck oder 150 Meter Tauchtiefe reicht. Für das Bewahren und das Stoppen der kostbaren Zeit auf die Achtelsekunde genau ist das Automatikkaliber Eta 7753 zuständig. Seine Gangautonomie beträgt rund 46 Stunden. Durch einen kreisrunden Zifferblattausschnitt zwischen «4» und «5» lässt sich das Datum ablesen.
Die Idee zu dieser Armbanduhr stammt von Michael Schumacher. Deshalb heisst sie auch «Royal Oak Concept Laptimer Michael Schumacher». Der Rennfahrer erteilte deshalb den Impuls, weil er Rundenzeiten ergonomisch mit den Daumen stoppen wollte. Audemars Piguet wiederum liess sich nicht lange bitten und entwickelte einen hochkomplexen, aber leicht handhabbaren Mechanismus mit Minuten-Tourbillon. Ein Drücker im linken Gehäuserand genügt nach dem Starten des Stoppers zum vergleichenden Erfassen. Dabei treten die beiden zentralen Chronographen-Zeiger abwechselnd in Aktion – je einer speichert und der andere misst. Mit Hilfe des Nullstelldrückers bei «4» können die weltweit nur 221 glücklichen Besitzer dieses erstaunlich leichten, weil mit einem 44 Millimeter grossen Karbon-Titan-Gehäuse ausgestatteten Boliden eine schlechte Runden-Performance sofort vergessen. Die Unruh oszilliert mit vier Hertz, gestattet ergo Stoppvorgänge auf die Achtelsekunde genau. Für eines der äusserst aufwendigen und teilweise patentierten Handaufzugswerke vom Kaliber 2923 benötigen die Uhrmacher 413 Komponenten.
Zwei italienische Nobel-Marken, zwei Jubiläen im gleichen Jahr: Da lag eine Kooperation förmlich auf der Hand. Gemeint sind das 1884 gegründete Haus Bulgari und die Sportwagenschmiede Maserati, welche am 1. Dezember 2014 den 100. Geburtstag feierte. Die Limitierung des «Octo-Maserati»Jubiläums-Chronographen auf insgesamt 1914 Exemplare macht somit Sinn. Passend zum Auto weist das Innenleben des 41,5 mm grossen Stoppers eine beflügelte Unruhfrequenz von fünf Hertz auf, denn die behände Mechanik BVL 328 «Velocissimo» mit Rotoraufzug und rund 50 Stunden Gangautonomie stammt von der Schwester Zenith. Dort trägt das bewährte Kaliber mit Schaltradsteuerung, klassischer Zahnradkupplung sowie 30-Minuten- und 12-Stunden-Totalisator die Bezeichnung «El Primero». Wer die Maschine in der oktogonalen Karosserie begutachten möchte, muss genau hinschauen. Die Rückseite besitzt keinen Sichtboden im üblichen Sinn. Um Maserati und seinem legendären Dreizack einen gleichermassen gebührenden wie dezenten Auftritt zu gewähren, ist das rückwärtige Saphirglas semitransparent. Der direkte Blick offenbart den Anlass dieser Edition. Wer die Edelstahl-Schale jedoch in einen bestimmten Winkel dreht, sieht, was im Inneren den Zeittakt liefert.
SWISS MADE
Ferdinand A. Porsche, gestalterischer Vater des legendären Porsche 911, wusste die Dinge auf den Punkt zu bringen. Eine seiner scharfsinnigen Erkenntnisse: «Schwarz ist die einzige Farbe, welche nicht von der Form ablenkt.» Der geniale Designer gab freilich auch zum Besten, dass «Schwarz keine Farbe ist, sondern ein Zustand». Trotzdem kreierte er 1972 den ersten Porsche DesignChronographen mit schwarz beschichtetem Stahl gehäuse, lanciert ein Jahr später mit dem nagelneuen Automatikkaliber Valjoux/Eta 7750. Den überaus kreativen Nachlass des 2012 verstorbenen Professors, welcher 1980 zusammen mit IWC die weltweit erste Titan-Armbanduhr aus der Taufe gehoben hatte, spiegelt der seit Juli 2015 erhältliche «Chronotimer Series 1» mit mattschwarz beschichtetem Titangehäuse wider. Aus dem gleichen Material besteht auch das Gliederband. Wie schon 1973 besitzt dieser Newcomer («Designed in Austria. Swiss made») einen roten Chronographenzeiger. Reminiszenz an die Vergangenh eit ist schliesslich auch die Verwendung des gleichermassen robusten wie zuverlässigen und präzisen 7750 mit 30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler und Fensterdatum.
056 VECTURA #16
Wenn es am Steuer heiss hergeht, muss die Bedienung einer multifunktionalen Armbanduhr sehr intuitiv geschehen können. Genau das ist bei Tissot der Fall. Das Schweizer Traditionsunternehmen und Mitglied der Swatch Group hat die Touch-Technologie perfektioniert (siehe VECTURA #1). Will heissen: Berühren des Saphirglases mit antireflektierender Beschichtung genügt zum Ansteuern der vielen Funktionen. Hiervon hat die rasante «T-Race Touch Aluminium» jede Menge zu bieten: ewiges Kalendarium, Chronograph mit Logbuch, zwei Countdown-Timer, zweite Zonenzeit, Wecker und zwei Alarme, Kompass und Gezeiten-Indikation. Damit sich alles auch bei nächtlichen Touren gut wahrnehmen lässt, besitzt das LCDDisplay eine Hintergrundbeleuchtung. Auf mechanischem Weg ist das alles natürlich nicht möglich. Deshalb birgt das 42,2 Millimeter grosse Aluminiumgehäuse ein Quarzwerk der Schwester Eta. Die Wasserdichte reicht bis zu zehn bar Druck.
Dem Autorennsport ist Heuer seit den frühen 1970erJahren eng verbunden (siehe VECTURA #7). 2015 zelebriert das Unternehmen, welches inzwischen TAG Heuer heisst, seine 30-jährige Partnerschaft mit McLaren. Grund genug, eine limitierte Edition des Erfolgsmodells «Formula 1» aufzulegen – und dessen leuchtend rote Akzente springen sofort ins Auge. Das so genannte «Rocket Red» signalisiert Herausforderung, Passion, Tempo und am Ende natürlich auch Sieg. Es erinnert aber auch an den McLaren-Boliden MP-4 von 1985. TAG Heuer verwendet diese unübersehbare Farbe auf dem Aluminium-Glasrand mit Tachymeterskala sowie graviertem McLaren-Schriftzug. Auch das extrem robuste und leicht zu reinigende Durchzugsarmband im NATO-Stil kennzeichnet ein roter Streifen. Im Inneren des 42-Millimeter-Gehäuses aus gebürstetem Edelstahl der Legierung 316L findet sich ein von Ronda zugeliefertes elektronisches Quarzwerk mit ZehntelsekundenChronographen. Bis zu 20 bar Druck reicht der Schutz gegen das nasse Element. Natürlich weist eine Bodengravur auf dieses bemerkenswerte Ereignis hin.
NEUE FREUNDIN FÜR ROMEO MIT DER AUFREIZEND SCHÖN GESTYLTEN VIERTÜRER-MITTELKLASSE NIMMT ALFA AUF TRADITIONELLEM TERRAIN EINEN LETZTEN ANLAUF. DAS WARM-UP STIMMT UNS ZUVERSICHTLICH, DIE PS-PROTZEREI WENIGER Text Thomas Imhof, map · Fotos Werk
058 VECTURA #16
HOFFNUNGSTRÄGER
N
icht ohne Sinn für Geschichte hat Alfa Romeo im neuen Markenmuseum Arese bei Mailand die nächste Mittelklasse-Limousine namens Giulia vorgestellt. Die ist nach sieben langen Jahren schliesslich das erste neue Grossserienmodell der Fiat-Chrysler-Tochter und muss eine tragende Rolle spielen bei der Rettung der italienischen Traditionsmarke.
Die passend zum 105. Alfa-Geburtstag enthüllte Giulia kommt zunächst als mittelgrosse Kompakt-Limousine, die mit Preisen ab ca. 40 000 Franken gegen Wettbewerber wie den 3er-BMW oder die Mercedes C-Klasse antreten und nach ihrem Publikumsdebüt auf der Frankfurter IAA ab Frühjahr 2016 auch zu Schweizer Händlern rollen soll.
Es konnte ja auch nicht mehr so weitergehen mit der 1910 gegründeten Anonima Lombarda Fabbrica Automobili. Das Angebot an Grossvolumenmodellen auf den kompakten Mito und die schnittige Giulietta zusammengeschrumpft, beide mit Frontantrieb und relativ schwer, dazu die Absatzzahlen auf weltweit unter 70 000 Fahrzeuge abgesackt und auf fast allen Statistiken nur noch unter «ferner liefen» geführt: Alfa Romeo droht aktuell in Schönheit zu sterben, auch wenn der Schweizer Marktanteil von 0,7% – es ist einer der weltweit besten für Alfa – etwas anderes suggeriert. Um ein ähnliches Schicksal wie das von Lancia zu verhindern – die einst so elegante Schwester besteht inzwischen ebenfalls nur noch aus zwei Modellen, die allerdings nur noch in Italien angeboten werden –, liess FCA-Chef Sergio Marchionne (Fiat Chrysler Automobiles) das Markenlogo überarbeiten und stellte einen bis 2018 reichenden Alfa-Rettungsplan auf. Dessen Fixpunkte: acht neue Modelle und mit denen eine Steigerung des Absatzes auf 400 000 Neuwagen, um die seit mindestens zehn Jahren stark defizitäre Marke mit dem charakteristischen Kühleremblem wieder rentabel und salonfähig zu machen.
Optisch geht man keine Experimente ein: Die neue Giulia muss sitzen und verkörpert folglich «molto emozione», mit knackigen Proportionen, kurzen Überhängen und muskulösen Flanken. Offensichtlich schielte man beim Styling auch auf die Bestseller des Segments, erkennt der versierte Beobachter seitlich und hinten Elemente verschiedener 3er-BMW. Doch so sexy wie die rund 4,7 Meter lange Giulia sieht derzeit kein Auto im C-Segment aus. Als technisches Rückgrat dient der viertürigen StufenheckLimousine eine neue, modular konzipierte Plattform, die «Giorgio» genannt wird und nach 24 Jahren endlich wieder Heckantrieb erlaubt; manche Modellversionen wird es zusätzlich mit Allrad geben. Weitere Karosserievarianten, unter ihnen wieder ein eleganter Kombi (ab Herbst 2016), sind bereits gesetzt. Bei der Auswahl der Motoren verfährt der deutschstämmige und in Italien voll integrierte Alfa-Romeo-Chef Harald Wester nach dem Motto «klotzen statt kleckern». Als Topaggregat kommt in der teuersten Giulia-Version «Quadrifoglio Verde» ein Alu-V6Biturbo mit drei Liter Hubraum und sagenhaften 510 PS zum Einsatz – es handelt sich dabei um eine Ableitung des von Ferrari für Maserati konzipierten V8-Motors. Die derart gedopte Giulia (0–100 km/h in 3,9 Sekunden, Vmax: 302 km/h) verfügt unter anderem über Torque Vectoring, den zusätzlichen Racing-Modus im DNA-Vorwahlprogramm (Dynamic, Natural, Advanced efficient) sowie eine aktive Aerodynamik; am bescheideneren Ende des Angebots rangieren aufgeladene
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HOFFNUNGSTRĂ„GER
Orisquo tem reres dolum, quassimusam, et latur moluptur sum et quatusandit autemquam
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HOFFNUNGSTRÄGER
Vierzylinder-Benziner, die aus zwei Liter Hubraum immerhin auch 180, 250 und 330 PS schöpfen werden. Auch beim Top-Diesel setzt Alfa auf Power: Ein 3,0-L-V6 von VM Motori, der auch bei Jeep und Maserati zum Einsatz kommt, markiert hier die Spitze. Für den Giulia-Einsatz konstruierte VM Motori einen neuen VierventilZylinderkopf, was in Kombination mit einem zweiten Turbo die Leistung von 265 auf 340 PS pusht. Der jüngst bei Jeep eingeführte 2,2-L-Diesel wird in der Giulia maximal 210 PS leisten; unter ihm rangieren zwei weitere Selbstzünder mit 135 und 180 PS. Grundsätzlich wird es keine manuelle Schaltung mehr geben: Die Kraftübertragung erfolgt motorabhängig via automatisierte Sechsgangoder Achtstufen-Automaten; Letzterer wurde von ZF entwickelt. Obwohl vom offenbar Vollgas-fixierten Hersteller jeweils zuletzt aufgeführt, halten wir die Einstiegsmotorisierungen für die interessantesten. Denn nur wenn es Alfa Romeo gelingt, mit ihnen zu überzeugen, ist der Operation Giulia nachhaltiger Erfolg beschieden. Die fahrdynamischen Erwartungen sind angesichts der formellen Schönheit des Autos und einer kommunizierten idealen Gewichtsverteilung von 50:50 besonders hoch; noch viele Alfisti erinnern sich mit Wehmut an die grossartigen 1300er oder 1600er, denen ab 1964 bzw. 62 gerade mal 85 respektive 92 PS genügten, um den Puls zu beschleunigen (siehe dazu auch S. 064 ff.). Hier schlägt Alfas Herz und das seiner Fangemeinde, Herr Wester! Was sollen ausgezehrte Schweizer Markenjünger bitte mit einem 500-PS-Plus-Gerät anfangen? Was uns viel mehr interessiert, sind Leistungsgewicht und Verbräuche – zumal das fahrerorientierte Cockpit ebenso zum Einsteigen einlädt wie die auf den ersten Blick saubere Verarbeitung und anständigen Platzverhältnisse. Immerhin – der Hersteller spricht von Aluminium, und bei Dach, Motorhaube und Kardanwelle soll gar Karbon zum Einsatz kommen; Letzteres dürfte allerdings nur für den QV gelten. Die Giulia ist der erste Neu-Alfa seit dem 2008 eingeführten Mito, und mit ihr feiert nach 37 Jahren auch der traditionsbehaftete Modellname ein Comeback. Die klassische Giulia, die es auch als betörendes Bertone-Coupé gegeben hat, prägte das Alfa-Image wie kaum ein anderes Modell. Diesen Vergleich muss sich die neue 062 VECTURA #16
Giulia, deren Anlauf in den letzten vier Jahren mehrfach verschoben wurde, bei allen Leistungsgelüsten erst noch verdienen. Ihre Hauptaufgabe besteht vielmehr darin, die 2011 durch die Einstellung der Baureihe 159 entstandene Lücke aufzufüllen und das neue Volumenmodell zu werden, welches die viel zu lange stiefmütterlich behandelte Marke händeringend braucht. Der zweite Bestseller in spe ist auf Anfang 2017 terminiert – ein sportiver SUV mit der internen Codenummer 949, der gegen etablierte Platzhirsche wie den Audi Q5 oder Volvo XC60 aufgeboten wird. Die Genf-Studie Kamal gab bereits 2003 einen ersten Vorgeschmack. Wer jetzt stöhnt, sei an den Alfa-Allradler 1900M erinnert, der zwischen 1952 und 54 knapp 2200 Mal produziert wurde – oder an den 156 Crosswagon Q4 (2004–07). Ende 2017 folgt mit Projekt 961 schliesslich die Kür – eine grosse Limousine, die den dann bereits zehn Jahre zuvor sanft entschlafenen 166 beerben darf. Ob dessen Nachfolger gegen Audi A6, 5er-BMW oder Mercedes E mehr auszurichten vermag, ist derzeit noch zweifelhaft. Die zeitnahe Giulia-Darbietung wird auch hier erste Hinweise darauf geben können, ob die aufwendige Alfa-Reinkarnation mit Substanz gesegnet ist oder nicht. Mit diesem Fahrplan, der in Gestalt des Imageträgers 4C seinen Anfang nahm (siehe VECTURA #9) und auch den lukrativen USMarkt beinhaltet, will Marchionne aus dem angewelkten Mauer blümchen «Cuore Sportivo» wieder eine Premiummarke machen. In der weiteren Modellstrategie ist von einem grösseren SUV, dem Giulietta-Nachfolger und auch von «etwas Offenem» die Rede – womit nur ein neuer Spider gemeint sein kann, der zuvor allerdings mit Abarth-Logo lanciert werden dürfte. Alle diese neuen Alfa Romeo bauen auf der Giorgio-Bodengruppe auf und verfügen analog zur Giulia entweder über Heck- oder einen Allradantrieb. Dieser Grundsatzentscheidung fällt der kompakte Mito zum Opfer, der ohne Nachfolger bleiben soll, womit man künftig versäumt, junge Kunden und Erstkäufer an die Marke heranzuführen – wie es zum Beispiel Audi ganz bewusst mit dem A1 oder BMW mit Mini und Einser machen.
Das Ziel ist offenbar, Alfa Romeo höher zu positionieren als bisher – ganz so, wie es bereits in den 1930er-Jahren war, als die Marke nur elitäre und teure Fahrzeuge herstellte. Die homöopathischen Dosen von damals dienen freilich nicht als Vorbild, allerdings ist der in den kommenden Jahren geplante weltweite Absatz von 400 000 Einheiten nach Meinung von Analysten ein mehr als optimistisches Ziel. Allein 150 000 neue Alfa pro Jahr sind laut Marchionne für die Vereinigten Staaten vorgesehen. Da die Giorgio-Matrix auch für die FCA-Marken Dodge, Chrysler und Jeep passt, locken ein hoher Anteil gemeinsam nutzbarer Komponenten und mit ihnen Synergieeffekte. Es wird dann spannend sein zu sehen, ob genügend Amerikaner eine Marke auf ihre Einkaufsliste nehmen, die sie über 20 Jahre lang nicht mehr erwerben konnten. Ungeachtet dessen will der erklärte «Car Guy» Harald Wester mit Alfa künftig in Segmente vorstossen, «in denen die Marke zuvor nie war». Schon 2014 hatte der in Linz am Rhein geborene Manager beim jährlichen Investorentreffen der Fiat-Chrysler-Gruppe schonungslos die Alfa-Sünden der Vergangenheit aufgelistet: Bis auf das weiterhin überzeugende Design habe man in allen anderen Bereichen die Marken-DNA sträflich vernachlässigt. Als die fünf entscheidenden Kriterien nannte er moderne und innovative Motoren, eine ausgeglichene Fahrzeugbalance, einzigartige technische Lösungen, das klassenbeste Leistungsgewicht nach Vorbild des weitgehend in Handarbeit gebauten 4C und – eben – ein spezifisch italienisches, wegweisendes Design.
FÜNF SCHÖNE ALFA-LIMOS
1900 (1950–54)
Giulia (1962–78)
Auch in der Schweiz, wo der Alfa-Absatz wie bereits erwähnt von bedingungsloser Treue getragen wird und im vergangenen Jahr immerhin über 2100 Fahrzeuge ihre Abnehmer fanden, muss sich der Kurswechsel bewähren. 1985 beispielsweise verkauften die Italiener hier noch über 6000 Einheiten – und genau da will Wester wieder hin: «Wir müssen einen kompletten Reset vornehmen und wieder Alfa Romeo bringen, die die Leute bewundern», lautet seine unmissverständliche Botschaft. Keine Frage: Ohne Alfa Romeo wäre die Auto-Welt definitiv eine ärmere. Klar ist aber auch: Einen weiteren Rettungsplan wird es nicht geben. Wir bleiben aktuell optimistisch, denn der neuerlich betriebene Aufwand ist beispiellos. Dazu gibt es kaum eine andere Marke, deren Liebhaber trotz schwerer Prüfungen so loyal geblieben sind. Und zu guter Letzt wäre da noch das vierblättrige Kleeblatt als ganz besonderer Glücksbringer.
