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[ lat.: das Fahren]
#17 | Winter 2015/16
Airstream-tauglich RANGE ROVER SPORT
SPANNENDE PLÄNE // VOLVO 2020 VORBILD NATUR // BIONIK EROBERT DAS AUTO ALLESKÖNNER // SUBARU LEVORG MOTORMENSCHEN // COLANI / SCHREYER
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DAS MOTION-MAGAZIN AUS DER SCHWEIZ
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EDITORIAL
Matthias Pfannmüller, Chefredaktor
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CAMPING
EDITION
Als zuletzt knapp 40 000 Besucher nach Bern reisten, um den national grössten Caravan-Salon zu besuchen, sagte das vor allem eines aus: Mobiles Wohnen boomt. Die Branche freut sich über eine konstant hohe Nachfrage, die sich in den letzten Jahrzehnten klar vom Wohnanhänger in Richtung Reisemobil verschoben hat. Grundsätzlich erlebt jeder, der sich auf Caravan- und WohnmobilSalons aufhält, etwas Besonderes. Nicht nur, dass dort eine freizeitliche Ferienstimmung herrscht. Mehr noch: Das Auto als solches wird wieder zu dem, was es eigentlich ist – ein Transportvehikel zur Distanzbewältigung. Götzenartige Verehrungs riten, wie sie sonst auf Automobilanlässen zu beobachten sind, finden erfrischenderweise nicht statt, denn der Wagen und sein Motor sind hier höchstens Nebensache: Es geht primär um das, was das Fahrgestell mit sich herumträgt, es geht um die bewegliche Zweitwohnung. Wie sollte man auch einem Nutzfahrzeug wie dem Fiat Ducato, der von der Camping-Branche aktuell favorisierten Basis mit über 70 Prozent Marktanteil, gar fahrdynamische, stilistische oder sonst welche Reize abgewinnen? Kaufentscheidend ist eher die Tatsache, dass Fiat einen eigenen, sehr professionellen Servicedienst etabliert hat, während die grossen Automobilclubs beim Thema Reisemobil lieber abwinken. Im Umfeld von Vorzelten, Gaskochern und Klapptischen bleibt Egozentrik ganz automatisch aussen vor. Salon-Besucher sind hier mal keine Individuen mit starkem Hang zur Selbstinszenierung, sondern meist gesellige Gemütsmenschen, die entsprechend gerne in Grüppchen auftreten und plauschen: Camping steht synonym für Geselligkeit, es ist eine Angelegenheit für die ganze Familie. Pragmatismus ist also angesagt, eine gute Vorbereitung ist die halbe (Wohnmobil-) Miete. Oder wussten Sie, dass man in Frank reich mit einem bis zu 3,5 Tonnen schweren Caravan im Schlepptau 130 Sachen schnell fahren darf, während andere Länder wie Italien nur Tempo 80 erlauben? Es ist so; nur bei Nässe muss man bei unseren westlichen Nachbarn unter 110 bleiben, was fast einer Aufforderung zum Rasen gleichkommt … Es sind Geschichten wie diese, nicht selten verbunden mit Reise anekdoten, welche an normalen Automobilisten völlig vorbeigehen. Nicht wenige von ihnen wünschen sich, dass es auch so bleibt: Camping ist entweder-oder, kein vielleicht – man liebt oder hasst es, und das ist auch okay. Schade nur, wenn die ablehnende Haltung auf verstaubten Stereotypen fusst und den Selbstversuch ausgelassen hat. Letzterer könnte die Meinung bestärken, wir wissen aber auch vom Gegenteil. Und meinen uns selbst.
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INHALT #17
EDITORIAL
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NEU DEFINIERT Hersteller Volvo schärft sein Markenprofil und bereitet die automobile Zukunft vor – mit teils ungewöhnlichen Massnahmen
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AUF DER PIRSCH Mit dem F-Pace folgt Jaguar einer abwegigen Fährte. Und verspricht sich viel davon
018
ALLSEITS BEKÖMMLICHE REZEPTUR Subaru bringt den fünftürigen Levorg und der überrascht mit seiner Vielseitigkeit
026
TITELSTORY Im Winter mit Caravan-Gespann zum Polarkreis – das wollten wir immer schon mal machen!
032
DIE GLORREICHEN SIEBEN Mit diesen Allradmodellen lässt sich alles abschleppen – nun ja, fast alles
ZIMMER MIT AUSSICHT Eine erfrischende Kombination aus Campen und Baden heisst Sealander
090
EINHAKEN UND ABFAHREN Wie vielfältig sich das Caravan-Angebot gibt, zeigen diese populären Beispiele
092
UNTERSCHIEDLICH ÄHNLICH Die US-Camper-Kultur tickt anders als die unsere, fühlt sich aber ebenso gut an
098
KAPITALANLAGE Über 50 000 Käufer können kaum irren: Der VW California ist so praktisch wie wertstabil
102
GEBRAUCHSANWEISUNG Christoph Hostettler erklärt die Branche
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044
FLACHLAND VORAUS Erstmals mit Motorhome unterwegs, wollen wir zum Meer – und nehmen das Hymermobil
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HAPPY MOTORHOMING! Rund 100 Jahre nach Erfindung der Fahrzeuggattung erklären wir, warum Wohnmobilismus eine ur-menschliche Form der Bewegung ist
048
WELTKULTURBEUTELERBE Im süddeutschen Bad Waldsee steht ein sehenswertes Museum für mobiles Wohnen
126
052
GOLDSTÜCK Bei Campern setzt Franz Blaser auf Ford
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HOTEL DRINGEND GESUCHT Wolfgang Peters ist auch ohne Camping glücklich
054
PERSÖNLICHE MOMENTE Als Designer hat Peter Schreyer Automobilgeschichte geschrieben. Dass er auch malt, wissen nur wenige
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KOFFERRAUM ODER SUITE Wohnen auf vier Rädern, low-budget bis feudal SCHWITZEN WIE DIE EIDECHSEN Das Zauberwort für mehr Effizienz heisst Bionik und kommt immer öfter zur Anwendung
062 FRANZÖSISCHE IKONEN Unsere Nachbarn haben das Automobil mitgeprägt. Teil 2 führt bis ins 19. Jahrhundert
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PROVOKANTE FORMEN Aerodynamik war für Luigi Colani stets Mission. Muss man nicht mögen, ist aber interessant
072 ANDERE SPIELEN GOLF Der Peugeot 308 GTi will sich von VW und Co. abheben. Wir schauen, ob es ihm gelingt
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HIGH-END-MOBILITY Im Elemment Palazzo zeigt sich, was möglich wäre
080 DRIVE & DRINK Im Wohnmobil zum Winzer – das passt
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HORIZONT-ERWEITERUNG Der Smart Fortwo steht auffallend oft in der Nähe von WoMos
084 IMPRESSUM
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CAMPING EDITION
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AUTO 2020 VOLVO HAT BEKANNTLICH DEN RUF, BESONDERS SICHERE AUTOMOBILE ZU BAUEN, UND ES GIBT KEINEN GRUND, ETWAS ANDERES ZU BEHAUPTEN. MIT DER EINFÜHRUNG DER NEUEN SPA- UND CMA-PLATT FORMEN TRITT DAS BESTREBEN NUN IN EINE NEUE PHASE EIN. DIE STICHWÖRTER LAUTEN DABEI «AUTONOMES FAHREN» UND VOR ALLEM «VERNETZUNG». SIND AUTOFAHRER VON MORGEN ALSO IN WATTE GEPACKTE, ÜBERWACHTE UND ENTMÜNDIGTE PASSAGIERE? KEINESWEGS, WIE UNSER ÜBERBLICK AUF KOMMENDE FUNKTIONEN AUS GÖTEBORG ZEIGT Text Stefan Fritschi · Illustration Werk · Fotos Lars Ardarve, sfr, Werk
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WENN SICHERHEIT BERECHENBAR WIRD Unfallvermeidung ist inzwischen auch eine digitale Wissenschaft: Forscher setzen auf eine ebenso aufwendige wie umfangreiche Datenerfassung und den Austausch von Informationen
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ls in den 1960er- und 70er-Jahren von fast allen namhaften Automobilherstellern sogenannte Safety Research Vehicles präsentiert wurden, erschauderten Ästheten: Unförmige schwarze Kunststofffronten und Signallackierung aussen, Gummizellen innen – diese Autos waren nicht mehr zum Fahren, sondern zum Verunfallen gebaut und sahen entsprechend aus. Sollte das die Zukunft des Automobils sein? Es kam zum Glück ganz anders, zumindest teilweise. Denn die Gesetzgeber in den USA folgten damals der heute überholten Meinung, dass die Karosserie bis zu einer bestimmten Geschwindigkeit nicht beschädigt werden dürfe. Dies führte nicht nur zu klobigen Stossfängern, sondern auch zu «Opferteilen», die per Definition nicht zur Karosserie gehörten und leicht ersetzt werden konnten. Diese USVorschriften dürften mit dazu geführt haben, dass amerikanische Autos sich im Export noch schwerer taten. Die letzten Jahrzehnte brachten dann enorme Fortschritte bei der aktiven Sicherheit, die einen Unfall verhindern soll, und auch bei der passiven, welche hilft, die Folgen einer Kollision zu minimieren. Die Ergebnisse sind beeindruckend; derartige Technologien haben trotz steigendem Verkehrsaufkommen tatsächlich die Anzahl der Toten und Verletzten sinken lassen – zumindest in den Ländern mit einigermassen modernem Fuhrpark und entsprechender Verkehrsinfrastruktur. Trotzdem ist jeder Verletzte oder Tote immer noch einer zu viel. Die Hersteller stehen im Wettlauf mit der Zeit, um dem Gesetzgeber den Wind aus den Segeln zu nehmen. Tempolimits, Radarüberwachung und Verbote sind die unkreativen Antworten der Politik, die sich die erzielten Fortschritte der letzten Zeit gerne auf die eigenen Fahnen schreibt. Gefragt ist Kreativität seitens der Autoindustrie. Wenn es um Fahrzeugsicherheit geht, steht Volvo in vorderster Front. Die 2009 erstmals formulierte Vision lautet, dass 2020 kein Mensch mehr durch einen Volvo getötet wird. Sicherheitsforschung ist bei den Schweden ein alter Hut und die Liste der Massnahmen, die sie bisher in die Serie eingebracht haben, ist lang. Sicherheitsfahrgastzellen, Sicherheitsgurte, Überrollschutz oder Seitenaufprallschutz waren bei Volvo schon früh eine Selbstverständlichkeit. Das Thema muss intern und bei den Zulieferern nicht mehr erklärt oder gar gerechtfertigt werden. Weil das Unternehmen aber eine vergleichsweise kleine Firma mit geringen Kapazitäten ist, muss die Arbeit umso zielgerichteter sein. Fahrzeugsicherheit darf andere Entwicklungsarbeiten weder behindern noch bremsen. Präzise Vorgaben dazu kommen meistens von Jan Ivarsson, einem der «Sicherheitspäpste» bei Volvo. Besonders stolz ist er auf das vor 15 Jahren in Torslanda eröffnete Testzentrum, wo Fahrzeuge nicht nur auf einer, sondern gleich zwei Testbahnen zusammenstossen können. Und zwar im Winkel von 0 bis 90 Grad. Dazu lässt sich ein Gebäudeflügel verschieben. Felsformationen, Bäume, Leitplanken jeglicher Bauart oder andere mögliche Hindernisse inklusive künstlichem Elch stehen als Aufprallobjekte zur Verfügung. Die Kontrahenten treffen sich auf einem dicken Glasboden, der das Geschehen von allen Seiten – eben auch von unten – mit Hochleistungskameras und Scheinwerfern festhält. Auf einer Aussenanlage können Autos 010 VECTURA #17
über abschüssige Strassen oder Gräben geschickt und Unfälle in freier Natur simuliert werden. Am wichtigsten aber ist es, Unfälle überhaupt gar nicht erst entstehen zu lassen. Ivarsson hat deshalb über hundert Autofahrer rund anderthalb Jahre lang gefilmt, um zu prüfen, wie sie in alltäglichen Verkehrssituationen reagieren. Kameras hielten dabei alle Verkehrsszenerien genauso fest wie Körperhaltung oder Augenstellung der freiwilligen Probanden. Eine mitlaufende Uhr mass die Reaktionszeiten. Die Erkenntnisse fliessen in die Entwicklung von Assistenzsystemen genauso ein wie in die Prototypen der ersten selbstfahrenden Autos. Auf die Frage, ob denn in der Testzeit auch Havarien registriert wurden, schmunzelt Ivarsson: «Ja, den ersten aufgezeichneten Unfall habe ich selbst gebaut …» Es war dann nur eine leichte Auffahrkollision mit geringem Sachschaden. Der Crash eines weiteren Probanden lief ebenfalls noch glimpflich ab: Im Film fährt der Mann nichtsahnend seines Weges, als es plötzlich rummst. Ein entgegenkommender Linksabbieger hatte seine Schnauze bereits in der Gegenfahrbahn, ohne dass der Fahrer darauf reagierte. Warum hatte er ihn übersehen? Die Analyse zeigt, dass die Sonne sehr tief stand, das gegnerische Auto also im Gegenlicht verschwand. Was aber noch gravierender war: Die Augen des Fahrers konzentrierten sich gerade auf mögliche Gefahrenquellen auf der rechten Strassenseite und so blieb der linke Verkehrsbereich für kurze Zeit unbeobachtet. Die Volvo-Ingenieure entwickelten daraus ein Anti-Kollisions-System, welches Radar- und Lasertechnologie nutzt, um die Strasse im Voraus abzuscannen und potenzielle Gefahren zu entdecken, ohne sich dabei ablenken oder durch Gegenlicht beeinflussen zu lassen. Der erweiterte Bremsassistent erkennt beispielsweise auch durch ein vorausfahrendes Auto verdeckte Fahrzeuge, Menschen, Fahrräder – und auch Elche, Rentiere, Rehe, Wildschweine sowie demnächst die für australische Autofahrer so gefährlichen Känguruhs. Doch solche Systeme sind wenig effizient, wenn sie nur für das eigene Auto mitdenken. Viel wichtiger ist deshalb, dass sich Verkehrsteilnehmer miteinander «unterhalten». Genau hier kommt der wohl wichtigste Faktor aller kommenden Entwicklungen ins Gespräch: Connectivity, also die Vernetzung verschiedener Autos. Denn nur wenn sich Fahrzeuge via Satellit oder auch im direkten Datenaustausch gegenseitig ihre Absichten kundtun, können Systeme selbsttätig reagieren und potenziell gefährliche Fahrmanöver schon im Vorfeld verhindern. Schliesslich muss ein Unfall auch nicht um jeden Preis vermieden werden, wenn ein Ausweichmanöver grössere Gefahren birgt als eine abgeschwächte Kollision. Die Entscheidung treffen Mikroprozessoren in Zehntelsekunden viel zuverlässiger als jeder noch so erfahrene Lenker. Für eine möglichst hohe Erfolgsrate ist es erforderlich, schwächere Verkehrsteilnehmer miteinzubeziehen. Ein Forschungsteam entwickelte deshalb einen Fahrradhelm, der den Velofahrer vor einem herannahenden Fahrzeug warnt. Und auch die Entwicklung der einzelnen Verkehrswege muss in Zukunft dahin gehen, sie zu entflechten, damit möglichst wenig Berührungspunkte entstehen. Also separate Fahrradwege, Über- und Unterführungen sowie Kreisel statt Kreuzungen. Das Auto selbst ist somit nur Teil ganzheitlicher Überlegungen, wenn auch ein wichtiger. Doch falls die Strategie greift, kann die Anzahl von Airbags oder anderer passiver Systeme wieder reduziert werden, Fussgängerschutzmassnahmen werden überflüssig, Autos wieder leichter und eleganter. Das sind doch tolle Aussichten!
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Für eine möglichst hohe Erfolgsrate ist es erforderlich, schwächere Verkehrsteilnehmer miteinzubeziehen
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FÄHRST DU NOCH ODER LIEST DU SCHON? Autonome Autos benötigen eine ganz neue mentale Einstellung. Das zeigt die Mitfahrt in einem selbstlenkenden Volvo V60 – und zwar nicht auf einem abgesperrten Testgelände, sondern auf den öffentlichen Strassen in und um Göteborg
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ieser V60 unterscheidet sich nur durch ein paar folierte Schriftzüge vom Serienauto – zumindest äusserlich. Innen sind hier und da noch handgefertigte Prototypenteile und Kabelsalat zu entdecken, während der Laderaum durch die ganze Regelelektronik in Beschlag genommen wird. «Dieses Auto ist noch in Erprobung und wird ständig weiterentwickelt. Seine Elektronik macht sich später ganz klein», erklärt Peter Harda, einer der leitenden Ingenieure im 2013 gestarteten «Drive-Me»Projekt. Dessen nächstes Ziel ist es, 100 autonom fahrende Exemplare des V60-Nachfolgers im Jahr 2017 an Kunden auszuliefern. In zehn Jahren dürften autonom fahrende Autos (siehe VECTURA #5) dann optional bestellbar sein. Die Technologie ist keine Spielerei, sondern wird für zukünftige Automobilisten weitreichende Konsequenzen haben. Autonomes Fahren macht nur dort wirklich Sinn, wo das menschliche Lenken ohnehin keinen Spass mehr bringt – im Stop-andgo überfüllter Städte zum Beispiel oder auf langweiligen Autobahnabschnitten, die wegen ihres hohen Verkehrsaufkommens gerade keine freie selbstbestimmte Fahrt ermöglichen. In solchen Bereichen kann ein selbstfahrendes Auto Unfälle vermeiden und dabei fliessender fahren, als es der emotionale Mensch tut. Der 012 VECTURA #17
hat im Gegenzug nun Zeit, sich zu erholen, E-Mails zu schreiben, zu telefonieren oder Zeitung zu lesen. Denkbar ist dadurch auch die Erhöhung der Fahrspuren auf gleichem Raum, also eine Verschmälerung derselben, weil autonom fahrende Fahrzeuge wesentlich präziser lenken als Menschen. Es könnte dann auch enger parkiert werden, weil Passagiere schon vorher aussteigen und platzraubendes Türöffnen entfällt – das Auto sucht sich
Entscheidungen trifft das Auto in Millisekunden – schneller, sicherer und zuverlässiger, als ein Mensch es je kann selbst eine passende Lücke. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis das Auto so weit ist, seine Passagiere zum Beispiel vor dem Theater aussteigen zu lassen, selber ein Parkhaus zu suchen und pünktlich zum letzten Vorhang wieder vor der Tür zu stehen. Auch eine Waschanlage oder die Werkstatt wird das autonome Auto irgendwann selber aufsuchen können, aber das ist laut Harda wirklich noch Zukunftsmusik. Aktuell ist die Welt noch einfacher. Das «Drive-Me»-Projekt wird erstmals autonom fahrende Fahrzeuge für Kunden in der Praxis erlebbar machen. Universitäten, Wissenschafter und Zulieferer sind genauso beteiligt wie Juristen, Versicherungen oder das Verkehrsministerium. Denn es handelt sich offensichtlich um weit mehr als ein neues Komfort-Feature. Hier wird eine
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Grenze überschritten. Denn während bei Assistenzsystemen immer noch der Fahrer die Verantwortung innehat, wird diese beim autonom fahrenden Auto an die Regeltechnik abgegeben. Das ist ein gewaltiger Schritt mit noch nicht absehbaren Konsequenzen, beispielsweise was die Haftpflicht im Falle einer Fehlfunktion anbetrifft. Das Fahrzeug muss somit imstande sein, alle möglichen Fahrsituationen zu beherrschen, und im Falle eines Falles selbständig am Strassenrand parkieren, wenn die Technik an ihre Grenzen kommen oder gar ausfallen sollte. Während ein passiver Fahrer Kaffee trinkt oder telefoniert, hat er nicht die Möglichkeit, kurzfristig einzugreifen. Harda denkt aber, dass die Technologie sich im Laufe der Zeit so weit entwickelt haben wird, dass die Fehlerquelle kleiner ist als bei einem Fahrer aus Fleisch und Blut. Autonom fahrende Fahrzeuge werden weniger bis keine Unfälle verursachen. In vielen Ländern will vorher die Gesetzgebung für die Zulassung geändert werden. Doch was passiert bei Netzausfall oder im Funkloch? Wie sehen die Back-up-Systeme aus? Da steht noch viel Klärungs- und Überzeugungsarbeit ins Haus. Der V60 wartet. Unser Exemplar kann auf kreuzungsfreien Stras sen in Eigenregie fahren, aus einer Haltebucht auf die belebte Strasse einbiegen kann es hingegen nicht. Andere der rund ein Dutzend Prototypen sind schon weiter und können nicht nur das, sondern auch selbständig Spuren wechseln. Unser Auto wird also ganz normal auf die Ringstrasse gelenkt. Erst dann hält Harda zwei Tasten auf dem Lenkrad gleichzeitig über einige Sekunden gedrückt – und lässt los, steigt parallel vom Gas- und Bremspedal. Die Kameras haben die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h genauso erfasst wie Asphaltmarkierungen und alle Fahrzeuge in der Umgebung. Erstaunlich ist, wie sauber der Volvo die Spur hält. Als ein langsam fahrender Lastwagen auftaucht, bremst unser V60 automatisch ab. Normalerweise würde der Kombi jetzt selbständig blinken und auf eine schnellere Spur wechseln, aber unser Exemplar kann das wie gesagt noch nicht. Harda wechselt die Spur also selbst, dann übernimmt das Auto automatisch. Andere autofahrende Göteborger ignorieren auf der autobahnähnlichen Strecke allerdings das als viel zu niedrig empfundene Tempolimit und bremsen nur bei den angekündigten Blitzgeräten kurz ab. Der autonome Volvo hingegen muss sich sklavisch daran halten – so sind wir das langsamste Auto weit und breit. Wer allerdings nicht selber fährt und anderweitig beschäftigt ist, stört sich nicht an der Schleicherei, im Gegenteil: Man ist jetzt stressfrei unterwegs und womöglich froh, noch etwas mehr Zeit für wichtigere Dinge zu haben. Per Tastendruck übernimmt der Fahrer bedarfsweise wieder die alleinige Verantwortung. Er wird auch in Zukunft selber lenken wollen, wenn es ihm Spass macht. Abgesehen davon ist das System noch nicht auf mit Eis und Schnee bedeckte Oberflächen ausgelegt; der Volvo fährt nur auf schwarzgeräumten Strassen. Die Mechanik des Autos selber wird sich nicht gross ändern, denn schon heute sind Gas, Bremse, Automatikschaltung und Lenkung elektrifiziert, sind Laserscanner, Radar und Kameras an Bord. Die Elektronik gleicht diese Informationen mit sehr detaillierten Karten ab, die im Laufe des Projekts ebenfalls noch zu erstellen sind. Es sind unglaubliche Datenmengen, die auch korrekt interpretiert werden wollen. Dann folgt die Entscheidung in Millisekunden. Und das – wir erwähnten es schon – schneller, sicherer und zuverlässiger, als es ein Mensch je kann. Falls der jedoch genug hat, schaltet er das System einfach ab. Und diese Möglichkeit dürfte passionierte Autofahrer ungemein beruhigen. WINTER 2015/16 013
ELEKTRIFIZIERUNG IN ALLEN KLASSEN Unglaublich, aber wahr: 2019 wird der neue XC90 das älteste Auto im Volvo-Portfolio sein, denn bis dahin stehen alle anderen Baureihen auf den SPA- und CMA-Plattformen. Neben Verbrennungsmotoren sind Mild- und Plug-inHybride sowie Elektromodelle fest eingeplant. Vor diesem Hintergrund ist die Probefahrt im XC90 T8 Twin Engine sehr vielversprechend
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ie neuen Volvo-Generationen der 40er-, 60er- und 90erSerien kommen in den nächsten vier Jahren auf den Markt; sie alle stehen dann auf den markeneigenen, gemeinsamen Plattformen SPA (Scalable Product Architecture) und CMA (Compact Modular Architecture). Beide sind schon auf dem Reissbrett modular für Diesel- oder Benzinmotoren, Mild- oder Plug-in-Hybrid sowie reinen E-Antrieb ausgelegt. SPA ist mit dem XC90 kürzlich erstmals lanciert worden (siehe VECTURA #15); sie ist dank serienmässigem Allradantrieb in der Twin-EngineVersion auch für die S-/V-/XC60-Modelle vorgesehen. CMA mit Vorderradantrieb wird in den 40ern sowie den Nicht-Allradmodellen der 60er zum Zug kommen. Hauptinnovation sind hier neue
Drei- und Vierzylindermotoren und das unterhalb der Mittelkonsole längs platzierte Batteriepaket für die Hybrid- und Elektrovarianten. Und natürlich die Flexibilität: Beide Plattformen können unterschiedliche Radstände und Spurbreiten aufweisen und damit nahezu beliebig lange, breite oder hohe Fahrzeuge hervorbringen. Über die nächsten Modelle schweigt sich Volvo noch aus. Aber nebst den bereits durchgesickerten S90 und V90 dürften XC40 und XC60 verkaufstechnisch am ehesten Sinn machen. Ein Kleinwagen unterhalb des Kompaktsegments ist nicht geplant. Auf der CMA-Plattform wird es erstmals auch ein Geely-Derivat geben, das derzeit in Göteborg entworfen wird. Befürchtungen, dass man in Europa mal Volvo «Made in China» verkaufen wird, werden von den Verantwortlichen zerstreut. Die bisher einzige Ausnahme bildet der S60 mit langem Radstand aus chinesischer Produktion, den es auf verschiedenen Märkten gibt. Die Elektrifizierung startete bei Volvo bereits 1976 mit zwei Prototypen. Das Thema wurde seitdem immer mal wieder aufgegriffen, aber richtig los ging es dann 2010. Seitdem sind 300 voll elektrische C30 in Kundenhand und sammeln Erkenntnisse. Die Nutzer sind vor allem von den hervorragenden Langsamfahreigenschaften im Stadtverkehr, einer sehr guten Beschleunigung und der Geräuschlosigkeit angetan. Bei der Reichweite, der langen Ladezeit, der Verfügbarkeit von Ladestationen sowie sauber hergestelltem Strom besteht hingegen Handlungsbedarf. Aktuell führt Volvo kein E-Auto im Programm, aber vier Plug-in-Hybride: XC90 T8, S60L T6 sowie V60 als D6 und D5. Ein vollwertiges E-Modell soll dann 2019 auf SPA-Basis eingeführt werden. Mittelfristig planen die Schweden, zehn Prozent ihrer angestrebten Gesamtproduktion zu elektrifizieren – das wären rund 80 000 Fahrzeuge jährlich. Ein hohes Ziel, das angesichts niedriger Erdölpreise umso entfernter scheint. Die globale Verteilung wird dabei offen gelassen, weil die Gesetzgeber und ihre in den jeweiligen Ländern lancierten Förderprogramme ganz wesentlich über Zurückhaltung oder Boom entscheiden. Wichtig ist deshalb, dass sowohl Volvo als auch seine Zulieferer flexibel sind; das betrifft insbesondere Batterien-Lieferant LG aus Korea. Volvo rechnet erst ab 2020 mit einer höheren E-Auto-Akzeptanz bei den Verbrauchern. Bis dahin, glauben die Entwickler, werden sich Batteriekapazitäten und -leistung sowie Ladegeschwindigkeit und -infrastruktur deutlich verbessert haben; induktive Ladung wird angestrebt. Auch sei mit günstigeren Preisen zu rechnen, weil die erforderlichen Komponenten dann in viel höheren Quantitäten produziert werden dürften. Ein wichtiger Zwischenschritt ist der XC90 T8 AWD Twin Engine PHEV, der Mitte 2016 zu Preisen ab 99 000 Franken auch in die Schweiz kommt. Der Siebenplätzer wird von einem 320 PS starken Zweiliter-Vierzylinder über die Vorderräder angetrieben. Die hinteren erhalten ihre Kraft von einem 9,2 kWh speichernden Lithium-Ionen-Batteriepaket. Der E-Motor leistet 65 kW; über 40 Kilometer rein elektrisches Fahren sollen möglich sein. Ein Tausch der Batterien ist theoretisch machbar, aber nicht vorgesehen, weil sie laut Hersteller auf den ganzen Lebenszyklus des Autos ausgelegt sind. Je nach Einstellung fährt der XC90 T8 also mit Front-, Heck- oder Allradantrieb. Sollte 4x4 einmal benötigt werden, wenn die Batterien leer sind, liefert der Generator den Strom direkt an die Hinterräder.
