VECTURAMAGAZIN.COM
#1 | Winter 2011/12
Supersport mit vier Türen
BMW M5
FIRST OVERLAND // LAND-ROVER-EXPEDITION ERSTER FAHREINDRUCK // ASTON MARTIN ONE-77 V8 4EVER // COBRA, LUCRA, CORVETTE MOTORMENSCHEN // GEORGANO / MIMRAN / SIFFERT
AUTOREN-EDITION prestigemedia.ch | CHF 10.–
01
9 771662 125004
BERÜHRT DIE SINNE. BESCHLEUNIGT DEN PULS.
BMW steht seit je für vollendete Freude am Fahren. Die neuen BMW 6er Modelle krönen unser Bestreben, ein perfektes Auto zu schaffen. Sowohl das sportliche Coupé als auch das elegante Cabrio vereinen Dynamik und Eleganz, Komfort und Effizienz perfekt. Zudem sorgt das intelligente Allradsystem BMW xDrive für optimale Traktion auf jedem Untergrund. Mehr Informationen bei Ihrem BMW Partner oder unter www.bmw.ch
DER NEUE BMW 6er MIT xDRIVE, DEM INTELLIGENTEN ALLRADSYSTEM VON BMW. OFFICIAL CAR. WHITE TURF ST. MORITZ 2012. INTERNATIONAL HORSE RACES SINCE 1907.
Das neue BMW 6er Cabrio und BMW 6er Coupé
www.bmw.ch
Freude am Fahren
Porsche empfiehlt
Hier erfahren Sie mehr – www.porsche.ch oder Telefon 0840 356 911.
Das beste Mittel gegen alles Identische? Identität. Der neue 911.
Carrera – Motorleistung: 257 kW (350 PS). Treibstoff-Normverbrauch: gesamt 9,0 l/100 km. CO2-Ausstoss: 212 g/km. Carrera S – Motorleistung: 294 kW (400 PS). Treibstoff-Normverbrauch: gesamt 9,5 l/100 km. CO2-Ausstoss: 224 g/km. CO2-Mittelwert aller in der Schweiz angebotenen Fahrzeugmodelle: 188 g/km. Energieeffizienz-Kategorie: G
Editorial
Matthias Pfannmüller, Chefredaktor
Vectura #1
Autoren
Edition
I
n den kurzen Tagen des Winters scheint die Zeit manchmal stillzustehen. Es sind kostbare Momente der Erholung, die wir Menschen zwar nicht festhalten, aber von denen wir zehren können. Und in denen wir uns ausschliesslich mit schönen Dingen beschäftigen möchten. Sie lesen die Erstausgabe von VECTURA, dem ab sofort vierteljährlich erscheinenden Motion-Magazin mit wechselnden Schwerpunkten. Sportwagen sind ein klassischer Einstieg, und deshalb haben wir diesmal die allerneuesten und coolsten versammelt. Was Sie bei uns dagegen nie finden werden, sind oberflächliche Inhalte, hektische Layouts oder Vergleichstests mit umgeklappten Rücksitzen. Weil wir glauben, dass der Leser etwas anderes sucht: Charakter. Überraschung. Humor. Grosse Gefühle. Frische Gedanken. Gesprächsstoff, den er anderswo nicht findet. Und Geschichten, die er so schnell nicht vergisst. Einen gedruckten Kameraden in Sachen Auto, den Bruder im Geiste. Kurz: Wir haben VECTURA eigentlich für uns selbst gemacht. Der Titel kommt aus dem Lateinischen und steht für «Das Fahren». Gelegentlich wollen wir auch in die Luft gehen oder ins Wasser, doch der Schwerpunkt liegt klar auf der Strasse: VECTURA nähert sich dem Thema Automobil auf eine kaum mehr bekannte Weise – ganz entspannt nämlich, mit viel Ruhe und Raum für exklusive Inhalte. Bei uns dürfen Reportagen und Bildstrecken gerne 20 und mehr Seiten haben, weil sie richtig gut sind. Für aussergewöhnliche Qualität bürgen Journalisten und Fotografen, die weltweit zu den Besten ihres Fachs gehören. Anlässlich der Erstausgabe lassen wir ausschliesslich Buchautoren zu Wort kommen. VECTURA ist ein anspruchsvolles Periodikum von Menschen für Menschen, die Motoren mögen und dabei Authentizität und echten Lesegenuss zu schätzen wissen. Hier finden sie den ersten Fahreindruck zum Aston Martin One-77 und sehr persönliche, bisher nicht gedruckte Jo-Siffert-Aufnahmen. Oder «First Overland», ein spannendes Stück Land-Rover-Geschichte aus den Fünfzigerjahren, das erst kürzlich wieder entdeckt wurde. Zu den Fotografen gehörte seinerzeit auch John Moore, und beim Ortstermin in England vertraute mir der sympathische 79-Jährige eine bemerkenswerte Erkenntnis an: «Der Mensch erfindet Technologien, die Zeit sparen sollen. Aber man kann Zeit nicht sparen. Jeder von uns hat ein bestimmtes Guthaben, und das sollten wir nicht verschwenden.»
Winter 2011/12 005
inhalt #1
006 VECTURA #1
Editorial
005
brit-sport Extrem Er ist sehr selten, sündhaft teuer und heiss begehrt. Unterwegs im Aston Martin One-77
010
in memoriam Das schnelle Leben und Sterben des Jo Siffert: Zeitzeugen erinnern sich
020
für frühaufsteher Immer wieder Samstags – warum Cars & Coffee im kalifornischen Irvine heute Kultstatus geniesst
024
technikgeschichte Von wegen klein: Mit unglaublichen Stückzahlen ist der Chevy Small Block der erfolgreichste V8-Motor aller Zeiten
030
roadmovie Mit AC Cobra Mark VI, Lucra LC470 und Corvette Grand Sport auf den Grimselpass: Wir werden noch unseren Enkeln davon erzählen
036
Exotische achtender Endora, Spada und Co.: Kleinserien mit US-Power
054
driftwinkel Mit Karbon und viel Elektronik nimmt der McLaren MP4-12C Fahrt auf. Das Auto sollte man erlebt haben
056
querfeldein und weiter Drei spektakuläre Expeditionen machten das Nutzfahrzeug Land Rover in den Fünfzigerjahren zum Trendmobil
062
branche im umbruch Nick Georgano betrachtet gute und weniger gute Allianzen in der Automobilindustrie
080
neue alte nummer Die erste Ausfahrt: Was man vom nächsten Porsche 911 Carrera erwarten darf – und was nicht. Plus: Elfer-Kunde und 991-Technik
082
völlig losgelöst Virgin Galactic rüstet sich für den Erstflug ins All. Wir haben den Spaceport bereits besucht
094
berühr´ mich! 048102 Making of – Tissot Racing-Touch titelstory Heute Kindersitze, morgen Rundkurs: Was den nunmehr fünften BMW M5 zum begehrenswerten Papamobil macht
106
heisser süden Die Targa Florio war einst das härteste Strassenrennen Italiens. Jetzt erlebt sie erneut eine Renaissance
114
schöne aussichten Georg Dönni wartet auf den Sommer
130
new york underground Parkhäuser in Manhattan, kunstvoll in Szene gesetzt von Patrick Mimran
132
druckfrisch Autos, Biografien und mehr: Die besten Bücher der Saison
140
Der bewegte Mann Die Kunstgalerie des Peter Vann
152
impressum
154
010
020
036
062
114
140
Winter 2011/12 007
VICT
DAMIT ES SIEGERN IM WINTER
PIRELLI WINTER™REIFEN. ERFoLGREICHER PARTNER DER SC
T RY
pirelli.ch
R AN NICHTS FEHLT.
CHWEIzER SkI-NATIoNALMANNSCHAFT.
POWER IS NOTHING WITHOUT CONTROL
abgefahren
Das Alpha-Tier Text Roland L枚wisch 路 Fotos David Shepherd
010 VECTURA #1
Der One-77 ist nicht nur der kräftigste Aston Martin, sondern auch der stärkste Strassensportwagen mit Saugmotor weltweit. Vectura war Ende 2011 bei der allerersten Demonstrationsfahrt des Zwölfzylinder-Boliden dabei
Winter 2011/12 011
«
Wie wollen wir ihn denn nennen?», fragt Aston-Martin-Chef Dr. Ulrich Bez seinen leitenden Versuchsingenieur Chris Porritt. «Mmmmh. Vielleicht irgendwas, was an die Stückzahl erinnert, die wir bauen», antwortet Porritt, der auch Projektchef des neuen Superautos ist. «Die Konkurrenz produziert immer 99 Stück von einer Sonderserie.» «Dann sollten wir das nicht tun.» «Genau». Porritt denkt nach. «50 brauchen wir mindestens, damit er sich rechnet. Also 70? Oder 75?» Bez: «75 ist langweilig. Wie wäre es mit 77 Stück?» «77? Klingt gut». «Also 77. Aber Aston Martin 77 ist noch kein Name ...» Stimmt. Die Gehirne hirnen. Dann kommt die Idee: «Wie wärs mit: Einer von 77? Also One-77? Und das nummerieren wird durch bis zum Seventyseven-77 ...»
012 VECTURA #1
abgefahren
Tatsächlich ist es nicht ganz so weit gekommen – es blieb letztlich bei One-77. Aber die Namensfindung des neuen Supercars der kleinen feinen Autoschmiede Aston Martin hat sich tatsächlich so – oder immerhin ähnlich – zugetragen. Die streng limitierte Auflage soll nicht nur ein paar Extra-Pfund in die Kassen spülen, sondern vor allem als Image-Träger fungieren. Den die Briten immer gerne dort präsentieren, wo das Geld ist. Wie zum Beispiel bei Richard Bransons Privatfete im Restaurant «Double Eagle» in Old Mesilla. Hier in dem kleinen Vorort von Texas’ zweitgrösster Stadt Las Cruzes, wo der berüchtigte Revolverheld Billy the Kid gehängt worden sein soll und sein Grab nur eine gute Meile entfernt liegt, hat der Tycoon alle eingeladen, die bereits einen Weltraumtrip mit seiner Fluggesellschaft Virgin Galactic gebucht haben (siehe Seite 94). Ein optimaler Ort also für die Astons, um am Eingang nicht nur ihre Rapide, V8 und DBS zu postieren, sondern auch die Spitze der englischen Schaffenskraft, den One-77. Und das, obwohl den in Amerika derzeit noch niemand benutzen darf. «Für den Wagen fehlt die US-Homologation», bestätigt Porritt. Und tatsächlich geht bislang kein einziges der bislang verkauften Exemplare – laut Werk sind noch ein knappes Dutzend übrig – in die Vereinigten Staaten. Doch der Besuch von vielen europäischen Branson-Kunden ist Grund genug, den 760 PS starken Über-Aston auch in den Staaten zu zeigen – und zwar in Aktion mitten auf der Start- und Landebahn des Spaceport America. Über gut drei Kilometer reihen sich hier fünf mal fünf Meter grosse Betonplatten in einer Breite von 60 Meter aneinander, damit von hier aus die ruhmvolle amerikanische Weltraumfahrt ihre kommerzielle Fortsetzung finden möge. Es wird Zeit für einen Ausritt im letzten Vorserienwagen – ans Steuer darf allerdings nur Porritt, der nach eigenen Angaben mehrere 100 000 Kilometer in diversen Prototypen absolviert hat.
«Sonst beschweren sich Käufer, wenn die Presse das Auto vor ihnen fährt», sagt er. AM-Kunden scheinen wirklich sensible Wesen zu sein. Das Platzangebot ist ausgezeichnet. Zwar muss man sich wegen der geringen Fahrzeughöhe beim Einsteigen etwas biegen, aber nicht – wie bei einigen Konkurrenten – verbiegen. Einmal im bestens ausgeformten Schalensitz Platz genommen, kommt GT-Feeling auf – eine sportliche lange Reise bietet sich an. Und das inmitten des typischen Geruchs feinsten Aston-MartinLeders – es ist wie bei dem kleinen Hersteller üblich mit absoluter Akkuratesse verarbeitet. Aus zehn gepflegten Kuh-Häuten werden mehr als 100 Einzelstücke geschnitten und von Spezialisten mit filigranen Stichen zusammengenäht. Endlich gibt Porritt dem Zwölfzylinder mal so richtig die Sporen – Vollgas aus dem Stand. 3,7 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h vergehen viel zu schnell, um die Beschleunigung richtig geniessen zu können. Dabei brüllt der One-77 sowohl aussen als auch innen wie ein Rudel eifersüchtiger Löwen – mit der sprichwörtlichen britischen Zurückhaltung hat das hier nichts mehr zu tun. Per Schaltwippen klickert Porritt durch die sechs Gänge des automatisierten Getriebes, bis die Tachonadel bei 290 km/h steht. Dann muss er schon wieder abbremsen – der Runway ist wie gesagt nur drei Kilometer lang. Ein schneller Bogen, schon beginnt die Rückfahrt. Diesmal beschleunigt Porritt auf 230 Sachen und nimmt die Hände vom Lenkrad. Der One-77, das weltweit stärkste Strassenauto mit einem Saugmotor, fährt weiter stur geradeaus – ein Beweis, wie steif die Karbon-Monocoque-Konstruktion aus über 3500 Kohlefaserteilen ist. Und dafür, wie effektiv das Fahrwerk mit seiner für Strassenfahrzeuge ungewöhnlichen Geometrie arbeitet. Denn es gibt nicht nur die aus dem Rennsport bekannten doppelten Dreiecksquerlenker rundum, sondern ebenso horizontal liegende Stossdämpfer, Winter 2011/12 013
Exklusiv-Ausfahrt: One-77-Projektleiter Porritt am Steuer, Autor Löwisch ausnahmsweise als Copilot
Technische Daten Aston Martin One-77 Der Über-Aston (www.one-77.com) ist als zweitüriges Sportcoupé mit Karbon-Monocoque, Aluminium-Karosserie und verstellbarem Push-Rod-Fahrwerk konzipiert. Das Auto weist zwei Sitzplätze und einen Radstand von 2740 Millimeter auf; es ist 4750 mm lang, 1995 mm breit und 1300 mm hoch. Angetrieben wird der Bolide von einem gemeinsam mit Cosworth entwickelten, hinter der Vorderachse eingebauten V12-Zylinder-48-Ventiler-Sauger, der bei 7312 Kubikzentimeter Hubraum und einer Verdichtung von 10,9:1 satte 760 PS (559 kW) bei ca. 6000/min sowie ein maximales Drehmoment von 750 Nm bei 5500/min aufweist. Die Kraft wird per automatisiertem Sechsganggetriebe
014 VECTURA #1
auf die Hinterräder übertragen. Weil der Wagen nur 1500 Kilogramm wiegt, beträgt das Leistungsgewicht unter 2 kg/PS, beschleunigt der Luxus-Brite in 3,7 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit gibt der Hersteller mit 354 km/h an. Aston Martin hält es nicht für nötig, weitere technische Angaben zu veröffentlichen. Dafür gibt es Informationen zur Ausstattung: Bi-Xenon-Scheinwerfer mit integriertem LEDTagfahrlicht, ein Karbon-Diffusor am Heck, LED-Rücklichter, die aktive Aerodynamik mit ausfahrbarem Spoiler, eine EdelstahlSportauspuffanlage mit Sound-Ventilen sowie das Sperrdifferenzial sind serienmässig an Bord.
abgefahren
Winter 2011/12 015
abgefahren
016 VECTURA #1
Der Volvo S60 vereint sportliches Design mit herausragender Fahrdynamik. Ausger체stet mit modernster Technik, verhindert seine automatische Notbremsfunktion City Safety zudem Auffahrunf채lle. Beim Volvo S60 dreht sich alles um Sie. Jetzt Probe fahren.