Alfetta (1972–85)
164 (1987–98)
156 (1997–2007)
HERBST 2015 063
OH GIULIA …
NEUES AUTO, BEKANNTER NAME: DAS IST KEINE SELTENHEIT IM HAUSE ALFA ROMEO, SONDERN EIN WIEDERKEHRENDES THEMA IN DER MARKENNOMENKLATUR. SCHAUEN WIR DOCH MAL INS JAHR 1967 … Text Peer Günther · Fotos Werk
6C 1750: mit Nuvolari auf Siegeskurs
Legende der Rennstrecke: GP-Monoposto Tipo 158 «Alfetta»
I
n die beliebte Form des Giulia Bertone Coupé steckt Alfa in jenem Jahr anstelle des ursprünglichen 1600er jetzt einen auf 1800 Kubik aufgebohrten Vierzylinder. Der wird allerdings nicht stringent 1800, sondern 1750 genannt – und dreht damit gedanklich die Markengeschichte um 38 Jahre zurück. Konkrete Erinnerung: der berühmte 6C 1750, ein Meisterwerk von Vittorio Jano. Unsterblich wurde das Auto durch zwei Triumphe bei der Mille Miglia – 1929 holte es den 1. Platz und belegte ein Jahr darauf sogar die Positionen 1 bis 4. Das Foto vom späteren Sieger Tazio Nuvolari und seiner nach hinten gedrehten Sportmütze im 1750er-Alfa und dessen drei abgedeckten Scheinwerfern, umweht vom Staub des Futa-Passes 1930 auf Siegeskurs, bleibt unauslöschlich im Kopfe jedes Alfista. 064 VECTURA #16
Fünf Jahre später wiederholt sich die Szene, als 1972 eine sportliche Limousine durch den Namen eines siegreichen GrandPrix-Rennwagens befeuert wird: Es ist der Auftritt der AlfettaLimousine. Deren Namenspatron lässt sich 1937 festmachen: Kein Geringerer als Gioacchino Colombo, einst Lehrling bei Jano, ansonsten auch auf Ferrari- und Maserati-Gehaltsliste, konstruierte damals für Alfa den Grand-Prix-Monoposto Tipo 158. Die ersten beiden Ziffern standen für den Hubraum von 1500 cm3, während die 8 auf die Anzahl der in Reihe stehenden Zylinder verwies. Der Rennwagen wurde «kleiner Alfa», auf Italienisch Alfetta, genannt. Als Seriensieger ab 1938 und Überlebender des Zweiten Weltkrieges – sieben Fahrzeuge waren in einer Käsefabrik im Bergdorf Melzo versteckt worden – sowie als Rückkehrer nach 1945 und Gewinner der ersten Grand-Prix-Formel-1-Weltmeisterschaften 1951 und 52 (also 14 Jahre nach ihrem Launch) wurden die Alfetta unsterblich. Doch während die «Kleine» mit acht Zylindern, Roots-Kompressor und in letzter Entwicklungsstufe mit bis zu 425 PS einherkam, hat die Namensschwester 1972 gerade noch vier Zylinder, 1800 cm3 und 122 PS. Das ist zwar sportlich für eine bei jedem Alfa-Händler käuflich zu erwerbende viertürige Limousine, doch warum der nominelle Bezug? Als pauschale Erinnerung an eine grosse Zeit vielleicht? Nein, die Verbindung zwischen den beiden Autos ist das TransaxleKonstruktionsprinzip mit Frontmotor plus einem an der Hinterachse verblockten Getriebe! Doch zurück in die 1950er-Jahre: 1954 und damit 357 Jahre nach der Uraufführung von Shakespeares «Romeo and Juliet», wie es im englischen Original heisst, wurde die ach so passende Verbindung von Nicola Romeo und Giulietta, wie die tragische Prota gonistin in Italien genannt wird, wieder aufgenommen. Wohl gemerkt Giulietta, die kleine Giulia, denn bis zur erwachsenen Giulia sollte noch etwas Zeit vergehen. Was hätte sich wohl der grosse, nüchtern denkende Industrielle Nicola Romeo, 1938 viel zu früh verstorben, zu dieser lyrischen Kombination gedacht? Wäre er im Grab rotiert wie die fünffach gelagerte Giulietta-Kurbelwelle? Die Giulietta markiert bei Alfa Romeo auch den Schritt vom elitären Sportwagenproduzenten der Vorkriegszeit zum Gross serienhersteller. 1954 als bildschöne, bei Bertone karossierte Giulietta Sprint vorgestellt, kamen ein Jahr später eine Limousine und das passende Cabriolet dazu. Obwohl Bertone auch eine offene Variante gezeichnet hatte, erhielt der PininfarinaGegenentwurf den Zuschlag. So entstand eine Design-Dualität, die auch bei dem Nachfolgemodell Giulia beibehalten werden
CHRONIK
sollte. Der mit vielen Motorsport-Genen versehene 1,3-L-Vierzylinder mit seinen zwei oben liegenden Nockenwellen brachte Spritzigkeit in die kleine Klasse; Rennerfolge folgten voraussehbar. Unter dem Giulietta-Siegel entstanden zusätzlich so grossartige Fahrzeuge wie die aerodynamische Sprint Speziale (Bertone) oder jener SZ (Zagato), der auf allen Rennstrecken, Rallyes und Berg rennen erfolgreich war. Die Modellbezeichnung Giulietta blieb elf lange Jahre das Synonym für den erfolgreichen «Relaunch» des Hauses in der Nachkriegszeit; 177 690 Einheiten machten die Baureihe zu einer der bedeutendsten und profitabelsten der Markengeschichte. Sie war zudem dafür verantwortlich, dass die altehrwürdige Manufaktur in Portello zu eng wurde und man 1963 nach Arese umzog – und damit Vorhang auf für die Giulia! Das Debüt datiert auf den 27. Juni 1962, einen sonnigen Tag – zumindest in und um Monza. Auf der gleichnamigen Rennstrecke im königlichen Park wurden der Fachpresse die Nachfolgemodelle der erfolgreichen Giulietta kredenzt. Da es neben einer Hubraumerweiterung auf 1600 Kubikzentimeter ab sofort auch eine deutlich grössere, erwachsene Limousine gab, war die Zeit für einen Namenswechsel gekommen. Giulia T.I. hiess diese
Biedermann-Optik, Sportwagen-Charakter: Giulietta t.i.
von 0,34 ist auch heute noch mustergültig. Die Kabine war darüber hinaus als Sicherheitszelle konzipiert worden. Was die Giulia Berlina aber wirklich ausmachte, war die gelungene Kombination von Rennstrecken- und Familientauglichkeit. Kann man von einer ersten Sportlimousine sprechen, die dann andere Hersteller ab Ende der 1960er-Jahre in die gleiche Richtung denken und produzieren liess? Die Antwort ist ein halbherziges Ja, schliesslich
Anders als das Cabriolet wurde das wunderschöne Giulietta Sprint Coupé von Felice Boano bei Bertone entworfen und auch dort gebaut
nagelneue Berlina, aber auch die äusserlich kaum veränderten Sprint und Spider wurden kraft ihrer 1,6-L-Motoren fortan Giulia getauft. Gleiches galt für die bildhübsche Sprint Speziale (ab 1963) wie auch jene von Alfas eigenem Rennstall Autodelta auf Renneinsätze hin abgestimmte Giulia TZ. Diese «Tubulare Zagato» setzte die Giulia-Zutaten unter einem Kunststoffkleidchen auf einen filigranen Gitterohrrahmen und entwickelte sich einmal mehr zum erfolgreichen wie raren Renngerät. Die neue Giulia-Limousine kam ausserdem stattlicher einher, noch sportlicher und sicherer. Erstmals hatte neben den Designern auch der Windkanal mitgeredet. Das sah man dem ebenso bulligen wie kantigen Viertürer zwar nicht an, aber ein cw-Wert
kam Konkurrenz aus dem eigenen Hause. Die Giulietta t.i., interessanterweise mit Kleinbuchstaben geschrieben und ab 1957 auf dem Markt, war nicht nur das volumenstärkste GiuliettaModell, sondern verkörperte mit 74 PS zu ihrer Zeit Sportgeist pur; dazu gesellten sich Rallye- und Rundstreckensiege. Obwohl schmaler und kürzer als die Giulia, muss auch die Giulietta als familientauglich bezeichnet werden. Die Giulia-Limo liess also Väterherzen höher schlagen: Werktags konnte man die Bambini in den Kindergarten fahren und am Wochenende mit dem gleichen Auto auf einer Rundstrecke. Eine Giulia T.I. (nun in Grossbuchstaben) hatte neben dem Motor, der ja konstruktiv von einem Rennwagenaggregat abstammte, bereits HERBST 2015 065
CHRONIK
Familien-Komfort: Wenig deutet hier darauf hin, dass es sich bei der Giulia Berlina um eine der schnellsten Limousinen ihrer Zeit handelt
ein Fünfganggetriebe an Bord, das Fahrwerk wies eine verbesserte Hinterachse auf und vorne wurde dank Bremsscheiben präziser verzögert. Kurz: Die viertürige Giulia 1600 T.I. Super war mit ihren 113 PS der Familienwolf im Schafspelz, während Porsches schnellster 356 damals gerade mal 90 PS aus 1,6 Liter Hubraum schöpfte. Und die Giulia sollte sich weiterentwickeln, auch über das eingangs erwähnte Jahr 1967 hinaus. Bis zum Produktionsende 1978 sollte gar eine weitverzweigte Modellfamilie entstehen. Bereits ein Jahr nach Vorstellung der Limousine ersetzte man den Sprint durch das neue, ebenfalls bei Bertone gezeichnete Coupé; eine offene 2+2-sitzige Version folgte 1964 unter dem Namen Giulia GTC. Auch danach ging es Schlag auf Schlag weiter, lancierte Alfa ab 1965 mit der Giulia Sprint GTA ein Homologationsmodell der Sonderklasse für den Tourenwagensport: Das «A» stand für «Alleggerita», denn dank der Aluminiumlegierung Peraluman für die Karosserie sowie weiterer Erleichterungen speckte das Coupé ganze 200 Kilogramm ab. Der Motor verfügte unter anderem über eine Doppelzündung und brachte es im Renntrimm locker auf 160 PS plus. Neben verschiedenen Berlina-Motorisierungen, die auch wieder ein 1300er-Triebwerk beinhalteten, brachten die Norditaliener 1966 den bei Pininfarina attraktiv gestylten 1600 Spider Duetto auf den Markt; der Auftritt im Hollywood-Film «Die Reifeprüfung»
Spoiler inklusive: erste Serie der Giulietta Tipo 116
066 VECTURA #16
war eines der ersten Product Placements der Automobilgeschichte. Wie weit die Modelle 33 Sport und Stradale als Giulia zu zählen sind, bleibt strittig: Der Tipo 33 trug intern zwar die GiuliaTypenziffer 105, aber sein V8-Mittelmotor und das speziell von Autodelta gebaute Fahrwerk machen ihn zum Grenzfall in dieser Nomenklatur. Guten Gewissens dazuzählen, weil technisch identisch, kann man dagegen den ab 1970 produzierten Junior Zagato 1.3, der ab 1972 mit 1,6 Liter Hubraum angeboten wird. Während den zweitürigen Giulia-Derivaten höhere Hubräume bis zu zwei Liter vergönnt sind, bleibt die Limousine ihren ursprünglichen 1600 respektive 1300 Kubik treu. Äusserlich modernisiert man sie 1974, verschwinden die charakteristischen Sicken auf Fronthaube und Kofferraumdeckel. Dazu gibt es einen zeittypischen Kunststoffgrill und die neue Modellbezeichnung Nuova Super. 1976 kommt kurz vor dem Aus für alle Garagen noch eine zusätzliche Herausforderung hinzu: Der aus dem Alfa-Kleintransporter F12 bekannte Perkins-Diesel nagelt nun auch in der GiuliaLimousine und die Monteure maulen – schon deshalb, weil sie den Dieselölgeruch nicht mögen. Ganz abgesehen davon, dass lethargische 52 PS überhaupt nicht zum Sportimage der Giulia passen. Während der Spider als letztes Mitglied der Original-GiuliaFamilie inklusive mehrerer Facelifts noch bis 1993 überlebt, ist mit dem Bertone Coupé 1975 Schluss; der Zweitürer der Zukunft ist die kantige Alfetta GTV aus der Feder von Giorgetto Giugiaro. Nach 16 Jahren Bauzeit wurde dann auch die GiuliaLimousine im November 1977 abgelöst. Ihr Nachfolger, anfänglich mit 1300er- und 1600er-Aggregaten verfügbar, heisst Giulietta – Geschichte wiederholt sich bei Alfa Romeo und wird es wieder tun. Denn jetzt steht eine neue Giulia vor der Tür. Wie dargelegt war diese Baureihe stets das Herzstück der Marke und soll, nein muss auch künftig eine tragende Rolle spielen. Sie ist es, die das Schicksal von Alfa Romeo bestimmen wird. «Julia, wenn wir uns liebten, hast Du meist geweint», heisst es in einem Song der Dire Straits. Hoffen wir also, dass die neue Giulia viele Verehrer finden und der Hersteller zwischenzeitlich nicht in Tränen verfallen wird!
peugeot.ch
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ABGEFAHREN
EIN HERZ FÜR ALFISTI RHESUS NEGATIV IST BEKANNTERMASSEN SELTEN. ES GEHT UM DAS CUORE SPORTIVO UND WIR WOLLEN WISSEN: IST DA NOCH BLUT DRIN BEI ALFA ROMEO? DIE ANTWORT LIEGT IRGENDWO ZWISCHEN KLASSIK UND MODERNE Text Hubertus Hoslin · Fotos Ian G.C. White, map
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TECHNISCHE DATEN ALFA ROMEO SPIDER 1600 JUNIOR Konzept Sportlicher Softtop-Roadster mit selbsttrag. Blechkarosserie, 2 Türen/Sitze. V. Doppelquerlenker, h. Starrachse, mech. SchneckeRolle-Lenkung, Scheibenbremsen rundum, Heckantrieb Motor Vorne längs verbauter, wassergek. Alu-Vierzylinder mit 2 oben lieg. Nockenw. (Kette), 5fach gel. Kurbelw. und Horizontal-Doppelvergasern Hubraum in cm3
1567
Bohrung x Hub in mm
78,0 x 82,0
Verdichtung
9,0:1
Leistung in PS (kW) @ U/min
110 (81) @ 6000
Max. Drehmoment in Nm @ U/min
137 @ 2800
Kraftübertragung
M5
Abmessungen (L/B/H) in cm
412 /163/129
Radstand in cm
225
Spur vorne/hinten in cm
132,5/127,5
Reifen und Räder
155 SR15
Tankinhalt in L
46
Kofferraumvolumen in L
300
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg
970
Zulässiges Gesamtgewicht in kg
1340
Leistungsgewicht in kg/PS
8,8
0 – 100 km/h in Sek.
k.A.
Höchstgeschwindigkeit in km/h
184
Durchschnittsverbrauch in L/100 km
12,5
CO2-Emission in g/km
k.A.
Energieeffizienzkategorie
–
Preis ab CHF
18 600.– (1974)
070 VECTURA #16
E
s ist trocken draussen, Sonnenstrahlen blinzeln durch die Wolken und Tino holt seinen Spider raus. Dazu muss es nicht Sommer sein, ein Spätherbsttag geht auch, gut sogar. «Vor ein paar Jahren bin ich auch mal im Winter offen gefahren», schmunzelt er. Es ist ja auch ganz leicht: zwei Riegel öffnen und das Faltdach einfach nach hinten schmeissen, natürlich während der Fahrt, volevo ben dire, das Leben ist kurz! Roadster, so nennt man zweisitzige, sportliche Cabriolets seit jeher. Ganz früher trugen sie seitlich höchstens Steckscheiben und überhaupt nur ein Notverdeck mit sich herum. In den letzten zwei Dekaden wurde der Begriff dann überstrapaziert, weil jedes x-beliebige Grossserien-Cabrio per Marketingbeschluss zum Roadster umtituliert wurde (Ausnahme: siehe Seite 078 ff.). Schwamm drüber. Der Alfa Spider ist ein waschechter Roadster – mit Kurbelscheiben zwar, aber mehr auch nicht. Ohne Servolenkung, Gurtwarner, Schaltanzeige oder Klimaanlage, mamma mia! Unser zierlicher 1600er «Coda Tronca» aus den frühen 1970ern ist nicht überrestauriert, sondern ein unfallfreies Exemplar mit Originallack und Gebrauchsspuren. Das Radio wich irgendwann einer modernen Empfangseinheit, die Sitzbezüge zeigen erste Risse und auch die Teppiche hatten schon einiges auszuhalten. Aber dafür sind sie schliesslich auch da. Man merkt schnell: Dieser Alfa wird nicht wöchentlich poliert, sondern benutzt – völlig selbstverständlich und mit einer gesunden Portion Gottvertrauen in die Zuverlässigkeit dieser noch rein mechanisch aufgebauten
ABGEFAHREN
Maschine. Schon mal liegengeblieben, Tino? «Nicht doch! Neulich verlor sie zwar Öl, aber ich bin gut nach Hause gekommen. Und habe das natürlich gleich in Ordnung gebracht.» Er hat «sie» gesagt. Der Spider ist eine gute Freundin, die ihm ans Herz gewachsen ist. Mit Treue, der richtigen Tonalität, einer erfrischenden Art und – zugegeben – ihren äusserlichen Reizen. Alfa Romeo könnte wieder solche Freundinnen bauen, es ist gar nicht schwer. Die Ingenieure und Designer in Arese sollten ab und zu einfach an guten wilden Sie-wissen-schon denken, statt ständig die Finanz-Controller im Hinterkopf zu haben wie in den letzten unrühmlichen Jahren. Es ist gut, wenn eine Frau im Haus ist, die etwas von Buchführung versteht. Aber lässt man sie vor der ersten gemeinsamen Nacht testweise die Steuererklärung ausfüllen? Eben. Wir sitzen jetzt in der Giulietta QV, die auf Knopfdruck den Charakter ändern kann. Die sich mit kernigem Auspuffklang redlich um Emotionen bemüht. Und tut, was sie in der Neuzeit eben so tun muss – zügig sein, auf Wunsch auch richtig schnell, dabei sparsam, Bluetooth-verbunden, sprachgesteuert. Dank ihrer Power sind respektable 1320 Kilo Leergewicht beim Fahren wie weggeblasen, sie ist schön ausbalanciert, und auch ein VW Golf GTI Performance tut sich schwer, wenn der Kleeblatt-bespasste Alfista zurückschaltet und es fliegen lässt. Da blitzen dann alte Alfa-Lässigkeiten durch, das Dolce Vita auf lichtdurchfluteten Uferstrassen der Adria. Die junge Loren würde sich wohlfühlen im QV, wir glauben daran. Doch uns gelüstet nach mehr – nach Faltdach und Übersteuern, zum Beispiel. Die Liebe zu Alfa Romeo ist also noch vorhanden und kann wieder wachsen. Nur enttäuscht werden will sie nicht mehr.
TECHNISCHE DATEN ALFA ROMEO GIULIETTA QV 1750 Konzept Leistungsstärkste Variante des italienische Kompaktwagens. Selbsttr. Karosserie mit Hilfsrahmen v., 5 Türen/Plätze. Zahnstangenlenkung m. Servo, Scheibenbremsen rundum (v. belüftet). Vorne Dreieckquerlenker, hinten Verbundlenkerachse, Frontantrieb Motor Code 940 A1000. Wassergek. Vierzyl.-Benziner mit Direkteinspr., 4 Vent./Zyl., 2 o. lieg. Nockenw., Turbo, Intercooler. Stopp-Start-System
Hubraum in cm3
1742
Bohrung x Hub in mm
83 x 80,5
Verdichtung
9,3:1
Leistung in PS (kW) @ U/min
240 (177) @ 5750
Max. Drehmoment in Nm @ U/min
340 @ 2000
Kraftübertragung
DKG6
Abmessungen (L/B/H) in cm
435 /180 /146,5
Radstand in cm
263,5
Spur vorne/hinten in cm
155,5
Reifen und Räder
225 /45 R17 auf 8J
Tankinhalt in L
60
Kofferraumvolumen in L
350–1045
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg
1320
Zulässiges Gesamtgewicht in kg
1825
Leistungsgewicht in kg/PS
5,5
0 – 100 km/h in Sek.
6,6
Höchstgeschwindigkeit in km/h
244
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km
6,8
CO2-Emission in g/km
157
Energieeffizienzkategorie
F
Preis ab CHF
43 600.–
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus
HERBST 2015 071
ABGEFAHREN
072 VECTURA #16
ABGEFAHREN
Der Spider ändert den Charakter mit manuellem Öffnen des Stoffverdecks, die Giulietta QV per DNA-Schalter
074 VECTURA #16
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UNTERHALB DER GÜRTELLINIE HIMMEL HILF: ES GAB (UND GIBT) CABRIOLETS, DIE SO FURCHTBAR WAREN (ODER ES NOCH SIND), DASS WIR HIER EINIGEN VON IHNEN EIN (LETZTES) STÄNDCHEN BRINGEN WOLLEN Text und Illustration Mark Stehrenberger
A
ls junger Twentysomething war ich total begeistert vom damals brandneuen wie roten Alfa Romeo 1600 Duetto Cabrio aus dem immer wieder gerne zitierten Blockbuster «The Graduate». So wie Mrs. Robinson damals Ben mit ihren Kurven verführte, erlag ich den sexy Formen der rassigen Italienerin. Es gab etwas Äusserliches an diesem Auto, das gut für mein Inneres war! Leider ist der Alfa damals zu teuer gewesen und so ging ich mit einem Mustang Cabrio auf Tour – auch nicht schlecht. In Kalifornien ist immer Sommer, Cabrio und Sonne gehören zusammen. Entsprechend viele solcher Autos gibt es hier, doch längst nicht alle sind erstrebenswert. Zwischen «Me-too»Mainstream und Wegwerf-Mentalität scheinen manche Modelle geradezu gemacht worden zu sein, um jegliche Fahrfreude zu verhindern und Passanten abzuturnen. Leider verunstaltet derart automobiler Abfall nicht nur den Riesenparkplatz vor der nächsten Mega-Mall, sondern zunehmend auch unser Wohnviertel. Und darum widme ich diesen natürlich wieder sehr subjektiven Beitrag meinen ganz persönlichen Schreckschrauben. 076 VECTURA #16
Audi TT Roadster (erste Generation 8N, 1999–2006) Jenes Auto, welches Audi verändern sollte, wurde ab Mitte 1990erJahre im kalifornischen Design-Zentrum der Marke entworfen. Der entscheidende Mann heisst Freeman Thomas; er zeichnete auch den VW New Beetle. Das TT-Styling erinnerte mich stark an die blechernen Schuco-Spielzeugautos der Nachkriegszeit (mit Aufziehschlüssel), traf aber offenbar einen öffentlichen Nerv: Das Coupé kam im Herbst 1998 auf der Plattform des VW Golf IV auf den Markt und war ein Volltreffer. Ein Jahr später folgte dann der Roadster – doch die eigenständige, fette Dachlinie, die den Coupé-Charakter so geprägt hatte, ging hier völlig verloren. Das degradiert den offenen TT für mich bis heute zu einer ausdruckslosen Badewanne auf Rädern. Chrysler PT Cruiser Convertible (2004–06) Sicher. Im Vergleich zu anderen Cabrios sassen die Fondpassagiere sehr bequem in diesem Auto und genossen viel Beinfreiheit – der PT war und ist immer ein Viersitzer gewesen. Das Retrostyling mit den
STILBLÜTEN
hohen Seitenwänden war natürlich massiv absurd, mit oder ohne Verdeck. Aber angeblich soll sich der FGF (Feel-Good-Factor) im Cabrio ja mit jedem weiteren Passagier erhöhen: Sind die hinteren Plätze erst einmal belegt, ist der Jubel gross. Stell dir vor: Alle singen auf dem Weg zum Strand Rihannas «Bitch Better have My Money» – selbstredend mit offenem Dach. Der Überrollbügel dient den hinten übermütig stehend Mitfahrenden als Handgriff. Zum totalen Glück fehlen jetzt nur noch ein paar Hawaii-Hemden. K.O.T.Z.! Chrysler TC by Maserati (1989–91) Wenn wir schon mal bei Chrysler sind: In den späten 1980er-Jahren nutzte Chairman und Enfant terrible Lee Iacocca seine Freundschaft zum damaligen Maserati-Präsidenten Alejandro de Tomaso für ein schauderhaftes Beispiel von Geiz und Arroganz. Denn was da in Mailand zusammengebaut wurde, war kaum mehr als die Chrysler-K-Baureihe mit überflüssigem Styling-Gedöns. Die Karre sah aus wie eine mit Reeboks und schlechtsitzenden Hot Pants übel verkleidete faltige Grossmutter. Der Maserati-Dreizack auf dem Kühlergrill war jedoch der Gipfel der Unverschämtheit, etwas Schlimmeres hat es bis heute nicht mehr gegeben – oder ich habe es angesichts dieser Verhohnepipelung schlicht verdrängt. Ferrari California (seit 2009) Okay, das gibt böse Briefe aus Maranello, aber ich schreibe es trotzdem: Ausgerechnet das Einstiegsmodell des Hauses ist total überzogen gestylt, dabei Polastig und einfach plump. Der California ist für mich ein böses Ungetüm von einem ansonsten Blue-Chip-gehandelten Hersteller echter Vollblutsportwagen. Ferrari sollten exzentrisch sein, einverstanden, aber doch nicht so! Es scheint, als wäre jede schlechte Idee in diesen noch dazu völlig überteuerten Sportwagen gestopft worden. Wer die Glocken so hoch hängt, muss das Echo ertragen können. In einem Satz: Der California gehört zu den schlimmsten Dingen, die nach dem Duce aus Italien kamen.