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Zurückhaltung oder Boom? Das entscheiden im Wesentlichen die Gesetzgeber der jeweiligen Länder
Der XC90 T8 ändert seinen Charakter per Scroll-Bar, über den sich drei verschiedene Fahrmodi einstellen lassen, die das Ansprechverhalten von Motor, Getriebe, Luftfederung und Lenkung sowie den Einsatz der Zusatzaggregate steuern. «Pure» steht für reinen Elektrobetrieb und schaltet den Benziner dank 240 Nm Drehmoment des E-Motors nur bei starkem Beschleunigen zu; davon abgesehen sind sämtliche Funktionen stets auf geringsten Energieverbrauch ausgelegt. «Hybrid» ist der Normalmodus, in den der Luxus-SUV bei jedem Neustart zurückfällt. Der Antrieb ist jetzt so programmiert, dass nur dort mit Strom gefahren wird, wo es Sinn macht, damit der Speicher für eine allfällige rein elektrische Stadtfahrt stets genug Energie übrig hat. Anhand eines eingegebenen Fahrziels und der in der Cloud gespeicherten Informationen errechnet das Auto selber die effizienteste Antriebsart. Der Modus «Power» mobilisiert die maximal verfügbare Systemleistung von 300 kW (407 PS) und setzt alle Parameter auf sportlich. Das relativiert
sich freilich ein wenig angesichts der 2,4 Tonnen, die da bewegt werden wollen. Aber der mit Turbo und Kompressor aufgeladene Benziner hinterlässt in Verbindung mit der Achtstufen-Automatik einen sehr harmonischen Eindruck: Leistung ist immer und in ausreichender Menge vorhanden. Sogar ein kerniger Sound ist vernehmbar, während sich der Antrieb ansonsten sehr zurückhält; das gilt auch für die Windgeräusche. Der Normverbrauch von 2,1 L/100 km ist, wie bei allen Plug-inHybriden, rein rechnerischer Natur: Wer sich zügig in Schweizer Topografie bewegt, dürfte es schwer haben, im einstelligen Bereich zu bleiben. Angesichts von knapp fünf Meter Länge, seiner Luxusausstattung und dem Allradantrieb ist der T8 aber ein äusserst sparsames Auto. Technische Tricks wie beispielsweise das Vorheizen des Fahrzeugs mit Netzstrom helfen ebenfalls, Sprit zu sparen, nicht aber Strom. Die ökologische Gretchenfrage, wie umweltfreundlich Letzterer produziert wurde, ist freilich ein ganz anderes Thema … WINTER 2015/16 015
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POSTLAGERND IM KOFFERRAUM Connectivity braucht es nicht nur für autonomes Fahren oder zur Unterstützung der Assistenzsysteme. Sie kann auch das Leben einfacher machen, wie das Beispiel «Roam Delivery» demonstriert
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olvo denkt vernetzt. Schon vor 15 Jahren wurde eine Frühform inzwischen üblicher Funktionen, der SOS-HilferufButton, lanciert. Heute kann das Auto dank «Sensus Connect»-Infotainmentsystem bereits mit anderen Fahrzeugen und mit der Cloud kommunizieren, Parkplätze finden und sie auch bezahlen; das Gleiche gilt für Restaurants oder Ähnliches. Aber es gibt noch mehr Möglichkeiten. Tommy Hansson Strand und Johan Maresch arbeiten im Volvo-IT-Bereich in der Abteilung Innovation. Auf der Suche nach neuen Ideen stiessen sie auf Logistik und E-Commerce. Gedanke: Warum soll ein Fahrzeug, das mit dem Internet vernetzt ist, nicht auch etwas tun können, während es auf einem Parkplatz herumsteht? Beispielsweise Waren in Empfang nehmen oder ausliefern … Wer kennt die Situation nicht? Man hat etwas bestellt. Der Paketdienst läutet vergeblich zwei- oder dreimal an der Türe. In der Folge findet sich ein Zettel im Briefkasten mit der Aufforderung, irgendwo weit draussen im Industriegebiet ein Päckchen abzuholen. Menschen, die nicht zuhause sind, kosten jährlich sehr viel Geld – und Nerven. Die Lösung naht: Wer einen Volvo fährt, soll ihn zukünftig auch als Postfach nutzen können. Der Paketdienst wird mittels On-Call-App informiert, dass das Auto 016 VECTURA #17
auf einem bestimmten Parkplatz steht. So kann es vom Kurier direkt angefahren und die Ware im Kofferraum deponiert werden. Das Fahrzeug macht sich dann optisch und akustisch bemerkbar; mittels eines digitalen Schlüssels lässt sich der Kofferraum temporär öffnen. Auch Supermärkte können diese Möglichkeit nutzen und online eingekaufte Ware zum abgestellten Volvo liefern. Es ist dann natürlich zu beachten, dass nicht gerade Butter den halben Tag lang im heissen Auto liegt, aber selbst dieses Problem haben die Apps im Griff. Sie sind schliesslich vernetzt und können anhand des Wetterberichts entsprechende Entscheidungen treffen. Verderbliche Ware wird dann nicht bestellt oder die Auslieferung kurz vor Feierabend terminiert. Konkrete Tests mit 100 Volvo-Fahrern verliefen bereits sehr erfolgreich: In sieben Wochen wurden 300 Einkäufe ausgeliefert. Die Probanden beschwerten sich sogar, als das Testende nahte – so sehr hatten sie sich in kürzester Zeit an die sogenannte «Roam Delivery» gewöhnt. In Serie soll es dann «In-car Delivery» heissen. Hansson Strand und Maresch haben noch mehr Pfeile im Köcher, wollen aber noch nichts verraten. Wenn dereinst eine nennenswerte Anzahl autonom fahrender Autos unterwegs sein wird, könnte man ihnen Frondienste wie Einkaufen, Postdienste und dergleichen auferlegen, während ihre Besitzer wichtigeren Aufgaben nachgehen. «Oder die Kinder vom Kindergarten abholen», witzeln die beiden. Das aber sollten Mami oder Papi dann doch bitte persönlich tun. Der Nachwuchs könnte es ihnen sonst krummnehmen.
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018 VECTURA #17
WARUM BITTE BAUT JETZT AUCH JAGUAR EINEN SOFTROADER? SCHLIESSLICH HAT MAN DOCH LAND ROVER IM PORTFOLIO! DER BOOMENDE SUV-MARKT GIBT DIE ANTWORT, DAZU HAT MAN DEN KOMMENDEN F-PACE ALS ALLZWECK-JAG KONZIPIERT. DAS MACHT MINDESTENS NEUGIERIG – WIR NÄHERN UNS DEM AUTO MAL VON OBEN Text Claus Engler Fotos igcw, Werk
G
race, Space, Pace – das war über Jahrzehnte der Drei klang, der die Positionierung von Jaguar beschrieb – jener 1935 gegründeten Luxusmarke also, die nicht nur bewegende Automobilgeschichte geschrieben, sondern auch viele Krisen überlebt hat. Die Engländer beteuern, an den Kernwerten des Hauses habe sich auch beim ersten SUV nichts geändert. Und liefern gleich die Einordnung, dank der wir zugleich die Wettbewerber erkennen. Platz: deutlich mehr als im Audi Q5. Dynamik: deutlich besser als beim Benchmark Porsche Macan. Und Würde? Gemessen am bombastischen Bentley Bentayga oder am neuen Lexus RX, dessen hartes Design offensichtlich von Karate-Kämpfern definiert wurde, hat Chefdesigner Ian Cullum die Ruhe bewahrt, vorn und hinten Stilelemente des F-Type appliziert, das Dach früh abfallen lassen und so insgesamt eine Form geschaffen, für die sich niemand schämen muss. Der Jaguar F-Pace ist das dritte Modell auf der modularen Aluminium-Plattform des Konzerns, hat aber «81 Prozent neue Teile», sagt uns der Baureihen-Verantwortliche Kevin Stride. Und er berichtet vom «mit 80 Prozent höchsten Aluminium-Anteil aller SUV» – die Rohkarosse wiegt lediglich 298 Kilogramm. Die Heckklappe ist aus Kunststoff-Verbundmaterial, der Armaturenbrettträger aus Magnesium, die Türen sind kurioserweise aus Stahl blech. Jaguar ist stolz auf das erreichte Gesamtgewicht und die ausbalancierte Gewichtsverteilung von 50:50.
In Zukunft Ingenium: nur zwei Liter Kapazität, aber schon 180 PS
Selbstzünder: «kleiner» TDV6 mit völlig ausreichenden 300 PS
Die Basisversion mit reinem Heckantrieb (!), Zweiliter-VierzylinderDiesel (180 PS/132 kW) und Schaltgetriebe bringt 1665 Kilogramm auf die Waage, hat einen cw-Wert von 0,34 und erreicht so 129 g CO2 pro km. Richtig voran geht es im F-Pace S mit seinem Dreiliter-V6-Kompressor-Benziner, 380 PS (280 kW), AchtstufenAutomatikgetriebe und Allradantrieb. Dazwischen liegen der Dreiliter-V6-Biturbo-Diesel mit 300 PS (221 kW), der 700 Nm ins Getriebe wuchtet, sowie der Dreiliter-V6-Kompressor-Benziner mit 340 PS (250 kW), jeweils mit Achtstufen-Automat und 4x4. Mit dem ursprünglich für den F-Type entwickelten Allradsystem namens Intelligent Driveline Dynamics (IDD) fährt der F-Pace unter normalen Bedingungen als Hecktriebler. Falls es die Verhältnisse erfordern, schickt IDD zusätzlich Kraft auf die Vorderachse – ein sanfter und für den Fahrer unmerkbarer weil in weniger als 165 Millis ekunden ablaufender Vorgang. Beim Allradantrieb
Topmotorisierung: Dreiliter-V6-Kompressor mit hungrigen 380 PS
WINTER 2015/16 019
NEUVORSTELLUNG
020 VECTURA #17
RUBRIKEN
Katzenliebhaber: Jaguar-Designer Ian Callum
halfen auch die Kollegen von Land Rover, deren Adaptive Surface Response (ASR) das Fortkommen bei misslichen Wetterverhältnissen verbessert. Je nach Untergrund (trockener und nasser Asphalt, Schotter, Schnee und Eis) passt ASR die Kennfelder und Programme der Drosselklappe, des Automatikgetriebes und der Stabilitätskontrolle DSC bedarfsgerecht an. Über die auf dem Mitteltunnel sitzende Jaguar Drive Control lassen sich verschiedene Programme für verschiedene Einsatzbedingungen auch manuell anwählen. Zusätzliche Hilfe beim Anfahren bietet das Fahrerassistenzsystem ASPC (All Surface Progress Control). Dieses gibt es in Verbindung sowohl mit Heck- wie Allradantrieb, es regelt den Schlupf über Bremseingriffe an den einzelnen Rädern. Meldet ASR einen Untergrund mit geringer Haftung, baut ASPC bei Geschwindigkeiten zwischen 3,6 und 30 km/h im Stil einer Launch Control schlupffrei maximale Haftung auf. Der Fahrer wählt die gewünschte Maximalgeschwindigkeit im Tempomat – und braucht dann nur noch zu lenken. Für F-Pace-Fahrer, die ähnlich schlupffrei, aber lieber mit Einsatz des Gaspedals vom Fleck kommen wollen, gibt es – als Novum für einen Jaguar – zusätzlich den Low Friction Launch (LFL). Der nutzt ein sehr progressives Drosselklappen-Kennfeld, das die Kontrolle über das Fahrzeug sehr effektiv unterstützt. Die extrem verwindungssteife Karosserie – laut Kevin Stride ist sie 50 Prozent steifer als die des Macan – bildet die Grundlage für ein Fahrwerk, das sowohl sportlich als auch komfortabel sein soll. Es besitzt eine Aluminium-Doppelquerlenker-Vorderund eine Aluminium-Integral-Hinterachse. Beim Einlenken hilft Torque Vectoring: Durch leichtes Abbremsen der kurveninneren Räder wird drohendes Untersteuern effizient unterdrückt. Die Einstiegsmodelle stehen auf konventionellen Stossdämpfern; WINTER 2015/16 021
NEUVORSTELLUNG
optional gibt es ein elektronisch gesteuertes Adaptive Dynamics System. Es misst Karosseriebewegungen bis zu 100 Mal pro Sekunde; Radfederwege werden sogar bis zu 500 Mal kontrolliert und die Dämpfer entsprechend angepasst. Für sehr sportlich orientierte Fahrer steht das individuell programmierbare Fahrprogramm Configurable Dynamics bereit: Es ändert je nach Gusto die Einstellungen der Drosselklappe, der Lenkung, des Automatikgetriebes und – wo vorhanden – das Adaptive Dynamics. Die maximale Radgrösse beträgt üppige 22 Zoll.
022 VECTURA #17
Innen nimmt der F-Pace Abschied von der typischen tiefen Sitzposition der Marke – auch Jaguar-Fahrer werden älter. Und schliesslich ist der neue SUV, auch wenn man das in England nicht offen sagt, als Nachfolger des weniger beliebten, fünftürigen XF Sportbrake zu verstehen, der nicht neu aufgelegt werden soll. Behagliche Sportsitze erinnern aber an ihn; je nach Ausstattung sind sie 14-fach elektrisch verstell- sowie beheiz- und kühlbar. Auf Wunsch gibt es sie auch in einer Ausführung in Windsor-Leder mit doppelten Kontrastnähten samt Kopfstützen
Warum weiss? Nun, british racing green hatten wir ja schon des Öfteren …
WINTER 2015/16 023
NEUVORSTELLUNG
mit eingeprägten Logos. Versprochen wird Platz für fünf und ein grosszügiges Raumgefühl in der zweiten Reihe. Die hinteren Sitze sind höher angeordnet, sodass auch Kinder einen guten Blick nach draussen haben. Eine optionale Vierzonen-Klimaanlage mit zusätzlichen Luftauslässen in den B-Säulen kümmert sich ums Innenraumklima. Unter der grossen Auswahl an Innenraum einrichtungen finden sich Metall-Applikationen wie Aluminium in Maschenoptik ebenso wie Holzpaneele, zum Beispiel mattiertes graues Eschenholz. An Fahrassistenten ist kein Mangel, der Notfall-Bremsassistent erkennt jetzt auch Fussgänger. Die Stereo-Kamera fungiert darüber hinaus als «Auge» für weitere Assistenzsysteme wie den Spurverlassenswarner, den Spurhalteassistenten und den adaptiven Geschwindigkeitsbegrenzer. Ganz besonders stolz ist man in Coventry auch auf das Info tainment-Netzwerk des F-Pace. Das Topsystem InControl Touch Pro basiert auf einem 10,2 Zoll grossen Touchscreen, hat eine 100 GB grosse Festplatte, einen leistungsstarken Quad-CoreProzessor und ein blitzschnelles Ethernet. Auf vier Sitzplätzen gibt es USB-Schnittstellen und 12-Volt-Steckdosen. Die Bedienlogik folgt der Tipp-und-Wisch-Philosophie der Smartphones, die Grafiken präsentieren sich in brillanter Auflösung und das Navigationssystem ist lernfähig – es merkt sich zum Beispiel den täglichen Weg zur Arbeit, bietet Tür-zu-Tür-Routenführung und kann sogar Menschen am Zielort über die voraussichtliche Ankunftszeit des Jaguar F-Pace informieren. Ein interessantes Gimmick ist der Jaguar Activity Key: Das ist ein wasserdichtes und stossfestes Armband mit integriertem Transponder zum Öffnen und Schliessen der Türen. In letzterem Fall werden automatisch alle im Innenraum liegenden Schlüssel deaktiviert. Der Activity Key arbeitet auf den gleichen Hochfrequenzen wie die anderen Schlüssel; zum Öffnen und Schliessen der Türen reicht es, ihn nah an das «J» im Jaguar-Schriftzug auf der Heckklappe zu halten. Der intelligente Schlüssel kommt ohne 024 VECTURA #17
Batterie aus – womit die Sorge, ihn einmal ausser Funktion erleben zu müssen, ebenfalls entfällt. Nun gibt es dererlei Funktionen nicht umsonst, doch der F-Pace ist preislich breit aufgestellt. Die Basisversion 2.0 D startet ab 48 600 Franken, das Topmodell 3.0 V6 kommt mit CHF 93 400.– fast doppelt so teuer. Für eine vielfältige Käuferschaft ist also gesorgt, zumal der Jaguar-SUV mit bis zu 1740 Liter so viel Kofferraum bietet wie keine andere Katze zuvor. Wohl auch deshalb lässt sich der Hersteller zur Bemerkung hinreissen, der F-Pace sei der praktischste Sportwagen aller Zeiten. Wir meinen: Er ist auch der richtige Jaguar für alle Markenfans, die es leid sind, von unten auf den Rest der Welt herabzublicken.
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026 VECTURA #17
FAHRTERMIN
DEN MARKANTEN AUFTRITT EINES STI, SICHERHEITSELEMENTE VOM OUTBACK, FORESTER-ÄHNLICHE ABMESSUNGEN, BOXER-POWER, DAZU EFFIZIENTER ALLRADANTRIEB: DER LEVORG VERDICHTET VIELE DER BESTEN SUBARU-EIGENSCHAFTEN IN EINEM EINZIGEN AUTO
WINTER 2015/16 027
A
ls kleinster Autohersteller Japans stellt Subaru zwar nur rund 900 000 Autos pro Jahr her; 80 Prozent von ihnen werden auch in Japan produziert und grundsätzlich entstehen auch alle Boxer-Modelle dort. Sieht man sich dagegen die Verkaufszahlen an, stellt man erstaunt fest, dass die Marke es schafft, jährlich knapp 600 000 Einheiten in den USA zu verkaufen, und das kontinuierlich. 2009, als die Vereinigten Staaten mit grossen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatten, konnte Subaru den Absatz sogar erhöhen. Trotz der eigenen, aufwendigen Produktphilosophie – Boxermotor und Allradantrieb – hat sich die vernünftige Preispolitik bei Verbrauchern weltweit herumgesprochen. So kommt es, dass beispielsweise viele UniProfessoren einen Subaru fahren, was für eine intellektuelle Käuferschicht spricht. In der oft verschneiten wie in höheren Lagen vereisten Schweiz ist das Subaru-Aufkommen ohnehin ein Thema für sich: Seit 1979 konnte der Importeur über 330 000 Allradfahrzeuge absetzen; bei den 4x4 zählt der Hersteller seither zu den Spitzenreitern und hat es mit neuen Modellen immer wieder verstanden, Akzente zu setzen. In Japan hingegen sah die Situation zuletzt eher nach Stillstand aus: Der Umstand, dass man die Baureihen Legacy und Outback für den US-Markt vergrössert hatte, machte sie für japanische Kunden uninteressant – man entschied sich folglich für andere Anbieter. 028 VECTURA #17
Subaru reagierte und gönnte dem Impreza-Facelift einen luxuriöseren Innenraum, um Legacy- und Outback-Besitzern den Umstieg ins kleinere Auto schmackhaft zu machen. Doch nur wenige folgten der Einladung. Aus diesem Grund wurde für den japanischen Markt ein komplett neues Auto entwickelt – der Levorg. Die etwas schräge Modellbezeichnung ergibt sich aus der holprigen Abkürzung von LegacyRevolution-Touring und ist – nun ja. Die phonetische Nähe zum Range Rover Evoque, der auch in Asien unglaublich populär ist, mag den letzten Ausschlag gegeben haben und tatsächlich gibt es auch bei den Fahrzeug-Eigenschaften gewisse Parallelen: Beide Autos haben Allradantrieb und ein markantes Äusseres, sprechen als kompakte Crossover-Modelle trendbewusste Autofahrer an, sind ebenso variabel wie anständig motorisiert und gut ausgestattet. Subaru will den ungleich günstigeren Levorg deshalb auch als «Premium Grand Tourer» verstanden wissen. Mit nicht mal 4,7 Meter Länge passt der ausschliesslich mit fünf Türen lieferbare Neuwagen bestens auf Japans Strassen und ist mit seiner frischen Linienführung ein echtes Gesicht in der Menge – ganz besonders unter Subaru-Kennern. Frontleuchten in Flügelform und der grosse Kühlergrill demonstrieren selbstbewusst das aktuelle Erscheinungsbild des Hauses. Der Wagen wirkt wertig und sauber zusammengebaut; auch Seitenansicht und Heckpartie vermitteln Solidität und Zuverlässigkeit. Wenn man den
FAHRTERMIN
Kompakt-Kombi mit einem Legacy vergleicht, ist er zehn Zentimeter kürzer und rund 4,5 cm flacher. Das wirkt sich natürlich auf den Innenraum aus, der im Schulter-, Ellbogen- und Hüftbereich leicht abgibt. In der Breite hat das Levorg-Interieur dagegen Platz gewonnen – überhaupt hatten wir nie ein beengtes Gefühl. Und auch im mit Schall-absorbierendem Dämmmaterial ausgekleideten Fond steht Mitreisenden selbst auf Langstrecken genügend Bewegungsfreiraum zur Verfügung. Dazu passt ein variabler Kofferraum, können sich Fahrer und Beifahrer über Sitze mit gutem Seitenhalt freuen. Ergonomie und Rundumsicht passen ebenso. Auch die Basisausstattung macht Freude: Zum Lieferumfang gehören MF-Lederlenkrad, Bluetooth-Freisprechanlage, Tempomat, Klimaautomatik oder beheizbare Aussenspiegel. In puncto Sicherheit hat der Levorg die heute üblichen Features serienmässig an Bord. Darüber hinaus beinhalten die gehobenen Varianten Swiss, Swiss S und Luxury S mit «Advanced Safety Package» eine erweiterte Ausrüstung inklusive Totwinkelwarnung, Rückfahr-Querverkehr- und Fernlichtassistent sowie automatisch abblendbarem Innenspiegel. Dabei überraschen die immer noch sehr moderaten Preise; der teuerste Levorg kostet 37 700 Franken und die dann noch einzige Option ist eine knallrote Lackierung für 700 Stutz. Unter der dank ihrer hoch aufragenden Lufthutze markanten Motorhaube lauert ein Vierzylinderboxer-Benziner mit 1,6 Liter Hubraum, Direkteinspritzung und Turboaufladung auf seinen Einsatz – und es verblüfft, wie souverän das Triebwerk für Bewegung sorgt. Die Kraft wird grundsätzlich via «Lineartronic» genannten CVT-Automaten übertragen, was sich im Sparmodus mit noch dezentem Sausen bis über 4000 Touren bemerkbar macht: Das Getriebe ist mit dem bekannten SI-Drive ausgestattet, der zwei Fahrmodi ermöglicht. «S» steht erwartungsgemäss für Sport und dann verhält sich die Box wie ein Doppelkupplungsgetriebe, denn es wurden sechs künstliche Schaltpunkte gesetzt, um zugunsten der Sportlichkeit ein Automatik-Gefühl zu erzeugen – und das
TECHNISCHE DATEN SUBARU LEVORG AWD 1.6 DIT Konzept Neue Mittelklasse-Baureihe mit selbsttragender Stahlkarosserie, fünf Türen und Sitzen. Zahnstangenlenkung mit elektr. Servo, vorne Dreieckquerlenker, hinten Mehrlenkerachse, Scheibenbremsen rundum, permanenter Allradantrieb Motor Code FB16. Wassergekühlter, längs verbauter Vierzylinder-Boxer, vier Ventile/Zyl., Alu-Zylinderkopf und -block, 2x2 oben liegende Nockenwellen, 5fach gel. Kurbelwelle (Zahnriemen), Benzindirekteinspritzung, Turbolader, Intercooler, Stopp-Start-System Hubraum in cm3
1599
Bohrung x Hub in mm
78,8 x 82
Verdichtung
10,5:1
Leistung in PS (kW) @ U/min
170 PS (125) @ 4800–5600
Max. Drehmoment in Nm @ U/min
250 Nm @ 1800–4800
Kraftübertragung
CVT6
Abmessungen (L/B/H) in cm
469/178/149
Radstand in cm
265
Spur vorne/hinten in cm
153/154
Reifen und Räder
215/50 R17 oder 225/45 R18 auf 7/7,5J
Tankinhalt in L
60
Kofferraumvolumen in L
520–1445
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg
1560
Zulässiges Gesamtgewicht in kg
2020
Leistungsgewicht in kg/PS
9,2
0 – 100 km/h in Sek.
8,9
Höchstgeschwindigkeit in km/h
210
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km
6,9
CO2-Emission in g/km
159
Energieeffizienzkategorie
F
Preis ab CHF
27 900.–
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus
WINTER 2015/16 029
FAHRTERMIN
fühlt sich rundum gut an. «I» bedeutet «Intelligent», stellt sparsames Fahren in den Vordergrund und agiert in der Stadt stufenlos. Diese Antriebskonfiguration sorgt für eine bei Subaru bisher nicht gekannte Sparsamkeit: Pro Tankfüllung kamen wir durchschnittlich 700 Kilometer weit, was einem realen Verbrauch von 8,5 Liter entspricht – nicht schlecht für einen hochgezüchteten Boxer. In Japan und auf anderen Märkten steht parallel ein Zweiliter-Diesel mit 300 PS zur Wahl, der jedoch aus Gründen des Flottenverbrauchs nicht zu uns kommen dürfte. Zumal wir mit dem Eins-Sechser auch nie den Eindruck hatten, im Magermix unterwegs zu sein – ganz im Gegenteil. Der neue Vierzylinder-Turbo ist ein Abkömmling des bekannten Zweiliter-Saugmotors aus dem Forester und überzeugt mit sehr spontanem Ansprechverhalten, das viel Fahrfreude vermittelt. Wir sind gar versucht, in Richtung manch anderer, spassfreier Downsizing-Aggregate zu rufen: «Seht her, es geht doch!» Einmal unterwegs, ist der geringe Hubraum kaum zu glauben; der Levorg geht engagiert und bedarfsweise forsch zur Sache. Besonderes Lob verdient das Fahrwerk: Die Federung reagiert feinfühlig, Bodenwellen werden bis zu einem gewissen Grad geschluckt. Traditionell bevorzugen Fahrer von Subaru-Kombis eine etwas 030 VECTURA #17
härtere Abstimmung, und diese Charaktereigenschaft wird auch beim Levorg eingehalten. Das vergleichsweise sehr direkte Lenkgefühl ist Markenkennern ebenfalls vertraut, andere sind meist positiv überrascht. Bei der Bereifung wurde auf eine möglichst optimale Balance zwischen Verbrauch und Handling geachtet – mit den 17-Zöllern gelingt das freilich etwas besser als mit den grösseren Felgen der gehobenen Levorg-Varianten. So hinterlässt der Levorg einen insgesamt sehr guten Eindruck bei uns und verschafft dem Siegel «Made in Japan» neue Wertigkeit. Man muss sogar sagen, dass der fast schon unverschämt günstige Levorg der aktuell beste Subaru ist. Und wir würden nicht staunen, wenn es dem neuerdings in Tokio residierenden Hersteller mit der nunmehr siebten Baureihe gelänge, die Millionengrenze zu knacken.