Ihr Volvo S60
Durchtrainiert
volvocars.ch
die eine extrem flache Bauweise ermöglichen. Alle Dämpfer sind natürlich auch individuell einstellbar, so dass jeder Kunde die für ihn optimale Abstimmung erhält. Im Testwagen hat Aston Martin eine komfortable Auslegung gewählt. Leider ist kaum genug Zeit, die Details im Innenraum mit bewundernden Blicken ausreichend zu würdigen. Ein breiter, mit Instrumenten und Schaltern gespickter Mitteltunnel trennt beide Insassen, Hochwertigkeit atmet aus den Materialien, aus jeder Fuge. Pro Auto investiert Aston Martin 1500 Arbeitsstunden, nur 27 Spezialisten bauen es zusammen. «Der One-77 ist der totale Ausdruck für alles, was Aston Martin bedeutet», hat uns Chefdesigner Marek Reichmann einst am Tonmodell in der englischen und hochmodernen AM-Fabrik zu Gaydon erklärt. Der Wagen liegt etwa zehn Zentimeter tiefer und ist um das gleiche Mass kürzer als ein DBS. Die Breite von zwei Meter (ohne Aussenspiegel) verpasst der Wagen knapp. Das ist Absicht, «denn ab genau zwei Meter würde der Wagen als Truck gelten und müsste seitliche Blinker besitzen», erklärt Porritt grinsend.
mehr kann, glauben wir seinen Machern aufs Wort. Zwar haben wir nur einen kurzen Fahreindruck erhalten, aber er war sehr aufschlussreich – sehr viel mehr geht derzeit nicht. Wer sich noch einen dieser seltenen Aston Martin sichern will, muss sich sputen und sollte gespart haben: Das Auto kostet netto etwas über 1,6 Millionen Franken. Eine weitere Auflage wird es nicht geben, auch keine offene Version: Der zusätzliche Konstruktionsaufwand wäre angesichts der Stückzahlen selbst bei einem so hochgezüchteten Superauto zu gross.
Roland Löwisch, Modelljahr 1959, hielt Autos schon immer für spannende Fortbewegungsmittel. Geboren in Stuttgart, wuchs er in Hamburg auf, wo er auch studierte, volontierte und 16 Jahre lang für «AutoBild» und die MotorRedaktion des «Stern» tätig war. 2006 machte sich Löwisch selbstständig: Kürzlich erschien im Verlag Monsenstein & Vannerdat sein erstes Buch «Auto
Die auf dem Hochgeschwindigkeitsoval im italienischen Nardò gemessenen 354 km/h Spitzengeschwindigkeit verpassen wir auf dem Spaceport-Runway deutlich – doch dass der One-77
018 VECTURA #1
Mobilität - wie der Mensch das Laufen verlernte», eine über 500 Seiten starke, nach Datum sortierte Chronik mit grossem Register zum Nachschlagen verschiedenster Ereignisse.
abgefahren
Die Breite von zwei Meter (ohne Aussenspiegel) verpasst der Wagen knapp. Das ist Absicht, «denn ab genau zwei Meter würde der Wagen als Truck gelten und müsste seitliche Blinker besitzen», erklärt Porritt grinsend
Motormenschen
Der ewige
Nationalheld Vor vier Jahrzehnten starb Jo Siffert. Neue alte Fotos huldigen dem erfolgreichen Allroundpiloten aus dem Welschland Text Matthias Pfannmüller/ac · Fotos Akira Mase
S
eine Geschichte ist ebenso faszinierend wie ergreifend. Jo Siffert stammt aus finanziell kleinen Verhältnissen. Umso grösser ist die Bewunderung, die ihm und seinem Tun entgegengebracht wird: Am 7. Juli 1936 in der Fribourger Unterstadt geboren, besucht er schon als Bub Motorsportveranstaltungen. Und der zielstrebige Junge beschliesst, selbst Rennfahrer zu werden. Zunächst engagiert sich der gelernte Karosseriespengler mit Motorrädern und wird 1959 auf einer Norton Manx Schweizer Meister der 350-cm³-Klasse. 1960 erfolgt dann der Wechsel ins Auto. Auf einem Stanguellini Junior verschafft sich der ehrgeizige Neuling 1960 durch erste Siege bei Slaloms und Bergrennen Respekt, 1961 steigt er auf einen Lotus Junior um. Im folgenden Jahr vertritt er die Farben der Ecurie Filipinetti in der Formel 1, aber die Ehe mit dem Genfer Rennstall ist von kurzer Dauer: 1963 geht es auf eigene Rechnung, aber mit schmalem Budget weiter. Das «Siffert Racing Team» gewinnt auf einem Lotus-BRM den nicht zur WM zählenden GP von Syrakus. Zwei Formel-1-Siege auf Brabham-BRM folgen 1964 und 1965 in Enna, wobei es Siffert einmal gelingt, den amtierenden Weltmeister Jim Clark auf sensationelle Art und Weise zu schlagen. Der Schweizer fährt da bereits für den englischen Rennstall-Besitzer Rob Walker und muss sich nicht mehr jedes Rennen vom Munde absparen. Ab 1966 bestreitet Siffert auch Langstreckenrennen und wird Porsche-Werksfahrer. In den folgenden vier Jahren siegt er im 907, 908 oder 917 bei insgesamt 14 Läufen um die Markenweltmeisterschaft der Prototypen. «Seppi», der das Image des seinerzeit als provinziell geltenden Kanton Fribourg nachhaltig aufwertet, steht bei Klassikern wie den 24 Stunden von Daytona, den 12 Stunden von Sebring, den 1000 km vom Nürburgring oder Monza auf dem Siegerpodest. Auf einem Porsche 908-3 dominiert er auch bei der Targa Florio auf Sizilien. Ab 1969 vertritt Siffert zudem die offiziellen Farben von BMW in der Formel 2; 1970 gewinnt er mit den Münchnern beim GP von Rouen. Pro Jahr bestreitet er inzwischen um die 40 Veranstaltungen.
020 VECTURA #1
Es geht weiter steil bergauf: Nachdem ihm Walker 1966/67 für die Formel 1 einen Cooper-Maserati zur Verfügung gestellt hat, steigt Siffert 1968 für den gleichen Rennstall in den damals dominierenden Lotus 49-Ford um – und erringt beim Grossen Preis von Grossbritannien in Brands Hatch als erster Schweizer einen Formel-1-Sieg bei einem WM-Grand-Prix. Es ist sein vielleicht grösster Triumph. Ab 1969 bestreitet er auf einem ZwölfzylinderPorsche 917PA auch Läufe der amerikanischen CanAm-Serie für grossvolumige Rennzweisitzer. Jos Rennkalender ist inzwischen prall gefüllt; 1970 reist er von Rundkurs zu Rundkurs, fährt die Formel-1-Saison mit dem jungen March-Team, doch der Wagen ist defektanfällig. Mit Porsche feiert der Schweizer auf der Langstrecke dagegen Erfolge in Serie, auch 1971. In dieser Saison fährt er in der F1 mit BRM, holt sich nach Ausfällen seinen zweiten WM-Sieg beim Grossen Preis von Österreich in Zeltweg. Porsche-Rennleiter Peter Falk hält Siffert damals «ohne den geringsten Zweifel für den besten Rennfahrer seiner Generation». Eine ordentliche Portion Wagemut gehört dazu: Der von allen als echter Gentleman beschriebene Pilot fährt stets unerschrocken und mit hohem Risiko. 1971 wird dann zur Zäsur – Sifferts mexikanischer BRM-Teamkollege Pedro Rodriguez kommt im Sommer auf dem Norisring bei einem Sportwagenrennen ums Leben. Dann, am 24. Oktober 1971, passiert es in Brands Hatch, dem Ort von Sifferts erstem GrandPrix-Triumph. Diesmal ist der Schutzengel nicht mehr dabei, findet die Karriere des Fribourgers bei einem nicht für die WM zählenden Grand Prix ihr jähes Ende: Sein Wagen kommt bei hohem Tempo von der Strecke ab und geht in Flammen auf. Ursache ist offenbar technisches Versagen. Der 35-Jährige erstickt. Die Nachricht löst überall tiefe Betroffenheit aus; mehr als 50 000 Menschen erscheinen zur Beerdigung in seiner Heimatstadt. Über 40 Jahre später huldigt Fribourg dem berühmten Sohn noch immer; Ausstellungen finden statt, Filme werden gezeigt. Fans tauchen auf. Denn der Mythos Siffert ist ungebrochen: Mit hartem Einsatz, eisernem Siegeswillen, Fairness und der stets freundlichen Art ist er schon zu Lebzeiten ein Vorbild geworden – und damit unsterblich.
Motormenschen
Der Mythos Siffert ist bis heute ungebrochen
gründete die Foto-Agentur SEL. Bei der Ausrichtung des ersten japanischen WM-Grand-Prix 1975 stand er Bernie Ecclestone beratend bei. Mase publizierte Fachbücher wie «Great Drivers», oder die Biografie von Soichiro Honda. Anfang der Neunzigerjahre tauschte Mase seine Kamera gegen ein Lenkrad, bestritt zweimal die Rallye Paris–Dakar. Das Herz des Japaners schlägt aber für die Formel 1. Er ist ein geschätzter Beobachter der Szene und war mit einigen Piloten kameradschaftlich verbunden. Jo Siffert gehörte zu seinen besten Freunden: Beide hatten sich 1967 beim 24-Stunden-Rennen in Daytona kennen und schätzen gelernt. In den folgenden Jahren entstand eine Reihe sehr persönlicher Aufnahmen, die bisher nur bei wenigen Ausstellungen gezeigt worden sind. Mase wird seine Siffert-Fotos inklusive des hier gezeigten Portraits bald in einem neuen Buch veröffentliAkira Mase, 1934 im japanischen Kamakura geboren, arbeitete zunächst
chen. Er erinnert sich: «Ich traf Jo Mitte Oktober 1971 in Laguna Seca und
als Landschaftsfotograf in den USA, bevor er 1966 damit begann, Renn-
fotografierte ihn, wie er den Kofferraum meines Mietwagens entlud. Es sollte
wagen in Aktion aufzunehmen. Er war darin so gut, dass man ihn bald zu
das letzte Bild sein, das ich von ihm machte. Wir wollten uns beim CanAm-Lauf
den grossen Motorsportveranstaltungen schickte. Schnell zählte er zur ers-
in Riverside wiedersehen, doch dazu kam es nicht mehr. Anderntags reiste er
ten Chronisten-Garde: 1970 zog Mase in die Schweiz, um näher an den
nach Europa zurück, traf sich dort mit Porsche in Zuffenhausen und begab
damals noch vorwiegend in Europa stattfindenden Rennen zu sein, und
sich anschliessend zum verhängnisvollen Rennen nach Brands Hatch.»
022 VECTURA #1
uggaustralia.com
Bling-bling
California Dreamin’ Wo edle Bleche, Strassenkreuzer, Dragster und Chopper aufeinandertreffen: Wärmende Impressionen vom vielleicht lockersten Motor-Meeting der Welt
Text Kerry Morse, John Clinard
W
inter in Orange County? Okay, es ist etwas frischer als im Sommer, ab und zu regnet es vielleicht. Trotzdem stehen auch im Dezember Hunderte von Petrolheads jeden Samstagmorgen vor Sonnenaufgang auf. Wie bereifte Motten steuern sie einen Parkplatz voll glänzender, funkelnder Objekte an, die erwachsene Männer kichern lassen wie Schuljungen. Willkommen bei Cars & Coffee, einem PS-Showdown unter Freunden! Oft kopiert, aber unübertroffen. Automobilfotograf Bruce Benedict lebt in der Nähe des Originalschauplatzes. Er besucht das Spektakel regelmässig und bringt nun eine Serie sehr persönlicher Bilderbücher heraus. Wir stellen einige Aufnahmen exklusiv vor.
024 VECTURA #1
Gänsehaut: Mit diesem Wyer-Porsche 917K in Gulf-Lackierung bestritten Jo Siffert und Brian Redman 1970 die 24 Stunden von Le Mans, bis sie mit Motorschaden ausfielen. Bei diesem Rennen entstanden auch die Filmszenen für den Hollywood-Streifen «Le Mans» mit Steve McQueen
Ein Parkplatz in
Irvine oder
Wie alles begann Manege frei: John Clinard und seine Frau Linda auf ihrem Spielplatz kurz vor Sonnenaufgang. John ist der Automensch für Automenschen. Seltene Fahrzeuge können sich hier treffen, weil er und Linda es ermöglicht haben. Sie sind in der Regel die Ersten vor Ort und gehen als Letzte. Sagen Sie also Hallo beim Reinfahren und winken Sie vor dem Absprung!