Vermeintliche Vorteile: weniger Windgeräusche, mehr Schutz vor Wetter und Vandalismus, Beibehaltung der aerodynamischen Dachlinie. Meine Meinung: Wer Angst vor einem waschechten Cabrio hat, möge doch bitte die U-Bahn nehmen! Jaguar XJ-S (1983–96) Manche Luxus-Cabrios hatten (und haben!) von allem zu viel. Je grösser sie sind, desto mehr PS scheint es zu brauchen, um die Besatzung feudal zum nächsten Drive-in zu kutschieren. Einige Modelle dieser Machart drücken mir in puncto Design, Masse und Komplexität stark auf die Tränendrüsen. Bestes Beispiel: der Jaguar XJ-S. Zugegeben, als E-Type-Nachfolger hatte er es immer schwer. Aber einen XJ-SC mit Targa-Dach und faltbarer Heckscheibe inklusive problematischer Verdeckkonstruktion abzuliefern, ist nicht entschuldbar. Das sahen auch Markenfans so; 1988 kam eine bügelfreie, zwölfzylindrige Version auf den Markt, das XJ-S Convertible. Geholfen hat es nichts, denn auch diese Karre soff ab wie einst die «Titanic». Erst 1996 war die Welt wieder in Ordnung. Nissan Murano CrossCabriolet (2011–15) Du meine Güte! Als Antwort auf eine Frage, die eigentlich niemand gestellt hatte, köpfte Nissan einen Murano und schuf so (hmm, ich überlege gerade, ob man in diesem Zusammenhang wirklich die Vokabel «schöpfen» benutzen sollte …) – das erste Crossover-Convertible. Heraus kam ein grosses, klobiges Etwas mit völlig uncoolen Proportionen und einem Look, von dem sich manche Passanten bis heute verlegen abwenden. In der Konsequenz wurde der Allrad-Alien schnell wieder eingeschläfert; US-Händler drücken gerade ihre Restposten in den Markt, ich zücke rasch mein Kruzifix und rufe: Weiche von mir, Satan! Für einen positiveren Spin zum Thema Nissan sei gesagt: Wir alle haben mal einen schlechten Tag. Cube oder Juke zeigen, dass die Japaner es viel besser können. Schlechter als CrossCabriolet geht ja auch nicht. Bleibt die ketzerische Frage: Wird der aufgeschnittene Range Rover Evoque 2016 tatsächlich sehr viel besser aussehen?
Fiat Ritmo Cabrio (1982–87) Wer erinnert sich freiwillig? Richtig, das war jenes Auto, welches nach dem 128 und vor dem Tipo produziert wurde. Dass die Modellbezeichnung gleichzeitig auch der Name einer US-amerikanischen Damenbinde gewesen ist – nun ja. Nachhaltiger haben dann Zuverlässigkeits- und Korrosionsprobleme den Ritmo-Ruf ruiniert. Ein Hingucker war er leider auch nicht: Das, äh, eigenständige Design von Bertone war umstritten und ging voll in die Hose. Einzig cool sind die Twin-Carbbestückten Abarth-Versionen gewesen, die das Zeug hatten, den legendären Benzineinspritzer VW Golf GTI II abzuhängen. Aber dazu brauchte es kein Cabrio; auch 30 Jahre später tendiert dessen Sammlerwert gegen null. Das gilt übrigens auch für den ab 1994 produzierten «Nachfolger», das Punto Cabrio.
Opel GT Roadster (2007–09) Yuk! Der Opel-Speedster-Nachfolger basierte auf GMs Kappa-Plattform (Motor vorne, Antrieb hinten, immerhin). Zu allem Überfluss wurde er auch noch zusammen mit den ebenso belanglosen wie nahezu baugleichen Baureihen Saturn Sky und Pontiac Solstice in Wilmington, Delaware, gebaut. Einen nennenswerten Kofferraum gab es nicht; das Fahrzeug war allein auf irgendeinen Fahrspass und in keinster Weise auf Alltagstauglichkeit ausgelegt. Das Resultat? Eine stilistisch überzogene, unpraktische Nullnummer, ein teurer Ladenhüter mit kurzem Verfallsdatum. Gebrauchte Exemplare kriegt man in Kalifornien heute nachgeschmissen – ein Umstand, der das Problem der optischen Umweltverschmutzung leider nicht löst.
Ford Focus CC (2007–10) Stimmt, diese ganzen Retractables mit ihren versenkbaren Hardtops waren mal total in und ich muss husten: Denn auch Nissan Micra CC, Peugeot 307 und 308 CC, Renault Mégane CC, ja selbst Volvo C70 und Lexus SC mit ihren riesigen Hinterteilen sind in meinen Augen optische Katastrophen. Es gibt wenige Ausnahmen wie den Pug 207 CC, der auf seine Weise schon wieder gut aussah, oder meinetwegen den letzten und aktuellen 3er-BMW, wobei ich höre, dass man in München künftig wieder auf Softtop umsteigen will. Die CCNachteile sind klar: viel schwerer als Stoff (oder ein abnehmbares Hardtop), dazu wartungsintensiver. Und, im Falle eines Heckaufpralls, ganz schnell auch ein finanzieller Totalschaden.
Rover Metro/100 Convertible (1990–98) Dank seiner kompakten Form war der kleine Brite ideal für den Stadtverkehr. Und er war auch das Auto der Wahl für Fahrschüler, die etwas Einfaches zum Lernen und Kaputtmachen brauchten. Doch warum je jemand dachte, dass eine Cabrio-Version zum Hit werden könnte, ist mir ein absolutes Rätsel. Das Ergebnis sieht aus, als sei es nächtens von Freddy Krueger brutal mit einer Kettensäge angegriffen worden: massiv schrecklich, besonders mit diesem riesigen Persenning-Wulst über dem versenkten Verdeck. Bottomline: Dieses letztlich wegen eklatanter Sicherheitsmängel vom Markt genommene Teil drückte nur eines aus – dass sein Fahrer von Autos absolut keine Ahnung hatte. HERBST 2015 077
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Japan ist sehr stolz auf den neuen MX-5: Das Auto ist 端ber Monate ausverkauft; allein auf einen Garagen-Termin wartet man wochenlang
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MAZDA MX-5
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1989,
das war für die japanische Automobilbranche ein herausragendes Jahr. Branchenkennern kommen da sofort einige bedeutsame Modelle in den Sinn – der Skyline GT-R von Nissan etwa, ein Subaru Legacy oder der Toyota Celsior (und spätere Lexus LS). Eine weitere wichtige Neuerscheinung war zweifellos die erste Generation des Mazda Eunos Roadster, der in den USA Miata und in Europa MX-5 genannt werden und hier wie dort vor allem junge Leute ansprechen sollte. In der Preisklasse um zwei Millionen Yen (Anm. d. Red.: In der Schweiz wurden damals 29 000 Franken aufgerufen) hatte es bis dato nichts Vergleichbares aus Japan gegeben. Ein zweisitziger, offener Wagen galt auf den ersten Blick als verschwenderisch, doch es sollte dem MX-5 gelingen, das Cabrio-Segment neu zu beleben. Mehr noch: Wirtschaftlich und kulturell wurde er zum Vorreiter der neuen Cabrio-Bewegung.
Das ist auch die eigentliche Sensation gewesen – dass die fernöstlichen Flammen der Roadster-Euphorie tatsächlich bis nach Nordamerika und Europa loderten, dem ausgestorben geglaubten Roadster ein Revival bescherten und andere Hersteller ermunterten, etwas Ähnliches auf die Räder zu stellen. In der Konsequenz erschienen ein BMW Z3 (1995), der Mercedes Benz SLK (1996) oder Audis TT Roadster (ab 1999), und es ist angebracht zu sagen, dass es sie alle ohne den Mazda MX-5 nicht gegeben hätte. Dessen weitere Geschichte verlief dann in geordneten Bahnen: Als Besitzerin der ersten Generation kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass die technischen Fortschritte in der zweiten und dritten Serie nicht allzu gross gewesen sind. Stattdessen gab es immer ein Gefühl von Vertrautheit, als würde man eine alte Beziehung wiedersehen und viele Gemeinsamkeiten neu
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TECHNISCHE DATEN MAZDA MX-5 Konzept Leichtbau-Roadster mit selbsttragender Stahlkarosserie und manuellem Stoffverdeck, 2 Türen/Sitzplätze. Zahnstangenlenkung mit elektr. Servo, Scheibenbremsen rundum (v. belüftet). Vorne Doppelquerlenker, hinten Mehrlenkerachse. Sechsgang-Schaltgetriebe und Heckantrieb Motor Vorne längs eingebauter, wassergekühlter Reihenvierzylinder-Benziner in zwei Hubraum- und Leistungsstufen. 4 Ventile/Zyinder, 2 oben liegende Nockenwellen (Kette), Aluminium-Zylinderkopf, Direkteinspritzung
Hubraum in cm
3
Bohrung x Hub in mm
Skyactiv-G 131
Skyactiv-G 160
1496
1998
74,5 x 85,8
83,5 x 91,2 13,0:1
Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min
131 (96) @ 7000
Max. Drehmoment in Nm @ U/min
150 @ 4800
160 (118) @ 6000 200 @ 4600
Kraftübertragung
M6
Abmessungen (L/B/H) in cm
391,5/173,5/122,5 (123)
Radstand in cm
231 149,5/150,5
Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder
195/50 R16 auf 6,5J
205/45 R17 auf 7J 45
Tankinhalt in L
130
Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg
975
1000
Zulässiges Gesamtgewicht in kg
1215
1260
Leistungsgewicht in kg/PS
7,4
6,3
0 – 100 km/h in Sek.
8,3
7,3
Höchstgeschwindigkeit in km/h
204
214
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km
6,0
6,9
CO2-Emission in g/km
139
161
Energieeffizienzkategorie
E
G
Preis ab CHF
23 900.–
30 500.–
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus
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entdecken. Die zweiten und dritten MX-5 hatten ihren Charme, gar keine Frage. Doch für mich stand schon nach den ersten Testfahrten fest, dass ich mein Ur-Modell noch nicht eintauschen wollte. Dem Erfolg tat das natürlich keinen Abbruch: In den letzten 25 Jahren sind insgesamt knapp eine Million Einheiten verkauft worden; der MX-5 ist längst der weltweit erfolgreichste Roadster und es gibt nach wie vor viele Leute, die heute noch eine erste Generation besitzen und auch fahren. So weit zum Hintergrund, den man kennen sollte, um den neuen, nunmehr vierten MX-5 vollends verstehen zu können. Er löst ein zehn Jahre lang gebautes populäres Auto ab, und wie immer gestattete Mazda einer kleinen Gruppe japanischer Journalisten, die Neuauflage noch vor dem Verkaufsstart dynamisch kennenzulernen. Das geschah inmitten von Wäldern auf der abgesperrten Versuchsstrecke des Cycle Sport Center bei Izu in der Präfektur Shizuoka. Für eine Schlussfolgerung zum MX-5Alltag reichte das zwar noch nicht aus, doch auf dem fünf Kilometer langen Kurs mit seinen vielen Kurven sowie Berg-und-TalAbschnitten trat der Charakter des neuen MX-5 deutlich zutage. Auch er hat viel Charme, so viel lässt sich schon vor dem Einsteigen sagen. Und es fällt auf, das sich niemand negativ zum doch etwas schwierigen Design geäussert hat. Rein optisch unterscheidet sich die Baureihe nämlich deutlich von der ersten MX-5-Generation. Doch so flach und geduckt, wie sich das Auto auf den Asphalt kauert, ist stilistisch sofort klar, um wen es sich handelt. Gleichzeitig findet die neue Mazda-Designsprache ihre Anwendung; sowohl sehnige Linien als auch spannungsvolle Oberflächen symbolisieren Leistungsstärke und Geschwindigkeit. Man hat gar den Eindruck, dass Chefdesigner Ikuo Maeda mit diesem MX-5 sein Meisterstück abgeliefert hat. Der Zweisitzer ist ebenso hoch (oder niedrig) wie der allererste MX-5, aber etwas breiter und kürzer. Geblieben ist die klassische Gestalt eines Sportwagens mit kurzen Überhängen. Zur Formgebung äussert sich Maeda wie folgt: «Die bisherigen MX-5 hatten allesamt ein lustiges Gesicht, während der neue MX-5 speziell in der Front einen kräftigeren Eindruck hinterlässt. Um sich dann nicht ganz von den Vorgängern zu entfernen, haben wir versucht, den oberen Teil des Frontgrills etwas rundlicher zu gestalten, um mit diesem Detail eine freundliche Atmosphäre zuzufügen. Ich glaube, dass wir damit den Konflikt zwischen der Mazda-Designphilosophie und der MX-5Philosophie gut unter einen Hut bekommen haben. Weil es sich zudem um ein offenes Auto handelt, haben wir einen Schwerpunkt auf die Vereinheitlichung von Ex- und Interieur gelegt. Beispielsweise kommt bei den Türinnenverkleidungen die Karosseriefarbe zum Einsatz, was den Sportwageneindruck verstärkt.» Das Einsteigen gleicht eher einem Abliegen in den sehr niedrigen Fahrersitz, doch es geht ganz leicht. Die Innenraum-Haptik des Hauses ist in den letzten Jahren spürbar hochwertiger geworden und auch das MX-5-Cockpit strahlt dieses Know-how aus, was nicht nur MX-5-Kennern sofort auffällt. Im Sinne einer guten Aerodynamik und Aussicht wurde die Motorhaube abgesenkt, während die Windschutzscheibe in alle Richtungen wuchs. Einmal losgefahren, werden die hohen Erwartungen nicht enttäuscht – sie werden sogar übertroffen! Die Gänge lassen sich
knackig sortieren und das Kupplungsspiel ist sehr moderat, damit auch Fahrer, die eine Automatik gewohnt sind, ohne Probleme fahren können. Es gibt im MX-5 nur ein manuelles Getriebe, auch in diesem Punkt ist man sich treu geblieben. Das Gaspedal lässt sich ebenfalls gut dosieren und das Auto beschleunigt angenehm linear. Hier hatte man bei früheren Versionen gelegentlich den Eindruck, gleich abzufliegen, und mein Eindruck ist, dass sich der neue MX-5 viel erwachsener, souveräner verhält. Dabei ist mir wichtig zu betonen, dass die Freude am Fahren keineswegs nachgelassen hat: Während die Vorderräder jedem Lenkbefehl spontan und exakt folgen, krallen sich die angetriebenen Hinterräder in den Strassenbelag und man fühlt sich in jeder Fahrsituation und Kurve sehr sicher. Vermittelte die Lenkung der Vorgänger noch ein leicht flatterndes Gefühl, ist das nun gänzlich verschwunden und man glaubt, direkt mit den Rädern verbunden zu sein. Weil Neuwagen in letzter Zeit immer stärker geworden sind, hatte ich beim Studieren der MX-5-Leistungsdaten ein wenig Angst, ob die 131 PS und 150 Nm des 1,5-L-Direkteinspritzers ausreichen würden. Doch meine Sorge war unbegründet: Dank seinem Leichtbau kommt der neue MX-5 ohne Probleme die Berge hoch! Wenn man die Gänge voll ausfährt, ändert sich das Auspuffgeräusch drastisch und man meint, die Drehzahl beliebig steigern zu können, erreicht aber auch recht schnell den roten Bereich. Sein geringes Gewicht kommt dem MX-5 natürlich auch beim Bremsen zugute; die Anlage arbeitet Fading-frei und sorgt so ebenfalls für Wohlbehagen.
Der MX-5 ist ein Klassiker geblieben, doch Ergonomie, Sicherheit oder Lenkung sind mit der Zeit gegangen Das Wichtigste ist, dass man alle diese Erfahrungen auch openair geniessen kann. Wenn man das Dach öffnen möchte, wirft man es mit einer Handbewegung einfach nach hinten – genauso spontan und unkompliziert wie bisher. Selbst zierliche Frauen können das ganz leicht bewerkstelligen. Und anders als bei vielen europäischen Cabrios kann man im bewegten Mazda MX-5 noch eine leichte Brise auf den Wangen spüren. Meine ersten Fahreindrücke bestätigen, was uns vorab von den Ingenieuren erzählt wurde: Die Entwicklung stand dieses Mal unter dem Motto «Innovation» und nicht «Evolution». Laut Chefkonstrukteur Nobuhiro Yamamoto lag die Herausforderung darin, ein Auto zu bauen, dessen «Design, Ausstattung und Dynamik das fahrerische Empfinden ansprechen und Glücksgefühle hervorrufen sollen, die im Innersten der Menschen verborgen sind». Es ging also nicht darum, die neuesten Technologien einzusetzen, sondern auch schon bestehende, bewährte Komponenten zu nutzen, um eine Fahrmaschine mit guter Balance zu erreichen, die fasziniert und gleichzeitig leicht beherrschbar bleibt. Deshalb sollte auch nicht einfach ein Hochdrehzahl motor mit Niederdruck-Abgassystem, sondern ein alltagstaug liches Triebwerk eingesetzt werden. Die Karosserie sollte steifer und dennoch leichter werden, weshalb man hier sehr viel Aluminium verwendet hat. HERBST 2015 087
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Das Ergebnis überzeugt: Der jüngste MX-5 ist ein klassischer Sportwagen geblieben, doch Ergonomie, Sicherheit und Lenkverhalten sind mit der Zeit gegangen und so viel besser als bisher. In der Summe wird also mehr Fahrspass denn je geboten, doch trotz Beibehaltung der MX-5-Gene würde ich weniger von einer vierten Generation, sondern eher von einer Neugeburt sprechen. Junge Menschen, die sich den offenen Mazda zum ersten Mal kaufen, werden sich an seiner Leichtigkeit und Sportlichkeit erfreuen, während Cabrio-Liebhaber ein Auto ins Kalkül ziehen müssen, das sie nicht links liegen lassen können. Auch Mazda hat gewonnen: Angefangen mit dem CX-5 und dann den Baureihen 6, 3, 2, MX-5 und bald auch CX-3 kann man festhalten, dass sich die Marke in einer sehr kurzen Zeit von nur vier Jahren komplett neu definiert und es geschafft hat, ihr Image positiv zu verändern. Und so bleibt abschliessend nur zu wünschen, dass Vertrieb und Service diesen guten Eindruck verstärken werden.
088 VECTURA #16
Ich jedenfalls bin erstmals ernsthaft in Versuchung, meinen alten MX-5 gegen den neuen einzutauschen, wie einige Journalistenkollegen es bereits getan haben. Doch bei mir dürfte es sich jetzt hinziehen, denn die Nachfrage in Japan ist unheimlich hoch: Allein bis Ende Juni wurden bereits 5000 Einheiten ausgeliefert. Die bei uns auf dem Land häufig vorkommenden Bergstrassen sind wie geschaffen für den MX-5, was den Roadster nicht nur für Städter und den Wochenendtrip interessant macht. Erste Zielgruppe sind Ehepaare, deren Kinder schon ausgezogen sind, während sich jüngere Menschen aktuell und allgemein vom Auto entfernen. Doch wenn ein heimisches Fahrzeug auch im Ausland so erfolgreich ist, sind wir als Volk immer ein wenig stolz darauf. In der Folge muss man vier bis acht Wochen warten, um überhaupt ein Verkaufsgespräch mit einem Händler führen zu können – und sich dann weitere zwei Monate gedulden, bis das Auto kommt. Ich sollte bald mal bei meiner Mazda-Garage anrufen …
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DAS COMEBACK DES JAHRES Text Claus Engler · Fotos Werk
090 VECTURA #16
OBERKLASSE FAHREN, ABER KEIN DACH ÜBERM KOPF: SCHÖNER LÄSST SICH AUTOMOBILE LEBENSFREUDE FÜR VIELE GENIESSER RUND UM DEN GLOBUS NICHT AUSDRÜCKEN. WER DABEI EINEN MERCEDES BEVORZUGT, MUSSTE LANGE ZEIT EINEN KLASSIKER BEMÜHEN. DOCH NACH 44 JAHREN LÖSEN DIE STUTTGARTER DIE SPASSBREMSE – MIT EINEM NEUEN, ECHTEN S-KLASSE CABRIOLET
REVIVAL
E
rst jetzt, wo dieses neue viersitzige High-End-Cabriolet in seiner ganzen Pracht vor uns steht, wird einem das Vakuum bewusst, das viel zu lange im Mercedes-Programm klaffte: Fahren auf höchstem Niveau, aber eins mit der Natur, das Lachen der Freunde im Ohr und die Weite des Firmaments über dem Kopf. Endlich lässt der Stern anspruchsvolle Autofahrer wieder nach den Sternen greifen! Auch der Vorstand freut sich auf die kommende Open-Air-Saison: «Das neue S-Klasse Cabriolet symbolisiert die Leidenschaft für individuelle und zeitlos-exklusive Mobilität, die wir mit unseren Kunden teilen», sagt MercedesVertriebsvorstand Ola Källenius. Als sechste Karosserievariante der aktuellen S-Klasse gehört das Cabriolet zur weltweit grössten Modellfamilie in der Luxusklasse. Es basiert auf dem im vergangenen Jahr vorgestellten Coupé (siehe VECTURA #13). Doch waren die Eingriffe weitaus tiefer, als nur das Blechdach durch eine Stoffmütze zu ersetzen: Das Cabriolet übernimmt gerade mal 60 Prozent des Coupé-Rohbaus. Völlig
neu ist der Heckwagen, der erstmals aus Aluminium besteht. Anlass für die Neukonstruktion war nicht nur, den Platz für das zusammengelegte Verdeck zu schaffen: Es ging vor allem darum, das Gewicht auf dem Niveau des Coupés zu begrenzen und ein Höchstmass an Steifigkeit zu erreichen. Letzteres erfüllt auch eine neue Rückwand hinter den Fondsitzen, die ausserdem erstmals einen pyrotechnisch ausfahrenden Überrollbügel trägt sowie eine Durchladeöffnung in den Gepäckraum enthält. Das Bauteil besteht aus Aluminium-Profilen und Magnesium-Schubelementen, deren charakteristische Form ihm den internen Spitznamen «Hockeytor» eingetragen hat. Auch am Unterboden erhöhen zahlreiche Verstärkungen die Steifigkeit des viersitzigen Cabriolets. Wie S-Klasse-Limousinen und -Coupé ist das neue Cabrio mit allen Assistenzsystemen erhältlich, die Mercedes aufzubieten hat, was es zum wohl sichersten Oben-ohne-Auto der Welt machen dürfte. Ebenso viel Wert wurde auf Leistung gelegt: Der V8-Motor des zuerst verfügbaren S500 bietet bereits 455 PS (335 kW)
und ein maximales Drehmoment von 700 Nm. Die Kraftübertragung erfolgt via Neunstufenautomat und gefedert wird ausschliesslich mit dem Luftfederungssystem Airmatic inklusive stufenloser Dämpfungsregelung, weil die Federbeine des Hydrau likfahrwerks dem Verdeckkasten weichen mussten. Wem das nicht stark genug ist, der sollte auf das Mercedes-AMG S63 4matic Cabriolet warten: Hier sorgt ein 5,5-Liter-V8-Biturbo für 585 PS (430 kW) sowie sagenhafte 900 Nm, die per serienmässigen Allradantrieb auf den Asphalt gelangen. Der Sprint von null auf 100 km/h ist in behänden 3,9 Sekunden erledigt, und da ist es gut zu wissen, dass eine Hochleistungs-Verbundbremsanlage für ebenso atemberaubende Verzögerungen an Bord des Zwei-TonnenLuxusliners ist. Der ändert auf Knopfdruck seine Aussprache: Eine schaltbare Sportabgasanlage mit individuell steuerbarem Moto rensound ermöglicht akustische Auftritte nach Wunsch.
