VECTURA #10

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[ lat.: das Fahren]

#10 | Frühling 2014

Hype um den Super-Hybriden

McLAREN P1

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EDITORIAL

Matthias Pfannmüller, Chefredaktor

VECTURA #10

S P O R T

EDI T ION

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ie öffentliche Meinung zum Automobil war schon mal eine bessere. Trotzdem: Sportwagen sind nicht totzukriegen – praktisch jeder Hersteller hat mindestens ­einen im Programm. Und wenn ehemals reinrassige Vollgas-­ Produzenten wie Porsche inzwischen mehrheitlich SUV bauen, fallen diese selbstverständlich auch sehr flott aus. Was macht sportliche Autos so begehrenswert? Zunächst einmal das Attribut selbst. Wollen wir nicht alle schön, straff und agil sein? Jugendliches Auftreten symbolisiert Vitalität und wer rastet, der rostet – das gilt für Mensch wie für Maschine. Sportive Fahrzeuge drängen nach vorne, sie sind schneller als der Durchschnitt und erhöhen Bewegung zu einer olympischen Geisteshaltung. Kurz: Wer einen Sportwagen fährt, hat scheinbar schon gewonnen. Die Konditionierung erfolgt durch gesellschaftliche Normen – und den motorsportlichen Wettbewerb. Der ist ein Faszinosum der industriellen Neuzeit, mit viel Stoff für Triumphe und Tragödien. Helden der Rundstrecke werden verehrt wie einst Gladiatoren in der Antike und sie leben nach wie vor gefährlicher als jene Leute, die ihre Biografien lesen. Jeder echte Rennsportfan hat hier seine ganz persönlichen Vollgas-Lieblinge, und wir merken: Automobile Sportlichkeit ist auch eine sehr subjektive Angelegenheit. Folglich ist bei den Händlern für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas Passendes dabei – vom brettharten Konditionstraining bis hin zum Nachrüst-Seitenschweller. Das Phänomen «Strassensport» ist dehnbar und allgegenwärtig. Kleinwagen-Sonderserien mit Heckspoiler oder «GT»-Kürzel sind an der Tagesordnung. Die durchschnittliche Leistung in der Schweiz zugelassener Personenwagen liegt inzwischen bei 143 PS und markiert den EuropaRekord; 1990 waren es noch 110 PS. Parallel sind die Hubräume insgesamt gesunken – nur bei Motoren mit einer Kapazität von über 2,5 Liter steigen sie wieder an. Es gibt also genügend gute Gründe, sich mal mit etwas schnelleren Fortbewegungsmitteln zu beschäftigen. In dieser Ausgabe nähern wir uns ihnen aus verschiedenen Blickwinkeln und gelegentlich auch kritisch, verzichten aber bewusst auf Antagonisten: Alle behandelten Fahrzeuge nehmen eine gewisse Dynamik für sich in Anspruch. Das ist sicher auch im Sinne von Ferry Porsche, der einst sagte: «Das letzte Auto, das je gebaut werden wird, wird ein Sportwagen sein!» FRÜHLING 2014 003


INHALT #10

EDITORIAL

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KRAFT DER ZWEI HERZEN Im Porsche Panamera S e-Hybrid verschmelzen Weltanschauungen und Technologien zu einer der spannendsten Sportlimousinen unserer Tage

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STÄRKER DENN JE Der Seat Leon Eurocup verspricht erneut heisse Wettkämpfe in ganz Europa

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BRASILIANISCHER NATIONALHELD Der dreifache F1-Weltmeister Ayrton Senna wäre inzwischen 54 Jahre alt. Erinnerungen an einen Rennfahrer, der niemanden kalt liess

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ZWEIRÄDRIGE KUNSTWERKE Custom-Bikes sind en vogue; coole Typen in aller Welt bauen spektakuläre Maschinen. Die sind jetzt in einem Prachtbuch versammelt

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TITELSTORY Die aktuelle Vollgas-Krone geht an – den Karbon-Boliden McLaren P1. So sehen das die Briten und zünden als Nachbrenner den 650S. Doch wo Licht ist, fällt auch Schatten

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ALLEIN UNTER FRAUEN Als pensionierter Töff-Mech hat Kurt Rihs schon viele Horex Regina gesehen. Doch diese hier überraschte ihn dann doch

SCHÖNES AUS SCHWEDEN Mit drei äusserst appetitlichen Studien stimmt uns Volvo auf die nächsten Serienmodelle ein

030

FAKE ODER FITNESS? Nicht überall, wo Sport draufsteht, ist auch wirklich Sport drin, weiss Mark Stehrenberger

038

WESTENTASCHEN-FERRARI Anfang der 1960er entstand nahe Mailand eine kleine, feine Sportwagenmarke. Deren ASA 1800 war das vielleicht ehrgeizigste Modell

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TECHNIK IM ZEITRAFFER Wenn zwischen zwei Audi-Generationen über vier Jahrzehnte liegen, ist Kurzweil garantiert

048

HELD DER RUNDSTRECKE Dieser Rennwagen galt einst als Über-E-Type. Jetzt kommt er zurück – als Eagle Low Drag GT

056

IM NAMEN DER VÄTER Das Jaguar F-Type Coupé hat edle Vorfahren. Die sind ihm Ehre und Verpflichtung zugleich

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JEDERZEIT BEREIT Falls es wirklich darauf ankommt, ist der Mercedes-Benz GLA 4matic allererste Wahl

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S PORT EDITION

004 VECTURA #10

ABSEITS DES MAINSTREAM 048098 Wer in Los Angeles Motorräder umbaut wie Spirit Lake Cycles, muss gute Ideen haben OLDIE-LOOK AB WERK Längst haben Töff-Hersteller den KlassikTrend erkannt – und bringen neue Modelle im Retrodesign. Hier sind die coolsten

104

ERFRISCHEND ANDERS Hard Nine Choppers ist in der Schweiz noch ein Geheimtipp. Im Ausland wird das Label längst euphorisch gefeiert

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SCOOTER AUF ERFOLGSSPUR Roger Riedener hat eine grossartige Idee

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STADT, LAND, FLUSS Der Subaru Forester gehört zu den populärsten Pw in der Schweiz. Auch die vierte Generation zeigt, warum das so ist

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IM SCHLAF-MODUS NACH ZÜRICH Frank Rinderknecht ist autonom unterwegs

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HINTER DEN KULISSEN Hausbesuch im geheimen Porsche-Fundus

134

BESTZEIT BEI DER MILLE MIGLIA Chopard-Uhren sind schon seit 1988 dabei

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TAFELSILBER UND ZIGARREN Das waren die «Golden Years» der Flugreisen

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IMPRESSUM

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FRÜHLING 2014 005


FAHRTERMIN

DOPPELTE ATTRAKTION MIT DEM PANAMERA S e-HYBRID BRINGT PORSCHE DIE E-MOBILITÄT ERSTMALS IN SERIE AUF DIE STRASSE UND SIEHE DA – DER WOHLFÜHL-FAKTOR IST HOCH, DAS SUCHTPOTENTIAL EBENSO Text und Fotos map

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ieses Auto, sagt sein Hersteller, ist «ein Gesamtkonzept, das Fahrer und Fahrzeug auf intelligente Weise vernetzt». Das wollen wir natürlich ausprobieren und suchen uns dazu eine flache Strecke aus – von Los Angeles, Kalifornien, wo der Tesla S an jeder Ecke steht, nach Phoenix, Arizona. 600 Kilometer one way durch Beton- und Sandwüsten, alles schön mit Tempo 120, ganz wie zuhause. Also los, mit vollem Tank und grosser Erwartung. Der e-Hybrid ist eine Weiterentwicklung des bisher angebotenen Panamera Hybrid: Zusätzlich zu einem Dreiliter-V6-Kompressor-Benziner mit 333 PS/440 Nm führt der e-Hybrid einen auf 70 kW erstarkten, zwischen Verbrenner und Getriebe angeordneten Elektromotor mit, 006 VECTURA #10

der ebenfalls die Hinterräder bedient. Die Systemleistung beträgt jetzt 306 kW/416 PS und 590 Nm. Es gibt also keinen Allradantrieb, was konstruktiv bedingt ist und auch zu heavy wäre. Mit seinen beiden Herzen und der im Heck angeordneten Lithium-Ionen-Batterie, die unterwegs durch Rekuperation, den Verbrenner oder – Novum bei Porsche – stationär per Ladekabel an jeder Steckdose aufgeladen werden kann (via mitgelieferter Wallbox dauert das nur 2,5 Stunden), wiegt dieser Panamera bereits 2100 Kilo, was ihn zum schwersten Exemplar der Baureihe macht. Das spürt man denn auch – beim Anfahren oder Herausbeschleunigen im Mega-Stau von L.A. Der viertürige Porsche nimmt erst einmal tief Luft, dann spurtet er tapfer davon. Wird im «Sport Plus»-


Modus gar der künstlich gesetzte «Spritspar»-Druckpunkt des Gaspedals überwunden und damit die Boost-Funktion abgerufen, geht richtig die Post ab: Der Hersteller spricht von 5,5 Sekunden für den Klassiker 0 bis 100; die Höchstgeschwindigkeit wird mit 270 km/h angegeben (im reinen E-Modus sind es 135 km/h). Die «Öko-Limo» ist dann auf der ganz schnellen Seite, doch das subjektive Porsche-Feeling stellt sich auch ohne Vollgas beim präzisen Lenken, Bremsen und Informieren ein: Die Instrumente sind hervorragend ablesbar, verschiedene Displays stellen den aktuellen Ladungszustand und Energiefluss des Antriebsstrangs dar. Das wurde bisher nie so dynamisch gemacht und ist deshalb eine Klasse für sich. Über die Cockpit-Ergonomie kann man derweil trefflich streiten; es gibt da 100 Knöpfe, Regler und Schalter… Nun ist der Langstreckenverbrauchstest mit einem Plug-in eigentlich Quatsch, und überhaupt mag man fragen, ob es Sinn macht, eine reinrassige Sportlimousine zu elektrifizieren. Geht es allein ums Spritsparen und Umweltschützen, sind andere Hybride sicherlich effizienter. Aber auch weniger unterhaltsam, und darum dreht es sich ja bei einem Porsche. Dazu kommen der Besitzerstolz und das nach aussen demonstrierte Umweltbewusstsein. Das kostet natürlich, in den USA geht es bei 99 000 Dollar los, doch dieser Panamera bietet fast alles, was seine Geschwister auch haben: progressive Servolenkung, adaptive Luftfederung, Reifendruckkontrolle, Composite-Bremsen, Spur- und Tote-Winkel-Assistenten, Abstandstempomat, Klimaautomatik mit Filter, Sitzheizung und -belüftung, feinstes Leder, TV-Tuner, Bose-Surround-Soundsystem, Bluetooth – sogar ein Sport-Chrono-Paket für das Stoppen persönlicher Bestzeiten ist wahlweise an Bord. Das alles macht unsere stumpfe Geradeausfahrt durch die amerikanische Einöde erträglich; die Güte der technischen Darbietung ist überragend. Dann ist das weite Land erreicht, der Verkehr fliesst jetzt einigermassen zügig, die Akkus sind randvoll und wir schalten um auf reinen Elektroantrieb – bei maximaler Richtgeschwindigkeit. Ein Schild am Wegesrand weist auf ein Gefängnis hin und dass man keine Anhalter mitnehmen soll… Wir surren also zügig vorbei und das geht über zehn Minuten und zwölf Meilen lang gut, erst danach schaltet sich der Sechszylinder zu. Ds geschieht vollkommen ruckfrei und man spürt nichts, doch der Wechsel ist im Instrument zu sehen – und zu hören, weil es dann kurz irgendwo surrt. Akus­ tisch hält sich der von Audi stammende Benzinmotor dezent zurück; Musik müsste jetzt nicht lauter gestellt werden. Gibt man dem V6 die Sporen, ist der Klang enttäuschend. Unterwegs sollten die Akkus ohnehin nur dann motorisch aufladen (was etwa 30 Minuten dauert), wenn man anschliessend elektrisch in eine Stadt eintauchen will: Der Benzinverbrauch steigt beim Stromspeichern locker um über drei Liter, was den erhofften Vorteil zunichte macht. Trotzdem animiert die gebotene E-Show dazu, bewusster zu fahren – mit der Hoffnung, dass Leistung wie Reichweite künftig verbessert werden, die Systempreise aber sinken dürften. Mit anderen Worten: Der Hybrid-­ Porsche ist der zukunftsträchtigste Panamera und hat auch eher das Zeug, Zweifler von der E-Mobilität zu überzeugen als manch frugal-lustloses Öko-Mobil. Äusserlich ist das Modell nur durch seine giftgrünen Bremszangen, die seitlichen «e-Hybrid»-Schriftzüge und – ganz wie früher bei Jaguar – durch zwei Tankdeckel erkennbar: Links ist die FRÜHLING 2014 007


FAHRTERMIN

­ adebuchse untergebracht, rechts der Einfüllstutzen. Seine UmL weltfreundlichkeit spielt der e-Hybrid natürlich im Stadtverkehr aus. Hier kann er über 30 Kilometer rein elektrisch fahren; bei ­kurzen Strecken und regelmässigem Aufladen an der Dose muss der Verbrenner also gar nicht bemüht werden. Auf der Interstate nutzt der Porsche auf rund fünf Prozent des Weges den aufgebauten Schwung, ist dann «segelnd» wie spritfrei unterwegs – und passiert nebenbei das Atomkraftwerk Palo Verde. Ankunft in Arizonas Metropole – durch eine Zeitzone und mit einer Tankfüllung, ohne die Reserve bemüht haben zu müssen. Durchschnittsverbrauch: 7,7 L (Porsche gibt lediglich kombinierte 3,1 L an). Nicht schlecht für einen viersitzigen Porsche, das schafft die Benzinversion nicht (Werksangabe 8,7 L); selbst ein Boxster braucht mehr. Auf der Rückreise verpassen wir die Tankstelle und riskieren es: Mit lautloser E-Power – es gibt keinen künstlich ­generierten Sound – rollen wir eben zur nächsten Zapfsäule. Fazit nach insgesamt 1100 Meilen: Der Panamera S e-Hybrid ein ­erstaunliches Auto, weil es beides bietet – leistungsorientierten Spass oder emissionsfreies Fahren. Wir geben ihn deshalb nur ungern wieder ab. Was bleibt, ist die ebenso kostenlose wie amüsante und intelligent gemachte Smartphone-App PCC (Porsche Car Connect) – für ein nächstes Mal.

Mehr zum Thema

008 VECTURA #10

TECHNISCHE DATEN PORSCHE PANAMERA S e-HYBRID Konzept Eco-Variante der Sportlimousine. Vier Türen/Sitze, selbsttragende Karosse. Zahnstangenlenkung (Servo), innenbel.Scheibenbremsen rundum. Vorn Doppelquerlenker, h. Mehrlenkerachse. Heckantrieb Antrieb Parallel-Vollhybrid mit Plug-in-Technologie. V6-Benziner, vier Ventile pro Zyl., vier oben liegende Nockenwellen (Kette), Direkteinspritzung, Kompressor, Stopp-Start-System. Zusätzlich Hybridmodul mit Elektromaschine und Trennkupplung. Gesamtleistung 416 PS (306 kW) @ 5500/min, max. Drehmoment 590 Nm @ 1250–4000/min Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

2995 84,5 x 89 10,5:1 333 (245) @ 5500–6500 440 @ 3000–5200 A8

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder vorne hinten

501,5/193/142 292 je 166 245/50 ZR18 auf 8J 275/45 ZR18 auf 9J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

80 335–1155 2095 2580 6,3 (System: 5,0)

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

5,5 270 (im E-Modus: 135)

Durchschnittsverbrauch*in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

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LEKTÜRE

010 VECTURA #10


DER EWIGE CHAMPION ZEHN JAHRE LANG, VON 1984 BIS 94, DOMINIERTE AYRTON SENNA DAS FORMEL-1-GESCHEHEN. EIN NEUES BUCH WIDMET SICH ­SEINEM LEBENSWERK UND DER ZEIT DANACH Text map, Tom Rubython, Ayrton Senna · Fotos Rainer W. Schlegelmilch

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s gibt heute noch viele Motorsportfans, die in ihm den grössten Rennfahrer aller Zeiten sehen: Ayrton Senna w ­ äre heute 54, doch er starb vor zwanzig Jahren, am 1. Mai 1994 beim Grossen Preis von San Marino in Imola. Eine neue ­Biografie widmet sich seinem kurzen Leben in allen ­Facetten; A ­ utor Tom Rubython hat dazu mit vielen Freunden, Weggefährten, ­Kollegen und der Familie des dreifachen Formel-1-Weltmeisters gesprochen. Herausgekommen ist ein umfassender Wälzer, der den Werdegang des Motorsport-Helden en détail darstellt. Selten eine Aufzählung von Nebensächlichkeiten, gewährt diese insgesamt sehr spannend aufgebaute Lektüre auch einen Einblick in das Privatleben, die vielschichtige Persönlichkeit und das Erbe des Brasilianers, der posthum mehr Geld verdient denn je. Der Verlag sagt dazu: «Im vorliegenden, erstmals vollständigen Bericht über das Leben Ayrton Sennas untersuchen der Autor und seine Mitarbeiter die Einzelheiten im Leben des Meisters – von seinen frühesten Kindheitstagen bis zu seinem ersten Rennen, seinen Polepositions, Weltmeisterschaftstiteln und schliesslich seinem Tod und dessen Nachwirkungen. Diese ­Geschichte wurde bisher weder vollständig noch richtig erzählt. Dabei hätte das längst passieren müssen.» «Senna», schreibt Rubython über dessen berufliches Verhalten, «war rücksichtslos und gerissen und unerbittlich darauf versessen,

den grösstmöglichen Vorteil zu erlangen, egal, welche List und Tricks er dazu anwenden musste. Er hatte eine ausgesprochene Siegermentalität, alles andere wurde ausgeblendet.» Aussagen wie diese sind nicht nur als Kritik, sondern auch als Bewunderung zu verstehen, wie die folgende Passage belegt: «Sennas aus dem Rahmen fallender Intellekt war eines der ­Geheimnisse seiner Schnelligkeit. Seine Karriere war ein Triumph des Geistes über die Materie und seine Lebensphilosophie und weisen Worte zählen zum Wichtigsten, was er der Welt hinterlassen hat. Für Senna lag viel Wahrheit in der alten Redensart, idea­ lerweise bräuchte man zwei Leben, eins, um zu lernen, wie man lebt, und eins, um wirklich zu leben, das Leben bis zum Grund auszukosten. Doch für Senna war das – wieder mal typisch – nicht genug. Er sagte: ‹Man braucht ein drittes Leben und ein viertes, weil man nie bis zum Grunde vordringt.› Seine Weisheit war seinem Alter weit voraus und er schaffte es, in sein kurzes Leben mehr hineinzupacken, als die meisten Menschen in einem l­ängeren Leben erreichen.» In Erinnerung an den Ausnahme-Piloten lassen wir ihn hier noch einmal selbst zu Wort kommen: Es sind gesammelte Zitate aus dem Buch, denen wir einige grossartige Fotos von Rainer W. Schlegelmilch zur Seite stellen.

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LEKTÜRE

… das erste Rennen «Am Anfang hab ich es einfach nur wegen des Fahrgefühls ­gemacht: Ich mochte es, zu lenken, zu bremsen, Gas zu geben, den Motor zu spüren und ihm zu ­lauschen, den Wind im Gesicht zu fühlen, die Geschwindigkeit. Es stellte sich bei mir ein, als ich ein Kind war: Es kroch damals in mich hinein. Und es blieb da.»

«

Ich war damals vielleicht acht Jahre alt und die meisten anderen waren 15, 18, 20, und die ­Position in der Startaufstellung wurde durch das Los entschieden. Sie legten Zettel mit Nummern in einen Helm, und da ich der Jüngste war, durfte ich als Erster ziehen und zog die Eins, also kam ich bei meinem ersten Rennen auf die Poleposition.

»

Mit Lotus kommen ab 1985 die ersten Siege in der Königsklasse. Viele werden folgen

… Erfolg «Einer der besten Momente in meiner Karriere war mein erster Formel-1-Sieg, damals in Portugal, im Regen. Es war auch meine erste Poleposition in der Formel 1 und zusammen mit meinem ersten Meisterschaftstitel war das einer der besten, wenn nicht der beste Moment in meiner bisherigen Karriere. Es war ein Rennen voller Aufregung. Es ist etwas, woran ich mich den Rest meines Lebens erinnern werde, das steht fest.»

«ICH BIN NICHT GEMACHT, UM ZWEITER ZU WERDEN. ICH BIN ZUM SIEGEN BESTIMMT.»

012 VECTURA #10

«GEWINNEN IST WIE EINE DROGE. OB ICH DENKE, DASS ICH SCHWERSTABHÄNGIG BIN? ­V IELLEICHT, ICH WEISS NICHT ­GENAU, WIE ICH AUF ENGLISCH ­SAGEN SOLL, ABER ICH BIN JENEM ­AUGENBLICK DES SIEGES VÖLLIG VERFALLEN.»


«Eine Sache in unserem Leben als Rennfahrer ist, dass wir vieles in … Befriedigung kurzer Zeit tun. Also müssen wir unser Leben sehr intensiv leben. Und wenn man sehr intensiv lebt, passiert alles so schnell. Die Schwierigkeit dabei ist, alles immer richtig zu machen. Unter solch starkem Druck und Stress macht man leicht etwas falsch. Das ist die grösste Herausforderung. Es richtig zu machen, es ordentlich, positiv, konstruktiv zu m ­ achen. Das gelingt nicht immer, aber letztendlich ist das Ziel, wirklich immer das Beste zu g ­ eben. Denn dann findest du Frieden.»

1984 begann Sennas F1-Karriere im Toleman-Team. Nicht viele verstanden diese Wahl, aber sein fahrerisches Talent schien unübersehbar durch

… Willen

«Als Rennfahrer muss man durch manches durch, wenn man damit fertigwerden will. Manchmal ist das unmenschlich, und doch geht man da durch. Manche Dinge sind nicht angenehm, aber wenn man auch ein paar von den angenehmen erleben will, muss man sich ihnen stellen. Wer einer Leidenschaft folgt, hat vieles hinter sich.»

«

Beim Formel-1-Zirkus geht es um so dermassen viel Geld, dass den Leuten alles andere gleichgültig ist. Ich verhalte mich bloss, wie es jeder Fahrer täte, der gewinnen will. Sobald ein neuer Fahrer auftaucht, will man ihn herunterhandeln. Der einzige Grund, warum ich überhaupt noch Rennen fahre, ist, dass ich Weltmeister werden will.

»

Zu seinem Teamwechsel Ende 1987 von Lotus zu McLaren

FRÜHLING 2014 013


LEKTÜRE

… Geld «Es ist alles eine Frage des Markts, ob man seine Verträge angemessen aushandelt. Ich bin heute der höchstbezahlte Fahrer: nicht wegen meiner Hautfarbe, meiner Augen, meiner Haare oder sonst was, sondern weil ich es wert bin, dass man mir dieses Geld bezahlt, niemand zahlt jemandem etwas, wenn er es nicht irgendwie zurückbekommen kann.»

… Gesundheit

«Es hilft einem, sich bewusst zu machen, wie schwach man ist. Man passt besser auf, ist vorsichtiger, achtet mehr auf sich, seinen geistigen und körperlichen Zustand – alles.» 1988: die erste Saison mit McLaren und Teamkollegen Alain Prost. Zwischen beiden entwickelt sich schon bald eine knallharte Rivalität

«Ich möchte wirklich, dass es richtig verstanden wird, denn ... es bedeutet unweigerlich, dass es durch das System hindurchgehen wird und hindurchfliessen wird – wo eure Verantwortung, Jungs, ins Spiel kommt –, damit es die andere Seite erreicht. Und das ist einer der kleinen Beiträge, die ich von Zeit zu Zeit wohl beisteuern kann und worüber ich entschiedene Ansichten habe und mich aufrege. Und ich bin wirklich unglücklich, oder frustriert, wenn ich sehe, dass es nicht rüberkommt der völlig falsch rüberkommt. Manchmal ärgere ich mich über mich selbst, nicht unbedingt über euch Jungs ... über mich selbst, weil ich hinterher sehe, dass ich es falsch angegangen bin, ich habe einen Fehler gemacht, so, wie ich es ausgedrückt habe, denn ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt oder ... so, wie es bei euch angekommen ist, Jungs, gab es euch die Möglichkeit, es falsch zu interpretieren. Es ist also nicht allein eure Schuld, dass es am Ende falsch war. Es ist auch meine Schuld, denn ich hätte es anders ausdrücken sollen, sodass auch ihr verstehen könnt, was ich sagen will.»

… Journalisten

014 VECTURA #10


… Gott

«Er ist allen von uns zugänglich, nicht nur mir. Man muss nur darum bitten und Kopf und Herz für ihn öffnen. Er ist immer da und wartet nur auf ein Wort von uns.»

«

Wenn man es schwer hat, kommen e ­ inem plötzlich Zweifel. Aber seine Gründe sind oft nur seine Gründe ­allein. Nur er weiss, warum bestimmte Dinge ­passieren müssen, auch wenn sie böse zu sein scheinen. Aber in der ­Zukunft wird ­etwas Gutes für uns daraus.

»

«Das Beste, was ich je gelesen habe, ist die Bibel – es ist das beste Buch, der seit eh und je beliebteste Bestseller. Darin findet man alle Erklärungen und alle Antworten, nach denen man sucht. Ich glaube, ein Leben reicht nicht aus, um die komplette Bibel richtig zu lesen.»

Auszeit in Magny-Cours 1992: Frischling Michael Schumacher hat Senna rausgeboxt

… Tod «Die Gefahr, sich zu verletzen oder den Tod zu finden, besteht, jeder Rennfahrer lebt permanent mit dieser Gefahr. Es ist wichtig zu wissen, was Angst ist, denn das hält einen wach, lässt einen aufmerksam sein. Oft legt das deine Grenzen fest.»

«Wenn er kommt, kommt er eben. Das könnte heute sein oder in 50 Jahren. Sicher ist einzig und allein, dass er kommt.» FRÜHLING 2014 015


LEKTÜRE

… Unfälle

Fatales Imola-Wochenende 1994: Freitags verunfallt Barrichello…

«Wenn ich überlebe, möchte ich uneingeschränkt leben. Möglichst ­ intensiv, denn ich bin ein intensiver Mensch. Es wäre kein Leben für mich, wenn ich eingeschränkt leben müsste. Also habe ich Angst, schwer verletzt zu werden. Ich möchte nicht im Rollstuhl sitzen. Ich möchte nicht im Krankenhaus liegen, mit welchen V ­ erletzungen auch immer. Sollte ich jemals einen Unfall haben, der mich am Ende mein Leben kostet, dann hoffe ich, es geht schnell und passiert auf einen Schlag.»

… über die Saison 1994

«DIE AUTOS SIND SEHR SCHNELL UND SCHWIERIG ZU FAHREN. DAS WIRD EINE SAISON MIT VIELEN UNFÄLLEN WERDEN, UND ICH WAGE ZU S ­ AGEN, DASS WIR FROH SEIN MÜSSEN, WENN NICHTS WIRKLICH ­SCHLIMMES PASSIERT.»

… und am Samstag stirbt Roland Ratzenberger. Senna, bereits in Besitz der Pole, bricht sein Qualifying sofort ab

016 VECTURA #10


Nachdenklich am Sonntag: Gespräche mit Rubens Barrichello…

… und Niki Lauda. Dennoch wird der Williams-Pilot starten

Tom Rubython: Senna – ein Leben am Limit. 608 Seiten, keine Fotos, Delius-Klasing Verlag Bielefeld/D., ISBN 978-3-7688-3685-2, CHF 40,90. Dieter Streve-Mülhens/Rainer W. Schlegelmilch: The Great Challenge – Sammel-Editionen der Rennfahrer-Äras von Clark, Stewart, Lauda, Senna und Schumacher (Abb. rechts) in fünf Bänden und deutsch/ englischer Sprache. Band 4 – The Senna Era. Jedes Buch hat 262 Seiten, zwischen 250 und 800 Farbfotos und kostet EU 250.– plus Porto. Bezug ausschliesslich über information@schlegelmilch.com

Die letzten Sekunden: der führende Senna, hart bedrängt von Michael Schumacher, kurz vor dem Unfall

FRÜHLING 2014 017


FAHRTERMIN

NEUER SUPERTRUMPF IM VOLLGAS-QUARTETT BUGATTI VEYRON, PORSCHE 918, PAGANI HUAYRA? VERGESSEN SIE’S! KEIN ­SUPERSPORTWAGEN IST DERZEIT SO AUFREGEND WIE DER NEUE McLAREN P1. DAS TYPENKÜRZEL STEHT FÜR «POLE ­POSITION» UND DRÜCKT AUS, UM WAS ES HIER GEHT – GANZ VIEL FORMEL-1-FEELING FÜR DIE STRASSE. WIR SAGEN, WAS MAN ÜBER DIESES AUTO WISSEN MUSS, UM MITREDEN ZU KÖNNEN Text Thomas Geiger · Fotos Patrick Gosling

E

s gibt gute Tage, es gibt grandiose Tage und es gibt Tage wie diese. Was macht es schon, wenn man morgens um vier aufstehen, einmal um die halbe Welt fliegen und eine Temperaturdifferenz von 40 Grad aushalten muss, um am Ziel einen McLaren P1 fahren zu können? Denn näher als an diesem Morgen in Bahrain werde ich dem Auto kaum mehr kommen… Dabei beginnt die Testfahrt völlig unspektakulär: Natürlich sieht der nicht einmal hüfthohe Tiefflieger aus Karbon bitterböse aus, wenn er in der Morgensonne vor dem Hotel glänzt wie ein Kampfjet ohne Flügel. Und selbstredend tauchen wie aus dem Nichts schon zu dieser frühen Stunde ein paar PS-Paparazzi auf und ­zücken ihre Kameras, um den komplett im Windkanal gestalteten 018 VECTURA #10

Wunderwagen abzulichten. Doch wenn man sich erst einmal unter den Flügeltüren hindurch und über den breiten Schweller hinein geschlängelt hat auf den engen Schalensitz, wirkt der P1 überraschend zivil. Es gibt ein paar Knöpfe mehr, der Motor im Nacken ist ein bisschen lauter und man sollte den Gasfuss noch vorsichtiger bewegen. Aber im Grunde fühlt sich das, was McLaren-Testfahrer Chris Goodwin den schnellsten Sportwagen der Welt nennt, so an wie ein gedopter MP4-12C – denn auf dem basiert der P1. Man muss deshalb kein PS-Profi sein, um diesen Wagen zu ­bewegen. Wer einen Führerschein hat und sich ein Spielzeug für rund 1,4 Millionen Franken leisten kann, der kommt mit diesem 913 PS starken Kraftwerk aus Karbon, Aluminium, Magnesium und Titan auf der Strasse so gut zurecht wie mit einem VW Polo.