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LÄNGE LÄUFT ÜBER 13 METER MISST DAS GESPANN, MIT DEM WIR DIE WEITE FAHRT INS GROSSE WEISS GEWAGT HABEN. FAZIT NACH 4000 KILOMETER IN ZEHN TAGEN: JEDERZEIT WIEDER! Text Peter Adams Fotos Damian Blakemore
032 VECTURA #17
ZIELEINGABE
WINTER 2015/16 033
D
ie Sonne ist vor zwei Stunden untergegangen, das Thermometer auf minus 17° C gefallen. Ein letztes Haus haben wir vor einer halben Stunde gesehen – oder waren es schon 40 Minuten oder 50? Jene Strasse, die sich durch die Einöde windet, sieht unwirklich durchsichtig aus – wie eine trübe, graue und eisige Glasur. Sie ist planiert, damit die Spikereifen greifen können, aber auch tückisch: Lenken muss man langsam und ruckfrei, beschleunigen ist ein Geduldsspiel, und wenn man bremst, ist es so, als würde man vorsichtig einen Zeh in eiskaltes Wasser tauchen. Wir fahren auf gefrorenem Schnee und sind auf dem Weg zum Polarkreis – das allerdings überaus luxuriös, weil (wieder einmal, siehe VECTURA #7) mit einem AirstreamWohnwagen am Haken. Unsere Reise begann vor zehn Tagen rund 4000 Kilometer weit weg in der Nähe von Birmingham im Technikzentrum von Land Rover, wo wir zunächst den neuen Range Rover Sport Hybrid abholten. Die zugrunde liegende Idee war ganz einfach: Das antriebstechnisch aufwendige Modell kann sowohl grosse Lasten ziehen (bis zu 3000 kg) als auch bei niedrigsten Temperaturen arbeiten – eine sehr seltene Eigenschaft für einen Hybrid. Wieso also nicht beides gleichzeitig testen, indem wir einen Airstream 684 in den hohen Norden ziehen? Lautlos, weil vollelektrisch, glitten wir aus dem englischen Gaydon hinaus. Das neue Modell kombiniert den aufgeladenen Dreiliter-Diesel mit einem 35-kW-Elektromotor, und diese beiden Kraftquellen ergänzen sich ganz wunderbar. Die Systemleistung beträgt satte 340 PS sowie 700 Nm; offiziell liegt der Durchschnittsverbrauch bei 6,4 L/100 km und der CO2-Ausstoss bei 169 g/km. Über Frankreich, Belgien und eine kurze Strecke in den Niederlanden war am nächsten Morgen das hessische Merenberg in Deutschland erreicht, wo sich der glänzende, amerikanisch angehauchte Sitz von Airstream Europe befindet (www.airstream-germany.de). «Unser» 684 wartete schon auf uns; hatte man ihn doch extra für unser Abenteuer vorbereitet: Die Wasserleitungen sind beheizbar und isoliert und es gibt einen gasbetriebenen Generator an Bord, um Strom erzeugen zu können – egal, wo wir uns befinden. Mehr noch: Wir werden sogar den Prototyp einer Gasflaschenheizung testen. Von diesen Modifikationen abgesehen handelt es sich um einen standardmässigen Airstream – mit weichen, roten Lederpolstern, SatellitenTV und einer eleganten Corian-Arbeitsfläche. Die Schubladen schliessen sanft, Schranktüren schnappen mit einem beruhigenden Geräusch zu – keine Selbstverständlichkeiten im CaravanBaugewerbe. Hier jedoch fühlt sich alles überaus stabil und nach hochwertiger Handarbeit an.
034 VECTURA #17
ZIELEINGABE
Unsere erste Übernachtung fand auf dem Campingplatz am Falkensteinsee bei Hamburg statt – bei fröstelnden null Grad. Nach einem Frühstück mit Porridge und Kaffee – alles auf dem Vierflammenherd zubereitet – wurde uns wieder mollig warm. Das Tagesziel war die dänische Rennstrecke Padborg Park, doch als wir ankamen, war sie vollkommen zugeschneit. Nun gibt es kaum Hybridautos, die in der Lage sind, einen 2500 Kilo schweren Airstream auf einen schneebedeckten Rundkurs zu ziehen und eine Spur zu legen – wahrscheinlich haben wir sogar einen Rekord in der Nischendisziplin aufgestellt – ein Riesenspass!
Am nächsten Morgen wurden Kollege Ben, Fotograf Damian und ich jedoch schlagartig ernst, als wir den Wetterbericht lasen – und uns klar war, dass die letzten Ausläufer eines Sturms vorbeizogen. Caravan-Fahrer achten auf solche Umstände, denn schliesslich wollten wir an jenem Tag unter anderem die knapp acht Kilometer lange Öresund-Brücke befahren, welche Kopenhagen mit Malmö verbindet. Doch die Sorgen erwiesen sich als unbegründet: Nachmittags kam das Gespann unbeschadet in Schweden an – es erwies sich als so stabil wie ein Fels in der Brandung. Der Range Rover Sport verfügt zwar über ein Anhänger-ESP, aber
WINTER 2015/16 035
ZIELEINGABE
Bei niedrigen Tempi bewegt sich der Zug rein elektrisch – die erste ZuschauerReaktion ist meist ungläubiges Staunen
036 VECTURA #17
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038 VECTURA #17
ZIELEINGABE
TECHNISCHE DATEN AIRSTREAM INTERNATIONAL 684 Konzept Fullsize-Luxuswohnwagen mit US-amerikanischen Wurzeln. Semi-Monocoque, Leichtbauweise (Aluminiumrahmen und -beplankung). Glaswolle-Isolierung, Panoramafenster aus Echtglas. Interieur mit kompletter Möblierung inkl. Tisch-Sitzgruppe, Radio/CD/MP3, Küche (inkl. Corian-Arbeitsplatte, Flammenherd mit Ofen, Spüle, Kühlschrank und Gefrierfach), Duschbad/WC und vier vollwertigen Schlafplätzen plus individueller Ausstattung (Klimaanlage, Onboard-Stromaggregat, Leder, Satelliten-TV, Solarpanels, Markise etc.). Wasser-, Abwasser- und Stromanschluss für den stationären Gebrauch. Vollbeheizung mit 7,5 kW Leistung
Abmessungen (L/B/H) in cm
825/243/265
Reifen und Räder
185/60 R 15 auf 5,5 J
Kabinenvolumen (L/B/H)
680,5/232,5/199
Leergewicht in kg
2250
Zulässiges Zuggewicht in kg
2680
Max. Kupplungslast in kg
150
Kuplungshöhe in cm Preis ab CHF
46,5 97 500.–
WINTER 2015/16 039
ZIELEINGABE
das hatte nicht den geringsten Grund einzugreifen. Den Abend verbrachten wir dann entspannt an Bord mit Abendessen – und Musik aus der integrierten Stereoanlage. Der nächste Halt war in Göteborg geplant, der zweitgrössten Metropole des Landes. Die pittoreske historische Hafenstadt ist heute auch ein Industrie- und Kulturzentrum. Vollelektrisch rollten wir durch Haga, eines der ältesten Quartiere. Bei normaler Fahrt unterstützt der Elektromotor den Verbrennungsmotor im unteren Drehzahlbereich, doch bei Stadtgeschwindigkeiten läuft der Range Sport Hybrid ganz elektrisch – die Passanten in den belebten, engen Kopfsteinpflastergassen blieben stehen und staunten. Nach Göteborg kamen die langen Etappen. Wir übernachteten auf dem Krono Camping in Lidkoping in der Nähe des Vänersees (zehnmal grösser als der Bodensee) und auf dem SweCamp Flottsbro in Stockholm. Dort montierten wir Spikereifen und fuhren weiter Richtung Norden, zunächst auf den Rullsand-Campingplatz bei Gävle, wo erstmals richtiges Eis zu finden war. Das machte es etwas mühsam, den Airstream aufzustellen; eine halbe Stunde lang rutschen und schlittern wir herum wie die Pinguine …
Polarkreis voraus: Von Arjeplog in der nordschwedischen Provinz Norrbottens län ist es nur noch ein Katzensprung …
040 VECTURA #17
Der folgende Morgen entschädigte uns dann mit einem spektakulären Blick über den Bottnischen Meerbusen. Den sympathischen Campingplatz-Betreibern Anna und Matthias zufolge wird die Gegend im Sommer wegen ihrer weitläufigen, goldenen Strände und grossartigen Aussichten von Besuchern geradezu überschwemmt. An einem einzigen Tag kommen dann 1000 Menschen in das Restaurant auf dem Platz … Wir zogen weiter, hielten noch einmal landeinwärts in der Nähe von Solleftea, bevor wir weiter an der Küste entlang und dann wieder ins Landesinnere fuhren. Die Strassen wurden glatter –
mit gelegentlichen grossen, mattweissen Stellen, die es gefährlich werden liessen, auf der äusseren Spur zu fahren. Als wir in Blattniksele ankamen, waren es bereits minus 10º C – da tat sogar Lächeln weh. Wir gingen deshalb auf einen Drink in die nahegelegene Kneipe, wo der Wirt mit ernster Miene an der Bar lehnte und uns empfahl: «Wenn Sie einen Elch auf der Strasse sehen, fahren Sie in
WINTER 2015/16 041
ZIELEINGABE
einem scharfen Winkel von 45 Grad in den Graben.» Ich hielt das für einen dummen Witz, lachte deshalb ebenso laut wie nervös auf und nickte zustimmend – als mir klar wurde: Er meinte das ernst! «Sie sind riesig und wiegen um die 400 Kilo. Also fahren Sie lieber in den Graben, als mit einem zusammenzustossen.» Unser letztes Nachtlager hiess Arjeplog, dessen 8000 Eisseen das wichtigste wirtschaftliche Standbein des Ortes sind. Hier unternehmen Land Rover und viele andere Automobilhersteller aus aller Welt den grössten Teil ihrer Wintertests. Jedes Jahr verdoppelt sich die Einwohnerzahl der Stadt durch die anreisenden Ingenieure von 2500 auf 5000 Menschen und der Anblick getarnter Erlkönige, die auf Supermarktparkplätzen stehen, ist hier fast normal. Von Arjeplog aus brachen wir schliesslich zum Ziel dieser ungewöhnlichen Caravan-Reise auf, auf der sich Zugfahrzeug und Trailer bestens bewährt hatten: Die Stabilität von Range Rover
042 VECTURA #17
und Airstream, die sich bei 90 km/h auch auf kurvenreichen, dick vereisten Hauptstrassen höchst angenehm fahren lassen, während Pulverschneewolken unter dem Airstream aufwirbeln, ist wirklich bemerkenswert. Und da sind wir nun, biegen nach 90 Minuten Fahrt auf den unscheinbaren Parkplatz ab, an dem die normale Welt zu Ende scheint und der Polarkreis beginnt. Als die Sonne untergeht, zeigt das Thermometer bereits –22° C. Zehn Tage lang sind wir über 4000 Kilometer durch sieben Länder gefahren, haben Wind, Sturm und Eis getrotzt. Mehr noch: Jeder Kilometer war ebenso mühelos wie komfortabel. So stehen wir nun vor unserem über 250 000 Franken teuren Gespann, mit heissen Teetassen in der Hand, und Ben fasst es perfekt zusammen: «Wir haben es wirklich geschafft – aber Herrgott nochmal, es ist verdammt kalt hier.» Also kehren wir schnell zurück in den warmen Airstream, der für weitere 4000 Kilometer unser Zuhause sein wird …
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ABZÜGL
SHOWROOM
WENN DIE SACHE EINEN HAKEN HAT … BIS ZU 3,5 TONNEN ZIEHEN – DAS VERMÖGEN NICHT VIELE PERSONENWAGEN. HIER SIND SIEBEN SUV, DIE BEDARFSWEISE RICHTIG ARBEITEN KÖNNEN Text Stefan Lüscher · Fotos Werk
WEIGHT WATCHING: AUDI Q7 Er gilt als Bulle unter den Premium-SUV, manche sagen auch «Dickschiff». Die kürzlich erschienene zweite Generation hat die äussere Erscheinung weiterent wickelt und geschärft, wirkt aber deutlich zierlicher und damit auch politisch korrekter. Tatsächlich sind die Masse um einige Millimeter geschrumpft, die Gesamtlänge beträgt nun 5,05 Meter (minus 4 cm). Abgespeckt hat der neue Q7 vor allem beim Gewicht – je nach Version sind es bis zu 325 kg, damit wiegt er im Idealfall weniger als zwei Tonnen. Auch das viel Luxus ausstrahlende Cockpit wirkt schlanker. Nicht gespart wurde bei der Ausstattung, den Assistenzsystemen und der Elektronik. Die derzeit erhältlichen Motoren leisten 218 bis 333 PS, die gebremste Anhängelast beträgt 2700 kg und ist auf 3,5 Tonnen erweiterbar. Preis: ab CHF 79 900.–. www.audi.ch
KULTIVIERTER KRAFTBOLZEN: BMW X5 Der BMW X5 und sein viersitziges Schwestermodell X6 sind die Sportler unter den grossen Luxus-Softroadern. Bei Bedarf lassen sich die beiden Bayern aber auch als Zugfahrzeug einspannen. Als Basiswert gibt BMW eine Anhängelast von 2700 Kilogramm an, die mit der originalen Anhängerkupplung bei einigen Modellen wahlweise und ohne Aufpreis auf 3500 kg erweiterbar ist. Insgesamt profitiert die neue X5-Generation von einer dynamischeren Formgebung, zudem ist sie grösser, geräumiger, aber auch leistungsstärker und sparsamer. Der Laderaum fasst jetzt 650 bis 1870 Liter, als Option gibt es eine dritte Sitzreihe. Die optimierten Benziner und Diesel bieten 231 bis 450 PS, das Plug-inHybrid-Modell bringt es auf eine Systemleistung von 230 kW (313 PS) und kann bis zu 30 km rein elektrisch fahren, der ultimative X5 M generiert gar 575 PS. Preislich geht es bei 71 400 Franken los. www.bmw.ch
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BREIT AUFGESTELLT: JEEP GRAND CHEROKEE Allrad-Klassiker, charismatischer Amerikaner, hemdsärmeliger Cowboy – der grosse Jeep ist beides und kraft seines Namens eben auch ein Indianer. Ausserdem fühlt er sich in jedem Gelände zuhause und ist so erste Wahl für alle, die kein deutsches Power-SUV haben wollen. Vor zwei Jahren hat man die seit 1993 existente Baureihe intensiv modellgepflegt: Nebst einer geschliffenen Optik mit modernerem Grill, schlanken Scheinwerfern und einer in Höhe und Härte verstellbaren Luftfederung (Ausnahme: SRT) wurde ihm serienmässig eine hocheffiziente Achtstufen-Automatik (von ZF) spendiert, die mit einer Geländereduktion kombiniert ist. As Antriebe dienen dem 4,85 Meter langen Fünfplätzer vier Motoren (den Diesel gibt es in zwei Leistungsstufen) von 190 bis 468 PS; das Topmodell 6.4 V8 Hemi SRT weist dabei keine Geländereduktion auf. Die Anhängelast beträgt je nach Modell und Ausstattung bis 3500 kg, beim SRT sind es 2949 kg. Ab CHF 60 400.– ist man dabei. www.jeep.ch
NEUER NAME, ALTE TUGENDEN: MERCEDES GLE Die Ende 2011 eingeführte dritte M-Klasse erhielt 2015 nicht nur ein Facelift, sondern auch eine neue Bezeichnung, die bei der rasanten Zunahme unterschiedlichster Mercedes-Nischenmodelle für Klarheit sorgen soll. Als GLE fährt der überarbeitete Bestseller mit modernisierter Front inklusive neuen Scheinwerfern samt integrierten Tagfahrlichtern, neuen Kotflügeln und drei dimensionalem Unterbodenschutz vor. Verarbeitung und Ausstattung sind besser denn je. Erstmals gibt es den GLE analog zum BMW X6 auch als viertüriges Coupé mit nach hinten abfallender Dachlinie. Überarbeitete Benzin- und Diesel-Motoren leisten 204 bis 449 PS, der AMG GLE 63 stemmt 585 PS. Die Preisliste beginnt bei 78 300 Franken; Automatikgetriebe mit sieben und neun Gängen sind serienmässig. Die Anhängelast beträgt maximal 3500 kg. www.mercedes-benz.ch
EIL-TRANSPORTER: PORSCHE CAYENNE Sportwagenhersteller Porsche verkauft inzwischen viel mehr von den (teilweise gemeinsam mit Volkswagen entwickelten) Geländemodellen Macan und Cayenne als vom ikonischen 911er. Also ehemaliger Sportwagenhersteller? Nein, denn die hauseigenen Softroader sind die mit Abstand dynamischsten auf dem Markt! Für teilweise sogar sehr sportliche Fahrleistungen im grös seren Cayenne sorgen überarbeitete Sechs- und AchtzylinderTriebwerke mit 262 bis 570 PS, die serienmässig mit einem Achtstufen-Automatikgetriebe gekoppelt sind. Die Baureihe wird seit 2014 in der optisch und technisch facegelifteten zweiten Generation ohne Geländereduktion, dafür auch als Plug-in-Hybrid (siehe VECTURA #13) mit einer Systemleistung von 416 PS und einer Elektroreichweite von 30 km angeboten. Zudem verfügt der 4,86 Meter lange Fünfsitzer über einen 670 bis 1780 Liter grossen Kofferraum. Er kann maximal 3500 kg ziehen und kostet min destens 80 000 Franken. www.porsche.ch
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SHOWROOM
LUXUS-LASTER: RANGE ROVER Seit über 45 Jahren definiert dieser feudale britische 4x4, wie sich Lordschaften im Gelände bewegen. Dank permanentem Allradantrieb, Untersetzungsgetriebe, elektronischer Hinterachssperre und diversen elektronischen Assistenzsystemen ist auch der aktuell vierten Generation kein Weg zu schwer – und so zeigt sie anderen, wo abseits von Asphalt der Hammer hängt. Für standesgemässen Vortrieb sorgen Sechs- und Achtzylinder mit 258 bis 550 PS, sogar ein Hybridmodell ist im Angebot. Wie seine Geschwister RR Sport und Discovery kann auch der Range bis zu 3,5 Tonnen abschleppen; Hybrid und Supercharged schaffen immerhin noch drei Tonnen. Dazu gibt es ihn (neben Cadillac Escalade, Mercedes G-Modell und Toyota Land Cruiser) wahlweise mit zwei unterschiedlichen Radständen. Kurzum: Wer besonders elegant durchs Unterholz pflügen will, kommt am feudalen Über-Landy nicht vorbei, muss allerdings auch wenigstens 117 900 Franken bereithalten. www.landrover.ch
JAPANISCHE LEGENDE: TOYOTA LAND CRUISER Die ersten Modelle dieses Typs zogen 1951 aus, um die Welt zu erobern – mit archaischen Dieselaggregaten, unsynchronisierten Schaltgetrieben und simplen Blattfedern. Seither bahnen sie sich den Weg zum Nordpol, auf die höchsten Andengipfel und durch scheinbar endlose Wüsten in Asien und Afrika. Wie kein anderer Geländewagen wurde der Land Cruiser zum Inbegriff für Langlebig- und Zuverlässigkeit. Sie sind vielseitig einsetzbar und dienen internationalen Hilfsorganisationen, Abenteurern, Weltenbummlern sowie hartgesottenen Profis. Seit jeher wurden zwei unterschiedlich grosse Baureihen produziert; in Europa wird inzwischen nur noch der «kleine» 4,51 oder 4,78 Meter lange J15 angeboten. Die kürzlich überarbeitete Baureihe bietet sich als souveränes Zugfahrzeug mit drei oder fünf Türen, 177 und 282 PS oder einer serienmässigen Anhängelast bis drei Tonnen an, die wahlweise auf 3500 Kilo erhöht werden kann. Insassen finden ein üppiges Platz angebot, herausragenden Luxus sowie einzigartigen Langstreckenkomfort vor, den es zu konkurrenzlosen Preisen ab 32 900 Franken (Dreitürer) gibt. www.toyota.ch
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ADVERTORIAL
DIE VERGANGENHEIT IST IMMER GEGENWÄRTIG DIE AKTUELLE URBAN JÜRGENSEN KOLLEKTION SPIEGELT UNSERE HOCHACHTUNG ZEITLOSER TRADITION BEI HANDGEFERTIGTEN ELEGANTEN UHREN WIDER, DEREN AURA ZURÜCKHALTENDER PERFEKTION UND RUHIGEN SELBSTVERTRAUENS VON KENNERN UND SAMMLERN WELTWEIT GESCHÄTZT WIRD. DAS ERGEBNIS VON JAHRHUNDERTEN DER HINGABE UND KUNSTFERTIGKEIT.
M
it der Geburt von Jürgen Jürgensen 1745 in Kopenhagen beginnt die Geschichte dieser Uhrmacher dynastie. Sein Sohn Urban Jürgensen (1776 – 1830) trat bald in die Fussstapfen seines Vaters und führte die Marke Jürgensen zu neuen Höhen. König Friedrich VI. von Dänemark gewährte ihm das königliche Privileg, den Hof mit Uhren und die Admiralität mit Chronometern zu beliefern. 1815 wurde Urban als erster Handwerker, dem diese Ehre zuteil wurde, in die Königlich Dänische Akademie der Wissenschaften berufen.
der Name Urban Jürgensen sein besonderes Prestige, ein Zeugnis des guten Rufes unter Uhrenliebhabern.
Urbans zwei Söhne führten die Familientradition fort. Jules studierte in der Schweiz und zog nach Le Locle, während sein Bruder Louis sich um das Werk in Kopenhagen kümmerte. Seitdem hat das Unternehmen je eine Basis in beiden Ländern. Die Inno vationen und die exzellente Qualität von Jürgensens Produktion verhalfen dem Unternehmen zu enormen Einfluss auf die Uhrmacherindustrie im Kanton Neuchatel. Dafür wurde Jules Jürgensen im Jahre 1864 mit der Goldmedaille des Kantons Neuchatel ausgezeichnet. Nach dem Tod Jacques Alfred Jürgensen im Jahre 1912, dem letzten Uhrmacher der Familie, ging das Unternehmen durch mehrere Hände. Dennoch behielt
So mündet unsere Geschichte in diesem schwer fassbaren Etwas, dass Superlative von bloss Aussergewöhnlichem unterscheidet. Wir haben uns aus dem einfachen Grund für die Anwendung alter handwerklicher Verfahren entschieden, dass es kein automatisierter Prozess mit der Vollkommenheit aufnehmen kann, die ein wahrer Kunsthandwerker erreicht. Dies reflektiert unsere Kernphilosophie, dass ein fundamentaler Massstab jeden Unternehmens die Qualität der Entscheidungen ist, die es trifft. Diese Haltung gibt jeder Armbanduhr von Urban Jürgensen eine einzigartige Aura. Eine Uhr für diejenigen, die die allerbesten Dinge im Leben suchen.
Unsere Kollektion verkörpert unsere unbeirrbare Verpflichtung zu Qualität und perfektioniert unser bahnbrechendes UJS-P8 Uhrwerk, das weltweit erste, das eine Chronometerhemmung verwendet. Es verbindet die Marinechronometer und die Uhren von Urban Jürgensen aus dem 18. und 19. Jahrhundert mit der Uhrmacherkunst des 21. Jahrhunderts.
HISTORIE
Heiss: So stellte sich ein französisches Magazin 1896 das mobile Wohnen im 21. Jahrhundert vor
TIEF SITZENDER BEWEGUNGSDRANG DER MENSCH WURDE ERST VOR 10 000 JAHREN SESSHAFT, DOCH IN SEINEM INNERSTEN IST ER IMMER NOCH UNTERWEGS. DIE AFFINITÄT ZU WOHNWAGEN UND REISEMOBIL IST ALSO BEINAHE GENETISCH VERANKERT … Text Stefan Fritschi · Fotos Archiv Norman Clarke, Glenn H. Curtiss Museum, Werk
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er Caravan oder das Reisemobil wurden eigentlich nie erfunden. Es gab sie schon immer. Denn in seiner Frühgeschichte war der Mensch nicht an einem bestimmten Ort beheimatet, sondern folgte seinen Nahrungsquellen. Habseligkeiten nahm er mit sich – gerne auch auf dem Rücken von Ochs, Esel, Kamel oder Pferd. Abgesehen von regelmässig aufgesuchten Höhlen und Hütten kam es erst später zu festen Wohnsitzen oder gar der Bildung von Dörfern. Diese Prägung ist im menschlichen Unterbewusstsein noch immer verankert. Zu Zeiten der diversen Völkerwanderungen von der Antike bis in die Neuzeit wurde mobil gewohnt, auch den Westen Nordamerikas hat man im Planwagen erobert. Die Liste ist lang. Als die Wagen sich ihrer Pferde entledigten und auto-mobil wurden, war es 048 VECTURA #17
mehr als logisch, den einstigen Planwagen an den Kraftwagen zu hängen oder gleich in demselben zu übernachten. Gerade die Auto-Nation USA mit ihren riesigen Distanzen war zur Erfindung des Motorhomes prädestiniert: Man schrieb das Jahr 1910, als Pierce-Arrow den Touring Landau im Madison Square Garden in New York vorstellte. Es ist natürlich möglich und sogar wahrscheinlich, dass schon zuvor jemand auf die Idee gekommen war, ein Auto mit einer Schlafgelegenheit auszustatten. Der Touring Landau hatte aber nicht nur das, sondern verfügte auch über eine Toilette nebst Waschbecken. Im Heck und auf dem Dach fanden sich separate Stauräume. Die im geschlossenen Abteil reisenden Fahrgäste unterhielten sich per Telefon mit dem im Freien
sitzenden und nur von einem Notdach wettergeschützten Chauffeur. Amerikas High Society war entzückt und begab sich fortan im Motorhome auf die «Landflucht» – oft bis in die entlegensten Nationalparks. 1917 wurde der Adams Motor Bungalo Deluxe präsentiert. Firmen gründer G. Carl Adams hatte einen berühmten Schwager – den Rennfahrer, Piloten und Luftfahrtunternehmer Glenn Curtiss. Letzterer entwarf eine Art einachsigen Sattelschlepperaufbau; das Fahrgestell eines Ford Model T wurde beispielsweise so verlängert, dass sich die Hinterachse hinter dem Karosserieaufbau befand, um dort die Aufliegerkupplung anbringen zu können. Ein früher Prospekt warb mit dem Slogan «Gypsie Life Modernized» (modernes Zigeunerleben). Der 3,80 Meter lange Auflieger war aussen grün und innen Eiche dunkel und war mit Küche, Eis-Box, Vorratskammer, Badezimmer, Schränken, Tisch, Stühlen, sechs Schlafplätzen sowie Gasheizung, elektrischer Beleuchtung und fliessend Wasser ausgestattet. Das Dach hatte man mit wasserabstossendem «Fabrikoid» bezogen, die schützend über den Fenstern ausziehbaren Vordächer imprägniert und das ganze Vehikel staubdicht gemacht. Ein Journalist war anno 1923 mit Frau und zwei kleinen Kindern im Motor Bungalo unterwegs – und fasziniert davon, dass der Innenraum trotz einer längeren Regenperiode «knochentrocken» blieb. Und er bemerkte, dass der knapp 400 Kilogramm wiegende Trailer mit Stahlaufbau und Holz-Chassis dank der nach vorne V-förmig zulaufenden Form nur wenig Luftwiderstand bieten würde. Es gab aber auch eine einfachere Version und dieser Motor Bungalo Junior zeichnete sich durch einen faltbaren, zeltartigen Aufbau aus. Die Inneneinrichtung konnte leicht demontiert und der ganze Anhänger so zum Warentransport verwendet werden. Die Adams Trailer Co. hatte mindestens 15 Varianten im Programm (allein fünf für das Camping), die über rund 40 Händler vertrieben und ständig weiterentwickelt wurden. Viele Kreationen dienten allerdings gar nicht dem freizeitlichen Müssiggang reicher Städter, sondern waren zweckmässige Auf- und Ausbauten für Baustellenarbeiter, Schausteller, Zirkus-Angestellte, Wanderprediger oder fahrende Künstler. Logischerweise gingen nicht alle Erbauer so professionell zu Werke wie Adams und Curtiss. Manche Vehikel entstanden in Hinterhöfen oder Werkstätten und waren mehr oder weniger perfekt ausgetüftelt. Auch ein gewisser Wally Byam erkannte, dass sich das Leben der 1920er- und 1930erJahre zunehmend auf dem Highway abspielte. Als junger Schafhirte hatte er draussen bei seinen Tieren in einem mit Kerosin ofen, Schlafsack und Wascheimer ausgestatteten zweirädrigen
Mehr Kutsche als Wohnmobil: Pierce-Arrow Touring Landau
Obwohl das Motorhome als amerikanische Erfindung gilt – das eigentliche Caravaning kommt aus England
Ford T und Beichtstuhl inklusive: Little Chapel on tour, ca. 1920
Nicht kleckern: sieben Tonnen schwerer Wohnanhänger von 1907
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bei gleichzeitiger Stabilität angesichts der teils geringen Motorleistungen der Autos jener Tage ein Muss war. Ab 1925 startete schliesslich die Serienproduktion des Car Cruiser, welcher vom Wasserkanister über Teekannen bis hin zu Porzellantellern oder Eierbechern hervorragend ausgestattet war. Fleming machte mit seinem Produkt eine 21-tägige Tour nach Marseille, Tunis und Kairo und wieder zurück, um die Qualität unter Beweis zu stellen. Die Produktion endete 1952, aber das Hymer-Museum (siehe S. 126 ff.) hat noch ein Exemplar von 1932 in seiner Sammlung.