Farben erhältlich – Schwarz, Dunkelblau, Beige und Dunkelrot. Per Fahrzeugschlüsselfernbedienung (oder per Schalter in der Mittelkonsole) verschwindet es elektrohydraulisch in einem Fach hinter den Rücksitzen. Es kann bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h während der Fahrt geöffnet und geschlossen werden, was jeweils rund 20 Sekunden dauert. Eleganz ist das beherrschende Thema beim S-Cabriolet: Weil Mercedes erstmals ein Sturmstangenverdeck verwendet, das beim Schliessen die Spannung des Stoffdachs erzeugt, sind keine optisch störenden zusätzlichen Verschlüsse auf dem Verdeckkastendeckel erforderlich. Den Deckel selbst umrahmt ein breites Chrom-Zierelement.
Wem das grossartige S Coupé gefällt, wird auch vom Cabrio begeistert sein. Bei geschlossenem Softtop bleibt die BlechdachSilhouette erhalten; der äussere Stoffbezug des dreilagigen Verdecks besitzt als Wassersperre an der Innenseite eine Schicht aus Butyl. Dies senkt das Geräuschniveau ebenso wie die weiter entwickelte Polstermatte im Verdeckaufbau und der ebenfalls akustisch optimierte Innenhimmel. Der Hersteller spricht gar von «Akustik-Verdeck», weil es zum niedrigen Windgeräuschpegel im Innenraum beiträgt. Weitere Protagonisten der Stille sind der gute cw-Wert (0,29) und Rohbaumassnahmen, das Dichtungskonzept der Türen sowie die Doppelverglasung.
tieren, kann das S Cabriolet das von alleine. Anders herum lässt sich die Abtrennung bei geschlossenem Verdeck über eine Taste des Kofferraumdeckels versenken – zum Beispiel, wenn ein grösseres Ladevolumen benötigt wird. Damit kommt dann auch die Durchlademöglichkeit ins Spiel, dank der sich der Stauraum bis zwischen die Rücksitze erweitern lässt.
Die Dämmschichten des Stoffdachs sorgen zugleich dafür, dass die elegante Erscheinung nicht durch von aussen wahrnehmbare Spriegel gestört wird. Das Verdeck selbst ist übrigens in vier 092 VECTURA #16
Elegant durchdacht ist auch der Öffnungsmechanismus: Während die Fahrer anderer Cabriolets eventuell erst aussteigen müssen, um im Kofferraum von Hand einen Raumteiler zu arre-
Natürlich darf man von einem S-Klasse Cabriolet mehr erwarten als von jedem x-beliebigen Oben-ohne-Auto. Und wenn dieser Mercedes bestimmungsgemäss eingesetzt wird, muss seine Besatzung weder frieren noch sich die Haare unbillig verwirbeln lassen. Auf Wunsch ist das 5,03 Meter lange, 1,9 m breite und 1,42 m hohe Auto mit dem automatischen Windschutzsystem Aircap erhältlich, das erstmals 2009 im E-Klasse Cabrio angeboten wurde und dort von 99 Prozent der Kundschaft geordert
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Begehrte Traumwagen Die neue offene S-Klasse (Modellcode A217) führt die lange Tradition der Mercedes-Benz-OberklasseCabriolets in die Zukunft. Schon in den 1920er-Jahren standen luxuriöse Modelle aus Stuttgart für die Freiheit des Offenfahrens, ohne auf Komfort und Sicherheit verzichten zu müssen. Und gleich mit Beginn der Nachkriegsproduktion wurden Baureihen des Hauses auch wieder als Cabriolet angeboten. Dazu gehören der 170 S (W136; 1949–51), der 220 (W187; 1951–55) und der «Adenauer» 300 (W186/W189; 1951–62). Nach den von 1956 bis 60 gebauten «Ponton»-Cabriolets 220 S (W180) und 220 SE (W128) erschien 1961 mit dem 220 SE Cabriolet der Baureihe W111 ein besonders eleganter offener Viersitzer, dessen Design heute noch als ebenso exzellent wie zeitlos gilt. In der zehnjährigen Bauzeit bot Mercedes nicht weniger als
Very V.I.P.: 300b bzw. c Cabriolet (Baumuster W186/189)
An den schönsten Ufern dieser Welt zuhause: das Mercedes-Cabriolet der Baureihe W111
vier verschiedene Typen an: 220 SE, 250 SE sowie 280 SE und – als spätes Spitzenmodell – den achtzylindrigen 280 SE 3.5. Von 1962 bis 67 gab es ausserdem den 300 SE, der als eigene Baureihe gezählt wurde (W112). Insgesamt entstanden in Sindelfingen 7013 Einheiten der offenen «Heckflossen».
Das letzte Sechszylindermodell 280 SE (1969) im gleichen Zustand wird von Hagerty mit rund 75 000 $ bewertet. Auf ähnlichem Niveau bewegen sich frühe 220 SE, für die durchschnittlich 84 000 $ genannt werden. cle Erster Vorbote: Das viertürige Ocean Drive Concept entstand 2007
Sie sollten für lange Zeit die letzten Oberklasse-Cabriolets mit Stern am Bug bleiben – und sind mit ihrer heute noch hohen Alltagstauglichkeit längst gesuchte Klassiker. Entsprechend haben sich die Preise entwickelt: Laut Wertangaben des renommierten amerikanischen Price Guide der Hagerty-Versicherung besitzt ein 280 SE 3.5 des letzten Baujahrs 1971 im Zustand 2 heute einen Wert von circa 290 000 US-Dollar. Doch das ist keineswegs die Spitze; ein hervorragendes Exemplar dieses Modells ist im August 2014 von RM Auctions für 429 000 Dollar versteigert worden.
wird. Die Option besteht aus zwei Komponenten – einer um sieben Zentimeter ausfahrbaren Windlamelle mit Netz im Frontscheibenrahmen und einem ebenso ausfahrbaren Windschott hinter den Rücksitzen, das hier eine konvexe Kontur und eine Edelstahlzierblende aufweist. Neu sind Diffusor-Rippen an der Unterkante der vorderen Lamelle: Sie erzeugen gezielte Turbulenzen, die das Geräuschniveau weiter verringern. Die Windlamelle ist beim S-Klasse Cabrio ferner in Exterieurfarbe lackiert. Mir dem S-Klasse Cabrio debütiert ausserdem eine intelligente Klimaregelung, die künftig in allen offenen Mercedes-Fahrzeugen für bestmöglichen Klimakomfort mit einfachster Bedienung sorgt. Dafür wurde eigens eine neue Software-Architektur
entworfen, die man auf modernen Prüfständen intensiv getestet hat, bevor die Feinabstimmung mittels Klimakanal und Erprobungsfahrten erfolgte. Anders als herkömmliche Systeme arbeitet die Klimaregelung vollautomatisch, der Fahrer muss also weder einen Modus für geschlossenes oder offenes Verdeck wählen, noch eine Temperatureinstellung für diese Fahrzustände abspeichern. Gerade beim klimatechnisch anspruchsvollen Übergang zwischen geschlossenem beziehungsweise geöffnetem Verdeck bewirkt eine Überblendungsfunktion mit unmerklichen Übergängen höchsten Temperaturkomfort. Dabei profitiert das Cabrio vom aufwendigen Heizungs- und Kühlkonzept der S-Klasse, bei dem zum Beispiel jede Düse automatisch angesteuert werden kann.
Das Stoffverdeck öffnet und schliesst sich vollautomatisch in jeweils 20 Sekunden – das wahlweise auch während der Fahrt bis 60 km/h
094 VECTURA #16
REVIVAL
Das Klima-Thema ist einem offenen Fahrzeug der Spitzenklasse besonders wichtig. Und genau deshalb ist die Kopfraumheizung Airscarf ebenfalls auf Wunsch an Bord. Sie verlängert die Cabriolet-Saison, indem sie Fahren mit offenem Verdeck auch bei niedrigen Aussentemperaturen zum Komfort-Erlebnis macht. Die Kopfraumheizung lässt angenehm temperierte Luft aus den Kopfstützen direkt auf den Nacken von Fahrer und Beifahrer strömen. Für noch mehr Luxus sorgt das optionale Wärme-KomfortPaket: Mit ihm lassen sich nicht nur die Sitze beheizen, sondern auch die Armlehnen in Mittelkonsole und Türen sowie das Multifunktions-Sportlenkrad. Fahrer und Beifahrer können hier per Tastendruck zwischen drei verschiedenen Heizstufen wählen.
Eleganz und Komfort sind die beiden Eckpunkte des S-Klasse Cabriolets, das ab kommendem Frühjahr ausgeliefert wird. Ob offen oder geschlossen – im Interieur locken edelste Materialien. Bedienelemente aus Echtmetall oder mindestens mit ChromOptik unterstreichen den hohen Anspruch aus Stuttgart. Zur Wahl stehen nicht weniger als drei Lederausstattungen plus sechs verschiedene Farbkonzepte, zum Beispiel eine maritim inspirierte Kombination von Tiefseeblau und Porzellan. Wir wagen die Behauptung, dass jedes S Cabriolet ein Unikat sein dürfte. Wer es ganz besonders exklusiv haben möchte, wird von der Abteilung «Designo» individuell bedient. Und so dürfen sich auch andere Verkehrsteilnehmer auf besondere Hingucker in 2016 freuen.
HERBST 2015 095
DER STOFF, AUS DEM AUTO-TRÄUME GEMACHT SIND WINTERZEIT IST PARADOXERWEISE AUCH CABRIO-ZEIT: IN DIESEN MONATEN KOMMEN BESONDERS VIELE SOFTTOP-NEUHEITEN ZU DEN HÄNDLERN. WIR HABEN ZEHN TRENDMODELLE AUSGESUCHT Text Stefan Lüscher, sb · Fotos Luuk van Kaathoven, Werk
DONNERKEIL: DONKERVOORT D8 GTO Mehr Cabrio geht nicht: Der holländische Kleinserienhersteller baut seit 1978 die radikalsten Roadster nach dem Muster des legendären Lotus Seven. Das Konzept ist immer gleich – freistehende Vorderräder, lange Motorhaube, Hinterradantrieb, minimales Gewicht und ein enges, minimalistisch eingerichtetes Interieur für zwei Personen. Mit dem 2013 erschienenen, deutlich grösseren und optisch noch aggressiveren D8 GTO ist man technisch in der Moderne angekommen. Neu ist die «Bare Naked Carbon Edition»: Ein bis 380 PS starker Audi-TFSI-Fünfzylinder lässt den 690 Kilo leichten Zweisitzer aus Verbundwerkstoffen in 2,8 Sekunden auf Tempo 100 und in 8,6 auf 200 km/h schnellen. Die Topspeed beträgt 270 km/h, entsprechend atemlos ist der Preis – ab 196 000 Franken. www.donkervoort.com/de/
DEM E AUF DEN FERSEN: JAGUAR F-TYPE ROADSTER AWD Der knackige Jaguar-Zweisitzer ist heute so faszinierend wie zu seinem Debüt 2013. Dennoch hat er sich nicht gerade zum Verkaufsschlager entwickelt, weshalb der Hersteller Ende 2014 nachlegte – und der Baureihe neben einem kleinen Facelift wahlweise Allradantrieb (äusser lich erkennbar an einer speziellen Motorhaube) sowie ein Schaltgetriebe (nur beim RWD) spendierte. Zum 4x4 gehört das Regelsystem Intelligent Driveline Dynamics, kurz IDD, mit elektronisch gesteuertem aktiven Differential (S-Modelle: mechanisch) plus gekoppelter Stabilitätskontrolle. Wir sind kürzlich einen offenen AWD mit 380 PS gefahren und begeistert: noch mehr Spurtreue, noch mehr Fahrspass! Das Mehrgewicht ist kaum zu spüren, der Verbrauch nahezu identisch. Der Preis leider nicht: 4x4 kostet 7000 Franken Aufpreis; abzüglich Swiss-Deal-Prämie beginnt das Allrad-Vergnügen bei 110 500 Franken. www.jaguar.ch
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SHOWROOM
HYPE AUS HETHEL: LOTUS 3-ELEVEN Der Hersteller spart nicht mit Superlativen: Das radikal offene, auf dem Exige S basierende Rundstreckenmodell soll nicht weniger sein als der bisher schnellste und teuerste SerienLotus. Angesichts von 456 PS aus 3,5 L Hubraum sowie unter 900 Kilo Leergewicht glauben wir das aufs Wort. Das Cockpit wird nur durch einen kleinen transparenten Windabweiser geschützt; der höchste Punkt des 1,2 Meter flachen Hecktrieblers ist sein Überrollbügel, der Heckspoiler ist fest montiert. Die 290 km/h schnelle Strassenversion kommt mit zwei Plätzen und manuellem Sechsganggetriebe, im einsitzigen Rundstreckenmodell (Vmax: 280) wird sequentiell geschaltet. Der auf 311 Exemplare limitierte 3-Eleven wird ab April nächsten Jahres für umgerechnet 120 000 Franken auch zu den Schweizer Händlern kommen. www.lotuscars.ch LONDON, MAILAND, RÜSSELSHEIM: OPEL CASCADA Wie positiv sich Opel verändert hat, ist an dieser Augenweide ablesbar. Und die ist bestens dazu geeignet, um mit der ganzen Familie offen über Land strassen zu cruisen: Der Cascada macht auf den ersten Blick Laune und präsentiert sich als gut ausgestatteter Vierplätzer. Sein Stoffdach lässt sich bis Tempo 50 innert 17 Sekunden öffnen und schliessen, die Karosserie ist besonders steif und wertig verarbeitet. Der Kofferraum des Cascada fast 380 Liter, in geöffnetem Zustand stehen noch 280 L zur Verfügung. Antriebstechnisch ist der Fronttriebler kürzlich aufgewertet worden: Die Turbo-Benzindirekteinspritzer leisten 140, 170 oder 200 PS, ein 2-LTurbodiesel 170 bzw. 195 PS. Ab 35 600 Franken geht es los. www.opel.ch
LITTLE BASTARD: PORSCHE BOXSTER SPYDER Er ist ein wahrer Sportler, gar keine Frage. Und doch wird dieser Porsche gerne unterschätzt – nicht nur von denjenigen, die sich keinen 911er leisten können. Um dem abzuhelfen, wird die offene Mittelmotor-Baureihe jetzt analog zum geschlossenen Cayman mit den Modellen GT4 und Spyder aufgewertet. Letzterer soll den 718 Spyder aus den 1960er-Jahren zitieren und trägt GT4-Schminke. Dass er ferner nach James Dean klingt und nur als Handschalter ohne Klimaanlage und Radio kommt, kann auch nicht schaden: Der Spyder ist der schnellste Boxster der Geschichte, beschleunigt dank 375 PS starkem 3,8-Liter-Boxer in 4,5 Sekunden auf Tempo 100 und ist maximal 290 km/h schnell. Dafür – und hier kommt der Nachteil – möchte der Hersteller mindestens 97 600 Franken haben. www.porsche.com HERBST 2015 097
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DOPPELTER AUFSCHLAG: LAMBORGHINI LANCIERT NEUE ROADSTER- UND SPYDER-VERSIONEN Die Diversifizierung beginnt: Gut zwei Jahre nach Einführung des Huracán LP 610-4 bringt der italienische Vollgas-Hersteller die erwartete Offenversion. Wie beim überaus erfolgreichen Gallardo (2003–13), der sich als erster Lamborghini in fünfstelligen Stückzahlen verkaufte, trägt auch die Stoffmützen-Variante des Nachfolgers die Zusatzbezeichnung Spyder und soll sich mindestens so gut verkaufen wie ihr Vorgänger. An Kraft – 610 PS sowie 560 Nm aus 5,2 L Hubraum und zehn Zylindern – mangelt es nicht; die Fahrleistungen sollen denen des Coupés entsprechen (0–100 in 3,2 Sek., Vmax über 325 km/h). Die erneute Entscheidung für ein Stoffdach hat ästhetische und funktionelle Gründe: Ein versenkbares Hardtop wäre indiskutabel, weil schwerer, teurer und ebenso aus der Mode gewesen. Auch irgendein Alibi-Stofffetzen, wie ihn Lambo zuletzt beim Murciélago Roadster servierte, schied wegen mangelnder Alltagstauglichkeit aus. Die gewählte Lösung überzeugt mit einer elektrischen Auf-zu-Zeit von jeweils 17 Sekunden, die auch während der Fahrt bis maximal 50 km/h stattfinden können. Der Huracán Spyder kommt im Frühjahr 2016 zu Preisen von mindestens 186 450 Euro plus Steuern. Stürmisch wird´s in Sant’Agata schon Ende Jahr – mit dem auf 500 Exemplare limitierten Aventador LP 750-4 Superveloce Roadster (rechts). Er fährt in nur 2,9 Sekunden von null auf 100 und mit zwei je sechs Kilo wiegenden Karbon-Dachschalen vor, die sich im BugKofferraum verstauen und dann kaum noch Platz für Gepäck übrig lassen. Für Zahnbürsten und Kreditkarten reicht es aber allemal und 50 kg Mehrgewicht fallen angesichts von 750 PS gar nicht auf. Die Topspeed liegt bei über 350 km/h. Kostenpunkt: 357 000 Euro netto. www.lamborghini.com
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WÜSTENTAUGLICH: RANGE ROVER EVOQUE CONVERTIBLE Mit seinem polarisierenden Design gilt der Range Rover Evoque als «It»-Car unter den SUV. Nun setzt Hersteller Land Rover noch einen drauf und baut die trendige 4x4-Handtasche ab 2016 auch als zweitüriges Cabrio. Neu ist die Idee nicht, schliesslich waren frühe Allradler grundsätzlich offen; auch auf Basis des ersten Range Rover entstanden luxuriöse Sonderanfertigungen. Jetzt also der Evoque, der zu diesem Zweck verstärkt und dessen hohe Gürtellinie die Erscheinung dominieren wird. Zur Wahl stehen Vorderrad- und Allradantrieb; preislich ist mit mindestens 47 000 Franken zu rechnen. www.landrover.ch
TRAUTE ZWEISAMKEIT: SMART CABRIO III Der knuffige Smart Fortwo war lange Jahre nicht nur das preiswerteste, sondern auch das beliebteste Cabrio der Schweizer. Jetzt ist die dritte Generation im Anmarsch, die auf jenem 2,69 Meter kurzen Fahrzeug (Baumuster 453) basiert, das Mercedes gemeinsam mit Renault entwickelt hat. Wie beim Vorgänger kommt wieder ein elektrisch betriebenes Stoffrolldach zum Einsatz, das sich über dem kleinen vertikalen Kofferraumdeckel zusammen falten lässt. Für ein möglichst gutes Open-Air-Gefühl sind die seitlichen Dachholme erneut herausnehmbar. Als Antriebe stehen neue Dreizylinder mit 61, 71 oder 90 PS sowie das neue, ruckfrei schaltende Doppelkupplungsgetriebe bereit. Marktstart ist allerdings erst 2016 und die Preise dürften dann bei rund 21 000 Franken beginnen. www.smart.ch
BEAT IT: VW BEETLE DENIM 2016 legt Volkswagen den Jeans-Beetle als Cabriolet neu auf: Bereits in den 1970erJahren gab es, passend zum damaligen Zeitgeist, ein gleichnamiges Sondermodell – allerdings nur in der geschlossenen Karosserievariante. Gut 40 Jahre später folgt also der bereits auf der letzten New York Auto Show präsentierte Beetle Denim und soll, gemeinsam mit anderen Sondermodellen, nicht weniger als eine neue Beetlemania einläuten. Die Jeans-Variante kommt ausschliesslich als Cabrio und verfügt über ein dunkelblaues Stoffverdeck, das sich in 9,5 Sekunden öffnen lässt. Passenderweise nennt sich die Lackfarbe «Stonewashed Blue Metallic», während das Interieur mit gestreiften Leder-/Stoffsitzen in dezenten Jeanstönen gehalten ist. Als Antrieb dient der bekannte 1.8-TSI-Benziner mit 170 PS; die Preise sind noch offen. www.volkswagen.ch
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«HIER VERSCHMELZEN BRANDS & COMMUNITY» NOVEMBER 2015 – EINE NEUE WELT GEHT ONLINE! REGISTRIERE DICH KOSTENLOS UND SEI EIN TEIL DAVON!