Cars & Coffee ist das Ergebnis einer langen amerikanischen Tradition. Es ist eines von vielen Treffen, das Automobil-Enthusiasten – und ganz besonders kalifornische – seit Jahren geniessen. In Südkalifornien stellt «Donut Derelicts» in Huntington Beach so etwas wie den Grossvater dieser Art von Zusammenkünften dar; seit über 30 Jahren ist es jeden frühen Samstagmorgen Anlaufpunkt für Hot Rodder und Autoliebhaber. 2004 entschlossen sich zwei Donut-Derelicts-Jünger, ihre allsamstägliche Fahrt etwas abzukürzen: Per Mund-zu-MundPropaganda warben sie für ein ähnliches Come-together an der Crystal Cove Promenade beim Pacific Coast Highway nahe Newport Beach. Es war auf Anhieb ein sagenhafter Erfolg, wuchs aber so schnell, dass die Veranstalter einen grösseren Veranstaltungsort suchen mussten, der zudem weit genug entfernt lag von noch schlafenden Anwohnern! Hier kommen Ford und Mazda ins Spiel. Im Oktober 2006 luden diese Autohersteller die Crystal-Cove-Getreuen auf den gemeinsamen Parkplatz ihrer Firmenzentralen nahe Irvine. Das Gelände ist zwar nicht ganz so malerisch, bietet den Fans aber eine abgelegene Heimat, wo sie ihre Autos geniessen können,
026 VECTURA #1
ohne dass schimpfende Anwohner auf den Hügeln stehen. Diese Formel passte, und seither treffen sich durchschnittlich 500 Kostbarkeiten in ständig wechselnder Besetzung. Welche Autos sind willkommen? Die Gastgeber haben da eine sehr einfache Philosophie: Bei Cars & Coffee geht es um die Freude an Autos und Motorrädern, die man an den restlichen sechs Tagen der Woche nicht zu sehen kriegt. Die Ungewöhnlichen, die Exoten, die Waisenkinder, die Skandalösen, die Klassiker. Alt und Neu sind eingeladen, aber Alt wird bevorzugt behandelt, während es bei den Modernen etwas wirklich Spezielles sein muss, um auf das Freigelände zu gelangen. Und es geht wie gesagt nicht nur um Autos. Cars & Coffee ist vor allem eine grossartige Gelegenheit für Anhänger, Berühmtheiten und weniger Berühmte, Junge und nicht mehr ganz so Junge, diese einmalige Kameradschaft zu erleben, welche die Liebe zum Auto mit sich bringt. Es ist toll zu sehen, wie Eltern ihre Kinder dabeihaben und mit ihnen diese Begeisterung teilen. Die Veranstaltung ist ganz bewusst volkstümlich: Auf Werbung und Medien-Präsenz wird zugunsten altmodischer Mund-zuMund-Propaganda unter echten Sympathisanten verzichtet.
DER NEUE RANGE ROVER EVOQUE
THE POWER OF PRESENCE Machen Sie sich auf einen unvergesslichen Auftritt gefasst. Der kompakteste, leichteste und effizienteste Range Rover aller Zeiten fährt vor und gibt gleich von Anfang an den Ton an, als 3-Türer Coupé oder als praktischer 5-Türer. Unverkennbar im Design und nur gerade 435 cm lang, ist der neue Range Rover Evoque äusserst agil und gleichzeitig im luxuriösen Innenraum überraschend geräumig. Mehr Informationen auf www.landrover.ch oder bei Ihrem Land Rover-/Range Rover-Partner.
DER NEUE RANGE ROVER EVOQUE
028 VECTURA #1
Bling-bling
Kerry Morse, Jahrgang 1952, ist Lebenskünstler, Motorjournalist, Porsche-Experte und trotzdem ein bescheidener Mann geblieben. Er arbeitet für verschiedene US-Magazine und bereichert Bruce Benedicts Bücher mit kurzen, launigen Kommentaren – wenn er nicht gerade unter einem Rennwagen liegt und an ihm herumschraubt.
Bruce Benedict wurde 1955 in Kansas City geboren und hat dort ein Studium in Fotojournalismus abgeschlossen. Prägender waren vielleicht seine Jahre in der Werbewelt, wo er schon mal von Rollschuhen aus rückwärts fahrend Filme drehte. Körperbeherrschung trainiert der ehemalige Skilehrer unter anderem mit Taekwondo (Schwarzer Gürtel). Seine «Cars & Coffee»Bücher gibt es online unter www.blurb.com/bookstore.
Winter 2011/12 029
030 VECTURA #1
bestseller
Alle Achtung! Er ist der erfolgreichste V8-Motor aller Zeiten: In diesen Tagen produziert Chevrolet den 100-millionsten Small Block. Und wir zählen nochmal durch … Text Dave McClusky · Fotos Werk
V
or gut hundert Jahren, genau am 3. November 1911, wurde in den USA die Automobilmarke Chevrolet gegründet. Dass sie den Namen eines Schweizers trug, ist längst Allgemeingut. Die wechselhafte Lebensgeschichte von Louis Chevrolet kennen dagegen nur wenige. Und bei den diversen Feierlichkeiten Ende 2011 geriet ein weiteres wichtiges Jubiläum in den Hintergrund – die Produktion des 100-millionsten Chevy-Small-Block-V8-Motors. Nochmal in Zahlen: 100 000 000! Vorgeschichte Die Genesis dieses Ausnahme-Motors beginnt in den Gründertagen der Massenmobilisierung. Mit bescheidenen Mitteln, seiner unstillbaren Leidenschaft für schnelle Motoren sowie waghalsigen Renneinsätzen hatte der 1878 in La Chauxde-Fonds geborene Louis Chevrolet 1911 in der aufstrebenden Automobil-Metropole Detroit Fuss gefasst – und sich trotz grosser Konkurrenz behaupten können. Doch die Freude am eigenen Unternehmen währte nicht allzu lange. Es gab Differenzen mit Teilhabern, so dass die Marke Chevrolet schon 1918 unter die Fittiche von General Motors geriet. In dieser Übergangszeit hatte Chevrolet bereits ein V8-Modell im Programm, dessen Produktion GM wegen zu geringer Nachfrage kurzerhand einstellte. Vier Jahrzehnte sollten ins Land gehen, bevor sich der Hersteller Chevrolet wieder in ein neues V8-Abenteuer stürzte – dann allerdings mit durchschlagendem Erfolg. Louis Chevrolet selbst hatte die nach ihm benannte Marke bereits 1914 und auf eigenes Betreiben verlassen, weil ihm die Modellstrategie seines Partners William C. Durant nicht passte. Ein folgenschwerer Fehler, denn während das Unternehmen prosperierte, musste Chevrolet unten durch und sich zeitweilig als Bandarbeiter durchschlagen. Er starb einsam, wenn auch nicht ganz verarmt 1941. Kurz bevor Louis Chevrolet sein Unternehmen verliess, triumphierte Henry Ford I mit einer innovativen Fliessbandidee. Das aus einer extrem effizienten Fertigung rollende T-Modell war ein Bestseller und die neue Produktionsmethode entpuppte sich als
epochale Einrichtung, sollte sie doch die Arbeitswelt global revolutionieren. Vor diesem Hintergrund geriet das erwähnte, weit teurere Chevy-V8-Modell glatt in Vergessenheit. Henry Ford tüftelte derweil mit Akribie an der Weiterentwicklung seiner hochprofitablen Fabrikation, senkte die Preise und trieb so den Verkauf in ungeahnte Höhen. Eine Million Fahrzeuge pro Jahr, und das unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg – diese Leistung konnte sich sehen lassen. Da aber «Autos keine Autos kaufen», so Henry Ford, erhöhte er bereits kurz nach Aufnahme der Fliessband-Produktion den Tageslohn seiner Arbeiter auf fünf Dollar, was damals viel Geld gewesen ist. Das «Model T» setzte sich weltweit durch; zeitweise betrug der globale Marktanteil über 50 Prozent; in den USA lag er weit höher. Eines Tages jedoch, man schrieb inzwischen das Jahr 1927, schien der Bedarf gedeckt, standen plötzlich tausende Ford T unverkauft auf Halde. Und es wurden immer mehr, während die Konkurrenz immer grössere Absatzerfolge feiern konnte. Ford stoppte daraufhin die Bänder und entwickelte das etwas luxuriösere «Model A», das bereits im Herbst mit modifiziertem T-Vierzylinder in Serie ging. Gegen die stärkeren Motoren und seidenweichen «Straight Six» der Konkurrenz tat sich aber auch das neue Auto schwer, zumal sich General Motors noch 1927 mit der Marke Chevrolet den ersten Platz im US-amerikanischen Automobilbusiness gesichert hatte. Gestiegene Ansprüche Henry Ford gefiel diese Situation natürlich gar nicht und er sann auf Abhilfe. Da kam es ihm sehr gelegen, dass die GM-Marke Oakland zu Beginn der Weltwirtschaftskrise – ausgelöst durch den Börsencrash vom Oktober 1929 – zugunsten von Pontiac aufgegeben wurde. Gleichzeitig beendete GM die Produktion des brandneuen, noch von Oakland entwickelten V8-Motors – zugunsten des Sechszylinders. Dem Vernehmen nach sicherte sich Ford die Mitarbeit zweier Winter 2011/12 031
Furchtlos und schnell: Louis Chevrolet gelang es 1906, einen neuen Geschwindigkeitsrekord von 191,5 km/h aufzustellen. Er nutzte dazu einen gut 200 PS starken Christie Darracq mit 25-l-V8-Motor. Ein Jahr zuvor (unten) hatte der gebürtige Schweizer beim Vanderbilt Cup auf Long Island sein US-Renndebüt gegeben und im Training seinen 110-PS-F.I.A.T. zerstört. Das Rennen selbst bestritt er mit dem 90 PS starken Ersatzwagen – und fuhr auch den zu Schrott
032 VECTURA #1
bestseller
Ingenieure, die an der Entwicklung des Oakland-V8 massgebend beteiligt waren. In aller Eile liess der Tycoon daraufhin eine eigene V8-Maschine konstruieren, die ab 1932 alternativ zum Vierzylinder angeboten wurde. Der neue, vergleichsweise leistungsfähige Achtender war heiss begehrt, und bei Ford schnellten die Verkaufszahlen endlich wieder in die Höhe. Vor allem Polizei und Unterwelt wussten die Performance des Ford-V8 sehr zu schätzen. Aber alles half nichts, Chevrolet blieb vorn. War Henry Ford auf der falschen Fährte? Anfang der Vierzigerjahre beugte er sich dem Schicksal und lancierte, als Europa bereits in den Wirren des Zweiten Weltkriegs versank, einen Sechszylindermotor. Nach Kriegsende kam jenseits des Atlantiks die Autoproduktion rasch wieder in Gang, und die Grossen Drei – General Motors, Ford und Chrysler – befassten sich nun auch mit kompakteren, leichteren Autos. Selbst die kleineren US-Hersteller (Frazer, Hudson, Jeep, Kaiser oder Studebaker) laborierten mit vergleichsweise zierlichen Modellen der 4,5-Meter-Klasse, für die hubraumschwache Vierzylindermotoren vorgesehen waren. Weil die US-Autokonjunktur sich aber nicht nur erholte, sondern jetzt richtig Fahrt aufnahm, wurden die kompakten, weitgehend serienreifen Wagen von den «Big Three» kurzerhand verworfen und an ausländische Töchter weitergereicht. So kam Ford France in den Genuss der famosen Vedette V8, GM beglückte die Australier mit der eigenen Marke Holden, und nur Chrysler brachte sein «Kompakt»-Modell auf den US-Markt. Das geschah im Verein mit einer ganzen Palette neuer Autos der Marken DeSoto, Dodge und Plymouth. Geburt des Small Block Als Cadillac-Chefkonstrukteur Ed Cole Anfang 1952 zu Chevrolet wechselte, hatte nicht nur das Chevy-Team gerade einen V8-Motor auf dem Reissbrett, sondern die meisten anderen GM-Divisionen auch. Kein Wunder, schliesslich war der 1949 lancierte Rocket-V8 von Oldsmobile ein Riesenerfolg. Die Luxusmarke Cadillac vertraute gar schon seit 1914 auf acht Zylinder, und in den Dreissigerjahren hatte man auch V12- und sogar V16-Motoren hergestellt – allerdings in homöopathischen Dosen. Als Cole den entstehenden Chevy-Achtzylinder begutachtet hatte, machte er das Motoren-Team darauf aufmerksam, dass die Konstruktion in Richtung Kompaktheit und Fertigungstechnik optimiert werden müsse. Daraufhin entstand ein neuer V8, der kleiner (small) in den Rumpfabmessungen (block) und damit über 20 Kilogramm leichter war als der legendäre Reihensechser «Stovebolt Six», der bei Chevrolet seit Anfang der 30er für Vortrieb sorgte.
Das Resultat präsentierte Chevrolet beziehungsweise General Motors im Herbst 1954 für die extrem attraktiv aussehenden Chevys Jahrgang 1955, die mit hochmodischen Panoramascheiben aufwarteten und schon von weitem an einem grossen Wabengrill à la Ferrari zu erkennen waren. Auch die erst 1953 lancierte Corvette erhielt jetzt den gusseisernen 4,3-Liter-V8, der hier dank höherer Verdichtung, Vierfachvergaser und doppelt geführtem Auspuff über 200 PS (statt 160) zu leisten imstande war. Das Modelljahr 1955 entpuppte sich für GM als wahrer Glücksbringer; über 1,5 Millionen Chevys rollten damals aus den Werkhallen. Ford folgte dichtauf und auch Chrysler vermeldete hohe Verkaufszahlen und -erlöse. Für die drei US-Giganten war die Welt also schwer in Ordnung, nicht aber für die kleineren, tapfer kämpfenden Hudson, Kaiser & Co. Sie mussten nachziehen, ebenfalls V8-Motoren anbieten und das ging ihnen an die Substanz. In den nun folgenden Jahren überbot sich das Detroit-Trio reihum mit höheren Leistungsangaben und es kam zu einem – auch in Europa – viel beachteten PS-Wettrennen. Chevrolet war immer mit vorne dabei, und 1957 trumpfte der leistungsfähigste, auf 4,6 Liter Hubraum vergrösserte V8 mit Benzineinspritzung und fast 290 PS auf. Beim Small-Block-V8, der in Anlehnung an Walt Disneys Micky Maus auch «Mighty Mouse» bzw. «Mouse» genannt wurde, handelte es sich von Anfang an um ein gebrauchstüchtiges, robustes Aggregat, das mit 90 Grad Gabelwinkel, zentraler Nockenwelle, hydraulischen Ventilstösseln und hängenden Ventilen sehr kompakt und vergleichsweise leicht konstruiert worden war. Zudem ist der Small Block bezahlbar und leicht zu tunen gewesen. Für Schwergewichte wie Lastwagen wurde ab Modelljahr 1958 ein noch grösserer V8 in Produktion genommen, dessen Zylinderabstand um über einen Zentimeter (von exakt 111,8 auf 123 Millimeter) erweitert wurde. Dieser Motor und all seine Nachfahren werden als «Big Block V8» bezeichnet. Compact Impact Nicht nur PS-Zahlen und Hubraum waren in diesen exaltierten Spätfünfzigern einem Wachstum unterworfen, sondern auch die Dimensionen und Gewichte der Fahrzeuge: Es war die Blütezeit der Strassenkreuzer mit ihren Heckflossen, die bis 1959 furchterregende Ausmasse annahmen. Gleichzeitig aber meldeten auch einige europäische Hersteller, allen voran Volkswagen mit dem Käfer, Jahr für Jahr steigende Verkaufszahlen – und das mit lumpigen 30 bis 34 PS aus nur 1,2 Liter Hubraum. Detroit wurde aufmerksam auf dieses ärgerliche Krabbeltier, das der Volksmund bald liebevoll «Beetle» nannte. Die US-Entwickler wurden daraufhin angehalten, sich ihrerseits Winter 2011/12 033
Zentrale Nockenwelle, 16 Ventile: Das Konstruktionsprinzip des ersten Small-Block-V8 gilt bis heute
über kleinere Fahrzeuge Gedanken zu machen. In der Folge gab es Anfang der Sechzigerjahre auch vergleichsweise kompakte Baureihen amerikanischer Provenienz, denen viele weitere folgen sollten. Chevrolet hatte gar direkt am Käfer Mass genommen und ein ultraniedriges, niedliches Fahrzeug mit luftgekühltem 2,3-Liter-Sechszylinder-Boxer im Heck kreiert, während Ford (Falcon) und Chrysler (Valiant) konventionell mit vorn installiertem Aggregat und Hinterradantrieb daherkamen. Für Chevy war es übrigens nicht der erste Motor mit Luftkühlung, denn schon 1923 wurde ein solches Triebwerk angeboten, wahlweise zum wassergekühlten. Doch das nur am Rande.