Findiges Konstrukt: Adams Motor Bungalo Deluxe vor …
Wagen übernachtet. Das prägte, und so begann er später, aus Faserplatten grössere Wohnanhänger herzustellen, bis er auf den von Hawley Bowlus entwickelten «Road Chief» aus genietetem Aluminium traf, der notabene heute wieder produziert wird (siehe VECTURA #7). Byam leitete davon seinen «Clipper» ab, gründete eine Firma und nannte sie «Airstream Trailer Co.» – ein amerikanisches Markenzeichen war geboren! Nebst dem berühmten Trailer entstand ab 1974 auch das Argosy-Motorhome mit gleicher unlackierter Alu-Optik oder in Wunschfarbe. In den 1990ern wechselte Airstream dann von Aluminium auf eine konventionelle Kunststoffschalenbauweise, um mit anderen US-Ikonen wie Fleetwood oder Winnebago Schritt halten zu können. Nordamerikanische Wohn mobile und Caravans sind erwartungsgemäss besonders gross und werden auch RV (für «Recreational Vehicle») genannt. Auch wenn das Motorhome als amerikanische Erfindung gilt – das eigentliche Caravaning haben die Engländer entdeckt. Bereits 1907 gründeten sie den ersten «Caravan Club of Great Britain and Ireland», dessen Mitglieder mit Sicherheit noch nicht alle motorisiert waren; die meisten der teilweise luxuriös ausstaffierten Wohnwagen dürften noch von Pferden gezogen worden sein. Zu den Pionieren der Vereinigung gehörte ein gewisser C. Fleming-Williams, der 1920 im Garten seines Londoner Wohnhauses den ersten «Car Cruiser» zusammenbaute. Als ehemaliger Kriegspilot orientierte er sich logischerweise an Flugzeugkonstruktionen, weil Leichtbau
… und nach dem Aufstellen. Sieht doch sehr gemütlich aus!
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Im Laufe der Jahrzehnte sind immer mehr nationale CampingKulturen entstanden. Der Caravaning-Beginn im Autoland Deutschland war ein romantischer: Fridel Edelmann, die Kunstmalerin und Verlobte des Reitstock- und Peitschenvertreters Arist Dethleffs, wollte während seiner langen Geschäftsreisen in seiner Nähe sein und wünschte gemäss Tagebucheintrag vom 6. Oktober 1924 ein «Wohnauto», um ihren Gatten begleiten und gleichzeitig ungestört malen zu können – Letzteres auch gerne im Freien. Allerdings war das 1931 kurz nach der Hochzeit präsentierte Ergebnis kein Wohnmobil, sondern ein Caravan, der an das Dethleffsche DKW Cabrio angekoppelt wurde. Der Wohnwagen war mit einem Hubdach ausgerüstet, um bei heissem Wetter die Luftzirkulation zu verbessern. Von der Familie – 1933 kam Tochter Ursula auf die Welt – sehr intensiv genutzt, erzeugte das Gespann überall viel Aufsehen und Kaufinteresse. Weil Reit-Zubehör keine Zukunft mehr hatte, kam eine neue Geschäftsidee wie gerufen. Die mit dem Wohnauto gemachten Erfahrungen flossen in den ersten Wohnwagen ein, der 1932 als «Tourist» auf den Markt kam. 1936 hatte Dethleffs bereits sechs Angestellte, welche den stromlinienförmigen Aufbau mit Holzgerippe aus gewölbten Spanten zusammenbauten. Es war der bescheidene Anfang einer bis heute existierenden Marke, die 1983 auch auf den wachsenden Markt für Reisemobile eingestiegen ist und 2011 ihr 80 000stes Wohnmobil gebaut hat. Das Wohnauto, mit dem alles anfing, hat zwar nicht überlebt. Im Hymer-Museum ist allerdings eine Replica zu sehen, die Dethleffs-Lehrlinge 1974 anhand noch erhaltener Konstruktionspläne realisierten. Die Trennung zwischen Wohnmobilen und Wohnwagen war schon seit Anbeginn vorhanden, aber die Vorzeichen und Hintergründe haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Wohnwagen waren einfacher zu realisieren und es gab entsprechend viele Bausätze oder Eigenbauten, während die ersten Wohnmobile wie der Pierce-Arrow reinste Luxusgüter gewesen sind. Darum blieben Motorhomes zugunsten des billigeren Wohnwagens lange Zeit in
HISTORIE
der Minderheit, hüben wie drüben. Die Preisspanne reicht heute vom niedrigen fünfstelligen Bereich für spartanisch-variable Mini vans bis in deutlich siebenstellige Sphären für über 20 Tonnen schwere Luxus-Trucks mit eingebauter Cabriolet-Garage, Mahagoni-Echtfurnier, Whirlpool oder Wasserbett. Die bedeutende Wohnmobil-Revolution kam vor über 60 Jahren in Gestalt des VW-Bus. Ein in Deutschland stationierter britischer Offizier wollte seine aus der Heimat bekannte Camping-Tradition ausleben und bestellte 1951 beim Anhänger-Hersteller Westfalia in Rheda-Wiedenbrück eine Arbeits-, Schlaf- und Wohneinrichtung für seinen VW T1 – natürlich mit Rüschchen-Vorhängen und Karo muster-Bezügen. Das Ergebnis war so überzeugend, dass die «Camping Box» bald serienmässig hergestellt und vertrieben wurde. Das kompakte Wohnmobil war geboren und 1959 konnte bereits der 1000ste VW-Ausbau gefeiert werden. Danach hat man VW T1 und T2 zu Zehntausenden ausgebaut; 1979 erschien dann der Joker genannte Aufbau auf T3-Basis – er wurde ein weiterer Bestseller. Genauso erging es den grösseren «Sven Hedin»-Modellen auf VW LTund den «James Cook»-Serien auf Mercedes-TN-Basis. Aber nur der VW-Bus eignete sich kraft seiner geringen Abmessungen als Alltagsfahrzeug, das den Zweit- oder sogar den Erstwagen ersetzen konnte. Das war neu und sorgte in Europa für den Durchbruch der WoMos, die sich auch in Frankreich grosser Beliebtheit erfreuen: Chausson oder Pilote gehören dort mittlerweile zu den Marktführern. Ein weiteres frühes Beispiel europäischer Reisemobilität war der Hymer Caravano auf Basis des Borgward-Lieferwagens B 611 — allerdings auch ein grosser Misserfolg. Der 2,5-Tonner bot vier Schlafplätze, war mit reichlich Limba-Furnier auch sehr heimelig ausgestattet und mit 5,1 Meter Länge nicht mal zu gross. Drei Varianten wurden geplant – eine mit Hecksitzgruppe, die zweite mit Waschraum samt ausklappbarem Spülbecken und Toilette sowie der vom Heck her betretbare Caravano 3, dessen Sitzgelegenheiten hinter dem Fahrerhaus und andere Elemente links wie rechts des Korridors gruppiert waren. In allen Fällen vergrösserte ein Hubdach die Innenhöhe um 30 auf 185 Zentimeter. 1961 wäre der grossräumige Caravano in der Alten Welt noch eine echte Pio niertat gewesen, obwohl der avisierte Preis von 19 105 Mark in einer für viele unerschwinglichen Höhe lag. Die Prospekte waren bereits gedruckt, als es zur Katastrophe kam: Nach nur drei gebauten Caravano schlitterte Fahrgestell-Lieferant Borgward in die Pleite. Von diesem Schock musste sich Hymer erst einmal erholen und liess das Thema Wohnmobil viele Jahre ruhen.
Mittlerweile haben sich die Zeiten geändert. Nicht nur der VW-Bus hat aus der eingeschworenen Wohnmobil-Branche einen Massenmarkt gemacht, auch andere Hersteller wie Fiat (Ducato), Ford (Transit), Mercedes (TN, Sprinter), Renault (Trafic) oder Citroën/ Peugeot haben das getan. Sie und weitere dienen den Motorhome-Produzenten als flexible Basisfahrzeuge, die entweder ausoder zu teilintegrierten Reisemobilen (den sogenannten «Nasen bären») umgebaut werden. Eine halbe Klasse darüber rangieren die Vollintegrierten – rollende Behausungen aus einem Guss mit maximalem Wohnwert, weil ihre Fahrerkabine mit Drehsitzen und klappbarem Doppelbett darüber noch besser in den Innenraum integriert ist. Die genannten Bauformen zeichnen sich durch Pw-artige Fahreigenschaften aus, während ehemalige Lieferwagen wesentlich rustikalere Charaktere aufweisen, deshalb auch von Frauen nur ungern gefahren wurden und – abgesehen von der HardcoreGlobetrotting-Szene – weitgehend verschwunden sind. Der Begriff «Wohnmobil» wird von Herstellern indes weit weniger genutzt als früher – denn die Frage nach Wohnwagen oder Reise mobil hat sich mittlerweile schon im Namen herauskristallisiert. Der Wohnwagen empfiehlt sich als preisgünstigere Lösung, die an einer schönen Stelle geparkt werden kann, um von dort aus mit dem Auto die Umgebung zu entdecken. Also mehr etwas zum Bleiben, wogegen das Reisemobil zwar teurer ist, aber eine viel mobilere und beweglichere Basis bietet als der Wohnwagen. Auch das Gespannfahren ist nicht jedermanns Sache. Zwei verschiedene Philosophien also. Die Schweizer Wohnwagen-Verkaufszahlen sind in den letzten Jahren stabil geblieben und der Bestand hat sich bei rund 32 000 Einheiten eingependelt, sprich: Der Caravan ist unverändert beliebt. Der Boom fand bei den Reisemobilen statt. Dort wuchs die Zahl von 17 000 Anfang der 1990er-Jahre auf rund 40 000 zu Beginn der 2010er-Jahre. 2014 wurden hierzulande 3100 Wohnmobile, aber nur 1500 Wohnwagen verkauft, während die Caravaning-Branche insgesamt jährlich mehr als 200 Mio. Franken umsetzt. Was einst als Luxusspielzeug weniger Wohlhabender begann, ist heute allgegenwärtig – und auch hierzulande ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden.
Danke schön! Ohne die Hilfe von Norman Clarke wäre die Bebilderung dieses Beitrags schwierig geworden. Norman sammelt alte Automobil-Reklame, die er in limitierter Buchform veröffentlicht, z.B. «Vintage Advertising – Old Automobiles», 536 Seiten, über 900 Abb., bei www.mosaicbooks.org
Reift demnächst zum begehrten Klassiker: 1973er Winnebago Brave
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STANDPUNKT
JENSEITS VON FERNWEH
ALLER REISELUST ZUM TROTZ: WOHNMOBILE BERGEN ERINNERUNGEN, AUF DIE MANCHER, DER SIE ERLEBT HAT, GUT VERZICHTEN KÖNNTE
Text Wolfgang Peters
Es gibt Erlebnisse in jüngeren Jahren, die geben Wege vor, die man später geht und von denen keiner weiss, warum er auf ihnen unterwegs ist. Es sind diese Prägungen, von Eltern, Geschwistern, Freunden, von Büchern und Filmen und von Tieren, mit denen man aufwächst. Wir haben in der Familie immer eng mit Autos gelebt und bei mir haben diese Begegnungen vor allem das Mobilitätsverhalten entscheidend beeinflusst. Sowohl in positivem als in negativem Sinne, schwache Charaktere wie ich reagieren ja sehr nachhaltig auf äussere Einflussnahme. So bejahe ich grundsätzlich das Fahren in jedwedem Porsche. Ein Freund der Familie führte ein ganzes Leben mit den Fahrzeugen dieser Marke, das verbindet. So lernte ich zwar den Porsche lieben, entfernte mich jedoch aufgrund einiger unerwarteter und unschöner Ereignisse, womöglich vorschnell, von Wohnwagen und -mobilen. Und wies über viele Jahre hinweg den Aufenthalt in einem dieser Gefährte sofort, vielleicht etwas zu brüsk, zurück. Keine dieser Erscheinungen unserer grenzenlosen Mobilität konnte mich während meiner Zeiten der Abwesenheit von Altersschwierigkeiten überzeugen. Das hat sich jüngst geändert. Nun wird man im Alter in seinen Ansichten nicht immer nur strenger – bei mir tritt offenbar so etwas wie Altersmilde ein und nun betrachte ich die Wohnmobilbewegung mit mehr Nachsicht denn je. Womöglich war es dieser Mangel an Altersmilde, der mich vor Jahren dieser Form des Reisens abschwören liess. In dieser Zeit wählte ich mir gerne für Familie und Hund ein Wohnmobil für die angeblich schönste Zeit des Jahres. Es klingen doch auch verlockend die Worte der Freiheit und der Unabhängigkeit und vor den Sehnsuchts-Augen entstehen Bilder geordneter Einsamkeit: ein romantischer Sonnenuntergang, ein ruhendes Meer, das Tischchen am Strand mit zwei gut gefüllten Gläsern – Motive, die jeder gerne im Herzen trägt. Die Wirklichkeit freilich sah häufig anders aus. Schon die Präparierung des Fahrzeugs in der häuslichen Garageneinfahrt gereichte zu körperlicher Anstrengung. Vor dem Eintritt ins mobile Leben gibt es viel zu erledigen: Die Küche auf Rädern will mit Töpfen, Pfannen und Tellern bestückt werden. Fünf Reisende benötigen fünfmal Bettzeug, Handtücher, Toilettenartikel. Ein Grundstock an Lebensmitteln und Getränken (was, wenn es dort keinen Winzer gibt?) ist zu verstauen. Fahrräder sind zu verzurren, Tassilo will sein Surfbrett und Klara die Stofftiere mitnehmen. Stühle zum Klappen und der Tisch zum Schrauben für draussen. Ein Sonnenschirm. Und dann das Gestänge für die grosse Markise und die Luftmatratzen. Wo viel Platz ist, da wird viel gebunkert. Ich war durchgeschwitzt und urlaubsreif. Die grosse Freiheit ist der übliche Antrieb. Ob Wohnmobil oder Caravan – alle sind auf der Suche nach dem Ende der Städte. Wo, bitte, geht es zur Natur? Aufatmen ohne Krawattenzwang, stattdessen drei Wochen kurze Hosen und Hawaiihemd. Jetzt ran an die gute Luft, hörst Du das Meer? Oder rauf auf die Berge, auf der Alm, da schreit kein Kind. Hinter uns die zivilisatorische Sintflut, getrennte Müllsammlung, unnötiger Komfort, nun also endlich das einfache Leben in der Freiheit auf Abruf – doch ganz so einfach ist das nicht: 052 VECTURA #17
Wo ist der Wassertank und wie wird der gefüllt? Abwasser gibt es auch, ja, der Ablauf ist hier unten irgendwo, die Gasflaschen sind hoffentlich gefüllt, das Aufrufen des Heizprogramms ist anspruchsvoller als das schwierigste Sudoku und wie lange hält die Batterie, wenn die Satellitenantenne und der Flatscreen dranhängen? Der Abschied von der Reihenhaussiedlung ist ein Triumph. Und wir sind die Sieger. Auf der Autobahn treffen wir nur Sieger. Alle wollen das, was wir wollen, aber wir haben online am Strand reserviert. Nur das Verlängerungskabel an unserem Stellplatz ist etwas zu kurz. Dann wird alles dunkel, der nette Nachbar zieht zu später Stunde ohne Warnung meinen Stecker aus einem seiner Anschlüsse. Die törichte Verwechslung eines Reisemobil-Novizen. In der ersten Nacht auf dem Campingplatz an der Ostsee fallen kleine Wasserfälle vom Himmel. Regen auf dem Kunststoffdach klingt romantisch. Das Oberlicht leckt ein bisschen und die Markise haben wir am Abend natürlich nicht eingerollt, am Morgen hängt sie gefährlich durch. Wir holen sie runter, gefühlte tausend Liter Regenwasser stürzen auf mich, die erfahrenen Nachbarn fallen vor Lachen fast aus den Stühlen. Alles sehr komisch hier. Ich nehme ein Handtuch und stolpere über den Sandstrand zum Meer. Ja, der frühe Camper erfrischt sich mit einem Bad in den Wogen gern allein. Da liegen schon drei rostbraune Frauen hinter der Düne, sie tragen nur den milden Wind des Morgens und richten sich bei meinem Anblick etwas auf. Alles verrutscht an ihnen. Ich marschiere mit gesenktem Blick vorbei und eine brüllt mir nach: «Das heisst guten Morgen, junger Mann!» Das war zwar eine Schmeichelei, aber Urlaub mit dem Wohnmobil war erst mal gestorben. Es wurde dann doch noch ganz nett, denn wir entdeckten eine unterbesetzte Pension, fantastischer Blick aufs Wasser, reinliche Zimmer, herrliche Betten, wunderbare Bäder, eine schöne Stube mit Frühstück und gleich dabei ein hübsches Restaurant. Wir blieben zwei Wochen, kehrten gut eingefärbt zurück und erzählten mit grosser Begeisterung von unserem Urlaub mit dem Wohnmobil. Vielleicht liegt mein Problem im Charakter des Motorhomes. Es ist nämlich ein fauler Kompromiss. Einerseits wird Abschied genommen, in der Ferne locken das Neue und unbekannte Herausforderungen. Gleichzeitig trägt das Wohnmobil alte Gewohnheiten mit sich, Komfort fast wie daheim, alles ist wie sonst, nur komplizierter. Obendrein ist Urlaub auf Rädern keine billige Sache: Wer ein Wohnmobil kauft, der könnte für diese Summe viele Freizeitjahre im Hotel wohnen. Aber ums Sparen geht es den überzeugten Caravanern nicht. Sie wollen gerade diese Nähe zum Regen in der Nacht, zu den Grillfeuern der Nachbarn und zum Gedränge auf den Übernachtungsplätzen. «Es ist doch alles so schön hier», sagte der Nachbar und rief in die gute Stube hinein: «Ach Mutti, mach doch die Tür zu, ich kann das nicht ertragen, wenn Du mit den Kartoffeln und den Schnitzeln so schuftest.» Es ist doch alles so wie daheim. Nachsicht haben sie verdient, die Caravaner, das meint meine Altersmilde. Aber mitmachen muss ich nicht mehr. Dann lieber wieder auf die Berghütte. Ohne Strom und mit Wasser aus der Quelle.
M ESUR E ET D ÉMESUR E *
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SHOWROOM
EINER CAMPT IMMER ES GIBT ZWAR AUTOMOBILHERSTELLER, WELCHE REISEMOBILE ANBIETEN. DIE MEISTEN VERKAUFEN DIESE FAHRZEUGGATTUNG JEDOCH ÜBER ZWISCHENHÄNDLER – ODER KÜMMERN SICH ZUMINDEST UM DIE BEDÜRFNISSE DER WOMO-PRODUZENTEN. MASSGESCHNEIDERTE LÖSUNGEN KOMMEN DAGEGEN VON DARAUF SPEZIALISIERTEN FIRMEN. WER NICHT VIEL GELD AUSGEBEN WILL UND BEREITS EINEN PICK-UP ODER VAN SEIN EIGEN NENNT, KANN EIN MODUL AUFSETZEN ODER SELBST AUSBAUEN. MERKE: ES GIBT VIELE MÖGLICHKEITEN, MOBIL ZU WOHNEN – HIER SIND DIE POPULÄRSTEN Text Stefan Fritschi, sl, map · Fotos Werk
Neue Heimat: Park&Sleep für Einsteiger Grosse Reisepläne, aber nur ein kleines Budget? Natürlich tut es ein alter Kombi mit Isomatte und Schlafsack, wenn man jung und flexibel genug ist – körperlich wie mental. So gesehen ist jedes Auto ein Wohnmobil; die Ausrüstung ist zunächst eine Frage des Anspruchs. Geld kommt erst bei der zur Verfügung stehenden Grösse oder bei aufwendigen Spezialaufbauten ins Spiel. Faustformel: je geräumiger und/oder komplexer, desto teurer. Vor finanziellen Verausgabungen sollte jedoch erst einmal festgestellt werden, ob man überhaupt Spass an der Camping-Mobilität hat. Die hier präsentierten Lösungen bieten verschiedene Ansätze, genau dies herauszufinden.