ABGEFAHREN POWERPLAY
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TOXISCHE GRÜSSE AUS DETROIT VOR ÜBER 25 JAHREN GALT DIE DODGE VIPER ALS DIE NEUINTERPRETATION EINER RENNWAGENLEGENDE – UND WAR IN DER OFFENEN ROADSTER-VARIANTE RT/10 DAS VIELLEICHT AUFREIZENDSTE STUFENHECK IHRER EPOCHE Text sb · Fotos Ian G.C. White, map
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er Sound ist schon von Weitem zu vernehmen. Er tönt wie ein Rudel Fat-Boy-Harleys durch das Tal und kommt schnell näher – tief, dumpf, mit niedriger Drehzahl. Kurz darauf pflügt ein dramatisch proportionierter Roadster durch die Lichtung: Als er uns passiert, wird aus dem profunden Bass ein Nachbeben, das man im Rücken spüren kann und erst abebbt, als die Klangquelle schon längst wieder ausser Sichtweite ist. Die erste Dodge Viper gereicht bereits zum Youngtimer, ist aber immer noch ein Naturereignis – akustisch, technisch, visuell. Ein Muscle Car für wilde Kerle, Drag-Strip-Hero, Porno auf Rädern. So etwas Extremes gibt es heute nicht mehr neu. Aber auch Anfang 1989, als die knallrote Konzeptstudie auf der North American Auto Show ins Rampenlicht rollte, sorgte sie für viele offene Münder und noch mehr Speichelfluss. Chrysler und seine Submarken waren damals in einem jämmerlichen Zustand, es brauchte folglich ein Image-Auto und der Entscheid zum Bau einer kaufbaren Viper war schnell gefällt – Jahre bevor VWs New Beetle, Fords Thunderbird-Revival oder der Neo-Mustang die Retro-Welle machten. Die Viper dagegen sollte ein Vollgas-Tier nach altem Schrot und Korn werden, hart, aber herzlich, ohne ABS, ohne ESP, zunächst auch ohne Klimaanlage, dafür immerhin mit Servolenkung, elektrischen Fensterhebern, Subwoofer. Keiner Geringeren als der Lamborghini Automobili SpA, seinerzeit italienischer Appendix von Chrysler und Ursache vieler 104 VECTURA #16
Bauchschmerzen in Auburn Hills, oblag die Aufgabe, den zwar frisch konstruierten, aber für den kommenden US-Truck T300 konzipierten Grauguss-V10 zu verfeinern. In der Viper verfügte das aufgepeppte Achtliter-Aggregat dann über ein nahezu quadra tisches Bohr-Hub-Verhältnis, Aluminium-Block und -Köpfe sowie geschmiedete Kurbel- und optimierte Nockenwelle plus elektronischem Motormanagement samt Multipoint-Einspritzung – Massnahmen, die sich zunächst in 408 PS und 664 Nm niederschlugen. Das wohlgemerkt vor über zwei Jahrzehnten, als die Rede von einem Range Rover mit 550 Pferdestärken (siehe VECTURA #15) mindestens einen Alkoholtest nahegelegt hätte und BMWs stärkstes Stück – seinerzeit der 850CSi – gerade mal 380 PS zu leisten imstande war. Bei Lambo drückte der junge Diablo aus zwölf Zylindern und 5,7 Liter maximal 492 Cavalli auf die Antriebswellen, allerdings nur 580 Nm, mamma mia! «Awesome», raunten folglich Vollgasfans, als Massenhersteller Chrysler 1991 den Viper-Verkauf auf die kommende Saison terminierte – und nicht wenige bestellten, als gäbe es kein Morgen. Die stolzen Besitzer fühlten sich dann auch um drei Dekaden in jene ruhmreiche Ära zurückversetzt, in der AC Cobras mit bis zu sieben Liter Hubraum ihre europäische Konkurrenz nach Belieben verbliesen – oder, passender ausgedrückt, die Giftzähne zeigten. Womit auch die gewählte Modellbezeichnung Viper erklärt wäre, aber nicht der Umstand, warum sich Caroll Shelby höchstpersönlich mit der neuen Schlange fotografieren liess:
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Letzteres war nicht nur Marketing, sondern ging auf jene Kooperation zwischen Chrysler und dem Cobra-Vater zurück, die viele Jahre zuvor vom Chrysler-Vorstandsvorsitzenden und früheren Ford-Chef Lee Iacocca initiiert worden war und seit 1983 bereits mehrere scharfe Dodge-Modelle mit Shelby-Schriftzug hervorgebracht hatte. Auch die RT/10 profitierte von den Erfahrungen des Altmeisters, der hier und da ein paar Tipps bezüglich Leichtbau oder Leistung zum Besten gab. Das Auto allerdings hiess dann nur Dodge Viper; allein in Europa und auf anderen Märkten, in denen es die Marke mit dem Widder-Kopf damals nicht gab, bot man den Giftzahn als Chrysler- beziehungsweise SRT-Modell an. Die wahren Hintermänner des damals stärksten US-Serienauto mobils hiessen ohnehin nicht Shelby, sondern Bob Lutz, seinerzeit sowohl Chrysler-Vize als auch Lamborghini-Boss, dazu Tom Gale, Chrysler-Chefdesigner, sowie Technikvorstand François Castaing, der es wie eingangs beschrieben verstanden hatte, den Konzernbaukasten geschickt zu nutzen. Passend dazu hatte Gales Team – der Viper-Stylist hiess Craig Durfee – den Zweisitzer entsprechend brutal wie selbstbewusst gezeichnet. Dass die RT/10 dabei ein Stufenheck trägt, liegt am ebenso schlichten wie überzeugend ausgeführten Targabügel mit integrierter Glasheckscheibe. In der Summe entstand also ein automobiler Superlativ, dem man kleinere Unzulänglichkeiten wie das fummelige Notverdeck ebenso verzieh wie eine «don’t-worry»-Verarbeitung mit fragwürdiger Langzeitqualität: Die originalgraue Softlackierung im Cockpit beispielsweise bröselt heute besonders gerne, weshalb der Eigner unserer 1994er Foto-Viper den Armaturenträger in frisches Mattschwarz tauchen liess, was wir als ebenso passende wie stilechte Massnahme ansehen. Er hat den gepflegten Wagen 2014 aus erster Familienhand und mit gerade mal 12 000 Meilen für etwas über 40 000 Franken erworben und man darf davon ausgehen, dass es derartige Freundschaftspreise für solche Prachtexemplare mit echten Sidepipes (gab’s nur bis 1995; die meisten Europa-Modelle wurden ohne
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ausgeliefert) nicht mehr lange geben wird. Vor 20 Jahren kostete eine RT/10 schon satte 119 500 Franken; bis 2002 entstanden rund 10 000 Exemplare des Roadsters, wobei sich Puristen bereits auf die Suche nach einem der knapp 6000 bis einschliesslich 1995 gebauten Autos machen – in Pebble Beach kann man ja nicht immer nur E-Types kaufen. Die nach 1996 angebotene Viper gab es auch als GTS genanntes Coupé, das aber nicht halb so sexy wie der offene UrEntwurf aussah. Geboren aus Chryslers wachsenden Rundstrecken-Ambitionen, fuhren GTS-Rennversionen schon bald erste Siege ein. Seither hat die Viper im Langstreckenrennsport fast alles gewonnen; auch die aktuell dritte Generation war 2015 wieder in Le Mans unterwegs. Keine Viper ist indes so giftig und ursprünglich wie eine RT/10. Die ist 4,45 Meter lang, 1,92 breit, 1,12 m hoch und damit kompakter, als Fotos suggerieren. Eng schmiegt sich ihre Kunststoffkarosserie über die Technik und einen Stahlrahmen, der hohe Steifigkeit garantiert. Dass die RT/10 in 4,9 Sekunden auf Tempo 100 spurten kann, nur 13,1 Sekunden später 200 Sachen draufhat und bis zu 266 km/h schafft, glaubt man ihr auf den ersten Blick. Der Verbrauch ist natürlich Nebensache, aber mit rund 15 Liter gar nicht mal so übel für ein Fahrzeug dieses Kalibers. Dessen sechs Gänge, voll ausgefahren, führen hierzulande von der Quartermile geradewegs ins Kittchen, also Obacht. Am Gotthard oder Klausen wünscht man sich ohnehin mehr Kontrolle, denn Wendekreis oder Fahrer sind mit engen Kehren schnell mal überfordert. Da beruhigt ungemein, gute Bremsen an Bord zu wissen, die 1,5 Tonnen anständig zusammenstauchen können. Es wird Zeit für ein Päuschen. Auf der Passhöhe ruht sich die Viper knisternd aus. Das Geräusch ist nur in nächster Nähe zu hören, klingt aber nicht weniger respekteinflössend als das Bollern vorhin im Tal.
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DIE KOSTBAREN STUNDEN
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ES IST HERBST GEWORDEN AM LAGO MAGGIORE; BOOTE WERDEN AUS DEM WASSER GEHOBEN, IN DEN HÄFEN KEHRT RUHE EIN. UMSO GESCHÄFTIGER WIRD ES WÄHREND DER KOMMENDEN MONATE IN DEN WERFTEN ZUGEHEN Text map · Fotos Ian G.C. White, Werk
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eine Dunstschwaden liegen auf dem Wasser und als die Sonne über den Kamm des Monte Ceneri steigt, wirft sie goldgelbes Licht auf den See. Am Anfang der Promenade von Ascona füttern eine Dame und ihre Enkel die Enten. Noch fahren die Fähren, Mietboote liegen an den Stegen, doch das Ende der Saison im Tessin ist nicht mehr fern. Draussen auf dem Lago, dessen feine Wellen jetzt im Gegenlicht glitzern, tauchen die Brissago-Inseln aus dem Nebel auf. Links von ihnen pflügt, scheinbar lautlos und von einem Gischt-Schleier umgeben, ein Motorboot durch die Fluten. Die elegante Silhouette
kommt schnell näher, schon ist ihre anthrazit-braune Lackierung zu erkennen. Das geschulte Auge identifiziert eine moderne Rivarama, die scheinbar über dem Lago schwebt und ihn tatsächlich nur noch mit der Heckspitze berührt. Dann nimmt der Pilot Gas raus und dreht die 15 Tonnen wiegende, 1600 PS starke und mindestens 1,2 Millionen Franken teure Yacht lässig in die Bucht ein – was für ein imposanter Anblick! Riva ist das berühmteste Bootslabel weltweit und gilt zu Recht als Perle der Branche. Carlo Riva, Spross einer Bootsbaudynastie HERBST 2015 111
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und seit den frühen 1950er-Jahren fasziniert vom US-amerikanischen Unternehmen Chris Craft, übernahm 1949 die 107 Jahre zuvor von seinem Urgrossvater gegründete Werft in Sarnico am Lago d’Iseo. Die ersten modernen Bootstypen Aquarama, Ariston, Junior oder Olympic wurden alle von Giorgio Barilani entworfen; sie bestachen mit feiner Verarbeitung, eleganter Linienführung, ordentlich Power und waren auf Anhieb sehr erfolgreich: Ob Giovanni Agnelli, Brigitte Bardot, Richard Burton, Sean Connery, Aga Khan, Adnan Kashoggi, Ferruccio Lamborghini, Sophia Loren, Fürst Rainier von Monaco oder der Schah von Persien – die Schönen, Mächtigen und Reichen rissen sich um die herrlichen Mahagoni-Boote, welche schnell teurer wurden. Barilani, der von 1956 bis 96 Chefdesigner bei Riva sein sollte, zeichnete auch die folgenden Baureihen, deren Zahl und Grösse stetig zunahmen.
Beunruhigt durch damals grassierende Arbeiterstreiks, verkaufte Carlo Riva das Unternehmen 1969 an amerikanische Investoren. Die hochwertige Holzbauweise wurde 1996 aufgegeben; seither dominiert glasfaserverstärkter Kunststoff, doch der Luxus ist geblieben. Im Mai 2000 ging Riva in den Besitz der italienischen Ferretti-Group über; heute führt die Marke 14 Bootstypen von 27 bis 122 Fuss Länge im Programm, aber auch für die stolzen Mahagoni-Baureihen aus den 1950er- und 60er-Jahren – der Bestand wird auf 2000 Boote geschätzt – sind wohlhabende Sammler bereit, elitäre Preise zu bezahlen. Allein die Aquarama-Dichte auf dem Lago Maggiore ist beeindruckend. Nun kann man nicht einfach ein schönes Boot kaufen, es mal eben zu Wasser lassen und hineinspringen. Riva-Boote sind komplexe und deshalb auch pflege- und zeitintensive Kostbarkeiten, die einen geschulten Umgang verlangen. Allein die Unterhaltskosten
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verschlingen ein kleines Vermögen und sind nicht einmal mit der Servicepauschale eines Porsche 911 Turbo zu vergleichen. Dennoch wird man kaum Bootseigner finden, die sich beklagen. Sondern einhellig kundtun, dass ihnen die Erlebnisse an Bord ihrer Schiffe ein Vielfaches wert sind. Tatsächlich braucht es nicht viel Phantasie, sich den süssen Müssiggang auf einer Riva vorzustellen, irgendwo da draussen, wo man alleine ist und seine Ruhe hat. Um dieses Privileg in vollen Zügen geniessen zu können, sollte man sich auf versierte Spezialisten verlassen, die dafür sorgen, dass die eigene Privatyacht am Wochenende startklar und frisch betankt an der Pier liegt. Im Magadino, überhaupt in der Schweiz und über deren Grenzen hinaus gilt Poroli Special Boats als erste Adresse, wenn es um Kauf oder Charter edler Riva und anderer mondäner Marken geht. Linneo Poroli stammt aus Porto Ronco; er hat sein Unternehmen 1973 am Lago Maggiore gegründet und zu stattlicher Grösse geführt. Das ging nur mit vollem Einsatz und der Leidenschaft für diese wunderbaren Boote, die für ihn so viel mehr sind als Beruf – sie sind sein Lebensgefühl. Begonnen hat der inzwischen 66-Jährige damals ganz bescheiden mit der Marke Colombo aus Mennagio am Comer See, deren reduziertes Programm er bis heute vertritt. 1978 kam Riva hinzu; gemeinsam mit einem italienischen Kollegen zählt Poroli damit zu den ältesten Vertragshändlern der Firma und verkauft deren Produkte längst europaweit. Die dauerhafte und intensive Zusammenarbeit von Riva und Poroli hat zu einem engen Vertrauensverhältnis geführt, das von der stattlichen Anzahl Riva-Boote – es dürften so um die 70 sein – unterstrichen wird. Unter der Obhut von Poroli Special Boats befinden sich sowohl die beliebten Oldtimer als auch die neuesten Yachten des legendären Kultlabels, von der kompaktwendigen Iseo 27 bis hin zu einer Rivale 52 – Letztere ein stattliches Schiff, das am Lago gerade noch zu handhaben ist. Auf dem See sind hauptsächlich offene Daycruiser zuhause, doch Poroli liefert auch Coupés oder noch grössere Modelle mit Flybridge an jeden gewünschten Hafen; kürzlich hat man 52- und 63-Fuss-Yachten auf Mallorca verkauft (www.poroli.ch).
Die schnelle Rivarama kehrt von ihrer letzten Ascona-Ausfahrt zum Hafen nach Locarno zurück, wo sie rückwärts einparkt und per Kran aus dem Wasser gehievt wird. Per Tieflader geht das Boot am späten Abend ins Winterlager nach Quartino, was bei der Länge von 13,5 Meter ohne grösseren Aufwand machbar wäre. Problematisch sind jedoch Gewicht und Höhe – verladen bringt es die Fuhre in der Vertikalen auf knappe vier Meter. Special Boats brauchen eben Special Trucks – wenn Kaliber vom Format einer Rivarama transportiert werden, muss Poroli das von langer Hand planen und mit den Behörden zusammenarbeiten: Transporter wollen organisiert, Alternativrouten erkundet sowie Strassen und Tunnel gesperrt werden, bevor sich der Konvoi ganz früh morgens oder spät abends in Bewegung setzt, was nur ein kleines Licht auf die Komplexität des Bootgeschäfts wirft. Da darf man nicht den Überblick verlieren und muss effizient arbeiten: «Manche verstehen gar nicht, wieso wir solche Termine so lange im Voraus planen müssen», sagt Katharina Poroli, die mit dem Business seit Jahrzehnten vertraut ist. Sie reist oft zu Kunden und Fachmessen oder arbeitet gelegentlich auch von einem Ferretti-Büro aus, das sich in Porto Portal auf Mallorca befindet. Das kostet Zeit und die Woche hat nur 168 Stunden, die wie im Flug vergehen. Parallel will noch die Weltpremiere der Riva-Baureihe 38 vorbereitet sein, die im Juni 2016 an fünf Orten der Welt gleichzeitig stattfinden soll – und Ascona ist eine dieser Adressen. Katharina Poroli sitzt trotzdem entspannt am Schreibtisch der repräsentativen Filiale in der Viale Papio, welche 24-7 geöffnet ist. Eben hat ihr ein zufriedener Kunde Fotos von seinem neuen Boot aufs Handy geschickt, als das Telefon klingelt: Die Vorführ-Riva liegt fahrbereit im Hafen von Ascona. «Sehr gut», sagt sie und bittet ihre just aus Bulgarien eingeflogenen Besucher aus der Lounge in den Minibus, um sie zum See zu fahren und ihnen die Yacht zu demonstrieren. Wer die Gäste sind, verrät Poroli nicht – Diskretion gehört ebenso zur Unternehmensphilosophie wie die vier Sprachen Italienisch, Deutsch, Englisch und Französisch. HERBST 2015 115
Wir treffen uns am nächsten Vormittag beim Poroli-Hauptsitz, wo sich neben dem grossen Showroom auch Lager und Werft befinden. Letztere ist komplett ausgestattet: Antifouling-Behandlungen des Rumpfes, Gelcoat- und Fiberglas-Arbeiten, Lackierungen, Polituren, Motoren- oder Software-Wartung gehören ebenso zum Serviceangebot wie Propeller-Reparaturen, Kabinen-Erneuerungen und die gesamten Reinigungsvorgänge. Dass auch zwei Testbecken vorhanden sind, demonstriert die professionelle Einstellung und Vorgehensweise. Die Rivarama ist bereits eingetroffen; der Check-up dieser erst zwei Jahre alten Motoryacht ergab keine besonderen Vorkommnisse: Vor dem Einstellen muss lediglich der Rumpf routinemässig gereinigt und poliert werden, anschliessend ist das komfortable Sportboot parat für den Winterschlaf. In der 10 000 Quadratmeter grossen Halle, die nach einem verheerenden Brand 1999 komplett neu entstand, finden nicht nur bis zu 150 Boote Platz. In einem Seitentrakt werden auch die hölzernen und immer wertvolleren Riva-Klassiker von versierten Fachleuten aufgearbeitet oder komplett restauriert. Allein die aufwendigen Lackierungen dieser einzigartigen MahagoniBoote setzen hohes Fachwissen voraus; unter dem erfahrenen Auge von Linneo Poroli werden alle diese Arbeiten ausgeführt, entstehen Klassiker in Bestzustand. Dabei hilft die gute Ersatzteilsituation: Jegliches Zubehör und Verschleissteil ist noch original vorhanden oder kann beschafft werden. Die anspruchsvolle Kundschaft weiss das zu schätzen; Porolis Auftragsbuch ist gut gefüllt. 116 VECTURA #16
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Preislich geht es bei startklaren Occasionen für 35 000 Franken los, nach oben gibt es keine Grenze: «Eine Domino oder Florida kostet ab Werk sieben und mehr Millionen», weiss Katharina Poroli. Seit Anfang 2014 repräsentiert der Bootshändler zudem Frauscher, eine aufstrebende Marke aus Gmunden in Österreich. Das Familienunternehmen in dritter Generation passt mit seinen sportiven Produkten und attraktiven Angeboten hervorragend in das Poroli-Konzept: «Frauscher ist vor allem bei jüngeren Kunden sehr en vogue und eine wunderbare Ergänzung am Lago Maggiore», sagt Linneo Poroli: «Diese Manufaktur bietet ein unverwechselbares, virtuoses Design und beeindruckende Fahreigenschaften; die hohe Nachfrage bestätigt das.» Inzwischen liegen FrauscherBoote wie der Typ GT 1017 auch bei lokalen Fünf-Sterne-Hotels wie dem «Castello del Sole» oder «Giardino» vor Anker, während das «Eden Roc» ausschliesslich auf Riva setzt, um seinen Gästen das Tessin vom Wasser aus erlebbar zu machen. Und natürlich werden auch diese Flotten von 14 ausgebildeten Poroli-Mitarbeitern betreut, die bestens damit umgehen können. Im Familienunternehmen Poroli sind ausser dem Ehepaar auch dessen Töchter Johanna und Paulina tätig; sie kümmern sich um Administration und Marketing. Sohn Nikolaus, der zunächst etwas anderes machen wollte, konnte sich dem Zauber einer Riva oder Frauscher letztlich doch nicht entziehen: Inzwischen kennt er die kaufmännische Seite genau, hat Fachausbildungen in den Bereichen Mechanik und Holzarbeiten absolviert und wird die Firma in zweiter Generation weiterführen. Aktuell ist er mit seinem Vater auf dem See unterwegs, um die letzten Boote aus dem Wasser zu holen. Katharina Poroli lächelt.
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LEINEN LOS
POROLI Jetset by the sea: Wer Riva f채hrt, hat es geschafft! Das gilt damals wie heute; attraktive G채ste sind willkommen
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Extravaganz ab Werk: Selten sah Zebrafell so gut aus … Und Carlo Riva, inzwischen 93, hat auch ohne Firma noch viel Spass an seinen Booten
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THE LEGEND AMONG ICONS.
Portugieser Perpetual Calendar. Ref. 5034: Schon immer übte der Mond eine unerklärliche Anziehungskraft auf die Menschen aus. Im Fall der Portugieser Perpetual Calendar ist das allerdings verständlich. Fasziniert sie doch mit einer Mondphasenanzeige, deren Doppel- Mondlaufdarstellung die nördliche und die südliche Hemisphäre anzeigt. In Kombination mit dem zeitlos eleganten Design der Uhr, erklärt sich ihre Anzie-
hungskraft fast von alleine: Legenden kann man nicht widerstehen. IWC. ENGINEERED FOR MEN. Mechanisches Uhrwerk, Automatischer Pellaton-Aufzug, Manufakturkaliber 52615, Gangreserve 7 Tage, Gangreser ve anzeige, Ewiger Kalender mit Anzeige von Datum, Wochentag, Monat, vierstelliger Jahresanzeige und ewiger Mondphase für die nördliche und südliche Hemisphäre, Saphirglas, Sichtboden mit Saphirglas, Wasserdicht 3 bar, Durchmesser 44,2 mm, Alligatorlederarmband von Santoni
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AHNENFORSCHUNG
DER WIEDERGEFUNDENE SOHN DATSON HIESS DAS ERSTE KLEINE AUTO DER FIRMA DAT – «DER SOHN DES DAT». DARAUS WURDE SPÄTER DIE MARKE DATSUN, DEREN LOGO JAPANS NATIONALFLAGGE ZITIERTE. MUTTERKONZERN NISSAN LIESS DEN ETABLIERTEN NAMEN IN DEN 1980ER-JAHREN STERBEN, 2013 TAUCHTE ER WIEDER AUF. VON INDIEN SUCHT ER SEITHER DEN WEG ZURÜCK IN ALLER HERREN LÄNDER Text Stefan Fritschi · Fotos Werk
War lange Zeit meistverkaufter Sportwagen der Welt: Datsun 240, hier in der japanischen ZG-Variante
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er Renault-Nissan-Konzern, der auch die Low-BudgetMarke Dacia aus Rumänien beherbergt, kündigte im März 2012 die Rückkehr der altbekannten Marke Datsun an. Ein auf den ersten Blick schöner Zug, schliesslich gibt es eine ganze Reihe aussergewöhnlicher Autos mit dem Sonnen-Emblem aufzulisten. Während clevere Kleinwagen wie Cherry und Sunny das Label in den späten 1960er-Jahren auch hierzulande beliebt machten, verlieh der 240Z Fairlady dem Markennamen auf Rundstrecken und Rallyes höchste Weihen. Dazu gab es jede Mengen Gebrauchsgüter wie Vans und Lieferwagen, die weltweit erste serienmässige Grossraumlimousine Prairie oder die Luxussänfte Laurel. Kurz: Datsun hatte international Renomée und Format. Irgendwann jedoch waren die Bosse in Yokohama der Meinung, die auf den Exportmärkten nur für die Nutzfahrzeuge verwendete Markenbezeichnung Nissan müsse nun auch auf Pw stehen – und das Chaos begann. Die ab Mitte der 1970er-Jahre umgebadgten Autos hiessen Nissan-Datsun oder Datsun by Nissan, das Logo mit roter Sonne hinter blauem Balken blieb auch erhalten, nur der Name war neu. Die in den jeweiligen Exportländern mit unterschiedlichem Elan vorangetriebene Umbenennung zog sich bis 1986 hin – eine kräftezehrende Strapaze, vor allem für Nissan selbst. Auch danach wurden auf bestimmten Märkten, beispielsweise in Afrika, noch einzelne Modelle unter Datsun-Label vertrieben. So verwundert es nicht, dass Datsun in den Köpfen der Kunden noch lange herumgeisterte. Und fast ein Lehrstück darüber abgibt, wie man es nicht machen sollte. Denn eine schlüssige Erklärung für die auch millionenteure Aktion gibt es bis heute nicht. Die nachfolgende Entwicklung der Marke Nissan blieb denn auch sehr wechselhaft. Das Modellprogramm war nicht mehr 122 VECTURA #16
konkurrenzfähig, wichtige Tendenzen wurden schlicht verschlafen. So bediente man die wichtige Golf-Klasse lange nur mit dem vergleichsweise unattraktiven Almera, während es ein inflationäres Überangebot diverser Limousinen auf unterschiedlichsten Plattformen gab. Die Konkurrenz feierte in dem von Datsun mitbegründeten Van-Segment grosse Erfolge, während die Prairie-Nachfolger selbst leider nicht überzeugen konnten. Es waren falsche Prioritäten, die das Nissan-Portfolio insgesamt ins Mittelmass führten. In den 1990er-Jahren drohte gar die Pleite, die nur durch die Kooperation mit Renault verhindert werden konnte. Erst neue Modelle, allen voran natürlich Qashqai und Juke, verhalfen Nissan in den letzten Jahren zu mehr Profil und Eigenständigkeit. Für nicht wenige Enthusiasten aus aller Welt wäre die Rückkehr zur alten Markenbezeichnung nun die Krönung gewesen. Doch die Reaktivierung von Datsun verlief anders als erhofft. Seit 1. Juni 2013 «schmückt» das Label eine Familie von, sagen wir, «DritteWelt-Fahrzeugen», wird Datsun unterhalb von Nissan eingeordnet. Denn mehr als Basismotorisierungen in der Einstiegsklasse sind die derzeit für Indien, Indonesien, Südafrika und Russland vorgesehenen Modelle nicht. Sicher, der von Designchef Koji Nagano abgesegnete Go ist ein praktischer, fünftüriger und 3,79 Meter langer Kleinwagen, welcher ab 323 000 indischen Rupien (knapp 5000 Franken) zu haben ist. Und der Go+ markiert dessen auf vier Meter verlängertes und leicht erhöhtes Van-Pendant mit 5+2 Sitzplätzen. Darüber rangieren die gleich langen KompaktFünftürer Mi-Do mit stärkeren Motoren und mehr Platz sowie das Stufenheck-Pendant On-Do mit 500 Liter Kofferraum. Alles in Ordnung so weit – aber warum musste der einst so stolze Name Datsun dafür herhalten?