­ ugegeben, die Rücksicht ist bescheiden. Aber in diesem Auto ist Z der Schulterblick fehl am Platz, denn von hinten kommt garantiert nichts. Die Federung ist so hart, dass sich schon Fahrbahn­ markierungen anfühlen wie Temposchwellen. Doch für einen ­Supersportwagen ist der P1 überraschend alltagstauglich und langstreckengerecht, leidlich bequem und wenn’s sein muss handzahm. «Nicht nur für die Nordschleife, sondern auch für den Weg dorthin», sagt Projektleiter Paul Mackenzie. Mit Rücksicht auf die anderen Hotelgäste und die frühe Stunde beginnt die Fahrt im E-Mode. Denn genau wie der Porsche 918 trägt dieser Sportler ein grünes Mäntelchen und fährt auf Knopfdruck auch rein elektrisch. Zwar reicht der Akku nur für gut zehn Kilometer und die E-Maschine hat mickrige 179 PS. Doch wenn die 260 Nm wie aus dem Nichts zupacken und im Nacken der Sound einer Raumschiff-Simulation anhebt, fühlt man sich wie Captain Kirk. Nur beamen ist schöner. Oder der Start des ­Verbrenners. Denn sobald man ein zweites Mal auf den E-Schalter drückt, ­meldet sich der V8 wieder zu Wort. Und die Besatzung fühlt sich wie in der guten alten Zeit, als Motoren noch laut und Auspuffanlagen fett sein durften. Denn aus dem Ofenrohr mitten im Heck schiessen dann nicht nur blaue Flammen, sondern auch ein wütender, dreckiger Sound, der jedes Gespräch überflüssig ­ macht. Aus gerade einmal 3,8 Liter Hubraum holen die beiden Turbos i­rrwitzige 737 PS und noch einmal 720 Nm, und weil ­McLaren mit jedem Gramm gegeizt hat, müssen die sich mit

FRÜHLING 2014 019


FAHRTERMIN

Ist der Heckflügel draussen, drücken bei 240 Stundenkilometer stolze 600 Kilo Abtrieb auf das Heck

020 VECTURA #10


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Sport Maxx RT Abbildung zeigt Mercedes-Benz SLS AMG, ausgestattet mit Sport Maxx GT. FRĂœHLING 2014 021


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nicht einmal 1400 Kilo Leergewicht abmühen. Runtergerechnet auf einen VW Up entspräche dieses Leistungsgewichtsverhältnis etwa 600 PS, hochgerechnet auf eine S-Klasse rund 1400 PS. Kein Wunder, dass im P1 was geht und man sich beim Ampelstart fühlt wie ein Formel-1-Fahrer in der Pole Position, die dem ­McLaren seinen Namen gegeben hat: Wer jetzt die Launch Control aktiviert, mit dem linken Fuss bremst und dem rechten Vollgas gibt, der ­radiert zwar für viel Geld den Gummi der massgeschneiderten 315er Pirelli P Zero Corsa weg. Aber dafür schiesst er dann auch in 2,8 Sekunden von null auf 100 und erlebt mehr Sitzdruck als ein Swiss-Pilot. Wo jeder Airbus langsam die Nase reckt, duckt sich der P1 nur tiefer auf die Strasse, zeigt nach 6,8 Sekunden schon 200 S ­ achen auf dem Tacho, kommt in 16,5 Sekunden auf 300 und hat danach noch immer so viel Dampf, dass die Entwickler bei 350 km/h vorsichtshalber die elektronische Reissleine fixiert ­haben. Kurz: Schneller hat sich Beschleunigung in einem Auto noch nie angefühlt – erst recht nicht in einem, das man ohne ­Rennlizenz fahren darf. Das Zusammenspiel zwischen Benziner und E-Motor sowie das Laden des Lithium-Ionen-Akkus – darauf hat Cheftester Goodwin bei der Abstimmung die meiste Zeit verwendet. Denn nichts ist schlimmer, als wenn man bei Geschwindigkeiten jenseits von 300 km/h Überraschungen erlebt. Um aus dem E-Modus wieder in den Normalbetrieb zu wechseln, muss man deshalb zum Beispiel erst das Gas lupfen. Sonst ist der Verbrenner vorsichtshalber auf die gleichen 179 PS limitiert, die der Stromer bereitstellt. Und zum L ­ aden nutzen die Briten ausschliesslich die überschüssige ­Leistung der V8-Maschine. «Eine Abkühlrunde, dann sind die ­Zellen wieder voll», meint Goodwin trocken. «Oder zwei Minuten im Leerlauf mit mehr als 4000 Touren». Ausserdem steckt vorn im Bug ein Ladegerät, mit dem man binnen zwei Stunden auch an der Steckdose tanken kann. Aber weil das nur die Gewichtsbilanz 022 VECTURA #10

versaut und sich für den Verbrauch bei diesem Auto (auf dem Prüfstand immerhin nur 8,3 L) ohnehin keiner interessiert, liegt das bei den meisten Kunden daheim in der Garage, sagt Goodwin. Die Rekuperation, also die Rückgewinnung der überschüssigen ­Energie beim Verzögern, hat McLaren (anders als Porsche, siehe ­VECTURA #9) vermieden. Zu heilig war das unverfälschte Bremsgefühl, für das man mit F1-Partner Akebono eigene Keramikscheiben entwickelt hat, die fast spiegelblanke Oberflächen aufweisen. Mit dieser ultraharten Beschichtung, die sonst nur bei den ArianeRaketen verwendet wird, sprechen die Bremsen nicht nur überraschend feinfühlig an – sie stoppen den Wagen aus Tempo 100 auch in nur 30,2 Meter. Selbst aus 300 km/h kommt der Tiefflieger quietsch- und rubbelfrei in 6,2 Sekunden zum Stehen. So wird eine Vollbremsung zu einem Erlebnis, das buchstäblich bleibenden Eindruck hinterlässt – wenn auch in Form blauer Flecken u ­ nter dem Gurt. Ob es sie nicht gereizt hätte, die 400 km/h des Bugatti zu k­ nacken? Da muss Projektleiter Mackenzie nur kurz überlegen: Die Aerodynamik wäre nicht das Problem, die Motorleistung auch nicht, und die richtigen Reifen hätte man sicher auch anfertigen lassen ­können. «Aber warum sollten wir das versuchen», fragt Mackenzie: «So ein Tempo kann man doch ohnehin nur auf der Geraden ­fahren, die es nirgends gibt. Und sobald eine Kurve kommt, sind wir wieder vorn.» Was er damit meint, erlebt man spätestens beim Ausflug auf die Rennstrecke: Nach einem Vormittag im Stadtgebiet und auf Autobahnen so langsam warm geworden mit dem P1, biegen wir ­deshalb auf den Formel-1-Kurs von Bahrain ab, stehen auf der Start-Ziel-Geraden und aktivieren den Race-Mode. Das dauert zwar schier endlose 30 Sekunden, die als Count-down über den Digitaltacho flimmern. Doch ändert das Auto dabei auch so


TECHNISCHE DATEN McLAREN P1 Konzept Höchstleistungs-Coupé mit Karbon-Monocoque und Alu-Hilfsrahmen v./h.. 2 Flügeltüren, 2 Sitzplätze. Elektrohydr. Lenkung, KeramikComposite-Bremsen rundum. Fahrwerk mit elektrohydraulisch verstellbaren Dämpfern. Automatische Luftbremse, Heckantrieb Antrieb Parallel-Vollhybrid. V8-Benziner (Code M838TQ), 2x2 oben lieg. Nockenwellen, Saugrohreinspritzung, 2 Turbolader. Zusätzlich Hybridmodul mit Elektromotor und Hy-KERS. Systemgesamtleistung 916 PS (673 kW) @ 7500/min, max. Drehmoment 900 Nm @ 4000/min Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

3799 93 x 69,9 8,7:1 737 (542) @ 7300 901 @ 4000 DKG7

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder vorne hinten

459/194,5/117 267 166/160,5 245/35 ZR19 auf 9J 315/30 ZR20 auf 11,5J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

64 120 1375 k.A. 1,9 (System: 1,5)

0 – 100 km/h in Sek. 0 – 200 km/h in Sek. 0 – 300 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

2,8 6,8 16,5 350 (abgeregelt)

Durchschnittsverbrauch*in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

8,3 194 G 1,4 Mio

v­ ollständig seinen Charakter, dass man über den «Fahrerlebnisschalter» in einem BMW genauso herzhaft lacht wie über «Audi Drive Select». Selbst das «Active Panel» des McLaren wirkt plötzlich witzlos, obwohl man schon dort mit zwei Drehschaltern sehr differenziert Handling und Performance beeinflussen kann. Wie in Zeitlupe senkt sich der ohnehin nicht hochbeinige P1 ­weitere fünf Zentimeter ab, versteift seine Federn um 300 Prozent. Gleichzeitig fährt der riesige Heckflügel ganze 30 Zentimeter weit aus und stellt sich so in den Wind, dass bei T ­ empo 240 stolze 600 Kilo Abtrieb auf das Heck drücken: Während sich der w ­ ochenlang im Windkanal modellierte Unterboden förmlich am Asphalt festsaugt, lastet von oben das Gewicht eines ­Kleinwagens auf dem Kraftpaket und drückt es derart fest auf die Strecke, als wären die Reifen nicht von Pirelli, sondern von Pattex. Mit fast g ­ espenstischer Sicherheit reitet der McLaren deshalb auf der I­deallinie und lässt sich von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen. ­Anbremsen, Einlenken, Gas geben – mit unglaublicher Mühelosigkeit kämpft

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

FRÜHLING 2014 023


FAHRTERMIN

man hier um seine persönliche Bestmarke und merkt gar nicht, wie schwer das verschwitzte Hemd mittlerweile am Rücken klebt. Irgendwann traut man sich dann auch einmal an die beiden Schalter in dem ansonsten ziemlich schlichten Lenkrad: erst an den blauen, der mit «DRS» beschriftet ist. Das steht für «Drag R ­ eduction System», erläutert Colin Goodwin und rät dringend, das lieber nur auf der Geraden auszuprobieren. Denn dann klappt der Spoiler ein – der Abtrieb fällt umgehend in sich zusammen und der P1 macht beim Beschleunigen noch einmal einen Satz nach vorn, als hätte erst jetzt jemand die Leinen gekappt. Der Knopf auf der anderen Seite ist noch eindrucksvoller: Mit ihm lässt sich ein «Instant Power Assist System» aktivieren, und das kann man durchaus wörtlich nehmen. Zwar muss man dafür auf den reinen Verbrennerbetrieb zurückgreifen und sich – wie schade! – mit 737 PS bescheiden. Doch wenn man dann etwa auf der StartZiel-Geraden die rote Taste drückt, ist das wie ein Stromschlag mit 100 000 Volt – die Fuhre fliegt davon wie einst Tom Cruise mit Nachbrenner in «Top Gun». Selbst Formel-1-Fahrer ­können von diesem Kick nur träumen. Denn anders als das KERS-System von Vettel & Co hat der Boost im P1 eben 179 statt 82 PS und dauert keine zwei, sondern bis zu 30 Sekunden. Geschaltet wird übrigens per Siebenstufen-Doppelkupplungsgetriebe – und die Gänge schlagen schneller ein als die Fäuste von Vladimir Klitschko im Gesicht seines Gegners. Egal ob von Hand oder automatisch: Sobald die Schaltanzeige aufblitzt, ist der Gang bereits gewechselt. Wen jetzt die Lust an der Leistung packt, der schaut trotzdem in die Röhre. Der P1 ist bereits komplett ausverkauft. Die ersten ­Bestellungen waren bei McLaren-Boss Ron Dennis bereits 2011 nach Veröffentlichung erster Skizzen eingegangen, wie Mackenzie 024 VECTURA #10

berichtet. Und nachdem im Oktober 2013 die allerersten Autos ausgeliefert wurden, blieben auch die restlichen der insgesamt 375 Exemplare nicht lange unreserviert. Erstaunlicherweise gehen ­immer noch Anzahlungsanfragen ein, lassen sich solvente Sportwagen-Fans auf eine Warteliste setzen. Nicht etwa weil McLaren die Produktion erhöhen würde, sagt der Projektleiter. Doch bis der letzte P1 ausgeliefert sein wird – jeder entsteht in vier Wochen Handarbeit; täglich wird nur einer fertig –, wird es Mai 2015. «Und bis dahin kann ja noch einiges passieren», erklärt Mackenzie: «­ Eine teure Scheidung, ein neuer Job oder ein Börsencrash – das sind die Schicksalsschläge, auf die jetzt unsere Nachrücker hoffen.» Natürlich ist das gemein. Wer allerdings einmal ein P1-Lenkrad in der Hand hatte und Gas gab, kann es verstehen. Der Bugatti ­Veyron mag stärker sein und auf der Geraden noch ein bisschen schneller. Ein Porsche 918 fährt länger elektrisch und hat das ­faszinierendere Innenleben. Der Pagani Huayra ist eine Designorgie in Lack und Leder. Aber mit keinem anderen Supersportwagen fährt man so berauschend spektakulär, so präzise und brachial wie mit dem neuen Ober-McLaren. Ferrari LaFerrari? Kaum vorstellbar, dass die Italiener die britische Vorstellung toppen können – und Testfahrten gab es bisher keine. Aber wenn mich die Italiener vom Gegenteil überzeugen wollen? Nur zu, die Zeit würde ich mir ­nehmen. Und dafür zur Not auch nochmal früh aufstehen.

Mehr zum Thema



DEKLINATION DER GESCHWINDIGKEIT ALLES ODER NICHTS: DIE ZUKUNFT VON MCLAREN AUTOMOTIVE Text Matthias Pfannmüller · Fotos Werk

I

ch bitte um Nachsicht für die P1-Euphorie unseres Autors: Er war einer von nur fünf Journalisten, die in den Orient eingeladen wurden, um ein Auto zu fahren, das bereits ausverkauft ist. Angeblich, denn wer will das prüfen? In der Öffentlichkeit möchte McLaren seinen Hyper-Boliden als ebenbürtige LaFerrariAlternative verstanden wissen – und die Italienerin soll schliesslich auch schon vor Produktionsstart vergriffen gewesen sein. In ­Supersportwagen-Kreisen gehört dieser Umstand mittlerweile zum guten Ton. Dazu passt, dass der McLaren etwas exklusiver (349 gegen 499 Exemplare) und auch ein wenig teurer ist.

Haaaaallo! Solche Zahlenspiele sagen nur wenig über ein Auto aus und sind dazu noch langweilig! Aber – das muss man auch sehen – sie faszinieren immer noch einen Grossteil meist männlicher Autofahrer. Doch wo sollte man das je ausfahren – zwischen Lugano und Luzern? Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an den britischen Auto-Entertainer Jeremy Clarkson, der die moderne Beschleunigungsdatenfixierung als Augenwischerei ­ ­entlarvte – weil er in einem neuen Hochleistungs-Coupé allein 30 Sekunden brauchte, um vorher alle relevanten Vollgas-Modi ein- und die elektronischen Bremssysteme auszuschalten…

Ohne Zweifel ist der P1 fahrdynamisch ganz weit vorne, um nicht zu sagen – selbst jenseits der Sportwagen-Vorstellungskraft erfahrener Piloten. Und auf Faszination kommt es bei einem Supersportwagen schliesslich an. Das gebetsmühlenartige Rezitieren von Dezimalstellen zeigt aber auch, dass die Luft in diesem Fahrzeugsegment mittlerweile dünn geworden ist: Wie lange braucht der P1 von null auf 100 – 2,9 Sekunden? Schnell nochmal nachlesen – nein, das war der Lamborghini Aventador. Beim P1 sind es zwei Komma acht und ein Porsche 918 erledigt den Spurt in 2,6 Sekunden. LaFerrari benötigt drei, ist allerdings auch 1,5 s schneller auf Tempo 300…

Moderne Supersportwagen sind heute nicht unbedingt eine Auszeichnung für die fahrerischen Fähigkeiten ihrer Piloten. Es sind rollende Computer, die mit digitaler Sensorik und diversen Sicherheitssystemen dafür sorgen, dass nichts passieren kann. Die Elektronik gaukelt mässig begabten Fahrern sogar vor, ein Drift-Talent zu sein. Jede Oma könnte so ein Auto am Limit fahren, wo bleibt da die Herausforderung?

026 VECTURA #10

Für die Vollgas-Hersteller besteht sie darin, im Gespräch zu bleiben und von der weltweit wachsenden Sportwagen-Nachfrage zu profitieren. Neue Märkte wie Russland, Brasilien und China haben


STANDPUNKT

Nachholbedarf und zahlen die hohen Preise. Einzige Bedingung: Neben der versprochenen Leistung muss auch das Markenimage stimmen. McLaren hat eine authentische, langjährige Renn­ geschichte vorzuweisen: 2013 feierte man das 50. Rundstreckenjubiläum und das Credo von Firmenboss Ron Dennis heisst:­ Ferrari schlagen, um jeden Preis. Tatsächlich hat der englische Rennstall den Italienern mehr Siege entgegenzusetzen als jedes andere Team; in der F1-Geschichte stand es Ende 2013 genau 182 zu 221 – für die Scuderia, die schon 16 Jahre länger dabei ist. Nun ist Rennsport in der Königsklasse ein sehr kostenintensives Geschäft. Und Dennis erkannte schon früh, dass Ferrari mit Stras­ senautos Millionen verdient. 1992 präsentierte das neue Tochterunternehmen McLaren Automotive dann den dreisitzigen F1 mit BMW-V12-Mittelmotor – und dieses Auto war derart genial, dass es heute noch zu den besten aller Zeiten gezählt und längst siebenstellig gehandelt wird. 1995 gewann ein F1 die 24 Stunden von Le Mans, Ende März 1998 raste er mit 391 km/h ins Guinnessbuch der Rekorde. Nur 106 Exemplare entstanden und die nach wie vor hohe Nachfrage zeigt, dass diese Stückzahl (als auch die Rendite) weit höher hätte ausfallen dürfen. Im Rahmen der Formel-1-Partnerschaft mit Mercedes ergab sich um die Jahrtausendwende die Möglichkeit für ein neues Projekt: Der Mercedes SLR McLaren kam 2003 auf den Markt und wurde am neuen, mondänen Firmensitz in Woking gebaut. Das von Sir Norman Foster gestaltete und vor genau zehn Jahren von Queen Elizabeth II eingeweihte Gebäude – selbst Lichtschalter und Steckdosen wurden speziell entworfen – liegt an einem künstlichen See und soll vorsichtigen Schätzungen zufolge 700 Millionen Franken gekostet haben. Die McLaren-Gruppe verfügt über einflussreiche Investoren und konnte sich das leisten. Ausserdem wurde damit der Grundstein für eine ehrgeizige Expansion gelegt, denn nach dem Ende des SLR ging McLaren sofort daran, ein Strassenmodell in Eigenregie zu lancieren. Der MP4-12C kam 2011 und war sehr schnell, wurde aber auch als zu klinisch und steril empfunden. Dazu kamen technische Probleme, zum Beispiel mit dem komplexen Internet-Infotainmentsystem IRIS: Dennis musste einen Entschuldigungsbrief an alle 12C-Besitzer schreiben, und er hasst Fehler. «Wir existieren, um zu gewinnen», lautet das ­Firmenmotto: Der langjährige Automotive-CEO Antony Sheriff ­wurde vor die Tür gesetzt; seither reden Anwälte.

TECHNISCHE DATEN McLAREN 650 S Konzept Sportcoupé mit Flügeltüren, Karbon-Monocoque mit Alu-Hilfsrahmen v./h., 2 Türen, 2 Sitzplätze. Lenkung und Fahrwerk elektrohydraulisch, automatische Luftbremse. Mittelmotor und Heckantrieb Motor Code M838T. 90°-V8-Benziner aus Aluminium, 32 Ventile, 2x2 oben liegende Nockenwellen, Saugrohreinspritzung, 2 Turbolader (parallel), Trockensumpfschmierung Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

3799 93 x 69,9 k.A. 650 (478) @ 7250 678 @ 6000 DKG7

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder vorne hinten

451/209,5/120 267 165,5/158,5 235/35 R19 auf 8,5J 305/30 R20 auf 11J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

72 144 1255 k.A. 1,9

0 – 100 km/h in Sek. 0 – 200 km/h in Sek. 0 – 300 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

3,0 8,4 25,4 333

Durchschnittsverbrauch*in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

9,2 275 k.A. 290 000.– (Spider: 315 000.–)

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

Nicht zuletzt um den Image-Knick zu kitten, entwickelte McLaren den P1, dessen Name sich auf die erste Startreihe bezieht – eine Formel-1-Position übrigens, die man seit 2012 nicht mehr innehatte. 2013 war für das Team gar die erfolgloseste Rennsaison seit 1980. Ein Desaster just zu einer Zeit, in der schnelle Kundenrenner an möglichst viele Käufer ausgeliefert werden und die Kasse füllen sollen. Denn nicht der vergriffene P1, sondern dessen technische Basis 12C macht den Umsatz aus. Seit Ende 2013 funktioniert nun auch das Onboard-Infotainment, aber viele Interessenten sind genervt darüber, dass es so lange gedauert hat. Parallel wurden Zweifel geäussert, ob McLaren Automotive alles richtig macht: Die Unkenrufe kamen ausgerechnet aus England selbst. Denn während Ferrari, Lamborghini und andere Extrem-Produzenten in den letzten Jahren ein international engmaschiges Vertriebsnetz aufgespannt haben, steht McLaren mit nur 50 Händlern (Ende 2013) noch recht bescheiden da. Ob es für mehr reicht – diesen Beweis sind die Briten bisher noch schuldig geblieben. Fragen nach ­aktuellen Stückzahlen oder dem geplanten Absatzvolumen in FRÜHLING 2014 027


STANDPUNKT

Der 650 S kommt als Coupé oder Spider und rangiert über dem MP4-12C. Den könnte er aber auch beerben

2020 werden dünn bis gar nicht beantwortet. Immerhin ist dem Schweizer Importeur zu entlocken, dass man seit 2011 jährlich rund 30 Exemplare des 12C verkauft haben will; laut Werk sollen in den letzten drei Jahren total über 3000 entstanden sein. Mike Flewitt, seit Mitte 2013 neuer CEO von McLaren Automotive, muss es nun richten: Der ehemalige Produktions-Vizepräsident von Ford Europa soll das Händlernetz ausbauen und den ehrgeizigen Produktionsplan – es ist von 4000 Autos jährlich die Rede – möglichst bald umsetzen. Dazu braucht es neue Modelle; zwei von ihnen – ein Coupé und einen Spider – hat McLaren jetzt in Genf vorgestellt. Die Modellbezeichnung 650 S bezieht sich ohne Umschweife auf die Motorleistung. Damit wird jene MP4-RennstallNomenklatura beendet, die selbst Marken-Enthusiasten zu abgehoben erschien. Der 650 S ist zwar sehr eng mit dem 12C verwandt, aber stärker, breiter und preislich höher positioniert. Es wird erwartet, dass auch der MP4-12C im Herbst ein optisches Facelift erhält – oder aber komplett vom 650er verdrängt wird: Dessen Mehrpreis liegt bei 30 000 Franken, was in dieser Fahrzeugklasse nicht viel ist. Der 12C soll derweil auf der Rennstrecke siegen: Eine GT3-Version für die in Nordamerika ausgetragene Pirelli World Challenge wurde kürzlich bestätigt. Parallel forciert McLaren die Verteilung des 650 S; beide Varianten stehen ab März bei den Händlern. Weitere Sportwagen sind in Vorbereitung, zum Beispiel ein neues Einstiegsmodell (Entwicklungscode P13), das gegen den Porsche 911 antreten soll. Scheint so, dass McLaren Automotive es jetzt wirklich wissen will. Und das ringt mir Respekt ab – auch ohne Null-bis-100-Euphorie.


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PERSPEKTIVE

SCHWEDISCHE SCHÖNHEITEN Text Simon Baumann · Fotos Werk

I

m Volvo-Hauptsitz Torslanda nahe Göteborg bleibt derzeit kein Stein auf dem anderen. Seit 2012 gibt es einen neuen Chef, eine verjüngte Mannschaft, ein neues Entwicklungszentrum, eine hochmoderne Motorengeneration und nicht zuletzt e ­ ine klare Vorstellung von der Zukunft. Dass die auch anders aussehen soll, ist die Aufgabe von Thomas Ingenlath: Als ­«Senior Vice President Design» ist der frühere Audi-, Volkswagen- und Skoda-Stylist für das kommende Erscheinungsbild des Hauses verantwortlich und gab bereits letzten Herbst mit dem überzeugenden Concept Coupé seine erste Volvo-Visitenkarte ab (siehe VECTURA #8). Auf der Frankfurter IAA zählte der CC klar zu den Publikumsfavoriten. Der Zweitürer war jedoch nie als einzelne Stilübung, sondern vielmehr als Richtungsentscheidung zu verstehen: Ingenlath und sein Team arbeiteten da bereits an konkreten Designdetails und zwei weiteren Studien, um die Ernsthaftigkeit der neuen VolvoFormsprache zu unterstreichen und ihre Gültigkeit in den verschiedenen Fahrzeugklassen zu demonstrieren. Auf den für seine zeitlose Eleganz viel gelobten CC folgte im Januar das Concept XC Coupé in Detroit. Ort und Timing waren gut gewählt, denn die USA sind nach wie vor ein sehr wichtiger Markt für Volvo. Allerdings vermissen nordamerikanische Kunden einen Nachfolger des 2003 eingeführten XC90, der sich aktuell nur noch schleppend und mit hohen Rabatten absetzen lässt – auch deshalb, weil Kaufinteressenten um die Einführung der nächsten Generation Ende dieses Jahres wissen. Das Detroit-Konzept verwandelt die Wartezeit seither in Vorfreude – selten sah ein SUV so athletisch und sportlich aus! Wieder gab es auffällig starken Zuspruch, hob sich die XC-Studie positiv von einer sonst eher durchschnittlichen North American International Auto Show ab. Mit dem in Genf präsentierten Concept Estate ist die Volvo-Trilogie komplett. Wieder ist ein überzeugendes, zweitüriges Auto entstanden, das zu den schönsten des diesjährigen Salons gezählt werden muss. Natürlich wird der gewohnt hohe Sicherheitsstandard der Schweden beibehalten und sogar weiter ausgebaut, allerdings scheinen die dazu notwendigen Technologien und Komponenten optisch intelligenter verborgen als bisher. Und jetzt, wo wir alle Volvo-Studien kennen, fällt auch erst auf, wie ähnlich sie sich sind. Im Grunde genommen handelt es sich um drei Variationen des

030 VECTURA #10


KOMMENDE VOLVO-BAUREIHEN SOLLEN VERTRAUT UND DOCH SEHR FRISCH, SEHR DYNAMISCH WIRKEN. VORBOTEN DIESER N ­ EUEN SPORTLICHKEIT SIND DREI GRAZIEN, DIE EINEN SEHR K ­ ONKRETEN AUSBLICK AUF IN KÜRZE FOLGENDE SERIENMODELLE GEWÄHREN

FRÜHLING 2014 031


PERSPEKTIVE

Die neue Volvo-Optik beweist, dass sich Stil, Sex-Appeal und Understatement ganz und gar nicht ausschliessen m端ssen

032 VECTURA #10


FRÜHLING 2014 033


PERSPEKTIVE

gleichen Themas: Die konsequente Wiederholung bestimmter ­Elemente wie der konkave Kühlergrill, die sehnigen Flanken oder die Rückleuchtengrafik macht klar, dass diese bald tatsächlich auf die Strasse kommen werden. Und sie zeigt, wie variabel Volvos neue skalierbare Produkt-Architektur (SPA) tatsächlich ist.

In der Mittelkonsole ist nur noch Elementares wie Defrost- und Lautstärkeregler oder ein Warnblinkschalter zu finden. Alle anderen Funktionen werden künftig über einen Tablet-artigen Touchscreen angewählt und abgerufen; die Systemsoftware stammt von Volvo selbst und interagiert auch mit den Instrumenten.

Wie es sich für ein Showcar gehört, steht der Estate auf 21-ZollFelgen, die es kaum in die Serie schaffen dürften. Irritierend ist für Markenkenner die vergleichsweise flach stehende Heckscheibe des Estate – selbst beim seligen P1800 ES «Schneewittchensarg» (1971–73), der ja auch ein dreitüriger Shooting Brake war und der jüngsten Studie als Vorbild dient, stand sie steiler. Müssen wir uns also vom letzten echten Kombi verabschieden, welcher der Menschheit geblieben ist? Wird Volvos nächster Serien-Fünftürer ein weiterer Lifestyle-Laster, der zwar nett aussieht, aber viel Nutzraum verschenkt und damit seine Daseinsberechtigung? Der ­aktuelle V70 würde dann das Schicksal eines Citroën CX Break oder Opel Omega teilen. Es waren patente Autos mit riesigen Stauräumen, die von Marketingabteilungen kaltblütig hingerichtet ­wurden, frei nach dem Motto: Wer mehr einladen will, möge sich doch gefälligst einen grösseren Minivan oder SUV kaufen…

«Die Grundidee ist, Bedienung und Information so intuitiv und benutzerfreundlich zu organisieren, dass sie schnell Teil der unterbewussten Motorik wird», sagt Ingenlath: «Alles ist dort, wo man es erwartet, was das Fahren erfreulicher, effizienter und sicherer macht.» Wenn bestimmte Themen aufgerufen werden, stellt der Bildschirm diese grösser dar, ohne andere komplett auszublenden: Der direkte Zugriff auf alle Funktionsgruppen bleibt so erhalten. Der Schirm selbst besticht mit einer glasklaren, unaufgeregten Darstellung, die zur leichteren Orientierung beiträgt, ohne dabei vom Verkehrsgeschehen abzulenken. Zusätzlich kann das Interface auch über Lenkradtasten und Sprachbefehle gesteuert werden.

Thomas Ingenlath weiss solche Zweifel zu zerstreuen (siehe Interview auf S. 036). Und er lenkt unsere Aufmerksamkeit Richtung Estate-Innenraum, dessen Instrumente entfernt an den P1800 ­erinnern. Und der erstmals darstellt, was Volvo ab dem XC90 in Serie bringen will: noch mehr natürliche Materialien wie dickes Sattelleder, gealtertes Holz oder Kupferteile, um die skandinavische Kreativität und «schwedische Seele» zu betonen. Aber auch – und der Hersteller spricht hier von einem «bahnbrechenden Fahr­ erlebnis» – den nahezu kompletten Verzicht auf Schalter und Drehknöpfe. Die Schlichtheit des Konzepts überzeugt auf Anhieb:

034 VECTURA #10

Wenn die Anlage nächsten Herbst zu den Händlern kommt, wird sie die Sichtweise auf Volvo ebenso verändern wie das Karosseriedesign. Innovative Technik und ein entstaubtes Äusseres – ­einen so massiven Schub hat die Schwedenmarke schon lange nicht mehr erlebt. Sicher, es ist ein ehrgeiziger Fahrplan – aber auch ein bildschöner!

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FRÜHLING 2014 035


NACHGEHAKT

«BESCHÜTZT ZU SEIN, FÜHLT SICH GUT AN» MIT SICHERHEIT MEHR EMOTION: VOLVO ERFINDET SICH GERADE OPTISCH NEU, OHNE DIE MARKENGESCHICHTE ZU VERLEUGNEN. CHEFDESIGNER THOMAS INGENLATH ERKLÄRT ES

XC90 heran. Es versteht sich aber auch von selbst, dass ein drei­ reihiger Siebensitzer grösser und massiver aussehen wird als dieser Vierplätzer. Das Volvo Concept XC Coupé ist eher als Cross-­CountryVersion eines schlanken Sportkombi gedacht. Wäre ein Offroad-Coupé denn denkbar? Unsere neue technologische Basis, die SPA-Plattform, erlaubt es ­tatsächlich, ein Fahrzeug mit so phantastischen Proportionen wie das Concept XC realisieren zu können. Inwieweit beeinflusst Sie und Ihr Team die Vorgabe, in Sachen ­Sicherheit die Spitze zu markieren? Die neue Architektur befreit sowohl uns als auch die Ingenieure von den Einschränkungen früherer mit anderen Herstellern entwickelter Plattformen. SPA ermöglicht es uns, jene grosszügigen Proportionen zu realisieren, die für eine Premium-Erscheinung wichtig sind. Die Entwickler wiederum können Sicherheitsherausforderungen dank ­ultraharter Stähle und neuer Elektronik lösen. Herr Ingenlath, Sie haben in einem halben Jahr drei Studien ­gezeigt, die alle hervorragend aussehen und Lust auf neue Volvo machen. Welche Abstriche wird man bei den Serienversionen erwarten müssen und wann kommen die? Alle drei Studien sind Vorboten unserer neuen Fahrzeuglinie, die mit dem XC90 startet und in den kommenden drei Jahren unser ganzes Produktportfolio erneuert. Stilistische Elemente, die wir in den ­Studien zeigen, finden sich in den Serienprodukten wieder. Ich bin deshalb davon überzeugt, dass sich unser Versprechen auf ein ­begeisterndes Design, das wir hier abgeben, auch in der Serie ­erfüllen werden wird. Ihre Stilrichtung basiert auf den Kernwerten skandinavischen ­Designs. Wie erklären Sie die Verbindung zu Volvo, beispiels­weise beim XC Coupé? Sportliche Aktivitäten in der Natur sind ein wichtiger Bestandteil des schwedischen Lebensgefühls. Freizeit ist dazu gedacht, das Leben zu geniessen. Ein Volvo muss dieses Bedürfnis selbst­ verständlich unterstützen können. Die XC-Modelle drücken das schon stilistisch aus, sie sind aber auch hochfunktionell, haben Allradantrieb und ­eine Sicherheitsausstattung auf Weltklasse-­ Niveau. Wir werden Volvos starke Outdoor-Verbindung weiter ­verfeinern und ­dabei auf moderne Materialien setzen. Es geht ­darum, Funktionalität zu einem emotionalen Erlebnis zu machen: Wie bei High-Tech-­Sportausrüstungen auch werden künftige Volvo neben einem ­attraktiven Äusseren und Raffinesse die gewohnte Robustheit und intelligente Fähigkeiten a ­ ufweisen. Heute das XC Coupé, im Herbst 2014 der neue XC90 – wie ähnlich sind sich die beiden Autos optisch? Das XC-Konzept ist eine weitere Demonstration der Fähigkeit ­unserer neuen Plattform. Und es führt uns etwas näher an den nächsten 036 VECTURA #10

Kann Sicherheit auch Spass machen? Beschützt zu sein, ist ein gutes Gefühl. Und die richtige Ausstattung – in diesem Fall ein Auto – beruhigt das Gewissen und schafft ­Vertrauen. Das wiederum ermöglicht es, die Fahrt und das Abenteuer in vollen Zügen zu geniessen. Und es harmoniert perfekt – ­einerseits mit unserem Mensch-fokussierten Ansatz, andererseits mit der ungewöhnlich starken Volvo-Markengeschichte. Es ist ­aufregend, ­einen neuen Design-Ausdruck zu entwickeln, der ­sowohl etablierte Markenwerte unterstützt als auch die Neupositionierung vorsieht in Richtung einer emotionaleren, markanteren Premium-Marke. Was sind die wichtigsten neuen Designelemente? Jede starke Marke braucht bestimmte optische Elemente, die sie ­einzigartig machen. Künftige Volvo werden am ausgeprägten ­Logo im fliessend geformten Kühlergrill erkennbar sein, der von T-artigen DRL-Scheinwerfern flankiert wird. Die längere Haube mit ihrer neu definierten Oberfläche, eine die Flanken bogenartig betonende ­Gürtellinie sowie die geschärfte Schulter und ihre Verbindung zu den Heckleuchten sind weitere Charakteristika. Sie alle unterstützen eine selbstbewusste Haltung, und die allgemeine Schlichtheit der Linien – innen wie aussen – steht in direktem Bezug auf skandinavisches Lebensgefühl. In Genf hat Volvo die Trilogie mit dem «Concept Estate» komplettiert. Ein Alleinstellungsmerkmal bisheriger Volvo-­Kombis – und erheblicher Platzvorteil – war das Steilheck. Warum wird bei der Studie darauf verzichtet? Volvo hat eine unglaublich starke Tradition, wenn es um das ­Thema Kombi geht. Darunter befinden sich unterschiedlichste Heckabschlüsse. Wir werden uns der gesamten Bandbreite dieses T ­ hemas auch in Zukunft widmen – und die Nachfrage bedienen. sb


Der neue Honda Civic Tourer

Innen so lieben wie das Aussen Für alle, die das

Mit seinem eigenständigen Charakter verbindet der Honda Civic Tourer stilsicher innere und äussere Werte. Das innovative Raumkonzept setzt neue Massstäbe: selbst bei 5 Personen im Wageninneren verfügt er immer noch über eine Ladekapazität von 624 Litern – der beste Wert seiner Klasse und somit der beste Freund jeder Familie. Klappt man die hinteren Sitze um, was kinderleicht geht, kommt er sogar auf stolze 1668 Liter Ladevolumen. Zusätzlich verfügt er über weitere intelligente Verstaumöglichkeiten, die man ihm nicht gleich ansieht. Noch nie hat innen so viel Spass gemacht wie aussen! Machen Sie mit dem sehr sparsamen Civic Tourer 1.6 i-DTEC* «Earth Dreams Technology» eine Testfahrt!

www.honda.ch

FRÜHLING 2014 Energieeffizienz037 * Civic Tourer 1.6 i-DTEC «S», 5 Türen, 88 kW/120 PS, 1597 cm3. Gesamtverbrauch (80/1268/EWG): 3,8 l/100 km. CO2-Emissionen gemischter Zyklus 99 g/km (Durchschnitt aller Neuwagen 148 g/km). Kategorie: A (Foto: 1.6 i-DTEC Executive, 5 Türen, 88 kW/120 PS, 1597 cm3). Der Civic Tourer ist auch als Benziner 1.8i erhältlich.


Elise-Erbin: Wie wohl der nächste Volks-Lotus aussehen mag?

EINE FRAGE DER DYNAMIK Text und Illustration Mark Stehrenberger

R

ushhour, Tempolimits, Spritpreise, CO2-Stress oder der nette, allerdings auch grüne Freund deiner Tochter: Es spricht inzwischen eigentlich alles dagegen, einen Sportwagen zu kaufen. Und doch gibt es heute mehr von ihnen denn je, zumindest wenn man den Herstellern glauben mag. Sogar HybridHohepriester Toyota will jetzt wieder mitmachen und zeigte Anfang Jahr in Detroit ein Porno-artiges Renncoupé namens FT-1. Aber vielleicht – Denkanstoss! – sollten wir zu Anfang erst mal klären, was überhaupt ein echter Sportwagen ist… Bei genauem Hinsehen ist die Klassifizierung gar nicht mehr so einfach: Bei Aston Martin, Bugatti oder Lamborghini scheint die Sache klar zu sein. Zu ihnen gesellen sich aber auch Gran Coupés (Maserati), Fastbacks oder Kleinwagen mit Frontantrieb (zum Beispiel der Mini Cooper), Sport-SUV (you name it) und Crossover (diverse), dazu viertürige Porsche und wir erkennen – es gibt heute nichts mehr, was es nicht gibt. All das ganze Zeug schmückt sich mit angeblich höchst sportlichen Fahreigenschaften. Ist also ein BMW M3 noch dazuzuzählen? Wo ziehen wir die Grenze? Was ist mit Focus RS oder einem Golf R? Welche Autos sehen nur wie Sportwagen aus, ohne es wirklich zu sein? Und welche, bei denen man es auf den ersten Blick kaum vermutet, sind es doch? Anders gefragt: Gibt es in einer Gegenwart der Kann-alles-Autos überhaupt noch lupenreine Sportler? 038 VECTURA #10

Also schlage ich mal den «Houghton Mifflin Dictionary» auf. Der beschreibt einen Sportwagen als «Automobil für den Rennsport, vorrangig ein aerodynamisch geformtes Ein- oder Zwei-PersonenFahrzeug, konzipiert mit einem niedrigen Schwerpunkt und einer Lenkung sowie Aufhängung für präzise Kontrolle bei hohen Geschwindigkeiten». Diese Definition stimmt zwar nicht mehr ganz mit der Realität überein, weil die Zwei-Sitze-Regel definitiv out ist. Viele echte Sportwagen bieten inzwischen kleine Rücksitze an und werden deshalb oft als 2+2 bezeichnet (was wiederum ein Hinweis auf deren vorhandenen sportlichen Charakter ist). Hochleistungs-Aficionados, zum Beispiel Mustang- oder CamaroFans, bezeichnen die Objekte ihrer Begierde als Sportwagen, während andere noch eine feine Unterscheidung zum reinrassigen Sportwagen machen. Letztere beharren drauf, dass ansatzweise Sportlichkeit nicht gleich Sportwagen ist. Bravo! Normale Autos lassen sich vielleicht mit Sport-Paketen pimpen, aber das ist höchstens Kosmetik. Wahr ist jedoch auch: Fragt man fünf Personen über ihr Verständnis von einem Sportwagen, wird es wahrscheinlich fünf verschiedene Antworten geben. Und jede ist subjektiv legitim. Angesichts des diversifizierten Angebots scheinen die kompromisslosen Definitionen der Vergangenheit nicht mehr statthaft. Puristen sträuben sich gegen eine solch liberale Perspektive, doch präzise Unterscheidungen werden von Tag zu Tag schwieriger.