STUDENTENWOHNHEIM: NISSAN NV200
Der japanische Hersteller will den 4,72 Meter kurzen, 1,73 m schmalen Minivan NV gar zum Welt-Taxi machen (siehe VECTURA #5) – bisher mit mässigem Erfolg. Zuletzt war eine Camping-Studie zu sehen, die sich nicht zuletzt auch Wohnungssuchenden als umparkbares Domizil anbietet. Oder als mobile Ausnüchterungszelle für Grossanlässe. Dass sich das reale Angebot solch karger Unterkünfte in Grenzen hält, mag an der überschaubaren Nachfrage liegen. www.nissannews.com
054 VECTURA #17
BASISLAGER: VW CADDY FAMILY BEACH
VW liefert den Hochdach-Pw und den 47 cm längeren Caddy Maxi werkseitig auch als Beach-Version – für raue Gegenden und auf Wunsch auch mit Allradantrieb. Das ab 22 000 Franken teure Auto bietet (teilweise gegen Aufpreis) ein Klappdoppelbett, Gardinen für Front- und Seitenscheiben, Stautaschen, Taschenlampen, Faltstühle, Tisch, Moskitonetz und ein rund 4,5 Kubikmeter grosses Zelt für die Heckklappe. Jetzt noch die Kühltasche füllen, den Gaskocher einpacken, und der Alltags-Caddy wird mit wenigen Handgriffen zum rollenden Homebase. Höchstens zum Duschen muss man ab und zu einen Campingplatz ansteuern. www.vw-nutzfahrzeuge.ch
WUNDERWÜRFEL: QUQUQ-KOMBIBOX
Wer einen Kastenwagen sein Eigen nennt und plötzlich vom Fernweh übermannt wird, findet beim deutschen Ausrüster Ququq eine Kombi-Box oder eine Bus-Box. Erstere passt in Fahrzeuge von Dacia Dokker über Opel Combo bis VW Caddy, Letztere ist für die Kategorie Fiat Ducato, Mercedes Sprinter oder VW T4 bis T6 gedacht. Die Kiste braucht zuhause weniger als einen Quadratmeter Standfläche, ist 60 bis 75 Kilo schwer und kann in Minutenschnelle ohne Umbauten oder Bohrungen am Fahrzeug im Laderaum verstaut werden. Enthalten sind eine Küche mit Gasherd, Kühlbox, Geschirr, Frisch- und Abwassersystem sowie ein Klappbett für zwei. Mindestens 2700 Franken wollen dafür investiert werden – günstiger ist ein Reisemobil nun wirklich nicht mehr zu bekommen … www.ququq.info
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SHOWROOM
Backpacker: der Pick-up als Teilzeit-Behausung Wer sich einen Pick-up kauft, hat entweder einen handfesten Beruf oder ein ebensolches Hobby, das Allradantrieb und Bodenfreiheit verlangt. Wieso nicht auch beim Verreisen? Ein aufsattelbarer Wohnmobilausbau braucht keine Veränderungen am Basisfahrzeug und – sowohl unterwegs als auch geparkt – relativ wenig Platz. Ausserdem lassen sich Exkursionen vor Ort auch ohne den «Rucksack» bewältigen. Besonders günstig ist diese Form der Wohnmobilität allerdings nicht; für eine startklare Kabine wollen plus/minus 30 000 Franken bereitgehalten werden. Zu den Basisfahrzeugen zählen Pritschenwagen wie der Ford Ranger oder die 90er-, 110er- und 130er-Varianten des aktuell
ALLROUNDER: MITSUBISHI L200
Nach neun Jahren ersetzte Mitsubishi kürzlich den weltweit im Einsatz stehenden robusten Pick-up L200 durch eine fünfte Generation. Die soll nicht nur Gewerbetreibende, sondern auch aktive Freizeitsportler und Familien locken. Zu haben ist der 5,29 m lange L200 wahlweise in den zwei Kabinengrössen Club und Double, Letztere mit vier oder fünf Sitzplätzen, sowie in bewährter Leiterrahmen-Bauweise. Der ebenso neue wie sparsamere 2,4-L-Diesel leistet entweder 154 oder 181 PS, optional gibt es einen Fünfstufen-Automaten. Nebst wahlweise zuschaltbarem oder permanentem Allradantrieb verfügt der L200 über moderne Fahrprogramme und Assistenzsysteme, dazu kommen mehr Komfort und Lifestyle. Preis inklusive fünf Jahre Garantie: ab CHF 27 500.–. Aufgesetzt werden können dann massgeschneiderte Kofferkabinen, die von Spezialfirmen kommen. Ab 2016 gibt es den Japaner übrigens auch mit Fiat-Label unter der Bezeichnung Fullback. www.mitsubishi-motors.ch www.fiat.ch
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auslaufenden Land Rover Defender; an Alternativen mangelt es derweil nicht: Renault will ab 2017 mit dem Nissan-basierten Alaskan ein solches Mehrzweckmobil mit einer Tonne Nutzlast lancieren und Mercedes wird mit einem eigenen Navara-Ableger folgen. Etwas weiter als der Wettbewerb geht Ausbauer Bimobil, der die Ladefläche abnehmbar gestaltet und so für seine beispielsweise rund 500 Kilo schwere Wohnkabine Husky 220 mehr Platz schafft. Das Auf- und Absetzen soll dank Wechselsystem leicht von einer Person bewerkstelligt werden können. www.bimobil.com
CAPTAIN FUTURE: NISSAN NP300 NAVARA
Die 1986 eingeführte Navara-Baureihe rollt Ende Jahr komplett neu in vierter Generation sowie unter der Zusatzbezeichnung NP300 an. Das mit Ecken und Kanten vergleichsweise spacig gestylte Fahrzeug verfügt über ein klassisches, zum Hinterradantrieb zuschaltbares Allradsystem inklusive Geländereduktion und Bergabfahrassistent. Wahlweise stehen Schalt- und Automatikgetriebe zur Verfügung; zwei neue 2,3-L-Turbodiesel mit moderner Twinturbo-Aufladung leisten 160 PS/403 Nm und 190 PS/450 Nm. In die Schweiz kommt der NP300 als King Cab und Double Cab mit jeweils modernem Cockpit im SUV-Stil, bei Letzterem mit hinteren Schraubenfedern. Die Preise bewegen sich zwischen 28 690 und 46 190 Franken. Als Zubehör ist auch ein bedingt Camping-tauglicher Dachaufsatz erhältlich; alles andere will bei Nachrüstern gekauft werden. www.nissan.ch
TOUGH STUFF: VW AMAROK Dieser Pritschenwagen (siehe linke Seite oben) ist weit mehr als ein Nutzfahrzeug – Volkswagen setzt beim 5,25 m langen Pick-up auf Abenteuerlust und bietet ihn in diversen Ausstattungen für verschiedenste Zwecke an. Mit ausgesuchten Farben und speziellen Ausstattungsdetails wird die Baureihe zum Spielzeug für das Kind im Mann. Antriebstechnisch sorgen Turbodiesel-Motoren mit 140 und 180 PS, Hinterrad- oder Allradantrieb, Geländereduktion, ein manuelles Sechsgang-Schalt- oder Achtstufen-Automatikgetriebe für Fortkommen unter fast allen Bedingungen; ab 27 745 Franken ist man dabei, und die Beliebtheit der Baureihe hat in der Schweiz dazu geführt, dass sich TuningUnternehmen wie Storm72 auf individuelle Umbauten spezialisiert haben. www.volkswagen.ch
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GOLDRAUSCH: FORD NUGGET Für die Ausbauer von Westfalia zählt der Transit seit drei Jahrzehnten zum Repertoire – mit kontinuierlichem Erfolg. Ergo wird auch die 2014 eingeführte siebte Modellgeneration zum Nugget veredelt: Als Basis dient der Custom Combi, den es erstmals wahlweise mit Hoch- oder Aufstelldach gibt. Letzteres hat den Vorteil, dass in geschlossenem Zustand von aussen nicht ersichtlich ist, ob hier gerade übernachtet oder nur geparkt wird, während ein aufgestelltes Dach ausserhalb von Campingzonen womöglich Argwohn verursachen kann. Die Besonderheit beim Nugget ist das Zwei-RaumKonzept (siehe auch S. 132). Antriebstechnisch werden Benzin- und Dieselmotoren angeboten; neben dem Heck- gibt es neuerdings auch Allradantrieb. Auf der Schweizer Ford-Homepage ist der Nugget zwar nicht zu finden, doch bieten Händler hierzulande ebenfalls Reisemobil-Umbauten an, beispielsweise den Campérêve aus Frankreich. www.campereve.fr www.ford.ch
EDELMANN: MERCEDES MARCO POLO Der Marco Polo auf V-Klasse-Basis zeigt mit Schiffsboden, hellen Oberflächen im Farbton Porzellan, Drehsitzen, Kühlbox oder einer Einbauküche in Piano-Optik, wie Edelreisen aussehen kann. Ein Highlight ist das 203 mal 113 cm grosse Einzelbett, das sich per Knopfdruck innert Sekunden aus den rückwärtigen Sitzen formt. Dabei wird Luft aus den Sitzwangen abgelassen und die Gurtschnallen entfernen sich diskret. Ein weiteres, praktisch gleich grosses Bett steht unter dem Hubdach zur Verfügung. Der ebenfalls von Westfalia konzipierte Marco Polo ist optional mit 4WD lieferbar, passt dank 1,98 Meter Höhe sowohl in Tiefgaragen als auch Waschanlagen und lässt dank seiner Pw-artigen Fahreigenschaften vergessen, dass man eigentlich Wohnmobil fährt. Für knappe Budgets ist der Luxusliner allerdings weniger gedacht. www.mercedes-benz.ch
BAUKASTEN1: FIAT DUCATO UND CO. Was für Sportwagenfans ein Aston Martin oder Lamborghini, ist für Wohnmobilisten das technisch nahezu baugleiche Trio aus Fiat Ducato, Citroën Jumper und Peugeot Boxer: ein Traumfahrzeug. Wirklich? Ja, denn nebst dem deutlich kleineren VW-Transporter hat diese Mehrmarken-Baureihe den Reisemobil-Sektor in Europa seit 1982 regelrecht beflügelt – weil sie auch schmalen Portemonnaies den Einstieg ins Teilzeit-Nomadentum und eine Wendigkeit erlaubt, die nicht überall aneckt. Damals hiessen volksnahe, Ducato-basierte WoMos noch Alfa Romeo AR6, Talbot Express, Citroën C25 oder Peugeot J5. Ihre Nachfahren Ducato, Jumper und Boxer sind ungleich flexibler: In dritter Generation sind diese Kastenwagen grösser denn je und bieten dank verschiedenster Radstände sowie Dachhöhen diverse Auf- und Umbaumöglichkeiten mit Stehhöhe, richtigem Duschbad und vollwertigen Betten. Da gibt es Alkoven-Modelle, aber auch ChassisKabinen mit oder ohne Rückwand für teilintegrierte Lösungen (mit Hub-Bett) – oder eben ganz ohne Fahrerkabine für die sogenannten Vollintegrierten, bei denen vom ursprünglichen Fahrzeug äusserlich nichts mehr zu sehen und noch mehr Komfort angesagt ist. Kurz: Der Phantasie sind bei dieser Fahrzeuggattung keine Grenzen gesetzt. www.citroen.ch www.professional.peugeot.ch www.fiatprofessional.ch
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BAUKASTEN 2: EINE NUMMER GRÖSSER MIT NISSAN, RENAULT UND OPEL Diese drei Hersteller laufen seit Ende der 1990er-Jahre im Gleichschritt, wenn es um leichte Nutzfahrzeuge geht. Renault Trafic/Master, Nissan Primastar/NV400 und Opel Vivaro/ Movano sind genauso wie Ducato und Co. fast baugleich und in einer Unzahl von Variationen erhältlich, was sie bei spezialisierten Umrüstern so beliebt macht. Auch wenn die Markenhändler selbst keine WoMos anbieten, so ist doch die Palette gross. Allein Renault nennt auf seiner Homepage nicht weniger als 13 sogenannte «Reisemobil-Partner», die sich um den Wohnbereich kümmern. Die Franzosen betonen gerne, dass man die Bedürfnisse der Anbieter und ihrer Endkunden sehr genau kenne und immer wieder kleinere Optimierungen an seinen Basis-Modellen vornehme. www.renault.ch www.opel.ch www.nissan.ch
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Dank Bionik 25 Prozent leichter als konventionelle Autos: EDAG Light Cocoon
ABSCHAUEN BEI DER SCHÖPFUNG AUTOS MIT FISCHFORM, FLUGZEUGRÜMPFE MIT HAIHAUTARTIGER FOLIERUNG, SELBSTREINIGENDE OBERFLÄCHEN NACH DEM LOTUS-PRINZIP – DIE BIONIK WIRD IMMER ÖFTER ZUM IDEENGEBER FÜR DESIGNER UND ENTWICKLER. DANK SPEZIELLER 3D-DRUCKVERFAHREN ERÖFFNEN SICH AUCH FÜR AUTOBAUER NEUE HORIZONTE Text Thomas Imhof · Fotos Daniel Aeberli, Werk
G
laubt man Thomas Speck, seit 2006 Inhaber des Lehrstuhls für Botanik, funktionelle Morphologie und Bionik an der Universität Freiburg, «stehen wir erst am Rande des Ozeans und haben vielleicht einen Fuss im Wasser». Der vielfach preisgekrönte Biologe – er ist zugleich Direktor des Botanischen Gartens der Breisgau-Metropole – ist so etwas wie der Daniel Düsentrieb der Bionik und sich sicher: Erst ein Bruchteil dessen, was die Natur anzubieten hat, konnte bislang von Forschern der verschiedenen Disziplinen so genutzt und adaptiert werden, dass es für den Menschen von Nutzen ist. Von geschätzt sieben bis 15 Millionen auf der Erde vorhandenen Lebensarten seien bislang vielleicht 1000 bis 2000 auf ihr bionisches 062 VECTURA #17
Potenzial untersucht worden, schätzt Speck. Immerhin seien jedoch schon heute in über 90 Prozent aller in Deutschland gebauten Autos solche Bauteile, die mit am Karlsruher Institut für Technologie entwickelten Bionik-Methoden gewichts- und form optimiert worden sind. Auch in der Schweiz sorgen Bionik-Forscher immer wieder für verblüffende Innovationen – zum Beispiel Regine Schwilch, die am Bionikzentrum Luzern eine Surfbrett-Finne entwickelte, welche nach dem Vorbild einer Buckelwal-Brustflosse geformt und vorrangig für wenig geübte Surf-Einsteiger gedacht ist. Bei Tests auf dem Vierwaldstättersee staunte Olympia-Fahrer Richard
TECHNIK
Stauffacher: «Ich kann das Board bis zu acht Grad steiler anwinkeln, ohne dass ein ‹Spin-out› (wenn das Brett seitlich weggleitet, vor allem bei Fahrten gegen den Wind) auftritt.» Eine Forschergruppe der ETH Zürich unter Leitung von Wendelin Stark entwickelte einen Schutz für Bankomaten, der sich am Abwehrmechanismus des Bombardierkäfers orientiert. Das Insekt vermischt bei Gefahr zwei Chemikalien und verspritzt dann eine ätzende Flüssigkeit. Übersetzt auf den Bankomaten wird Vandalen oder Räubern bei Beschädigungsversuchen der Schutzfolie ein blau eingefärbter, 80 Grad heisser Schaum mit künstlichen DNATeilchen entgegengeschleudert, die auf der Haut noch Monate später nachweisbar sind. Bionik ist ein Kofferwort – zusammengesetzt aus BIOlogie und TechNIK. Angewandt wird die Technologie vor allem in der Archi tektur, Medizin, Robotik, im Schiffs- und Flugzeugbau sowie spätestens seit den 1990er-Jahren auch in der Automobilindustrie – einer im Umbau befindlichen Branche. Die Natur zum Vorbild zu nehmen, ist derweil eine uralte Idee. Als Urvater der Bionik gilt das Universalgenie Leonardo da Vinci (1452–1519). Schon 1505 versuchte der Italiener, die Prinzipien des Vogelflugs auf seine Flugmaschinen zu übertragen. Überliefert ist sein Satz: «Beobachte das Schwimmen der Fische im Wasser, und du wirst den Flug der Vögel in der Luft begreifen.» Auch Otto Lilienthal und die Gebrüder Wright liessen sich von den Herrschern der Lüfte inspirieren. Auch die «Winglets» an den Tragflächenenden vieler moderner Jets sind von den langen fächerförmigen Schwungfedern des Albatros abgekupfert – sie glätten Querverwirbelungen und sparen so gut fünf Prozent Kerosin ein. Vor über 130 Jahren orientierte sich bereits Antonio Gaudí an natürlichen Vorbildern beim Bau der bis heute unfertigen Sagrada Familia in Barcelona – hier standen Baumstrukturen und Ammoniten Pate für seine Turm- und Säulenkonstruktionen, wobei allerdings eher die reine Form als die funktionelle Trägerstruktur übertragen wurde. Selbst das Stahl-Skelett des Eiffelturms soll auf die Balkenstruktur von Knochen zurückgehen, während das luftige Dach des Münchener Olympiastadions von 1972 zumindest in Bezug auf seine Form von Spinnennetzen inspiriert worden ist.
Stabiles, verästeltes Karosserieskelett aus dem 3D-Drucker (ganz oben), Alu-Spaceframe mit bionischen, gesinterten Stahl-Knoten (Mitte): «Wir haben die Natur erstmals richtig abgebildet», freut sich EDAG-Designer Johannes Barckmann
Die alte Idee der Natur-Adaption erfährt aktuell wieder eine Renaissance und Bionik-Experte Speck nennt zwei wichtige Gründe dafür: «Zum einen sind wir heute zum ersten Mal in der Lage, durch neue Analysemethoden und Simulationsverfahren biologische Vorbilder und Konstruktionen in einer Weise zu verstehen, die es so vor zehn Jahren nicht gegeben hat.» Rasterelektronenund Rasterkraftmikroskope, konfokale Lasermikroskope, MicroCT oder Magnetresonanz-Imaging machen es möglich, die hierarchischen Ebenen der biologischen Ideengeber vom Zentimeter- bis in den Subnanometer-Bereich zu analysieren, und zwar – und das ist Begründung Nummer zwei – zu erschwinglichen Kosten: «Ein Rasterkraftmikroskop mit konfokalem Laser kostet heute nur noch 150 000 Euro, vor zehn Jahren kostete es noch fast eine Million Euro», sagt Speck. Ebenfalls trendbeschleunigend seien die weitaus schnelleren und genaueren Simulationsmethoden sowie neue 3D-Drucktechniken – mit deren Hilfe sich komplexe Formen und Strukturen WINTER 2015/16 063
TECHNIK
Funktional wie die Schwungfeder des Albatros: Winglets moderner Jets reduzieren Luftwirbel
«Wir verstehen biologische Vorbilder weitaus besser als noch vor zehn Jahren» Thomas Speck, Uni Freiburg
Vorbild Buckelwal: Surfbrett-Finne des Bionik-Zentrums Luzern
erstmals darstellen lassen. Verfahren wie Lasersintern und 3D-Printing-Lithographie eröffnen Entwicklern die Möglichkeit, zu erschwinglichen Preisen wie in der Natur «vom Kleinen zum Grossen» zu konstruieren. «Aktuell rentiert sich das jedoch erst bis zu Stückzahlen von einigen 100 bis 1000 Stück», erläutert Speck, «bei höheren Volumina ist ein Werkzeug derzeit noch besser.» Was heute unter Nutzung bionischer Prinzipien und neuer 3DAnwendungen möglich ist, zeigte auf beeindruckende Weise die 2015 präsentierte Studie Light Cocoon. Aufgebaut wurde das Modell im Audi-TT-Format von EDAG (Engineering + Design AG) aus dem hessischen Wiesbaden – einem der grössten unabhängigen Engineering-Experten der Automobilindustrie. Der Light Cocoon beeindruckt durch seine verästelte Trägerstruktur, über die eine transparente und bewusst aufgebrochene Karosseriehaut gespannt ist. Bei der Gestaltung des partiell mit einem 3D-Drucker gefertigten Skeletts kam nach naturwissenschaftlichen Gesetzen generell nur noch dort Material zum Einsatz, wo es für Funktion, Sicherheit und Steifigkeit unabdingbar war. Speziell die Knotenpunkte des zusammen mit dem Laser Zentrum Nord (Hamburg), Concept Laser (Lichtenfels) und der BLM Group aus Levico (Italien) entwickelten Spaceframe wurden bionisch optimiert. Als Ideengeber für das Team rund um EDAG-Chefdesigner Johannes Barckmann fungierten ein Pflanzenblatt oder ein Fledermausflügel – mit den jeweils kleinen Verästelungen und Leitbündeln, zwischen denen Haut (Epidermis) wächst. Letztere besteht bei der Studie aus dreilagigem Polyester-Jersey-Stoff und wurde vom Outdoor-Spezialisten Jack Wolfskin beigesteuert. Das Material namens Texapore Softshell O2+ ist nicht nur wasserdicht, sondern mit 19 g/m2 auch viermal leichter als Druckpapier. Um das Ganze von aussen sichtbar zu machen, liess
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EDAG das Auto von innen mit LEDs ausleuchten – und machte es so zur Leinwand. Barckmann zeigt sich abseits solcher Show effekte fasziniert von den Möglichkeiten: «Mit den neuen Rechnermodellen, Simulationen und 3D-Druckverfahren können wir die Natur erstmals wirklich abbilden. Allerdings reicht die heutige Rechnerkapazität bei Weitem noch nicht aus, um feinste Knochenstrukturen mikroskopisch zu berechnen. Noch agieren wir nur an der Oberfläche, wohlwissend, dass die Natur das alles noch viel besser kann.» Würde man die Phänomene des Bambus und den strukturell cleveren Aufbau des Hirschgeweihs auf die Motorhaube des Light Cocoon transferieren, wäre eine weitere Gewichtsreduktion möglich. «In China dient der Bambus dazu, viele 100 Meter hohe Häuser einzurüsten. Dank aussenliegender Fasern und Trennwänden in bestimmten Abständen erhält er eine immense Knickstabilität. Umgesetzt auf unsere Studie entwickelten wir Streben aus Aluminium-Hohlrohren mit einer Wandstärke von nur 1,5 Millimeter – allerdings ohne Zwischenwände.» Auch die Fähigkeit des Hirschgeweihs, an einer Verzweigung keinen Bruch entstehen zu lassen, könnte das finale Hauben-Design laut Barckmann noch leichter werden lassen. Effekt: höhere Stabilität bei geringeren Wandstärken. Bionik-Experte Speck: «Dämpfungssysteme und Leichtbau bleiben spannend.» Mitte: ein der Paradiesvogelblume nachempfundener, raffinierter Schattenspender. Unten: aufblasbare, leichte Dachstruktur mit selbstheilender Beschichtung für ein Parkhaus in Montreux
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TECHNIK
Stand Pate für kühlende Textilien: australischer Dornenteufel
Die Resonanz auf den rund 4,2 Meter langen und für alle denkbaren Antriebsvarianten vorbereiteten Light Cocoon war gewaltig, berichtet Barckmann: «Das Fahrzeug ist permanent bei unseren Kunden und auf Ausstellungen und Kongressen unterwegs, unter anderem war es auch drei Wochen in Amerika.» Als Statement für den Leichtbau der Zukunft – EDAG beziffert die Gewichtseinsparung mit 25 Prozent – könnte ein solches Auto vielleicht schon in zehn Jahren Realität werden. Zumindest für die nächsten 20 Jahre sehen die Entwickler einen Paradigmenwechsel im Automobilbau schlechthin voraus – weil generative Fertigungsverfahren wie der 3D-Druck erst dann in der Lage sein werden, grosse Bauteile mit den geforderten strukturellen Werkstoffeigenschaften produzieren zu können. Dem Light Cocoon vorausgegangen war das 2014 in Genf gezeigte EDAG-Exponat Genesis – eine Skulptur, die sich an der Schildkröte und ihrem in Millionen Jahren der Evolution optimierten Panzer orientierte und als Metapher für einen weiterentwickelten Insassenschutz diente. «Die Schildkröte steht für Millionen Jahre Evolution im Insassenschutz», sagt Barckmann: «Ihr Panzer bietet zugleich Schutz und Dämpfung, er ähnelt einem Sandwichbauteil mit innenliegenden, feinsten und sehr leichten Knochenstrukturen, die für die nötige Festigkeit sorgen – und ist trotzdem in sich beweglich. Da kann man auch als Autobauer viele Anleihen ziehen.» So spielerisch das alles klingt – es war ein langer Weg von da Vincis ersten Bionik-Ansätzen bis zum EDAG Light Cocoon. 1920 erhielt der Münchener Biologe Raoul Heinrich Francé (1874–1943) das erste deutsche Patent für einen Salzstreuer nach Vorbild der Mohnkapsel. Hergestellt wurde der Streuer jedoch nie – vielleicht auch deshalb, weil er zwar den Frühstücksteller gleichmässig berieseln, nicht jedoch das Frühstücksei punktgenau treffen konnte. Einen schnellen und weltweiten Siegeszug trat dagegen der Klettverschluss an. Es war 1941, als sich der Schweizer Ingenieur Georges de Mestral (1907–1990) nach einem Spaziergang die richtige Frage stellte: Warum blieben bei Streifzügen durch Feld und Flur die Früchte der Grossen Klette nur immer am Fell seiner Hunde und an der eigenen Hose haften? Unter dem Mikroskop fand er die geniale Lösung: winzige und elastische Häkchen an den Spitzen der igelförmigen Gebilde – die auch bei gewaltsamer Entfernung nicht abbrachen. Geboren war die Idee, zwei gewebte Chemiefaserstreifen – einer mit flexiblen Widerhäkchen, der andere mit Schlaufen – zusammenzupressen. Fertig war der ideale Schnellverschluss für Kleidung, Schuhe, Taschen und andere Utensilien, bis hin zu Blutdruckmessgeräten und Babywindeln. 1951 liess sich de Mestral die Erfindung unter dem Namen Velcro, zusammengesetzt aus VELours (Samt) und CROchet (Haken), patentieren, acht Jahre später brachte die von ihm gegründete Firma Velcro Industrie den ersten Klettverschluss auf den Markt. Heute befindet sich der Hauptsitz des Unternehmens in Manchester (New Hampshire, USA) – und eine Welt ohne Klettverschluss ist kaum mehr vorstellbar.
Hersteller X-Bionic hält 60 Patente auf High-Tech-Sporttextilien
066 VECTURA #17
In den 1970er-Jahren sorgte dann dank der Forschungen des Bonner Botanikers Wilhelm Barthlott (69) der Lotus-Effekt für Furore. Im Grunde ein in Asien seit mindestens 2000 Jahren bekanntes Phänomen der Lotos-Pflanze, die im Buddhismus als Symbol der Reinheit gilt. Denn bei Regen perlt Wasser in
Tropfenform von ihren extrem aufgerauten wasserabstossenden Blättern ab und reinigt sie so von Schmutz, Pilzsporen und Bakterien. Diesen Selbstreinigungseffekt macht sich heute unter anderem die vom exklusiven Markeninhaber Sto AG aus Stühlingen vertriebene Fassadenfarbe Lotusan zunutze.
Cool: 3D-BionicSphere-System mit eingewebten Lüftungskanälen
Prähistorisch: In den 1990er-Jahren experimentierte Opel bereits mit «bionisierten» Achsschenkeln und Motorträgern
2006 meldete Barthlott noch den Salvinia-Effekt zum Patent an: Inspiriert vom Schwimmfarn wird (anders als beim Lotus- Effekt) eine dünne Luftschicht auf der Blattoberfläche durch feine Härchen fixiert. Diese grenzflächenspannende Innovation eignet sich für Schwimmanzüge oder Schiffsrümpfe, die so auf einer Luftschicht durchs Wasser gleiten und dabei 30 Prozent weniger Reibung erzeugen. Überhaupt birgt das Thema Kleidung noch vielfältige Anwendungsmöglichkeiten: Die für ihre Produkte bereits mehrfach ausgezeichnete Schweizer Marke X-Bionic nutzt bionische Prinzipien zur Herstellung von High-Tech-Sporttextilien. Bei der Entwicklung orientierte man sich beispielsweise an dem in australischen Wüsten lebenden Thorny Devil, dem Dornenteufel: Diese stachelige Echse übersteht dank ihrer Haut aus mikroskopischen Rillen selbst lange Trockenperioden. Diesen Kapillareffekt nutzten die X-Bionic-Ingenieure, um Schweiss gezielt an kühlungsintensive Körperzonen zu leiten. Auch Wüstenfuchs, Hai, Biber, Schneehuhn, Lurch oder Wallaby standen Pate für Fleece-Jacken, T-Shirts oder Schweissbänder. Im Rahmen einer Kooperation mit Automobili Lamborghini entwickelte X-Bionic ausserdem Jacken für Radrennfahrer, die ähnlich wie bei den Sportwagen aus Sant’Agata über verstellbare Kühlluftschlitze verfügen. Bei der aufwendig gemachten High-TechBekleidung wird natürlich nicht der V-10-Motor, sondern der Körper des Athleten optimal temperiert. Bei den auch für Automobil-Konstrukteure relevanten Anwendungen rücken dagegen immer wieder zwei ganz bestimmte Vorbilder der Natur in den Focus: die Wachstumsregel der Bäume und der Aufbau von Knochen. Bäume und Skelette sind Tragwerke, die die Gesetze des Leichtbaus in Jahrmillionen perfektioniert haben. Hohlstrukturen von Vogelfedern beispielsweise oder Körperhüllen von Krebs- und Spinnentieren sind zugleich robust, leicht und flexibel. Das Skelett eines Menschen macht 18 Prozent seines Körpergewichts aus, während es beim Pferd nur zwischen sieben und zehn sind – was das Huftier lange Zeit in puncto Leistungsgewicht zum effizientesten Lastenträger machte.