Der aktuelle 6,2-L-V8 nennt sich LS3
Die Camaro-Variante weist eine Zylinderabschaltung auf
034 VECTURA #1
Eine weitere interessante Fussnote zu dieser Ära: Für den kleinsten Buick, der originellerweise «Senior Compact» genannt wurde, hatte GM Anfang der 60er einen Alu-V8 mit 3,5 Liter Hubraum konzipiert und gebaut. US-Kunden war der aber nicht gross genug – und er wurde schon wenige Jahre später samt Produktionsanlagen an Rover in England verhökert. Dort modifizierte man das drehmomentstarke Leichtmetall-Aggregat; es erhielt in den Folgejahren eine Benzineinspritzung und kam bei Land Rover noch bis 2004 zum Einsatz. Auch diverse britische Kleinserienhersteller wie Morgan, MG, Marcos oder TVR griffen dankbar auf das bis fünf Liter Hubraum fassende Aggregat zurück, doch 2006 war endgültig Schluss. Zahlenspiele 1962 wurde der Chevrolet Small Block auf 5,4 L Hubraum vergrössert und im Herbst weiter auf 5,7 Liter – Letzteres für den Camaro, der als Chevrolets Antwort auf den Ford Mustang punkten musste. 5,4 L entsprechen 327 cubic inch, die üblicherweise als ci abgekürzt werden. Der 5.7 ist demnach der legendäre, lange Zeit standardmässig eingesetzte «350-ciV8». Klar, dass der Leistungs-Output stieg und stieg: Der 5,4-V8 lockte 1964 in der Topversion mit 380 PS, während der 5,7-V8 seinen Kulminationspunkt Ende der Sechziger mit weit über 400 PS erreichte. Bei den leistungsfähigsten Motoren waren neben offiziellen PS-Angaben stets auch weit höhere «Custom»-Zahlen in Umlauf, die sich mit vergleichsweise milden Tuningmassnahmen erreichen liessen. 1970 wurde der siamesische «400 ci» (6,6 Liter) eingeführt, dessen Zylinderbohrungen «zusammengewachsen» waren. Als Gebrauchsmotor mit soliden 270 PS konzipiert, leistete er in meist grösseren Fahrzeugen gute Dienste.
bestseller
Der Small Block wurde in Anlehnung an Walt Disney auch «Mighty Mouse» bzw. «Mouse» genannt. Das Aggregat ist längst Kult: Heute können sich CorvetteKäufer ihren V8 im Chevy-Motorenwerk Wixom selbst zusammenbauen
Für die Trans-Am Series des SCCA (Sports Car Club of America) entwickelte GM-Motorenguru Zora Arkus-Duntov einen «302» (4,9-V8) für die damals gültige Formel bis maximal fünf Liter Hubraum. Mit über 290 PS bereits dauerhaft bei Kräften, liessen sich mit speziellen Nockenwellen, Vergasern, Zündungsmodifikationen oder Fächerkrümmern problemlos weitere 25 Prozent Leistung aus dieser Rennmaschine herauskitzeln. Vor gut 40 Jahren gab es also zahlreiche Varianten dieses Small Block, florierte das After-Sales-Geschäft für diesen V8. Und auch der Big Block wurde stufenweise bis auf 7 und später gar 7,4 Liter Hubraum vergrössert – im Renntrimm gaben die grosskolbigen Maschinen weit über 550 PS ab. Doch auf den fulminanten Höhenflug folgte der Absturz: Mitte 1973 schlitterte die Autowelt in ihre erste Ölkrise und Ende der Siebziger gleich ein zweites Mal. Neben den «Big Bangers» waren plötzlich kleinere Autos angesagt, und die kamen damals vornehmlich aus Japan: «Motown» Detroit wurde einmal mehr auf dem linken Fuss erwischt. GM hatte zwar den kleinen Vega mit Vollalu-Vierzylinder im Programm, aus dem andere GM-Marken rasch eigene «Minis» ableiteten, aber das genügte nicht. Bei GM griff man sich deshalb in Good Old Germany den dreitürigen Opel Kadett City, baute einige Zentimeter mehr Radstand ein und machte daraus eine praktische, fünftürige Limousine mit Hinterradantrieb – zu einer Zeit, als Volkswagen gerade den Golf vom Stapel gelassen hatte. Und den Amerikanern gefiel dieser neue Chevrolet Chevette ausgezeichnet, er verkaufte sich also bestens und führte einige Zeit – kaum zu glauben, aber wahr – den Spitzenplatz der US-Zulassungsstatistik an. Gleichzeitig wurde das Ende jenes aufrechten V8 prophezeit, der das «Made in USA» ebenso gut verkörperte wie Coca-Cola oder Blue Jeans. In der Tat machte der einst so sorgenfreie Achtzylinder eine schwere Phase durch, zumal seine Leistungen nicht mehr in Brutto-, sondern in Netto-PS anzugeben waren. Ausserdem führten immer restriktivere Abgasvorschriften beinahe zur Strangulation. Knapp 200 Netto-PS hatten der ehemals stolzen Corvette zu genügen, und der Big Block tauchte von weit über 400 auf 240 bis 270 PS. Der in dieser Not aus der Remise geholte Small Block mit 4,3 Liter Hubraum (262 ci) brachte es gar nur noch auf lächerliche 110 PS.
Totgeglaubte leben bekanntlich länger, und das gilt auch für den Chevy-V8. Neben dem populären 350 ci gab es parallel auch andere, kleinere Varianten mit fünf Liter Hubraum (307 ci, 305 ci). In den Achtzigern war das Leistungstief dann überwunden; dank elektronischer Benzineinspritzung setzte der Small Block trotz Abgaskatalysator wieder Muskeln an. Bei anderen GM-Labeln hielt der ChevyV8 ebenfalls Einzug und ersetzte dort eigene V8-Aggregate. Die konsequente Weiterentwicklung führte mit den Jahren zu etlichen Modifikationen, während die Grössen zwischen 4,8 bzw. 5,3 bis 6,2 Liter variierten. Für die aktuelle Corvette Z06 gibt es sogar einen ausgewachsenen Siebenliter in Alu-Bauweise – weiterhin aber mit zentraler Nockenwelle und exakt demselben Stichmass zwischen den einzelnen Zylindern wie schon 1955! Dieser auch für einige Le-Mans-Siege verantwortliche Small Block wird leistungsmässig von der neuesten 6.2-L-ZR1-Super-Corvette mit beinahe 650 Kompressor-PS deutlich übertroffen. Neben diesen beiden Spitzen-Treibsätzen verrichtet der V8 weiterhin treue Dienste in Pick-ups und SUV. Auch eine 6.0-L-Hybrid-Variante wird angeboten. Bleibt noch zu erwähnen, dass der Chevy-Small-Block im Modelljahr 2012 auch im Retro-Sportwagen Camaro zum Einsatz kommt – und dort auch mit Zylinderabschaltung für noch effizientere Verbräuche. Damit bleibt dieser legendäre Motor selbst nach 100 Millionen Exemplaren voll up-to-date. Zwar verkauft Chevrolet heute mehr Vier- als Achtzylinder. Doch die sportlichen Autos der Marke werden nach wie vor von einem Motor angetrieben, der vor knapp 60 Jahren entwickelt wurde.
Dave McClusky stammt aus White Oak/Ohio und liebt alles, wo Chevrolet draufsteht. Bis zur Pensionierung koordinierte der 64-jährige Einzelhandelskaufmann die Ersatzteil-Logistik eines grossen Chevy-Händlers und hat viel über die Marke geschrieben – allerdings nicht in Büchern, sondern in detaillierten Modellkatalogen.
Winter 2011/12 035
Powerplay RUBRIKEN
Gipfeltreffen Derzeit ruht der Grimselpass, denn die Asphalt-Achterbahn ist von Ende Oktober bis circa Anfang Juni gesperrt. Unser V8-Roadmovie dient also nur einem Zweck – der Vorfreude Text Matthias Pfannmüller · Fotos Ian G.C. White/map
Powerplay
038 VECTURA #1
D
ichter Nebel liegt über dem Grimsel, die Sicht beträgt keine hundert Meter. An diesem herbstlich-kalten Morgen liegt eine Ahnung von Schnee in der Luft. Entsprechend leer ist es auf dem 2164 Meter hohen Pass; die Camper kommen für gewöhnlich erst gegen Mittag. Wer also früh aufsteht, hat die Strasse für sich allein. Erste Sonnenstrahlen brechen durch die Wolkenfetzen, werfen scheinbar göttliche Schlaglichter auf die Strecke. Es ist so weit: Wir besteigen die Autos, starten die Motoren, und schon bebt der Boden, werfen 24 Zylinder einen dumpfen Klangteppich über die Hochebene. Der Grimselpass befindet sich mitten in der Schweiz. Im Norden liegt das Berner Oberland, im Süden das Wallis. Die Bergwelt ist ein traumhaftes Revier für Töff- und Roadsterpiloten, die im Sommer auch den benachbarten Furkapass ansteuern: Auf ihm verläuft die europäische Wasserscheide zwischen Nordsee und Mittelmeer. Weltberühmt wurde die kurvenreiche und stellenweise sehr enge Strecke aber durch die Verfolgungsszenen in «Goldfinger», dem dritten James-Bond-Film aus dem Jahr 1965. Nach Tiefenbach schlängelt sich die Strasse bis nach Andermatt zu Tal, kann man via Sustenpass nach Innertkirchen und Brienz zurückkehren. Die alpine Rundtour ist ein mobiles Erlebnis der Extraklasse und bequem in wenigen Stunden zu schaffen. Wir konzentrieren uns diesmal auf den Grimsel rund um das gleichnamige Hospiz und die beiden Stauseen – hier ist der Asphaltbelag glatter, sind die Strassen breiter und auch besser einsehbar. Schliesslich gilt es, die unterschiedlichen Charaktere unserer Spielmobile kennenzulernen. Denn mit AC Cobra Mark VI, Lucra LC470 und Chevrolet Corvette Grand Sport Convertible haben sich hier drei ganz spezielle Muscle Cars zusammengefunden. Was sie eint, ist die gemeinsame Antriebsquelle (siehe Seite 31 ff.), und so dient uns der schnelle Chevy gewissermassen als Referenzfahrzeug des Motorlieferanten. Zur Abwechslung haben wir einen Sechsstufenautomaten gewählt, der auch per Lenkradtasten bedient werden kann – und beim grössten Schweizer Vette-Händler (www.corvettetotal.ch) natürlich auf das Stoffdach bestanden. Knapp 60 Jahre nach ihrem Debüt gilt die Vette als «phantastic piece of plastic» und einzig ernsthafter Sportwagen der Vereinigten Staaten – ein Anspruch, den die aktuelle Baureihe C6 eindrucksvoll unterstreicht.