STILBLÜTEN

Grundsätzlich würde ich sagen, dass ein purer Sportwagen – in Gegensatz zum Rennwagen – ein strassentaugliches Hochleistungsfahrzeug mit guter Handhabung und Bodenhaltung ist und nicht unbedingt praktisch sein, dafür aber einen hohen Emotionswert haben muss – auch optisch. Wenn sich extreme Beschleunigung und Verzögerung mit Köpfe-verdrehendem Styling und einem Sound paaren, der Krähen aus den Bäumen fallen lässt, ist die Rezeptur für einen waschechten Sportwagen gegeben. Golf GTI oder BMW 335? No, thanks. Ist alles schmerzfreies MarketingGewäsch, gerne auch mit Diesel-Motor. Hier nun sechs meiner ganz persönlichen Favoriten, nicht zuletzt nach visuellen Gesichtspunkten. Und der Oscar geht an… Chevrolet Corvette C7 Stingray Der erste Favorit kommt aus – … Trommelwirbel… – Nordamerika. O.K., da ich bin parteiisch. Und liebe oder hasse es, aber mit über 60 Jahren auf ihren sexy Hüften ist die Vette nicht nur glaubwürdig, sondern auch ein «fantastic piece of plastic» und immer besser geworden! Die neue C7 gibt definitiv kein weichgespültes Statement ab; fahrdynamisch begegnet sie europäischen Rivalen auf Augenhöhe. Sie ist dabei aber viel billiger und noch stärker geworden, noch kürzer und auch besser verarbeitet denn je. Dazu kommen ein extrem eigenwilliges, polarisierendes Styling und der volle Sound: Im bebenden SoulVibrato der acht Töpfe cruist das Teil geschmeidig heran, LinkeSpur-Exzesse kann es aber auch. Das Interieur hat mit den lieblosen Kunststoffhöhlen vergangener Serien nichts mehr am Hut – die C7 ist eher Boutique-Hotel denn Ibis-Absteige. Autokäufer der iPad-Generation begeistern sich zudem an den elektronischen Gadgets des besten US-Boliden. Coole Karre, ich kann’s nicht anders sagen! Ferrari 458 Italia Ergebnis eines kompromisslosen Design-Ansatzes, der so nur in Italien entstehen konnte und Form auf wundervolle Weise mit Funktion verschmilzt. Das graziöse, katzenhafte Pininfarina-Kleidchen unterstreicht das Konzept leistungsorientierter Effizienz. Das Mittelmotor-Modell sieht aus jedem Blickwinkel radikal aus; zwei aerodynamische Winglets in der Frontschürze verbessern die Bodenhaftung. Vertikale Scheinwerfer-LEDs sind totales Cyber-Styling, sprechen aber dennoch auch traditionelle Ferraristi an. Besonders provokativ empfinde ich die hinteren, weit ausgestellten Kotflügel, die dem Wagen den Look eines CatwalkModels geben, das zwei Hamburger zu viel gegessen hat. Dazu diese Dachlinie, die vielen Lufteinlässe, das Heck – ein feuchter Traum! Conclusio: Dieser Bolide verdient eine Million «Like»-Clicks! Jaguar F-Type 1961 überraschte Jaguar die automobile Welt mit dem E-Type – supergeile Form plus beeindruckende Leistung, dazu einfache Handhabung, und das alles zum Hammerpreis. Fast-Forward in die Gegenwart und die Briten versuchen es wieder, diesmal mit dem komplett neuen F-Type. Kleiner, sportlicher und billiger konzipiert als der nach wie vor verfügbare XK, bietet der F deutlich mehr sportliche Präsenz. Viel davon geht vom übergrossen, leicht nach vorne gelehnten Grill aus, der selbst im Stand ein Gefühl der Bewegung vermittelt. Abgesehen von wenigen aggressiven Lufteinlässen ist die Linienführung sauber und eher schlicht geraten; selbst den automatisch ausfahrenden Heckspoiler hat man sehr unauffällig integriert. Ästhetisch hat der F-Type kaum Ähnlichkeiten mit dem E, den Enzo Ferrari seinerzeit als

schönstes Auto aller Zeiten bezeichnet haben soll. Bottomline: Der F-Type, egal ob Coupé- oder Roadster-Version, sieht einfach abartig gut aus! Nissan GT-R Nismo 2+2-sitziges Hochleistungs-High-Tech-Coupé mit Twin-Turbo-V6 und Allradantrieb, von Enthusiasten liebevoll «Godzilla» genannt. Power und Fahrdynamik rivalisieren mit europäischen Konkurrenten, dazu schüttelt der Wagen resolut jeglichen Ansatz von Langweile ab. Nach meiner Meinung zählt der Japaner zu den besten Performance-Autos fürs Geld. Es gibt drei Fahrmodi und in Stellung R ist der Ritt fast and furious. Obwohl als 2+2 konzipiert, ist der GT-R in Wahrheit nur für zwei Insassen gedacht; die Rücksitze sind höchstens für Todfeinde oder Gepäck reserviert. Kurz: mit matt-grauer Lackierung und 20-Zoll-Rädern ein absoluter Hingucker! Peugeot RCZ R Wenn auf der Wunschliste ein Auto mit maximalem Showappeal steht, dann könnte es dieser Peugeot sein. Das französische Sportcoupé ist stylisher als ein Audi TT oder VW Scirocco, besonders seit dem letzten Facelift. Entwickelt wurde es von Peugeot Sport – dem gleichen Team, das auch die Rallye-Autos gebaut hat. Der Wagen wiegt unter 1300 Kilo und ist mit 270 Turbo-PS nicht nur der sportlichste Peugeot, sondern auch der stärkste 1,6-Liter der Welt! Das Ausrufezeichen des neuen RCZ R ist aber sein eigenständiger Look: Dank Zagato-artiger «Double-Bubble»-Ausführung von Dach und Heckscheibe und der silbernen Dachreling wirkt der Wagen wie ein exquisites Pariser Top-Fashionmodel, der zusätzliche Heckspoiler tut dem keinen Abbruch. Wenn es um den reinen Fahrspass und Nervenkitzel geht, spielt der Zweitürer in einer komplett anderen Liga als der VW Golf GT, der sich im Vergleich dazu wie ein Auto unter Cannabis-Betäubung anfühlt. Fazit: Der RCZ R ist red-hot wie ein paar heisse Steine kurz vor dem Aufguss in der Sauna! Porsche 911 Alles hat sich verändert, aber alles ist gleich geblieben: Die siebte Generation des legendären Porsche 911 schafft das Kunststück, unter Beibehaltung ihrer unverwechselbaren, in über 50 Jahren kultivierten Silhouette absolute Spitzentechnik zu servieren. Ergebnis: ein hochgradig raffiniert ausgelegter Heckmotor-Sportler, die perfekte Kombination aus Leistung, Handling und Alltagstauglichkeit – inklusive Vollgas- und Rennstrecken-­ Eignung. Okay, das Dach ist nun etwas niedriger, Länge und Radstand wuchsen deutlich und viele Details sind neu gestaltet worden. Das Auto sieht schlanker, graziöser und dennoch muskulöser aus, ist aber ein waschechter Elfer. Und der ist für mich die absolute Übermutter aller Traumsportwagen – schreibe ich jetzt mal auch auf die Gefahr hin, mich da reingesteigert zu haben... Sicher, Styling muss nicht die Hauptmotivation sein für einen Autokauf, aber es hilft. Betrachtet man den hässlichen Einheitsbrei, mit dem unsere Strassen heute übersät sind, dann ist die Investition in einen Sportwagen fast schon heroisch: Man tut aktiv etwas gegen die grassierende visuelle Umweltverschmutzung! Zweifellos gibt es auch eine Korrelation zwischen Ross und Reiter; Sportwagen sagen sehr viel über ihre Besitzer aus. Das ist grossartig, denn so können neue zwischenmenschliche Freundschaften entstehen – oder Kontakte schon im Ansatz vermieden werden, die sonst nirgendwohin geführt hätten. FRÜHLING 2014 039


SPÄTE WERTSCHÄTZUNG EINER BALLERINA DIE ASA-GESCHICHTE IST EBENSO EXKLUSIV WIE KURZ. UND DAS GRAZILE 1800ER-COUPÉ SCHEITERTE EINST AN WIDRIGEN ­BEGLEITUMSTÄNDEN. KÜRZLICH WURDE ES NEU ENTDECKT Text und Fotos Alvise-Marco Seno

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s ist seltsam gelaufen damals für ASA, und das trotz einer gewissen Ferrari-Schirmherrschaft. Möglicherweise hat eine geheime Kraft die Marke daran gehindert, so volksnah zu werden wie geplant. Nach einigen hundert Autos jedenfalls scheiterte das von der de Nora-Familie gegründete Label kläglich. An den Autos lag es nicht: Sie haben der Nachwelt einen der bewundernswertesten Versuche hinterlassen, den Liebhaber- und Kundenkreis für GT-Fahrzeuge nach unten zu erweitern. Wie es sich für einen Sportwagenhersteller gehörte, trat ASA auch auf der Rennstrecke an und verschaffte sich in diesem extrem kompetitiven Umfeld Respekt. Neben reinrassigen Renn-ASA zählt der 1800 zu den interessantesten Modellen: Er ist ein rollendes Versuchslabor voller ungewöhnlicher Lösungen – und kam doch nur ein einziges Mal auf der Rundstrecke zum Einsatz.

«La Ferrarina»: Mit diesem Entwurf begann einst die ASA-Geschichte

Baby-Cavallino Die ASA-Geschichte begann 1960, als Enzo ­Ferrari einen Prototyp auf Fiat-1200-Basis entwickeln liess. Diese «­ Ferrarina» wurde von einem 850-cm3-Vierzylinder angetrieben und machte bis 1961 eine enorme Evolution durch: Es gab einen neuen Gitterrohrrahmen von Giotto Bizzarrini, der sich an der Struktur des 250 GT orientierte; der Hubraum stieg auf 1030 Kubik, dazu kamen zwei Doppelvergaser, die Karosserie stammte von Giorgetto G ­ iugiaro und wurde bei Bertone hergestellt. Doch Ferrari änderte seine Meinung und war nicht mehr bereit, seinen Namen in «automobile Niederungen» zu tragen. Der Mailänder Elektrochemie-Industrielle Oronzio de Nora bekam frühzeitig Wind davon und bekundete – angestachelt von seinem Sohn Niccolò – Interesse an dem verwaisten Projekt. Tatsächlich überliess ihnen der Commendatore das Projekt, und daraufhin gründete der Clan die ASA («Autocostruzioni Società pro Azioni», übersetzt AutomobilbauAktiengesellschaft) mit Hauptsitz in Lambrate etwas ausserhalb von Mailand. Der neuen Marke war strengstens verboten, irgendwo ein Ferrari-Abzeichen zu verwenden. Dennoch kamen Chassis, Motor und auch die Verkaufsunterstützung aus Maranello. 1962 wurde die Produktion annonciert und sie begann 1963 bei Bertone, zog aber schon nach einem Dutzend Fahrzeugen zu Ellena in Turin um. Und mit dem Turiner Salon 1964 gesellte sich zum grazilen Coupé ein hübscher Spider. Trotz seiner relativ hohen Leistung von 100 PS und moderner Technik war dem Hoffnungsträger kein Erfolg beschieden; keine fünf Jahre später sollten die de Noras bereits Konkurs anmelden müssen: Gegenüber den etablierten Konkurrenten wie Alfa Romeo, Abarth, Giannini oder Siata war ASA einfach zu jung, zu unbekannt – und vor allem nochmals deutlich teurer. Vor allem die letztere Eigenschaft teilte die Marke mit anderen ähnlich operierenden Kleinserienproduzenten wie O.S.C.A. oder Moretti, was es für ASA freilich nicht besser machte. Der amerikanische Traum Zuvor, es muss 1965 gewesen sein, war der 1000er über das Ferrari-Händlernetz auch in den Vereinigten Staaten angeboten worden. Jenseits des Atlantiks wurden die kleinen italienischen GTs also von Generalimporteur Luigi Chinetti verkauft, dessen Sohn Coco sich nun ganz auf ASA konzentrierte.

Targa Florio 1965: ASA 1000 GT, pilotiert von Bianta/Bassi

Berlinetta Competizione: So sah das handgedengelte Rennmodell aus

Letzte Evolutionsstufe: ASA RB613, hier zweimal in Le Mans 1966

FRÜHLING 2014 041


Chinetti liess zunächst eine Marktstudie machen, um die Kundenzufriedenheit zu untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass das Auto einige Schwächen aufwies, die einen grösseren Absatz verhinderten – der zu schwache Motor beispielsweise, ein geringer Hubraum und die daraus resultierenden hohen Drehzahlen oder das etwas knapp geschnittene Interieur. An Möglichkeiten mangelte es dagegen nicht: Ferrari war äusserst erfolgreich in den Staaten und Luigi Chinetti erfahren genug, um dieses Momentum mit seiner Begeisterung auch für ASA zu nutzen. Allerdings musste die Marke dazu etwas USAorientierter werden.

Feine Unterschiede Abgesehen vom Motor wies der 1800 auch andere signifikante Änderungen auf. Sein Gitterrohrrahmen war für eventuelle Wettbewerbseinsätze verstärkt und das Vierganggetriebe durch eine Fünfgangbox ersetzt worden; Letztere stammte aus dem Fiat 124, wies aber engere Untersetzungen auf und kam in dieser Form auch in den letzten sieben oder acht ASA 1000 zum Einsatz.

Den Angaben Chinettis entsprechend begann ASA umgehend mit der Planung und dem Bau eines leichteren sowie stärkeren Modells. Dessen Karosserie orientierte sich zwar noch entfernt am 1000er, bestand nun aber aus Aluminium. Dazu entstand ein neuer Motor, der viele Ferrari-Teile wie Federn, Ventile oder Kipphebel beinhaltete und einen Hubraum von knapp 1,8 Liter aufwies. Die Leistung stieg

Auch aus ästhetischer Sicht waren die Unterschiede nicht zu übersehen: Da war zum einen die Frontpartie mit den grösseren Scheinwerfern des ASA 411, eines nur viermal gebauten Prototyps. Die Lampen waren im Stil des Porsche 911 leicht nach hinten gekippt, es gab erweiterte Lufteinlässe und Radausschnitte an der ­Hinterachse, um Reifenwechsel zu erleichtern. Dazu kamen der

042 VECTURA #10

damit auf 150 PS bei 7000/min, womit auch das Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen verbessert und damit den Wünschen der USKundschaft Genüge getan wurde.


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­ inarm-Scheibenwischer, seitliche Plexi-Schiebefenster, doppelte E Tankeinfüllstutzen oder jene horizontale Kante im Heckblech, die eine Stossstange ersetzte und gleichzeitig die Schweisskante der Alubleche verbarg. Nicht zuletzt gab es üppiger dimensionierte 185er-Reifen im 13-Zoll-Format. Das Gesamtgewicht des 1800 betrug gerade mal 700 Kilo gegenüber den 820 kg des 1000ers. In Verbindung mit dem stärkeren Motor ergab sich also die gewünschte, signifikante Verbesserung des Leistungsgewichts. Verheerende Targa Florio Um den 1800 entsprechend zu promoten, musste er seine Feuertaufe im Rennsport bestehen – idealerweise in Italien. ASA entschied sich für den Einsatz bei der Targa Florio 1966, was sich als extrem schwierig erweisen sollte, denn die Wetterbedingungen waren in jenem Jahr ungewöhnlich schlecht. Das Vorserienauto wurde vom ASA-Werkpiloten Giorgio Pianta und seinem halb-offiziellen Co, dem Bergrennen-Spezialisten Gianpiero «Momo» Moretti, gesteuert. Nach dem ersten Stint hielt Pianta die

30. Position und gab dann an Moretti ab. Doch auf nassem sizilianischem Asphalt, der glitschiger sein kann als Eis, verlor Moretti die Kontrolle: Das Auto rutschte von der Strasse, schlug zuerst in eine Lambretta ein und dann in einen Graben – für ASA war das Rennen damit beendet. Das galt auch für die Motorsport-Karriere des 1800, der ins Werk zurückgebracht und repariert wurde, um fortan ein Dasein als Testwagen für diverse technische Lösungen zu fristen. Die Rundstrecken-Präsenz von ASA erbte der RB613: Das Targa-Modell, welches sowohl mit dem 1800er-Vierzylinder als auch einem neu entwickelten 1300er-Sechszylinder bestückt werden konnte, ist die vielleicht rassigste ASA-Entwicklung gewesen. Vier Exemplare entstanden; eines kam in die USA, um in Sebring und Daytona eingesetzt zu werden. Ein neues Leben Im Frühjahr 1967 war die ASA-Story so schnell beendet, wie sie begonnen hatte: Die Firma hatte ihre Absatzziele ­­ von 2000 Einheiten weit verfehlt und musste nach nicht einmal

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Der 1800 tr채gt sein Markenlogo mit Stolz; es taucht mehrfach am Auto auf. Viele andere Details weisen klar auf die geplante Rennsport-Karriere hin

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200 gebauten Autos liquidiert werden, auch wenn die Produktion laut manchen Quellen erst 1968 beendet wurde. Das gesamte Lager mit allen Werkzeugen und Ersatzteilen übernahm ein gewisser Flaviano Pisoni, der so auch in den Besitz des einzigen 1800 gelangte, welcher sich nach diversen Versuchsfahrten in einem jämmerlichen Zustand befand und in einer Ecke vor sich hin ­vegetierte – bis 2005. In jenem Jahr erwarb ein ebenso Rennsportbegeisterter wie diskreter Mailänder Rechtsanwalt die ASA-Markenrechte inklusive aller noch vorhandenen Stücke, also auch den 1800er. Und es war das erklärte Ziel, den Wagen wieder in seine ursprüngliche Form zu bringen. Ein ehrgeiziges Vorhaben, denn sowohl die Karosserie als auch die komplette Mechanik erforderten eine aufwendige Restaurierung, die drei Jahre in Anspruch nehmen sollte. Zu diesem Zweck musste man einige Neuteile nach Originalplänen anfertigen, während das ursprüngliche Aluminiumkleid gerettet und wieder instand gesetzt werden konnte.

ASA 1800 zu einem ernstzunehmenden Westentaschensportwagen. Ausgestattet mit zwei Weber-Doppelvergasern, setzt der Vierzylinder Gasbefehle bereits bei niedrigen Touren spontan um, während Klang und Begeisterung mit steigenden Drehzahlen zunehmen. Das Schaltgetriebe erlaubt kurz-trockene Gangwechsel, die auch manchen modernen Autos gut zu Gesicht stehen würden und die im Rennsport nötige Präzision für gute Ergebnisse garantieren. Dazu gesellt sich eine direkte Lenkung, mit der man den Wagen in Kurven unter feinfühligem Gaseinsatz wohl dosiert übersteuern kann. Der 1800 giert praktisch danach, am Limit bewegt zu werden, und bleibt auch im Grenzbereich noch gut kontrollierbar. Für ein knapp 50 Jahre altes Fahrzeug ist diese Erfahrung die vielleicht erstaunlichste: Dieses kompakte, leichte Auto verkörpert die Essenz italienischen Sportwagenbaus. Der Wert des ASA 1800 kann deshalb gar nicht hoch genug eingeschätzt werden – zumal es nur diesen einen gibt. Für alle überlebenden ASA gilt, dass sie heute gesuchter und teurer sind denn je.

Das Ergebnis der Bemühungen ist auf diesen Seiten zu sehen und trägt die Chassisnummer 1300, während im Motor eine 175/3 eingeschlagen ist. Der aufgefrischte Innenraum ist komplett mit schwarzem Leder ausgekleidet; es gibt eine gesteppte Mittelkonsole, ein herrliches Momo-Lenkrad und fest montierte Schalensitze. Das phantastische Armaturenbrett weist acht Rundinstrumente auf; von links gesehen geht die Anordnung über Uhr, Tankanzeige, einen grossen Tacho und Drehzahlmesser, Ölstand und -druck bis hin zu Wassertemperatur und Batterieladung. In Bewegung schätzt man schnell die subjektiv vehemente ­Beschleunigung: Der Motor ist ein Quell der Freude und macht den

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EVOLUTION

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BITTE RECHT SPORTLICH! WIE KANN MAN AUTOMOBILEN FORTSCHRITT HAUTNAH ERLEBEN? ZUM BEISPIEL MIT ZWEI AUDI-MODELLEN, DIE FAST FÜNF JAHRZEHNTE «VORSPRUNG DURCH TECHNIK» UMARMEN Text Matthias Pfannmüller · Fotos Ian G.C. White, map

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E

s ist heute kaum mehr zu glauben, hat sich aber tatsächlich so zugetragen: Als der Name Audi 1969 aus der ­Fusion von Auto Union und NSU hervorging, stand die bereits 1965 reanimierte Marke (es gab sie schon einmal ­z wischen 1910 und 28) auf sehr wackeligen Beinen. Die deutsche Premiumklasse war damals fest in Mercedes-Hand; auch BMW rangierte eine ganze Etage tiefer. In Ingolstadt dachte zunächst niemand daran, dem Stuttgarter Stern Konkurrenz machen zu wollen. Vielmehr ging es darum, das eigene schlingernde Unternehmen mit neuen Modellen zu stabilisieren, die eine gewisse Wachstumsbewegung versprachen. Audi 1969 – das war ein herrlich grusiges Klischee mit umgestrickten DKW-Modellen, Hosenträgern, Holzfolie und Wackel-Dackel. Das sollte sich aber mit zunehmender Verbreitung der schon 1968 eingeführten Baureihe C1 ändern – nicht schlagartig zwar, aber für Branchenkenner doch unübersehbar. Ohne den neuen Eigner Volkswagen zu informieren, hatte die Audi-Entwicklungsabteilung in Rekordzeit eine Mittelklasse-Limousine auf die Räder gestellt, die Geschichte schreiben sollte. Sie sah nicht nur stattlich, sportlich und repräsentativ aus, sondern wusste auch konstruktiv zu überzeugen: Unter der langen Motorhaube arbeitete ein wassergekühlter Vierzylinder, der die Vorderräder antrieb, wahlweise ­sogar via Automatikgetriebe – unter dem VW-Dach waren das geradezu ketzerische technische Lösungen, die dann tatsächlich in Serie gingen. 100 000 Einheiten des 100 hatte man zunächst im Sinn, doch bis 1976 sollten fast neunmal so viele gebaut werden. Damit ist die Baureihe auch eine Art Audi-Masterplan für alles, was nach ihr kam. Es gibt heute nur noch wenige überlebende 100er der ersten ­Generation. Im Herbst 1969 wurde dem Viertürer ein gleich langes Coupé zur Seite gestellt, das im Topmodell von 100 PS befeuert wurde (in der Schweiz wurden gar 107 PS offeriert) und von dem über 20 000 Exemplare entstehen sollten. Ein 1972er-Exemplar kam viele Jahre später ins Audi-Museum – und von dort zu uns: Das Angebot, einen Ur-Audi zu fahren, war zu verlockend, um der 050 VECTURA #10

Versuchung zu widerstehen, zumal er uns als Referenzfahrzeug dienen sollte für das kürzlich komplett überarbeitete Flaggschiff A8. Beide kamen dann per Transporter – und beim Abladen staunten die Nachbarn. Merke: Alte Audi sind mittlerweile echte

TECHNISCHE DATEN AUDI 100 LS COUPÉ (C1) Konzept Stufenheck-Coupé auf Basis der 100er-Limousine. Selbsttragende Stahlkarosserie, 2 Türen, 5 Sitzplätze. Zahnstangenlenkung mit variabler Untersetzung, v. Scheibenbremsen, h. Trommeln. TrapezDreieckquerlenker v., Starrachse h., Frontantrieb. Bauzeit 1968–76 Motor Längs eingeb. Vierzylinder-Benziner mit hängenden Ventilen und seitl. Nockenwelle (Kette). Leichtmetall-Zylinderkopf, 5fach gelagerte Kurbelwelle, 1 Fallstromvergaser. Bordspannung 12V

Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

1760 81,5 x 84,4 10,2:1 100 (74) @ 5500 150 @ 3200 A3

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder

459/173/142 267,5 142/142,5 165 SR14 auf 4,5J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

58 650 1080 1550 10,8

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

13,6 172

Durchschnittsverbrauch in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

12,5 k.A. – 9595.– (1972)


EVOLUTION

Wer hat eigentlich die vorderen Dreiecksfenster zum zugfreien Durchlüften abgeschafft? TECHNISCHE DATEN AUDI A8 4.2 TDI CLEAN DIESEL QUATTRO Konzept Luxuslimousine mit High-Tech-Ausstattung. Selbsttragende Aluminiumkarosserie, vier Türen, 5/4 Sitzplätze. Zahnstangenlenkung mit Servo, Keramikbremsen rundum. Vorne Doppelquerlenker, hinten Mehrlenkerachse, Luftfederung/Niveauregulierung. Allrad permanent Motor V8-Common-Rail-Diesel, 4 Ventile pro Zylinder, 2x2 oben liegende Nockenwellen (Kette), 5fach gel. Kurbelwelle, Alu-Zylinderköpfe und -Block. 2 Turbolader (variabel), 2 Ladeluftkühler, Harnstoffeinspritzung, Stopp-Start-System Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

4134 83 x 95,5 16,5:1 385 (283) @ 3750 850 @ 2000–2750 A8

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder

514/195/146 299 164/163,5 265/40 R20 auf 9J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

90 510 2040 2705 5,3

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

4,7 250 (abgeregelt)

Durchschnittsverbrauch*in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

7,4 194 F 128 750.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

­ in­gucker, aber auch ein A8 wird bewundert – schliesslich verH körpert er den Status quo, ganz besonders in der neuesten ­Ausführung mit geändertem Kofferraumzugang (wahlweise mit ­sensorgesteuerter Entriegelung) oder retuschierter Front inklusive – Novum! – Matrix-LED-Scheinwerfer. Letztere sind eine Option und bestehen jeweils aus 25 kleinen Dioden, die mit einer Gegenverkehrskamera g ­ ekoppelt und dadurch in der Lage sind, kreuzende Fahrzeuge zu umleuchten, anstatt zu blenden. Muss man auch erst mal d ­ raufkommen. Mit den dezenten äusserlichen Retuschen ist der grösste Audi ganz unverkennbar A8 geblieben; es gibt ihn jetzt seit 1994 und in dritter Generation. 20 Jahre nach Vorstellung von ASF (Aluminium Space Frame) hat das Leichtbau-Verfahren einen hohen Grad von Perfektion erreicht: Kein anderer Hersteller stellt heute so exakt verarbeitete Leichtmetallkarossen mit so engen Spaltmas­ sen her wie Audi. Nun kann man bei mehr als zwei Tonnen Fahrzeuggewicht über Vorteile debattieren, doch die ehrwürdig-­ stählerne Konkurrenz ist noch viel schwerer – ohne Allradantrieb. Ausserdem verfügt der neueste A8 über eine erweiterte Innenraum-Isolierung, die Massstäbe setzt – und on top mit einer ­Gegenschallanlage bestückt werden kann. Mit nicht einmal 1100 Kilogramm Leergewicht ist der alte Audi ganz weit vorne – aber auch nackt und leer wie eine antike Keksdose. In ihm hört man nicht nur den Antrieb dröhnen, sondern auch ­feinmechanische Äusserungen wie das Singen der Automatik im Schiebebetrieb, das Knistern der Tachowelle oder das Knacken des UKW-Radios – längst vergessene Nebengeräusche, die ­unsere Fahrt zu einem nostalgischen Erlebnis werden lassen. Das 1,8-LTriebwerk klingt am Berg zwar etwas bronchial, zieht aber willig mit und hält die Fuhre dank Vorderradantrieb selbst in etwas zu FRÜHLING 2014 051


052 VECTURA #10


EVOLUTION

FRÜHLING 2014 053


EVOLUTION

schnell angegangenen Kehren lange brav auf Kurs: Zum Gegenlenken am riesigen Bakelit-Volant oder zum Gaswegnehmen bleibt jede Menge Zeit. Diese Gutmütigkeit resultiert natürlich auch aus der vergleichsweise bescheidenen Motorisierung – wo nicht viel ist, kann auch nicht viel passieren. Trotzdem hat der auf dem ­flachen Sitz umherrutschende Fahrer alle Hände voll zu tun; frische Luft ist da sehr willkommen: Dank vorderen Dreiecksfenstern kommt sie auch bei höheren Tempi angenehm zugfrei – wer hat die Dinger eigentlich abgeschafft und warum? Im Kontrast zum frugalen 100er grenzt das A8-Cockpit mit seiner Vierzonen-Klimaanlage an technischen Overkill. Doch der kann viel Spass machen und auch nützlich sein: Das Piktogramm aus der Vogelperspektive beispielsweise – vier Bordkameras liefern Bilder an den Bordcomputer, der daraus eine künstliche Ansicht zum Einparken generiert – ist ganz grosses Kino. Und dann die Güte der verarbeiteten Materialien, der vollelektrische Massagesitz und das ganze Infotainment samt Sprachsteuerung oder B&OStereophonie. So kann man endlos weitermachen, um schliesslich festzustellen: In den letzten 45 Jahren ist verdammt viel passiert! Besonders deutlich wird das auch beim Studieren der technischen Daten. Oder der Preislisten. Sicher, selbst unter Abzug der Inflationsrate kostet der A8 ein Vielfaches dessen, was damals für einen 100er anzulegen war. Es ist aber auch viel mehr drin im Auto – so viel sogar, dass einem beim Lesen der Ausstattungsoptionen ganz schwindelig werden kann. Das Erstaunlichste ist indessen, wie der A8 seine Umgebung ­manipuliert: Holprige Strassen werden geglättet, kurze Kurven beschleunigt, dunkle Ecken durchleuchtet und namenlose Strassen

054 VECTURA #10

zuverlässig benannt. Das grenzt an Zauberei und ist Verwöhnung auf höchstem Niveau. Wer einen A8 sein Eigen nennen möchte, muss jedoch erst einmal wissen welchen: kurzer oder langer Radstand, vielleicht nur Frontantrieb, Benziner, Diesel, V6, V8 oder gar W12? Auch die Sport-Version S8, der Vierzylinder-Hybrid und eine gepanzerte Version sind im Angebot, und für sie alle gibt es allein 19 (!) verschiedene Felgen-Möglichkeiten… Beim ersten 100er fielen Entscheidungen noch wesentlich leichter: drei Motoren, grenzwertige Innenfarben – Mittelgrün oder ­Taubenblau stachen besonders ins Auge –, ein Schiebedach oder keins – das war’s im Grunde schon. Und doch nahm die AudiErfolgsgeschichte mit diesem Einfachvergaser-Auto ihren Anfang. Heute ist alles komplexer, dazu kommt der Druck des Wettbewerbs. Doch die feine Volkswagen-Tochter baut ihren «Vorsprung durch Technik» weiter aus: Elektromobilität ist ein Thema, aber auch COD-Technologie (Cylinder on Demand) – mit dieser gezielten ­Zylinderabschaltung lassen sich bis zu 20 Prozent Sprit sparen. Neue Bedienkonzepte sorgen dafür, dass es auch in Zukunft ­spannend bleibt – und die Unterschiede zum ersten 100er immer ­unglaublicher werden.