BMW K1200S: Felge als Blaupause eines Säugetierknochens
Nicht alles geht: «bionisches» Reifenprofil von Conti, Jahrgang 2000
Solche Erkenntnisse in das Bewusstsein angehender Designer und Ingenieure gerückt zu haben, verdankt die Forschung dem 1947 in Dresden geborenen Physiker Claus Mattheck. Nach missglückter «Republikflucht» und zweijähriger Haft wurde er 1978 aus der DDR in die Bundesrepublik abgeschoben und begann dort schon Mitte der 1980er-Jahre mit Untersuchungen zum Wachstumsverhalten von Bäumen. 1985 folgte die Ernennung zum Leiter der Abteilung Biomechanik am Karlsruher Insti tut für Technologie (KIT). Seine Ergebnisse übertrug Mattheck in Computermodelle, die dann unter anderem bei Opel zur Anwendung kamen. Mithilfe zweier Software-Programme namens CAO (Computer Aided Optimization: virtuelles Wachstum zur Formoptimierung nach Vorbild der Bäume) und SKO (Soft Kill Option: Gewichtsoptimierung nach Vorbild der Knochen) erreichte Opel schon Mitte der 1990er-Jahre unter Leitung des ehemaligen Mattheck-Schülers Lothar Harzheim bei Motorhaltern, Felgen oder Achsschenkeln Gewichtseinsparungen von WINTER 2015/16 067
RUBRIKEN
Folgte formal dem Delphin: BMWs Wasserstoff-Rekordwagen H2R
«Die Natur ist Inspiration und Lehrmeister zugleich» Frank Venier, Audi
bis zu 25 Prozent bei zugleich 60 Prozent geringeren Belastungen. Wie heute noch beim EDAG Light Cocoon wurden Bauteile des ersten Opel Vectra an hoch belasteten Stellen verstärkt, während weniger beanspruchte Bereiche durch das Einfügen von Hohlräumen abspeckten. Die Vorgehensweise sah so aus: Definition des Bauraums für das fragliche Teil, Eingabe der im Betrieb zu erwartenden Lasten, konventionelle FEM-Berechnung (Finite-Elemente-Methode: Standard bei der Festkörper simulation), schliesslich Anwendung der bionischen Programme, mit denen Teile schliesslich virtuell wuchsen und sich dabei wie von selbst optimierten. Am Ende galt es dann noch, so entstandene Formen derart abzuwandeln, dass sie auch in Grossserie produzierbar waren. BMW entdeckte später ähnliche Potenziale: Die GeneratorBefestigung für das Turbolader-Gehäuse eines Dieselmotors wurde dank Bionik um bis zu 40 Prozent leichter, ebenso die einem Säugetierknochen nachempfundene Felge des Motorradtyps K1200S (2005–09). Generell erhielten Magnesium- und Aluteile nun Verrippungen, die frappant Ankerstrukturen von Anemonen und Quallen ähnelten. Es entstanden Achsen als Hohlraumgebilde, ähnlich wie die Holme von Vogelfedern oder Körperstrukturen von Krebs- und Spinnentieren. Auch die Karosserie des 2004 eingesetzten, 5,4 Meter langen WasserstoffRekordfahrzeugs H2R (cw-Wert 0,21) erinnert nicht zufällig an den Körperbau eines Delphins oder Pinguins. 068 VECTURA #17
«Wie die Bälkchen-Struktur des Knochens»: Alu-Teil des Audi A8
TECHNIK
Im Leichtbauzentrum von Audi in Neckarsulm lässt Frank Venier, verantwortlich für Strategie und Innovationsmanagement, ebenfalls keinen Zweifel an der Bedeutung bionischer Ansätze: «Für uns ist die Natur eine gute Inspiration und gleichzeitig ein grosser Lehrmeister. Man nehme nur das Knochenskelett eines Vogels, es macht nur acht bis zehn Prozent seiner Gesamtmasse aus – ein echtes Leichtbau-Wunder!» Nach dem Vorbild des Knochens mit seiner relativ dünnwandigen Röhrenform entwickelte die VW-Tochter optimierte räumliche Trägerstrukturen, zum Beispiel Aluminium-Strangpressprofile und -Gussknoten für die vom R8 und Lamborghini Huracán genutzte MSS-Plattform (Modular Sportscar System). Beim Spaceframe des neuen R8 verbesserte sich so die Torsionsfestigkeit (das Mass für das Moment, das benötigt wird, um die tragende Zelle um ein Grad zu verdrehen) um 10 000 Newtonmeter gegenüber dem Vorgänger – die Folge einer nur noch relativ dünnen Aussenschale und innen platzierter Verstärkungsrippen nach dem Knochen-Prinzip. Zum Fügen der unterschiedlich grossen Strangpressprofile liess sich Audi hingegen von der Wachstumsregel der Bäume leiten: «Die Faserverbünde und die Richtungen der Lastlinien geben uns wichtige Tipps zur Gestaltung der Knotenpunkte, an denen Profile und Gussknoten unterschiedlicher Stärke ineinanderlaufen», erläutert Venier. Ein bionisches Vorzeigestück ist das Aluminium-Verbindungsteil zwischen Schweller und hinterem Längsträger des A8: «ein Klassiker für eine solche bionische Optimierung, mit sehr vielen inneren Verrippungen, die aussteifend wirken, und einer mit einem Schliessblech geschlossenen Aussenschalen-Geometrie. Ganz ähnlich wie bei der Bälkchen- oder Spongiosa-Struktur des Knochens.» Auch bei bionischen Materialien ist Audi fündig geworden. Statt einer 2,8 Kilogramm schweren Fahrwerksfeder aus Stahl
präsentierte Audi 2012 eine nur 1,6 Kilo schwere Feder aus GFK. Als Blaupause diente hier der Faserverlauf einer Palme, deren hohler Schaft sich bei Sturm um fast 90 Grad biegen kann. Neben den Fahrzeugherstellern demonstrieren auch deren Zulieferer eindrucksvoll, wie sich Gewicht einsparen lässt: So giesst GF Automotive nach bionischen Prinzipien entwickelte Schwenk lager und Radträger für Audi A3 und Golf VII. Das Schwenklager konnte um 32 Prozent leichter ausgelegt werden, was über 2,8 Kilogramm pro Fahrzeug entspricht. Einen anderen für Automobile nutzbaren Effekt bionischer Prinzipien stellte Mercedes 2005 mit einer spektakulären Studie namens Bionic Car zur Schau: Statt der für ein alltagstaugliches Modell untauglichen Stromlinienform eines Pinguins wählten die Stuttgarter Designer den klobig wirkenden Kofferfisch zum Vorbild, und siehe da – überraschend kam dieser KorallenriffBewohner mit einem cw-W-Wert von 0,06 nahe an den Nullwert heran. Das dem Meeresbewohner nachempfundene Auto kam im 1:4-Massstab immer noch auf 0,095. Und als dann ein fahrbereiter Prototyp mit Dieselmotor auf den Rädern stand – 4,24 Meter lang, 1,82 Meter breit und 1,59 Meter hoch – glänzte der noch immer mit 0,19. Es sollte zehn Jahre dauern, ehe Daimler diesen Traumwert mit der gar nicht mehr so futuristischen Forschungsstudie Transformer egalisierte. Doch was war das Geheimnis des gelb getupften Fisches? Sein Konstruktionsprinzip besteht aus sechseckigen Knochenplättchen, die so gewachsen sind, dass sie bei minimalem Gewicht – laut Mercedes ist es ein Drittel leichter als bei vergleichbaren Artgenossen – ein Maximum an Festigkeit bieten. Damit nicht genug: Durch seine ausgeprägten Kanten stabilisiert sich der Fisch
Kofferfisch-Prinzip: Aerodynamik-Wunder Bionic Car (cw = 0,19) von Mercedes aus dem Jahr 2005
WINTER 2015/16 069
Der Schweizer Spezialmaschinenhersteller Menzi Muck liess sich für diesen kletterfreudigen Bagger von der Spannerraupe inspirieren
in Riffen mit ihren häufig wechselnden Wasserwirbeln selbst. Am Auto übersetzten das die Designer durch Abrisskanten, die gegen Seitenwind schützen. Der Bionic Car ging zwar nicht in Serie, setzte aber nachhaltige Zeichen für künftige Aerodynamik-Konzepte. Abseits des Automobils entwickelten sich derweil diverse biologisch inspirierte Innovationen. Thomas Speck ersann zusammen mit Bauingenieuren der Uni Stuttgart und Textilingenieuren des ITV Denkendorf nach Vorbild der südafrikanischen Paradiesvogelblume die «Fassadenverschattung» Flectofin. Die Blume verfügt über eine elastische, aus zwei Blütenblättern gebildete zylindrische Stange für landende Webervögel, welche die auch Strelitzie genannte Schönheit bestäuben wollen. Aus der sich unter ihrem Gewicht verbiegenden und aufklappenden Stange leiteten Speck und Kollegen daraus einen Schattenspender mit gelenkfreiem und stufenlos einstellbarem Klappmechanismus ab. Der kommt ohne Scharniere aus und ermöglicht so anstelle einer vertikalen Jalousie den Einsatz in sich beweglicher Lamellen. Immer wieder experimentieren Flugzeug- und Schiffbauer mit widerstandsarmen «Riblet»-Folien nach Vorbild der Haifischhaut. Es winken Treibstoffeinsparungen und – zusätzlich bei Schiffen – ein immer sauberer, algenfreier Rumpf (Anti-Fouling-Effekt). Die mehrlagige Haut tropischer Giftfrösche dagegen dient als Vorbild für eine wasserabstossende Frostschutzbeschichtung von Flugzeugen – sie könnte das bisherige und zeitraubende Verfahren zur Enteisung der Tragflächen ablösen. 070 VECTURA #17
Im Nutzfahrzeugbereich lieferte das Schweizer Unternehmen Menzi Muck aus Kriessern ein schönes Beispiel für angewandte Bionik: Nach dem Vorbild der Spanner-Raupe – sie besitzt an Kopf und Hinterteil je zwei Fusspaare und bewegt sich durch Biegen und Strecken des Rumpfes fort – entstand ein Bagger, der selbst Abgründe oder steile Passagen überwinden kann. Dass bionische Lösungen nicht immer die erwünschten Traumergebnisse bringen, zeigt zum Beispiel der 2000 vorgestellte Sommerreifen Continental Premium Contact. «Ein Pneu mit einem von den Pfoten eines Gepards inspirierten Profil, dessen Auflagefläche sich beim Abbremsen und bei Richtungsänderungen verbreitert und so für mehr Grip sorgt», hiess es damals vielversprechend. Parallel experimentierte der Reifenbauer mit Feinstrukturen für einen Winterreifen, die den Sohlen eines Eisbärs ähneln sollten. Doch Conti-Sprecher Klaus Engelhardt räumt heute ein, dass man die Technik nicht weiterverfolgt hat: «Mit dem Bionik-Ansatz sind wir damals nicht weitergekommen – vor allem deshalb, weil Reifen rollen und es in der Natur kaum Wesen gibt, die sich so fortbewegen.» In anderen Bereichen geht es derweil hoffungsvoll voran: Nach dem Vorbild der Wundversiegelung der Pfeifenwinde, einer Liane, die über Reparaturzellen Risse füllt und somit versiegelt, entwickelte wiederum Thomas Speck zusammen mit seiner Kollegin und Ehefrau Olga Speck eine selbstheilende Membran für pneumatische Strukturen. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer EMPA-Materialprüfungsamt in Dübendorf entstand so eine sich
TECHNIK
selbst reparierende Beschichtung aus Formschaum für eine aufblasbare Leichtbautragstruktur in sogenannter Tensairity-Technologie – zu sehen unter anderem am Dach eines Parkhauses in Montreux. Den Dichtungsschaum gibt es übrigens bei der Firma Rampff Giessharze im bayerischen Grafenberg. Von den Selbstreparatur-Talenten der Natur profitieren auch Elastomere für Dichtungen. Als Musterbeispiele für eine Wundheilung dienen hier Pflanzen wie Kautschuk- und Gummibäume, bei denen der austretende Milchsaft als Pflaster fungiert und die Verletzung verschliesst. «Gegenüber Tieren sind Pflanzen aus naheliegenden Gründen leichter zu untersuchen», weiss Speck: «Pflanzen müssen zudem mechanischen Belastungen von aus sen standhalten und können sich nicht wie ein Fuchs im Bau verstecken. Daher bieten sich auch künftig für alle Entwicklungen, die mit Mechanik und Leichtbau zu tun haben, Pflanzen bestens an.» Die Bionik-Kooperation zwischen Instituten und Autobauern ist eng, es gibt Kompetenz-Netzwerke und gemeinsame Brainstorming-Treffen. Für BMW entwickelten Speck und seine Mitarbeiter zusammen mit dem ITV Denkendorf einen Vorderachsträger aus faserverstärkten Materialien. Mit VW ist der 58-jährige Bioniker aktuell im Bereich ultraleichter Dämpfungssysteme tätig. «Dazu untersuchen wir intensiv Früchte, wie zum Beispiel Kokosnüsse oder Pomelos. Und fragen uns: Wie müssen Fruchtschalen aufgebaut sein, damit eine Kokosnuss beim Herabfallen vom
Baum nicht zerbricht?» Inzwischen gibt es erste Autolacke, bei denen sich unter Wärme und Reibung kleine Kratzer schliessen. Als nächstes Betätigungsfeld seiner Forschungen hat Speck die Brennstoffzelle im Visier: «Da könnte man die Membran, die das Wasser abtransportiert, bionisch optimieren, aber das ist noch im Ideenstadium. Grundsätzlich bleibt alles interessant, was Leichtbau und Vibrationsdämpfung betrifft.» In den nächsten fünf bis zehn Jahren werde man noch einiges sehen, verspricht er – und dämpft zugleich übersteigerte Erwartungen: «Es reicht nicht aus, die Natur einfach nur zu kopieren. Vielmehr geht es immer wieder darum, Mechanismen zu beobachten, zu abstrahieren und auf die technische Anwendung zu übertragen und herunterzubrechen. In jedem Fall ist sie aber Generator für immer wieder neue Ideen.» Mitunter behalten Natur und Physik ihre Geheimnisse für sich, hat EDAG-Designchef Barckmann ausgemacht: «Erst die kleinen Einbuchtungen auf seiner Oberfläche erlauben es dem Golfball, kontrolliert durch die Luft zu fliegen. Wie das genau funktioniert, konnte aber bislang nicht schlussendlich erforscht werden.»
STILBLÜTEN
072 VECTURA #17
DIE WELT DES LUIGI COLANI ER BESITZT EINEN SCHARFEN VERSTAND, KANN ABER AUCH MASSLOS ANMASSEND SEIN: EINEN ENTERTAINER WIE IHN GIBT ES IM WELTWEITEN INDUSTRIEBETRIEB JEDENFALLS KEIN ZWEITES MAL
Bereits stilbildend: früher Colani-Entwurf aus den 1950er-Jahren
Text und Fragen map · Fotos Archiv Bärtschi, map
I
Ihn zu den berühmtesten Industriedesignern der Welt zu zäh len, ist keine Übertreibung: Für manche ist Luigi Colani gar ein Visionär und Philosoph. Andere halten den wortgewaltigen Professor für Transportdesign bis heute für einen Scharlatan – auch weil er zugegeben hat, dass 70 Prozent seiner Entwürfe nicht funktioniert haben. Andererseits sind die verbliebenen 30 eine Traumquote; es kommt immer auf die Perspektive an. Keine Frage, dieser Mann polarisiert. Unbestritten ist hingegen, dass der gebürtige Berliner Lutz Colani mit polnischen und Schweizer Wurzeln immer sehr kreativ und fleissig war sowie eine ihm eigene Formsprache besitzt, der er bis heute treu geblieben ist. Der Meister selbst spricht von «organischem Bio-Design» – Natur sei in puncto Gestaltung das beste Vorbild. Mit dieser Einstellung hat es Colani in diverse Museen wie das New Yorker MoMA geschafft. Nach Ausbildungen zum Bildhauer und Maler an der Berliner Kunstakademie, aerodynamischen Studien an der Sorbonne und einer ersten Anstellung beim US-amerikanischen Flugzeugproduzenten Douglas begann Colani Anfang der 1950er-Jahre als Automobilstylist zu arbeiten und entwickelte für Simca eine Kunststoffkarosserie. Es folgten Entwürfe für Erdmann&Rossi und Romesch, bevor das erste eigene Auto auf VW-Käfer-Basis erschien – der Colani GT (siehe VECTURA #8). Dessen Schöpfer war – auch dank anderer Gegenstände – in aller Munde und konnte sich seine Auftraggeber aussuchen. Seine Prime Time hatte Colani in den 1970er-Jahren und residierte damals sogar, gelegentlich umhüpft von elfenartigen Assistentinnen, mit seiner «Design Factory» auf einem westfälischen Wasserschloss. Nach einigen Jahren in Tokio arbeitete Colani zwischen 1986 und 92 in Bern, bevor er Richtung Frankreich weiterzog. Bewegung ist ein wichtiger Teil seiner ebenso langen wie ereignisreichen Karriere: Häuser, Möbel, Teppiche, Klavierflügel, Porzellan, Messer, Uhren, ergonomische Schreibgeräte und andere alltägliche Gebrauchsgegenstände und Elektronikartikel, selbst Sanitärprodukte oder Särge, dazu Brillen, Kleidungsstücke (ein Mantel für SwissairCrews war auch dabei), Schuhe, Spielzeug, Kunst (gelegentlich erotisch), Kameras, Computer, Roboter, diverse Flugzeuge, Hubschrauber, Schiffe, Züge, Trucks, Fahr- sowie Motorräder und Autos
Funktionsorientierte Fantasie: Omnibus-Entwurf, ca. 1960
Windschlüpfrig und visionär: Studie auf BMW-700-Basis anno 1963
natürlich auch, sogar viele davon – bei über 5000 Produkten gibt es praktisch nichts, was dieser Mann noch nicht entworfen hat (www.colani.org). Dazu kamen phantastische Projekte wie die Reissbrett-Stadt Eco-City auf der chinesischen Insel Chong Mingh im Jangtse-Delta, doch bisher blieb es bei der Absicht. Der wegen seinem häufigen Umgang mit Gips stets weiss Gekleidete dachte immer gerne kompromisslos und war der Selbstinszenierung dabei nie abgeneigt. Anfang der 2000er wurde es dann stiller um den mittlerweile 87-Jährigen. Das eigenwillige Multitalent pendelte zwischen Karlsruhe und Mailand; heute hält sich Colani oft in China auf; an der Tongji-Universität Shanghai ist er – neben diversen anderen Ehrentiteln und Auszeichnungen in aller Welt – seit 20 Jahren Gastprofessor. Die Asiaten verehren ihn und folglich gab es den Stardesigner, konserviert im besten Alter, vom koreanischen Hersteller Kojun auch als 30 Zentimeter grosse, auf zehn Exemplare limitierte Actionfigur. Wir trafen den Tausendsassa zu einem Gespräch in Aarwangen, wo ihm ein eigenes Museum gewidmet ist (www.colaniswelt.ch). WINTER 2015/16 073
Herr Colani, seit wann leben Sie auch in Shanghai? Seit über zehn Jahren. Es ist eine Wahnsinns-Stadt; zu wahnsinnig. Die verlieren die Pedale da drüben und werden sie erst in Jahren wiederkriegen, weil alles immer noch explosionsartig aufsteigt. Sieht so die urbane Zukunft aus? Nein. China hat doch noch gar keine moderne Denke. Sondern ist Nutzniesser längst vergeigter und vergammelter westlicher Vorstellungen. Alles nur Fassade ohne Inhalte, bedauerlicherweise.
So stellte sich Colani 1970 den nächsten Mercedes C111 vor; das hintere Skalpell-artige Konstrukt ist der Heckscheibenwischer. 1990 tauchte dieses Detail an neuen Skizzen wieder auf (unten)
Nun haben Sie fünf Professuren allein in China – und auch den Glauben, etwas verbessern zu können? Noch nicht. Deshalb bin ich ja auch wieder weggegangen – aber regelmässig drüben, um zu sehen, was da läuft. Ich werde erst in Europa helfen – denn hier muss mehr geschehen als in China! Können Sie das bitte näher erklären? Nicht allein in Europa. Ich habe eine weitere Professur in Moskau, wo ich einen grossen Think Tank aufbauen werde, um der Jugend wieder auf die Beine zu helfen. Die ist völlig verrottet und ohne Zukunftsaussichten. In Brasilien, wo ich auch tätig bin, sieht das ganz anders aus, die haben sehr viel Geld und brauchen Design. Mein Hauptsitz ist Mailand, während in Venedig eine grosse Ausstellung geplant ist. Das Auto zieht sich wie ein roter Faden durch Ihr gesamtes Schaffen … Eher das Flugzeug, aber das wissen die wenigsten. Ich komme
Genie oder Wahnsinn – Colani bewegt sich oft zwischen Wissenschaft und Showeffekt
Geschwindigkeit in Bern – eigentlich ein Widerspruch. Doch just in seinen Schweizer Tagen entwarf Colani mehrere Rekordfahrzeuge
074 VECTURA #17
STILBLÜTEN
Keine Berührungsängste: Für seine Kreationen opferte der Meister sogar einen Ferrari Testarossa
Schneller als die Serie: Der Ferrari Testa D’Oro Colani mit 739-PS-Biturbo-V12 entstand 1989 in Kooperation mit Lotec – und fuhr auf dem Bonneville-Salzsee über 350 km/h schnell
ja aus dem Flugzeugbau und finanziere meine ganzen Sachen selber. Ich kann natürlich kein Flugzeug finanzieren, aber Autos zu finanzieren war mir ein Leichtes. Also habe ich die nächste aerodynamische Grösse, die in Angriff zu nehmen war, gewählt – eben das Automobil und seit 1968 viele Patente eintragen lassen. Die Branche ist ja von einer solchen Dämlichkeit … Seit 40 Jahren gibt es meinen Aero-Truck; sieben Exemplare haben wir gebaut, ich habe zwei davon. Es waren auch sicherheitstechnische Patente darunter … Jaaa, vor über 30 Jahren, aber die sind längst futsch; Patente haben ja nur eine bestimmte Laufzeit. Ich machte die Sicherheitszelle – die dann ja auch von Mercedes aufgegriffen wurde, wenn auch in völlig anderer Weise. Deren Patent-Fuzzi Béla Barényi hat das seinerzeit übernommen – und sich inspirieren lassen von meinen Fahrzeugen. Was werfen Sie der Automobilindustrie vor, wo liegt Ihrer Meinung nach deren grösster Denkfehler? Gucken Sie sich die Autos doch heute an, die können Sie alle nebeneinanderstellen, ich nehme die Markenembleme ab und vertausche die – dann kann man nichts mehr wiedererkennen, sieht alles gleich aus.
Aerodynamik? Ach was, nicht einer! Etwas werfe ich mir vor: Ich habe alle Autos dieser Welt gehabt, Bizzarini, Ferrari, Rolls-Royce – aber nie einen DS-Citroën, obwohl ich damals in Frankreich lebte. Darunter leide ich heute noch. Dieses Auto war ein Superlativ und so scharf nach vorne gedacht, dass es 20 Jahre lang ohne Probleme gebaut werden konnte. Ich weiss nicht, ob es das schönste Auto war, aber sehr anders, sehr faszinierend. Und mit grosser Hingabe, auch von den Bossen damals – erlaubt, das ist ja das grosse Ding! Sehen Sie sich nur mal aktuelle CEOs an – alles Hirnamputierte, die nur an Kohle denken! Erschütternd ist das. Heute ist die Industrie zu idiotisch, um so etwas wie eine DS neu zu erschaffen. Der DS-Nachfolger, CX hiess der glaube ich, war zwar technisch noch in Ordnung, aber formal schon Scheisse. Welche anderen Autos finden Gnade in Ihren Augen? Oh verdammt, das ist schwierig … Doch, es gab da mal einen Ford-Rennsportwagen, der zwar nie Erfolg hatte, aber eine WINTER 2015/16 075
STILBLÜTEN
Colani kann’s nicht lassen: «Trikora» nennen sich diese Stromlinien-Entwürfe aus den frühen 2000ern
aussergewöhnlich gute Aerodynamik. Und sonst … habe ich im Augenblick nicht alle im Kopf und tue einigen jetzt bestimmt Unrecht. Aber vielleicht gibt es wirklich keine. Die Autobranche ist out, sie ist kaputt. Sie hat es nicht mal geschafft, der Elektro autobewegung eine neue Formsprache zu geben. Das war ja eine der grossen Chancen, endlich zu wagen, was man sich bei den Benzinkutschen bisher nicht getraut hatte. Und was machen die Idioten? Bauen in Benzinmodelle noch einen E-Motor ein! In Brasilien ist Ethanol ein grosses Thema. Naja, ich weiss nicht, ob Raubbau in der Landwirtschaft zu etwas führt. Das Automobil ist am Scheideweg; irgendwas passiert. An den Spritreserven liegt es nicht, die sprudeln noch 50 Jahre. Ich baue ja jetzt auch Tanker für Petrobras. Schon nach der «Exxon Valdez»-Katastrophe hatte mich Exxon um Entwürfe gebeten, eine grosse Summe bezahlt, ich habe ein ZehnMeter-Modell gebaut, und dann – aus, nichts mehr. Die wollten nur die Fotos haben, um die Wogen zu glätten. Und nun hat mich Petrobras kürzlich angesprochen, genau diesen Tanker
076 VECTURA #17
tatsächlich zu bauen! Der passt in jede europäische Schleuse und muss nicht umgepumpt werden, denn genau dabei fliessen schon jeden Tag 50 Tonnen Öl in die Nordsee. Sie beklagen, dass kaum jemand auf Sie hört – warum eigentlich nicht? In 50 Jahren machen sie es. Das kommt, hundertprozentig. Ich war in Gesprächen mit Airbus und sollte Chefdesigner werden. Das fing richtig gut an, ich kaufte mir ein Schloss in Toulouse, das ich heute noch habe, aber nach sechs bis acht Monaten habe ich denen gesagt: Leute, aus, Ende, ich mache nur mit, wenn wir einen Nurflügler bauen, wie ihn Hugo Junkers schon vor über 70 Jahren bauen wollte – und dann die G38 mit Schwänzchen gemacht hat, weil er damals noch nicht über die nötige Steuerelektronik verfügte. Das habe ich denen gesagt und dann bin ich gegangen. Was für ein Auto besitzen Sie – fahren Sie eigentlich noch selbst? Aber wie! Ich bin heute in zweieinhalb Stunden von Karlsruhe hierher geknüppelt in meinem Jaguar XKR, der geht 240 oder
Es braucht Einfühlungsvermögen, um diesen Colani-Horch verstehen zu wollen. Parallel kündet das Auto von des Meisters erotischem Werk
so. Dabei bin ich zweimal geblitzt worden – in Europa kann man einfach nicht mehr vernünftig Auto fahren. In Italien geht es noch, aber in Deutschland oder der Schweiz… Wirklich kriminell, was die sich hier leisten. In China kann ich 300 Stundenkilometer schnell fahren; die neuen Autobahnen dort sind perfekt!
Dann haben wir ja doch noch ein Auto gefunden, das Ihnen gefällt! Der war´s, ja richtig. Mit einer sanft erotischen Form von unheimlicher, cooler Schönheit – total funktional mit den kleinen Türchen: Leute rein und los, gewinnen!
Sprechen Sie eigentlich Mandarin? Überhaupt nicht. Ich habe aber schon seit vielen Jahren eine chinesische Freundin, mit der ich zusammenlebe, und die übersetzt mich perfekt. In Shanghai sollte ich eigentlich ein Forschungszentrum bekommen, aber das hat sich auch nicht … Ich bin jetzt wieder mit chinesischen Autobauern im Gespräch, die begriffen haben, dass das, was Chinesen derzeit tun, zwar Spass macht, aber in die falsche Richtung führt: Ferrari und Porsche anschaffen, das ist in Europa längst vorbei – hier kauft doch niemand mehr einen Maybach! Das kann auch nur Mercedes einfallen, ich begreife es nicht. Früher waren die sehr gut – sehen Sie sich mal den Ur-Flügeltürer aus den 1950ern an – Materie gewordene Intelligenz, einfach brilliant!
Und dieser Spirit ist den Herstellern also abhandengekommen … Der ist völlig weg. Welche Automobilmärkte geben Ihrer Meinung nach künftig den Ton an – Europa, Asien, die USA? Der Bundesstaat Kalifornien beispielsweise gilt als Impulsgeber der ZeroEmission-Bewegung. Wenn wir von automobilem Fortschritt sprechen, dürfen wir nicht über die Gesetzgebung der einzelnen Länder reden. Man muss erst einmal Autos bauen, hinstellen und sagen: So könnte die Zukunft aussehen. Da hat uns Amerika schon vor 40 Jahren mit seinen Dream Cars immer wieder gezeigt, wo es langgehen könnte – oder kann.
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STILBLÜTEN
Es kam aber nicht dazu … Das ist etwas anderes – die Dummheit derer, die oben sitzen. Aber die Designer hatten erstaunlicherweise die Freiheit, zu träumen und haben das auch getan, und gut! Es waren übrigens Fahrzeuge dabei, von deren CW-Wert wir heute träumen. Ich habe mir vorgenommen, demnächst ein Automobil zu bauen, das allen anderen Autos ein Ende setzt – an innerem Luxus, an Leistung und an Novität.
Wann wird es soweit sein? Nächstes Jahr. Ich zögere aber, das Fahrzeug fertigzumachen, weil ich schon die Autojournalisten höre, wenn sie wie die Hyänen über Colani herfallen werden und sagen: Das wird nie zugelassen! Wenn jemand von seinem Weg so überzeugt ist wie Sie … Ich hab´s ja bewiesen! War unter anderem Chefdesigner von Thyssen und bin nur da rausgeflogen, weil ich so ein freches Mundwerk hatte. … verzweifelt er dann gelegentlich an der Realität? Überhaupt nicht! Ich habe in meinem Leben rund 100 Millionen verdient, die Hälfte habe ich verfressen oder in Schlössern, Yachten und Privatflugzeugen angelegt. Der Rest steht in Containern verpackt in Mailand – die grösste Designsammlung, unter anderem mit jedem Auto, das ich gemacht habe. Segelboote waren auch dabei … Ich habe die schärfsten Segelschiffe der Welt entworfen – nicht solche, die noch mit ihrem ganzen Rumpf im Wasser hängen. Heute fährt man auf dünnen Klingen und ist dann nur noch dem Luftstrom ausgesetzt. Die besten hydro- und aerodynamischen Fahrzeuge aller Art sind bei mir entstanden.
Die aerodynamisch optimierten Zugmaschinen aus den späten 1970er-Jahren zählen für viele zu den Colani-Highlights. 2009 entwarf der Rastlose eine weitere, besonders spitznasige Variante
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WIE MACHT MAN EIN AUTO 100 KILO LEICHTER? MAN LÄSST DIE KOMPROMISSE WEG.
DER NEUE MAZDA MX-5
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Abgebildetes Modell (inkl. zusätzlicher Ausstattungen): Neuer Mazda MX-5 Ambition SKYACTIV-G 131, Energieeffizienz-Kategorie E, Verbrauch gemischt 6,0 l/100 km, CO2-Emissionen 139 g/km (Durchschnitt aller verkauften Neuwagen: 139 g CO2/km).