Winter 2011/12 039
040 VECTURA #1
Winter 2011/12 041
044 VECTURA #1
Auch Automobilkenner diesseits des Atlantiks schnalzen anerkennend mit der Zunge, denn nirgendwo sonst gibt es mehr «bang for the buck», mehr Power fürs Geld. Und dazu feinste Zutaten wie ein Head-up-Display, Reifendruckkontrolle, Bildschirmnavigation oder Bose-Soundsystem. Wesentlich wilder, aber auch nostalgischer, weil historisch eingekleidet kommt die AC Cobra daher. Ihr Markenlogo weist sie als legitime Nachfolgerin des nunmehr 50-jährigen Originals aus: Hier steht keine der ungezählten Schlangen-Kopien, sondern ein intelligenter Remake, dessen Macher sich des wertvollen Namens bewusst waren. Jürgen Mohr, laut eigener Aussage ein «Autoliebhaber mit Hang zur Technik» und seit über 30 Jahren im Kleinseriengeschäft, unter anderem mit dem Super-Seven-basierten Rush, sicherte sich 2008 die AC-Namensrechte aus England. Und entwickelte den Klassiker von Grund auf neu. Unter anderem wurde die Cobra im Türbereich um fünf Zentimeter verlängert und der Kabinenboden um etwa vier Zentimeter abgesenkt: So ähnlich hatte das 25 Jahre vorher schon der deutsche Tuner Lorenz gemacht, um auch grossgewachsenen Cobra-Fans eine Nutzung zu ermöglichen. Die Neuversion legt jetzt auch in der Breite zu, allerdings nur im Millimeter-Bereich. Ihre Karosserie besteht aus mit Epoxy-Komposite verstärktem Aluminium – das ist teurer, besticht aber mit makellosem Finish. Schöne Details wie dreiteilige Zentralverschlussfelgen im Original-Halibrand-Design runden den positiven Eindruck ab. Die nun Mark VI genannte Neo-Cobra feierte 2010 auf dem Genfer Salon seine Weltpremiere und ist seit wenigen Monaten erhältlich. AC Automotive hat ihren Hauptsitz in Straubenhardt bei
Technische daten lucra lc470 Konzept: Roadster mit Motor hinter der Vorderachse, Hinterradantrieb seitl. Steckscheiben und Softtop. 2 Türen, 2 Sitzplätze, Rohrrahmenchassis, Karosserie aus Kohlefaser/GFK. Servounterstützte Zahnstangenlenkung, Fahrwerk vorne Doppelquerlenker, hinten Mehrlenkerachse, Differenzialsperre Motor: Code LS7. 90°-V8-Motor aus Aluminium, 16 Ventile, zentrale Nockenwelle, Saugrohreinspritzung, Trockensumpfschmierung
Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS/kW @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder vorne hinten Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS
7011 104,8 x 101,6 11,0:1 512/377 @ 6300 637 @ 4800 Fünfgang-Schaltgetriebe 417/178/119 244 154/152 275/35 ZR 18 auf 9,5 J 315/30 ZR 18 auf 11 J 65 210 980 1320 1,9
0 – 100 km/h in Sek. 0 – 200 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h
3,9 11,5 305
Durchschnittsverbrauch in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF
14 k.A. G ca. 150 000.–*
* je nach Spezifikation
Winter 2011/12 045
Technische Daten Chevrolet Corvette (C6) Grand Sport Convertible Konzept: Offener Sportwagen mit Motor hinter der Vorderachse, Hinterradantrieb, Transaxle-Getriebe und elektrischem Softtop. 2 Türen, 2 Sitzplätze, Rohrrahmenchassis, Kunststoffkarosserie. Hydraulische u. geschwindigkeitsabhängige Servolenkung, Fahrwerk vorne/hinten Dreieckquerlenker, Querblattfedern (optional elektromagn. Dämpfungskontrolle), Hochleistungsbremsanlage Motor: Code LS3. 90°-V8-Motor aus Aluminium, 16 Ventile, zentrale Nockenwelle, Saugrohreinspritzung Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS/kW @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder vorne hinten Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS
6162 103,2 x 92 10,7:1 436/321 @ 5900 575 @ 4600 Sechsstufen-Automat 446/185/125 269 158/154 275/35 R 18 auf 9,5 J 325/30 R 19 auf 12 J 68 210–295 1520 1750 3,4
0 – 100 km/h in Sek. 0 – 200 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h
4,4 k.A. 306
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF
13,3 316 G 114 590.–
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus
046 VECTURA #1
Stuttgart, produziert aber im ostdeutschen Heyda bei Dresden. Als Schweizer Cobra-Importeur agiert die in Zug ansässige 4MP AG (www.ac-cars.ch). Das Unternehmen spricht von der «Wiedergeburt einer Legende» und bietet neben dem von uns bewegten Basis-GT auch eine 550 PS starke GTA-Variante an. In den USA gibt es Schlangenbeschwörer, welche die Shelby Cobra als authentisch bezeichnen. Dazu sei gesagt, dass Caroll Shelby die Cobra zwar erfand, dabei aber auf den britischen AC Ace zurückgriff und keinen Herstellerstatus besass. Ein konzeptionell anderes Kaliber ist die Lucra LC470. Obwohl optisch auf Lister Knobbly getrimmt, der in den späten Fünfzigerjahren seinen grossen Auftritt hatte, bietet die LC aktuelle Technik auf, die wie der moderne V8 weitgehend aus dem GM-Regal stammt. Servolenkung, elektrische Türschlösser oder ein Sperrdifferenzial gehören dazu, während die Rückleuchten vom MGA stammen – ganz wie damals schon beim Lister. Gebaut wird die LC – ihr Name steht scherzhaft für «lucrative cars» – in Südkalifornien und unter der Regie von Luke Richards, dem ehemaligen US-Importeur des Charmonix: Genau, das ist der brasilianische Kit-Car-Nachbau des zwischen 1954 und ’57 gebauten Porsche 550 Spyder. Doch Richards war mit der Bausatz-Qualität derart unzufrieden, dass er letztlich beschloss, einen eigenen Roadster zu bauen. Und der durfte auch gerne etwas mehr Leistung haben. Bisher entstanden gut zwei Dutzend Exemplare, und wer mehr über die Retro-Rakete erfahren will, sollte die Website www.lc470.com besuchen. Für ernsthafte Interessenten macht es jedoch mehr Sinn, sich an Michael Oberhauser von MKO im bayerischen Wörth zu wenden (www.mko-v8.de). Denn bis der US-Roadster in der Schweiz zulassungsfähig ist, sind eine
Powerplay
Winter 2011/12 047
© Grimselwelt
Powerplay
Tradition und Moderne Die Einfahrt ist unscheinbar, das Gebäude von der Staumauer aus gar nicht zu sehen: Willkommen im Grimsel Hospiz, dem Flaggschiff der Kraftwerke Oberhasli (www.grimselwelt.ch). Das 1929/30 erbaute und luxuriös ausgestattete Alpinhotel wurde 2009 aufwändig saniert. Dabei hat man den BauhausStil bestimmter Räumlichkeiten erhalten und andere ganz modern gestaltet: Die Lobby mit ihrem spektakulären Weitblick auf das Aaretal ist sehens- und erlebenswert. Es gibt 26 Doppel- und zwei Einzelzimmer; drei Restaurants und der gut sortierte Weinkeller sprechen Gourmets an. Eine Tiefgarage schützt wertvolle Fahrzeuge, das aber nur von Juni bis Oktober! Exklusiv im Hospiz sind winterliche Auszeiten zwischen Dezember und April; die rechzeitige Buchung wird empfohlen.
Winter 2011/12 049
Technische daten AC cobra mARK vi Konzept: Roadster mit Motor hinter der Vorderachse, Hinterradantrieb, seitliche Steckscheiben, Stoffverdeck. 2 Türen, 2 Sitzplätze, Rohrrahmenchassis, Kunststoffkarosserie (karbonverstärkte Alucoat-Glasfaser). Zahnstangenlenkung, elektrisch verstellbare Pedale. Fahrwerk vorne Pushrod, hinten Doppelquerlenker, Sperrdifferenzial, Hochleistungsbremsanlage Motor: Code LS3. 90°-V8-Motor aus Aluminium, 16 Ventile, zentrale Nockenwelle, Saugrohreinspritzung
Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS/kW @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder vorne hinten Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS
6162 103,2 x 92 10,7:1 436/321 @ 5900 575 @ 4600 Sechsgang-Schaltgetriebe 410/181/113 232 140/147 245/45 R 18 auf 8,5 J 295/35 R 18 auf 10,5 J 71 250 990 1280 2,3
0 – 100 km/h in Sek. 0 – 200 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h
3,7 9,8 278
Durchschnittsverbrauch in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab EUR
12,5 k.A. G 116 500.–
050 VECTURA #1
Reihe von Modifikationen erforderlich, die Oberhauser gut kennt und beherrscht. Der Wagen auf diesen Seiten ist der erste Lucra in Europa und gehört Walter Scherrer aus Wallisellen, der das Auto selbst importiert hat. Und von den Schwierigkeiten ein Lied zu singen weiss – bis zur Zulassung vergingen über zwei Jahre. Scherrer gibt aber auch gerne zu, dass der Ärger nach ein paar luftigen Runden wie weggeblasen war. Wir können das nach einigen flott gefahrenen Kilometern gut verstehen. Ist das Einfädeln in den ebenso tiefen wie schmalen Fahrersitzschacht erst einmal gelungen, passt das Auto wie angegossen, stimmen auch Ergonomie und Rundumsicht. Aber Komfort? Fehlanzeige. Hier gibt es nur das Allernötigste. Dafür vibrieren die aufgeschraubten Seitenscheiben (Scherrer hat sich sogar ein Notverdeck schneidern lassen), wird der markante Auspuffton erst vom steigenden Fahrtwind überlagert. Die direkte Lenkung und das knackige Getriebe gewähren ungefilterten Fahrgenuss, und die fein ausbalancierte LC flösst sofort Vertrauen ein. Man muss aber mit ihr umgehen können, denn sie verlangt nach einem kundigen Piloten, der jegliche Phasen automobilen Leichtsinns hinter sich hat. Umsteigen in die als giftig verschrieene «Snake», vor der wir allergrössten Respekt haben. Und die trotz erwähnt verlängertem Cockpit beim ersten Körperkontakt am unbequemsten ist: Die Cobra klemmt an Knie und Ellbogen, ihr Lenkrad steht recht eng vor der Brust, und wer jetzt den Sitz nach hinten schiebt, müsste sehr lange Beine haben, um noch an die Pedale zu kommen. Letztere sind aber elektrisch verstellbar, und schon passt es unten wieder. Die optimierten Sitzschalen bieten viel Seitenhalt; wir finden uns also langsam zurecht und verzeihen der Legende ihre im
Powerplay
Sonnenlicht spiegelnden Instrumente. Erste zaghafte Gasbefehle werden sofort, aber weniger brutal in Bewegung umgesetzt als vermutet. Beeindruckt von den fein dosierbaren Bremsen, steigt das Selbstvertrauen, geht man nach wenigen Minuten viel selbstverständlicher mit dem Auto um. Auf diese Weise «entzaubert», wirft die Schlange ihre störrische Art ab wie eine alte Haut. Ihr Fahrwerk verschmilzt mit meinem Rückgrat; Pedale, Schaltung und Lenkung parieren plötzlich flüssig auf kleinste Bewegungen der Fuss- und Handgelenke. Die Cobra und ich, wir sind jetzt eins. Zügig durch die Kurven wedelnd geht es die Hänge hinauf, untermalt vom kehligen Bellen der Sidepipes. Jeder Gangwechsel gerät zum Tusch, lässt Murmeltiere erstarren, löst erst ein Echo und dann kleine Brocken aus den Felswänden. Ich möchte den Moment festhalten, abspeichern, bewahren, doch die nächste Kehre wartet schon, fühlt sich wieder ganz eigen an und tönt auch anders. Cobra fahren ist ein Fest der Sinne. Ein Rausch. Eine Orgie aus Kraft, Klang, Düften, Bewegung. Aus Dominanz und Unterwerfung. Pilot oder nur noch Passagier? Die Haftungsgrenze der 295er-Hinterreifen markiert den feinen schmalen Grat. Diese Grenze zwischen Hochgefühl und Ohnmacht ist hauchdünn und immer gegenwärtig. Wer eine Cobra respektlos bewegt, hat schon verloren. Ein Fahrer jedoch, der die Strasse lesen und einen Traktionsverlust jederzeit parieren kann, muss den Biss der Schlange nicht fürchten. Sie ist ohnehin stärker, und wenn man das akzeptiert, fährt man am besten. Mann, denn die Cobra – Verzeihung, liebe Damen – ist kein Frauenauto. Sondern vergleichbar mit dem Geräteraum
eines Fitnessstudios: zu brutal, viel zu hart und schwergängig für zarte Arme. Allein das Ein- und Aussteigen über die glühend heissen Auspuffrohre ist brandgefährlich. Welch himmelweiter Unterschied ist dagegen die Corvette, der Luxusliner dieses Trios. Für eine lange Reise würden wir sicher sie nehmen, aber das Auto ist kein weichgespülter Ami-Schlitten. Sondern ein durchtrainierter Hecktriebler, der einem Reiter zuruft: «Tue es! Komm schon, das geht auch schneller!» Und siehe da, es geht schneller, viel schneller sogar! Diverse teils abschaltbare Fahrsysteme halten dabei ihre schützende Hand über die Besatzung, die vor gar nichts mehr Angst haben muss. Einzig die labbrigweichen Rückenlehnen der Sportsitze sind als Schwachpunkt dieses Zweisitzers zu benennen, der ansonsten keinen Vergleich zu scheuen braucht. So viel Komfort hat natürlich seinen Preis: Die Vette ist etwa 500 Kilo schwerer als die handgebauten Leichtgewichte, was freilich nur im direkten Vergleich auffällt – untermotorisiert ist keiner der drei Kandidaten. Doch welchen V8 würde man wählen, gäbe es gar keine anderen Autos? Die Corvette ist der beste Kompromiss von Luxus und Leistung, fahrdynamisch wie preislich. Eine LC ist das richtige Auto für Individualisten, denen Fahrspass vor Originalität oder Verarbeitung geht. Cobra-Fans zeichnen sich durch Qualitätsbewusstsein, ein vollendetes Formgefühl sowie unbedingte Leistungsbereitschaft aus – und sie sollten mit Waffen umgehen können. Nur wir stehen etwas unentschlossen zwischen drei knisternden Traumwagen, können uns diesmal nicht recht entscheiden. Derweil geht unbeeindruckt die Sonne unter. Sie hat ja auch schon alles gesehen.