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056 VECTURA #10


VERBOTEN GUT TYPISCH E-TYPE – UND DOCH GANZ ANDERS: DER AUF VOLLGAS GETRIMMTE LOW DRAG GT VON EAGLE BEGEISTERT. DOCH ES GIBT EIN PROBLEM – DIE SCHWEIZER BEHÖRDEN Text Hubertus Hoslin · Fotos James Lipman, Tim Scott

FRÜHLING 2014 057


K

raftvoll, ja fast schon aggressiv steht er da und tönt auch so: Der Eagle Low Drag GT macht keinen Hehl daraus, dass er auf der Suche nach einer Rennstrecke ist. Die neueste Schöpfung des 1982 gegründeten britischen E-Type-Spezialisten und Tuners (www.eaglegb.com) ist dabei keine «Freestyle»Variante eines Jung-Designers, sondern bezieht sich auf jene Sport-Prototypen, die vor über 50 Jahren in der Jaguar-Renn­ abteilung entstanden sind. Aerodynamik-Spezialist Malcolm Sayer, der bereits die C- und ­D-Types eingekleidet hatte und 1960 am E-Type arbeitete, entwickelte damals parallel eine Wettbewerbsversion, die noch windschlüpfriger, leichter und schneller sein sollte. Gemäss einer angekündigten FIA-Meisterschaft für Seriensportwagen entstand so das erste GT Prototype Coupé, dessen Gitterrohrrahmen und weitgehend neu gestaltete Karosse aus Aluminium bestanden und das später als Low Drag Coupé bekannt wurde. Jaguar selbst hatte sich zwar 1956 offiziell vom Motorsport zurückgezogen, doch es gab noch eine ganze Reihe privater Teams, die ihre Rennkatzen erfolgreich einsetzten. Das blieb auch 1962 so, als sich ein Dutzend Lightweight-Roadster auf den Rundstrecken tummelte. Dennoch kam es zu keiner Kleinserie, weil man in Coventry mit der E-Type-­ 058 VECTURA #10

Produktion mehr als ausgelastet war. Der GT-Prototyp wurde 1963 an den ehemaligen RAF-Piloten und Privatfahrer Dick Protheroe verkauft, der das inzwischen technisch weiterentwickelte Auto ebenfalls im Wettbewerb einsetzte und es 1964 beim 12-StundenRennen in Reims sogar zum Sieg führte. Das zweite Low Drag Coupé entstand 1964 auf Wunsch des erfolgreichen Wiesbadener Jaguar-Importeurs und Rennfahrers Peter Lindner, als er seinen Lightweight-Roadster im Werk entsprechend umbauen liess. Mit diesem Auto wollten der Deutsche und sein Co Peter Nöcker in Le Mans gewinnen, mussten aber mit überhitztem Zylinder aufgeben. Ende der Saison verunglückte Lindner in ­Mont­lhéry tödlich; sein Coupé ist erst vor wenigen Jahren komplett restauriert worden. Auch Protheroe kam 1966 bei einem Rennunfall ums Leben, allerdings in einem Ferrari. Ein dritter Low Drag entstand 1965 auf Basis des Lightweight von Peter Lumsden und wurde ebenfalls in Rennen eingesetzt. Gegen die Übermacht der ­Ferrari 250LM und Ford GT40 hatte das konstruktiv etwas in die Jahre gekommene Auto allerdings kaum noch eine Chance. Geblieben ist die Legende, und die fährt nun mit optimierter Technik und feiner Ausstattung vor. Angetrieben wird der auf


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Basis eines Spender-Coupés (mit Chassisnummer) komplett neu aufgebaute Alu-Zweisitzer vom klassischen Jaguar-XK-Reihensechszylinder-Benziner, der schon in der Basisversion aus Leichtmetall besteht, 4,7 Liter Hubraum aufweist und mit elektronischer Einspritzung satte 351 PS bei 4800/min sowie 488 Nm bei 3600 Touren abgibt. Es geht aber auch noch mehr. Übertragen wird die Kraft via Fünfgang-Schaltgetriebe und Differentialsperre auf die Hinterräder. Die geschwindigkeitsabhängig untersetzte Servolenkung, ein neu abgestimmtes sowie ­verstellbares Fahrwerk, gewichtsreduzierte Magnesiumfelgen und moderne Scheibenbremsen garantieren bestmögliche Kontrolle, ein ABS-System oder Airbags gibt es dagegen nicht. Der Innenraum orientiert sich ganz nah am Original-E-Type, weist aber Detailverbesserungen wie Klimaanlage, beheizbare Frontund Heckscheiben oder ledergepolsterte Komfort-Schalensitze mit integrierten Kopfstützen auf. Dank verlängertem Radstand gibt es auch etwas bessere Platzverhältnisse als in einem ­E-Type-Coupé. Augenscheinlich sind die Güte aller Materialien und die rundum liebevolle Verarbeitung – kein Werk-E-Type hat je so exakt ausgesehen wie ein Eagle. Auch in puncto Fahrdynamik und den

subjektiven Eindrücken darf mit einer atemberaubenden Steigerung gerechnet werden: Wer den nur 1040 Kilo schweren Low Drag GT bisher fahren konnte, stieg mit feuchten Augen wieder aus. Der 4,31 Meter lange, 1,74 m breite und 1,2 m hohe Wagen beschleunigt als «Works»-Version in unter fünf Sekunden auf Tempo 100 und ist je nach gewählter Untersetzung bis 280 km/h schnell. Ein grosser Tank prädestiniert das Auto ­zudem für die Langstrecke. Der Low Drag GT entsteht wenige Male in 7000 Stunden Handarbeit und nur auf Bestellung. Der Preis beträgt über eine Million Franken netto, was eine sehr stolze Ansage ist: Erst 2012 wurde eine der seltenen sehr gut gemachten Replica für 316 000 Franken versteigert. Dennoch sollte der Eagle-Kurs für einige interessierte Eidgenossen nicht das Hauptproblem sein. Schwieriger wäre es nämlich, den Eagle Low Drag GT hier zuzulassen, weil er nicht mehr den damaligen Spezifikationen des Spenderfahrzeugs entspricht. Eine Einzelabnahme ist unumgänglich und das Ergebnis offen. ­Eagles Technischer Direktor James Brace kann das nur teilweise nachvollziehen: «Die Schweizer Behörden sind besonders streng. Ich mag akzeptieren, dass man die Modifikationen prüfen will, aber unser Auto ist doch viel sicherer als das Original!» FRÜHLING 2014 059


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Der Innenraum orientiert sich am Original-E-Type, weist aber Detailverbesserungen auf. Dank l채ngerem Radstand gibt es auch mehr Platz

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060 VECTURA #10


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062 VECTURA #10


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F-TYPE-NACHSCHLAG: EIN COUPÉ VON JAGUAR IST IMMER ETWAS BESONDERES. DAS JÜNGSTE HAT NOCH MEHR POWER, WAHLWEISE KARBONKERAMIKBREMSEN UND EIN SCHARFES HINTERTEIL Text Wolfgang Peters · Fotos Werk, map

H

istorie hat für Jaguar viele Seiten. Sie enthält Täler der Tränen und Gipfel der Genüsse. Sie ist mehr als Vergangenheit zum Vergessen, gefüllt mit heissen Erinnerungen und hitzigen Versprechungen auf eine Zukunft, die zu Hoffnungen berechtigt, die niemals sterben werden. Deshalb ist der geschlossene Jaguar F-Type nach dem stürmischen Roadster ein weiterer Beleg dafür, dass sich britischer Sportsgeist auch durch die lästige Unterbrechung von 39 Jahren nach dem Ende des Jaguar E-Type nicht irritieren lässt. Das F-TypeCoupé als Lebenshilfe: Denn nach der ersten Begegnung mit dem Zweisitzer wissen Sportscar-Enthusiasten, woran es ihnen mangelte in diesen Jahren der Unbehaustheit ihres Lebensgefühls. Es fehlte ein konsequent auf zwei Sitze zugeschnittener Jaguar, ohne Kompromisse, mit festem Häuschen, ohne Ablenkung von den Aufgaben und Risiken des schnellen Fahrens, doch mit hoher Konzentration in einer Körperlichkeit, die sportliche Eleganz ohne Zwang zur Transpiration bietet. Sport mit Stil darf wieder mit dem Bild der angenehm muskulösen Katze verbunden werden. Definiert für ein Lebensgefühl der eleganten Dynamik: fahren wie ein junger Gott als Gentleman. Der Roadster mit der unaufgeregt-schlichten Stoffmütze, die auf Knopfdruck zu öffnende Version des sportlichen Doppels bei ­Jaguar, die heckscheibenflache Convertible-Variante, war vor etwa einem Jahr der scharfe Hauch einer neuen Zeit (VECTURA #7). Ein Roadster mit der direkten Verbindung zum böigen Wind der Landstrasse zwischen den Hecken und zum Aufwirbeln des trockenen Laubes der alten Buchen und Eichen längs des Hohlwegs. In dieser Vertiefung einer einsamen Landschaft schlagen die Trommeln, Pfeifen und Trompeten der Jaguar-Maschine in einem unvergleichlichen Furioso über dem Roadster und seiner Besatzung zusam-

men. Dennoch wird es nicht wenige Enthusiasten geben, die den F-Type mit festem Dach bevorzugen. Schon wegen seiner stärker spürbaren Präsenz, wegen seiner sinnlichen Athletik und ob der Anmutung einer Skulptur zwischen Rädern. Den Jaguar F als ­Coupé zu führen, ist ein wenig irreführend. Denn bei einem «Fixed Head» dominiert die Botschaft der mitunter schwelgerischen ­Eleganz und es schwingt etwas die Aussage mit, es sei die zweitürige, dennoch kommode Alternative zur konventionellen Limousine. Der F-Type ist quasi das Gegenstück eines derartig verstandenen Coupés. Er ist ein geschlossener Spitzensportler mit den puristischen Ambitionen des Roadsters: offen für dynamische ­Mobilität. Und er signalisiert die Bereitschaft zur Logik des Fahrens. Die kürzesten Wege zwischen den Kurven suchen – und finden. Die sinnlich-berechenbare Verbindung von imaginären, doch ­visionären Punkten der Freude. Ein Coupé wie ein Jaguar, indeed. Dabei gibt es für den neuen F-Type – die Bezeichnung ist by the way nach dem historischen E-Type und dessen Ende vor vierzig Jahren ein schönes Beispiel für die Unbeirrtheit des britischen Humors – gleich zwei visionäre Vorläufer: 2011 erregte das gleitendschlank-kurvige C-X16 Concept die IAA-Besucher in Frankfurt. Gänsehaut-Feeling in der Hitze der Messehalle. Die puristisch-sinnliche Botschaft dieser Studie interpretierte die Serienversion bereits ohne Versäumnisse. Das ganz ohne Experimente, aber auch ohne Anbetung und Bewahrung der Asche. Jaguar-Chefdesigner Ian Callum weiss um die Bedeutung der Glut der Marke – und wie man sie wieder entfacht. Die Näherung an das Phänomen F-Type beginnt – überraschend – nicht am Bug. Dort hausen die Dämonen der Dynamik. Der Fahrtwind wird zerfetzt und in das Format der technischen Notwendigkeiten und der ingeniösen Aufgaben gepresst. Eine Reise in das

FRÜHLING 2014 063


POWERPLAY

Noch mit Zierspange: S. S.I Coupé, 1932–35

Grosser Wurf: XK 120 FHC, 1951–54

064 VECTURA #10

Innere des Äusseren dieses Jaguars nimmt ihren Anfang am Heck und sie beginnt im Dach über dem kanzelähnlichen Innenraum. Der F-Type trägt seinen Rücken aus Historie und Zukunft wie eine Auszeichnung. Selbst das auf Hochglanz polierte Ausstellungsstück scheint den Staub einer Fahrt durch die Nacht zu tragen. Mit der Morgenröte kommt ein Hauch von Aggressivität über das Kleid der Karosserie, ein heisser Fahrtwind folgt den Konturen des scheinbar endlosen Hecks, lastet stabil auf den breiten Schultern über den Antriebsrädern. Unendlich scheint die Geduld der Designer mit der Notwendigkeit, das Dach in eine Heckklappe führen zu müssen, die Neigung der Dachfläche scheint nirgendwo zu beginnen, bis sie sich dort, wo die Finne für die Antennenverbindung aufragt, doch zu einem ruhigen Abgang entschliesst. Man spürt, der Wind ist ein Freund dieser Form, und er sorgt für definierte Last und schiebt dort an, wo eine scharfe Kante quer über den schmalen Heckleuchten mit deren einzigem, rundformalem Zitat der E-Type-Ära dem gesamten Auto wie mit einer selbstverständlichen Geste jene Ernsthaftigkeit verleiht, die für die Zukunft nötig ist. Im Vergleich zum Roadster gleitet die Coupé-Form schneller und geräuschloser und gleichzeitig fliessender, mit einer trügerischen Trägheit. ­Seide über einem nicht zu muskulösen Körper. Morgendliche Bekleidung einer Schönheit mit einer Tasse Earl Grey im ­f lirrenden Gegenlicht des Südens.


Zudem addieren sich handfeste Merkmale, fixe Punkte für den Halt der Augen. Am F-Type gleiten die Blicke nicht ab, seifige Unverbindlichkeit ist ihm fremd. Die Schultern prägen den gesamten Wagenkörper, aus Muskeln ragen die Radhäuser, Kanten sind gesetzt wie sichtbare Sehnen für jene Spannung, die vor fülliger ­Langeweile (eine Eigenschaft, die den XK-Coupés über die Jahre hinweg nicht fremd war) bewahrt. Auch wegen der Neigung der hinteren Seitenfenster, mit ruhig definiertem Schwung und einer feinen Zuspitzung der Verjüngung des Aufbaus zu folgen – und dadurch die Taillierung der Flanken zu betonen. Hier entsteht der Eindruck der Fitness, der fettlosen Schlankheit des Körpers. Hier dehnen sich die vom Bug aus nach hinten strebenden Linien und Kanten, sehr dezent eingesetzt, jedes einzelne Element für sich zwar kaum zu erkennen, in ihrer Summe aber den Zug des imaginären Windes verstärkend und für den nach vorne preschenden Bewegungsdrang des Jaguars sorgend. Technoide Details wie der seitliche Lufteinlass in der dünnen Fuge nach dem betont-runden Radausschnitt und die absolut plane Unterbringung der ausfahrenden Türgriffe sowie des schlichten Deckels der Öffnung zum Tank, alles ohne Zierrat und ohne Gimmicks, betonen das Wesen des Jaguar F-Type. Eine Maschine des Fahrens.

Für Männer, die Pfeife rauchen: E-Type Coupé, 1961–72 (zuletzt als 2+2)

Elegantes Understatement: XJ-C, 1975–77

Am Bug findet jene Dramatik statt, die den männlichen Sportwagen von den Buben-Mobilen unterscheidet. Jedenfalls dann, wenn sie so ernst gemeint ist, wie die Stimme der aufgeladenen V6 und V8 ankündigt. Und es liegt in der Natur der Sache, dass das stärkste Herz mit 550 PS eben nur im Coupé schlägt. Dessen Frontpartie und Haube demonstrieren die Kühnheit der Geschwindigkeit und die Bedürfnisse der Mechanik nach Luft zum Kühlen, zum Stabilisieren des Fahrverhaltens und zum Vermischen mit dem und zum Verbrennen von Kraftstoff. Hier wird sichtbar, wo die Kraft entsteht, und in einem Akt der Entschlossenheit schiebt der F-Type sein Kinn nach vorne. Männlichkeit ist mehr als die Länge vor dem Fahrer. Der F-Type geht besonders in der geschlossenen Form mit seiner historischen Funktion für Jaguar sehr selbstbewusst und normal um. Kein Denkmal des statusbewussten Auftritts, aber in seinem Design eine Demonstration der zurückgekehrten Nonchalance muskulöser Eleganz. Gut geeignet für die neue Bewältigung einer grossen ­Vergangenheit. Und fit für die Zukunft. Standing Ovations.

Als es noch kein Navi gab: XJS, 1976–95

Aufbruch in die Neuzeit: XK8, 1996–2005

Mehr zum Thema Gentleman-Express: XK-Serie, seit 2006

FRÜHLING 2014 065


POWERPLAY

TECHNISCHE DATEN JAGUAR F-TYPE COUPÉ Konzept Zweisitziges Sportcoupé mit Festdach. Selbsttragende Aluminiumkarosserie, Doppelquerlenker vorne/hinten, Scheibenbremsen rundum. Achtstufen-Automat mit wahlweise manueller Bedienung per Ganghebel oder Lenkradwippen. Heckantrieb, mechanisches Sperrdifferential (V8 S: elektronisch). Gegenüber dem F-Type Roadster leichter und – in der V8-Version – auch stärker Motor Vorne längs angeordneter Sechs- oder Achtzylinder-Benziner. Variable Ventilsteuerung, vier Ventile pro Zylinder, 2x2 oben liegende Nockenwellen (Kette), 4fach gelagerte Kurbelwelle (V8: 5fach). Jeweils mit Kompressor, zwei Ladeluftkühlern, Direkteinspritzung und Stopp-Start-System 3.0 V6 / V6 S

5.0 V8 S

Hubraum in cm3

2995

5000

Bohrung x Hub in mm

84,5 x 89

92,5 x 93

Verdichtung

10,5:1

9,5:1

Leistung in PS (kW) @ U/min

340 (250) / 380 (280) @ 6500

550 (405) @ 6500

Max. Drehmoment in Nm @ U/min

450 / 460 @ 3500–5000

680 @ 2500–5500 A8

Kraftübertragung 447/192,5/129,5

Abmessungen (L/B/H) in cm

447/192,5/130,5 262

Radstand in cm

158,5/162,5

Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder

vorne

245/45 ZR18 auf 8,5J / 245/40 ZR19 auf 8,5J

hinten

275/40 ZR18 auf 9,5J / 275/35 ZR19 auf 9,5J

255/35 ZR20 auf 9J 295/30 ZR20 auf 10,5J 72

Tankinhalt in L

200

Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg

1575 / 1595

1650

Zulässiges Gesamtgewicht in kg

2000 / 2050

2050

Leistungsgewicht in kg/PS

4,6 / 4,2

3,0

0 – 100 km/h in Sek.

5,3 / 4,9

4,2

Höchstgeschwindigkeit in km/h

260 / 275

300

Durchschnittsverbrauch*in L/100 km

8,8 / 9,1

11,1

CO2-Emission in g/km

205 / 213

259

Energieeffizienzkategorie

E/F

G

Preis ab CHF

87 900.– / 102 700.–

134 500.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

Kein Denkmal des statusbewussten Auftritts: Der geschlossene F-Type geht mit seiner historischen Funktion sehr selbstverständlich um

066 VECTURA #10


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the italian job Story simon baumann • Fotos bikeriderlondon, Phil Date, Ian G.C. White

6 uhr morgens, irgendwo in bern. tino «the dino», ein abgebrühter profi für ganz spezielle aufträge, liest gerade nichts ahnend den sportteil, als…

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! ! ! g in rrrr Hallo Tino, Soon hier. Wie geht es Ihnen? Wir haben uns lange nicht mehr ­gemeldet, aber jetzt gibt es ein Problem und das muss gelöst werden, sofort. Hallo Soon, wie kann ich helfen?

Vor Ihrem Haus steht ein Mercedes GLA, der Schlüssel steckt. unter der fussmatte liegt ein weiterer schlüssel für das schliessfach 170 am Hauptbahnhof. darin steht ein Koffer: holen sie den und bringen ihn umgehend nach Venedig. Sie werden dort um Siebzehnhundert erwartet; ich schicke Ihnen weitere Instruktionen, wenn sie unterwegs sind. Okay. Und Tino… Hmm? Keine Fragen bitte.



09:50

070 VECTURA #10


! ! ! g in rrrr

Tino, hier ist Roberta. Sind Sie schon in italien? Bald. Ich fahre gleich

über den Gotthard-Pass.

Wieso haben Sie nicht den Tunnel genommen? Wenn ich schon mal ein anständiges Auto mit Allrad­antrieb ­fahren kann und N ­ euschnee liegt – bin sowieso viel zu früh dran. Sie müssen es ja wissen. Und Tino… Hmm? Wenn an der Grenze etwas schief geht, kennen wir sie nicht…

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16:30


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Claro, es ist fünf Minuten nach vorhin!

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die unbekannte und der Koffer verschwinden im Sonnenuntergang auf dem Canal Grande. und Tino, der ohnehin keine Fragen stellt, wird noch etwas gutes zu Abend e ­ ssen, bevor…

Hallo Soon, Ich bin wieder auf dem Heimweg und will den GLA behalten.

Ungern, aber wir schulden Ihnen etwas. Und für den nächsten Job können Sie ein gutes Auto gebrauchen. Ich melde mich.

Isch’ guet, ade!

Mehr zum Thema

078 VECTURA #10


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CLUB DER JUNGEN WILDEN SEAT GIBT SICH GERNE HEISSBLÜTIG, MEDITERRAN UND RASSIG. DA PASST DIE NEUAUFLAGE DES SEAT LEON EUROCUP – AUCH WEIL DIE S ­ PANIER EINE LANGE MOTORSPORT-TRADITION HABEN Text Stefan Lüscher · Fotos Werk, sl

D

ie Zweikämpfe auf der Piste sind gnadenlos. Mit Tempo 200 rasen die Piloten im Zentimeterabstand über den Kurs und scheuen sich nicht, dem Gegner wie im Eishockey unsanfte Checks zu verpassen. Die Positionen wechseln ständig, die Stimme des Streckensprechers überschlägt sich, die Spannung ist atemberaubend. Auch wenn Markenpokale wie der Seat Leon Eurocup in der Regel nur das Rahmenprogramm von grossen internationalen Meisterschaften darstellen, sind sie die heimlichen Lieblinge der Zuschauer und vieler Akteure. Das Geheimnis liegt im Konzept: Hier kämpfen jeweils rund 30 nahezu identische Fahrzeuge und auf Nahkampf spezialisierte Piloten mit dem Messer zwischen den Zähnen um Punkte und Preisgelder. Auch der diesjährige Seat-Pokal dürfte Begeisterung auslösen; allein das neue Fahrzeug weckt Emotionen. Es ist zum rundlichen Vorgänger in jeder Hinsicht ein grosser Schritt nach vorne und zehn Prozent stärker. Die Basis liefert das bereits überaus potente neue Serienmodell Leon Cupra, das in zwei Leistungsstufen 265 oder wahlweise 280 PS mobilisiert und ab 37 950 Franken jetzt bei den Händlern steht. Der stärkste Strassen-Seat ist auch Ausdruck eines gesteigerten Selbstbewusstseins: 2013 konnte Seat Schweiz den Absatz zum dritten Mal in Folge erhöhen und liegt nun bei drei Prozent Marktanteil. Und natürlich sind auch die Rundstrecken-Aktivitäten dazu gedacht, die Begehrlichkeit weiter zu fördern. Aus dem bereits gut im Futter stehenden Strassenfeger hat die SeatRennsportabteilung in Martorell bei Barcelona ein noch heissblütigeres Rennfahrzeug gemacht. Das bewährte, auch im VW Golf GTI eingesetzte Zweiliter-Triebwerk aus dem VW-Regal leistet mit Benzindirekteinspritzung, Turboaufladung und einer zentral mündenden 98-Dezibel-Rennauspuffanlage satte 330 PS und 400 Nm. Auch die Kraftübertragung auf die Vorderräder stammt aus dem KonzernBaukasten; das DSG-Sechsstufengetriebe wird standesgemäss mittels Lenkrad-Schaltpaddel betätigt. Für gute Traktion sorgt eine elektronisch geregelte Differentialsperre, wie sie auch im Serien-Cupra montiert ist. 080 VECTURA #10

Grössere Unterschiede zum Strassen-Leon gibt es beim komplett verstellbaren Fahrwerk, das von den Ingenieuren in der Druck- und Zugstufe, der Höhe und der Härte der Stabilisatoren vorne und ­hinten individuell abgestimmt werden kann. Dazu kommt eine auf kompromisslosen Rennsporteinsatz getrimmte Bremsanlage mit Pizzagrossen, belüfteten Scheiben sowie Sechskolbenzangen vorne. Sämtliche im Serienmodell hilfreichen elektronischen Assistenten inklusive ABS wurden über Bord geworfen, was von den Piloten auch beim Verzögern viel Feingefühl erfordert. Der Seat Leon Eurocup rollt auf 10x18 Zoll grossen Rädern mit profillosen Einheitsslicks. Pro Rennwochenende stehen jedem Fahrer maximal zwei markierte ­Reifensätze zur Verfügung. Natürlich kommt der Renn-Leon auch optisch viel aggressiver und bulliger daher; hinter den neuen Fahrzeugen der Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC) muss er sich nicht verstecken. Vorne und hinten ist der Cup Racer fast zwei Meter breit, was ihn sprungbereit auf dem Asphalt kauern lässt. Zum anderen erhielt er einen massiven Frontspoiler mit tiefliegendem Splitter und einer riesigen Kühlöffnung, die den Luftbedarf des Turboaggregats stillt. Hinten generieren ein ausgeprägter Diffusor plus der imposante Heckflügel jenen Anpressdruck, der den Seat in schnellen Kurven am Boden kleben lässt. Nach Motorsport-üblichen Strickmuster ging man auch innen vor: Vom behaglichen Interieur des Zivil-Leon ist im Renngerät nichts übrig geblieben. Nahezu alles wurde bis aufs nackte Blech gestrippt und dann ein verstrebter Sicherheitskäfig eingeschweisst, der dem Chassis zusätzliche Verwindungsstabilität verleiht und dem Piloten im Ernstfall als Lebensversicherung dient. Der Fahrer sitzt, festgezurrt durch einen extrem breiten Sechspunktgurt, wie in einem Schraubstock und – im Sinne eines bestmöglichen Schwerpunkts – sowohl möglichst tief als auch weit zurückversetzt hinter der verlängerten Lenksäule in einer leichten wie superstabilen Rennschale mit Sicherheitsohren. Das komplette Armaturenbrett des Basismodells fehlt; ein direkt auf der Lenksäule montiertes digitales Display informiert über die wichtigsten Daten des Renners. Unsichtbar für den Betrach-


ter ist zudem ein sogenannter Airjack montiert: Er besteht aus drei pneumatisch betätigten Stützen, die das Fahrzeug bei Boxenstopps blitzschnell hochheben können. Ebenfalls an Bord ist eine professionelle Sensorik mit Datenaufzeichnung für die Ingenieure, um die Fahrzeugabstimmung optimieren zu helfen. Das Ergebnis aller Ab- und Umbauten schlägt sich in 1150 Kilo nieder, woraus sich ein exzellentes Leistungsgewicht von knapp 3,5 kg pro PS ergibt. In puncto souveräner Fahrleistungen haben die Spanier viel Erfahrung. Der 1950 gegründete, ab 1953 zunächst in Lizenz produzierende und 1986 von Volkswagen übernommene Autohersteller unterhielt schon 1970 eine Art Rennsportabteilung. Anfänglich widmete man sich einem Seat 124 für den Rallyesport und feierte einige Achtungserfolge. Ernsthafter wurde das Engagement nach der Gründung von Seat Sport 1985 und einem Rallye Kit Car auf Ibiza-Basis: Mit diesem Auto gewann man von 1996 bis 98 dreimal in Folge die Zweiliter-Klasse der FIA-Rallye-WM. Derart motiviert ging es 1998 mit dem Cordoba WRC in die höchste Rallye-Klasse: Am Steuer sassen die finnischen Piloten Harri Rovänperä und Toni ­Gardemeister sowie der französische Ex-Rallye-Weltmeister Didier Auriol, doch der Werkeinsatz war nicht von Erfolg gekrönt. Ende 2000 zog sich Seat daher aus der Rallye-WM zurück. Wesentlich beeindruckender agierten die Spanier und ihr emotionaler Rennleiter Jaime Puig im Tourenwagensport. Die Europameisterschaft-Premiere mit dem Seat Toledo Cupra fiel 2003 zwar noch recht bescheiden aus. Der überzeugende Durchbruch gelang aber ab 2005 in der neuen Tourenwagen-Weltmeisterschaft WTCC: Der Clou des eingesetzten Leon (und das Novum in einer FIA-Meisterschaft) war sein Turbodieselmotor, dessen bulliges Drehmoment der Benzin-Konkurrenz haushoch überlegen war – vor allem beim ­Herausbeschleunigen aus Kurven. Nach einem ersten Laufsieg 2007 dominierte das Werkteam die Jahre 2008 und 09; Yvan Muller und Gabriele Tarquini gewannen je zweimal die Fahrer- sowie die Markenwertung. Parallel dazu sorgte ab 2002 der Seat Leon Cup für Aufsehen. Zuerst wurde er unter dem Namen «Supercopa» ausschliesslich in Spanien ausgetragen, dann auch im Umfeld der deutschen DTM und 2008 kam schliesslich ein Eurocup mit attraktiven Rennen im WTCC-Rahmenprogramm hinzu. Als Siegesprämie winkte jeweils ein Gastrennen im WTCC-Werk-Seat.

Auch im Seat Leon Supercup 2014 hat ein Schweizer gute Chancen, ganz vorne mitzumischen Bei allen drei Wettbewerben war Fredy Barth ein Pilot der ersten Stunde; ab 2004 fuhr er neun Jahre lang Rennen auf Seat-Modellen. Zudem gehörte der Zürcher dem Seat Swiss Racing Team an und engagierte sich als offizieller Markenbotschafter. Seine grössten Erfolge im schnellen Seat-Markenpokal feierte der heute 34-Jährige mit Gesamtrang 3 und mehreren Laufsiegen sowie Podest-Rängen in 2006 und 09. Anfang 2010 stieg Barth vom Leon Eurocup in einen Leon WTCC der Tourenwagen-Weltmeisterschaft um und konnte sich auf Anhieb als Dritter der RookieWertung etablieren. «Die Seat-Cups habe ich in bester ­Erinnerung», sagt Barth: «Es waren intensive Jahre mit sehr befriedigenden Rennen, zumal die 300 PS starken Autos gegenüber den fünfmal teureren WTCC-Fahrzeugen nur unwesentlich langsamer waren. Ich habe diese Zeit sehr genossen und dabei viel gelernt, obwohl es manchmal sehr ruppig zuging und ich mehrmals in aussichtsreicher Position einer schmerzlichen Kaltverformung zum Opfer fiel. Die Spanier haben es immer verstanden, die Rennserie mit viel Lebensfreude zu zelebrieren. Wir waren eine grosse Familie und hatten auch neben der Piste immer viel Spass.»

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RENNSPORT

Mischte zwischen 2004 und 2013 kräftig mit: Fredy Barth

Auch im Seat Leon Eurocup 2014 hat ein Schweizer gute Chancen, ganz vorne mitzumischen: Der 23-jährige Tessiner Stefano ­Comini passt gut ins Bild des Jungen Wilden. Seine Karriere startete 2006 – nach Jugendjahren im Kart – in der Formel Monza und der Formel Renault; 2010 wechselte Comini in jenen mit dem Seat ­Leon Eurocup vergleichbaren Renault Mégane Eurocup, den er 2011 überlegen gewann. In 14 Rennen erzielte er zwölfmal die Trainingsbestzeit und feierte elf Siege! 2014 startet der Tessiner mit dem Südtiroler Team Target Competition also auf Seat und will an seine Erfolge anknüpfen: «Markencups haben gegenüber ­anderen Rennserien ihre eigenen Gesetze. Mit Fahrzeugen, die sich nur durch Nuancen in der Abstimmung unterscheiden, wird noch kompromissloser um jeden Zentimeter gekämpft. Da kann es schnell zu einem Ausfall kommen, den man kaum mehr auf­holen kann. Andererseits machen diese Rennen auch extrem viel Spass. Da kommt es auf die kleinste Kleinigkeit und den maximalen ­Einsatz des Piloten an. Mit meinem Team und meiner Erfahrung bin ich sicher, dass wir um Podest-Plätze kämpfen können.» Gefahren wird an sechs Wochenenden und hauptsächlich im Rahmen der International-GT-Open-Meisterschaft; der genaue Terminkalender stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Der erste Lauf findet am 3./4. Mai auf dem Nürburgring statt. Danach geht

Schweizer Jungtalent: Stefano Comini startet 2014 auf Seat

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es voraussichtlich auf den Algarve Raceway (Portugal), nach ­Silverstone (England), Spa (Belgien), Monza (Italien), eventuell als Gast der WTCC zum Salzburgring (Österreich) und am 18./19. Oktober schliesslich zum Finale ins heimische Barcelona (Spanien). Nach zwei freien Trainings, die jeweils eine halbe Stunde dauern und freitags stattfinden, steht samstags das für die Startaufstellung entscheidende, ebenfalls 30 Minuten dauernde Qualifying auf dem Programm. Um Pokale, Punkte und attraktive Preisgelder geht es dann in zwei rund 50 bis 60 Kilometer langen Sprintrennen mit stehendem Start am Samstag und Sonntag. Ausgeliefert werden die rund dreissig Rennfahrzeuge den von Sponsoren oder den Fahrern finanzierten privaten Teams erst kurz vor dem ersten Lauf, sprich Ende April. Jeder rennfertige Leon Cup Racer wird mit 70 000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt; die Einschreibegebühr für die komplette Saison beträgt weitere 12 000 Euro. Als Einsatzkosten rechnet Target Competition mit einem Betrag von rund 100 000 Euro inklusive Fahrzeugmiete, jedoch ohne zusätzliche Testtage, grosse Unfallschäden, Versicherungen oder die Reisespesen des Fahrers. Diesen Kosten stehen allerdings auch Preisgelder von insgesamt über 270 000 Euro gegenüber. Und davon möchte der ambitionierte Stefano Comini aus Lugano möglichst viel auf sein Konto transferieren lassen.


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LEKTÜRE

MOTORRAD-FIEBER Text sb · Fotos Adam Ewing, Kristina Fender, Chris Pierce, Horst Roesler, Volker Rost, Yutaka Sato, Onno Wieringa, Tsuneyuki Yamashita, Werk

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CUSTOM-BIKES SIND UMGEBAUTE SERIENMASCHINEN UND ­ERFREUEN SICH WACHSENDER BELIEBTHEIT; SPEZIALISIERTE ­GARAGEN SCHIESSEN DERZEIT WIE PILZE AUS DEM BODEN. EIN FASZINIERENDES BUCH STELLT DIE INTERNATIONAL BESTEN UND IHRE AUFREGENDSTEN KREATIONEN VOR

«Vier Räder bewegen den Körper, zwei Räder die Seele»: So steht es gleich am Anfang von «The Ride» und die Botschaft ist klar: Warmduscher sitzen im Auto. Kernig-provokante Sprüche sind Teil der Custom-Kultur, doch man sollte sich davon nicht abschrecken lassen. Denn was die Biker-Szene heute wieder an Spirit bietet, lässt niemanden kalt, der etwas Benzin im Blut hat. Diese Rodine genannte Schöpfung von Medaza Cycles aus dem irischen

Cork zum Beispiel steht für jene High-End-Umbauten, die gerne 100 000 Franken oder mehr kosten – und zum Fahren fast zu schade sind. Das Bike basiert auf einer 1971er Moto Guzzi Nuovo Falcone, doch abgesehen vom 580-cm3-Motor blieb fast nichts von der Italienerin übrig. Zwei Winter lang wurde an der Traummaschine getüftelt; 2013 gewann sie bei der renommierten AMD-Weltmeisterschaft den ersten Platz in der Freestyle-Klasse

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och vor wenigen Jahren schien es, als sei das Motorrad ein Auslaufmodell: Eine zornige Tausender sah mit ihrer wilden Kriegsbemalung aus wie die andere, dazu kamen irre Leistungsdaten, die kaum noch ausgefahren werden konnten. Gelände-Enduros? Offroad-Einsätze sind mittlerweile fast überall verboten. Selbst der Absatz braver 50-Kubik-Roller stagnierte – bei immer volleren Strassen und längeren Wegen rieten Eltern ihren Kindern gleich zu einem gebrauchten Auto. In der Folge blieben vor allem junge Leute fern, Töff-Hersteller beklagten massive Umsatzeinbussen, brandneue Maschinen konnten höchstens mit massiven Rabatten verkauft werden. Doch die kriselnde Branche ist auf dem Weg der Besserung – mit ausgelöst ausgerechnet durch einen Trend, der gebrauchten Zweirädern huldigt. Im Fokus stehen vor allem alte Maschinen, die lange billig zu haben waren, nun an Wertschätzung gewinnen und – als Basis für einen Umbau – langsam auch preislich zulegen. Trotzdem kostet ein solches Projekt meist weniger als ein neues Motorrad; selbst konservative, optisch belanglose Serienmodelle wie die Yamaha Virago XV920 verwandeln sich in atemberaubende Kreationen, die Begehrlichkeiten auslösen. Schon in den 1960er-Jahren gab es in England eine ähnliche Bewegung; Maschinen von der Stange waren verpönt. Auch die neuen Custom-Bikes sind nur selten als schmuckes Standzeug fürs Wohnzimmer gedacht, sondern meist strassentauglich und den nationalen Zulassungsbestimmungen entsprechend mehr oder weniger modifiziert. In der Schweiz ist erstaunlich viel erlaubt. So dürfen beispielsweise Kotflügel und Blinker entfernt oder Kennzeichen seitlich neben dem Hinterrad angebracht werden. Die Zweirad-Branche hat die Zeichen der Zeit erkannt und bietet ihrerseits immer mehr auf Nostalgie getrimmte Modelle sowie passendes Zubehör an – Harley-Davidson hat es schon vor Jahren vorgemacht. «Custom» ist kein reines Rocker-Attribut mehr, sondern 086 VECTURA #10

eine Bewegung geworden, die nicht nur grossvolumige Maschinen, sondern inzwischen alle Fahrer- und Hubraumklassen beinhaltet. Begleitend gibt es Fernsehsendungen, unzählige Magazine und noch mehr Webseiten. Die Gefahr eines neuen, temporären ­Marketing-Mainstream besteht indes kaum: Es geht schliesslich um Persönlichkeit und Seele, Individualität ist also das A und O, die Philosophien der einzelnen Werkstätten sind teilweise grundverschieden, kein Bike gleicht dem anderen. Und natürlich gibt es mehrere Modellkategorien, deren Archetypen fahrdynamisch wie optisch bestimmte Eigenschaften aufweisen und hier kurz vor­ gestellt werden. Die ersten «Bob-Jobs», kurz Bobber, traten während der 1930erJahre in den USA auf. Es handelte sich um im Rahmenbereich gekürzte «cut-down»-Motorräder amerikanischer Machart, mit ­grösseren Motoren und demontierten oder stark gekürzten Kotflügeln – ähnlich jenen schnellen Wettbewerbsmaschinen, die auf Schmutzstrecken oder hölzernen Ovalbahnen eingesetzt wurden («Board Tracker»). Zweck der Übung: weniger Gewicht, mehr ­Power und Wendigkeit sowie der gewünschte Racing-Look. Das Ergebnis sieht heute so geil aus wie damals, muss aber längst nicht mehr aus Amerika kommen. In Custom-Kreisen am verbreitetsten ist der Café Racer – eine Gattung, deren Ursprung in England zu suchen ist. Vorbild waren jene Rennmaschinen, die schon vor über 100 Jahren auf der I­sle of Man zur berüchtigten Tourist Trophy antraten, um bald darauf (und in etwas entschärfter Form) als Special-, SuperSport- oder Clubman-Modelle bei den Händlern zu stehen. Vielen Bikern ­waren diese Sonderserien aber zu teuer und so begannen sie, ihre eigenen Maschinen optisch und technisch umzuwandeln. Das ­Ergebnis parkte – mit offenem Vergaser, tieferem Lenker,


Deus ex Machina wurde Ende 2005 in Sydney gegründet. Mit Filialen in Bali, Los Angeles und Mailand zählt die Custom-Schmiede heute zu den weltweit bekanntesten – und produziert einen Appetizer nach dem anderen. Als Basis dienen oft Brot-und-Butter-Modelle wie die Yamaha SR500, so auch die oben gezeigte Schöpfung «The Grievous Angel»: Der Café Racer entstand 2006 in nur acht Wochen; inzwischen gibt es meh-

rere Versionen. Phantasievolle Namen gehören bei Deus dazu, so auch bei der «Le Gicleur Noir» (unten), die einst eine 2008er Kawasaki W650 gewesen ist und 2012 umgebaut wurde. Der Reiz dieses Bobbers mit Schwingachse (kurz «Swingbob») besteht in der Kunst des Weglassens; unter anderem wurden Sattel, Tank (Yamaha), Auspuff oder Kotflügel geändert. Arbeitszeit: zwei bis drei Monate

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LEKTÜRE

zurückgesetzten Fussrasten oder knapp gepolstertem Sitz – oft vor Coffee Shops oder Diners, was gleichermassen den Namen als auch den Einsatzzweck erklärte und sich bis heute grosser Popularität erfreut. Café Racer sind längst ein internationales Phänomen und die Bandbreite der Möglichkeiten von Hubraum bis Umbautiefe ist eine Frage des persönlichen Geschmacks. Wer einen typischen Chopper sehen will, muss sich nur den Film «Easy Rider» reinziehen. Endlos lange Gabeln, hohe Lenker und überdimensionierte Auspuffrohre kamen in den 1950ern in Südkalifornien auf und erlebten als 2000er-TV-Garage-Soap ein Revival, werden inzwischen aber weitgehend als uncool empfunden. Neuzeitliche Chopper sind weniger aufdringlich, was sie wieder reizvoll macht. Ihr bevorzugtes Reservat ist und bleibt der Highway.