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GOLDENE WASSERHÄHNE DER ELEMMENT PALAZZO IST EIN MONDÄNES REISEMOBIL, DAS BEEINDRUCKEN SOLL – UND DIE GRENZEN DES WACHSTUMS AUFZEIGT Text sb · Renderings Werk
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E
s gibt immer einen, der den Grössten hat. Den grössten Privatjet, die grösste Luxusyacht, den grössten Pool oder – das grösste Motorhome. Grösser bedeutet in fast allen diesen Fällen auch sehr viel teurer als der Rest. In diesem elitären Kontext sind die 2,1 Millionen Euro, die der österreichische Hersteller Marchi Mobile für den Elemment Palazzo verlangt, gar nicht mehr so schockierend: Bei einer Länge von zwölf (USA: auch 13,5 m) und der Breite von 2,55 Meter macht das
mindestens 68 627 Franken pro Quadratmeter – Baulandpreise an der Goldküste erscheinen dagegen richtig günstig. Kaum weniger aufregend ist der exaltierte Look der Motorvilla – die organisch geformte Karosserie der Fahrerkabine ist ein jahrzehntealter, aber nach wie vor spektakulärer wie aerodynamisch optimierter Entwurf von Luigi Colani. Der rollende Palast will jedoch nicht nur futuristisch aussehen, sondern mit modernsten WINTER 2015/16 081
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Zutaten auch die Zukunft luxuriösen Landyachtings verkörpern; allein das extravagant ausstaffierte Wohnzimmer ist dank seitlich ausfahrbarer Slider bis zu 30 m2 gross. Angeboten wird das knapp vier Meter hohe Megamobil (mit geöffneter «Sky Lounge» sind es über sechs Meter!) seit 2011. Seither sind laut Hersteller acht Exemplare mit verschiedenen Ausbauten ausgeliefert worden – allesamt Business-Versionen mit Showroom oder Konferenztisch. Die Palazzo-Nachfrage hält sich dagegen noch in Grenzen: Das erste Kundenexemplar – inzwischen gibt es eine überarbeitete Version – soll im Frühjahr 2016 fertig sein. Ob die angesprochene Dachterrasse oder echtes Kaminfeuer – bei Marchi Mobile, wo es für knapp 300 000 Euro auch nur die Zugmaschine gibt, will man jeden noch so ausgefallenen Wunsch realisieren. Unauffällige Campingplatzbesuche sind damit allerdings passé. Kunden dürften vor allem in Russland oder Arabien zu suchen sein – und ihre Chauffeure brauchen den Lw-Fahrausweis: Ein Palazzo wiegt wenigstens 16 Tonnen. www.marchi-mobile.com
082 VECTURA #17
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DAS BEIBOOT ALLEN UNKENRUFEN ZUM TROTZ: IM NUNMEHR 17TEN JAHR FÄHRT DER SMART FORTWO BEREITS IN DRITTER AUFLAGE. DIE IST ZWAR GEWACHSEN, ABER NUR LEICHT. DESHALB BLEIBT DER KLEINWAGEN EIN LIEBLING DER CAMPER, WIRD ER AUCH WEITERHIN IM HECK DIVERSER LUXUSWOHNMOBILE ZU FINDEN SEIN. UND VOR DEN HAUSTÜREN VON MENSCHEN, DIE NICHT NUR IN DEN FERIEN CLEVER MOBIL SEIN WOLLEN Text Stefan Fritschi · Fotos Werk
D
er Smart ist eigentlich eine Schweizer Erfindung. Er entstand aus Nicolas Hayeks Vision vom Swatch-Auto, das erst mit VW, dann mit Mercedes realisiert werden sollte. Die Beteiligung der Schweiz war bereits passé, als 1998 ein erster Serien-Smart auf die Strasse rollte. Er war mit 2,50 Meter Länge und 1,51 m Breite ein vierrädriger Zwerg, der an die Kleinstwagen der 1950er- und 60er-Jahre anknüpfte. Der Vergleich hinkt natürlich etwas, denn Goggomobil, Isetta, Messerschmitt und Co. wurden von wenig betuchten Menschen geschätzt, die sich vorher allenfalls – Wind und Wetter schutzlos 084 VECTURA #17
ausgeliefert – ein Motorrad leisten konnten. Der Smart dagegen verstand sich (und tut es noch) eher als Lifestyle-Produkt denn rollender Witterungsschutz. Trotzdem gibt es Käufer, die sich den Kleinen heute wie damals aus rein sachlichen Erwägungen anschaffen. Grosse Luxusreisemobile beispielsweise können den Winzling in ihrer Heckgarage als Einkaufs- oder Exkursionswagen am Zielort mitführen. Das ist viel komfortabler als Fahroder Motorräder. Der Smart ist auch ein idealer Zweit- oder Dritt wagen. Es gibt einige Camper, die das Familienauto zugunsten eines Reisemobils verkauft haben und Letzteres als Alltagsauto nutzen. Bei einem VW California beispielsweise ist das auch
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gar kein Problem. Aber schon bei teilintegrierten Motorhomes mit ihren Alkoven werden die Extrabreite und -höhe im Alltag zum Nervfaktor. So drängt sich dann ein Kleinwagen förmlich auf; der Smart steht dabei besonders bei Städtern weit oben auf der Wunschliste. Wer die unschlagbare Kompaktheit der ersten Generation schätzt, sollte sich noch ein solches Modell sichern, denn die 2007 eingeführte zweite Auflage war fast 20 Zentimeter länger. Schliesslich musste sie sich neuen Komfortansprüchen und Sicherheitsbestimmungen unterwerfen. Querparken am Strassenrand ist mit ihr kaum noch möglich, und in vielen Fällen passt sie auch nicht mehr ins Heck eines Reisemobils. Die dritte Generation, die seit Ende 2014 angeboten wird, ist immerhin nicht länger geworden – sonst hätte sie die Smart-Idee endgültig ad absurdum geführt. Dafür hat Nummer 3 in der Breite um zehn Zentimeter zugelegt, gegenüber dem ersten Smart sind es sogar 15 cm. Ziemlich irre sind die extralangen Türen, welche beim aktuellen Modell im geöffneten Zustand eine unglaubliche Spannweite von 3,9 Meter ergeben. Beim Ur-Smart, der im Parkhaus oder vor dem Supermarkt noch König war, sind es bescheidene 2,8 Meter gewesen. Heute muss man sich, wie mit jedem normalen Auto auch, nach einem passenden Plätzchen umsehen. Zugegeben, die Türen brauchen nicht komplett geöffnet zu werden, um aus dem Auto zu kommen. Doch eine intelligentere Lösung wäre – passend zum Rest des Wagens – durchaus sinnvoll gewesen. Unser Fortwo Coupé 1.0 wirkt dank der bulligen Front recht robust und einladend. Die Preisliste beginnt aktuell bei 13 900 Franken für eine Basisversion mit 61 PS. Für dieses Geld kann man bereits vierplätzige Autos erstehen, aber der Smart nimmt von seiner ganzen Ausstattung und Einzigartigkeit her eine Sonderstellung ein und ist es wert. Das Cockpit, das sich wahlweise äusserst bunt gestalten lässt, ist sehr übersichtlich und intuitiv bedienbar. Allerdings sind helle Stoffe auch schmutzempfindlich und Hochglanzoberflächen konservieren Fingerabdrücke so gut, dass Sherlock Holmes seine helle Freude gehabt hätte. Dafür erstaunt es uns immer wieder, wie komfortabel und gediegen selbst Grossgewachsene sitzen. Beim jüngsten Smart gelingt dies besonders gut: Von Enge keine Spur, Ellenbogen- und Kopffreiheit sind tadellos. Das gilt auch für die Auflageflächen und den Seitenhalt der Sitze, allerdings ist das Volant nur in der Höhe und nicht axial einstellbar. Zudem sitzen die Lenkradtasten für Tempomat, Navi und Audio wie bei vielen ähnlichen Systemen relativ tief. Damit die Daumen sie erreichen können, wandern Hände und möglicherweise auch die Augen von der Strasse kurzfristig nach unten, was zu Ablenkung führen kann. Ansonsten sind die gut ablesbaren Instrumente, der hoch liegende Zentralbildschirm und der Schalthebel ergonomisch untadelig angeordnet. Stau- und Ablageräume gibt es reichlich, doch der 260 L grosse Kofferraum ist erwartungsgemäss nur bedingt reisetauglich. Ein Wochenendeinkauf passt dagegen problemlos ins dank Doppel klappe leicht beladbare Heckabteil. Wer übrigens unter der Fronthaube noch Stauraum erwartet, wird leider enttäuscht: Die ist lediglich eine technische Serviceöffnung ohne Zusatznutzen. Das mit Abstand Erstaunlichste ist jedoch die extreme Wendigkeit des Microcars. Dank knappem Radstand und nahezu inexistenten Überhängen ergibt sich ein Wendekreis von 7,4 Meter und eine unübertroffene Übersichtlichkeit in alle Richtungen.
Mit dem turbolosen Einliter-Dreizylinder sowie fünf manuellen und sehr leicht schaltbaren Gängen (Novum!) lässt sich der Smart recht fix bewegen. 820 kg Leergewicht bedeuten aber auch, dass die Ein-Tonnen-Grenze mit zwei Personen an Bord schnell erreicht ist. Beschleunigungstechnisch ist der Smart III ohnehin kein Renner und auch nicht gerade leise unterwegs; der Motor meldet sich sehr vernehmlich aus seinem Heck-Verlies. Gegenüber einem Wohnmobil gibt er sich natürlich rasant, doch wer zügig unterwegs sein will, darf keine Spritsparwunder erwarten: Der angegebene Normverbrauch pendelt sich in der sowohl hügeligen als auch staugeplagten Schweiz eher bei fünf bis sechs Liter ein. Der 90 PS starke und 1200 Franken teurere Turbo genehmigt sich kaum mehr, bietet aber bessere Fahrleistungen. Positive Neuigkeiten gibt es zudem für Schaltmuffel, denn die hoppelige Halbautomatik des Vorgängers wurde durch ein Sechsstufen-Doppelkupplungsgetriebe ersetzt, das allerdings auch 1390 Franken extra kostet. Neben den drei Benzin-Modellen – ein Diesel ist derzeit nicht geplant – dürfte es später auch eine «Electric-Drive»-Variante geben. Konzeptbedingt federt der Smart etwas hart – auch zugunsten einer sicheren Strassenlage. Solange die Fahrbahnoberfläche gut ist, ist es der Komfort auch und das Fahrverhalten insgesamt sehr sicher. Das ändert sich allerdings auf der Autobahn: Der Geradeauslauf wirkt trotz aufwendiger De-Dion-Hinterachse nervös und wegen seiner unbelasteten wie gelenkten Vorderachse ist der Smart auch seitenwindempfindlich – Käfer-Fahrer kennen das. Deshalb greift die Elektronik in solchen Fällen kor-
Der Smart Fortwo ist wendig wie ein Microcar, wirkt aber von innen wie ein Grosser – zumindest für zwei Personen rigierend ein. Bremsmanöver auch aus hohen Geschwindigkeiten wiederum sind gar kein Problem; überhaupt wird das Thema Sicherheit gross geschrieben. Jedenfalls so gross, wie es in einem so kleinen Auto möglich ist. Die Knautschzonen sind kürzer als bei anderen Autos, aber ausgeklügelt konzipiert. Die TridionSicherheitszelle aus hochfesten Stählen hat sich bewährt. Die Zahl der Airbags ist gross und die der Assistenten ebenfalls. Vielfalt gibt es auch bei den Karosserien. Wer es luftig will, kann inzwischen ein halboffenes Cabrio mit Überrollbügel haben, während ein viertüriger Forfour, der sich auf Basis des Mitsubishi Colt bereits zwischen 2004 und 06 erfolglos am Markt versuchte, mehr Platz bietet. Vielleicht ist die Zeit heute wieder reif für einen «grossen» Smart, zumal zwischen Fortwo und dem kleinsten Mercedes noch Platz ist. Der aktuelle Forfour basiert auf dem Renault Twingo. An dieser Stelle sei eine kleine Erfolgsstatistik angeführt: In den ersten neun Monaten 2015 verkaufte sich der zweitürige Smart 1636-mal, der Viertürer 686-mal, und der ausschliesslich viertürige Twingo-Bruder 954-mal. Die Statistik scheint also ausgeglichener als noch vor zehn Jahren. Hingegen haben sich die Smart-Strategen nicht mehr auf extro vertierte Abenteuer à la Crossblade einlassen wollen und auf einen Sportwagen ebenfalls nicht: Die zwischen 2003 und 05 WINTER 2015/16 087
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TECHNISCHE DATEN SMART FORTWO 1.0 Konzept Dritte Generation der seit 1998 angebotenen Mikro-Limousine. Selbsttragende Karosserie, zwei Türen/Sitzplätze, Doppelheckklappe. Vorne Federbeine, Querlenker und Scheibenbremsen, hinten DeDion-Achse mit Wattgestänge sowie Trommelbremsen. Zahnstangen lenkung mit el. Servo, Hinterradantrieb Motor Wassergekühlter, hinten quer verbauter Dreizylinder-Benziner, Aluminium-Zylinderkopf und -block, 4 Ventile/Zylinder (VVT), 2 oben liegende Nockenwellen, 4fach gelagerte Kurbelwelle (Kette), Saugrohr einspritzung, Stopp-Start-System Hubraum in cm3
999
Bohrung x Hub in mm
72,2 x 81,3
Verdichtung
10,5:1
Leistung in PS (kW) @ U/min
71 (52) @ 6000
Max. Drehmoment in Nm @ U/min
91 @ 2850
Kraftübertragung
M5/DKG6
Abmessungen (L/B/H) in cm
269/166/155
Radstand in cm
187
Spur vorne/hinten in cm
147/143
Reifen und Räder
vorne
165/65 R15 auf 5 J
hinten
185/60 R15 auf 5,5 J
Tankinhalt in L
28
Kofferraumvolumen in L
260–350
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg
820
Zulässiges Gesamtgewicht in kg
1150
Leistungsgewicht in kg/PS
11,4
0 – 100 km/h in Sek.
14,9
Höchstgeschwindigkeit in km/h
151
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km
4,1
CO2-Emission in g/km
93
Energieeffizienzkategorie
B
Preis ab CHF
14 400.–
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus
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Kraftpaket: Der 0,9-L-Turbo markiert mit 90 PS (66 kW) die Spitze
angebotenen Roadster und Roadster Coupé hatten zwar die Proportionen eines urigen Briten, aber der schwache Motor, das sequentielle Getriebe mit langen Schaltpausen und nicht zuletzt die Playmobil-artige Optik passten nicht zu einem Sportwagen. Der geplante SUV namens Formore blieb schon in der Entwicklung stecken, weil die Marke damals in eine Sinnkrise geriet und sich ohnehin nicht endlos dehnen lässt. Somit hat der Smart in dritter Generation zumindest als Fortwo zu seinen Wurzeln zurückgefunden. Er ist ein typisches Nischenauto, das bestimmte Wünsche ausgezeichnet erfüllt, während es andere gar nicht erst erfüllen will. Gut so. Allerdings haben wir eine Bitte: Länger und breiter darf er auf keinen Fall werden. Die wahre Grösse des Smart ist schliesslich seine Winzigkeit – dafür lieben wir ihn.
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utti, nehmen wir jetzt den Möbelwagen mit? Oder doch das Boot? Fragen wie diese gehören der Vergangenheit an, denn ab sofort geht beides – mit dem Sealander: Denn dieser über alles 4,06 Meter kurze GFK-Anhänger kann tatsächlich schwimmen – und auch bis zu 5 Knoten (9 km/h) schnell fahren! Auf den ersten Blick klingt das wie der singende Kugelschreiber – also nach einer Idee, die niemand braucht. Wer jedoch kurz überlegt, dem fallen viele Gelegenheiten ein – die sanfte Biegung des Flusses etwa, das nahe gelegene Seeland oder eben der nächste Mittelmeerurlaub. Einfach mal abstossen und alles hinter sich lassen: Dieses Fahrzeug ist ein Versprechen. Das Bestechende am kompakten Sealander, den der Kieler Daniel Straub ersonnen und entwickelt hat, ist seine Unkompliziertheit: Wegen der überschaubaren Motorisierung braucht es keinen Bootsführerschein und weil der komplette Anhänger im Zugbetrieb maximal 550 Kilo wiegen darf, kann er selbst von Kleinwagen an den Haken genommen werden. Alles, was man
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unterwegs und zur See so braucht – Heckklappe plus Rollverdeck, eine kleine Küche inkl. Zweiflammenherd und Tisch sowie Beleuchtung, Stereoanlage, wahlweise WC/Dusche, Schränke oder Matratzen –, ist serienmässig oder optional an Bord; die verzinkte Achse samt Rädern bleibt immer dran. Ein Aussenborder (Benziner oder Elektro mit bis zu 6 PS) wird nach dem Wassern einfach am Heck über die Reling geschraubt und schon kann es losgehen, düst man zu zweit (die mögliche Zuladung beträgt 410 Kilo) durch die Fluten. Klar, die See sollte relativ ruhig sein – und für die grosse Fahrt nach Tasmanien ist der Sealander nicht gedacht. Doch reicht die Bordnetzspannung locker für einen Wochenendausflug Richtung Sonnenuntergang. «Das ist Lebensqualität», grinst Straub. Wer jetzt noch ein Amphicar sein Eigen nennt, muss vor dem Badengehen nicht einmal abkuppeln. Ahoi! www.sealander.de
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VARIABLE UNTERKUNFT: ADRIA ADORA 613 PK
Alko-Breitspurfahrwerk mit Schräglenkerachse, Stossdämpfern und Antischlingerkupplung AKS 3004 – das mag dem Laien nicht allzu viel sagen, bedeutet aber, dass die Slowenen für den Bau ihrer 6,75 Meter langen Adora-Baureihe auf hohe Qualität, gute Fahrstabilität und Sicherheit geachtet haben. Mit einem Kinderzimmer und Stockbett mit drei Etagen bietet er auch grösseren Familien genug Schlafplätze, denn im Bug ist auch ein Doppelbett für die Eltern eingebaut – sogar die Sitzgruppe in der Wohnwagenmitte kann, falls mal Gäste kommen, abends noch zu einem Schlafplatz umgebaut werden. www.adria-mobil.com
092 VECTURA #17
PATENTES ARRANGEMENT: BÜRSTNER PREMIO PLUS 510 TK
Hubbetten kennt man eigentlich vor allem aus dem Bereich der Wohnmobile. Doch Bürstner hat das Prinzip mit dem Premio Plus 510 TK erfolgreich in den Caravan-Bereich transferiert. Über der Rundsitzgruppe im Heckbereich ist es tagsüber quasi unsichtbar an der Decke versteckt und wird abends zum Schlafen heruntergelassen. Wer will, kann dann auch die Sitzgruppe zur zweiten Schlafstatt machen. Zusätzlich bietet der nur rund sechs Meter lange Premio Plus im Bug weitere Etagenbetten und so können bis zu sieben Personen in diesem Caravan übernachten. www.buerstner.com
WENIGER IST MEHR: DETHLEFFS C’TREND 475
Nomen est omen: Der c’trend steht für modernes Design, Style und zeitgemässe Formen. Sein Möbelbau ist klar, geradlinig und schnörkellos, seine Farben sind frisch, hell und freundlich. Damit setzt er sich von allzu opulenter Innenausstattung, wie sie in der Vergangenheit oft üblich war, wohltuend ab. Auf Wunsch kriegt der längs 5,63 Meter messende Wohnwagen auch noch ein buntes Aussendesign in Blau, Grün oder Rotbraun: Das nennt sich dann Blue Sky, Green Apple und Golden Sunrise. Dazu gibt es dann die passenden Innendekors. Was in dieser Fahrzeugkategorie aber vor allem zählt, ist ein günstiger Preis – und da können der c’trend 475 und die fünf anderen erhältlichen Grundrisse dieser Baureihe eindeutig mithalten. www.dethleffs.de
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VOLLE BREITSEITE: HOBBY PRESTIGE 620 CL
Hobby ist seit Jahren der erfolgreichste Caravan-Hersteller Europas. Das nicht ohne Grund, denn die norddeutsche Marke bietet ein weit gefächertes Angebot mit Wohnwagen in allen Dimensionen und Preisklassen. Mit einer Aufbaulänge von 6,85 Meter und einem Quermass von 2,5 m (anstelle der meist üblichen 2,3 m) fällt der Hobby Prestige 620 CL in erster Linie durch sein luftiges Raumgefühl auf. Dank seiner All-inclusive-Ausstattung fallen beim Kauf kaum Extras an, allerdings ist der 620 CL auch kein Leichtgewicht: Mit einer Masse von mindestens 1815 Kilogramm kann er je nach Wunsch mit 2100, 2200 oder 2500 kg Gesamtgewicht geordert werden. Das bedingt aber auch einen entsprechenden Zugwagen. www.hobby-caravan.de
094 VECTURA #17
SHOWROOM
BACK TO THE FUTURE: T@B L 400
Der T@b von Traditionshersteller Knaus Tabbert feiert als Knutschkugel im Retrodesign seit Jahren Erfolge. Mit der Neuauflage im Offroad-Look hat er aber auch an Funktionalität gewonnen: Aus dem einst etwas spartanischen Eyecatcher ist ein richtiger Caravan geworden, den man überall mit hinnehmen kann. Im T@b L 400 hat jetzt sogar ein Badezimmer Platz und auch die Küche profitiert von der neuen Raumgestaltung. Mit einer Breite von 225 Zentimeter und einer Aufbaulänge von rund 4,2 Meter ist er nach wie vor sehr kompakt. Bei einer zulässigen Gesamtmasse von 1,2 Tonnen kann man zwar nicht von Leichtbau sprechen, doch der T@b ist noch im unteren Gewichtssegment angesiedelt. www.knaustabbert.de
GETRENNTE BETTEN: LMC VIVO 490 E
LMC war einer der ersten Hersteller, die beim althergebrachten Caravan-Gerüst auf Holz verzichtet und dieses durch hochstabile PU-Leisten ersetzt haben. Feuchtigkeitsresistenter XPS-Schaum als Isolationsmaterial garantiert eine lange Lebensdauer. So bietet das Label heute – jährliche Kontrollen beim LMC-Händler vorausgesetzt – eine Dichtheitsgarantie von zwölf Jahren. Wie die Konkurrenz führt auch der über sieben Meter messende Vivo 490 E verschiedene Grundrisse in allen Preisklassen; immer beliebter werden dabei Einzelbett-Konfigurationen wie in diesem LMC. Im Bug befindet sich eine Rundsitzgruppe, Küche und Bade zimmer sind im mittleren Bereich angeordnet. Das Modell empfiehlt sich als idealer Reisecaravan für zwei Personen, es können aber auch bis zu vier Personen im Fahrzeug übernachten. www.lmc-caravan.de
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SHOWROOM
LASTENTRÄGER FÜR SPORTFANS: KNAUS SPORT & FUN
Jung, dynamisch und aufregend anders in der Gestaltung: Das Konzept des Knaus Sport & Fun hat vor 20 Jahren bereits einmal für Aufregung im Caravan-Markt gesorgt. Auf die Saison 2016 kehrt der «freche Flitzer» wieder zurück! Besonders bei Motorradfans dürfte er wieder sehr beliebt sein, denn dank der grossen Klappe im Heck und entsprechenden Befestigungshaken im Innern des Wohnwagens kann man die Maschine ohne grossen Zusatzaufwand transportieren. So mancher Motocross-Fahrer wird den einschliesslich Zugdeichsel 6,25 Meter langen Sport & Fun als Wohnwagen, Töffanhänger und gleichzeitig als mobile Werkstatt nutzen; das gilt natürlich auch für anderes Freizeitgerät. Kurz: Wo sperrige Sportgeräte ein Thema sind, bietet der Knaus Sport & Fun eine Lösung. Am anderen Ende des Angebots parkt der über neun Meter lange Tabbert Da Vinci 700 KD – eine geräumige Drei-Zimmer-Wohnung mit breiten Betten, grosser Sitzgruppe, 140-Liter-Kühlschrank und auch sonst allem erdenklichen Komfort. www.knaustabbert.de
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Living in America: Komfort-Caravan an einem 1965er Chrysler 300 four-door sedan
ERINNERUNGEN AN DIE ZUKUNFT WER BEREITS IM KINDESALTER GLÜCKLICH CAMPIERTE, VERGISST DAS NIE WIEDER. SOLCHE PRÄGUNGEN KÖNNEN DANN SPÄTER EINFLUSS AUF DIE FERIENPLANUNG HABEN … Text und Fotos Uta Schildwächter
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a ist es wieder, dieses Kribbeln: Ausgelöst wird es durch einen ersten Hauch salziger Meeresluft, die durch das geöffnete Seitenfenster dringt. Zwei Wochen die Küste entlang, Reisen ohne festen Rhythmus und Zeitplan, zwei Wochen nur der Nase und dem Bauch folgen. Bleiben, wo es mir gefällt, weiterziehen, wenn mir danach ist, erkunden, was mich interessiert. Ohne dieses «bis-22-Uhr-einchecken, vor-12-auschecken» und Kofferpacken, auch ohne ein Zelt, das auf- und abgebaut werden will (wehe, wenn es geregnet hat): Alles, was ich brauche, ist bereits an Bord! Wohlbehagen, Entspannung und Gemütlichkeit jederzeit, überall, und dazu als Sahnehäubchen mein eigenes Bettzeug samt Kopfkissen – so gefällt es mir! Fernweh ist ein süsser Schmerz. Und mit Wohnmobil umso süsser, weil Ferien dann schon vor der Haustür beginnen. Das Fahrzeug ist kein Transportmittel zum Domizil, es ist das Domizil – und dabei viel persönlicher als jedes Hotelzimmer. Im eigenen Reisemobil verdichtet sich eine Mischung aus Vertrautheit und Erwartung; vergilbte Bilder mit schönen Erinnerungen tauchen vor meinem geistigen Auge auf, sie beflügeln die Vorfreude auf neue Entdeckungen. Unterwegs sein in bewohnbaren Fortbewegungsmitteln gehört zu meinen frühesten kindlichen Erfahrungen – im wahrsten Sinn des Wortes. Schon mein Vater hatte das «Reise-Gen» und gab es an meine Schwester und mich weiter. Das prägt. Wir lebten damals in den Vereinigten Staaten; noch bevor ich laufen konnte verbrachten wir viel Zeit auf unserem Segelschiff. Im Teenager-Alter waren 098 VECTURA #17
wir dann beinahe jeden Sommerurlaub mit Auto und Wohnwagen, später dann im Wohnmobil unterwegs. Letzteres war unter anderen ein elf Meter langer Encounter Typ Georgie Boy, und zwar, wie es sich in den USA gehört, fully loaded. So erlebten wir die Pracht der Nationalparks, machten Abstecher zu Freunden oder Verwandten, erkundeten die Neuenglandstaaten und Grossen Seen, genossen die Küsten ebenso wie das Landesinnere. Die schiere Grösse des Kontinents, sein Licht, das Wetter, die Atmosphären und Gerüche – all dies wirkt bis heute nach. «Recreational Vehicle», kurz RV, übersetzt ist das ein der Erholung dienendes Fahrzeug – welch trefflicher Ausdruck! Die Amerikaner haben ihn geprägt und kennen alle möglichen Varianten. Auch in den USA existieren inzwischen kleine Campervans, geräumige Pw mit Koch- und Schlafgelegenheit, aber ohne Stehhöhe. Der Landesgrösse entsprechend geht es aber erst jenseits davon richtig los: Anders als in Europa gehören ausgewachsene, geländegängige Pick-up-Trucks hier zum stündlichen Strassenbild und mit ihnen auch huckepackartige, kompakte Wohneinheiten, die für ein bis zwei Personen alles Erforderliche mit an Bord haben – inklusive Küche, Nasszelle sowie der Möglichkeit des aufrechten Gangs im hinteren Teil. Benötigt man die Kabine mal nicht, wird sie mit Stelzen auf dem heimischen Grundstück abgestellt. Diese Form der mobilen Behausung ist auch bei Jägern oder Freunden abgelegener Gegenden sehr beliebt. So wie eigentlich alles in den USA grösser ist als in Europa, so sind neben den kleinen und mittelgrossen Modellen auch Wohnmobile
in Reisebusformat keine Seltenheit. Hierzulande hätten wir in vielen Gegenden Schwierigkeiten, zu manövrieren oder um die Kurve zu kommen – auf der anderen Seite des Atlantiks laden die Weiten des Landes zum Reisen in solchen Fahrzeugen geradezu ein. Nicht wenige «Silverbirds» verkaufen nach Eintritt ins Rentenalter ihr Eigenheim samt Inventar und legen sich ein solches «Class A Motorhome» zu, das dank im Stand ausfahrbarer Slideouts schnell zu einer veritablen Wohnung wird. Unter Umständen kommt selbst der eigene Pw im Auto-Anhänger mit. Oder man entscheidet sich für einen sogenannten «5th-Wheeler», der mittels Sattelschlepper-Kupplung von einem Truck gezogen wird. So erkunden die Silbervögel dann das Land und verbringen Wochen bis Monate auf Kleinstadt-ähnlichen RV-Plätzen, die über Supermarkt, Kino und sonstige Freizeitangebote verfügen: Zuhause ist dort, wo das Wohnmobil gerade parkt …
Beachlife mit Georgie Boy: gelegentlich auch mit Boot
Während eines Urlaubs an den Great Lakes im Nordosten besuchten wir damals zwischen Detroit und Chicago etliche RV-Händler in Elkhart, Indiana – ganze zwei Tage lang! Elkhart galt damals als eine Hochburg der RV-Industrie. Wir Kinder spielten «Haus» in den verschiedenen ausgestellten Fahrzeugen, während unser Vater neben der Ausstattung alle anderen Fakten der diversen Modelle in Erfahrung brachte. Bei der Weiterreise waren wir danach alle drei so gut informiert, dass es uns unterwegs bei jedem Wohnmobil rein aufgrund der Fensteranordnung gelang, den Grundriss des Innenausbaus zu erraten.
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FAHRTENBUCH
Zwischenzeitlich nach Europa umgesiedelt und im Erwachsenenalter angekommen, fuhr ich 1986 mit meinem zweiten Freund in dessen VW-Bus T1, jenem Klassiker mit noch geteilter Frontscheibe, nach Paris. Nostalgie pur! Die geschrumpften Dimensionen passten zu einem Kontinent, in dem alles viel näher beieinanderliegt als in Nordamerika. Dennoch erlaubte das sehr überschaubare Reisetempo, dass die Seele jederzeit mitkommen konnte – es war das viel zitierte «Sein im Hier und Jetzt». Ich habe seither immer wieder nach Möglichkeiten gesucht, mir dieses Glück neu zu erfüllen – am liebsten mit (m)einem kleinen Reisemobil. Es ist kurz und wendig genug, um in entlegenen Gegenden auch schmale Strässchen befahren und in Städten noch unkompliziert parken zu können. Und es ist geräumig genug zum Kochen, Schlafen oder einfach nur Faulenzen. Vollkomfort garantiert eine abgeschlossene kleine Nasszelle mit WC – so sieht mein persönliches Ideal von Bewegungsfreiheit aus. Der Vorteil am Reisen mit dem Wohnmobil ist, dass es Varianten für jeden Geldbeutel und für die unterschiedlichsten Bedürfnisse gibt. Wer sich unschlüssig ist, welches mobile Zuhause zu ihm passt, kann zunächst als Mieter seine Erfahrungen machen.