Design-technisch laufen die Neo-Datsun unter «keine besonderen Vorkommnisse». Weder innen noch aussen ist was falsch, die Autos sind nicht wirklich hässlich, aber eben auch nicht aufregend. Dank Renault- und Nissan-Know-how sind sie qualitativ anständig und schlechten Strassen- oder Benzinqualitäten gewachsen. Doch um diesen Fahrzeugen eine historische Berechtigung zu geben, wird die Markenhistorie im Internet (www.datsun.com) entsprechend zurechtgebogen. Unter einem neu interpretierten Logo werden die Anfänge von 1911 und die kleinen Modelle bis 1966 gezeigt, denn tatsächlich hat Datsun jahrzehntelang preisgünstige Einsteigerfahrzeuge produziert. Doch dann schweigt die Geschichtsschreibung bis 1984, folgt wieder eine Lücke bis zum Revival 2012. Einst so grossartige Baureihen wie die Fairlady oder den Laurel mit Go und Co. unter einen Hut zu bringen, will man potentiellen Käufern ganz offenbar nicht zumuten. Neuanfang in aufstrebenden Märkten: Datsun ist heute Billig-Label
Eine weitere Frage drängt sich auf. Was sprach eigentlich gegen die hauseigene Marke Dacia als weltweites Einsteiger-Label? Das hätte zudem die Möglichkeit eröffnet, einen Go auch hierzulande unterhalb des Sandero zu verkaufen – Volkswagen bringt im zunehmend preissensiblen Europa schliesslich selbst eine Discountmarke in Stellung und bei dieser Dacia-Konkurrenz dürfte es kaum bleiben. Die Erinnerung an Datsun mit seinen legendären Söhnen und Töchtern hätte dabei unangetastet und hochwertig bleiben dürfen – ja, die Marke wäre vielleicht sogar dazu geeignet gewesen, bestimmte Nissan-Baureihen zu veredeln – unterhalb von Infiniti, versteht sich. Mit dem aktuellen Vorgehen hat das aufstrebende Haus Nissan eine Chance vertan. Schade.
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www.suzuki.ch
AUTO-BIOGRAFIE
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er kleine Datsun 1000 von Christoph Schmutz und Christopher Kohler gehörte einst einem Garagisten in La Chaux-de-Fonds, der mit dem vorne wie hinten blattgefederten Wägelchen Rallyes fuhr; der Kaufpreis im Internet betrug faire 1400 Franken. Der heute seltene Japaner war ebenso komplett wie fahrbereit; das Blech präsentierte sich in erstaunlich gutem Zustand. Allerdings war der Hecktriebler vom «bereit zum Durchwinken auf der MFK» noch einige Arbeitsstunden weit entfernt … Aber warum musste es ausgerechnet ein Stufenheck im Bonsai-Format sein? Christoph Schmutz erklärt es: «Als ehemaliger Autojournalist war ich viel an Oldtimer-Anlässen. Dabei ist mir aufgefallen, dass kaum Japaner zu sehen sind, was ich immer schade fand. Mir gefällt deren Design der 1960er- und 70er-Jahre sehr. Als mir dann mein Garagist 2007 den 1000er präsentierte und erzählte, er wolle den Wagen wieder renntauglich machen, stieg ich zu 50 Prozent in das Projekt ein. Fortan galt die Abmachung: Ich bezahle das Material, Kohler macht die Arbeit.»
Das Duo Schmutz/Kohler hat längst aufgehört, sich einen Zeithorizont für die Jungfernfahrt zu setzen. Zum einen gestaltet sich die Suche nach spezifischen Ersatzteilen nicht gerade einfach, und zum anderen hat der Datsun trotz aller Autoliebe bei beiden Besitzern nicht oberste Priorität. Doch sieht man langsam Licht am Ende des Tunnels: Die ersten Runden sollen nicht zu spät im nächsten Jahr gedreht werden. Wer den Datsun 1000 nach seiner Fertigstellung auch mal fahren will, kann sich hier schon mal seinen Platz im Cockpit sichern: www.wemakeit.com/projects/ revival-69-er-datsun-1000 map
Fahrer 1 Christoph Schmutz, Jahrgang 1965, Kommunikations
Wie so oft bei derartigen Vorhaben kam den Datsun-Partnern der Alltag dazwischen; erst 2011 machten sie sich ans Werk. Vier Jahre später befindet man sich etwa auf halbem Weg; Fahrwerk, Lenkung und Bremsanlage sind inzwischen komplett überholt. Auch der Motor hat ein ausführliches mechanisches Tuning erhalten: Zylinder ausgebohrt und gehont, dazu neue Übermasskolben und Kurbelwelle, Schwungrad sowie Kupplung neu gewuchtet, das Schwungrad ist gewichtsreduziert. Am Zylinderkopf wurden alle Kanäle poliert, grössere Ventile und neue Ventilsitze eingesetzt, Bronze-Ventilführungen verbaut und die Ventilstössel nach Nismo-Werkangabe erleichtert. Es wartet eigentlich nur noch eine grosse Herausforderung: Nachdem man dem Motor ein paar Pferdchen mehr verliehen hat, braucht’s auch eine Auspuffanlage, aus der die PS rausgaloppieren können. Was den beiden Datsun-Enthusiasten hier besonders fehlt, ist ein neuer Kollektor. Kohler glaubt, etwas Gleichwertiges aus einem englischen Sportwagen mit Längsmotor und derselben Epoche umbauen zu können. Die Karosserie dagegen braucht nur noch minimste Spenglerarbeiten und etwas Kosmetik. Eine Neulackierung kommt nicht infrage: Alte Kampfspuren sollen erhalten bleiben.
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verantwortlicher beim Carrosseriebetrieb autohauser in Oftringen
Fahrer 2 Christopher Kohler, Jahrgang 1966, Mitinhaber der Saturn-Garage in Zuchwil
Ex-Autos Schmutz: VW Käfer 1300, Lada 1500 (2103),
Land Rover 88 Serie 2, Austin Mini 1000, Clubman Estate und Healey Sprite, Triumph Spitfire 1500, Morris 1300, Austin 1800 (Landcrab), Morris 1000, Lada 1000 (2101), Mini Cooper 1600, VW Golf II GTI Kohler: Alfa Romeo Alfetta, Lancia Beta, Mercedes Benz 220/8, Fiat 125, MG B GT, Triumph 2000, Mini 1000, VW K70, NSU Ro 80, Austin Healy Sprite, Alfa Romeo Giulietta
Aktuell Datsun 1000 (Werkcode B10), Baujahr 1969, Vier zylinder-Reihenmotor mit 988 cm3 (längs eingebaut), 62 PS, 138 Nm, Leergewicht 660 kg. 0–100 in 15,9 s, Vmax 135 km/h, Verbrauch 8,2 L/100 km, Neupreis (1969) 8850 Franken
Die rahmenlosen Schiebefenster von Sky-Frame gehen schwellenlos in ihre Umgebung über. Innenräume verwandeln sich so zu Aussenräumen und ermöglichen eine einzigartige Wohnatmosphäre: SKY-FRAME.CH
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RENNSPORT
WENN MAN DIE MUTTER ALLER LANGSTRECKENRENNEN ANSTEUERT, KANN DAS NICHT MIT IRGENDEINEM AUTO GESCHEHEN. WIR WÄHLTEN EINEN PASSENDEN SUPER-GT AUS – UND WAGTEN, UM DAS GANZE ETWAS INTERESSANTER ZU MACHEN, DEN HOME RUN GEGEN DIE UHR
Allradantrieb nicht unbedingt das passende Auto für den Weg ins Büro, aber voll alltagstauglich. Dass der Zweitürer zudem seit Jahren in der japanischen Super-GT-Meisterschaft antritt und die (mit Heckantrieb) schon mehrmals gewonnen hat, prädestinierte ihn geradezu für unser Vorhaben. Denn wir wollten nicht nur nach Le Mans – sondern innerhalb 24 Stunden hinund wieder zurückfahren. Als Tribut an das Ereignis, als demonstrative Unterstützung für das zu allem entschlossene NismoTeam – aber auch (und das in erster Linie) als passenden Zeitvertreib, statt auf einer überfüllten Tribüne zu sitzen und anderen beim Rasen zuzuschauen.
Text Matthias Pfannmüller · Fotos Christian Bittmann, Jamey Price, Werk
Die über 1500 Kilometer lange Route mit – passend zur Le-MansRennstrecke – hohem Landstrassenanteil, war schnell definiert: Von Bern aus ging es bei Biel zunächst in den Jura, dessen Kamm wir in südöstlicher Richtung über La Chaux-de-Fonds, Le Locle und Fleurier abfuhren, um dann westlich von Sainte-Croix nach Frankreich einzureisen.
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ach dem Rennen ist vor dem Rennen: Wer etwas Benzin im Blut hat, kennt den französischen Langstreckenklassiker. Und wenn 98 Oktan oder mehr in den Adern fliesst, ist man schon mindestens einmal dort gewesen. Wir wollten nach einigen Jahren Abstinenz wieder dabei sein, zumal 2015 versprach, ein besonders interessanter Vollgas-Marathon zu werden: Denn so entspannt wie früher, als es bei insgesamt 1440 zu absolvierenden Minuten nicht auf jede Sekunde ankam, ist es bei diesem 24-Stunden-Krimi längst nicht mehr. Der Konkurrenzdruck hat mit den investierten Summen zugenommen und so schenken sich die Spitzenteams nichts, sondern fahren hier permanent, Stint für Stint, am absoluten Limit. Le Mans, das ist eine gewaltige Materialschlacht um den prestigeträchtigen Sieg, welchen die grossen Automobilhersteller inzwischen unter sich ausmachen. Was kleineren Privatteams bleibt, sind Statistenrollen sowie «dabei sein ist alles»- und «einmal im Leben»-Gedanken. In 2015 strebten vor allem die LM-Platzhirsche Audi und Porsche mit Hybrid-Prototypen um Dominanz, während Toyota (letztlich vergeblich) versuchte, mit einem ähnlichen Auto zu punkten. Nissan dagegen setzte nach zwei abenteuerlichen Rückkehrversuchen (siehe VECTURA #3 und S. 134ff.) erneut auf ein konzeptionell umstrittenes, aber auch sehr mutiges Konzept: Der dreifach in der LMP1-Klasse an den Start gebrachte GT-R LM Nismo ist ein 4,65 Meter langer, 1,03 m flacher Hybrid mit Frontantrieb (durch einen hinter der Vorderachse verbauten Dreiliter-V6-Biturbo), elektrisch angetriebener Hinterachse sowie ungewöhnlichem Aerodynamik-Paket. Schon bei seiner Vorstellung letzten Februar erregte der Wagen meine Aufmerksamkeit, und so kam das Angebot von Nissan Schweiz, einen fast namensgleichen wie ebenso starken Strassen-GT-R als LM-Shuttle zu nutzen, sehr gelegen.
Diese erste Etappe mit ihren kurvigen Berg-Tal-Passagen war bestens dazu geeignet, das Auto näher kennenzulernen: Dass der schon optisch gedopte GT-R fahrerische Umsicht und einen beherrschten Umgang verlangt, ist ihm schliesslich anzusehen; die Kraft quillt aus jeder Fuge seiner muskulösen Karosserie. Die macht wie der Rest des in Handarbeit montierten Autos einen qualitativ hochwertigen Eindruck, doch Rücksicht ist kaum möglich: Das hohe Heck und der feste Spoiler erlauben nur begrenzte Ausblicke nach hinten; Schiessscharten-artige Seitenfenster und wulstige (übrigens auch sehr eng geratene) Recaro-Renn schalensitze mit fixen Kopfstützen tun da ein Übriges. Immerhin gibt es eine Rückfahrkamera und das Auto strebt ja auch konsequent nach vorne. Der Fahrer sitzt relativ weit oben hinter einem dick gepolsterten Volant und chromgefassten Instrumenten;
Der Nissan GT-R ist seit Ende 2007 auf dem Markt, hat inzwischen fast jeden Vergleichstest gewonnen und gehört nicht nur zu den teuersten japanischen Autos, sondern seither auch zum Traumwagen-Establishment. Mit einem Grundpreis von 114 550 Franken ist das 550 PS starke, in 2,7 Sekunden auf Tempo 100 sprintende und bis zu 315 km/h schnelle StufenheckCoupé mit seinem 3,8-L-V6-Biturbomotor und dem intelligenten
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alles scheint aus dem Vollen geschnitzt, dazu kommen teils hohe Bedienkräfte für Lenkung und den Fahrstufenwahlhebel, während die mechanische Handbremse – bei heutigen Sportwagen eine willkommene Antiquität – hoch über der Mittelkonsole thront. In gewisser Weise ist der rund 1,8 Tonnen schwere GT-R (ein LeMans-Nismo wiegt halb so viel) der Light Truck unter den Vollgassportwagen, eine Art Nascar in freier Wildbahn. Bis zu 632 Nm am rechten Fuss wollen in Verbindung mit serienmässig montierten Semislicks mit resoluter Hand geführt werden, weil sich der Bolide auf welligen, unebenen Fahrbahnen extrem nervös anfühlt. Bei höherem Tempo legt sich das; dann stabilisiert sich die Fuhre und geht zielstrebig vorwärts. Trockene Strassen vorausgesetzt ist der Grip vorzüglich und es verblüfft, wie präzise der GT-R einlenkt und sich sauber durch enge Kehren scheuchen lässt, das gerne auch mit Hüftschwung. Letzterer kann elektronisch dosiert werden; es gibt mehrere Fahrprogramme für fast jedes Talent, dazu Zusatzinformationen über Gierraten, Lenkrad-, Gas- oder Bremspedalstellung. Die sechs Fahrstufen des auch per Lenkradpaddel bedienbaren, aus Balancegründen an der Hinterachse angeordneten Doppelkupplungsgetriebes sind fein aufeinander abgestimmt, und so verteilt sich die Leistung fast linear. Im Gegenzug ist eine Brembo-Bremsanlage selbst eventuellen Gewaltausbrüchen gewachsen, die Klimaanlage kühlt alles sehr fix ab, Infotainment und Freisprechanlage sind selbsterklärend, allein die viel zu weit hinten angeordnete Armlehne der Mittelkonsole kann ihre Aufgabe nicht erfüllen. Beim Zurücksetzen mit eingeschlagenen Vorderrädern entstehen durch den Allradantrieb hässliche Verspannungen, die aber mit einem Trick – Lösen der hinteren Diffsperre per Tastendruck – unterbunden werden können. Legt man den Vorwärtsgang wieder ein, reaktiviert sich das System. Natürlich kann man auch das ESP abschalten, was eine gewisse Todesverachtung voraussetzt. Auch lässt sich das bereits im 128 VECTURA #16
Normal-Modus sehr straffe Fahrwerk per R-Taste mit Beton ausgiessen, wodurch sich dann so gut wie nichts Abfederndes mehr zwischen etwaigen Teerkrümeln und den Halswirbelsäulen der Besatzung befindet. Das Le-Mans-Auto kann nicht härter sein, das scheint physisch unmöglich und ist in gewisser Weise auch beeindruckend. Wir jedenfalls haben das «R» für den Rest unserer Tour nicht mehr bemüht, tauchten dann in Frankreich mit Autobahn-Etappen zwischen Dole und Beaune unter Dijon durch, spurteten weiter über Châteauneuf nach Auxerre – und standen dann bei Orléans kurz im Stau. Für den Endspurt wählten wir wieder eine Landstrasse und folgten der quer über viele Hügel gelegten D357. In Le Mans ist jedes Jahr kurz vor dem Rennen die Hölle los; hoffnungslos verstopfte Strassen sorgen für eine Art Ausnahmezustand. Dieses Jahr kamen knapp 300 000 Besucher – ein
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neuer Rekord, der den ausrichtenden ACO (l’Automobile Club de l’Ouest) aber nicht davon abhielt, seine Gäste gewohnt arrogant und wie Bittsteller zu behandeln. Zu uns war man vergleichsweise nett, wir erreichten das Fahrerlager ohne weitere Behinderungen und waren damit nach rund acht Stunden Fahrzeit am Ziel, was uns rechnerisch genauso viel Zeit bis zur Rückreise liess. Den eng getakteten Aufenthalt verbrachten wir unter anderem mit kurzweiligen Benzingesprächen im Fahrerlager, Pizzaessen
in der Nissan-Hospitality und einem Boxen-Termin, um einen der LM-Nismo bei den nicht immer planmässigen Stopps aus nächster Nähe zu erleben. Ursprünglich sollten die drei Autos ja in der 8-Megajoule-Hybrid-Klasse starten, wurden dann wegen technischer Schwierigkeiten noch im Vorfeld auf zwei Megajoule herabgestuft und fuhren letztlich ganz ohne Elektroantrieb. Nicht wenige Beobachter, aber auch die Rivalen gingen mit Nissan und dem Veranstalter deshalb hart ins Gericht, was meine Meinung nicht ändert: Respekt vor Nissan, trotz aller Probleme nicht gekniffen zu haben, sondern bereit zu sein, grandios zu scheitern – das ist Rennsport, bravo! Man sei hier, um zu lernen, erklärte MotorsportChef Darren Cox; das Nismo-Programm sei auf drei Jahre angelegt. Kurz vor 1 Uhr morgens strandete dann der erste LM Nismo, die Nummer 21, nach Radverlust. Da waren wir bereits auf der Rückreise, die – lag es an den Nachtstunden oder der Autobahn-Route via Paris? – sehr viel schneller vonstatten ging, was sicher auch damit zu tun hat, dass man sich im GT-R langsamer vorkommt, als man tatsächlich ist. Das Auto lief wie ein Uhrwerk, verbrannte im Schnitt 13 Liter, und so erreichten wir die Schweiz auf fast leeren Strassen und mit einem kommoden Zeitpolster am Sonntagmorgen pünktlich zum Frühstück, wo es dann Zeit wurde für den Tempomaten und eine abschliessende Beurteilung. Was man bei einem Wagen dieser Preis- und Leistungsklasse vermisst, ist das Head-up-Display – hier zeigt sich das konstruktive Alter des GT-R. Und dass es die meisten Japaner inklusive Nissan bis heute nicht schaffen, ein Radio laufen zu lassen, wenn man die Zündung abstellt – ohne Worte. Dennoch können
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Der GT-R LM sieht scharf aus. Doch in Le Mans mangelte es ihm an Leistung und Standfestigkeit solche Details das Faszinosum GT-R auch in Summe nicht entzaubern: Godzilla, wie das Modell in Fan-Kreisen auch ehrfürchtig genannt wird, beeindruckt mit unbändiger Leistungsbereitschaft und einem Punch, den wir nicht vergessen werden. Dieser Nissan ist reiner Wahnsinn, eine Wucht, eine Waffe und auch deshalb so faszinierend, weil er in unserer tempolimitierten Realität so überflüssig geworden ist. Wer das Ganze noch steigern möchte, aus welchem Grund auch immer, dem steht eine Nismo-Variante mit 50 Extra-PS zur Verfügung. Nach dem Rennen ist vor dem Rennen: Im Fernsehen sahen wir Porsche um 15 Uhr zum 17. Mal siegen und toasteten Richtung Weissach, als anderthalb Minuten später der letzte noch verbliebene Nissan Nummer 22 die Ziellinie überquerte – ausserhalb der Wertung, weil nicht genug Runden zusammengekommen waren. Der zweite GT-R LM war eine Stunde zuvor ausgefallen. Zwei Monate danach sollte Nissan den Rückzug des GT-R LM Nismo auf unbestimmte Zeit bekanntgeben: Man wolle das schlechte Abschneiden untersuchen und die Fehler beseitigen. Ob das Auto nach Le Mans zurückkehrt, war bei Redaktionsschluss fraglich. Wir dagegen kommen wieder, gerne auch mit einem Nissan GT-R! 132 VECTURA #16
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EINE UNERFÜLLTE LIEBE
SEIT 1986 SIND NISSAN-SPORTWAGEN IN LE MANS UNREGELMÄSSIG AM START. DER GROSSE WURF GELANG NOCH NIE, ES BLIEB BEI ACHTUNGSERFOLGEN. DARAN KONNTE AUCH DIE SAISON 2015 MIT IHREM REVOLUTIONÄREN FRONT MOTORWAGEN NICHTS ÄNDERN Text Peter Wyss · Fotos Werk
1998 kehrte Nissan mit gleich fünf R390 GT1 nach Le Mans zurück und feierte dort den bisher einzigen Podestplatz
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issan und Le Mans, das ist die dramatische Geschichte einer unerwiderten Liebe. Einer Hassliebe, denn die begehrte Braut aus dem Département Sarthe verweigerte sich ihren japanischen Bewunderern stets aufs Neue. Egal, was sich die Mannen von Nissan Motorsport, kurz Nismo, auch ausdachten und vorbrachten – die französische Grande Dame erwiderte die asiatischen Avancen erst mit verführerischem Augenaufschlag, zeigte ihnen dann aber doch die kalte Schulter. Das erste Mal prallten sie gegen Ende der 1980er-Jahre in der legendären Gruppe C ab, als sich der Hersteller aus dem Land der aufgehenden Sonne wirklich ernsthaft bemühte. Ein einsamer March-Nissan hatte 1986 erstmals in Le Mans seine Aufwartung gemacht und sich dabei nicht ungeschickt angestellt, kam er doch im Gegensatz zu 27 teilweise routinierteren Konkurrenten ins Ziel, wenn auch abgeschlagen. Die besagte Liebe wurde dadurch erst richtig entflammt und sorgte im Jahr darauf für ein Mehrwagenaufgebot. Das endete jedoch in einem Desaster – alle drei Nissan blieben auf der Strecke. Ihre Wunden leckten die Japaner am Saisonende beim Finale zur SportprototypenWeltmeisterschaft, wo sie vor heimischer Kulisse auf dem Fuji International Speedway mit der Pole-Position die Schnelligkeit ihres Autos unterstrichen. Aber eben, gerade in Le Mans kommt es nicht darauf an: Der Langstreckenklassiker erfordert ausdauernde Kerle und zu jener Zeit waren es vor allem solche aus Deutschland, sprich Porsche. Einzelauftritte nur in Le Mans oder bei etwaigen Heimspielen duldeten die Regelmacher der FIA ab 1989 nicht mehr: Wer im WMZirkus mitspielen wollte, musste sich fortan mit mindestens einem eingeschriebenen Team über die gesamte Rennsaison engagieren. Nissan entschied sich für den Verbleib und krempelte seine Führungsstruktur um. Ein versierter Australier und ein Brite gaben nun teamintern den Ton an, wobei die Konzernzentrale freilich stets das letzte Wort behielt. Als fahrerische Speerspitze hatte man die GP-erfahrenen Engländer Julian Bailey und Mark Blundell verpflichtet, und tatsächlich mischte das Duo mit dem bei Lola konstruierten Nissan R89C nun ernsthaft um die Vergabe der Podestplätze mit, die sie Sauber-Mercedes, Jaguar und den vielen Porsche-Teams streitig machten. Gegen die Silberpfeile aus Hinwil war zwar kein Kraut gewachsen, doch immerhin beendete Nissan die Marken-WM 1989 mit einem respektablen vierten Platz. Nur Le Mans hatte wieder nicht gelingen wollen – alle drei eingesetzten Wagen waren ausgefallen. Bei Nismo zeigte man sich kämpferisch und verdoppelte im Folgejahr das Aufgebot, frei nach dem Motto «und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt»: Drei Zweierteams aus Japan, Europa und den USA sollten 1990 an der Sarthe die Wende bringen, wobei sich der «Erlkönig» in einem reinen T-Car – damals noch erlaubt – mit rund 1000 PS starkem Qualifying-Motor versteckte. Mark Blundell vermochte dessen Potential geschickt umzusetzen und für eine vielgerühmte Trainingsbestzeit zu sorgen – es war die erste Le-Mans-Pole-Position überhaupt für ein japanisches Auto, und das stärkte das Selbstwertgefühl der sensiblen Akteure. Dieses 24-Stunden-Rennen hat jedoch seine eigenen Gesetze, und so verglühte ein Nissan nach dem anderen wie Sternschnuppen am Himmel. Ein fünfter Platz und die schnellste Rennrunde – das war die bescheidene Ausbeute dieses Grossangriffs auf die französische Bastion.