Dragster: Vollgas-Extrem, auf der Geraden zuhause und damit herzlich wenig alltags- und landstrassentauglich, also auch nicht legal. Es geht ausschliesslich um brutale Beschleunigung, der Fahrer liegt praktisch bäuchlings auf der Maschine. Nur zu empfehlen, wenn man Lo Stäuble oder Urs Erbacher heisst. Die Bezeichnung Scrambler ist mittlerweile über 50 Jahre alt und charakterisiert ein Motorrad, das sich optisch wie funktionell an Enduro- oder Trail-Maschinen anlehnt. Mehr Bodenfreiheit, erhöhte Lenker, Fussrasten und Auspuffrohre sowie grobstollige Reifen gehören dazu. Solche Bikes sind konstruktiv also eingeschränkt geländetauglich, dafür aber viel zu schade: Die meisten NeoScramber werden ­heute fast ausschliesslich zum Cruisen auf ­Asphalt ­bewegt.

Die gezeigten Motorräder strotzen vor Ideen – wer sich alle Details anschaut und jeden Text studiert, braucht mehrere Tage dazu

Coole Customs kommen auch aus Japan, zum Beispiel von Motor Rock in Nagoya. Seit ihrer Gründung 2004 hat sich die Firma mit spektakulären Bikes einen Namen gemacht. Der handwerkliche Genius zeigt sich in jedem Modell, so auch bei dieser 1990er Suzuki GN125 Custom, die 2007 veredelt wurde. Halb Fahrrad und halb Board Tracker, findet die Suzu ihren eigenen Stil. Abgesehen vom Einzylinder ist praktisch alles handgemacht

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Die Firma SE Service des Schweden Ellan Egeland hat sich unter ­anderem darauf ­spezialisiert, BMWZweiräder auf einzigartige Weise zu modifizieren. «The Slugger» entstand 2009 aus einer verunfallten HP2 Sport. Das Besondere ist die fast horizontale Vorderradaufhängung – eine ebenso komplexe wie aufwendige ­Konstruktion. Auch Rahmen oder Verkleidungen sind komplett neu. Egeland spricht von einem Roadster, was die Ausnahmestellung dieser 65 000 Euro t­ euren Hardcore-Maschine unterstreicht


RUBRIKEN LEKTÜRE

Die in Richmond/Virginia beheimatete Garage Classified Moto hat ein gutes Auge für hässliche Entlein der 1980er- und 1990er-Jahre, die von der Biker-Szene gerne vernachlässigt werden. Ihre Yamaha «XV920 Original» – die Spendermaschine war von 1982 – ist so ein Fall: Beide Radaufhängungen sind neu, die Instrumente digital, viele ­Anbauteile vernickelt. Auffälligstes Detail ist eine kurze Sitzbank, die die Tankform harmonisch fortsetzt und zur gedrungenen Optik des Motorrads beiträgt

Etwas spezieller sind die Street Tracker – ursprünglich handelte es sich um domestizierte Rundstrecken-Bikes, die mit Beleuchtung und Kennzeichenhalter knapp strassentauglich gemacht wurden. Der Übergang zum Café Racer ist fliessend; typische Zutaten sind ein kleiner Tank, breite Lenker, breitere Reifen oder vollständig ­fehlende Kotflügel. Fast allen Klassen gemein ist die Sehnsucht nach Fahrspass, bei dem nicht Geschwindigkeit im Vordergrund steht, sondern Erlebnis und Geselligkeit. Dazu gehört freilich nicht nur der passende fahrende Untersatz, sondern auch die passende Lebenseinstellung. Und ein lässiger Kleidungsstil, der selbst ausserhalb der ­Biker-Szene immer mehr Anhänger findet. Diese ganze Custom-Kultur, die Entstehungsgeschichte der einzelnen Bikes und noch mehr Wissenswertes ist nachzulesen in «The Ride» – einem umfangreichen, fast 2,5 Kilo schweren Titel, dessen Bilder auf diesen Seiten zu sehen sind – und den wir begeistert verschlungen haben. Obwohl dem Buch eine erkennbare Systematik fehlt, ist die konstruktive Kreativität der einzelnen Mechaniker beeindruckend dokumentiert und weckt den Wunsch, selbst ein Custom-Bike in den Sonnenuntergang zu reiten – oder 090 VECTURA #10

gar eines zu bauen. Beim Customizing werden klassische Elemente mit modernen Zutaten unterschiedlicher Hersteller gemischt: Die im Buch gezeigten Motorräder strotzen vor Ideen – wer sich alle Details anschaut und jeden Text studiert, braucht mehrere Tage dazu. Einmal am Ende angekommen, stellen sich umgehend Entzugserscheinungen ein: Man möchte noch mehr sehen und erfahren, stellt sich den Klang der Ein-, Zwei- oder Mehrzylinder vor und bekommt Fernweh. Weil es wenige Bücher gibt, die gleichzeitig sehr informativ sind und solche Gefühle auszulösen vermögen, können wir den Titel nur wärmstens empfehlen.

Chris Hunter, Robert Klanten: The Ride – New Custom Motorcycles and Their Builders. Texte von Gary Inman, David Edwards und Paul D’Orleans. Englische Sprache, 320 Seiten, ca. 700 Fotos. Gestalten-Verlag Berlin/D., ­ ISBN 978-3-89955-491-5, CHF 64,90.


Blub-Blub-Blub: Die «Gorilla Punch», das elfte Bike einer «Monkee-Serie», machte die Wrenchmonkees aus Amager bei Kopenhagen international bekannt. Verchromte «Shiner» sind den Dänen zuwider. Ihre Einzelstücke sind dunkel-dumpf lackiert und bestehen im Wesentlichen aus Rahmen, Motor und Rädern. Vor 2009 war die Punch mal eine 1976er Honda CB750 Four; ihr Tank stammt von einer CR750, die Radaufhängungen von Kawasaki. Stahlscheiben über den Speichen plus Weisswandreifen sorgen für den besonderen Effekt. Das Ergebnis von 300 Stunden Arbeit kostet 25 000 Euro und ist längst verkauft

Reduktion auf das Wesentliche, dazu eine kunstvolle Chassiskonstruktion (unten): Um den Einzylinder einer 1970er Ducati 350 Scrambler hat der Deutsche Christian Klein in mehreren Jahren und 300 Stunden einen namenlosen Café Racer gebaut, der 2010 fertig wurde und dessen Schönheit besticht. Die Monoshock-Hinterradfederung stammt aus einer Honda, Teile der Gabel kommen von Yamaha. Dazu gibt es spezielle Details wie ein Skateboard-artiger Sattel oder Rücklichter, die in den Rahmenendspitzen rechts und links des zentral angeordneten Auspuffrohrs versteckt sind. Ebenso heiss wie die Custom-Duc ist ihr Preis: 100 000 Euro

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Dass der neue Motorrad-Kult nicht unbedingt nach viel Hubraum verlangt, beweisen diese beiden Töffli auf Basis eines profanen ­ 110-Kubik-Briefträger-Modells aus Australien: Wer die originale Honda CT110 «Postie» schon einmal gesehen hat, mag es kaum glauben. Oben der 2011 erfolgte, rund 6000 US-Dollar kostende «Street Special»-­ Umbau von Ellaspede aus Brisbane, unten das 2012 in nur 100 Stunden realisierte, nicht kategorisierbare Erstlingswerk des australischen

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­ auzeichners Andy Copeland namens «Express Post». «Crazy Stuff» B hätte auch gepasst; das Einzelstück weist einen Aluminium-Kastenrahmen, aber weder Sattel noch Tank auf; der Sprit steckt in Kupferrohren und reicht für wenige Runden. Länger hält es der Fahrer ohnehin kaum aus, aber die Optik ist grossartig. Darf es noch etwas mehr Custom sein? Eine reichhaltige Auswahl an Beispielen gibt es im ­vorgestellten Buch – oder auf www.bikeexif.com


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DOPPELTE REIFEPRÜFUNG SOPHIE UND REGINA SIND BESTE FREUNDINNEN: DIE ERSTE IST EINE BLUTJUNGE FRAU, DIE ZWEITE EIN MOTORRAD MARKE HOREX JAHRGANG 1952 – UND STEHT HEUTE BESSER DA DENN JE. GESCHICHTE EINER UNGEWÖHNLICHEN BEZIEHUNGSKISTE Text und Fotos map

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Die fand Gefallen daran – und im Matura-Projekt eine Möglichkeit, das elterliche Moto-Verbot zu unterlaufen. Die einzige Auflage ­seitens der Schule war, für das Fach Physik über Triebwerktechnik zu schreiben.

So steht es in der Einleitung der Matura-Arbeit von Sophie Dänzer aus dem Schwarzenburger Land. Offenbar wollte die Gymnasiastin zum Schulende diesen Sommer nicht noch mehr Bücher wälzen, sondern etwas Praktisches machen – ein altes Töff instand setzen. Ihre Idee kam nicht von ungefähr: Der Vater fährt eine BMW R26 Jahrgang 1956 und nahm die Tochter gelegentlich mit.

Im August 2012, auf der Suche nach einem geeigneten Objekt, fand die damals 17-Jährige in Montreux eine 1952er Horex Regina (1950–58). Das Export-Modell mit 250 cm3 Hubraum und 17 PS war extra für die Schweiz konzipiert worden und damals sehr ­populär; heute ist der Bestand auf wenige Dutzend Exemplare geschrumpft. 3000 Franken zahlte Sophie für die betagte Dame. Die sah zwar noch ordentlich aus, war mechanisch aber arg ­strapaziert. Dänzer begann sofort, ihr Töff zu zerlegen und kam

er Geruch von Öl ist mir vertraut. Ich gehe in die ­Garage, was ich da sehe, erscheint mir unglaublich. Eine Maschine, anfangs noch so fern und nicht zu verstehen. Kolben, ­Zylinder, Getriebe – totales Chinesisch. Ein Viertaktmotor ­e rscheint mir kompliziert, ich begreife das Motorrad nicht. Ich nehme es auseinander, sehe nur Schrauben und Blech…

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auch recht weit, stellte dann aber fest, dass sie Hilfe brauchte. Über den Horex-Club hatte sie bereits Kurt Rihs kennengelernt: Der Motorrad-Mech ist Markenfan der ersten Stunde; in den 1950erJahren hatte er in der Horex-Garage Scheuren gelernt. «Als Sophie mich anrief und von ihrem Vorhaben erzählte, konnte ich es zuerst gar nicht glauben», schmunzelt der 77-Jährige: «Neben meiner Frau gibt es nur wenige weibliche Wesen, die mit dem Namen Horex etwas anfangen können. Und Sophie wollte gleich eine ­restaurieren!» Die Schülerin und der Pensionär verstanden sich auf Anhieb: S ­ eine Werkstatt ist ganz dem Thema Horex gewidmet; es gibt fast alle notwendigen Werkzeuge und Ersatzteile. Die meisten hat Rihs schon in den 1970er-Jahren gehortet, als japanische Fabrikate auf den europäischen Markt stürmten und niemand mehr das alte Zeug haben wollte. Heute werden manche Horex-Komponenten in Gold aufgewogen, falls man sie überhaupt findet. Für Dänzer war Rihs also ein Glückfall. Die stolze wie engagierte Horex-­ Eignerin war gerade im Begriff, ein paar tausend Franken in Ersatzteile zu stecken, die es gar nicht brauchte – «oder die minderwertig gewesen wären», weiss sie heute. Rihs zeigte ihr, worauf es wirklich ankam. Als Gründungsmitglied des Schweizer Horex-Club ist er zudem bestens vernetzt und weiss: «Gute Reginen sind t­ euer und längst in festen Händen. Wer eine haben möchte, muss mit verlebten Exemplaren anfangen und viel schrauben – was unter dem Strich noch mehr kostet.» Bis September 2013 investierte Sophie rund 200 Arbeitsstunden – und nochmal mehr als das Zweifache des Kaufpreises. Das

Rassig: Die Horex SB 35 ist die Vorgängerin der Regina und wurde zwischen 1939 und 49 gebaut

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­ ötige Geld verdiente sie sich selbst; samstags und in den Ferien n sass Dänzer im Migros an der Kasse. Sonntags ging es dann zu Kurt: Die junge Dame sandstrahlte, entlackte, speichte neue Felgen ein oder tauschte Motorinnereien. Und sie schrieb im eigenen Blog (www.maturahorexregina.jimdo.com). Dank dem Fachwissen ihres Mentors flossen viele kleine Verbesserungen in die Maschine ein, zum Beispiel eine kontaktlose Zündung, neue Ventilsitzringe, asbestfreie Bremsbeläge oder der Bremslichtschalter. Optisch ist davon kaum etwas zu sehen: Dänzer liebt es klassisch – und ­entschied sich gegen den typischen Schwingsattel und für eine rot bezogene Doppelsitzbank. Im Herbst 2013 wurde die wieder topfitte Regina dann erstmals gestartet und geprüft. Richtig losgehen wird es aber erst diesen Frühling; vorher wartet noch die Fahrausweisprüfung. Auf der ­ersten Tour dürfte Sophie noch vom Vater und von Kurt eskortiert werden, doch sie denkt bereits an einen Europa-Trip. Und hat sich vorgenommen, anschliessend Medizin zu studieren. Hat jemand irgendwelche Zweifel?

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Für ein cooles Bike tun sie (fast) alles: Brian Sloma (links) und sein Compagnon Ken Chan

DIE GRENZGÄNGER ES GIBT VIELE BIKE-SHOPS IN LOS ANGELES. ABER NUR WENIGE GEHEN BEI IHREN UMBAUTEN SO WEIT WIE DIE BURSCHEN VON SLC Text Ezekiel Wheeler · Fotos Bruce Benedict

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eit kann eine Fülle von Wissen produzieren, allein schon bei einer Spanne von zwanzig Jahren. Manchmal ist es einfach, sich an einige der härteren Lektionen zu erinnern, aber einige brauchen keine Reminder: Sie bleiben durch die geleistete Anstrengung und Handwerkskunst lebendig. Brian Sloma, der Gründer und Mitinhaber der Spirit Lake ­C ycles, kurz SLC, begann seinen Lebensweg in einem umgebauten Bordell am Ufer eines Sees in Iowa. Der gleiche See wurde vom berühmten Banditen Mickey Cohen während der Prohibition verwendet, um Alkohol zu schmuggeln – Spirit Lake. Diese Tatsachen sollten als Beweis genügen, dass die kleine Ortschaft mit ihrer ruhigen, nur gelegentlich ausschweifenden Geschichte durchaus dazu taugt, auch eine der angesehensten Motorradwerkstätten in ganz Los Angeles hervorzubringen. Brian hatte zunächst mehrere Rennautos aufgebaut, doch dann suchte er eine grössere Herausforderung mit stärkerer Ausdruckskraft. Nicht zuletzt ging es ihm darum, den stressigen L.A.-Verkehr wieder zu einem Abenteuer werden zu lassen. Anders als viele Bike-Bauer, die sich heute vorrangig dem Serienbau widmen oder eine Lehre machen, während sie eine Maschine vom Schrottplatz restaurieren, entstand SLC auf Brians Küchenboden. Beim Eintauchen in die Bike-Szene halfen Brian klassische Volkswagen: Sie pumpten Öl und Metall in seine Adern, und als die «Hood Ride»-Bewegung 2004 ihren Anfang nahm, war es sein Brezelkäfer, der national für Aufsehen sorgte. Der damals

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17-Jährige hatte das Auto aus einem Feuchtbiotop gerettet und entschied, die dort angereicherte Patina nicht zu entfernen. ­Dieser VW sowie die Komplettrestauration eines zweiten Beetle von 1967 versorgten Brian mit allen Fachkenntnissen, die er für die Herstellung einmaliger Motorräder brauchte. Der Umzug nach Kalifornien diente 2005 letztlich dem Zweck, Brians Umbau-Leidenschaft auf solidere Beine zu stellen. Mit öffentlich-nächtlichen Kursen am Art Center of Design in Pasadena trainierte er ein Styling, das künftigen Projekten zugutekommen sollte. Optik spielt bei SLC eine wesentliche Rolle. Dazu wird weniger gezeichnet als praktisch ausprobiert – mit mehreren Händen. Neben Brian sind inzwischen auch der hungrige Addison Weeks sowie der Künstler und Social-Network-Guru Ken Chan an Bord, doch nur Brian arbeitet fulltime für SLC. Gemeinsam nähern sie sich solchen Motorrädern, die ihre Vorstellungen am besten transportieren können. Das Motto lässt sich vielleicht mit «modernen Interpretationen für urbane Fahrer» umschreiben: eingelassene Scheinwerfer, verkürzte Kotflügel, Board-Track-artig vertauschte Handgriffe – alles kein Problem, bis hin zum bizarren Motortausch. Der Wunsch nach Ruhm kam ausgerechnet mit einer CraigslistKleinanzeige – der klassischen Geschichte eines jungen wie naiven Besitzers, der nur wusste, dass er sich von seinem 1985er-Moped trennen wollte – zum Preis eines Abendessens. SLC schlug zu und brachte den 50-Kubik-Roller zur Vollrestaurierung in die Garage. Erst beim Zerlegen des Zweitakt-Motors merkte Brian, was sie da gekauft hatten – eine äusserst seltene Garelli Monza GT nämlich. Höchst erfreut recherchierten sie und fanden heraus, dass die italienische Marke einst Rekorde in Serie gesetzt hatte (VECTURA #8) – und sogar erfolgreich in Bonneville angetreten war. Von nun an widmete sich das Team mit mehr Enthusiasmus dem ursprünglich als Zwischenprojekt gedachten Töff: Ken experimentierte mit den Verkleidungen oder Farben, bis gegen Ende der Restaurierung die falschen Schriftzüge geliefert wurden – in Rosa anstatt dem bestellten Orange. Doch dieses Detail lenkte vielleicht die Aufmerksamkeit auf die Rennsemmel und bescherte SLC viel Internet-Präsenz; inzwischen ist die kleine Garelli in der Schweiz zuhause. Einige Monate später machten sich Brian, Ken und Addison an die Umsetzung neuer Ideen. Als Anfänger in einer klar gegliederten Branche beschlossen sie bald, alle Konventionen über Bord zu werfen. Auch die Auffassung, dass bestimmte Motoren nur in bestimmten Rahmen mit kultigen Logos zu sitzen haben, ist keine Barriere für SLC, sondern wird eher als Herausforderung begriffen. So war es auch bei der nächsten Kreation, einer klassischen Honda CB, der kurzerhand ein robustes BMW-Herz implantiert wurde. Die Szene war in heller Aufregung ob dieser Frankenstein-Maschine, es gab böse (anonyme) Kommentare auf den Vimeo- und Facebook-Seiten von SLC – aber auch Applaus dafür, etwas gewagt zu haben, das anders war.

Modifizierte Serienteile, neue Bleche oder ein bizarrer Motortausch – alles ist möglich bei SLC

Viele Biker möchten ja gerne zurückreisen in vergangene Jahrzehnte. Doch abgetragene Stiefel, traditionelle Haarschnitte oder Lederjacken sind inzwischen Mainstream, was in einer Label-fokussierten Stadt wie L.A. leider mit allem passieren kann. Für Brian und seine Jungs hat Stil nichts mit den Klamotten, sondern den Bikes zu tun – mit einer Wertschätzung von Langlebigkeit und Verarbeitungsqualität. Es sind genau diese FRÜHLING 2014 101


SPEZIAL

Motorräder von Spirit Lake Bikes erobern die Welt: Sie fahren bereits durch Mailand, Paris, schwedische Wälder oder über Schweizer Berge

Attribute, welche die Motorräder und Zukunft von SLC ausmachen. Die Lagermöglichkeiten für Bikes sind allerdings beschränkt; auch gibt es keinen Fundus an Kunststoffkoffern… E ­ ine praktikable Lösung sind alte Kamerataschen, die Brian & Co als platzmässig völlig ausreichend empfinden. Die Suche nach passenden Accessoires kann manchmal allerdings so lange dauern, wie einen neuen Kotflügel zu hämmern. Darum hat SLC vor, eigene Taschen aus haltbaren Materialien wie Leder, Canvas oder Nylon anzufertigen: «Es gibt praktisch nichts auf dem Markt, was unseren Ansprüchen genügt. Wir können also darauf warten, bis jemand etwas Passendes macht – oder selbst die Initiative ergreifen», erklärt der 28-Jährige. Es geht also auch um Einzigartigkeit; nicht jede Umbau-Anfrage wird auch automatisch angenommen. Sicher, der Strom muss

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bezahlt werden und die Miete. Trotzdem ist man bei SLC nur selten bereit, die eigenen Ansprüche zu opfern und Kompromisse einzugehen. Schliesslich hat sich die Mannschaft in der örtlichen Bike-Szene den Ruf von Punkrockern erworben, und den gilt es zu wahren. Jede neue SLC-Maschine schiebt die Grenzen noch etwas weiter hinaus, und darin liegt für die Jungs auch der Reiz ihres Schaffens. Ausserdem werden sie von der Öffentlichkeit angespornt; manch interessierter Beobachter ist heute ein Kunde – wie jener Sammler in Mailand, der gleich mehrere SLC-Bikes besitzt. Sie parken inzwischen auch vor Pariser Cafés oder düsen durch schwedische Wälder. Aktuell sind in Downtown L.A. zwei Motorräder in Arbeit, die für noch grössere Aufmerksamkeit sorgen dürften. Beim ersten handelt es sich um eine alte, vollverkleidete Ducati, beim ­z weiten


um eine edle BMW, die im Board-Track-Stil modifiziert wird – inklusive spezieller Metallarbeiten im 1950er-Jahre-Look. Und während die BMW-Einzelteile in der ganzen Werkstatt verteilt sind, kann man an den massgefertigten Rohblechen bereits viel von der SLC-Kreativität erkennen. So international die kleine Schmiede mittlerweile auch ist: Los Angeles soll ihr Standort bleiben. «In einem Radius von 15 Kilo­ meter gibt es einfach alles, was wir zum Kaufen, Bauen und Veräussern brauchen», erklärt Brian. «Nennt mir nur einen anderen Ort, der all das plus so gute Fahr- und Fabrikationsmöglichkeiten bietet, dann werde ich es mir vielleicht überlegen.»

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SHOWROOM

YOU MIGHT LIKE THIS BIKE WER HEUTE EIN NEUES MOTORRAD SUCHT, HAT DIE QUAL DER WAHL. DENN ES GIBT NICHT NUR UNZÄHLIGE BROT-UND-BUTTER-MODELLE, SONDERN AUCH VIELE STARKE CHARAKTERTYPEN. WIR STELLEN 19 VON IHNEN VOR Text Ben Winter · Fotos Heinz Mitterbauer, Ina Peters, Werk

Neo-Rocker: BMW R NineT ABS BMW-Motorräder waren lange Zeit die Wahl des wertkonservativen Komfort- und Reise-Fahrers – dann folgte der herzrasende Ausflug in das 200-PS-Supersport-Metier. Jetzt tasten sich die Bayern zaghaft an klassische Elemente heran, die auch postmoderne RetroBiker abholen sollen: 110 PS aus einem luftgekühlten 1200er-Zweizylinder-Boxer sind eine stramme Fast-Forward-Ansage. Auch die coolen Customizing-Details der 16 900 Franken teuren R NineT tun sehr überzeugend so, als ob heute alles so viel besser wäre als früher.

Evolutionsmodell: Ducati Monster 696 Wow! Seit 20 Jahren schon hat Ducati die Monster im Programm! Ohne horrendes Entwicklungs-Budget komponierte die Ur-Monster aus dem Ducati-Baukasten der frühen Neunziger ein drahtigminimales Fahrgerät, das sich fuhr wie ein Mountainbike mit Vorschlaghammer-Antrieb. Mittlerweile ist die Monster sehr modern gezeichnet, im Kern aber immer noch ganz sie selbst geblieben. Um puren Monster-Spass zu geniessen, sind die hubraumstarken und teuren Power-Varianten nicht notwendig – die 80 PS der­ 10 490 Franken teuren 696 schliessen ohne jeden Kompromiss das Tor zum Handling-Himmelreich auf.

Easy Rider: Harley-Davidson Seventy-Two Fetter, mattschwarzer Bodybuilder-Look ist bei Motorrädern endlos out, Retro-Reminiszenzen dagegen sagenhaft angesagt. Erschütternd stilsicher ist die Kultmarke Harley-Davidson hier unterwegs: Bei der Seventy-Two (CHF 15 200.–) trifft die hemmungslose Erotik der ultraschlanken Sportster-Silhouette auf den 66 PS starken 1200-cm3-V2, einen bitterbösen 1970er-Jahre-Chopperlenker, Weisswandreifen und die Stöhn-Lackierung im Metalflake-Flitterlook. Was man dazu trägt? Schnauzbart, ein betont eng sitzendes T-Shirt und Röhren-Jeans – klar, oder?

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Terminator: Harley-Davidson Breakout Allen anderen, denen «fett» noch nicht out genug ist, dürfte die 23 700 Franken teure Breakout gefallen – ein vor Testosteron triefender Dragster, auf dem man immer noch König der urbanen Showmeilen sein kann. 75 PS sind keine Urgewalt, aber die 130 Newtonmeter aus dem 1349 cm3 grossen V2 eine Wucht: Am Ende zählt eh das Drohpotential als Gesamtpaket: Wenn sich so ein hart grollender Ofen mit feistem Hinterrad und breitem Lenker neben dir an der Ampel einbremst, lassen es nur wenige auf einen Showdown ankommen. Zu Recht: Zumindest alles auf vier Rädern kontrolliert die Breakout bis 50 km/h locker.

Old school: Honda CB 1100 EX Luftgekühlter Reihen-Vierzylinder, klassische Proportionen, das Herz am rechten Fleck: Die CB 1100 (Basisversion ab 12 990 Franken) schafft es ohne jede alberne Nostalgie-Folklore, ein traditionelles Motorrad-Konzept zu reanimieren. Während andere Bikes dieser Kategorie immer wieder etwas aufgesetzt wirken, ist die grosse Honda mit ihrem 88 PS starken Four einfach nur ein schönes Motorrad. Die EX-Variante kommt mit Speichenrädern und Sechsgang-Schaltbox sowie etwas klassischerem Look, die Standard-Version gibt sich einen Hauch moderner. Also Lederjacke an, Helm auf und raus aufs Land.

Manga-Sumo: Honda GL 1800 F6C Unter der Darth-Vader-Stormtrooper-Fassade steckt keine überdrehte Aggressoren-Technik, sondern das kaltblütig-feine Sechszylinder-Herz der grossen Gold Wing. Sattes Drehmoment aus einem 1800-Kubik-Boxermotor sorgt für abgrundtief bulligen Durchzug aus dem Drehzahlkeller, das massige Design täuscht darüber hinweg, dass die grosse Honda harmonisch, komfortabel und balanciert zu bewegen ist. Genau das Richtige also für TourenFans mit Humor und Gardemass – ab Mai für 24 350 Franken.

Teutonen-Hammer: Horex VR6 Classic Es hat eine Weile gedauert, bis sich die kleine Truppe aus Augsburg von der ersten Ankündigung bis zum tatsächlich kaufbaren Serienmotorrad durchgehangelt hat. Wer die VR6 aber einmal fahren konnte, ist ihr verfallen: Der extrem kompakt bauende 1200erSechszylinder mit seinem druckvollen Punch und dem gierigen Knurr-Sound macht das deutsche Exoten-Bike zur Emotions-Sensation, die neue Classic-Variante (ca. 25 000 Franken) mit Speichenrädern und Nostalgie-Lackierung holt 2014 nun auch noch den letzten Zweifler ins Lager der wiederbelebten Motorrad-Legende.

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SHOWROOM

Rückkehr des Häuptlings: Indian Chief Vintage Dass die grosse Indian im 1930er-Jahre-Look kein billiges Vergnügen ist, sieht man dem chromblinkenden Töff-Büffel sofort an: Ab 28 990 Franken verlässt der Häuptling das Reservat, dafür bekommen Fans der wiederbelebten US-Traditionsmarke aber auch ein wertig gemachtes, charismatisches Tourenmotorrad mit bulligem 1800-Kubik-V2. Indian gibt nur das Motor-Drehmoment von 162 Nm bei 3000 Touren an – Spitzenleistung ist beim lässigen Dahinpowern völlig egal. Hauptkaufargument für eine Indian dürfte aber ihre hohe Exklusivität sein – daneben wirkt jede HarleyDavidson gewöhnlich.

Back to the roots: Kawasaki W800 Special Edition Für 10 990 Franken holt die W800 die herrlichen Zeiten zurück, in denen man nicht Sportler, Touren-Bike, Enduro oder Naked Bike fuhr – sondern einfach ein Motorrad! Bildschöne Linienführung, ein durchzugsstarker 48-PS-Parallel-Twin mit wunderbarer Königswellen-Technik, dazu das eindringliche schwarze Farbschema der Special Edition: Fertig ist eines der ursprünglichsten und sinnlichsten Motorrad-Erlebnisse der Postmoderne. Es soll Leute geben, die eine W als Zweitmotorrad hatten und nie wieder ihr doppelt so starkes Erstmotorrad angerührt haben…

Mr. Lightweight: KTM 390 Duke Die Österreicher bauen federleichte Motorräder, die gerade deshalb maximalen Fahrspass bieten. Wie lächerlich Hubraum- und Leistungswahn sind, macht besonders die intellektuelle 390er (CHF 6590.–) klar – der 44 PS starke 375-cm3-Einzylinder kickt das nur knapp 140 Kilogramm schwere Handling-Gerät so deftig voran, dass wesentlich leistungsstärkere Motorräder – von Autos ganz zu schweigen – nach ein paar hundert Meter auf kurvigen Strecken die weisse Fahne schwenken. Innerstädtisch ist man auf dem ­«Herzog» ohnehin König.

Leise, aber rotzfrech: KTM Freeride E Spass, Spass, Spass: Die Freeride-Modelle aus Österreich wollen einfach nur spielen, springen, balancieren, wühlen. Da passt ein flüsterleiser, abgasfreier E-Antrieb mit einer knappen Dreiviertelstunde Akkulaufzeit natürlich perfekt, denn so werden auch wohnraumnahe Industriebrachen, der grosse Supermarktparkplatz am Wochenende oder andere halblegale Ecken zum Vergnügungspark. Und da der laut Werk maximal 22 kW (30 PS) starke Stromer bereits aus dem Drehzahlkeller furchterregend antritt, geht es auch so heftig los, dass kein Auge trocken bleibt. Wer die Freeride E will, muss sich bei KTM bewerben und rund 10 000 Franken bereithalten.

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DERN TRIUMPH MO CLASSICS. L S. THE ORIGINA

FOR THE RIDE

Weitere Informationen über die Modern Classics Reihe, Probefahrten und die stylische Heritage Bekleidungs-Kollektion bei Ihrem Triumph-Händler. triumphmotorcycles.ch/de

facebook.com/officialtriumphschweiz FRÜHLING 2014 107


SHOWROOM

Fabrikneuer Oldie: Royal Enfield Continental GT In einer indischen Parallelwelt läuft seit Jahrzehnten nahezu unverändert die Lizenz-Produktion eines britischen Motorrad-Kultbikes durch. Als Alltagsgefährt für indische Familien gedacht, hat die Royal Enfield bei uns natürlich einen ganz anderen Stellenwert: Wo sonst ist klassische Motorrad-Technik fabrikneu mit Werkgarantie zu haben? Die neue Continental GT (CHF 9500.–) kommt für europäische Lifestyle-Märkte mit auf 535 Kubik aufgebohrtem 29-PSViertakt-Single und angesagtem Café-Racer-Look – im Grunde ist sie aber die Alte geblieben: ein rustikales Vintage-Kaltblut mit Dampfmaschinen-Ausstrahlung.

Nagelprobe: Sommer Diesel 462 Einzylinder-Diesel, 11 PS. Muss man mehr sagen? Die skurrilen Klassik-Bikes der deutschen Motorrad-Manufaktur sprechen nicht nur Klassik-Freunde an, sondern alle Zweiradfans mit Hang zum Besonderen. Wer einmal den gelassenen Ruhepuls der gemächlich tuckernden Kleinserien-Geräte gespürt hat, wird regelrecht süchtig danach. Knapp 100 km/h, zweieinhalb Liter Diesel auf 100 km – diese rund 11 500 Franken teure Maschine ist ein Nachhaltigkeitsseminar auf Rädern.

Freestyle-Akrobat: Suzuki Van Van RV125 Keine Lust auf hochgerüstete Hightech-Kisten, aber viel Freude am neugierigen Herumschnüffeln in den hintersten Ecken? Die Nase im Wind, vielleicht sogar auf Schottersträsschen, quer durch die Stadt, wenn es sein muss auch mal ein paar Treppenstufen hinunterräubern? Mit der Suzuki Van Van (ab 4995 Franken) ist genau das möglich, und zwar völlig unkompliziert: Federleicht, mit einsteigerfreundlicher Sitzhöhe, stilvollem Spielmobil-Charakter und lebensfroh-defensiver Grundstimmung, ist die kleine Susi ein ­ ­sonniger Sommertraum.

Spaceship: Suzuki Intruder M1800R Den harten Rocker raushängen lassen, aber in Wirklichkeit ein ganz feiner und introvertierter Kerl sein – so lässt sich dieser JapanBomber beschreiben (CHF 17 685.–). Während der grosse 1,8-L-V2 mit seinen 125 PS im Bedarfsfall zwar auch einmal voranstürmen kann, dass die Berge beben, ist er in seinen Grundzügen doch ein braver Zieher, der mit fleischigem Drehmoment und milden Manieren ganz auf freundlich macht. Als Kontrastprogramm gibt es dazu einen ultrabreiten und flachen Lowrider-Look, der ordentlich die Zähne fletscht. Muss ja niemand wissen, dass auch böse Jungs Gefühle haben können.

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Kerniger Kumpel: Triumph Scrambler Von allen Classic-Triumphs ist uns die Scrambler (12 490 Franken) einfach am liebsten. Der grobstollige Sixties-Look, die hochgelegten Auspuff-Tröten und der breite Offroad-Lenker wirken unverschämt hemdsärmelig; dank speziellem Kurbelwellen-Versatz hat der 865-Kubik-Parallel-Twin einen kernigen Groove und sämigen Schmalz aus tiefen Drehzahlen. Der Zweizylinder sieht übrigens nur gestrig aus – dank moderner Einspritzanlage ist er ganz auf Höhe der Zeit. 59 PS reichen dann völlig, wenn es – cool wie Steve ­McQueen – den kleinen Freiheiten entgegengeht.