So sehen glückliche Autofahrer aus: Links Kurt Huber, Chef vom Corvette Sportcar Center in Bonstetten. In der Mitte Peter Kälin, angehender Cobra-Besitzer aus Einsiedeln, und rechts Walter Scherrer, Eigener des einzigen Lucra in der Schweiz
052 VECTURA #1
real watches for real people
Oris RAID 2011 Chronograph Limited Edition Mechanisches Automatik-Werk Chronograph Mehrteiliges Edelstahlgeh채use Limitiert auf 500 St체ck www.oris.ch
CUSTOM CARS
Achtender in Kleinserie Rossi SixtySix
n2a 789
Endora SC-1
F
ür viele Kit-Car- und Kleinserienproduzenten war und ist der Chevy-V8 erste Wahl. Das Triebwerk ist ausgereift, preiswert, einfach zu warten, und Ersatzteile gibt es an jeder Ecke. Kein Wunder also, dass Produzenten wie AC und Lucra auf den Small Block zurückgreifen, zumal er sich auch ganz einfach in mehreren Leistungsstufen konfigurieren lässt. Hubraum-Riesen Auch der Big Block fand einst seinen Weg in Sportmodelle anderer Häuser. In den späten Sechzigern implantierte die Firma Fiberfab aus dem kalifornischen Santa Clara parallel zum Small Block optional einen 465 PS starken ChevroletSiebenliter in Mittelmotor-Bauweise. Das zweisitzige Modell hiess Valkyrie, soll knapp 300 km/h schnell gewesen sein und kostete 12 500 Dollar, was damals viel Geld gewesen ist. Unvergessen auch der italienische, von Giorgetto Giugiaro eingekleidete Iso Grifo (1965–74), welcher ebenfalls mit Chevy-V8-Power und zeitweise bis zu sieben Liter Hubraum unterwegs war. Es hat in den darauf folgenden Dekaden ein paar andere V8Übernahmen gegeben. Doch nun, im 21. Jahrhundert, erlebt der mehrfach totgesagte Motor eine ungeahnte Renaissance, greifen parallel mehrere namhafte Hersteller auf das leistungsstarke Leichtmetall-Aggregat zurück. Warum? Im Gegensatz zu Ford, wo der einst ruhmreiche 4,7-L-V8 langsam, aber sicher zum alten Eisen zählte, hat General Motors seinen Leistungsträger stetig weiterentwickelt und den geltenden Emissionsnormen angepasst. Wer den LS3 je fuhr, weiss, dass der bei entspannter Fahrweise mit weniger als zehn Liter Sprit zufrieden ist. Retro rules An vorderster Front agieren Firmen, die eine aktuelle Corvette nehmen und optisch auf alt trimmen. So offeriert beispielsweise die Rossi Motor Company das Retro-Modell SixtySix im Stil einer Corvette C2 (1962–67). Die Unternehmung
054 VECTURA #1
Fotos: Werk
Spada Codatronca Monza
n2a Motors hat das Modell 789 entwickelt, eine wilde RoadsterKreuzung aus Stilelementen eines 1957er, 1958er und 1959er Chevrolet Impala. n2a steht für «no 2 alike» und baut auch die optisch eigenständigen Vette-Derivate Anteros und Stinger zusammen. Parallel will die deutsche Neugründung Endora-Cars mit dem SC-1 auf Corvette-C6-Basis die Optik «zeitgenössischer Sportwagen aus den sechziger und frühen siebziger Jahren» auf die Strasse bringen: Der SC-1 wird nur auf Bestellung und dann innerhalb neun Monaten gefertigt. Parallel gibt es V8-Anhänger, die ihren eigenen Stil prägen. Zu ihnen gehört der südafrikanische Hersteller Perana, dessen Sportcoupé Z-One auf der Corvette basiert und von niemand Geringerem als Zagato eingekleidet wurde. Auch der italienische Spada Codatronca, entworfen vom einstigen Alfa-Romeo-, Aston-Martin-, BMW-, Lancia- oder Lamborghini-Stylisten Ercole Spada, nutzt die Antriebstechnik des US-Sportwagens, sieht aber ganz anders aus. Wer den Chevrolet-V8 lieber im Rücken hat, wendet sich vielleicht an die deutsche Firma CCG Automotive, deren nur auf Bestellung gefertigtes Leichtbau-Coupé namens Custom-GT wahlweise mit sechs oder sieben Liter Hubraum geordert werden kann. Comeback der Pflaume Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Ford inzwischen mit modernen Triebwerken auf die V8-Bühne zurückgekehrt ist: Die jüngste Evolutionsstufe nennt sich 302, basiert auf dem modularen «Coyote»-V8 mit 2x2 variabel gesteuerten, oben liegenden Nockenwellen, 32 Ventilen und fünf Liter Hubraum. Die auf 444 PS erstarkte LeichtmetallMaschine soll an das gleichnamige Aggregat aus den späten Sechzigerjahren erinnern (neben Ford hatte auch Chevy damals einen 302-ci-Sportmotor) und kommt seit wenigen Monaten im Mustang Boss 302 zum Einsatz. map
www.volkswagen.ch
Rocking the Hybrid. Der Touareg. Der Touareg Hybrid verbindet innovative Technologie mit zeitgemässem Nutzen und wurde erst kürzlich durch das Automagazin OFF ROAD mit dem renommierten OFF ROAD Eco Award 2011 ausgezeichnet. Ausgestattet mit optionalen Technologien wie der dynamischen Fernlichtregulierung “Dynamic Light Assist”, dem Spurhalteassistenten “Lane Assist” oder der Distanzregelung ACC nimmt der neue Touareg seinem Fahrer viele Dinge ab, die das Fahren anstrengend machen können. Schliesslich soll Sie nichts davon ablenken, hinter dem Steuer eines Autos zu sitzen, dessen aussergewöhnlich leistungsstarker und umweltschonender Hybrid*-Antrieb jede Strecke in ein unvergessliches Abenteuer verwandelt. Dank einer Anhängelast von bis zu 3.5 Tonnen können Sie dabei alles mitnehmen, was Ihnen lieb ist.
*Touareg, V6 TSI Hybrid, 333 PS (245 kW) Benzinmotor und 46 PS (34.3 kW) Elektromotor, Treibstoff-Normverbrauch gesamt: 8.2 l/100 km. CO -Ausstoss: 193 g/km. CO -Mit2 2 telwert aller in der Schweiz angebotenen Fahrzeugmodelle: 188 g/km. Energieeffizienz-Kategorie: B. Bereits für Fr. 109’700.–. Abgebildetes Modell inkl. Mehrausstattung für Fr. 113’780.–.
g-force Academy
Der McLaren MP4-12C will als Konkurrent des Ferrari 458 verstanden werden, dabei mehr Komfort und Infotainment bieten. Aber wie fährt sich der Flügeltürer? VECTURA hat ihm bereits die Sporen gegeben Text Matthias Pfannmüller · Fotos Werk
Vertragsh채ndler: In der Schweiz wird der MP4-12C exklusiv 체ber die Schmohl AG in 8152 Glattpark vertrieben. www.schmohl.ch
058 VECTURA #1
Fahrtermin
Winter 2011/12 059
Fahrtermin
D
as Cockpit fühlt sich gut an und geht voll nach vorne, die Handy-Verbindung via Bluetooth soll kinderleicht sein, auch der optionale Meridian-Dolby-Surround-Sound dürfte Massstäbe setzen. Und es gibt diesen 7-Zoll-Touchscreen in der Mittelkonsole: Mit ihm kann man den Verlauf verschiedener Rennstrecken ins Navigationsmenü laden. Oder neue Emails und Musikalben auf die integrierte 40-GB-Festplatte – alles drahtlos per Wifi. Mit so viel Infotainment ist der McLaren MP4-12C das Smart-Phone unter den Mittelmotor-Supersportlern – wenn das Microsoft-basierte Multimedia-System IRIS zur Verfügung steht. Anfang 2012 wird ein Update erwartet, soll das 8080 Franken teure IRIS startklar sein. Das ist versprochen. Wir glauben den Briten. Denn wir sind den Nachfolger des legendären McLaren F1 bereits gefahren, und das Erlebte wirkt nach. So viel vorab: Noch nie wurde ein Sportwagen so analytisch geplant, ging jemand bei Produktion und Fahrzeugabstimmung so akademisch vor. War der dreisitzige F1 von 1993 noch der Geniestreich von Formel-1-Konstrukteur Gordon Murray, ist der 12C die Frucht eines hoch qualifizierten Ingenieurstabs, der unter Einsatz vieler Bits und Bytes nichts dem Zufall überlassen wollte. Und damit ein wegweisendes, weil modulares Superauto geschaffen hat. Mit einer Karbonwanne als zentral-tragendem Element, an dem Fahrwerk und Motor befestigt sind. Diese gewichtsparende Bauweise erlaubt zudem die schnelle Realisierung anderer Modelle, denn der 12C soll erst der Anfang sein. Aber was für einer! Das Auto geht nämlich wie die Pest. Und es steht auf einem elektrohydraulischen Fahrwerk, dessen Dämpfer untereinander Daten austauschen, um die bestmögliche Konfi-
060 VECTURA #1
guration anzubieten. Das tun sie gut, und zwar permanent. Auch die Lenkung arbeitet zielgenau und schnell. Der V8-Motor ist eine McLaren-Konstruktion und klingt satt, ohne dabei zu lärmen. Die Kraftübertragung erfolgt geschmeidig mittels Doppelkupplung. Natürlich gibt es eine Launch Control, und natürlich kann man optional mit Karbon-Keramik verzögern: Aus Tempo 100 steht der 12C dank Luftbremsunterstützung schon nach gut 30 Metern, es darf geklatscht werden. Und weil er gar keine Querstabilisatoren besitzt, rollt der Mac viel gesitteter ab als seine werten Kollegen, die mit ihrer unveränderlichen Härte nur noch eines beweisen: dass sie von gestern sind. Der 12C dagegen ändert je nach Stellung der beiden Drehregler für Fahrwerk und Motor seinen Charakter, kann Boulevard und Boxengasse. Konkurrenten? Gibt es nur zwei. Wer mehr sichtbare Emotion wünscht, muss den Ferrari 458 nehmen. Steht dagegen mehr Traktion bei Höchstgeschwindigkeit im Vordergrund, bleibt der allradgetriebene Lamborghini Gallardo erste Wahl. McLaren spricht zwar davon, ein Drittel der Kundschaft in Zuffenhausen abholen zu wollen, doch der 12C spielt schon preislich in einer ganz anderen, exklusiveren Liga. Um das zu unterstreichen, geht das Auto 2012 auch in der GT3-Meisterschaft an den Start. Sollte es mal Probleme geben, schickt das Auto selbsttätig eine kostenlose SMS ins Werk, werden Flying Doctors aktiv: Mit Telemetrie hat McLaren schliesslich langjährige Formel1-Erfahrung. Nicht weniger hatten wir erwartet. Und schliessen die Flügeltüren mit einer Empfehlung: Wer wissen möchte, wie sich die Zukunft im Sportwagenbau anfühlt, sollte den MP4-12C ausprobiert haben.
Wie heisst du? MP4 steht bei McLaren für alle modernen Karbon-Formelautos seit 1981. «12» ist ein intern definierter Effizienz-Index aus Aerodynamik, Beschleunigung, Top Speed, Verbrauch sowie Abgasen, und 12 ist sehr gut. Das «C» steht letztlich für Carbon, also Kohlefaser. Das klingt alles nüchtern-akademisch, fühlt sich aber sagenhaft an
Technische Daten mclaren mp4-12c Konzept:
Sportcoupé mit Flügeltüren, Mittelmotor und Hinterradantrieb. 2 Türen, 2 Sitzplätze, Karbon-Monocoque (Alu-Hilfsrahmen v./h.), elektrohydraulische Lenkung, Fahrwerk mit elektrohydraulisch verstellbaren Dämpfern, keine Querstabilisatoren, Hochleistungsbremsanlage (wahlweise Keramik-Composite), automatische Luftbremse
Motor: Code M838T, 90°-V-Achtzylinder aus Aluminium, 32 Ventile, 2x2 oben liegende Nockenwellen, Saugrohreinspritzung, zwei Turbolader (parallel), Trockensumpfschmierung 3799 93 x 69,9 8,7:1 600/441 @ 7000 600 @ 3000–7000 Siebenstufen-DKG
Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS/kW @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung
451/191/120 267 166/158 235/35 R 19 auf 8,5 J 305/30 R 20 auf 11 J 72 144 1435 1670 2,4
Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder vorne hinten Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS 0 – 100 km/h in Sek. 0 – 200 km/h in Sek. 0 – 300 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h
3,3 9,1 24,8* 330
Durchschnittsverbrauch** in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF
11,7 279 G 270 000.–
*inofizieller Wert, ** gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus
Winter 2011/12 061
offroad
Legenden
bildung Vor über fünf Jahrzehnten wurde Land Rover mit drei gewagten Expeditionen weltberühmt. Sie prägten das Image eines robusten «Kannalles»-Automobils, welches keine Strapazen scheut. An den Besatzungen gingen die Torturen nicht spurlos vorbei: Fotos vom Aufbruch zeigen junge Studenten. Monate später kehrten sie als Männer zurück Text Michael Bishop · Fotos Ross Charlton, Antony Barrington-Brown, John Moore
S
pektakuläre Fotos moderner Entdecker zeigen oft das Auto, mit dem sie unterwegs sind. Nicht selten ist dieser Wagen ein Land Rover. Die britische Marke ist in schwierigem Gelände erste Wahl und mit dafür verantwortlich, dass sich Allradfahrzeuge in den letzten 60 Jahren international durchsetzen konnten. Bilder von der Camel Trophy oder der späteren G4 Challenge kennt jedes Kind – sie gingen um die Welt. Und wenn ein moderner Defender im Grossstadtdschungel parkt, ist die Botschaft klar: Kerniger kann man kaum unterwegs sein, auch heute nicht.