1990 war der Nissan R90CK zwar das schnellste Auto in Le Mans, doch der Grossangriff auf die Bastion endete ernüchternd
Dass die Japaner gute Motoren bauen können, haben sie in anderen Rennkategorien längst bewiesen Auch in den weiteren WM-Läufen, nun wieder von Nismo Europe beschickt, rannten die tapferen Samurai an. Zwar gab es etliche Führungsrunden und Podestplätze, aber nie einen erlösenden Sieg. Aus finanziellen Gründen zog Nissan nach 1990 schliesslich den Stecker und überliess die Sportwagenszene der nordamerikanischen Tochter NPTI (Nissan Performance Technology Incorporated), und siehe da: In den USA gelang es der sportlich angeschlagenen Marke gleich mehrmals, die mit Le Mans zur Triple Crown gehörenden Klassiker in Daytona und Sebring zu gewinnen! Mit diesem Rückenwind kehrte Nissan nach jahrelanger Absenz 1998 nach Le Mans zurück, wo mittlerweile die im weitesten Sinn von Strassensportwagen abgeleiteten GT1-Autos den Ton angaben. Mit 326 km/h waren die komplett neuen R390 zwar einmal mehr die Schnellsten auf den Geraden, doch über die Distanz fehlte der gewinnbringende Speed. Immerhin gab es den ersten und bis heute einzigen Podestplatz durch das an dritter Stelle klassierte Team Hoshino/Suzuki/Kageyama zu feiern. Zudem kamen alle fünf Nissan GT1 in den Top Ten ins Ziel, was das bisher beste Mannschaftsergebnis der Marke bedeutete. Die Ernüchterung folgte 1999 auf dem Fuss, als die beiden Nismo-Werkwagen ausschieden und nur der französische Konstrukteur Courage mit Nissan-Power im Heck als Sechster ein paar Kastanien aus dem Feuer holte. Um sich nicht weiterhin die Finger zu verbrennen, folgte eine weitere längere Pause, ehe Nissan 2012 mit dem Deltawing-Dreizylinder (siehe VECTURA #3) und im Vorjahr mit dem Zeod RC (Zero Emission On Demand Racing Car) ausser Konkurrenz nach Frankreich zurückkehrte. Beide Zukunftsprojekte sorgten ebenso für Aufsehen wie der neuerliche Auftritt in der Königsklasse LMP1 – mit bekanntem Ausgang. HERBST 2015 135
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Gemessen am bisher betriebenen Aufwand hätte Nissan einen Triumph in Le Mans mehr als verdient 1990 konnte Nissan den Sauber-Silberpfeilen in der Sportwagen-WM durchaus Paroli bieten, doch reichte es trotz Führungsrunden nie zum Sieg
Dass die Japaner gute Motoren bauen, bewiesen sie in anderen Rennkategorien. Wie erwähnt mit mehreren Meistertiteln in den USA und zudem – sehr wichtig fürs Prestige – im eigenen Land. 1991 entschied ein werkseitig eingesetzter Skyline GT-R die 24 Stunden von Spa für sich, und mit dem Nachfolgemodell holte 2011 ein französisches Kundenteam den Titel in der FIA-GT1-Weltmeisterschaft. In der laufenden Saison gelang einem GT-R GT3 der erste Gesamtsieg bei den 12 Stunden von Bathurst in Australien. Dem folgte im Juni der Triumph beim 1000-Kilometer-Rennen
Mit dem skurrilen Deltawing (2012) und dem emissionsfreien Zeod RC (2014) zeigte Nissan auf, was technisch möglich wäre
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von Le Castellet, das wie Spa als grösstes GT3-Rennen überhaupt zur Blancpain Endurance Series zählt. In der LMP2-Kategorie der Endurance-WM inklusive Le Mans dominieren seit Jahren jene Kundenteams, welche auf Nissan-Motoren vertrauen. Dieses 4,5-L-V8-Triebwerk vom Typ VK45DE basiert wie vom Reglement vorgeschrieben auf einem Serienmotor. Eigentlich schade also, dass Nissan mit dem konzeptionell so ganz andersartigen GT-R LM Nismo geradezu Imageschädigung betrieben hat. Der pompösen Ankündigung mittels ZehnMillionen-Dollar-Werbefilm während der Super-Bowl-Fernsehpause am 1. Februar folgte die für Ungläubigkeit sorgende Enthüllung des LMP1-Konzepts mit Frontmotor und primärem Vorderradantrieb. Woran bis 1972 insgesamt 128 Vorreiter 14 ver schiedener Marken gescheitert waren – warum sollte nun ausgerechnet Nissans Vorstoss Erfolg versprechen? In der Theorie mag er es bestenfalls tun, denn mangelnde Power, wenn sie denn einmal von funktionierender Hybridisierung unterstützt wird, war bei Nissan noch nie ein Thema. Doch ein schlankes Heck, das die Aerodynamik und den Abtrieb auf der Hinterachse begünstigt, streben auch alle anderen an. Deren Berechnungen zufolge sieht die Praxis aber anders aus, sonst würde niemand die vergleichsweise konventionellen Antriebskonfigurationen weiterentwickeln. Mit anderen Worten: Die Schonfrist ist vorbei. Wenn Nissan nicht weitere Millionen in ein zweifelhaftes PR-Projekt ohne Erfolgsaussichten versenken will, bleibt nur die Konzeptänderung oder der Rückzug. Es wäre ja nicht der erste, aber hoffentlich nicht auch der letzte Versuch gewesen, das Herz der grossen alten Dame zu erobern. Denn bei aller Kritik – gemessen am bisher betriebenen Aufwand hätte Nissan einen LMTriumph mehr als verdient. Das gilt übrigens auch für Toyota, wo man es seit mehr als 30 Jahren (!) versucht. Bisher gewann in Le Mans nur ein japanischer Hersteller – Mazda im Jahr 1991, und das dank elementarer Schützenhilfe des Team-beteiligten, mit allen Wassen gewaschenen französischen Oreca-Teams.
Eine Marke der Daimler AG
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AM RANDE DER RASEREI
DIE HOCHGESCHWINDIGKEITS STRECKE NARDÒ FEIERT GEBURTSTAG – UND BLICKT SEHR ZUVERSICHTLICH IN DIE ZUKUNFT Text Axel F. Busse · Fotos Davide Faggiano, Werk
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PERSPEKTIVE
W
as für Tennis-Fans der heilige Rasen von Wimbledon, ist für PS-Junkies die kreisrunde High-SpeedStrecke Pista di Nardò 20 Kilometer nordwestlich der gleichnamigen Stadt. Der Kurs gilt als schnellste Autobahn der Welt: Vollgas fahren, bis der Tank leer ist – das geht nur dort. Doch das Testgelände, das letzten Juli 40 Jahre alt wurde, hat noch viel mehr zu bieten als Tempo-Exzesse. Der junge Mann aus Albanien wähnte sich am Ziel seiner Träume: Gerade hatte er die Mauer überwunden und vor ihm lag die Asphaltpiste, die ihn in eine bessere Welt führen sollte. Er hielt den Daumen raus, doch das herannahende Sportcoupé schoss mit mehr als 300 Sachen knapp an ihm vorbei … Es sind Anekdoten wie diese, mit denen Cosimo Baldi ganze Abendgesellschaften bei Laune halten kann. Als ehemaliger Mitarbeiter des Technical Centers Nardò, wie die Anlage heute heisst, hat er allerhand Skurriles erlebt. Der ehemalige Polizist Baldi war von Beginn an dabei und hatte sich vom Wachmann am Tor bis zum Track Manager hochgedient, bevor er schliesslich für die gesamte Streckennutzung und -planung verantwortlich war.
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PERSPEKTIVE
Der Flüchtling von der anderen Seite der Adria, der die rund zwölf Kilometer lange Hochgeschwindigkeitspiste für eine Autobahn hielt, fand dann doch noch eine Mitfahrgelegenheit: auf der Rückbank eines Streifenwagens. Er hatte aber immerhin mehr Glück als der Hirsch, der sich einmal in den Innenbereich der «Pista Circolare» verirrte und erlegt werden musste. Zu gross war die Gefahr eines Wildunfalls mit 250 oder mehr Stundenkilometer. Die Geschichte des Testgeländes in der sonnenversengten Tristesse Apuliens, weit draussen am Absatz des italienischen Stiefels, beginnt in den frühen 1970er-Jahren mit einer Fehlplanung. Damals, als Atomkraft noch als unschuldig galt und man in Italien der Meinung war, dass ein Teilchenbeschleuniger zur Forcierung der Kernforschung genau das Richtige sei. Der Standort war schnell gefunden; im Nu wurden die nötigen Grundstücke erworben oder enteignet. «Dann aber entschied man sich zu einem Referendum», erinnert sich Francesco Nobile, heute einer von zwei Geschäftsführern des Centers, «die Atompläne fanden keine Mehrheit, einen Teilchenbeschleuniger brauchte es plötzlich nicht mehr.» Was also tun mit einer Anzahl kreisförmig angeordneter Grundstücke, wo zwischen den beiden Rändern rund vier Kilometer und zahlreiche Bauernhöfe liegen?
Ob mit dem 190E 2.3-16 (linke Seite) oder den Forschungsfahrzeugen C111-III (o.) und C111-IV (u.): Mercedes kam gerne nach Süditalien
Auf einem dieser Höfe lebte Cosimo Baldis Familie. Viehzucht, Getreide und Oliven stellen die Haupteinnahmequellen der Menschen dort dar. Und seit Mitte 1975 das Geschäft mit dem High-SpeedDonut und seinen Nebenanlagen. Der Fiat-Konzern, damals noch mit zahlreichen Baureihen und ordentlich gefüllter Kasse gesegnet, hatte sich nach einigem Hin und Her erbarmt, das Gelände zwischen den Ortschaften Avetrana und Veglie zu übernehmen und einen Automobil-Erprobungsbetrieb aufzubauen. Auch VW war mehrfach in Nardò. Hier wird das ARVW (Aerodynamic Research Volkswagen) 1980 auf seine Diesel-Rekordfahrten vorbereitet
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PERSPEKTIVE
Fiat-Erzeugnisse sollten dort ebenso getestet werden wie Lastwagen und die Pw anderer Hersteller. Handling- und Rüttelkurse, Geländepisten und Verschränkungsbahnen wurden angelegt, Werkstätten und Wartungshallen aufgebaut. Ein paar Dutzend feste Arbeitsplätze für Einheimische entstanden; dazu sorgten Fahrer und Ingenieure von Autofirmen, die Nardò für eigene Tests mieteten, in den umliegenden Hotels und Gaststätten für Umsatz. Viele europäische Hersteller gaben und geben sich in Nardò die Klinke in die Hand. Renault und Peugeot haben dort oft getestet, Fiat und seine Konzernmarken selbstverständlich, Porsche und Mercedes ebenso wie Lw-Produzenten von MAN bis Scania. In den vergangenen Monaten konnte man zum Beispiel getarnte Prototypen des Alfa Romeo Giulia oder die geliftete Baureihe 991 von Porsche beobachten, auch Bentleys Luxus-SUV Bentayga war schon hier. Für die unweigerlich wachsende Zahl elektrifizierter Fahrzeuge hat der Betreiber gerade zusätzliche Ladestationen installieren lassen. Parallel zum Neuwagen-Malträtieren im Mezzogiorno entwickelte sich die Jagd nach immer neuen Rekorden, denn die Kreispiste hat etwas zu bieten, was es anderswo auf der Welt nicht gibt. Ihr Aussenrand ist um zwölf Grad zur Mitte geneigt, was erheblichen Einfluss auf die Fahrphysik hat. Ist man dort mit 200 km/h oder mehr unterwegs, braucht es keinen Lenkeinschlag, um der 12,6 Kilometer langen Spur zu folgen. Die lateralen Kräfte werden durch die Schrägneigung aufgehoben, sodass man bis zu 240 km/h sehr entspannt seine Bahnen ziehen kann.
Porsche mit dem 928 S (1982), Lamborghini mit dem Diablo (1990), Bertone mit dem Elektrofahrzeug Z.E.R. (1994) oder Volkswagen mit dem «W12 Nardo» genannten Supersportwagen-Prototyp (2002): Sie alle und viele andere schrieben in Nardò Automobilgeschichte
Mit dem Ehrgeiz, noch deutlich schneller zu fahren als anderswo und andere, kamen viele nach Nardò. Entsprechend lang ist die Liste der Rekorde, die, verewigt auf einer grossen Tafel, am Eingang zum Gelände stehen. Spitzenleistungen können eine komplizierte Sache sein, denn natürlich geht es nicht nur um die reinen Stundenkilometer. Die Bestzeit eines Benziners muss anders gewertet werden als die eines mit Erdgas oder mit Strom angetriebenen Fahrzeugs. Erreicht der Proband das Toptempo nur für einen Moment oder kann er es rund um die Uhr halten? So werden Weltrekorde sortiert und archiviert. Keine Bestenliste kommt ohne den 500 PS starken Mercedes C 111-IV aus, der hier am 5. Mai 1979 nicht einmal zwei Minuten für eine fliegende Runde brauchte. Sein Tempo: fast 404 km/h. Mit genau 100 Stundenkilometer weniger, dafür aber vollkommen emissionsfrei, umrundete Oscar de Vita 1994 die Strecke. Er benutzte dabei ein zigarrenförmiges Elektromobil namens Z.E.R., das unter der Ägide des Designbüros Bertone entstand. Nachdem Fiat die Lust an der Anlage sowie deren aufwendigem Unterhalt verloren hatte und auch die ausgegliederte Prototipi SpA nicht mehr genügend Mittel aus der Vermietung erwirtschaften konnte, bekam schliesslich ein Banken-Konsortium die Verfügungsgewalt über 700 Hektar Fläche und die insgesamt 70 Kilometer Piste. Die Banker wollten die Immobilie baldmöglichst wieder loswerden, aber nicht um jeden Preis. Erst mit Porsche Engineering wurde man handelseinig: Das Unternehmen ist zwar nicht so bekannt wie der Zuffenhausener Sportwagenhersteller, hat aber deutlich mehr Historie zu bieten, denn das Konstruktionsbüro von Ferdinand Porsche existierte bereits 1931 und verkaufte seine Dienste an verschiedene Auftraggeber. Das erste eigene Automobil brachte die Firma, die seinen Namen trägt, dagegen erst Mitte 1948 heraus.
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Nachdem die Tedesci die Liegenschaft im Mai 2012 von der Prototipi SpA übernommen hatten (über die Kaufsumme oder eventuelle Arbeitsplatz-Zusagen an den italienischen Staat möchte Porsche nicht sprechen), zog wieder etwas Kontinuität auf dem Gelände ein. Auch unter den neuen Eigentümern steht Nardò weiterhin allen Herstellern offen, die dort testen wollen. Die Bedingungen sind günstig, weil aufgrund des milden Klimas ganzjähriges Fahren mit Sommerreifen möglich ist, aber auch die Simulation unterschiedlicher Wetterbedingungen – theoretisch in drei Schichten täglich, und das rund um die Uhr. «In manchen Wochen sind es 600 Menschen, die hier als Gäste auf dem Gelände ihrer Arbeit nachgehen», beschreibt Edmund Sander, zweiter Geschäftsführer der Nardò-Betreibergesellschaft, die aktuelle Situation. Doch noch stecken er und seine inzwischen rund 120 Mitarbeiter in einem umfangreichen Renovierungs- und Sanierungsplan, der einerseits die Wiederherstellung des teils angegriffenen Asphalt- und Betonbelags vorsieht, andererseits die Anpassung der logistischen Einrichtungen und Wartungshallen auf moderne Standards. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau der Sicherheitseinrichtungen. Das ist der Acker, auf dem Matthias Wollenheit schon tiefe Furchen gepflügt hat. Er ist nicht nur ausgebildeter Rettungsassistent und hat daheim in Deutschland bei einer Berufsfeuerwehr gedient, sondern hat sich als Werkstudent auch wissenschaftlich mit der Analyse des Gefahrenpotentials solch einer Erprobungsstätte befasst. Am Ende der mehrmonatigen Recherche stand ein Sicherheitskonzept, das unter anderem zum Bau von drei sehr speziellen Porsche Cayenne führte. «Dass zahlungsund PS-kräftige Kunden mit Strandlatschen und ohne Helm auf die Runde gehen, können und wollen wir uns nicht mehr leisten», unterstreicht Sander kategorisch. Die Nardò-Cayenne auf GTS-Basis werden als Notarzt-, Erstlösch- und technisches Hilfsfahrzeug gebraucht. In Letzterem befindet sich eine umfangreiche Werkzeug-Ausrüstung aus Metallscheren, Spreizern, Hydraulikzangen und Luftdruckstempeln, um Verletzte im Ernstfall schnell aus einem zerbeulten Wrack bergen
zu können. Vorn über der Standardkonsole ist ein Tablet-PC montiert, in dem Wollenheit spektakuläre Geheimnisse aufbewahrt. Denn die Hersteller, die mit ihren Prototypen nach Nardò kommen, müssen Konstruktions- und Karosseriedaten preisgeben, damit die Betriebsfeuerwehr bei einer Havarie weiss, wo zum Beispiel die B-Säule gekappt werden kann und wo nicht. «Besonders bei Hybrid- und Elektrofahrzeugen gibt es Bereiche, in denen man keine Schere ansetzen sollte», erläutert Wollenheit. Zum Ernstfall ist es zum Glück noch nicht gekommen, aber wenn es einmal so weit ist, wissen der 34-Jährige und seine Helfer genau über das verunglückte Fahrzeug Bescheid. Ebenso wie die Feuerwehr müssen die Erstversorger von Verletzten geschult werden. Erst seit Kurzem in Betrieb ist das Medical Center, in dem zwei Rettungsassistenten abwechselnd 24-Stunden-Schichten schieben. Viel los ist in ihrem Job nicht, aber sie wissen auch, dass ihre Langeweile gleichbedeutend ist mit der körperlichen Unversehrtheit aller, die draussen auf dem
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Track über den Handling-Kurs jagen oder Geländewagen über die ausgedörrten Schotterpisten treten. Ziel der Rettungsausbildung ist es, innerhalb von drei Minuten an jedem beliebigen Punkt des Geländes zu sein, um die Erstversorgung effizient vorzunehmen und, falls nötig, den Weitertransport in ein nahe gelegenes Krankenhaus zu bewerkstelligen. Die «Erlkönige», deren crash-relevanten Daten von Wollenheit verwaltet werden, ziehen immer wieder Neugierige an. Es sind Profis auf der Suche nach einem gut verkäuflichen Schnappschuss – oder Amateure, die einfach aus Neugier über Zäune und Mauern klettern, um einen Blick auf die neuesten Modelle zu erhaschen. Cosimo Baldi, als Werkschützer immer mit offenen Augen unterwegs, musste dabei auch schon Niederlagen einstecken. Als er einen am Zaun dingfest gemachten Späher
der Polizei übergeben wollte, belehrte man ihn, dass der Blick durch den Zaun keine Verletzung der Betreiberrechte darstelle. Vielmehr habe der dafür zu sorgen, dass der Betrieb vor ungebetenen Beobachtern geschützt wird. «Grössere Probleme haben wir in den letzten Jahren eigentlich nicht gehabt», resümiert Edmund Sander, «aber wir wissen, wo Lücken bestehen, und die werden zügig geschlossen.» Das Engagement von Porsche Engineering hat auch eine beruhigende soziale Komponente, denn die Bevölkerung der Provinz Lecce traut dem Vorzeigeunternehmen in Sachen Wirtschaft mehr zu als der eigenen Regierung. So ist die Stimmung rund um die Rundstrecke zuversichtlicher als in anderen Teilen Süditaliens – und dürfte mit dafür sorgen, dass schnelle Autos auch weiterhin unbehelligt ihre Runden drehen können.