Lollipop: Vespa 946 Da fällt die Kinnlade nach unten und schafft es auf absehbare Zeit nicht mehr nach oben: Dieser Italo-Roller covert Retro-Hits der 1950er unverschämt intelligent und verbindet sie mit moderner Technik. Der effiziente wie leise 125er-Viertakt-Einzylinder ist in der Stadt eine Wucht, das stabile Fahrwerk agiert im urbanen Gewimmel dank ABS und ASR gleichermassen lustvoll wie sicher – in Sachen Alltagsnutzen lässt so eine Vespa eh nichts anbrennen. Die Stahlblech-Aluminium-Karosserie der zuckersüssen Vespa 946 ist so hinreissend schön, dass man der 10 995 Franken teuren Sahneschnitte die ganze Zeit an den knackigen Hintern fassen will.

Retro-Single: Yamaha SR400 Bereits im ersten Leben zwischen 1978 und 99 schaffte es die SR zur Legende: Ihr reduzierter Charakter mit einem luftgekühlten Einzylinder-Motor und das auf blanke Funktion getrimmte Chassis machten «die SR» zum stilvollen Basis-Transporter für Studenten und gleichzeitigen Sehnsuchts-Objekt für Freunde ungeschminkter Ehrlichkeit. Nach 15 Jahren Pause scheint Yamaha nun festzustellen, dass dieses Konzept aktueller denn je ist – und bringt die SR als 400er zurück – natürlich nur mit Kickstarter. Der Preis für den 23-PS-Klassiker wird etwas später nachgereicht und dürfte bei rund 5500 Franken zu liegen kommen.

Künftiger Klassiker: Yamaha XV950 Mit diesem Modell hat sich Yamaha an ein Konzept gewagt, für das die Zeit einfach reif war: Herausgekommen ist ein Chopper, der chromglitzernde Sentimentalitäten entschieden auslässt, auf dem man auch in Kurven satt ausreiten kann und der mit 11 480 Franken noch bezahlbar ist. Sein 950er-V2 schlenzt moderate, aber herzerwärmende 52 PS über einen sauberen Riemenantrieb ans ­Hinterrad, die Sitzposition ist einer lässigen Attacke nicht abgeneigt. Wer dazu gerne ein etwas sportlicheres Fahrwerk mag, greift besser zur 410 Franken teureren R-Variante.

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SPEZIAL

JENSEITS DES MAINSTREAM DIE CUSTOM-BIKES VON HARD NINE CHOPPERS SIND RESPEKTLOS – UND UNVERSCHÄMT GUT Text map · Fotos Janosch Abel, Laurent Bagnard, Freakyrico, Beda Schmid

W

enn in der Motorszene etwas Aufregendes passiert, ist Bern nicht gerade der Ort dafür. Ausnahmen bestätigen die Regel: Ein Kind der Schweizer Hauptstadt baut ohne klassische Mech-Ausbildung und mitten in einem Wohngebiet sehr spezielle Motorräder zusammen, von denen die ganze Welt spricht. In der Schweiz nimmt man den «Local Hero» dagegen weniger wahr. Richtig begonnen hat es 2007, dabei reicht die Motorrad-Karriere von Daniel Schneider viel weiter zurück: Als fanatischer Motocross- und FMX-Rider konnte er mit seiner Maschine springen wie nur wenige. Bis zu jenem Tag im Sommer 2001, als ihm beim Schwungholen auf der Rampe direkt vor einem Monstergraben die Yamaha YZ250 absoff. Der damals 27-Jährige stürzte mit 60 Sachen rund zehn Meter tief und zertrümmerte sich den rechten Fuss so schwer, dass es schlagartig vorbei war mit dem Freestyle Motocross. Nach vier Monaten im Krankenhaus musste ein neues Ziel definiert werden, denn stillsitzen, das kann Schneider bis heute nicht. Der Bike-Virus erwischte Danny, wie ihn längst alle nennen, im zarten Alter von vier Jahren, als er ein Trail-Velo geschenkt bekam. «Fahrrad fahren fand ich cool, von Anfang an», erinnert er sich: «Ich bin ein hyperaktives Kind gewesen; jetzt konnte ich mich viel bewegen und abreagieren. Das tat gut, denn es fällt mir bis heute schwer, dreidimensional zu denken – meine Hirnhälften sind offenbar nicht hundertprozentig normal verbunden. Eine Route zum Beispiel kann ich mir vorab nicht vorstellen, aber wenn ich sie dann fahre, geht es. Das Kinderrad hat mir damals geholfen, selbstbewusster zu werden und mich besser zu orientieren.» Sein Trail-Kick verflog jedoch schnell; mit sieben stieg Danny auf FRÜHLING 2014 111


BMX um. «Das erste kam von Redline, später folgten ein Haro Sport und viele andere.» Sein Fahrstil war waghalsig: Auf der Ramp und im Gelände vervollkommnete er die nötige Beherrschung von Körper und Sportgerät – ganze zehn Jahre lang. Erst danach folgte der erste Töff, eine Kawasaki KX125: «Ich begann eigentlich recht spät, dafür aber umso besessener. Wenn ich etwas tue, dann exzessiv. Und zwei Räder sind einfach mein Ding; Autos haben mich nie so sehr interessiert.» Im Gegensatz zu seiner Bike-Leidenschaft machte Danny in der Schule keine gute Figur. Er ging nach der Prim und sagt rückblickend: «Meine Eltern hatten eine harte Zeit mit mir. Ich mochte einfach nichts lernen, was mich weder direkt noch persönlich weiterbrachte. Die kommenden Monate war ich mit meinen TöffFreunden auf dem Motorrad unterwegs.» Der Teenager bestritt Freeride-Rennen und gewann auch einige; ab dem 19. Lebensjahr fuhr er aber nur noch zum Vergnügen, weil in der Schweiz viele Strecken geschlossen wurden und es praktisch keine Trainingsmöglichkeiten mehr gab. Also reiste Danny regelmässig fünf Stunden nach Süden auf die Gris MX im französischen Valence, um sich auszutoben. So ging das, bis er 23 war und Geld verdienen musste: «Der Sport war teuer und ich begann, im väterlichen Farbengeschäft zu arbeiten.» Was er verdiente, steckte er umgehend in seine Yamaha und die Ausrüstung.

Hey, Bonanza: Andere Kinder sahen fern, Danny fuhr Fahrrad

Es war eine schöne Zeit bis zu jenem Schicksalssommer 2001, «aber auch restless», sagt Danny. Die Rehab-Zwangspause zwang ihn, sich neu zu orientieren, was er im Nachhinein als Geschenk empfindet. «Ich habe viel gelesen und mir Motorrad-Filme angesehen. Damals war Jesse James angesagt in den Staaten; er gehörte zu den Ersten, die Custom-Chopper gebaut haben. Darüber hatte jemand einen Film gedreht, den ich im Spital sah. Das wurde meine Inspiration: Schnell fahren konnte ich ja nicht mehr, aber ganz entspannt auf einem Unikat durch die Gegend cruisen – diese Vorstellung gefiel und passte auch zu mir.» Kaum entlassen, machte sich Danny auf die Suche nach einer geeigneten Maschine – und fand ganz in der Nähe eine runtergerittene Harley Shovelhead Baujahr 1976. «Ich habe sie zerlegt und rumprobiert, learning by doing. Beim Schweissen brauchte ich dann Hilfe – und ich lasse mir nicht gern helfen. Also besuchte ich abends einen Schweisserkurs und begriff schnell, wie es gemacht werden muss.» Das war der Auftakt und das Bike nach fünf Monaten fertig; Danny fuhr es zwei Jahre lang täglich, bevor er es verkaufte. Jene Shovelhead markiert den Anfang einer Custom-Karriere, die bis heute rund ein Dutzend höchst ungewöhnlicher Bikes hervorgebracht hat. Auf eine weitere, schwer kategorisierbare Harley, die erst mal alle verzichtbaren Anbauteile verlor, folgten ein 250er-Triumph Flat Track Racer und ein Projekt, das den internationalen Durchbruch markieren sollte – die D’MX. Für sie diente wieder eine Harley-Davidson mit 750 cm3 als Basis, Modell WLA Baujahr 1943. Dannys Idee, die Amerikanerin zu strippen und ihr eine BMX-Fahrrad-Optik zu verpassen, stiess bei fast allen, die davon wussten, auf grosse Skepsis: «In der Schweiz», sagt sein Buddy Carmelo, «ist die Oldtimer-Szene extrem puristisch und originalitätsverliebt. Ich kenne Jungs, die beim Anblick eines solchen Bikes die Welt nicht mehr verstehen.»

Perfekte Balance: Das BMX-Bike ist heute noch aktuell

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Carmelo gehört zum harten Kern der 2004 gegründeten «Hard Niners» – neun Kollegen inklusive Danny, die sich seit Ewigkeiten


SPEZIAL

Die D’MX markiert den internationalen Durchbruch: 2009 war Danny der erste Europäer, der zur Mooneyes Hot Rod & Custom Show im japanischen Yokohama eingeladen wurde

kennen und die gleiche Bike-Leidenschaft teilen. Konventionen sind ihnen total egal – erlaubt ist, was gefällt. «Es geht um ‹­brotherhood›, wir sind kein Verein oder so Zeug», stellt Danny klar. Inzwischen haben sich die Niners verdoppelt, was vielleicht auch die wachsende Sehnsucht junger Leute nach individueller ­Fortbewegung auf zwei Rädern widerspiegelt. Davon bekam auch der Berner Filmemacher Jan Mühlethaler Wind und er b ­ eschloss, mit bescheidenen Mitteln eine Danny-Doku zu drehen – just zu jener Zeit, als die D’MX entstand. Zufall oder Schicksal? Eher ­Letzteres, denn der gut gemachte wie sehenswerte Streifen (www.hardninemovie.com) begleitet den Protagonisten auf ­seinem Weg an die internationale Custom-Spitze. Die wird j­ährlich zur Mooneyes Hot Rod & Custom Show ins japanische Y ­ okohama eingeladen – und Danny wollte der erste Europäer sein, dem ­diese Ehre zuteil wird. Ein ehrgeiziges Ziel also, mit dem er sich Anfang 2009 ans Werk machte, um etwas wirklich Neues zu tun – und FRÜHLING 2014 113


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die Harley dafür erst einmal komplett auseinanderriss: «Ich wollte Räder, die wie BMX-Kunststofffelgen von Skyway aussahen. Die Sportster-Serie wurde einst mit optisch geeigneten Felgen ausgeliefert, die es allerdings nur 1978 gab und heute entsprechend selten sind. Ich hatte Glück: Eine fand ich fast direkt vor der Haustür, die andere in Polen.»

Lässig leicht: 1942er Triumph 5S made by Hard Nine Choppers

Learning by doing: Danny hat sich fast alles selbst beigebracht

Über vier Monate flexte, schweisste und probierte Danny alles Mögliche, dann war die Maschine fertig. Ein befreundeter Fotograf setzte sie in Szene; der Rest ist Geschichte: Fachmagazine stürzten sich auf die Bilder, die D’MX war in aller Munde (bis heute gehört sie zu den meistveröffentlichten Bikes der Welt) und die Einladung nach Japan nur noch eine Formsache. «Den für Newcomer eigentlich obligatorischen Show-Teil mit Von-Messe-zu-MesseTingeln habe ich fast komplett übersprungen», grinst Danny. Vor der Japan-Reise war er allerdings auch mächtig nervös: Nicht auszudenken, wenn das Teil just vor dem Publikum versagen ­würde… Doch seine Befürchtungen waren unbegründet, die D’MX schnurrte und Danny ritt neben Cole Foster durch die johlende Menge. «Er ist weltweit der ‹biggest name›, was Custom-Bikes angeht», sagt der Berner ehrfürchtig. Umgekehrt wurde Danny von etablierten Branchen-Grössen gelobt: «Als ich seine Maschine sah, wollte ich sofort draufspringen und losfahren», sagte ein Roland Sands. Von Bümpliz auf Berühmt in wenigen Wochen – das muss man erst einmal verkraften. Danny gelang das; er blieb bescheiden und hob nicht ab. Hat ihm sein Bärndütsch dabei geholfen? Es ist eine Mischung aus Mundart und Anglizismen, die Sprache seiner BikerWelt. Wenn ihm etwas gut gefällt, sagt Danny weder «cool» noch «awesome» und selten «geil»: Seine Lieblingsvokabel in diesem Zusammenhang lautet «nice». Und er ist ein ‹nice guy› – vielleicht auch, weil er wusste, was ihn erwartete. Denn mit der euphorisch gefeierten D’MX gab es ein Problem: Sie legte die Messlatte an Erwartungen sehr hoch, und die galt es mit dem nächsten Bike zu toppen. An Ideen mangelte es nicht, dennoch behielt der unkomplizierte Berner seinen Lebensrhythmus bei – von halb 7 bis 14 Uhr im väterlichen Geschäft, nachmittags Sport und erst danach schrauben, manchmal bis spät in die Nacht. «Partys meide ich, sonst bin ich am nächsten Morgen k.o. Und einen verlorenen Tag mag ich mir nicht leisten. Allein so ein spezieller Tank braucht locker 80 Stunden. Bis eine komplette Maschine fertig ist, kommt schon was zusammen.» Die D’MX verkaufte Danny später nach San Francisco – «zu einem Preis, den ich nicht ablehnen konnte». Fast wichtiger war ihm, den Interessenten zu mögen: Der fährt das Bike bis heute unverändert. Namentliche Bezeichnungen seiner Motorräder sind die Ausnahme für den heute 39-Jährigen, aber hier passte es. So auch bei seinem nächsten Projekt, der Freestyle-BSA «Mr. Croissant» zum gepflegten Brötchenholen mit 125 Kubik. Eventuell ist dies das Besondere, das Geheimnis an Dannys Bikes – sie haben Humor, ohne albern zu wirken. Und sind eben keine bierernsten CustomHarleys nach bekannt-kopiertem Strickmuster, sondern höchst individuelle Sonderanfertigungen, die zuerst mal ihrem Erbauer gefallen müssen, bevor sie öffentlich bestaunt werden können. Auf das Frühstücks-Brit-Bike folgten zwei Triumph oder eine Indian, die einst dem bekannten Steilwandfahrer Hans Mack gehörte.

1932er Indian Scout von Hans Mack, komplett neu gestylt

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Nach wie vor macht Danny fast alles selbst, «nur von der Elektrik lasse ich die Finger». H9-Bikes sehen nicht nur sehr gut aus,


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sondern sind auch vergleichsweise leicht und haben mit 40 bis 60 PS ordentlich Dampf. Beim Finden kommt Danny oft der Zufall zur Hilfe: «Die Töff dürfen nicht allzu teuer sein, aber die Preise ziehen an.» Inzwischen ist er selbst eine Marke und war bei den wichtigsten Events der Welt in Bottrop, Las Vegas, Los Angeles, São Paulo, Sturgis oder Verona dabei. Über 60 Auszeichnungen hat er gewonnen, obwohl ihn die eigentlich kaum interessieren – einen Pokal-Schrein sucht man vergebens. Danny hat andere Werte; bei der L.A. Fashion Week 2010 stiftete er ein Bike für eine Brustkrebs-Spendenaktion. In Japan und den USA sind sie richtig heiss auf ‹Hard-Nine-Stuff›, der regelmässig Titelseiten ziert. Wirklich wichtig war Danny die späte Anerkennung des Vaters, ansonsten hält sich sein Heimat-Hype in Grenzen: «Es ist einfach ein anderes Mindset in der Schweiz – Leute kaufen eine neue Maschine, sprayen einen Totenkopf drauf, drücken auf den Knopf und knattern los», umschreibt er die Situation. «In Italien ist die Custom-Szene dagegen riesig; man geht immer mehr weg vom Stockbike. In Frankreich, England oder bei den Deutschen ist das inzwischen ähnlich. Aber hier mögen viele nicht, was ich mache. Von Sammlern kamen teils harte Kommentare, die mir aber scheissegal sind. Ich habe das für mich getan und nicht für andere – und mit der Denke habe ich Erfolg.» Zuletzt drehte es sich im Berner Westen wieder um eine 1943erHD-Flathead mit zwei Zylindern und insgesamt 750 cm3 – «einfach weil’s für mich die schönsten Rahmen und Motoren sind!». Die jüngste ist eine WLC aus kanadischer Fertigung; Danny hat sechs Monate intensiv an der Maschine gearbeitet und sie Ende Januar dieses Jahres zur Motor Bike Expo nach Verona gebracht, wo er beim Old-School-Wettbewerb 2013 den ersten Platz belegte. 2014 kam er auf Rang 3 und ist zufrieden damit, auch weil er Verona mag. Andere Shows sind da anders; der Berner kennt die Spielregeln und macht sich nichts vor: «Wenn Hersteller wie Harley eine Veranstaltung sponsern, gewinnt dort eben auch keine andere Marke im Hauptwettbewerb, so einfach ist das.» Denn längst ist die Custom-Szene auch ein Millionen-Geschäft. «Viele», sagt Danny, «haben ihren Stil gefunden und leben gut davon. Für mich kommt das aber nicht infrage.» Das Überraschungsmoment gehört zu Hard Nine – die Kreativität, Dinge eben respektlos und anders zu machen. Trotzdem muss man vorsichtig sein: «Als ich jemandem nicht ganz Unbekannten erzählte, was ich als Nächstes vorhabe, konnte ich genau das einen Monat später im Internet bewundern – er hatte meine Idee übernommen und einfach schneller umgesetzt.» Momentan denkt Danny darüber nach, wie es weitergehen soll. Die innere Unruhe ist ihm geblieben «und deshalb gehe ich seit drei Jahren Fliegenfischen, das tut mir gut». Um von seinen CustomBikes leben zu können, müsste er jährlich mindestens zwei Maschinen bauen und auch verkaufen, was einen gewissen Erfolgsdruck erzeugen würde. Man sollte meinen, dass es weltweit genug Freaks gibt, bei denen Geld keine Rolex spielt und die sich ein solches Bike bestellen. Danny schüttelt den Kopf: «Nein, mir ist das noch nicht passiert. Aber es rufen oft welche an und fragen, ob ich ihnen ihre ‹XY› umbauen kann für 2000 Stutz. Okay, denke ich dann, die haben es einfach nicht verstanden.» Weggehen von Bern? Die Vereinigten Staaten locken, aber er hat Zweifel: «Da wäre ich zwar mittendrin, aber vielleicht auch nur einer von vielen. In der ruhigen Schweiz dagegen kann ich mich ohne Ablenkung auf das nächste Projekt konzentrieren.»

Frühstücks-Cruiser: knusprige BSA Bantam Baujahr 1948

Bitte kein Retro: zweimal Triumph Tiger Cub; die rote brannte leider ab

Brotherhood: die «Niners» auf Tour im Kanton Bern

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SPEZIAL

Keine Angst vor krassen Farben: Mit der Harley WLC «Flathead» von 1943 räumt Hard Nine derzeit weitere Preise ab

Mit Online-Merchandising – Kappen, T-Shirts oder Stickern – verdient Danny bereits ein Zubrot (www.hardninechoppers.com). Seit 2010 hat er zudem einen Manager, der sich um Kooperationen kümmert: Für den Fahrradhersteller Scott entwarf Danny ein E-Mountainbike, die Genfer Uhrenmarke Romain Jerome widmete ihm einen Zeitmesser. Individuelle Bike-Komponenten wären eventuell auch ein Weg in die Unabhängigkeit – Hard-NineComponents, sozusagen. Sein Firmenname, hat er ausrechnen lassen, ist knapp zwei Millionen wert. Er hat keinen Masterplan, sondern hofft auf einen Financier, der an ihn glaubt und die Mittel einschiesst, die es dazu eben braucht. Bis es so weit ist, macht Danny weiter wie gehabt. Die nächste H9-Maschine ist bereits im Bau: Man darf gespannt sein.

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FAHRTENBUCH

MOBIL IN BANGKOK SZENEN EINER MACHBAREN, NICHT MEHR FERNEN ZUKUNFT

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ehr als 500 Millionen Moped fahren in Südostasien, Tendenz steigend. Die Umweltbelastung ist enorm, neue Konzepte sind gefragt. Wie eine gute Lösung aussehen könnte, zeigt der folgende Tagesablauf im Jahr 2017. 5.30 Uhr Für Khun Somchai aus dem Vorort Thonburi beginnt ein neuer Arbeitstag. Er hat bereits geduscht und gefrühstückt. Jetzt klinkt er einen noch gut tragbaren 10-Kilo-Akku, den er über Nacht in seiner Zwei-Zimmer-Wohnung vollgeladen hat, in den schnittigen Elektro-Kabinenroller ein, der im Garten steht. Er steckt sein Samsung-Smartphone in die Halterung des «eTracer», woraufhin dieser erwacht und ihn mit sanfter Frauenstimme mit «Sawasdee kaa, Khun Somchai!» begrüsst. Es kann losgehen! 5.45 Uhr Unterwegs in Richtung Thaksin-Brücke über den ChaoPraya-River zeigt ihm sein Handy nicht nur die Geschwindigkeit von 80 km/h, die um diese frühe Uhrzeit noch möglich ist, sondern auch über «Waze», wo auf den Strassen Richtung Zentrum bereits was los ist. Somchai liebt diese Morgenstunden, dann kann er das leise Summen des 3-kW-Brushless-Motors hören und freut sich: Statt täglich Benzin für 50 Baht (etwa 1,50 Franken) zu verfahren, braucht er nur noch Strom für 10 Baht; das Ersparte entspricht ungefähr zwei warmen Mahlzeiten. Draussen hat es übrigens erst 22 Grad Celsius, deshalb sind die grossen Frischluftklappen an der Kabine noch geschlossen; Somchai fröstelt leicht. Für die heisseren Som118 VECTURA #10

mertage will er irgendwann die leistungsfähige Klimaanlage nachrüsten – in Europa haben die sogar Heizungen im Angebot! Er hat auch gelesen, dass in der Schweiz bereits viele Banker mit einem Luxus-eTracer zur Arbeit fahren, komplett in Klavierlack-Schwarz mit Chromleisten und einem iPad als Kombi-Instrument, während ihre Frauen im Porsche Cayenne zum Fitness-Club fahren… 6.00 Uhr Immer mehr Pick-up und SUV verstopfen jetzt die Stras­ sen. Seit die neue Mittelschicht die günstigeren Vororte entdeckt hat und dort Zehntausende Häuser baut, hat es auch hier immer mehr Autos, da jede Familie mit mindestens zwei Pw in Richtung der Zehn-Millionen-Metropole fährt. Seine Nachbarn, deren beide Kinder studieren, fahren neuerdings sogar mit vier Autos herum… Verrückt. Zum Spurwechsel blinkt Somchai vorschriftsgemäss. Er tut dies mit den Sprachbefehlen «sai» und «qua», also links und rechts, was die LED-Blinker sofort umsetzen. 6.15 Uhr Der vierrädrige Verkehr ist zum Erliegen gekommen. Nur stinkende Scooter und die wenigen eTracer, die es nun auch in Bangkok gibt, kommen durch. Zwei Querstrassen weiter hat Somchai die Fabrik erreicht. Kurz vor der Einfahrt schneidet ihm ein schwarzer SUV den Weg ab und er muss voll in die Eisen, doch das ABS bremst zusammen mit der Rekuperation im Hinterrad schnell und spurtreu. Mit seiner alten Honda wäre er jetzt wieder voll auf die Fresse geflogen!


RUBRIKEN

6.20 Uhr Der Autoparkplatz ist voll. Früher kam nur der Direktor mit dem Wagen, heute haben alle Buchhalter, Verkäufer und sogar die Chefsekretärin ein eigenes Auto. Somchai parkt den schlanken eTracer bei den anderen Scootern hinter der Halle 2 und nimmt den Akku mit, um ihn in seinem Spind wieder nachzuladen. Laut Handy-Display hat er für die 35 Kilometer zwar weniger als 40% der Energie verbraucht, aber heute Abend trifft er sich noch mit seiner Freundin Lek, dann gibt’s einen kleinen Umweg nach Hause. 6.30 Uhr Somchai beginnt seine Zehn-Stunden-Schicht. Vor acht Jahren hat er hier als Mechaniker angefangen, heute ist er stellvertretender Produktionsleiter – und voller Ehrgeiz: In seiner Freizeit hat er viel für die Weiterbildung getan. Nächstes Jahr will er mit Lek eine Familie gründen und hat sich deshalb auch den eTracer zugelegt. Das tägliche Hin und Her mit dem Scooter wurde einfach zu gefährlich. Jede Woche sah er viele Unfälle – die meisten tödlich. Irgendwo hat er gelesen, dass in ganz Südostasien jedes Jahr eine Million Töff im Strassenverkehr zerstört werden und dabei weit über 100 000 Menschen sterben. Diese Zahl ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass in dieser Region täglich 550 Millionen Pendler mit einem Moped unterwegs sind. Aber jetzt muss er an seine künftige Familie denken. Und da schützt ihn der eTracer schon fast so gut wie ein kleines Auto. 7.00 Uhr Sein Boss trifft ein und sagt, er sei mit seinem Toyota Prius auch um 5.30 Uhr losgefahren. Und er hat heute schon für 200 Baht Benzin verdampft, denkt Somchai. 12.00 Uhr Mittagspause. Mit den gesparten 40 Baht gönnt er sich heute mal was Feines! Die Auswahl drüben auf dem Markt ist riesig und es duftet an vielen Orten sehr verführerisch. Somchai entscheidet sich für Nord-Ost-Spezialitäten aus seiner alten Heimat. Dort gab es nur Reisfelder und nichts zu tun; mit 18 ist er fort. Aber das Essen vermisst er sehr! Anschliessend läuft er noch kurz zu Tesco-Lotus rüber. Die grösste Handelskette Asiens für Haushaltsapparate und Non-Food-Produkte weist allein in Thailand über 1000 Filialen auf und hat letztes Jahr den eTracerVertrieb übernommen. Somchai war darüber sehr froh, denn bisher lag der Scooter-Handel fest in Mafia-Hand: Die kleinen Roller wurden ausschliesslich vermietet – für horrende 19% Leasingzinsen. Tesco-Lotus hat ihm ein wirklich tolles Angebot gemacht; er musste nur zehn Prozent anzahlen. Mit 90 000 Baht (rund 3000 Franken) ist die eTracer-Grundversion schon etwas teurer als der beliebte Honda-PCX-Scooter – aber der hat keine schützende Sicherheitskabine, keinen Wetterschutz, kein LED, säuft wie eine Kuh und verpestet die Luft. Und dann das coole eTracer-Design, da hat’s bei ihm damals «klick» gemacht: Wieso sollen wir Thais mit hässlichen Rollern umherfahren und uns dabei reihenweise umbringen? Er blickt auf sein Smartphone: Heute Abend wird es regnen.

Das Raten-Modell beinhaltet auch Zinsen, aber die sind gut versteckt. Die Finanzierungspartner sind nämlich gleich mehrere: Zum einen Tesco-Lotus, die einen Teil des Fahrzeugs zu fünf Prozent klassisch verleasen. Aber auch ThaiTelecom, bei der sich Somchai über ein Flatrate-Abo das neue Mobiltelefon besorgt hat, gleich zusammen mit dem eTracer. Der GigaByte-Datentransfer, welcher dauernd über sein Fahrzeug läuft, kostet ihn eine etwas höhere Monatsrate, die er sich locker leisten kann. Und dann ist da noch die Schweizer AXA Winterthur, die gleich eine massgeschneiderte Versicherungspolice mit dem komplett in der Schweiz entwickelten Kabinenroller ausliefert. Von denen hat er gerade gestern eine günstige Offerte für seine Hausratversicherung bekommen, mit 30% Prämienrabatt – weil er ja schliesslich sicher fährt. Auch der grösste Stromanbieter Thailands, die Metropolitan Electricity Authority (MEA), hat Anteile am eTracer finanziert. Die sagen, dass Fahrzeuge eigentlich «Stehzeuge» sind, weil sie pro Tag durchschnittlich nur zwei Stunden bewegt werden. In der Stand-Zeit hat sich Somchai nun verpflichtet, dass sein Akku immer am Netz hängt und sich der Netzbetreiber über den sogenannten «smart-grid» jederzeit – zur Deckung seiner Last-Spitzen – maximal 20% der Kapazität herunterladen kann, sofern der Akku komplett geladen ist. Und seiner hängt ja seit acht Uhr wieder voll im Kleiderschrank! Sollten einmal ein Drittel der über sechs Millionen Scooter in und um Bangkok durch eTracer ersetzt worden sein, könnte die MEA aus deren angeschlossenen 3-kW-Batterien jederzeit die Spitzen abdecken. Und zwar mit der Kurzzeitleistung von mehreren Atomkraftwerken! Und weil Thailand bis 2020 über 25% seines Strombedarfs aus Solarkraftwerken generieren will, ist die Speicherkapazität der Fahrzeugbatterien das mit Abstand günstigste Modell. Last but not least finanziert auch der thailändische Staat einen Teil in die sichere wie emissionsfreie Pendlermobilität. Früher, wenn jemand in der Familie bei einem Roller-Unfall gestorben war, sagte man «bad karma», doch heute sind Tote oder Schwerverletzte auch in Thailand ein ÖkonomieFaktor, denkt sich Somchai. Unter dem Strich kostet ihn sein sicherer, extrem betriebsgünstiger High-Tech-Kabinenroller, der aus­serdem noch super aussieht, samt Versicherung und allen anderen coolen Features weit weniger als der alte Roller, für den er monatlich über 1000 Baht an Benzin, Öl, Bremsbelägen, Zündkerzen, Filter und dergleichen ausgegeben hat! Ein Wahnsinn. Obendrein wurde er auch noch vollgeregnet, bestimmt über hundertmal pro Jahr. Abends war das nicht so schlimm, aber morgens, denn in der Fabrik sieht man es gar nicht gerne, wenn die Mitarbeiter mit nassen, dreckigen Kleidern anrücken. Einige wurden deswegen schon geschasst und draussen stehen immer viele Leute Schlange für neue Jobs. 12.30 Uhr Mittlerweile ist Somchai im Laden von Tesco angekommen und steuert die E-Mobility-Abteilung an. Dort führen sie seit einigen Wochen ein komplettes Accessoire-Programm für den eTracer. Bei den auf Mass genähten Taschen denkt er an FRÜHLING 2014 119


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seine Lek – und staunt, als er Zusatz-Aktiv-Lautsprecher sieht, die sich einfach per Klettverschluss in der Kabine befestigen und via Bluetooth mit MP3-Sound versorgt lassen. Zweimal zehn Watt für nur 1200 Baht! Tönt spitzenmässig! Das muss sich Somchai aber nochmals überlegen. Er schaut sich noch ein paar eTracer-T-Shirts und BaseCaps mit Schweizer Kreuzen an, bevor er wieder an die Arbeit geht. 18.00 Uhr Geschafft. Ein Supertag war das, mit wenig Ausschuss in der Fertigung. Das wirkt sich positiv auf den monatlichen Bonus aus: Wird vielleicht doch was mit diesen Lautsprechern! Somchai nimmt den Akku mit, schiebt ihn in seinen eTracer, schaltet per Handy-Touchscreen das LED-Licht ein und macht sich auf den Weg in den beliebten Lumpini Park: Hier ist jeden Abend was los und es gibt die besten Garküchen der Stadt. Wie vorausgesagt beginnt es zu regnen; er schaltet den Scheibenwischer mit Sprachbefehl an – und strahlt, als er überall die Scooter-Fahrer sieht, die sich Plastikplanen überstülpen.

Roger Riedener, der 15 Jahre lang in Bangkok lebte, ist CEO der Peraves AG in

Uster. Dem Unternehmen und seinem Chef schwebt «ein in der Schweiz massenproduzierbares, einsitziges Elektrofahrzeug und damit nichts weniger als ein Quantensprung im Pendlerverkehr» vor, wie in der fiktiven Geschichte beschrieben. Einschlägige Erfahrung ist vorhanden: Bereits in den frühen 1980er-Jahren entwickelte Peraves das zweisitzige, voll verkleidete «Ecomobile» auf BMWBasis. 2010 folgte der elektrische MonoTracer, mit dessen 0,7-L-Verbrauch Peraves unter anderem den begehrten X-Prize gewann (www.monotracer.com).

18.10 Uhr Die Navigation weist den besten Weg durch die City. Heute ist viel los down-town; Somchai wird durch schmale Sois, also Quartierstrassen, geleitet und ist trotzdem nach 20 Minuten im Park. Dort stehen schon Hunderte von eTracern: Viele von ihnen sind mit «mood-lights» ausgestattet, an denen sich, wenn man denn Bescheid weiss, der «gender» oder «social state» des Fahrers oder der Fahrerin erkennen lässt. Es ist eine Funktion, die Somchai nicht braucht, hat er doch seine Freundin in dem Getümmel schon entdeckt.

Riedener geht es um Nachhaltigkeit: «Zur Herstellung, dem Betrieb und Unterhalt bis zur Entsorgung werden nach der sogenannten LCA (Life Cycle Analysis) circa zehnmal weniger Primär- und Sekundärressourcen verbraucht als bei einem Automobil», betont er. Diesen «Faktor 10» wollen die Zürcher nun im boomenden Rollermarkt erzielen: 2017 werden laut Einschätzungen weltweit rund 120 Millionen Roller abgesetzt, 100 Millionen davon allein in Südostasien. Die meisten von ihnen fahren dann mit Katalysator-freien Verbrennern herum, die rund 3 L auf 100 km verbrauchen. «Das ist eine Öko-Katastrophe», meint Riedener. Der eTracer benötigt zehnmal

18.30 Uhr Sie begrüssen sich mit dem traditionellen «Wai», aber viele Paare küssen sich hier im Park schon wie Westler. Er fahre zwar ein Schweizer Moped, aber das bedeute noch lange nicht, dass er herumknutsche wie ein Europäer, lacht Somchai. Die beiden verschwinden händchenhaltend im Menschenmeer. Es ist wieder stockdunkel in Bangkok.

weniger, nämlich 3 kWh/100 km oder eben 0,3 L Benzinäquivalent – ohne lokale CO2-Emissionen. In grosser Stückzahl hergestellt «wie eine Swatch-Uhr!», würde der eTracer nicht viel mehr als ein Benzinroller kosten, «aber viel mehr können». Peraves nennt das Konzept selbstbewusst «the iPhone on wheels»; für Riedener ist es sogar die Demokratisierung individueller Fortbewegung: «Nur weil viele Kunden sich kein Auto leisten können, müssen sie doch nicht verzichten – weder auf Sicherheit noch auf Wetterschutz oder geringe Betriebskosten.» Das Styling und ein hochmodernes Bediensystem werden die Attraktivität zusätzlich steigern, ist er überzeugt. «Design, Engineering und Prototypenbau sind unsere Kernkompetenzen», sagt Riedener, der um Partner wirbt: «Wir haben genügend grosse Firmen hier in der Schweiz, die auf ihrem Spezialgebiet als Mitentwickler und Lieferanten, ja sogar als Hersteller dieser Fahrzeuge mehr als qualifiziert sind. Die sollten aber auch bereit sein, in grossen Massstäben zu denken, denn ein 10%-Marktanteil in Asien bedeutet eben auch zehn Millionen Fahrzeuge pro Jahr.» Die Euphorie des CEO ist ansteckend: «Wir bringen jetzt gemeinsam die Schweiz wieder auf die Landkarte der Fahrzeughersteller und reden von 10 000 Arbeitsplätzen. Hier bei uns. Eine denkbare Produktionsstätte ist der komplette Ex-Flughafen Düben-

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dorf, also sind auch die Politik und der Bund gefordert. Ich habe jetzt genug gehört von Krise. Lasst uns dieses hausgemachte Gejammer beenden!»