Winter 2011/12 063
offroad
«Die Oxford-Cambridge-Expeditionen gaben den Ausschlag für mich, bei Land Rover anzufangen.» Roger Crathorne
Die Ursprünge der automobilen Reise- und Abenteuerlust reichen zurück in die späten Vierzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Damals wurde der erste Land Rover vorgestellt – und sofort für viel härter hergenommen als im ursprünglich beabsichtigten landwirtschaftlichen Einsatz vorgesehen. Es zeigte sich, dass Hersteller Rover mit diesem Modell bestens aufgestellt war in einem neuen Commonwealth und Nachkriegs-Europa, das bald keine Materialkürzungen mehr kennen sollte: Die Leute begannen einfach und fast selbstverständlich damit, mit ihrem «Landy» Gegenden zu erkunden, in die zuvor noch kein Auto Spuren gelegt hatte. Zum robusten und vielseitigen Ruf des Wagens gesellte sich in den Fünfzigerjahren eine Popularität, die förmlich nach ausgedehnteren Touren schrie. Viele dieser Exkursionen und Expeditionen, aber auch zahlreiche Reisebücher voll von Mythen und Fernweh begeisterten ein breites Publikum. Das allein machte Land Rover aber noch nicht zum Synonym für Freiheit und Tatendrang. Denn wer sich den Neuwagen nicht leisten konnte – und das war die Mehrheit – griff kurzerhand auf alte Vorkriegsautos zurück und baute diese entsprechend um. Die Geschichte, mit der die Automarke Land Rover endgültig Kult werden sollte, ging auf eine Gruppe Studenten aus Oxford und Cambridge zurück. Die brachen Anfang September 1955 von London Richtung Singapur auf, um die über 19 000 Kilometer lange Strecke erstmals per Auto unter die Räder zu nehmen. Das hatte bis dato noch niemand gewagt, und der ganze Trip sollte 1957 im Tagebuch «First Overland» («Erste Überlandfahrt») von Tim Slessor veröffentlicht werden. Wie seine Gefährten war Tim damals Student, und gemeinsam überschritten sie mit ihrer Reise eine Grenze, auch geografisch. Nicht viele hatten Burma durch-
064 VECTURA #1
quert – ganz zu schweigen davon, dass sie es so schnell wie möglich versucht hätten. Das jugendliche Ungestüm des Teams machte vieles möglich – nicht zuletzt auch die Unterstützung von Land Rover, der BBC und vielen anderen Firmen, die ihre Produkte zur Verfügung stellten, damit sie unterwegs benutzt, ja missbraucht werden würden … Slessors Buch wurde nicht nur ein Riesenerfolg und Bestseller bis weit in die Sechzigerjahre hinein – es verlieh dem einfachen Land Rover den bis dato einmaligen Nimbus eines «echten Abenteurers». Und den eines Vorreiters, der viele Reisende auf der Suche nach einem neuen Lebensgefühl begleiten sollte. Das Museum des BMIHT (British Motor Industry Heritage Trust) in Gaydon beherbergt einen Grossteil des alten Land-RoverWerksarchivs. Und die Sammlung an Fahrzeugen in aller Welt umfasst unzählige Fotos der ersten Land-Rover-Jahrzehnte, eingeschickt von Menschen, die mitteilen wollten, wohin sie gefahren waren – nahezu überall hin. Einige Expeditionen stechen heraus; neben der besagten «First Overland» sind das zum Beispiel die Motor-Reisen der Globetrotter Barbara Toy oder Lawrence van der Post. Es gab in den Fünfzigerjahren aber noch zwei weitere Oxford-Cambridge-Expeditionen, die ihre Besatzungen jeweils nach Afrika und Südamerika führten. Beide Touren (oder sollten wir sagen: Torturen?) gerieten jedoch mit den Jahren in Vergessenheit, wie so viele andere offiziell unbekannte Bilder in den alten Landy-Schachteln des Archivs. Das mag erstaunen, denn eine dieser weniger bekannten Expeditionen hatte noch vor dem Singapur-Trip stattgefunden. Letzterer war in den Medien jedoch viel besser promotet worden, was die einseitige Wahrnehmung erklärt. Auch ich selbst dachte selten an die beiden anderen Reisen – bis zum Frühling 2011.
offroad
Den erinnernden Anstoss gab mein Telefonat mit Steve Kerss, einem bestens informierten «First Overland»-Leser, der auch mit einigen Teammitgliedern bekannt war. Steve und ich kamen einmal mehr auf die Oxford-Cambridge-Reisen zu sprechen, mir fielen die beiden anderen Reisen wieder ein und er fragte zurück, ob ich die Bilder aus den Land-Rover-Kindertagen im Herzen Afrikas oder in den grünen Wäldern Südamerikas gesehen hätte. Das hatte ich, was ihn freute – doch Steve wusste noch mehr zu berichten. Als waschechter Fan besitzt Steve eine Replika des «Cambridge»Land Rover. Dieser parkte zum Waschen vor dem Haus in Bath, als er einmal mehr bewundert wurde – von John Moore, dem Fotografen der 1957er Südamerika-Oxford-und-CambridgeExpedition! John lebt nur einen Steinwurf von Steve entfernt. Umso erstaunter war er, dem historischen Gefährt in der Jetztzeit zu begegnen; das Original ist leider verschollen. Steve erfuhr nun aus erster Hand, dass John nach wie vor das gesamte Material dieser Weltreise besitzt – Fotos, Negative, Filmspulen, umfangreiche Tagebücher, alles. Was für ein Zufall! Steves Begeisterung und Neugier führte nun zu einigen Nachforschungen bei anderen «First Overland»-Enthusiasten sowie unter den
damaligen Teammitgliedern. In einem nächsten Schritt galt es, Ross Charlton zu finden, den Kameramann der 1954er AfrikaTour – der allerersten Oxford-Cambridge-Expedition. Wie John verfügt auch Ross über umfangreiches Material; er verfasste später auch das Manuskript eines bisher unveröffentlichten Buches. Die anderen Expeditions-Teilnehmer wussten natürlich davon – sie alle pflegen bis heute regen Kontakt! Ich war verblüfft von dieser Geschichte, die nun stückweise wieder lebendig wurde. Das galt auch für Roger Crathorne, der bei Land Rover schon seit Jahrzehnten für die technische Kommunikation verantwortlich ist und sich intensiv mit der Markengeschichte beschäftigt. «Die Oxford-Cambridge-Expeditionen gaben den Ausschlag für mich, bei Land Rover anzufangen», sagt er über sich selbst. Auch der Hersteller weiss natürlich um seine einmalige Historie und ist sich der Bedeutung jener FünfzigerjahreAbenteuer für das Markenimage wohl bewusst. Begonnen hat die ganze Saga im Jahr 1952. David Waters, ein junger Oxford-Student, kam damals auf die Idee, in seinen Semesterferien einfach mal von London aus durch Afrika bis nach Kapstadt zu fahren. Und das so schnell wie möglich, um den Geschwindigkeitsrekord zu brechen, der damals bei 21 Tagen lag.
Buzz versucht arabische Strassenschilder zu lesen
Winter 2011/12 065
Voller Einsatz: Starthilfe im weichen Sand Afrikas
Crash in Kamerun: Beim Versuch, einem Truck auszuweichen, kommt der ÂŤOxfordÂť-Landy von der Strasse ab. Repariert wird mit dem Hammer
Wasserbeutel aus Canvas: Erfrischung von der Stossstange
Neue Crew, neue Autos, neue Reise: die Singapur-Expedition 1955/56 bei einer Pause im Norden des Irak
Ein abenteuerlicher Sommernachtstraum, sicherlich – aber alles andere als einfach umzusetzen. Erst die Wette mit Adrian Cowell, einem Kommilitonen aus Cambridge, welche vorsah, beide Universitäten mit je einem Fahrzeug gegeneinander antreten zu lassen, brachte Bewegung in die Sache. Und nach einigen Fehlanläufen gelang es David tatsächlich, eine Mannschaft zu formen. Aus der ursprünglich geplanten Kaffeefahrt wurde schnell eine Expedition über mehr als 40 000 Kilometer, die mit zwei Land Rover in Angriff genommen werden sollte. Das Glück war mit der Truppe, denn Davids Vater hatte Beziehungen zum Land-RoverHändler in Hongkong, welcher die Autos organisierte – allein das ist eine Geschichte für sich. Dazu kamen eine bescheidene Fotoausrüstung und andere Gegenstände, welche die angehenden Weltreisenden von den jeweiligen Herstellern ausleihen konnten. Was bis zur Abreise noch fehlte, war genügend Geld und Treibstoff. Gestartet wurde trotzdem und man sollte sich durchschlagen – mit Spenden und kleineren Honoraren, die es für Zeitungsberichte der Lokalpresse gab – oder von vorab sensibilisierten Automobilclubs im fernen England.
070 VECTURA #1
Die sechsköpfige Truppe musste zudem ihren ganzen Charme und Intellekt aufbringen, um Beziehungen zu knüpfen und alle Einfahrts-Visa für die diversen Transitländer zu erhalten. Buzz Piggot, der einzige Amerikaner des Teams, wurde zum Wortführer bestimmt und war als solcher für die Kontaktaufnahme mit örtlichen Garagen oder Pressestellen verantwortlich, sobald man eine kleinere oder grössere Stadt erreichte. Ross, der Australier, bannte wie gesagt alles auf Celluloid. Don Calman, ein weiterer Australier, schrieb das bereits erwähnte Tagebuch. Gethin Bradley, ein Experte für Langstreckenfahrten und Veteran in Bezug auf afrikanische Abenteuer-Safaris, sowie der Mechaniker Tony Morgan hielten die Landys am Laufen. Die angehenden Entdecker verliessen London frisch rasiert Mitte Juni 1954, durchquerten Frankreich und schifften sich nach Algier ein. Von dort aus ging es zunächst ganz einfach quer durch Nordafrika nach Ägypten, weil die Sahara wegen grosser Hitze unpassierbar war. Tour-Erfinder David musste seine Traumreise frühzeitig abbrechen, weil ihn eine plötzliche schwere Krankheit zum Rückflug in die Heimat zwang.
offroad
Die Wette sah vor, beide Universit채ten mit je einem Fahrzeug gegeneinander antreten zu lassen
Herzklopfen: Bambus-Steg zur Brahmaputra-F채hre in Indien
offroad
Die Route führte unterdessen weiter durch Abessinien: Im Süden wäre der Ausflug fast zu Ende gewesen, denn undurchdringlicher, tiefer Schlamm versperrte den Weg. Glücklicherweise trocknete er gerade rechtzeitig, um eine Weiterfahrt zu ermöglichen. Die Expedition peilte nun Nairobi in Kenia an – durch den Sudan und Eritrea. Oft fand man Strassen zur falschen Jahreszeit vor, was ein Durchkommen erschwerte. Die angepeilte Rekordzeit war längst kein Thema mehr, doch immerhin – von Nairobi konnte auf den mehr als 5600 Kilometern hinab nach Kapstadt eine neue Bestmarke aufgestellt werden. Trotz eines Überschlags des «Cambridge»Land Rovers bewältigten beide Autos die Strecke nonstop in nur viereinhalb Tagen und erreichten im August 1954 das Ziel. Man kam wieder zu sechst, denn Afrika-Experte Hugh Fenwick war in Kenia zugestiegen. Die Rückfahrt durch Rhodesien, den damals noch belgischen Kongo, das Tschadbecken und die Sahara wurde trotz diverser Schwierigkeiten und Unfällen in beeindruckender Geschwindigkeit absolviert, so dass man Anfang Dezember wieder in London eintraf. Braun gebrannt und um viele Erfahrungen reicher, waren aus Buben gestandene Männer geworden, die Entbehrungen in Kauf genommen und etwas geleistet hatten. Man bewunderte sie. Heute scheint die Geschichte unglaublich, gäbe es Ross’ Bilder nicht. Sie haben nicht nur eine aussergewöhnliche Reise, sondern auch die zeitlose Schönheit Afrikas eingefangen. Das Manuskript von Don (es wird Anfang 2012 in Buchform und mit 57-jähriger Verspätung erscheinen) beschreibt die Reiseszenen und Umstände so perfekt, dass man als Leser fast das Gefühl hat, dabei gewesen zu sein. Ebenso beeindruckend war die PR-Arbeit hinter den Kulissen, die Teammitglied Gethin im Anschluss einen Job in der Rover-Öffentlichkeitsarbeit einbrachte. Das wiederum erleichterte die nächste, von mir eingangs erwähnte «First Overland»-Expedition nach Singapur, weil es nach der öffentlich gefeierten Afrika-Exkursion viel mehr Unterstützung gab. Der Rest ist Geschichte.
072 VECTURA #1
Road to Mandalay: Manchmal muss es auch ohne Boot gehen
Winter 2011/12 073
«First Overland»-Kameraden (v.l.n.r.): Tim Slessor, Adrian Cowell, Pat Murphy,Antony Barrington-Brown, Henry Nott und Nigel Newbury nach zehn Monaten Fahrt in der Türkei
S端damerika 1958: T端ckisch ist der Weg in Mato Grosso, Brasilien
076 VECTURA #1
offroad
Winter 2011/12 077
Zeit zum Verschnaufen: einwöchige Amazonas-Flussfahrt nach Belém Camping-Idyll: Sammeln von Pflanzen an den Seeufern Guyanas
078 VECTURA #1
offroad
Eine Woche schwamm der Konvoi den Amazonas und dessen Nebenflüsse bis nach Belém herunter
Die dritte und letzte Oxford-und-Cambridge-Expedition nach Südamerika fand dann 1957/58 statt. Sie war noch professioneller und anspruchsvoller, beinhaltete gar wissenschaftliche Untersuchungen in seinerzeit unerforschten Bereichen. Die königlichbotanischen Kew-Gärten beteiligten sich an dem Reiseprojekt, um in den Besitz einiger nicht katalogisierter Pflanzen für die Sammlung zu gelangen. Ausserdem galt es, eine gross angelegte anthropologische Studie an südamerikanischen Ureinwohnern durchzuführen. Die ersten Kilometer waren gleich die schwierigsten für das nun acht Personen umfassende Team, welches sich diesmal auf drei Fahrzeuge verteilte und von Georgetown an der Küste Britisch-Guayanas Richtung Weideland im Landesinneren fuhr. Die Entscheidung, einen Anfang des 20. Jahrhunderts mitten durch die Wildnis geschlagenen und noch niemals mit Autos befahrenen Viehpfad zu nehmen, erwies sich als äusserst schwierig: Die gut 225 Kilometer lange Strecke nahm drei Wochen Zeit in Anspruch. Anschliessend führte die Route ins Herz Brasiliens nach Manaus, wo der Konvoi auf die Fähre ging, um eine Woche den Amazonas und dessen Nebenflüsse bis nach Belém herunterzuschwimmen. Von dort aus ging es auf eigener Achse an der Ostküste entlang bis nach Rio de Janeiro, um dann Richtung Brasília nach Westen abzubiegen, um die gerade im
Bau befindliche Retorten-Hauptstadt zu sehen. Weiter ging es in das Mato-Grosso-Gebiet und wieder zurück an die Ostküste. Mit-Organisator Adrian Cowell ging dort irgendwo von Bord, weil er die südamerikanischen Völker sehr interessant fand und länger bleiben wollte. Das nächste Ziel hiess Rio Grande, bevor es über die Anden nach Santiago de Chile weiterging, die Westküste hoch nach Lima, Bogotá und Caracas. Er wurde ein bekannter Dokumentarfilmer. Der Rest der Truppe kehrte nach 16 Monaten und insgesamt 58 000 Kilometern zum Ausgangspunkt Georgetown zurück. Um die Leistungen aller drei «First Overland»-Expeditionen zu würdigen, lud Land Rover die Teilnehmer im Herbst 2011 zu einem Wiedersehenstreffen ins Stammwerk Solihull ein. Einige der Herren hatten mehrere der Expeditionen begleitet, und es war eine besondere Ehre für mich, den angeregten Konversationen folgen und Fragen stellen zu können: Keiner der Senioren hat die Ereignisse vergessen! Nicht wenige von ihnen bezeichnen ihre automobile Weltreise gar als prägendsten Abschnitt ihres Lebens. Auch Land-Rover-Enthusiasten dürfen sich freuen und zwar über die Wiederentdeckung eines wichtigen Bestandteils der Markengeschichte.