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NACHGEHAKT
«OPTISCH UNINTERESSANTE UMGEBUNG ERSETZEN» NEIN, DER ED TORQ TRÄGT KEIN STUFENHECK. STATTDESSEN SOLL ER PLAYSTATION-SIMULATIONEN MIT REALEN FAHRERLEBNISSEN VERSCHMELZEN. SEIN ERFINDER ERKLÄRT ES UNS Text und Fragen map · Fotos Werk, DLR-Archiv
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Mike, beim letzten Genfer Salon haben Sie mit dem Torq ein Konzept im Bionic Design präsentiert. Ist das die logische Fortsetzung Ihrer Bertone-Studien Pandion und Nuccio? Ich hatte schon immer ein Faible für Bio-Design, was man auch beim Pandion sehen konnte; der Nuccio wies lediglich eine hochstabile Dachstruktur auf. Die Torq-Form ist von einem tauchenden Wanderfalken, dem schnellsten Vogel überhaupt, inspiriert. Man könnte auch Bezug nehmen auf einen Fisch, mit messerscharfen Kanten und Finnen auf einem schnittigen Körper. Das völlige Weglassen von Glasflächen erlaubte uns viel mehr Freiheiten, um eine bewusst Automobil-untypische Linienführung zu erreichen. Eine aktive Aerodynamik gehörte zu den Schlüsselelementen der ersten Entwürfe, um bei der Luftführung um die Kabine neue Wege zu erschliessen. In der Formel 1 wird das mit offenen Cockpits gemacht, aber für Personenwagen von morgen ist das unpraktisch und keine Option. Ich glaube, dass das Ergebnis unserer Überlegungen schlicht spektakulär, sehr provokativ und voller neuer Design-Ansätze ist. Eine Frage zum Gewicht: Sind die im Cockpit verwendeten Monitore leichter als Glas? Anstelle von Fernsehern, die ein Vielfaches von Glas wiegen würden, benutzen wir ultradünne, flexible OLED-Folien. Sie werden auf die Innenseite «tapeziert», was nicht nur Gewicht spart, sondern auch weitere Vorteile hat – beispielsweise den digitalen Aspekt. Dank ihm können wir mittels 360°-Kameras nicht nur die Fahrzeugumgebung abbilden, sondern diese Bilder auch elektronisch augmentieren, also mit Zusatzinformationen anreichern. Diese können wahlweise leistungsorientiert sein wie in einem Rennwagen oder strategisch-taktisch, auf den Menschen bezogen und so weiter – alles in Echtzeit. Wenn dieses fensterlose 360°-Panorama vom Rennauto-Szenario des Torq auf Personenwagen übertragen wird, woran wir derzeit arbeiten, kann man gleichzeitig auch unglaubliche Video-Inhalte anbieten, um eine optisch uninteressante Umgebung zu ersetzen. Da entsteht eine neue, milliardenschwere Industrie, die nicht nur
Michael Vernon Robinson (59) zählt zu den wenigen US-amerikanischen Automobildesignern, die ausserhalb der Vereinigten Staaten Karriere gemacht haben. Während seines Architektur-Studiums in Kent/Washington, das er mit Abschlüssen in Kunst (1978) und Industriedesign (1979, inklusive Volvo-Praktikum) abschliessen sollte, sah er ein Foto der Bertone-Studie Lancia Stratos Prototipo Zero: Robinson war spontan begeistert, wandte sich daraufhin dem Automobil zu und absolvierte 1978 ein Design-Praktikum bei Ford in Dearborn. Die Arbeitsweise dort empfand er jedoch als derart desillusionierend, dass er die USA sofort nach dem College verliess und nach Norditalien zog, wo er 1980 zunächst als Junior-Stylist bei Open Design unterkam. Engagements bei Aldo Sessano (Mitsubishi), Renault und Ghia (Vignale TSX-4) folgten, bevor der gebürtige Kalifornier 1986 auf Anregung seines Kollegen Chris Bangle zu Fiat stiess, dort 1988 den ersten europäischen Virtual-RealityRaum der Branche einrichtete und 1992 zum Chef Interieur-Design aufstieg. Der Innenraum der Baureihen Bravo/Brava, Autos des Jahres 1995, stammt von ihm. 1996 wurde Robinson zum Lancia-Designchef ernannt; die Studien Dialogos (1998), Nea (2000) und Giubileo (Papamobil, 2000) gehen ebenso auf sein Konto wie die Serienmodelle Thesis (2002) und Ypsilon I (2003). Von 2001 bis 2009 verantwortete er dann das Fiat-Design und prägt u.a. mit dem Erfolgs-Transporter Ducato III (2006) das europäische Strassenbild. Dann zog es ihn in gleicher Position zu Bertone – ein Traumjob für jeden Automobildesigner. Die Studien Alfa Romeo Pandion (2010), Jaguar B99 (2011), Nuccio (ohne Heckscheibe, dafür mit Kameras und Bildschirmen; 2012), das chinesische SUV-Konzept BAIC C51X (2012), der Serien-SUV FAW Besturn X80 (2013), das Einzelstück Aston Martin Jet 2+2 (2013) und die BAIC-Limousine Senova D50 (Serienstart 2014), aber auch der Helikopter-Prototyp Project
für Autos, sondern auch für fensterlose Züge, Flugzeuge und sogar Häuser produziert. Hat die relativ hohe Doppeldecker-Konfiguration ergonomische Gründe oder beinhaltet sie eine eigene Etage für den Antriebsstrang? Na ja, «hoch» scheint mir angesichts von 110 Zentimeter nicht angemessen; ein Lamborghini Aventador misst hier 113 cm! Die beiden Torq-Insassen liegen gewissermassen auf zwei Chaiselongue-Sesseln. Das Zwei-Komponenten-Chassis-Layout wurde tatsächlich erstellt, um auf der unteren, Skateboard-artigen Etage vier Elektromotoren, die Batterien sowie Federung, Reifen und alle aktiven «Ground Effect»-Elemente aufzunehmen. Die darüber liegende Fahrgastzelle ist dagegen so windschlüpfrig wie möglich. Hier hilft vor allem der Glas-Verzicht, um eine aufregendere Gestaltungs-Generation zu erreichen, als das bei konventionellen Sportwagen heute möglich ist. In welchem Stadium befindet sich der aerodynamische Feinschliff des Torq? Wir verbrachten viel Zeit im virtuellen Windkanal, um die Form zu optimieren. Die Ergebnisse sind noch nicht vollständig, das Fahrzeug braucht vorne und hinten noch mehr Abtrieb, aber der gesamte Strömungswiderstand ist aussergewöhnlich niedrig, selbst für einen Hochgeschwindigkeitsrennwagen. Der Torq erinnert mich an die Zeichnungen von Daniel Simon – steht perfekte Aerodynamik gleichbedeutend für eine neue Uniformität? Daniel Simon ist ein sehr talentierter Designer und seine wunderbaren Bücher sind zweifellos eine Inspiration für alle Automobildesigner. Seine Entwürfe haben allerdings nichts mit der Entwicklung des Torq zu tun. Meine Designer haben keine Autos studiert, sondern die Natur – wir sprachen ja bereits von Falken und Fischen. Sie suchten etwas, das noch nicht existierte. Die Tatsache, dass wir, Simon und ein Syd Mead futuristisch denken,
Zero für Agusta oder die Aussen- und Innengestaltung des Hochgeschwindigkeitszugs Frecciarossa 1000 für Bombardier/Ansaldo Breda zeigten noch einmal, wozu die Karosserieschmiede fähig war, bevor sie im Chaos versank. Mit dem Bertone-Untergang wurde auch Robinson, der 2011 in die italienische Hall of Fame des Automobildesigns aufgenommen worden war, über Nacht arbeitslos. Allerdings nicht lange: ED Design stellte ihn als CEO und Design-Direktor ein, er nahm viele Ex-Bertone-Kollegen mit; 2014 entwarf er mit ihnen die BAIC-Studie Senova D60 Aero, aus der kürzlich das Serienmodell Senova CC geworden ist. Auch der auf den BAIC C51X zurückzuführende Senova X55 wird ab diesem Jahr gebaut; in China geniesst Robinson längst Kultstatus. Parallel ist er ein gefragter Redner bei Innovations-Veranstaltungen – nicht zuletzt, weil er die automobile Digitalisierung als idealen Weg in eine unfallfreie Zukunft betrachtet.
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NACHGEHAKT
stellt uns drei zwar in die gleiche Kategorie. Aber dort enden auch die Ähnlichkeiten, weil jeder einen ganz anderen Ansatz verfolgt. Hat ED den Torq wie bei Local Motors als Open-Source-Projekt angelegt? Das «Torq Mobile Laboratory» weist eine offene Architektur auf, damit sich viele Forschungsinstitute beteiligen können. Doch anders als beim Local-Motors-Ansatz, der Studenten dazu ermuntert, ihre Ideen einzusenden, die dann in einem Organisch geformte, besonders strömungseffiziente Fahrzeuge gibt es seit vielen Jahrzehnten. Der oben gezeigte siebensitzige Schlörwagen datiert von 1939 und blieb ein Unikat. Heute stehen den Entwicklern komplexe Berechnungsverfahren zur Verfügung
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Abstimmungsverfahren ausgewählt werden, sind wir nicht auf der Suche nach neuen Design- oder Entwicklungsvorschlägen. Sondern möchten 20, 50 oder sogar 100 identische Repliken des Genf-Autos bauen, um die dann an Hersteller, Erstausrüster, Forschungsinstitute, Universitäten und selbst an Gesetzgeber zu verleasen. Diese Partner sind dann ihrerseits in der Lage, Nutzerfahrungs-Experimente durchzuführen, neue Apps auszuprobieren und vielleicht zum ersten Mal ein Level-4-Fahrzeug – autonom und ohne Lenkrad – auszuprobieren. Alle diese Untersuchungen werden in einer zentralen Datenbank bei ED gespeichert und monatlich ausgewertet, um die Ergebnisse zu erklären, die nicht durch Geheimhaltungsverträge geschützt sind. Ziel ist es, die Entwicklung und Serienreife autonomer Fahrzeuge schneller und weiter voranzutreiben als ursprünglich geplant. ED hat allerdings nicht vor, derart innovative Automobile zu fertigen. Das werden wohl grosse Hersteller oder IT-Unternehmen tun, sobald derartige Fahrzeuge ausgereift sind und auf öffentlichen Strassen bewegt werden dürfen. Sind Teile des Fahrzeugs im 3D-Drucker entstanden? 3D-Druck ist zweifellos faszinierend, aber derzeit scheint er mehr
auf Studenten ausgerichtet sein als darauf, echte Autos her zustellen. Meiner Erfahrung nach ist 3D-Druck sehr schnell, aber auch sehr teuer und noch nicht in der Lage, strukturelle Anforderungen zu erfüllen, die heute an ein Strassenfahrzeug gestellt werden. Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologie nehmen allerdings auch rasant zu, sie wird hoffentlich insgesamt billiger und bringt robustere Produkte hervor. Die aktuelle Batterietechnologie entwickelt sich ja auch weiter und ist hoffentlich bald in der Lage, unsere ehrgeizigen Anforderungen zu erfüllen. Wer liefert den Antriebsstrang des Torq und wann wird es einen fahrbaren Prototyp geben? Wir arbeiten mit einem italienischen Elektromotorenhersteller an einer interessanten Antriebslösung. Die vier E-Motoren haben je 80 kW, insgesamt stehen also 320 kW zur Verfügung, sprich rund 480 PS und 1800 Nm Drehmoment. Zum Vergleich: Moderne F1 haben rund 1000 Nm, daher auch unser Name «Torq». Die Probefahrt eines voll funktionsfähigen Prototyps auf einer Rennstrecke ist für Januar 2016 geplant, bevor das weiterent wickelte Fahrzeug dann in Genf gezeigt werden wird.
Die Weiterentwicklung des Torq soll die Markteinführung autonomer Fahrzeuge beschleunigen
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PACIFIC CRUISING
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WÄHREND ES IN EUROPA KÄLTER WIRD, IST DIE KALIFORNISCHE AUTO-SAISON NOCH LANGE NICHT ZU ENDE. BESONDERS KULTIG WIRD ES NACH EINBRUCH DER DUNKELHEIT Text und Fotos www.timmaxeiner.com
STREET ART
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A
m Ende der Hauptstrasse von San Pedro, dort, wo Palmen die Strassenlaternen ablösen und die Sackgasse abrupt am Meer endet, lebt Donald Galaz seinen ganz eigenen automobilen Traum. Auf einem Hocker sitzt er vor dem Garagentor. In seiner Werkstatt hängen alte Nummernschilder zwischen Werkzeugen und Fotos von vergangenen CarShows an den Wänden. Der Boden ist genauso ölverschmiert wie Donalds Hände. Neben seinem Chevy 1950 «Five Window Custom» haben Freunde ihre Sammlerstücke abgestellt: ein Chevrolet El Camino Big Block von 1967, ein Chevy Impala Wagon Baujahr 62, ein 1970er Pontiac GTO. Auch der alte Chevy 1952 seines Stiefvaters hat hier eine Heimat gefunden. Donalds ganzer Stolz aber steht draussen auf der Strasse – ein Chevy 1941 Deluxe Special Hot Rod, der sogar einen eigenen Namen trägt: «Donco» steht für «Donald Company». «Wir sind ein Haufen Mexikaner, die es lieben, an ihren Autos zu schrauben», erzählt Galaz, «Autos sind Teil unserer Kultur, wir sind mit ihnen aufgewachsen.» Sein erster Wagen war ein Geschenk von seinem Stiefvater; Donald war damals 15 Jahre alt. «Es ist ein 1950 Chevy Pickup-Truck gewesen», erinnert er sich. Oder besser: Es waren dessen sterbliche Reste auf platten Reifen. Das Ding stand in einem Hinterhof und rostete vor sich hin. Sein Stiefvater erstand den Schrotthaufen für 300 Dollar und Donald richtete ihn in mühsamer Arbeit wieder her. «Ich mag es, wenn ein Auto bis auf den Rahmen demontiert werden muss und man es komplett neu aufbaut», sagt er und schwärmt von jenem Moment, «in dem man den Motor zum ersten Mal anlässt und dann mit eigener Kraft aus der Garage rollt». Der Stapellauf gewissermassen.
Donalds Hot Rod gehört zur Sub-Species der «Rat Rods» mit minimalistischem, rohem Erscheinungsbild in Rattengrau. Flugrost auf den ehemaligen Chromteilen sorgt für Patina und die Motorhaube fehlt gleich ganz. Das macht den Blick frei auf den Acht zylinder mit den doppelten Vierfachvergasern. Die Lufttrichter sind jeweils so gross wie eine Spaghetti-Schüssel. Donald hat gerade das Fein-Tuning erledigt. «It’s set to kill», sagt er stolz. Wenn der 42-Jährige vor seiner Werkstatt auf der Strasse steht, dann winkt oder hupt fast jeder Vorbeifahrende freundlich. «Alle hier lieben den Cruise zur Küste hinaus», schwärmt Donald. Im August trifft sich die L.A.-Autoszene zur «Legends Car Show by the Sea» im nahe gelegenen Point Fermin Park. Der liegt oben auf den Klippen und bietet an guten Tagen eine Aussicht bis nach Catalina Island. Um den Leuchtturm herum versammeln sich dann hunderte automobile Schätze aus ganz Los Angeles. In der Nacht davor bittet die San-Pedro-Szene zur Cruise Night. Viele fahren dann die zentrale Pacific Avenue auf und ab, andere parken ihre Schlitten am Strassenrand und packen Campingstühle und Kühlboxen aus. Vor den Werkstätten und Schrauberläden werden riesige BBQs aufgebaut und an den Taco-Trucks bilden sich lange Schlangen. Der Sound der grossvolumigen Motoren vermischt sich mit mexikanischem Gesang, der aus grossen Boxen vom Cabrillo-Top-Shop herüberweht. Auch die letzte Dive Bar ist bis zum Anschlag voll, die Leute stehen mit ihren Getränken auf der Strasse. Lowrider, Classic-Cars und Hot Rods konkurrieren um die Aufmerksamkeit der Passanten. Und Donald ist mit seinem Chevy Hot Rod mittendrin.
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Pacific Avenue – das ist eine salzige Meerbrise im Norden von Los Angeles, der Geruch von Öl-Raffinerien im Süden, die Hafenkräne im Osten, der Hügel der Palos-Verdes-Halbinsel im Westen. Dazwischen eine Mischung aus verschiedenen Baustilen, Holzhäusern, Apartment-Blöcken aus den 1940er-Jahren. Und natürlich die charakteristische Los-Angeles-«Schuhschachtel»Architektur. San Pedro ist das Hafenviertel der Millionenmetropole und die Pacific Avenue seine Hauptschlagader. Das Strassenbild hat sich mit der Zeit verändert; vor einem halben Jahrhundert lebte die Küstengemeinde gut von der Fischerei und den Sardinenfabriken im Hafen. Der Militärstützpunkt Fort MacArthur kurbelte die lokale Wirtschaft an. Wo sich heute grosse Shopping-Center ausbreiten, lagen damals oft noch weite Felder. Wer im Fotoarchiv der San Pedro Bay Historical Society stöbert, entdeckt eine Pacific Avenue mit kleinen, selbstständigen Geschäften. «Mom&Pop»-Stores an jeder Ecke, Schuhgeschäft, Fernseh-Elektroladen, Damenmode-Geschäft, Bäckerei und Buchladen sind auf den Schwarz-Weiss-Fotos festgehalten. Für den Auto-Liebhaber haben die Aufnahmen einen ganz besonderen Charme. Vor den Geschäften parken die Klassiker von heute – Chevys, Fords und Cadillacs stehen völlig selbst verständlich Stossstange an Stossstange. Die Fischereiflotte gehört längst der Vergangenheit an, auch das Militär hat sich zurückgezogen und viele der alten Geschäfte gibt es nicht mehr. Doch San Pedro bemüht sich um ein Comeback und dabei spielt die Pacific Avenue eine grosse Rolle. Die
Strasse hat ihre Atmosphäre bewahrt, und wer die drei Meilen von Barton Hill im Norden bis zum Point Fermin im Süden zurücklegt, sichtet auch heute noch viele Autos aus der damaligen Zeit. So leistet die Car Scene ihren ganz persönlichen Beitrag zur Aufwertung des Viertels. Es sollen ehemalige Soldaten gewesen sein, die in den späten 1940er-Jahren die Hot Rods erfanden – als kostengünstige Möglichkeit, mit billig aufgemotzten Vorkriegsfahrzeugen oftmals illegale Autorennen zu veranstalten. Über den Ursprung des Namens streiten sich die Gelehrten: «Rod» heisst beim Auto der Pleuel, ist aber auch ein Slang-Wort für Pistole. Auf jeden Fall waren Hot Rods die billigste Möglichkeit, Autorennen zu fahren. Jedes überflüssige Teil wurde abmontiert, um Gewicht zu sparen. Und dann wurde ein überdimensionierter V8-Motor installiert. «Ich führe Donco da draussen vor, damit die Kids neugierig werden», sagt Donald. Wenn sie möchten, versucht er, ihnen die «basic skills» beizubringen: «Ich habe hier eine Open-DoorPolicy», erzählt er: «Ein junger Mensch, der Rat für sein Auto braucht, kann reinkommen und ich helfe ihm, so gut ich kann.» Für Donald ist das ein «Community Service», ein Dienst im Sinne der Allgemeinheit: «Wenn ich denen ein Werkzeug in die Hand gebe, hoffe ich, dass sie das besser finden als Gangs oder Drogen.» Ein grosses Kompliment macht ihm übrigens der zweijährige Sohn seiner Freundin Megan. Wenn Connor ein altes Auto sieht, sagt er einfach nur: «Donald».
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Cruise Night auf dem «Strip» von San Pedro: Hier trifft sich die US-Autokultur. Vom Shiner über Low Rider bis Rat Look ist alles dabei
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Tradition meets Innovation
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Herausgeberin Prestige Media International AG Verleger Francesco J. Ciringione cf@ prestigemedia.ch Verlagsleitung Boris Jaeggi b.jaeggi@ prestigemedia.ch Chefredaktor Matthias Pfannmüller (map) m.pfannmueller@ prestigemedia.ch Marketing- und Anzeigenleitung sales@ prestigemedia.ch Gestaltung Corinna Kost Autoren dieser Ausgabe Simon Baumann, Gisbert L. Brunner, Axel F. Busse, Claus Engler, Stefan Fritschi, Peer Günther, Hubertus Hoslin, Thomas Imhof, Yumi Kawabata, Stefan Lüscher, Byron Mathioudakis, Tim Maxeiner, Wolfgang Peters, Mark Stehrenberger, Peter Wyss Fotografen (Illustratoren) dieser Ausgabe Christian Bittmann, Davide Faggiano, Luuk van Kaathoven, Akio Koga, Bill Kona, Tim Maxeiner, Jamey Price, (Mark Stehrenberger), Ian G.C. White, Junya Yamauchi, Franco Zagari Lektorat Andreas Probst Produktionsleitung Corinna Kost c.kost@ prestigemedia.ch Verlag / Produktion Prestige Media International AG, St. Jakob-Strasse 110, CH-4132 Muttenz / Basel Telefon +41 (0) 61 335 60 80 Telefax +41 (0) 61 335 60 88 info@prestigemedia.ch www.prestigemedia.ch www.prestigenews.ch Web & IT Dejan Djokic Koordination Laura Giarratana Abo-Service Serpil Dursun Telefon +41 (0) 61 335 60 80 info@prestigemedia.ch Einzelnummer CHF 10.– Jahresabo CHF 39.– Erscheinungsweise vierteljährlich Auflage 20 500 Exemplare WEMF / REMP-beglaubigt (2014) 16 375 Ex.
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Titelfoto und -film Werk
#16 160 VECTURA #16
VECTURA #17
erscheint im Dezember 2015
DER NEUE
OUTBACK 4x4.
DENKT MIT.
Adaptiver Tempomat Spurwechsel- und Spurhalteassistent Notbremsassistent Kollisionsschutz- und Anfahrassistent
AB FR. 34’500.–.
*OUTBACK-MODELLE MIT EYESIGHT AB FR. 40’950.–.
Die beispielhafte Verkörperung der Subaru-Maxime «Power & Control». Kräftig und dynamisch. Stylisch (neues Design) und komfortabel (zum Beispiel Top Audio-Anlage). Der sicherste Outback aller Zeiten mit Symmetrical AWD, X-Mode für noch bessere Traktion, Hill Descent Control Bergabfahrhilfe und neu EyeSight, dem proaktiven, vom IIHS als bestes Crash-Präventions-System ausgezeichneten Fahrassistenten für heikle Situationen. *Abgebildetes Modell: Outback 2.5i AWD Swiss, Lineartronic, 5-türig, 175 PS, Energieeffizienzkategorie F, CO 2 161 g/km, Verbrauch gesamt 7,0 l/100 km, Fr. 41’850.– (inkl. Metallic-Farbe). Outback 2.0D AWD Advantage, man., 5-türig, 150 PS, Energieeffizienzkategorie C, CO 2 145 g/km, Verbrauch gesamt 5,6 l/100 km, Benzinäquivalent 6,3 l/100 km, Fr. 34’500.– (mit Farbe Venetian Red Pearl).
www.subaru.ch SUBARU Schweiz AG, 5745 Safenwil, Tel. 062 788 89 00. Subaru-Vertreter: rund 200. www.multilease.ch. Unverbindliche Preisempfehlung netto, inkl. 8% MWSt. Preisänderungen vorbehalten. Durchschnitt aller in der Schweiz verkauften Neuwagenmodelle (markenübergreifend): CO 2 144 g/km.