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NÜTZLICHES MULTI-TOOL DER MODELLNAME PASST – UND FÜHRT DOCH IN DIE IRRE. DENN DER SUBARU FORESTER IST KEIN WALD-UND-WIESEN-AUTO, ­SONDERN EIN ALLESKÖNNER. DAS GILT AUCH FÜR DIE VIERTE ­AUFLAGE, DIE SICH DERZEIT IN ALLEN KANTONEN VERBREITET Text Matthias Pfannmüller · Fotos Ian G.C. White

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eit 1997 hat sich der Forester einen festen Platz in den Garagen von Herrn und Frau Schweizer erobert: Er ist der Allrounder im Subaru-Programm und vorwiegend in ländlichen Regionen anzutreffen. Das ist als Kompliment zu verstehen, denn dort, zwischen Feld und Stall, Hornussen und Kindergarten, matschigen Feldwegen und Anhängerbetrieb, machen qualitativ durchschnittliche Autos relativ schnell schlapp. Nicht so dieser Japaner, der quasi nebenbei zu den allerersten Crossover-Modellen gehört, die weltweit erfolgreich gewesen sind. Weil er eben nie nur auf Allrad gemacht hat, sondern mit ausreichender Bodenfreiheit und anständigen Böschungswinkeln immer auch richtig ­Offroad konnte. Das hat sich natürlich längst herumgesprochen und mit jeder neuen Forester-Generation steigerte Subaru den Absatz. Die Marke aus Shinjuku, Tokio, hätte es sich dabei leicht machen und mit bescheidenen Weiterentwicklungen auf Nummer Sicher gehen können. Stattdessen erfanden die ehrgeizigen Ingenieure ihre nicht nur in Europa populärste Baureihe jedes Mal komplett neu: Wirkten die ersten beiden Serien noch wie hochbeinige Kombis, hob sich Forester Nummer 3 bereits deutlich von seinen Vorgängern ab. Und wenn man die im Frühjahr 2013 eingeführte vierte Generation betrachtet, fällt vor allen anderen Dingen ihr Grössenzuwachs auf:

Gegenüber dem allerersten «Waldarbeiter» ist die Neuauflage 14,5 Zentimeter länger, 6 cm breiter und 10,5 cm höher – und ­damit ein ausgewachsener SUV geworden. Es gehört zu den erstaunlichen Eigenschaften des jüngsten ­Forester, dass man seine Korpulenz im Betrieb kaum spürt: Die elektrische Lenkung und das Fahrwerk wurden auf eine Art und Weise abgestimmt, die Vertrauen schafft und ausreichend Wendigkeit bereithält. Landstrassen sind noch breit genug und es ­wuselt sich auch quirlig durch die Stadt, in die sich ein Forester allerdings seltener verirrt. Sein Revier ist die Agglo, dort will er schaffen und sich auch mal die Reifen schmutzig machen (dürfen). Die lackierten Stossfänger laden dazu ein, verkratzt zu werden, was der Gesamterscheinung nicht schadet. Ein blitzblank gewaschener Forester sieht dagegen sehr nach Müssiggang aus. Für die sehr konkrete Erwartungshaltung, die man diesem mobilen Gebrauchsgegenstand entgegenbringt, sind seine Eigenschaften verantwortlich. Da wären zunächst einmal grosse Türen, die weit öffnen und einen bequemen Zustieg anbieten – Eltern kleiner Kinder wissen das schnell zu schätzen, zumal es im Fond mehr Platz gibt denn je. Auch der Kofferraum ist bestens zugänglich und beim ersten Öffnen erlebt man einen kleinen Schock, weil er so gross ist.

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Ladevolumen ist natürlich ein wichtiger Faktor in dieser Fahrzeugklasse und mit über 500 Liter Fassungsvermögen lässt sich der Forester da nicht lumpen – bei umgeklappten Rücksitzen sind es sogar knapp 1600 Liter. Details wie ein individuell programmierbarer Öffnungswinkel der elektrischen Heckklappe erleichtern das Leben, und ja: Der vierte Forester ist noch robuster, leichter, aerodynamischer und sparsamer, also insgesamt raffinierter gemacht als seine älteren Geschwister. Er ist auch teurer geworden; gemäss seinen Fähigkeiten handelt es sich aber immer noch um ein Schnäppchen. Denn wer ­Forester fährt, hat alles an Bord, was ein Alltagsauto heute bieten muss – viel Platz und Variabilität, robuste Materialien, Sicherheit, den 4 ­ x4-Antrieb sowie ausreichend Kraftreserven, um auch voll beladen noch souverän durch die Bergwelt zu kutschieren. ­ ­Womit wir bei den verfügbaren Motoren angekommen wären. Traditionell handelt es sich um Vierzylinder-Boxer; drei sind im Angebot – das Turbo-Topmodell 2.0i mit Benzindirekteinspritzung und sehr sportlichen 240 PS, der Basis-Benziner 2.0 XT mit 150 PS plus Stopp-Start-System und der bekannte, aber ­komplett überarbeitete, 147 PS starke Zweiliter-Common-RailTurbodiesel. Letzteren ­haben wir ausprobiert: Er kommt ausschliesslich mit Sechsgang-Schaltgetriebe, während die B ­ enziner wahlweise über eine ­ CVT-Automatik mit sechs definierten ­Gängen und Lenkradwippen verfügen. Im Kaltstart tönt der Selbstzünder noch etwas rau, was sich nach ein paar Minuten aber legt. Störender ist die deutlich vorhandene Gedenksekunde beim Gasgeben, doch nach wenigen Kilometern 126 VECTURA #10

hat man sich daran ebenso gewöhnt wie an das etwas unpräzise Schaltgestänge – und geniesst den satten Durchzug. Ebenso ­angenehm wie die Elastizität sind die Getriebeuntersetzungen: 80 km/h laufen gut im Fünften und bei lässigen 1600/min. Für 50 im 5. genügen auch 1000 Touren – ruckfrei, versteht sich. Sicher, mit dem Selbstzünder ist der Fünftürer alles andere als ein Power-SUV. Aber er schlägt sich wacker und kompensiert die fehlende Leistung mit Drehmoment. Das wird idealerweise mit einem entspannten Fahrstil abgerufen. Der Lohn ist Nachdrücklichkeit zum Spartarif: Im Schnitt haben wir unter sechs Liter verbraucht – nicht schlecht für ein immerhin 1,6 Tonnen schweres Auto mit der Stirnfläche eines Braunviehs. Auch fahrwerkstechnisch ist der Forester 4 sehr vorhersehbar – mit einer Kurvenlage, die zwar stets gutmütig ist, aber auch zur Gemütlichkeit mahnt. Die Federung ist beim Diesel eher auf der komfortablen Seite, das mag beim ­Topmodell etwas anders sein. Beide verfügen übrigens ab Werk über eine Niveauregulierung an der Hinterachse, was sich beim Transport schwerer Güter positiv bemerkbar macht. Auch die Bremswirkung war leer oder beladen immer tadellos. Und weil Allradsystem und Antriebsverteilung im Diesel vollautomatisch funktionieren, muss man sich auch da keinen Kopf machen. Es sitzt sich vergleichsweise hoch und luftig im 2014er-Forester, was ja heute Mainstream, aber auch angenehm ist. Kommode und beheizbare Sitze, in der Ausstattung Luxury sogar mit Lederpolstern, stützen selbst auf längeren Strecken sehr anständig. Die ­Bedienung gibt keine Rätsel auf, könnte in Bezug auf die Ergonomie aber stellenweise etwas besser durchdacht sein. Der grosse


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TECHNISCHE DATEN SUBARU FORESTER 2.0D AWD Konzept Crossover-SUV mit permanentem Allradantrieb. Selbsttragende Stahlkarosse mit Hilfsrahmen v., 5 Türen, 5 Sitzplätze. Zahnstangenlenkung mit Servo, Scheibenbremsen rundum (v. belüftet). Vorne und hinten Dreieckquerlenker (h. doppelt) Motor Alu-Vierzylinder-Common-Rail-Diesel, 4 Ventile pro Zyl., 2x2 oben lieg. Nockenwellen (Kette), 5fach gel. Kurbelw., 1 Turbo/Ladeluftkühler Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

1998 86 x 86 16:1 147 (108) @ 3600 350 @ 1600–2400 M6

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder

459,5/179,5/173,5 264 154,5/155 225/60 R17 auf 7J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

60 505–1565 1540 2080 10,5

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

10,2 190

Durchschnittsverbrauch*in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

5,9 156 D 31 900.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

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Farbbildschirm in der Mittelkonsole beispielsweise spiegelt mehr, als dass er darstellt, und das Handschuhfach ist arg klein ausgefallen. Mehr zu meckern gibt es jedoch nicht: Das Multifunktionslenkrad liegt gut zur Hand, die Instrumente sind klar gezeichnet und bestens ablesbar, es hat zahlreiche Ablagen, selbst die Rundum- und Übersicht könnten kaum besser sein. Gefallen hat uns auch die Verarbeitung. Subaru setzt zwar nach wie vor viel nackten Kunststoff ein, aber klappern tut es nirgendwo. Was es beim patenten Subaru dagegen nicht gibt, ist jener nach aussen gerichtete Image-Faktor, der manchen Leuten so wichtig ist: Als Angeber-Auto fällt er durch. Wer Forester fährt, lebt fast zwangsläufig auf dem Land, Punkt. Daran ändert auch das ­geschärfte Exterieur mit grimmig dreinschauenden Scheinwerfern und Lufteinlässen nichts; im Revier wirken diese Details gar ein wenig überschminkt – Design gehört nun mal nicht zu den herausragenden Stärken von Subaru. Es sind die inneren Werte, die den Forester so erstrebenswert machen. Das beginnt mit einer überschaubaren Preisliste und sinnvollen Ausstattungspaketen, die ­Zutaten wie Klimaautomatik, Glasdach oder Xenonlicht enthalten. «Fancy gadgets» wie Verkehrszeichenerkennung, Spurhalteassistent oder ein Head-up-Display sind nicht erhältlich, was einmal mehr die Bodenständigkeit des Forester unterstreicht. Die Sicherheit kommt trotzdem nicht zu kurz; sieben Airbags oder ein 128 VECTURA #10

­ otbremsassistent sind immer an Bord. Ausserdem verfügt der N neue Forester erstmals über ein sogenanntes «Brake Override ­System», das dem Bremsvorgang Priorität einräumt, wenn der Fahrer irrtümlicherweise mit dem Fuss gleichzeitig auf das Bremsund das Gaspedal drückt. Und auch der Allradantrieb ist immer Serie, was unter SUV heute nicht selbstverständlich ist. Insgesamt ist man mit dem Forester nicht spektakulär, aber sehr solide unterwegs. Er ist ein treuer Begleiter für viele Gelegenheiten, was seine Beliebtheit erklärt. Was schon für die erste Generation galt, ist Subaru auch beim vierten Mal gelungen – dem Wettbewerb ein gutes Stück voraus zu sein.

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[ lat.: das Fahren]

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MOTORMENSCHEN

«WIR VERSUCHEN, TRENDSETTER ZU SEIN» DIE VERRÜCKTEN GENFER STUDIEN DES FRANK M. RINDERKNECHT SIND LEGENDÄR. DIE JÜNGSTE IST AUTONOM ANGELEGT – UND WIR TREFFEN IHREN SCHÖPFER VORAB IM TRAM… Text und Fotos map

Herr Rinderknecht, Ihr diesjähriges Genfer Konzept ist das zwanzigste und heisst «XchangE»; es geht also um Austausch… Dieser Austausch findet eigentlich mit Daten statt, das heisst, es geht um automatisiertes Fahren: Ich muss wissen, mit wem, wo und unter welchen Umständen ich unterwegs bin, muss diese Daten verarbeiten und meinem Bordcomputer zuführen können – damit der dann genau das tut, was ich möchte – oder das, was ich täte, wenn ich selber fahren würde. Nun sind Rinspeed-Studien immer sehr fahrerorientiert gewesen und haben die grosse Freiheit mit vier Rädern proklamiert. Ist das neue Konzept ein Paradigmenwechsel für Sie? Gar nicht, im Gegenteil. Für mich macht Autofahren da Spass, wo es Kurven hat und ich etwas bewegen kann. Auf der A1 zwischen Zürich und Bern ist das nicht der Fall, für mich zumindest nicht. Da würde ich die Zeit gerne für etwas anderes nutzen und dem Wagen vorher die stupide Fahrfunktion übertragen.

Welcher Zeithorizont schwebt Ihnen dabei vor? Der «XchangE» ist fokussiert auf das Jahr 2018… Ich meine, dass man 2018 einen Horizont sehen kann, wo erste autonome Funktionen im öffentlichen Strassenverkehr sichtbar werden. Sicher nicht in der Zürcher Innenstadt, aber in einer ­relativ geschützten, sprich überschaubaren Umgebung wie einer Autobahn. Das wird schrittweise erfolgen. Es braucht natürlich viele Änderungen des Gesetzgebers, bei Versicherungsfragen – wer ist wann haftbar für was –, aber ich glaube, dieser Weg wird ein­ geschlagen. Sie haben nötige politische Entscheidungen angesprochen: Wie lange wird das noch dauern? Viele unserer heutigen Verkehrsgesetze wurden zu einer Zeit ­gemacht, als das Leben noch anders war. Im Wiener Abkommen ist noch von Kutschen und deren Führern die Rede… Gesetze werden und müssen jedoch laufend angepasst werden.

Wann sind Sie denn das letzte Mal Tram gefahren? Im Dezember, glaub ich. Da waren wir wandern auf dem Üetliberg und sind mit dem ÖV zu unseren Autos zurück. Nun gibt es zwischen dem Tram und autonomer Fortbewegung gewisse Parallelen: Man lässt sich fahren, kann dabei lesen, schreiben oder einfach abschalten. Was bietet ein autonomes Auto an zusätzlichen Freiheiten – neben der Tatsache, dass man Zeit-, Start- und Zielpunkt individuell wählen kann? Der Unterschied beim Tram ist der: Ich werde zwar geführt, aber auch der Tramfahrer wird geführt. Er hat zwei Schienen, die ihm die Richtung vorgeben. Was er noch beeinflussen kann, ist die Geschwindigkeit, aber das war’s. Beim autonomen Fahren sind es die zuletzt von Ihnen genannten individuellen Eigenschaften. Wir sprechen ja immer noch von einem normalen Auto, aber eben mit Zusatzfunktionen. Man muss genau unterscheiden: Ich denke nicht, dass ich zwei Minuten zum Bäcker automatisiert fahren möchte. Das passiert auf langen Strecken – da, wo ich auch genug Raum habe für andere Tätigkeiten. Das ist ein Zugewinn, aber kaum in ein paar Minuten. Sie glauben an das autonome Fahren? Ich glaube nicht nur daran, sondern bin felsenfest davon ­überzeugt, dass es kommen wird. FRÜHLING 2014 131


RUBRIKEN

Mit anderen Worten: Das heutige Regelwerk ist nicht mehr ­zeitgemäss… So radikal würde ich das nicht ausdrücken. Aber Gesetze werden irgendwann überholt – durch neue Ansichten, neue Einsichten, neue Technologien. Das Ziel sollte sein, solchen Veränderungen Rechnung zu tragen. Ihr «XchangE» basiert auf dem Tesla Model S. Das hat konstruktive Gründe, weil drehbare Sitze nur ohne einen Mitteltunnel möglich waren, den der Tesla eben nicht hat. Spielte die optische Attraktivität des Autos auch eine Rolle? Ich denke, mit individueller Mobilität kauft man sich nicht nur eine Transportleistung, sondern eben auch sehr viel Emotionen und logischerweise auch Komfort. Mit einem VW Polo bin ich ziemlich genau gleich schnell in Genf wie in einer Mercedes-S-Klasse, aber Letztere bietet mir eben mehr Annehmlichkeiten und Ansehen. Das merkt man ja auch am Preis, der mit Faktor 7 bis 10 ebenfalls ein ganz anderer ist. Sprich: Wir Menschen kaufen in der Regel nicht nur für uns selber, sondern eben auch nach aussen. Schönes Beispiel ist eine mechanische Uhr, die zwar nicht genauer, aber um ein Vielfaches teurer ist als eine Swatch. Sie sind ja auch der Meinung, dass ein fortschrittliches Auto als solches erkannt werden sollte. Und dass die Botschaft – an die Nachbarn zum Beispiel – Teil des Besitzerlebnisses ist… Ein Automobil ist eine Mischung aus «hard factors», also Leistung, Platz usw., und «soft factors» wie Marke oder Wahrnehmung. Aus meiner Sicht ist es im Leben so: Wenn gleiche Leistung mehr kostet, dann muss sich die Preisdifferenz in der Irrationalität, also bei Emotionen und der Begehrlichkeit abspielen. Sonst kaufe ich das Produkt, das billiger ist – oder das halt weniger kann. Das muss ein gesunder Mix sein; Elektromobilität kostet in der Anschaffung heute mehr als ein Auto mit konventionellem Antrieb; die Amortisation über den Strompreis ist so gering, dass sie keine Rolle spielt. Umso mehr will ich dann als Pionier wahrgenommen

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MOTORMENSCHEN

«Ich meine, dass ab 2018 erste autonome Funktionen im öffentlichen Strassenverkehr sichtbar werden»

­ erden: Das sollte auf den ersten Blick stattfinden und nicht erklärt w werden müssen. Das Zwischenmenschliche ist Ihnen wichtig. Darum kann man sich im «XchangE» ja auch gegenübersitzen und unterhalten. Es sind aber auch technische Komponenten im Auto, die es gar nicht mehr bräuchte: Das Lenkrad beispielsweise ist «steer-bywire» und verschiebbar, aber warum haben Sie nicht komplett darauf verzichtet? Das automatisierte Fahren wird schrittweise vollzogen – zuerst kamen Assistenzsysteme, heute sehen wir intelligente Assistenzsysteme. Die werden künftig teil- und erst dann vollautomatisiert. Dasselbe gilt natürlich auch für den Menschen: Er muss Vertrauen sowohl schaffen als auch fassen. Wir sind heute noch der irrigen Meinung, dass der Mensch fehlerlos ist, obwohl uns gerade der Flugverkehr zeigt, dass die meisten Unfälle auf den Piloten und nicht auf die Technik zurückzuführen sind. Ein sichtbares Lenkrad ist also eine vertrauensbildende Massnahme – verknüpft mit dem Wissen, dass ich etwas tun könnte, wenn ich denn wollte. Das ist beim Menschen sehr, sehr wichtig. Erst im nächsten Schritt könnte das Volant wegfallen. Aber das passiert nicht 2018, sondern erst in der «Kugel», wie ich sie nenne: eine Art Container ohne Gurt und Airbags, weil alles so zuverlässig funktioniert, dass es gar ­keine Unfälle mehr gibt. Das sehe ich aber frühestens in 30, 40 ­Jahren. Wie praktikabel ist der «XchangE»? Fährt das Einzelstück tatsächlich autonom oder ist es als Think Tank gedacht? Der Anspruch von «XchangE» ist das Weiterdenken – was passiert, wenn das Auto automatisiert fährt? Was will ich dann tun, was kann ich tun? Wir haben mit unserem Scuba schon 2008, also vor sechs Jahren, automatisiertes Fahren gezeigt. Beim «XchangE» geht es nicht darum, dass er tatsächlich autonom fahren kann. Solche

Systeme zu entwickeln, ist Aufgabe der Hersteller und Zulieferer. Wir konzentrieren uns auf alles, was obendrauf passiert, und das funktioniert – die Dreh- und Schlafsitze, das verschiebbare Lenkrad und, und, und. Wen der «XchangE» jetzt auf den Markt käme – was würde er ungefähr kosten? Wie jede neue Technologie wird ein vollautomatisiertes Fahren nicht billig sein. Es geht ja zunächst um kleine Stückzahlen; erst mit der Massenverbreitung wird so etwas billiger. Das ist beim automatisierten Fahren nicht anders. Wir reden also zunächst nicht vom Polo, sondern von der S-Klasse. Darum der Vollelektroantrieb – weil Ihre Studie ganzheitlich ­innovativ sein soll? Die gedankliche Voraussetzung des «XchangE» war, dass wir kein Auto selbst bauen, aber einen politisch korrekten, zukunftsorientierten Antrieb haben wollten. Ein Verbrenner ist das – aus meiner Sicht – mit Perspektive 2018 nicht mehr. Der zweite ­Anspruch sah Drehsitze vor – haben wir ja schon angesprochen. Inwieweit ist der «XchangE» massgeblich für die nächste ­Rinspeed-Studie 2015? Wir versuchen ja, mit unseren Fahrzeugen jeweils Trendsetter zu sein und neue Technologien als Erste aufzuzeigen. Ich habe mich über ein halbes Jahr lang sehr intensiv um automatisiertes Fahren und dessen Konsequenzen – technologisch, menschlich, rechtlich – ­gekümmert. Heute kann ich sehr gut sehen, dass wir hier vor dem nächsten Technologiesprung stehen – und das wird ein enorm grosser. Einfach weil er die Automatisierung selbst, die Robotik, auf eine neue Ebene hebt, die über das Thema Auto weit hinausgeht. Aber ich habe noch keine Ahnung, was 2015 kommt.

Frank Markus Rinderknecht, 1955 in Zürich geboren, ist so etwas wie das Enfant terrible der Schweizer Automobilszene. Neben seinem Maschinenbaustudium an der ETH begann er 1977 mit dem Import von Sonnendächern zum Nachrüsten; zwei Jahre später wurde die Rinspeed AG gegründet (www.rinspeeed.com). Schwerpunkt: Tuning und Felgen, aber auch Trendforschung und -umsetzung. So nimmt Rinspeed für sich in Anspruch, folgende Erfindungen gemacht oder zumindest promotet zu haben: die Einführung des Turboladers, das Lenkrad mit integrierter Tastatur, Rear Seat Entertainment oder Mattlacke. War das erste eigenständige Genf-Konzept von 1995 noch dazu gedacht, mehr Aufmerksamkeit auf die Zubehörfirma Rinspeed und ihr Tagesgeschäft zu lenken, entwickelte sich daraus eine Tradition, die bis heute anhält. Rinderknecht begreift seine Firma inzwischen als «kreativen Think Tank für die Automobilindustrie» – und Herausforderungen als Antrieb. RinspeedUnikate können meist schnell fahren, aber auch mal schwimmen oder tauchen. Seit 2008 konzentriert sich Rinderknecht auf Konzepte zukünftiger ­Mobilität und den Prototypenbau; sämtliche Tuning-Aktivitäten hat er damals an Mansory verkauft. Mit diesem Schritt wurde es zwar etwas ruhiger für den «Berufs-Visionär», doch Arbeit gibt es nach wie vor genug. Seine knappe ­Freizeit verbringt «FMR» am liebsten auf einem Boot in Spanien. map

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PARKHAUS

VERBORGE NE

SCH ÄTZ E IN ZUFFENHAUSEN, UNWEIT DES FUTURISTISCHEN PORSCHE-MUSEUMS, STEHT EINE ­U NSCHEINBARE HALLE. IN IHR HORTET DIE SPORTWAGENMARKE EINE HISTORISCH HOCHKARÄTIGE RESERVE. DAS DER ÖFFENTLICHKEIT NICHT ZUGÄNGLICHE GEHEIM­ LAGER IST MEHR ALS EINE ASSERVATENKAMMER: ES KONSERVIERT DIE MOBILEN ZEUGEN MIT RESPEKT – UND VERDICHTET DAMIT DIE RUHMREICHE VERGANGENHEIT. PORSCHES OBERSTER DENKMALPFLEGER ­GEWÄHRT UNS EINEN EXKLUSIVEN EINBLICK Text Thomas Sebastian · Fotos Dermo S. Kane

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M

orgens um sechs dringt nur diffuses Licht durch das sägezahnartige Shed-Dach der ehemaligen Küchenfabrik, die wir durch ein unauffälliges Rolltor betreten. Allein die Hausnummer hat uns diskret den Weg gewiesen; das verräterische Signet des heutigen Eigners Porsche findet sich nirgendwo. Nicht gespenstisch, aber ein wenig schlaftrunken parken viele meist sorgsam verhüllte Autos reihenweise im Halbdunkel. Dann flackern banale Neonröhren auf, beenden die verwunschene Atmosphäre – und erhellen die Tiefe des Raumes. Erst jetzt wird in etwa ersichtlich, welch schier unerschöpfliche Menge ­geschichtsträchtiger Porsche in dem profanen Hallenbau ver­ sammelt ist. Wir sind im «Fundus», dem streng gehüteten Traditions-Reservoir der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, und er wurde erst Ende 2012 endgültig hier zusammengeführt. Vorher herrschte zwar dokumentarische Struktur, aber auch leicht unübersichtlicher Wildwuchs: Was nicht dem allgemeinen Publikum zugänglich gemacht wurde, lagerte verstreut in Ludwigsburg, Möglingen und Kornwestheim.

Es hatte sich eben so ergeben, über all die Jahre. Dass sich auch rund 20 Modelle des 997 auf diese Standorte verteilten und damit mehr als zur Abbildung aller wesentlichen Modellversionen nötig, blieb trotz porschetypisch penibler Erfassung eher unbemerkt: «Erst die Konzentration im Fundus machte deutlich, wo unser Backup-Bestand etwas inflationiert und wir deshalb reduzieren können. Das betrifft zum Beispiel auch unsere Indycars», sagt Achim Stejskal, Leiter des Porsche-Museums und der historischen Öffentlichkeitsarbeit. Und er fügt hinzu: «Umgekehrt stach manche Perle, die zu unserer DNA gehört und historische Relevanz besitzt, uns plötzlich umso stärker ins Auge.» Reif fürs Museum Stejskals eigentliches Terrain ist – neben der strategischen Planung und dem unvermeidlichen Office-Alltag – das Glanzparkett des Porsche-Museums. Seit 2009 zieht die avantgardistische Pilgerstätte (intern: «UFO») Scharen von Fans in ihren Bann. Schlank, transparent, ungezwungen, mit weiten Blickachsen ausgestattet, lässt sie ihre Besucher visuell durchbeschleunigen. Im Konzept für den Publikumsmagneten hat, FRÜHLING 2014 135


PARKHAUS

Spannungsbogen: Neben hochkarätigen Rennboliden dokumentiert ein früher Brezelkäfer die Einmaligkeit der Porsche-Tradition Würdiges Warten: Der Austro-Daimler steht für des Professors rastlose Schaffensphase bis 1923. Im Hintergrund eine andere Porsche-Legende, der Wehrmachts-Kübel Typ 82, über 50 000-mal gebaut

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Mit Tiefgang: Der kompakte FLA («Forschungsprojekt Langzeitauto») brillierte auf der IAA 1973 mit damals utopischen 20 Jahren Haltbarkeitsversprechen und Türrammschutz. Spitze Begeisterungsschreie blieben aus; erst in der Retrospektive erhält der Wagen gebührenden Respekt

so Stejskal, «Nostalgie keinen Platz». Szenische Miniaturen und historische Dioramen sucht der Betrachter gemäss der Firmendevise «Tradition für die Zukunft» mithin vergebens. Doch so trittsicher der alerte und eloquente Manager im lichtdurchfluteten Tempel für PS-Bewegte auch agieren mag, so gern verirrt sich Stejskal auf den blanken Estrich des Fundus. Denn der speist das UFO. Zwar kann das Museale nicht mehr veralten, doch existieren die Traditions-Bühnen der Hersteller nicht in ­e iner friedlich abgeschotteten Parallelwelt. Sie müssen sich laufend neu erfinden, mit stets wechselnden Themen und Exponaten überzeugen. Zwar kennen und schätzen sich die Museums-Macher markenübergreifend, im Wettbewerb stehen sie dennoch. Da tut es gerade einer Ingenieursmarke wie ­Porsche gut, angesichts des Nachschubs aus dem Fundus tiefenentspannt durchatmen zu können. Unter den hauseigenen Edelreservisten befinden sich Dutzende, die noch fit gemacht werden können fürs allgemeine Rampenlicht. Entschlossen, aber gefühlvoll zupft Stejskal die Plane von einem zunächst völlig unscheinbaren türkisen Elfer. Das im Wortsinne kugelsichere 996-Pilotprojekt ist das bis heute leichteste beschusssichere Fahrzeug weltweit, wenn man etwa eine 44erMagnum zum böswilligen Gegner erklärt. Die Panzerung, die nur zu geringen Teilen aus Stahl, dafür mehrheitlich aus dem damaligen Wunder-Polyethylen Dyneema besteht, schlägt daher mit eher zarten 200 Kilogramm zu Gewicht. Das diesen Zusatzpfun-

den angepasste Fahrwerk stammt grundsätzlich vom zeitgenössischen Turbo. Porsche kalkulierte realistisch durch und kam bei einer Absatzerwartung von rund 50 Einheiten – schutzbedürftige Oligarchen hatten sich noch nicht zur eigenen Zielgruppe formiert – auf den damals prohibitiven Preis von etwa 300 000 Mark. Nüchterner Entschluss: ab ins Museum. Achtender-Elfer Auch das Projekt 965 von 1987, eine Parallelentwicklung zum 964, endete als Machbarkeitsstudie. Versonnen blickt Stejskal auf den einzig überlebenden von 15 Versuchsträgern, angesiedelt zwischen dem Über-Elfer 959 und dem Turbo, der zeitgenössisch noch als Viergang-Modell seine Bahnen zog. Die Studie verfügt nicht nur (wie der 959) über Allradantrieb, sondern – und das ist die eigentliche Sensation – über einen wassergekühlten Audi-V8 samt Doppelaufladung im Heck. Sie war somit nicht nur ein Vorläufer des wegen seiner leicht femininen Anmutung selbst hausintern begrenzt begeisternden ersten Wasserboxers 996, sondern bewies ferner, dass acht Zylinder nicht nur einen Tatra hinterrücks anzuschieben vermögen, wenn's denn sein muss. Doch es sollte nicht sein und letztlich wurde doch ein identitätsstiftender Sechszylinder verbaut. Weil die Zuffenhausener von ihrer heutigen Prosperität und Investitionspotenz meilenweit entfernt waren, lag das vornehmlich für den US-Markt geplante Modell (Stückzahlerwartung: 1100–1800) cool auf Eis. Zu viel Risiko, Positionierung ohne Imageschwächung der devisenbringenden Markt-Ikone Turbo ungewiss. FRÜHLING 2014 137


Gut Holz: rundumgeschützte, garantiert wurmfreie Lamellen-Plastik. Was einst zur Formgestaltung diente, ist heute auch ein Kunstwerk in sich selbst

Innerlich aufgeräumt schreitet Stejskal durch die Halle. Als «seine» hat der grossgewachsene 40-Jährige sie nie betrachtet: «Alles geliehene Kompetenz. Ich stehe hier im Dienst der Marke, Punkt.» Stejskal formuliert fast druckreif, glatt, geschliffen. Und schnell. Man ist geneigt, einen Bilderbuch-Karrieristen in ihm zu sehen, der mit Verve durchmarschiert. Schliesslich war er schon 2006, mit gerade 33, als stellvertretender Museumsleiter für Mercedes tätig, bevor Porsche ihn köderte. Doch der Eindruck täuscht: Stejskal studierte erstmal aufs Lehramt (u. a. Geographie und Geschichte), kam nolens volens 1998 zu einem Sachbearbeiterposten bei Mercedes-Benz und schleuderte hernach ziemlich quer in die automobile Traditionspflege. Freimütig konzediert er überdies, dass ihn die Porsche-Typencodes zunächst kryptisch überrollten. Aber: «Das kann man lernen. Weit relevanter ist, den Kern einer Marke zu begreifen und zu verinnerlichen. Ich brauchte nicht ­lange, um anzukommen.» Im Nebentrakt des Fundus lagert eine beneidenswerte Kollektion der noch immer etwas unterrepräsentierten Frontmotor-Porsche, vom Softie 924 über dessen Power-Derivate mit GT-Kürzeln bis zum luxuriösen Ballermann 928 GTS. Ein viertüriges Ton-Mock-up und 138 VECTURA #10

fahrfähige Panamera-Ahnen rücken das langjährige Bestreben ins Bewusstsein, komplette Familien zackig befördern zu wollen. Strukturstudien und Versuchsträger – gern auf Basis von Fremdfabrikaten wie einem verdächtig breiten 124er-Mercedes-Coupé – bilden ebenso ein noch fast unbeachtetes Quantum wie die zahlreichen, mit schwäbischer Gründlichkeit umgesetzten, sorgfältig entgrateten Schnittmodelle der Lehrlingswerkstätten. Selbstredend werden auch ehemalige Fremdaufträge bevorratet: der Audi RS2 etwa oder ein Mercedes 500E. Ein Seat Ibiza I, dessen Motorenpalette teilweise eine Porsche-Entwicklung darstellt, fehlt noch im Fundus – nicht aber die fürs Wirken des Firmengründers Ferdinand Porsche unverzichtbaren Austro-Daimler, Wehrmachtskäfer oder -kübel. Mit düsteren Zeiten geht man bei Porsche unbefangen um. Sie erhalten den ihnen gebührenden Stellenwert, aber die Wahrnehmung der Marke konzentriert sich heute klar auf sportliche Gene und die von Ferry Porsche begründete Nachkriegsära. Ferdinand Porsches zeitweise Hinwendung zum kettengetriebenen Durchkommen findet demzufolge auch im Fundus nicht statt. Niemand ist etwa auf die Beschaffung und Wiederherstellung eines der Prototypen des Maus-Panzers, einer ihren Namen karikierenden


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Verschrotten? Der Technik-Versuchsträger steht trotzig auf ärmlichen Noträdern und reckt seinen Targabügel stolz der letalen Drohung entgegen

200-Tonnen-Festung, fokussiert. Spannender sind da schon gehortete Kostbarkeiten wie die teilweise bis aufs Gerippe ausgebeinten 911er-Rallye-Versionen, Technik-Hybriden wie ein 968erBoxster oder mit handbeschrifteten Messwerten versehene Aerodynamikstudien. Richtig betroffen machen uns zwei Frischluft-Entwicklungen mit Metall-Faltdächern auf Basis der Baureihen 968 und 911 – einfach deshalb, weil ihre hinreissenden Linien und die jeweils funktional einwandfreie Klappmimik auf weit gediehenen Entwicklungsstand kurz vor Serienreife hindeuten. Schlussendlich blieb der gloriose Auftritt dem SLK des Stuttgarter Nachbarn. Passendes Ambiente Stejskal läuft unter der «Brücke» durch: Der im ersten Stock angesiedelte Küchenfabrik-Leitstand verbreitet heute mit den unter ihm geparkten Indycars so etwas wie Boxengassen-Feeling. Der höhergelegte Glaskasten, früher dazu auserkoren, mit wachem Blick die Produktion samt eventuell schlapp herumschleichenden Mitarbeitern zu kontrollieren, beherbergt einen kleinen, mittlerweile medial hochgerüsteten Konferenzraum. «Erst wurde sogar überlegt, den Tower abzureissen», sagt Stejskal. «Ich habe mich allerdings dagegen verwahrt – mit dem entwaffnenden Argument, dass unsere Autos problemlos

drunter durch passen. Der Abriss hätte also den Nutzwert der Halle nicht erhöht, aber zum einen Kosten verursacht und zweitens die historische Authentizität des Gebäudes torpediert.» Schräg rechts unterhalb der Brücke ist ein Ensemble geschrumpfter Porsche (bevorzugter Massstab 1:3) gruppiert, angelehnt an Formel- wie Serienaufbauten. Die von regem Rangieren kündenden Reifenspuren in der Halle wollen nicht ganz zu deren MicroRädern passen. Doch die komprimierten Renner sind liebevoll gefertigt und beziehen ihren Vortrieb nicht aus gattungsüblichen Elektromotoren, sondern charakterfest aus Verbrennern. Teilweise dienten die Minis sogar ernsthaften Aufgaben, etwa vorbereitend im Windkanal. Weiter vorne lugt verstohlen der FLA aus Doppelscheinwerfern, Porsches Langzeitstudie von der IAA 1973. Stejskal gewinnt dem mit nur angedeutetem Exterieur ausgeführten Ausstellungsstück sogleich eine praktische Komponente ab: «Die transparente Gitter-Struktur gewährt nicht nur den Durchblick ins Innere und zur Technik, sie zeigt auch, dass die Form kein endgültiges Statement darstellt.» K70-Leuchten beweisen die traditionelle Kooperation mit VW. Der Stellenwert der Studie liegt in der Dauerhaltbarkeit ihrer mechanischen Komponenten (damaliges FRÜHLING 2014 139


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Setzkasten f체r Petrolheads: verdiente Rennheroen und Wettbewerbs-Versuchstr채ger. Auff채llig selbst in dieser illustren Parade: Die Vierzylinder-Historie wird gepflegt

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«Geliehene Kompetenz»: Im Museum verzeichnet Porsche-Museumsdirektor Achim Stejskal jährlich Hunderttausende von Besuchern, im Fundus ist er fast allein

Ziel: fast irreale 20 Jahre) und insbesondere der Bodengruppe sowie der imaginären Karosserie. Einst mit artigem Beifall gewürdigt, ging der FLA klanglos den Orkus hinab. Nun ist er ein wertvoller Zeitzeuge: Porsche selbst hat die Langzeit-Anregung dann 1975 mit feuerverzinkten Blechen mit den G-Modellen des 911 in die Serie aufgenommen. Nett ist auch jener 914 mit etwas anderem Lidschlag der Klappscheinwerfer: Mitunter verzückt den Kenner die Variation eines vergleichsweise unbedeutenden Details. «Fast 70 Prozent aller je gebauten Porsche fahren noch», merkt Stejskal an. Es geht Porsche offenbar darum, diese exzeptionelle Quote, mit der man sich in bester Gesellschaft ikonischer Hersteller wie Ferrari befindet, in die Zukunft zu retten. Ideell kommt dem Fundus als Genpool fürs öffentliche Museum dabei eine zentrale Bedeutung zu. Satte fünf und mit dem Kompakt-SUV Macan bald sechs Baureihen plus die Markenwahrnehmung im VW-Konzernverbund verlangen ein konkludentes historisches Gegengewicht. Möge bloss niemand auf den Gedanken kommen, primär stückzahlorientiertes «Supersize-me» sei Programm! Der geneigte Kunde soll vielmehr mit Herzblut erfassen, dass sein Cayman oder Cayenne eben nicht nach definierter Zeit zum ganz normalen Gebrauchtwagen wird, sondern erstrangig ein Porsche bleibt. Und damit per se erhaltenswert. In den klassischen Kernmärkten Deutschland/Österreich/Schweiz plus USA wie in China oder Russland. Das ist ein Spagat, der erst mal geschmeidig eingesprungen sein will. Die hier gelagerte Historie unterfüttert aktuelle 142 VECTURA #10

Markenwerte, Herkunft ebnet die Zukunft. Klingt trivial und ist doch eine Gratwanderung. Lifestyle alleine genügt da nicht; die Faszination muss eine fortwährende bleiben. Dass VW sich bezüglich der historischen Aussendarstellung seiner aparten Tochter völlig zurücknimmt, ist da als Kompliment ans Konzept zu verstehen. Mythos und Mystik Momentan signalisieren SchnellverschlussFührungsschienen im Museum die quicke Austauschbarkeit von Informationstafeln. «Unser Slogan des ‹rollenden Museums› ist keine Worthülse. Gerade Porsche wurden schliesslich zum Fahren gebaut. Wenn wir Fahrzeuge entnehmen, um Klassik-Events zu beschicken, können wir umgehend auf neue Exponate umschildern. Auch die Info-Software für die Multimedia-Begleitung ist auf schnelle Wechsel ausgerichtet», erläutert Stejskal. Noch aber dämmern viele zum Einwechseln vorgesehene Stücke aus dem Fundus gelinde dahin und warten auf Rückgewinnung ihres Concours- oder patinierten Ausstellungszustands. Die Schutzhauben dienen nicht ausschliesslich der Geheimhaltung: «Wir haben da und dort noch Undichtigkeiten; von draussen kommen mehr Staubpartikel herein, als uns lieb ist.» Macht nichts: So betucht, wirkt die Versammlung verborgener Schätze umso mystischer. Oder mythischer, je nachdem, welchen Bezug man zur Marke hat. Überdies transportieren kleine Unvollkommenheiten wie diese eine nette Nonchalance: Nichts wurde in Perfektion geboren und erstarrt in ihr. Alles muss erarbeitet werden. Und seien es nur luftdichte Fugen der Fenster.