Michael Bishop stammt aus Melbourne/Australien und lebt in England. Mit Jahrgang 1973 gehört er der zweiten Generation an, die mit den Heldentaten des Land Rover aufwuchs. Das prägt: Michael veröffentlichte Anfang 2011 das Buch «They found our engineer», welches sich mit Arthur Goddard beschäftigt, den lange verschollen geglaubten ersten Land-Rover-Chefingenieur. Der englisch verfasste Titel ist bei AuthorHouse erschienen – und ein Must für jeden Landy-Fan, der schon alles über die Marke zu wissen glaubt.
Winter 2011/12 079
Bewegte Geschichte(n) Die Automobilindustrie gestern, heute und morgen
G
erade mal vor 80 Jahren, im Frühling 1932, erschien ein kleines, privat verlegtes Büchlein mit dem viel sagenden Titel «The World’s Automobiles». Den Inhalt hatte ein britischer Beamter namens Ralph Doyle zusammengetragen, und es war der erste Versuch, eine umfassende Aufstellung aller weltweit existenten Automobilhersteller zu liefern. Das Werk enthielt 2134 Marken, von denen laut Doyle noch 500 existierten. Letztere hatten offenbar mehr Glück gehabt als andere, welche von der Depression dahingerafft worden waren. Doch bei der Lektüre bekommt man eine konkrete Vorstellung davon, wie die Automobilindustrie im Vergleich zu heute aufgestellt war. 1935 listete der französische Autor René Bellu nur noch 179 Hersteller auf, von denen bereits einige sehr kurzatmig agierten und in den folgenden Jahren ebenfalls von der Bildfläche verschwinden sollten. 1939, mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, war Bellus Zählung auf 136 gesunken. Von denen konnten höchstens 60 als ernsthafte Unternehmungen mit einem Produktionsvolumen von über 1000 Einheiten pro Jahr bezeichnet werden. Unter den anderen gab es gleichwohl Marken wie Bugatti, Talbot-Darracq, Aston Martin oder Maybach, die heute zu den grössten Klassikern gezählt werden müssen. Der Hauptgrund für dieses Phänomen ist die Tatsache, dass die Grossen immer grösser und kleine Firmen immer kleiner wurden, bis sie schliesslich verschwanden. Das traf besonders auf die Mittelklasse-Marken in den Vereinigten Staaten zu. Einst geschätzte Fabrikate wie Graham oder Hupmobile standen in direktem Wettbewerb zu den «Big Three» GM, Ford und Chrysler. Sie boten nichts Besseres als die Grossen Drei an, deren Verkaufspreise sie aufgrund ihres Skaleneffekts aber nicht unterbieten konnten. Ausserdem hatten sie ein kleineres Händlernetz. Beide Häuser lösten sich in den 1940ern auf, und nach dem Krieg machten es ihnen sogar grössere unabhängige Hersteller nach. Nash tat sich mit Hudson zusammen, Studebaker mit Packard, doch es geschah ohne langfristige Perspektive. In Frankreich führten politische Faktoren zur Auslöschung aller berühmten Luxusmarken. Hersteller wie Delage, Delahaye, Salmson und Talbot kamen gegen ein Steuersystem, in dem Autos über 15 Steuer-PS ihre Besitzer dreimal so viel kosteten wie Fahrzeuge unterhalb dieser Leistungsgrenze, einfach nicht an. Selbst die Massenproduzenten mussten Federn lassen: Simca, ursprünglich ein in Frankreich gebauter Fiat und in den Sechzigerjahren viertgrösster Hersteller des Landes, wurde zunächst von Chrysler France und dann von Peugeot geschluckt, bevor der Name 1981 komplett unterging. In den vergangenen 40 Jahren ist die Anzahl wichtiger Automarken in einem Masse zurückgegangen, das man sich Anfang der Siebziger nie hätte vorstellen können. In England gingen berühmte Namen wie Austin, Morris, Riley und Wolseley in British Leyland
080 VECTURA #1
auf, die 1986 ihrerseits in Rover-Gruppe umbenannt wurde. Nur der Rover-Name überlebte, übernommen von British Aerospace, und wurde (mit beträchtlichem Profit) 1994 an BMW veräussert. Sechs Jahre später verkauften die Münchener wieder für symbolische zehn Pfund an das Phoenix-Konsortium, das aus einer Gruppe englischer Geschäftsleute bestand. Doch die hatten nur veraltete Konstruktionen anzubieten, hätten aber die Situation vielleicht retten können, wären sie auf ein Fiat-Angebot eingegangen, einen modernen Diesel sowie die Stilo-Plattform zu nutzen. Doch das wurde nicht verfolgt, und 2006 wurde Rover geschlossen. Den vier Vorständen wurde daraufhin vorgeworfen, sich bereichert zu haben, während 6000 Arbeiter ihren Job verloren hatten, und 2011 wurde ihnen untersagt, jemals wieder eine Firma zu leiten. Das einzig gute Ergebnis der Rover-Geschichte war, dass BMW die Mini-Fabrik sowie den Namen behalten hatte, und das hat sich bekanntlich als Riesenerfolg erwiesen. Wie schon erwähnt hatten sich Nash und Hudson in den Vereinigten Staaten zusammengeschlossen und so war 1955 American Motors entstanden. Automobile unter diesem Namen wurden bis 1987 gebaut. Eine kurze Beziehung mit Renault im Jahre 1985 hatte beiden Parteien keinen Gewinn gebracht, und so übernahm Chrysler das Unternehmen – in erster Linie, um sich die lukrative Jeep-Sparte zu sichern. Chrysler wiederum fand nach kritischen Jahren unter dem Fiat-Dach Zuflucht, was jetzt zu seltsamen Kombinationen führt. So will die Fiat-Marke Maserati die Plattform und das Fahrwerk des Jeep Grand Cherokee, der wiederum eine Ableitung des Mercedes-Benz ML ist, für den kommenden Luxus-SUV Kubang nutzen. Als Antriebsquelle wird ein Ferrari-Achtzylinder diskutiert. Die Chrysler-Fiat-Allianz hat unter anderem auch dazu geführt, dass Chrysler-Modelle in Europa mit Lancia-Logo verkauft werden. Diverse andere einst populäre US-Marken mussten rein aus Marketing-Gründen aufgeben. General Motors liess Oldsmobile (den ältesten Namen in der Autoindustrie) 2001 fallen; Pontiac folgte dann 2009. Chrysler stoppte Plymouth 2001, Ford tat 2010 das Gleiche mit Mercury. Interessanterweise – man mag es auch Ironie des Schicksals nennen – war Mercury erst 1938 aus Marketing-Gründen entstanden, um die wahrgenommene Lücke zwischen den Marken Ford und Lincoln zu schliessen. Parallel zum Verschwinden gut bekannter Häuser kam es nicht zuletzt in England zu einer bemerkenswerten Blüte von Kleinserienherstellern. Einige von ihnen, ganz besonders Morgan, sind schon seit langer Zeit im Geschäft, während es andere in kürzester Zeit aus der Hinterhofgarage heraus zu weltweitem Ruhm brachten. Als bestes Beispiel mag hier Lotus gelten, obwohl das Haus heute zu Proton gehört und damit in malaysischer Hand ist. Andere wiederum gingen aus bereits etablierten
Schulterblick
Unternehmungen hervor, die sich auf die Automobilproduktion verlagerten. Lamborghini stellte vor den spektakulären Sportwagen der Sechzigerjahre Traktoren und Kühlaggregate her. Es sind dies erfolgreiche Beispiele, doch muss eingeräumt werden, dass die grosse Mehrheit solcher Mini-Marken schon nach wenigen Jahren in den Geschäftsberichten fehlte – regelmässig wegen zu dünner Kapitaldecke oder schlicht aus Mangel an Erfahrung. Andere florieren gerade durch eine absichtlich begrenzte Verfügbarkeit: Pagani stellt mit einer Kapazität von weniger als 20 Autos sicher, dass die Jahresproduktion schon im Vorfeld ausverkauft ist – trotz Preisen von deutlich über 1,5 Millionen Franken pro Fahrzeug. Aston Martin verfolgt mit dem One-77 die gleiche lukrative Strategie (siehe Seite 10). Gesetzliche Einschränkungen, vorwiegend in Bezug auf Sicherheit, Verbrauch und CO2-Emissionen, machen den Automobilherstellern zunehmend das Leben schwer. Und sie werden das in Zukunft verstärkt tun, ohne dabei Einfluss auf das Produktionsvolumen zu nehmen. Autos sind zwar komplexer und teurer geworden, aber wenn sie in ihren Märkten konkurrenzfähig sind, verkaufen sie sich immer noch. Spritkonsum- und Abgaslimitierungen über die ganze Fahrzeugflotte erlauben es Aston Martin, die hohen Werte grosser V12-Modelle mit dem kleinen, auf dem Toyota iQ basierenden Vierzylindermodell Cygnet zu kompensieren. Um der Legislative eine Nasenlänge voraus zu sein, agieren die Hersteller sehr schnell: Als der frühere Londoner Bürgermeister Ken Livingstone vorschlug, auf alle Autos mit einem CO2Ausstoss von über 225 g/km eine City-Maut von 25 Pfund zu erheben, brachte Porsche ein Einstiegsmodell mit 224 Gramm auf den Markt. Eine Lösung des Abgasproblems liegt im elektrischen Antrieb, sei es per Hybrid oder reiner Batteriekraft. Ersteres ist wohl die bessere Option, obwohl sich Hybridfahrzeuge niemals so günstig herstellen lassen wie Autos mit konventionellem Verbrennungsmotor. Das reine Elektroauto dürfte wahrscheinlich kein ernsthafter Rivale sein, solange sich die Batteriekosten nicht drastisch reduzieren lassen. Um mit dem Diesel konkurrenzieren zu können, müsste der aktuelle Preis von 750 Dollar pro Kilowattstunde bis 2020 um zwei Drittel fallen. Und dann gibt es da immer noch das Problem mit der eingeschränkten Reichweite … Ein Resultat der in Erfüllung politisch bedingter Zwänge ständig steigenden Kosten ist die gemeinsame Nutzung von Plattformen, wobei die Entwicklungsarbeit – auch von Motoren und anderen Komponenten – unter mehreren Herstellern aufgeteilt wird. Folglich führte die Zusammenarbeit zwischen PSA und Toyota zu den Drillingen Citroën C1, Peugeot 107 und Toyota Aygo, die im Grunde vollkommen baugleich sind. Unterdessen wird auch der Volkswagen Up in geringfügig modifizierten Variationen von Skoda, Seat und Audi gespielt. Eine aktuelle Untersuchung der global tätigen Unternehmensberatung Frost & Sullivan hat unterdessen festgestellt, dass die zwölf weltweit wichtigsten Autohersteller derzeit 223 verschiedene Plattformen produzieren. Es könnte demnach auch 223 unterschiedliche Lenksäulen innerhalb dieser Unternehmungen geben. F & S prognostiziert eine Reduktion auf 154 Plattformen bis zum Ende dieses Jahrzehnts. Ausserdem glaubt man, dass Daimler, Fiat-Chrysler und Volkswagen für 95 Prozent ihrer Modelle dann mit jeweils drei Plattformen auskommen werden. Solche Kooperationen verheissen für mittelgrosse Hersteller nichts Gutes: Saab ist aktuell in grossen
Schwierigkeiten, während Mazda seit der teilweisen Trennung von Ford und mit nur 1,2 Millionen Autos pro Jahr Mühe haben dürfte zu überleben. Der weltweite Einfluss der asiatischen Fabrikate kann nicht überschätzt werden, obwohl die Spitze gerade erreicht sein könnte. Japanische Firmen, besonders Honda, Nissan und Toyota, haben eigene Werke in den USA, England und anderswo errichtet, und längst stellen sie den Löwenanteil der in England produzierten Pw. Der chinesische Automobilausstoss hob in den letzten Jahren regelrecht ab und könnte in zehn Jahren der weltweit grösste sein, doch noch ist nicht klar, ob er eine Bedrohung für europäische oder nordamerikanische Märkte darstellen wird. Bisher wurde so gut wie kein chinesischer Personenwagen in Europa verkauft, und es fällt auf, dass Käufer in China selbst Fremdmarken wie Buick, Peugeot und Volkswagen den heimischen Angeboten vorziehen. Wo könnten die nächsten Expansionsmärkte liegen? Russland, Indien, Pakistan, Südkorea, Türkei und Vietnam sind bereits alle genannt worden. «Vielleicht geht uns dabei der Planet aus», wie es «Autocar»-Redaktor Hilton Holloway scherzhaft ausdrückt. Zwei relevante Fragen bleiben: Macht individuelle Fortbewegung überhaupt noch Sinn und – macht sie noch Spass? Die Frage muss in beiden Fällen mit Ja beantwortet werden: Es gibt kein anderes Verkehrsmittel, das es mit dem Komfort und der Vielseitigkeit eines Privatwagens aufnehmen kann. Kinder zur Schule und später zu einer Geburtstagsparty fahren, die Katze zum Tierarzt bringen, die Schwiegermutter zur Untersuchung und anschliessend den Wocheneinkauf tätigen – Einsätze wohlgemerkt, die in urbanen Gebieten stattfinden, während der öffentlich-städtische Verkehr nach Meinung einiger Leute angeblich ausreicht. Bezüglich Spassfaktor habe ich abschliessend Steve Cropley konsultiert, den Chefredaktor von «Autocar»: «Wir werden uns wohl von der Vorstellung verabschieden müssen, mit hoher Geschwindigkeit über einsame Landstrassen zu knallen, doch auch weiterhin werden vom Fahrer im Umgang mit der Maschine einige Fertigkeiten gefragt sein. Dabei wird er Erlebnisse haben, die das Auto auch in Zukunft attraktiv halten und, ja, Spass machen werden. Bezüglich der Zukunft bin ich optimistisch, solange wir alle uns darauf einlassen, mehr Wandel zu akzeptieren.»
Nick Georgano, 1932 in London geboren, wurde in den Fünfzigerjahren ein enger Vertrauter von Ralph Doyle. Ihre Freundschaft führte 1968 zu Georganos erstem, besonders ehrgeizigen Titel «The Complete Encyclopædia of Motorcars», dem 30 weitere Bücher über Automobile und Lastkraftwagen folgen sollten. Das umfangreichste ist zweifellos die «The Beaulieu Encyclopædia of the Automobile», die im Jahr 2000 erschien und auf 1791 Seiten ganze 6871 Hersteller mit ihren Fahrzeugen und wichtigsten Protagonisten vorstellt.
Winter 2011/12 081