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Regalsystem à la Porsche: Mit bis zu drei Tonnen Tragkraft sind die Tablare künftig auch Cayenne-tauglich. Aktuell wird hier die (noch unterschätzte) Frontmotor-Ära von 924 bis 928 GTS gestapelt Intensivpatient: Ob die Schläuche an diesem Torso wohl jemals wieder vernetzt werden? Im Hintergrund stehen feingearbeitete Schnittmodelle der Lehrlingswerkstätten


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Sachlich schwäbisch: mit handbeschrifteten Messwerten versehene Aerodynamik-Studie

Durchblick: Transparenz symbolisiert Kompetenz. Die Aufschnitte sind sorgsam entgratet, da wirkt nichts mal eben improvisiert

Nichts für Kinder: Die «Minis» arbeiten mit Verbrennungsmotoren und dienten oft der aerodynamischen Feinabstimmung

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Nach gut zwei Stunden erscheint eine freundliche Dame aus der PR-Abteilung und reicht Frühstückstütchen mit Porsche-Logo herein. Inhalt: Wasser, Putensandwich, sportlich-gesundes Obst, Müsliriegel. Nichts Überkandideltes also, sondern was Handfestes auf die Faust. Nicht zu vergessen die Butterbrezel als gelebtes Baden-Württemberg. Auch das steht symbolisch für einen Traditions-Spagat: Porsche wollte nie erstrangig das Publikum mit abgespreiztem kleinen Finger beglücken, sondern die Botschaft seiner schwäbischen und österreichischen Erdung verbreiten. Dass die (primär: Renn-)Historie dann eine Vielzahl luftig kalkulierter Obendrüber- und Sondermodelle zuliess und sich zur Klientel einige Snobs gesellten, wird noch nicht einmal bedauern, wer unerschütterlich Ferrys Grundgedanken des effizienten und im besten Sinne preiswerten sportlichen Wagens huldigt. Ausserdem gibt es da ja auch den relativ erschwinglichen Boxster. Und PorscheDiesel für Nutzwertorientierte. Mal sehen, wie Stejskal den von VW/Audi ererbten Diesel einbindet – den historischen Bogen zum Selbstzünder zu schlagen, steht im Fundus eine ganze Armada originärer Porsche-Trecker bereit. Nach gründlicher Restauration werden sich gewiss gar nicht so wenige Wiederholungstäter unter den Museumsbesuchern an ihnen delektieren. Stapel technischer Überlegenheit Stejskal verweist auf den «Setzkasten» – aufeinandergetürmte Holzboxen an einer HallenStirnwand, die den Bereich mit rennerprobten Boliden von 904 bis RS Spyder abschliessen. Hier finden Solitäre und WettbewerbsVersuchsträger vorübergehend Platz. Auch im vornehmlich mit Frontmotor-Modellen belegten Nebentrakt wird gestapelt. «Regale» nennt Stejskal die Metalltürme, die an vertikale Parkdecks erinnern. Rund drei Tonnen trägt ein Etagenboden, genug selbst für die etwas vollschlankeren Modelle der Jetztzeit. «Wir brauchen noch mehr Regale, sonst geht uns ziemlich bald die Fläche aus.» Der Zuwachs ist zwangsläufig, entsorgt hingegen wird nach der grundsätzlichen Sichtung und Durchkonfiguration kaum mehr: Nüchterne Pappschildchen mit Aufschrift «Verschrotten» zieren nur wenige Autos, und immer steht ein Fragezeichen hinter der letalen Drohung. Sie betrifft unter anderen einen bockbeinig und mitleidheischend auf dürren Noträdchen stehenden 11er. Ob sie auch den frühen Mercedes G ereilt, der sich nahe des Eingangs noch etwas ungepflegt Standplatten in die Reifen steht? Er diente mal als Rallye-Servicewagen. Weil Mercedes damals noch nicht endlos Leistung in den Geländegänger pumpte, behalf sich Porsche kurzerhand selbst: Mit 928-Mechanik war der hilfreiche Kasten weit hurtiger am Einsatzort. Im Cockpit künden indigene Instrumente vom chirurgischen Eingriff. Noch unter dem Eindruck der geballten musealen Reserve beenden wir unseren Ausflug mit einem anschliessenden Rundgang im UFO. Ja, es ist wahr: Man kann, als netten Mitnahmeartikel, einen 900-Euro-Porsche-Lederblouson erwerben. Aber ebenso ziemlich wohlfeile Modellautos. Und: «Niemand wird bei uns im Museum zwangsgeführt, und deshalb landet niemand zwangsläufig im Gift-Shop», schmunzelt Stejskal. Die exklusive Veranstaltung Porsche ist volkstauglich geworden. Weltweit. Und bewahrt doch ihre Noblesse. Zwei mandeläugige Jungs transportieren gerade fasziniert Beute ab, kleine Devotionalien wie Schlüsselbändchen und Stickers. Achim Stejskal ist gedanklich schon bei den kommenden Aussenmissionen, denn der Rausch von 50 Jahren 911 gehört seit Jahresbeginn zum famosen Gestern. Die TechnoClassica etwa ruft erneut. Für seine Auftritte ist Stejskal bestens gerüstet: Der Fundus nährt das UFO, die Historie rollt.


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LEIDENSCHAFT DER LANGSTRECKE SEIT ÜBER 25 JAHREN SCHMÜCKT CHOPARD DIE MILLE MIGLIA Text Gisbert L. Brunner · Fotos Werk

S

onderlich viel haben Autos und Uhren auf den ersten Blick nicht gemeinsam. Streng genommen könnte man sogar sagen, die beiden Lieblingsobjekte echter Männer eint nichts ausser der Tatsache, dass sich in nahezu jedem automobilen Cockpit ein wie auch immer gestalteter Zeitmesser befindet. Doch dem ist freilich nur bei oberflächlicher Betrachtung der ­Dinge so. Wer sich eingehender mit dem Metier befasst, stösst trotz beträchtlicher Grössenunterschiede sehr wohl auf Verbindendes. Sowohl Autos als auch Uhren rufen jede Menge Emotionen hervor und schaffen es, Menschen für sich zu begeistern. Der Automotor «lebt» von der funktionalen Wechselwirkung unterschiedlicher Komponenten, das Uhrwerk ebenso. Letzteres bezieht seine zeitteilenden Impulse von einem rotierenden Taktgeber – ganz so wie das klassische Oldtimer-Triebwerk mit mechanischem Zündverteiler. Beim Auto sorgt, ebenso wie beim Uhrwerk, das Getriebe für die Übertragung der Kräfte. Ferner brauchen beide zum einwandfreien Funktionieren regelmässig frisches Öl. Schon aus diesen wenigen Parallelen lässt sich ableiten, warum viele Liebhaber edler Karossen ein Faible für jene mechanischen Armbanduhren besitzen, die bereits mit einem milliardstel PS an jedem x-beliebigen Ort völlig abgasfrei funktionieren: im Restaurant, Flugzeug, Theater und natürlich auch an der Renn- oder

Selbst schon Klassiker: Mille-Miglia-Chronos der Jahre 1996–99

Rallyestrecke. Nicht zuletzt deshalb hat der Psychologe Robert Lewin das Ticken der mechanischen Uhr als «Herzschlag der menschlichen Kultur» charakterisiert. Zwei Männer, denen es vierrädrige Boliden ebenso angetan haben wie edle Zeitmesser fürs Handgelenk, sind Karl III. Scheufele und sein Sohn Karl-Friedrich, Jahrgang 1958. Auf der Suche nach neuen Herausforderungen erwarb der Vater 1963 die gut hundert Jahre zuvor ins Leben gerufene Uhrenmarke Chopard. Die Nachfahren der Firmengründer hatten kein Interesse am Familienunternehmen gezeigt. Also kam der junge Unternehmer aus dem deutschen Pforzheim zum Zuge und formte aus der eher bescheiden auftretenden Uhrenmarke ein international anerkanntes Luxuslabel, das sich auf tickende High-End-Manufaktur ebenso versteht wie auf feinste Juwelierkunst. Frei nach dem Motto, dass auf dieser Welt nichts geschehen ist, worüber man nicht spricht, engagierten sich die schon seit den 1920er-Jahren unter Karl I. autoaffinen Scheufeles 1988 erstmals als Sponsoren der legendären Mille Miglia. Nomen ist hier bekanntlich omen, denn die zurückzulegende Route erstreckt sich über rund tausend Meilen oder 1600 Kilometer. «La corsa più bella del mondo» führt die teilnehmenden Teams von Brescia durch malerische Städte und Landschaften Italiens bis nach Rom und dann auf teils anderer Route zurück zum Ausgangspunkt. Tempo und riskante Überholvorgänge standen von 1927 bis 57 auf der Tagesordnung, denn der Sieg gebührte dem Schnellsten. Somit war das spektakuläre Stras­ senrennen regelmässig von Unfällen begleitet, die letztlich zur Absage führten. Nach einer längeren Auszeit ging die Rallye dann 1977 wieder an den Start: Die Legende war einfach zu stark – und fortan auch befreit von der Last, Rekordgeschwindigkeiten und waghalsige Manöver darbieten zu müssen. Gewinnen kann seither nur, wer Kontinuität, Zuverlässigkeit und zeitliche Präzision an den Tag legt. Ausserdem lässt eine stets gestrenge Jury nur solche Fahrzeugtypen zu, die man schon in den Anfangsjahren vom Stras­senrand aus bewundern konnte. Die Auslese ist extrem hart, denn die Bewerberliste umfasst viel mehr Oldtimer, als letztlich auf Kurs geschickt werden können. Als Hauptsponsoren sind die Scheufeles natürlich seit Beginn ihres Engagements regelmässig mit von der Partie. Gelegentlich mit Fahrzeugen aus den Museen renommierter Automarken, meist jedoch mit auserwählten ­Stücken aus dem eigenen Oldtimer-Park. Und der kann sich mit Fug und Recht sehen lassen. Zu den Höhepunkten der mehr als 30 hochrangige Exemplare umfassenden Kollektion gehören auch ein Aston Martin Ulster von 1935, ein 1965er DB5 Vantage, ein Austin-Healey 3000 MK I oder jener offene Ferrari 750 Monza Baujahr 1955, den man gelegentlich in Chopard-Anzeigen sehen kann. Nicht fehlen darf natürlich ein Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer, den Karl Scheufele wegen der brutalen Wärmeentwicklung im Inneren und den schlechten Lüftungsmöglichkeiten an heissen Tagen als Tortur ­bezeichnet hat. Die ursprünglich erdbeerfarbene Metallic-Lackierung wurde übri-

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Noch mehr Raffinesse: die limitierten Race-Editionen der Jahrgänge 2004 bis 07

gens erst während der Restaurierung des einst nach Kalifornien exportierten Fahrzeugs entdeckt und natürlich auch wieder hergestellt. Weitere Highlights: ein 1929er Bentley 4.5 Litre SWB, ein 1954er Porsche 356 Speedster, ein 1965er Mini Cooper S, ein 1968er Ferrari 275 GTB, ein knallgelber Porsche 911 RS Touring von 1973, ein Bentley Continental R-Type Jahrgang 1952 sowie ein Mercedes 300 SL Roadster anno 1957. Nicht mehr im Stall steht jener Porsche 356 von 1960, welchen sich Karl-Friedrich Scheufele 1985 als erstes Restaurierungsprojekt zulegte. Auf die Frage, ob der rote Monza mit seinem Schätzwert von deutlich mehr als einer Million Schweizer Franken zum Rallyefahren in Italien nicht zu schade sei, meint Karl-Friedrich Scheufele eher

lakonisch, dass er sich nicht als Sammler betrachte, der seine Schätze ausschliesslich in der weitläufigen Garage bestaunen ­wolle: «Unsere Sammel-Philosophie würde ich so umschreiben, dass die Autos nicht nur in einem guten, fahrbereiten Zustand sind, sondern auch regelmässig bewegt werden können. Sie sind keine Gemälde oder Skulpturen, die man ehrfurchtsvoll betrachtet. Unsere Autos wollen wir benutzen und vor allem geniessen.» Deshalb bewegt der Co-Präsident von Chopard sogar seine teuersten Lieblingsstücke von Zeit zu Zeit im öffentlichen Strassenverkehr – oder eben bei Oldtimer-Ausfahrten. Zu den Favoriten gehört der DB5 Vantage, welcher sich im originalgetreuen Zustand befindet: «Ich liebe die Patina, welche dieses Fahrzeug während nahezu fünfzig Jahren angenommen hat. Natürlich gehe ich unterwegs immer

Tradition und Geschmack: Christine und Karl-Friedrich Scheufele in den Werkstätten am Firmenhauptsitz Genf

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ZEITLOSE KLASSIKER: DIE ACHSE SCHEUFELE–ZAGATO

Edelstahl oder Roségold: Mille Miglia Chrono GMT Zagato bicolor

Gemeinsame Passion für Autos, exklusives Design und sorg­ fältige Umsetzung kreativen Gedankenguts eint Chopard und die 1919 von Ugo Zagato als kleiner Handwerksbetrieb gegründete Karosserieschmiede gleichen Namens. Im Laufe von fast einhundert Jahren hat Zagato zunächst mit sehr renommierten Automarken wie Ferrari, Lancia und Maserati zusammengearbeitet. Später gesellten sich Aston Martin, Bentley und Alfa Romeo zum illustren Kundenkreis. Nicht weniger als vier Mal, nämlich 1928, 1929, 1930 und 1933 fuhren Zagato-Alfa den Sieg bei der Mille Miglia ein. Zu den Spezialitäten des weiterhin unabhängigen Familienbetriebs gehören seit jeher attraktive Gran-Turismo-­ ­ Fahrzeuge. Dass aus derartiger Partnerschaft wahrhaft Aussergewöhnliches erwachsen muss, mag sich von selbst verstehen. Beim neuen «Mille Miglia Zagato Chronograph» erkennt man die signifikante Handschrift der erfahrenen Mailänder am markanten Outfit sowie der augenfälligen Farbgebung von Gehäuse, Zifferblatt, Zeiger und Lederband. Die Genfer Familienmanufaktur Chopard steuert logischerweise ihre hohe uhrmacherische Fertigungskompetenz und das Streben nach höchster Qualität bei. Aus optischen und technischen Gründen trägt das 42,5 Millimeter grosse Edelstahlgehäuse eine schwarze DLC-Beschichtung. Das Kürzel steht für «Diamond Like Coating» und ein High-Tech-Verfahren, das sich schon bei der Herstellung chirurgischer Instrumente und auch im Automobilrennsport bewährt hat. Ferner steigert es die Lebensdauer industriell hergestellter Werkzeuge wie Bohrer oder Fräsen. Auf Edelstahl haftet diamantähnlicher Kohlenstoff besonders gut. Dort bringt er ausgesprochen positive mechanische und physikalische Eigenschaften in Bezug auf Härte und Widerstandsfä-

Stilvolle Verbindung: Andrea Zagato und seine Frau Marella Rivolta im Atelier der Carrozzeria Zagato nahe Mailand

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higkeit mit sich. Zahlen sagen diesbezüglich mehr als Worte: Die Dicke der aufgetragenen Karbonschicht beträgt nur einen hauchdünnen Tausendstelmillimeter. Dessen Härte liegt jenseits von 5000 Vickers, also dem gut Siebenfachen von Stahl. Im ­Gehäuseinneren findet sich das gleichermassen zuverlässige wie präzise A ­ utomatikkaliber Eta 7745 mit Chronograph und Indikation einer zweiten Zonenzeit. Wer Spass an dieser Ausnahme-Armbanduhr findet, muss eine Chopard-Boutique aufsuchen. Nur dort gibt es die jeweils 500 Exemplare in schwarzem DLC-Edelstahl oder die Bicolor-Ausführung mit 18-karätiger Roségold-Lünette. Der Blick auf diese Armbanduhr mit Sammlerwert offenbart, was Karl-Friedrich Scheufele abschliessend zum Thema meint: «Autos und Armbanduhren haben viel gemeinsam und sprechen die gleiche Leidenschaft an. Im Gegensatz zu unserer Autosammlung ist es jedoch deutlich einfacher, eine Armbanduhrenkollektion aufzubewahren.» glb


SWISS MADE

ein gewisses Risiko ein. Aber ich respektiere meine Autos und fahre entsprechend vorsichtig. Vom Rennfieber lasse ich mich keineswegs hinreissen, denn mir ist sehr bewusst, dass es hier nicht darauf ankommt, ein Ziel möglichst schnell zu erreichen.» Nun lassen zigtausende Zuschauer am Rand der Mille bei den Fahrern schon gelegentlich das Gefühl aufkommen, ein kleiner Tazio Nuvolari oder Stirling Moss zu sein. Genau das verleitet mitunter dazu, deutlich schneller unterwegs zu sein, als es Gesetz und Ordnungshüter eigentlich erlauben. Aber, sagt Karl-Friedrich Scheufele mit einem verschmitzten Lächeln um den Mund, «die Faszination erfasst irgendwie alle Italiener einschliesslich der Politiker und Polizisten. Während der drei Tage, an denen die Mille Miglia stattfindet, hat in Italien alles andere Nachrang. Wenn ich diese Faszination vor Ort persönlich erlebe, kommt es am Steuer meines Autos nicht mehr unbedingt auf jede Zehntelsekunde an. Dabei sein ist alles.» Ungeachtet dessen haben mechanische Stoppuhren bei den auserwählten Mille-Miglia-Teams grösstenteils ausgedient. Mit ihnen lässt sich, um es salopp zu sagen, heutzutage kein Blumentopf mehr gewinnen. Selbst in den ältesten Cockpits obliegt die Zeitmessung schnell oszillierenden Quarzen und flinken Computern, denn die Ansprüche an Präzision und Geschicklichkeit sind in den vergangenen Jahren mit der Zahl der Teilnehmer spürbar gewachsen. Da können überlieferte Instrumente nicht mehr mithalten. Ganz anders sehen die Dinge an den Handgelenken aus: Wer ­etwas auf sich hält, blickt auf die Zifferblätter konventionell tickender Armbanduhren nobler Provenienz. Die Fahrer tun sich leicht, denn sie bekommen gratis und franko ein ­E xemplar der stets neu g ­ estalteten Mille-MigliaLinie. Normalsterbliche können die Faszination natürlich auch erleben; die auf die jeweilige Jahreszahl limitierten Rallye-Modelle sind ebenso käuflich zu erwerben wie zahlreiche andere Armbanduhren der inzwischen breit gefächerten Mille-Miglia-Kollektion. Deren ­Beginn markiert in besagtem Jahr 1988 ein ­Chronograph mit schlichtem Edelstahl-Gehäuse, Eta-Quarzkaliber und rund ums Zifferblatt einer Tachymeterskala zum Erfassen von Durchschnittsgeschwindigkeiten über eine Meile oder einen Kilometer hinweg. Wer ein solches Exemplar besitzt, darf sich glücklich schätzen, denn es hat mittlerweile Sammlerstatus. 1998 kam das zehnjährige Jubiläum des Mille-MigliaSponsoring – und mit ihm ein aussergewöhnliches Kautschuk-Armband im Design eines Dunlop-Rennreifenprofils aus den 1960er-Jahren. Trendgemäss fand sich im Gehäuseinneren ein mechanisches Chronographenkaliber mit Selbstaufzug. 2002 sorgte die auf 500 Stück begrenzte Edition des Automatikchronographen «Mille Miglia Fly Giallo» mit Titangehäuse und Dunlop-Racing-Kautschukband für einiges Aufsehen. Und der «Mille Miglia GMT 2004» verfügte neben dem Selbstaufzugs-Chronographen über die Möglichkeit, eine zweite Zonenzeit bei sich zu tragen. Die Gestaltung des «Mille Miglia Vintage» aus dem Jahr 2005 bezieht sich wiederum auf die 1950er-Jahre; von dieser nostalgisch anmutenden Armbanduhr gab es lediglich 250 Exemplare mit Rotgold-Schale.

2006 wartete Chopard mit der «Mille Miglia Gran Tourismo» auf, deren Besonderheit in einer Tankuhr, sprich Gangreserveanzeige für das Automatikwerk bestand. Der darauf folgende, auf 2007 Stahl- und 500 Roségold-Exemplare limitierte «Mille Miglia GT XL Chrono» besass einen betont sportlichen Charakter, stromlinienförmige Drücker und die überdimensionalen, erstmals hinter ­Saphirglas gedruckten Ziffern 6 und 12. Den «Mille Miglia Chrono Limited Edition 2009» leitete Chopard dagegen betont traditionell vom ersten Modell mit dem augenfälligen Reifen-Armband ab: E ­ ine klassische Formgebung, gute Ablesbarkeit und schnörkelloses Design sind weitere Eigenschaften dieses Automatik-Chronographen mit offiziellem Chronometerzeugnis und 42 Millimeter gros­ sem Stahlgehäuse. Detail 2013: Beim Zifferblatt des letztjährigen mechanischen MM-Chronographen Cuvée lag der Akzent auf optimaler Ablesbarkeit. Damit sich der rote Chronozeiger besser vom Hintergrund abhebt, besitzt er eine weisse Spitze. Die Tachymeterskala hat Chopard in den Glasrand des wahlweise in Edelstahl oder Roségold erhältlichen 44-Millimeter-Gehäuses graviert. Natürlich wäre auch die aktuelle Mille Miglia nicht komplett ohne eine spezielle und limitierte Chopard-Uhr. 2014 erscheint der Zeitmesser, wie uns Karl-Friedrich Scheufele noch vor der Premiere des guten Stücks auf der BaselWorld verraten hat, im VintageLook. Er soll dadurch an die 1930er-Jahre der Mille Miglia erinnern. Erneut ist ein optisch eigenständiger Klassiker entstanden, der Oldtimer- wie Uhrenliebhaber gleichermassen erfreuen dürfte. ­Übrigens erhielten die Mille-Teilnehmer in den Jahren 1989 und 92 keinen Chopard-Zeitmesser. Stattdessen gab es Schlüsselanhänger respektive ein Paar speziell kreierte Manschettenknöpfe: Für das ehrgeizige Projekt einer jährlich limitierten «Chrono-Race»Edition musste der Markt zunächst reifen. Ergo sind es einschliesslich des diesjährigen Modells 25 Armbanduhren, deren Anzahl künftig weiter wachsen wird: Die Kooperation zwischen Chopard und dem Rennveranstalter ist von gegenseitiger Wertschätzung geprägt und langfristig angelegt. Nicht zuletzt soll es einige ­Chopard-Kunden geben, welche die komplette MM-Serie besitzen. Diese Sammlerleidenschaft spricht für sich – und ist ganz nebenbei ein weiterer Beweis für die zahlreichen ­Gemeinsamkeiten von Autos und Uhren.

Aus Edelstahl: Chronograph zur letztjährigen Mille Miglia, limitiert auf 2013 Exemplare

Ab 26. März 2014 hier zu sehen: der Chopard-Chrono zur Mille Miglia 2014

FRÜHLING 2014 149




STARTBAHN

Die Lockheed «Constellation» entstand auf Anregung des exzentrischen US-Milliardärs Howard Hughes und wurde zwischen 1943 und 58 gebaut. Für viele Luftfahrt-Fans ist sie das eleganteste Verkehrsflugzeug aller Zeiten

ALS FLIEGEN NOCH KEIN ­VOLKSSPORT WAR KURZTRIP NACH LONDON, SURFWOCHE AUF DEN KANAREN? WAS VIELEN ­MENSCHEN HEUTE NORMAL ERSCHEINT, WAR ­FRÜHER EIN LUXUS FÜR ELITEN Text map· Fotos Archiv Borgmann, Werk

Ü

berfüllte Check-in, vor sich hin dünstende Schuhe auf Röntgen-Bändern, unangenehme Leibesvisitationen, ­dazu regelmässig Verspätungen: Nein, Fliegen war schon mal schöner. Das Preis-Dumping tritt aktuell in eine neue Phase und herablassende Titulierungen des Bordpersonals zeigen, ­welchen Prestigewert das Reisen per Flugzeug in der westlichen Welt heute noch hat – gar keinen mehr. Und w ­ ährend fast jeder ­Geschäftsreisende ein Frequent Traveller oder etwas noch Besseres ist, bleibt auch der Respekt vor der t­echnischen Errungenschaft auf der Strecke: Zürich–Tokio nonstop in weniger als zwölf Stunden ­erscheint vielen Fluggästen längst zu langsam. Zeit­zonenHopping schafft inzwischen mehr Frust als Lust. Vor 60 Jahren war das alles noch anders. Damals galten Inter­ kontinentalflüge als Privileg für die oberen Zehntausend, kostete das Transatlantik-Ticket nach New York so viel wie ein Neuwagen, während Normalsterbliche im Käfer nach Italien tuckerten. Regel152 VECTURA #10

mässige Flugpläne waren etwas ganz Neues; entsprechend ­prominent wurde die schnellste Art der Fortbewegung in den ­Medien zelebriert: Winkende Filmstars mit Blumen auf der Gangway oder Politiker im Cockpit und alle immer in Top-Garderobe – ­Fliegen war ein gesellschaftliches Event und das Flugzeug eine Bühne, für die man sich entsprechend chic kleidete. Nicht zuletzt auch, weil dort auch oft fotografiert wurde. Ein neues Buch ruft jene Ära in Erinnerung, in der Flugreisen ­etwas Glamouröses, Aufregendes gewesen sind. Damals ­beherrschten noch andere Airlines und Hersteller den Luftraum: Es war die Zeit der Propeller; Düsen wurden erst in den 1960er-Jahren zum ­Standard. Man erfährt unter anderem, dass es ab 1945 einen von der IATA (International Air Transport Association) vorgeschriebenen Einheitstarif gegeben hat, der teilweise bis in die 1980er-Jahre ­hinein galt. Fluggesellschaften mussten sich folglich über ihren Service ­unterscheiden und taten das auch nach Kräften. Der L ­ eser


blättert staunend durch Fotos mit opulent ausgestatteten Kabinen, Waschräumen, Bars oder Bordküchen. Cockpits waren noch voll analog und es ist den Bildern anzusehen, wie laut die Maschinen damals gewesen sind: ­Heute ist also gar nicht alles schlechter, aber sicher weniger r­ omantisch. Autor Wolfgang Borgmann, der aus einer Flieger-Familie stammt und ausgewiesener Luftfahrtexperte ist, wollte dieser frühen ­Epoche moderner Flugreisen schon lange ein Denkmal setzen. In 33 hochinteressanten Kapiteln zeichnet er deren Genesis kompetent nach – von den Nachkriegsjahren mit der Entstehung des Bordservice über l­uxuriöse Flugboote, die nahezu überall landen konnten, erste «Stratosphärenkreuzer» und Konkurrenzkämpfe der Fluggesellschaften, steigende Geschwindigkeiten, Druckkabinen und Polarrouten bis hin zu Flughafen-Terminals, jenen «Kathedralen des Fortschritts». Man erfährt, dass 1964 erstmals mehr Menschen den Nordatlantik per Flugzeug überquerten als mit dem Schiff. Herausragende Baumuster jener «goldenen Jahre» wie die Lockheed Super Constellation oder Douglas DC-7C, eine­ De ­Havilland Comet und ihr französisches Pendant Sud Aviation Caravelle sowie der 1970 erstmals in Dienst g ­ estellte Jumbo-Jet, quasi als (Luft-)Brücke in die Jetztzeit, dürfen in diesem Buch nicht fehlen. Das ist ebenso nostalgisch wie unterhaltsam, aber auch ein Lehrstück über uns Menschen, die gerne vergessen – und vieles sehr schnell als selbstverständlich erachten.

Lounges für ein geselliges Bordleben oder Etagenbetten auf Nachtflügen gehörten in den «booming years» des Luftverkehrs zum Standardangebot führender Fluggesellschaften

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STARTBAHN

Flugboote waren einst ganz normal: Boarding einer Boeing 314 «Clipper» der Pan Am im Hafen von New York

Aquila Airways setzte Wasserflugzeuge bis 1958 im regulären europäischen Liniendienst ein. Die Short «Solent» flogen überwiegend zwischen Grossbritannien und der Atlantikinsel Madeira

Auf «Inflight Entertainment» wie damals an Bord einer Lockheed Constellation der Cubana wartet man während heutigen Langstreckenflügen vergeblich

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Up and away: Das Flugzeug war auch die Bühne vieler Stars, die es eilig hatten. Hier zu sehen (v. o. l. im Uhrzeigersinn): John Wayne, David Niven und Familie, Zsa Zsa Gábor, Stirling Moss oder Cary Grant

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STARTBAHN

Auftakt in das Jet-Zeitalter: Startvorbereitungen einer De Havilland Comet 4B der British European Airways. Mit diesem Flugzeugtyp eröffnete die BOAC (British Overseas Airways Corporation) am 4. Oktober 1958 die Ära des Düsenluftverkehrs über dem Nordatlantik

Zeitgenössische Werbung. Rauchen über den Wolken war früher nicht nur erlaubt, sondern gehörte ganz selbstverständlich zum «Lifestyle» der Flugreisenden

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Die französische Sud Aviation SE 210 «Caravelle» ist das erste Düsenverkehrsflugzeug für Kurz- und Mittelstrecken gewesen. Swissair setzte zwischen 1960 und 69 bis zu neun Maschinen der Caravelle III ein, die sie von ihrem skandinavischen Partner SAS anmietete

Weitgehend analog: das Flightdeck einer De Havilland Comet IV


STARTBAHN

Eindrucksvoll: Die Silhouette der Boeing 747 entstand, weil von Anfang an auch eine Frachtversion mit Bugtor geplant war. Das Cockpit musste also eine Etage höher angeordnet werden

Neckisches Kostüm: Stewardess einer frühen Jumbo-Version mit Wendeltreppe in die First. Rechts: Viel Platz herrschte Anfang der 1970er-Jahre auch in der Economy-Class

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Wolfgang Borgmann: Das goldene Zeitalter des Luftverkehrs. 176 Seiten, 220 Abbildungen und Fotos, Motorbuch Verlag Stuttgart/D., ISBN 978-3-613-03655-0, CHF 39.90. Ab April


Sunshine ready Das neue Audi A3 Cabriolet.

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IMPRESSUM RUBRIKEN

Herausgeberin Prestige Media International AG Verleger Francesco J. Ciringione cf@prestigemedia.ch Verlagsleitung Boris Jaeggi b.jaeggi@prestigemedia.ch Chefredaktor Matthias Pfannmüller (map) m.pfannmueller@prestigemedia.ch Marketing- und Anzeigenleitung sales@prestigemedia.ch Gestaltung Julia Moos, Stefanos Gioumoukis g.stefanos@prestigemedia.ch Autoren dieser Ausgabe Simon Baumann, Gisbert L. Brunner, Thomas Geiger, Hubertus Hoslin, Stefan Lüscher, Wolfgang Peters, Roger Riedener, Thomas Sebastian, Alvise-Marco Seno, Mark Stehrenberger, Ezekiel Wheeler, Ben Winter Fotografen dieser Ausgabe Janosch Abel, Laurent Bagnard, Bruce Benedict, Bikeriderlondon, Phil Date, Adam Ewing, Kristina Fender, Freakyrico, Patrick Gosling, Dermo S. Kane, James Lipman, map, Heinz Mitterbauer, Ina Peters, Chris Pierce, Horst Roesler, Volker Rost, Yutaka Sato, Rainer W. Schlegelmilch, Beda Schmid, Tim Scott, Ian G.C. White, Onno Wieringa, Tsuneyuki Yamashita Lektorat Andreas Probst Produktionsleitung Tobias Merz t.merz@prestigemedia.ch Verlag / Produktion Prestige Media AG, Leimgrubenweg 4, CH-4053 Basel Telefon +41 (0) 61 335 60 80 Telefax +41 (0) 61 335 60 88 info@prestigemedia.ch www.prestigemedia.ch www.prestigenews.ch Web & IT Dejan Djokic Koordination Laura Giarratana Abo-Service Serpil Dursun Telefon +41 (0) 61 335 60 80 info@prestigemedia.ch Einzelnummer CHF 10.– Jahresabo CHF 39.– Erscheinungsweise vierteljährlich Auflage 20 500 Exemplare WEMF/REMP-beglaubigt (2013) 16 463 Ex.

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[ lat.: das Fahren]

#10 | Frühling 2014

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VECTURA #11

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FRÜHLING 2014

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