So kann man unterschiedliche Modelle erproben und herausfinden, in welcher Version die eigenen Träume sich am besten verwirklichen lassen. Und je nach Land und Ziel können die Bedürfnisse ja sehr unterschiedlich sein! Zur Erkundung Namibias gibt es wohl nichts Besseres als ein allradgetriebenes Fahrzeug mit Dachzelt oder einen ebensolchen Pick-up-Truck mit CamperAufbau. Für eines meiner mittelfristigen Ziele, einen längeren Aufenthalt in Australien, darf es schon ein wenig grösser sein – je nachdem, ob man allein, zu zweit, als Familie oder mit Freunden unterwegs ist. Für die berühmten kleinen Fluchten aus dem Alltag ist das vielfältige Europa für mich allerdings unschlagbar! Nur hier ist es möglich, innerhalb weniger Wochen komplett verschiedene Länder, Menschen, Landschaften und Kulturen kennenzulernen, kurz: den eigenen Horizont zu erweitern. Das Aussergewöhnliche geschieht dann oft in erwartungsfreien Momenten. Eine landschaftlich atemberaubende Perspektive, gerne auch mal einsam. Sich unbeobachtet wähnende Tiere wie jener Seeadler, der keine 100 Meter vor mir ins Wasser greift, um einen Fisch zu fangen und dann mit kräftigen Flügelschlägen wieder abzuheben – unvergesslich. Ich übernachte meist auf einfachen Wohnmobil-Stellplätzen. Dort kann man, teilweise gegen eine geringe Gebühr, eine bis mehrere Nächte stehen. Die Luxusvarianten verfügen über Stromanschluss und vereinzelt sogar Sanitärbereiche. Nur das Aufbauen des Camping-Mobiliars vor dem Wohnmobil ist verboten. Als Wohnmobilist steuert man alle paar Tage einen Campingplatz an, um Braunund Schwarzwasser zu löschen, frisches zu bunkern oder einfach um andere Annehmlichkeiten in Anspruch zu nehmen. Ob gross oder klein, Massenbetrieb oder familiär, mit Hund oder ohne, weitläufig oder kuschelig, naturnah oder mit Freizeitangeboten, Animation und Kinderbetreuung – es gibt so viele verschiedene Arten, dass für jeden etwas dabei ist. Und dem persönlichen Fortbewegungsdrang sind selbst bei mehrtägigen Aufenthalten kaum Grenzen gesetzt.
Schöne Erinnerungen: Uta mit Vater und Schwester (oben) sowie der VW-Bus ihres späteren Freundes
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Wer US-Campingplätze kennt, wird sich auf europäischen unter Umständen etwas eingeengt fühlen. Während man in den Vereinigten Staaten sehr geräumige Parzellen vorfindet – meist mit fest aufgebautem Tisch und Sitzgelegenheit sowie Sichtschutz aus Hecken oder Büschen –, will bei uns in kleineren Dimensionen gedacht werden. Ein den USA ähnliches Mass an Privatsphäre gibt es nur in der Nebensaison oder in touristisch wenig frequentierten Gebieten. Ein wichtiger Teil meiner WohnmobilBewegung ist die Begegnung mit anderen, die genauso reisen. Und es geht mir auch darum, neue Menschen kennenzulernen. Man tauscht sich aus, hilft sich bei Problemen mit der Ausrüstung, bekommt neue Anregungen. Die inneren Sehnsüchte sind oft die gleichen – der Weg ist das Ziel, unterwegs zu sein ist gleichzeitig ankommen. Diese Ungebundenheit – jeden Morgen aufs Neue zu erspüren, wonach mir heute ist, und mir das zu erfüllen – darauf kommt es für mich an. Und wenn andere aus ihren Hotels nur noch nach Hause fahren, geniesse ich noch die Etappen Richtung Heimat. Wehmut ist natürlich auch dabei, wenn der Seegeruch verschwindet. Doch der nächste WohnmobilUrlaub ist ja bereits in Planung!
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RUBRIKEN
Mitten im Geschehen: Einbau der Dach- und Innenraumverkleidungen
HOTEL CALIFORNIA SEINE LICHTER HABEN DIE WELT GESEHEN. ER IST WELTENBÜRGER, HEIMAT UND FAMILIENMITGLIED. ÜBER SECHS JAHRZEHNTE BEGEISTERT DIE WOHNMOBIL-VARIANTE DES VW-TRANSPORTERS BESITZER WIE NUTZER ALS TREUER REISEBEGLEITER – IMMER DANN, WENN ES GILT, DIE WELT UND SICH SELBST ZU ENTDECKEN. WAS IN DEN 1950ER-JAHREN IM EINZELNEN BEGANN, MOBILISIERT HEUTE EINE FAN-GEMEINDE AN SPORTLERN, URLAUBERN UND GLOBETROTTERN. ANGEFANGEN HATTE ES GANZ BESCHEIDEN MIT EINER HERAUSNEHMBAREN CAMPINGAUSSTATTUNG … Text Nikolas Waldura · Fotos Stephan Lindloff, Werk
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ir schreiben das Jahr 1951. Die Bundesrepublik Deutschland und ihre D-Mark sind drei Jahre alt. Bundeskanzler Konrad Adenauer unternimmt seinen ersten offiziellen Staatsbesuch nach Italien. Ist er vielleicht Vorreiter einer Massenbewegung? Noch nicht! Einem VolkswagenMitarbeiter stehen damals zwei Wochen Urlaub zu. Er verbringt sie daheim, eventuell im eigenen Garten. Der VW Bus ist erst seit Frühjahr 1950 auf dem Markt. Sein Grundpreis: 5975 Mark. In der Schweiz wird er 1952 mit nur zwei Sitzplätzen ab 8320 Franken angeboten (plus langer Aufpreisliste inkl. 100 Franken für die Lackierung); es gibt ihn als Kasten- oder 102 VECTURA #17
Pritschenwagen (Letzterer kostet nur CHF 7700.–), Kombi und erstmals auch als Samba: So nennt der Volksmund den feinen kleinen Reise-Bus mit Rundum- und Dachrandverglasung sowie einem grossen Schiebeverdeck – und der ist hierzulande schon über 12 000 Franken teuer. Generell warten 4,5 Kubikmeter blechummantelter Raum auf die Aufgaben des startenden Wirtschaftswunders – oder auf die Ideen eines findigen Käufers: Sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ordert ein Kunde bei Westfalia eine Wohneinrichtung für seinen VolkswagenTransporter. Damit setzt er den Startschuss zu einer Fahrzeuggattung, die ausziehen wird, um zunächst Europa und später die ganze Welt zu entdecken.
MANUFAKTUR
Nur ein Jahr nach seinem offiziellen Debüt schlägt der neue Volkswagen also eine zweite, parallele Karriere ein, die sein Image bis heute prägt: der Transporter als Keimzelle für Freizeit und Reise – my home , my castle. Er ist damit sicherlich nicht das erste Reisemobil, aber womöglich der erste Campingbus. Der Kunde erhält von Westfalia eine sogenannte Camping-Box, eine vorerst herausnehmbare Einrichtung. Sie besteht aus einer Sitzbank im Fond vor dem Heckmotor, einem Schrank mit Rollladenverschluss über dem Motor, einem Sideboard hinter dem Fahrerhaus mit Auszug, einem Fach für den Benzinkocher und viele Polster, die zusammen mit der Heckbank eine Liegewiese für die Übernachtung ergeben. In den kommenden Jahrzehnten wird diese Grundidee bei Westfalia kontinuierlich erweitert, verbessert und unter den verschiedensten Namen angeboten. Mit den wachsenden Ansprüchen der Kunden wird der mobile Mosaik-Ausbau mit der Idee der Doppelnutzung immer mehr von einem wohnlichen Festeinbau verdrängt. Aber erst 1988 sind die Geburtsstunde und damit der Startschuss für das erste von bislang rund 125 000 Reisemobilen aus Volkswagen-Hand. Als sich die Pforten des CaravanSalons in Essen öffnen, steht erstmals ein werkeigenes, aber noch bei Westfalia gefertigtes Reisemobil auf dem VolkswagenStand. Sein Name: California. Im Presse-Kontext: «VW bringt Bewegung in die Freizeit.»
Beim Komplettieren des Küchenmoduls ist viel Augenmass gefragt
Der Grundriss des California entspricht dem Westfalia Joker, dessen Ausbau sich in den vergangenen Jahren bewährt hatte und offiziell erstmals im T2 unter dem Namen «Berlin» zum Einsatz kam. Will heissen: eine Klappsitzbank für zwei Personen im Fond, die sich bei Bedarf zur Liegefläche plan legen lässt, und eine schlanke Küchenzeile mit Kühlschrank, Gaskocher und Spüle sowie Stauraum auf der linken Seite. Bei dieser Aufteilung bleibt der Einstieg durch die breite Schiebetür frei. Dazu ein Aufstelldach, das ausreichend Stehhöhe vor dem Küchenblock und nochmals zwei Schlafplätze zur Verfügung stellt. Einstiegspreis: 39 900 Mark. Damit ist der California unschlagbar günstig. Allein in den ersten drei und verbleibenden Jahren der T3-Generation laufen circa 22 000 Exemplare vom Band. Wellenkern: Alu-Verbundplatten sparen beim Möbelbau viel Gewicht
1990 zeigt Volkswagen den nächsten «Cali», wie er schon bald liebevoll genannt werden wird, auf Basis des T4-Transporters. Der zeigt zwar Familienähnlichkeit, ist aber dennoch gänzlich anders als sein Vorgänger, denn technisch hat die neue Kleinbus-Generation mit den alten nicht mehr viel gemein: Motor und Antrieb sind von nun an vorn angeordnet. «Das erste Doppelbett mit Frontantrieb», titelt die Werbekampagne. Unverändert bleibt der Grundriss, die Funktionalität des Ausbaus ist aber umfangreich verbessert. So lässt sich nun die Sitzbank im Raum verschieben und unterschiedlich arretieren. Der Absorber-Kühlschrank ist einer schmalen Kompressor-Kühlbox gewichen, die gemeinsam mit dem Zweiflammkocher und einer Spüle den Küchenblock bildet. Die zugehörige Tischplatte verschwindet während der Fahrt in der Sitzkonsole der Schlafbank. Beide Vordersitze lassen sich drehen und damit gut in den Wohnraum integrieren. Der neue California hat mit rund 50 000 Mark seinen Preis. Doch damit nicht genug: Erstmals gibt es den Transporter mit langem Radstand. Den Höhepunkt markiert allerdings der California Exclusive. Sein Name ist Programm und bietet das autarke «Rundum-sorglos-Paket»: Denn viele Campingplätze im südlichen Ausland befinden sich immer noch auf dem Stand der 1960er-Jahre;
Kleine Hochzeit: Im Heck wird der T6 zum California Coast oder Ocean
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MANUFAKTUR
Komplexe Montage: Der Hebe-Scherenmechanismus wir gemeinsam mit dem Aufstelldach aufgesetzt
Präzises Aufsetzen gefragt: Frontspoiler für die Dachkonstruktion
ein eigener Sanitärraum ist vielerorts wünschenswerter Luxus. Langer Radstand und eine geänderte Heckpartie aus GfK mit kleiner Versorgungsklappe sind da die Lösung. Die dritte California-Generation steht erstmals 2003 im Rampenlicht des Düsseldorfer Caravan-Salons. Der neue California nutzt abermals den bewährten Grundriss seines Vorgängers, der mit linksseitiger Möbelzeile und rechtsseitiger Doppelsitzbank mit Liegefunktion sowie Stehhöhe durch ein Aufstelldach in idealer Weise Variabilität, Funktionalität und Komfort vereint. Dennoch ist alles anders: Volkswagen Nutzfahrzeuge baut den California ab 2004 nahe des Stammwerks Hannover mit der hundertprozentigen Konzerntochter Autovision. Innovative Materialien sowie durchdachte Detaillösungen setzen zudem Zeichen im Reisemobilbau. Heute, gut elf Jahre nach dem ersten Serienanlauf, gilt dies für die aktuelle Generation mehr denn je. Die erste Reiseroute eines jeden California ist damit klar definiert. Sie führt vom Stammwerk in Hannover Stöcken in das rund acht Kilometer entfernte Autovision-Werk in Limmer. Zugegeben: Noch ist es einfach nur ein T6. Es gibt keinen Schriftzug, der Innenraum präsentiert sich wenig wohnlich, das Seitenteil hat zwei faustgrosse Löcher und
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der Dachausschnitt ist lediglich mit einer weissen Wanne aus Kunststoff verschlossen. Aber der Rest ist beste Fliessbandfertigung, direkt produziert neben Multivan und Co. im Stammwerk von Volkswagen Nutzfahrzeuge. In Limmer angekommen startet dann auf knapp 15 000 Qua dratmeter der Ausbau zum Reisemobil. Rund 185 Mitarbeiter vervollständigen mit viel Handarbeit im Drei-Schicht-Betrieb das angelieferte «Halbzeug» zum California Beach, Coast oder Ocean. Die Belegschaft rekrutiert sich dabei aus Spezialisten der unterschiedlichsten Berufssparten. Unter Kfz-Mechanikern und -Elektronikern finden sich für einen Automobilhersteller so unt ypische Berufszweige wie Tischler, Messebauer und Gas-Wasser-Installateure. Das hat seinen Grund: In nur drei Tagen werden die Inneneinrichtung, das Aufstelldach und die äusserst spezifische Technik des Campers aus rund 3000 Einzelteilen verbaut. Das macht in Summe knapp 50 Fahrzeuge pro Tag. Dadurch gehen von der Bestellung bis zur Auslieferung zurzeit rund vier Monate ins Land. Den Anfang des Ausbaus machen die Versteifungsmassnahmen, die spezifischen Innenraumverkleidungen und die optionale Markise sowie die Mechanik für das Aufstelldach. Letztere erlaubt später aufgrund des grossen Scherenmechanismus viel Raum über die gesamte Fahrzeuginnenlänge. Danach steht der Einbau des zuvor zusammengefügten Geschränks mit Spüle, Frisch- und Abwassertank, Kocher und Kühlbox auf dem Programm, das zu einem grossen Teil aus Aluminium gefertigt ist. Dazu kommen unter anderem dünne Verbundplatten (Aluwell) Ihre spezifischen Extras erhalten Beach, Coast und Ocean am Band
Durch den Monsun: Endkontrolle nach der Fertigung
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AHNENGALERIE
Wirtschaftswunder-Romantik: Nach der Camping-Box lancierte Westfalia ab den sp채ten 1950er-Jahren eine richtige Reiseversion des VW T1
Durchdachter, funktionaler: Im T2 mit dem grossen Westfalia-Ausstelldach nahm die Camping-Bewegung ab 1967 richtig Fahrt auf
Der 1979 eingef체hrte T3 b체ndelte die bisherigen Erkenntnisse zum bis dato besten Angebot
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Mehr Platz: Die Frontmotor-Anordnung machte den ab 1990 gebauten T4 (hier das Facelift von 1996) noch variabler – und führte ausserdem zu einem frischen Innenkonzept mit Kofferraum unter dem Doppelbett
Der VW-Transporter ist zwar nicht das erste Reisemobil, aber womöglich der erste Campingbus
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Die Bank der Privat- und Geschäftskunden 2003 erschien der komplett neue T5. Bewährte Zutaten blieben erhalten
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Auch der 2015 eingeführte T6 California wird wieder viele Freunde finden, wetten?
mit einem Wellenkern zum Einsatz; die Aussenflächen sind mit einer Holzdekorfolie versehen. Die Vorteile des Werkstoffs sind leicht zu benennen: geringes Gewicht, hohe Steifigkeit, bessere Formbarkeit und aufgrund der Werkstoffdicke mehr Stauvolumen in den Schränken. So bietet der gesamte Möbelkomplex 40 Liter mehr Stauraum gegenüber einem vergleichbaren aus Holz. Das entspricht mehr oder weniger der 42 Liter fassende Kompressor-Kühlbox in der Mitte des Küchenblocks. Auf gleicher Höhe: ein einklappbarer und verschiebbarer Tisch, der zusammen mit der Schlafsitzbank und den gedrehten Vordersitzen die Sitzrunde bildet. Schiebetüren verschliessen dabei die zwei Küchenunterschränke. Ihr Inhalt sowie die integrierte Schublade sind sowohl bei aufgestelltem Tisch oder gemachtem Bett gut zu erreichen. Beste Zugänglichkeit zeichnet auch den Kleider- und Wäscheschrank im Heck aus. Er wird durch eine Kombination von Klapptür und Jalousie geöffnet oder geschlossen. Und der vom Mobiliar zuletzt verbaute Dachstaukasten schwenkt im späteren Einsatz zum Beladen vom Fahrzeughimmel herunter. Ein weiterer Mehrzwecktisch wird nun in der Innenverkleidung der Schiebetür verstaut. Mit vier ausklappbaren Beinen lässt er sich sowohl im Fahrzeug als auch ausserhalb nutzen. Besonders pfiffig: Zwei serienmässige Klappstühle sind in der Heckklappe untergebracht. Tisch und Stühle sind gleichfalls aus Aluminium. Auch das lästige Hantieren mit den Vorhängen entfällt. Die Verdunkelung des neuen California erfolgt in Abhängigkeit der Ausstattung durch Jalousien und Magnetgardinen. Noch bevor die Dachschale montiert wird, kommt das Hochbett an Bord. Mit ausreichend Länge und Breite verspricht es in Zusammenarbeit mit dem Lattenrost zudem hohen Liegekomfort. Wie das Mobiliar besteht auch das Aufstelldach aus Aluminium und wiegt so nur 30 Kilogramm. Zudem erlaubt es gegenüber einem GfK-Dach eine flachere Bauart bei sehr hoher Steifigkeit. Darüber hinaus ist der Werkstoff ein Wertstoff und erfüllt einmal mehr die Regeln der Nachhaltigkeit. Geöffnet wird das Dach entweder elektrohydraulisch auf Knopfdruck oder altbewährt per Hand. Insgesamt sparen die Leichtbaumassnahmen 108 VECTURA #17
aus Aluminium 120 Kilogramm, was letzten Endes auch dem Verbrauch und der Zuladung des California zugutekommt. Als Motorisierung stehen ja nach Ausstattung sechs Motoren zur Wahl – vier Diesel und zwei Benziner. Angeboten werden die quer eingebauten und um acht Grad nach vorn geneigten Zweiliter-TDI mit 84, 102, 150 oder 204 PS (62, 75, 110, 150 kW). Bis zur Leistungsstufe von 150 PS sorgt jeweils ein Turbolader mit variabler Turbinen-Geometrie für Schub; in der 204 PS starken Topversion kommt eine zweistufig geregelte Aufladung zum Einsatz. In ihr liegt das maximale Drehmoment von 450 Nm bereits zwischen 1400 und 2400 Umdrehungen an. Auf Seite der Benziner steht gleichfalls ein Zweiliter-Vierzylinder im Programm, der entweder 150 oder 204 PS leistet. Die maximalen Drehmomente sind bereits ab 1500/min abrufbar und beziffern sich auf 280 oder 350 Nm. Auf Wunsch sind Doppelkupplungsgetriebe und der Allradantrieb 4motion auch in Kombination möglich. Zum Ausgang des dritten Tages steht ein Test-und-Prüf-Verfahren an, das sich anders gestaltet als im Automobilbau üblich. Die Kalibrierung der Fahrerassistenzsysteme und das Vermessen der Achsen sind noch Regelprozesse und können verständlicherweise erst mit einem komplett ausgebauten Fahrzeug durchgeführt werden. Spezieller sind hingegen schon die Prüfung der Flüssiggasanlage zum Betreiben des Kochers sowie die der 230V-Anlage. Doch damit nicht genug, denn auch die zweite Reise eines jeden California ist Programm: Sie führt ihn, mit erhobenem Stoffdach, durch den Monsun. Nicht, weil die fast klinische Fertigung in hellen Hallen und auf weissen Böden es erfordern würde. Sondern um seine Dichtigkeit unter Beweis zu stellen. Erst danach ist er bereit für die Auslieferung an die stolzen Erstbesitzer – und ein langes Autoleben: Kenner gehen davon aus, dass die California ähnlich alt werden wie die 911er-Porsche. Hohe Occasionspreise stützen diese Einschätzung, ergo dürfte die Baureihe zu den wertstabilsten Wohnmobilen gehören, die es gibt – und zu den nachhaltigsten Modellbaureihen aus VW-Produktion.
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«NICHT AM FALSCHEN ORT SPAREN» ELF ANTWORTEN VON CHRISTOPH HOSTETTLER, CHEFREDAKTOR DER SCHWEIZER FACHZEITSCHRIFT «WOHNMOBIL & CARAVAN» Ist die Schweiz eine Caravan-Nation, Herr Hostettler? Sie wird es mehr und mehr. Während das Camping immer schon seinen Platz in der Tourismuslandschaft hatte, war das Reisen mit dem Wohnmobil viele Jahre weniger beliebt als in unseren Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Italien. Vielleicht hat das damit zu tun, dass die Distanzen innerhalb der Schweiz viel kleiner sind und man Ausflüge mit Hin- und Rückreise quasi innert einem Tag machen kann. Heute fällt es uns viel leichter als noch vor 30 Jahren, für das verlängerte Weekend auch mal nach Süddeutschland oder in die näher gelegenen Regionen Frankreichs zu fahren. Damit wird das Wohnmobil auch für Kurzreisen interessanter. Gleichzeitig profitieren wir in der Schweiz von den immer besser gewordenen Angeboten für Wohnmobilisten in unseren Nachbarländern. Aus der Schweiz selbst kennen wir diese leider kaum.
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Wohnmobil auch längere Reisen zu unternehmen. Da rechnet sich die Investition in ein neues komfortables Exemplar. Andererseits sind da die jüngeren Menschen und Familien. Sie bringen nicht nur Schwung in den Occasionsmarkt, sondern auch im Segment der preiswerten Einsteigerfahrzeuge und der kombinierbaren Alltags-Camper. Dabei sind die Grenzen zwischen diesen Gruppen aber fliessend. Es gibt auch ältere Menschen, die bewusst sehr kompakte Fahrzeuge wählen und Familien, die sich im Hinblick auf die lange Nutzungsdauer von 20 Jahren und mehr von Beginn weg ein Luxus-Wohnmobil mit allem Komfort leisten.
Der Markt wird von Importeuren dominiert, daneben blüht eine kleine feine Schweizer Szene. Wen bedient die? Es stimmt, der grösste Teil der in der Schweiz verkauften Wohnmobile und Caravans werden im Ausland hergestellt, insbesondere in Deutschland, Frankreich, Slowenien und Italien. Die Schweizer Ausbauer fertigen individuelle Fahrzeuge an. Da ist etwa Kaiser mit seinen dezenten Kastenwagenausbauten seit Jahrzehnten eine feste Konstante im Schweizer Markt. Auffälliger sind die grossen Expeditionsfahrzeuge von Tartaruga. Interessant wären aber auch Hersteller wie Stucker Reisemobile, die Sonderfahrzeuge jeglicher Art herstellen und hier die Grenzen des Wohnmobilbaus auch mal verlassen.
Caravan, Camper, Wohn- und Reisemobil, Motorhome: Unter Novizen gibt es immer wieder Missverständnisse bei den Begrifflichkeiten. Bitte klären Sie uns auf! Ein Camper ist eigentlich eine Person die Camping betreibt. Besonders im Berndeutschen allerdings wird der Camper für Campingfahrzeuge verwendet. Ich spreche gerne von Caravan und Wohnmobil: Caravan – oder Wohnwagen – steht für den von einem Zugfahrzeug gezogenen Wohnanhänger, während mit Wohnmobil ein Fahrzeug mit Motor und Wohnaufbau gemeint ist; Reisemobil ist nur ein anderes Wort dafür. Unter einem Motorhome versteht man eigentlich ein Wohnmobil amerikanischer Bauweise, das entsprechend riesig ausfällt. Und um die Verwirrung komplett zu machen, sei noch angefügt, dass der Bund von Wohnanhängern und Wohnwagen spricht und im Gegensatz zum normalen Sprachgebrauch unter einem Wohnwagen ein Wohnmobil versteht, da mit «Wagen» selbstfahrende Fahrzeuge bezeichnet werden. Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter einem Wohnwagen hingegen einen Caravan. So erklärt sich meine Vorliebe für die Begriffe Caravan und Wohnmobil.
Wie sieht die Klientel aus – eher jüngere Menschen und Familien oder doch die Generation 55plus? Beides! Und das ist wichtig so. Sicher spielt die Generation 55plus gerade beim Kauf luxuriöser neuer Wohn mobile eine grosse Rolle: Es ist eine Altersgruppe, für die das Ende des Arbeitslebens absehbar wird, die noch sehr fit und reiselustig ist und bald genügend Zeit hat, um mit dem
Caravan oder Wohnmobil – ist das neben den jeweiligen Vorund Nachteilen eine Mentalitätsfrage? Ich würde nicht von einer Mentalitätsfrage sprechen, sondern von unterschiedlichem Reiseverhalten. Wer tendenziell jeden Tag unterwegs sein oder auch auf Stellplätzen übernachten will, ist mit einem Wohnmobil richtig ausgestattet. Wer auf der Reise immer auf Campingplätzen übernachtet, sich jeweils längere Zeit dort aufhält und von diesem Standort aus die weitere Region erkundet, ist häufig mit dem Gespann besser bedient, da er mit dem Pw beweglicher ist. Natürlich gibt es im Luxusbereich auch Wohnmobile, die in der Heckgarage noch Platz für einen Kleinwagen besitzen. Doch solche Fahrzeuge sind die Ausnahme im Top-Segment. Meist hat man in einem Wohnmobil Velos, E-Bikes oder Motorroller mit an Bord. Trotzdem: Wer einen Monat lang den Caravan nutzt, macht vielleicht vier bis sechs grössere Etappen. Wer ein Wohnmobil fährt, legt pro Monat dagegen eher 20 Zwi-
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INSIDER
schenstopps ein, wobei die Reiseetappen dann entsprechend kürzer ausfallen. Wer ein Campingfahrzeug besitzt, ist ja nicht automatisch gratis unterwegs: Mit welchen Betriebs- und Reisekosten ist zu rechnen? Das stimmt, da fallen zuerst einmal Strassenverkehrszulassung, Versicherungen und Servicekosten an. Dann sind da die Dieselpreise und je nach Land und gewähltem Weg noch Autobahnoder Fährgebühren. Das Übernachten mit dem Wohnmobil kann auch auf Stellplätzen schnell zehn bis 20 Euro kosten, auf Campingplätzen je nach Saison und Ausbaustandard das Doppelte oder gar Dreifache. Und schliesslich braucht es noch einen geeigneten Stellplatz zum Überwintern. Erwähnenswert ist punkto Versicherungen sicher auch, dass man hier nicht am falschen Ort sparen soll. Immer mehr Gesellschaften bieten günstigere Pakete an, wenn man sich dafür von der freien Wahl des Reparaturbetriebes verabschiedet. Das mag für den Versicherer Sinn machen. Der Versicherte muss jedoch vorsichtig sein, dass er dabei nicht allfällige Garantien, die bei der Dichtigkeit des Aufbaus fünf bis zehn Jahre betragen können, riskiert, wenn das Fahrzeug nicht mehr von einem markenspezifischen Fachbetrieb repariert wird. In den letzten Jahren haben sich Schweizer Käufer ihr neues Fahrzeug wegen dem Wechselkurs gerne im Ausland angeschafft – macht das heute noch Sinn? Wer bei stark schwankenden Kursen exakt im richtigen Moment den Kauf abgeschlossen hat, konnte in der Vergangenheit schon mal günstig einkaufen. Doch die Schweizer Händler sind sich natürlich der Konkurrenz durch Anbieter im Ausland bewusst und haben ihre Preispolitik entsprechend angepasst. Wer einfach meint, im Ausland sei es eh günstiger, und nicht mal mehr eine Offerte in der Schweiz verlangt, macht sicher etwas falsch. Wichtig ist allerdings beim Preisvergleich, dass man sich die Details ansieht. Das gleiche Modell mit oder ohne Dachluke, Zentralverriegelung oder stärkerem Motor kann schnell mal einen Preisunterschied machen, obwohl die Bezeichnungen von Marke, Baureihe und Modell genau gleich lauten. Der nachträgliche Einbau ist dann allerdings nicht mehr machbar – oder nur mit hohem finanziellen Aufwand. Da sind gerade Einsteiger manchmal etwas blauäugig und schlitzohrige Händler im Ausland nützen das nur zu gerne aus. Camping ist jedenfalls wieder in: Wohin steuert die Branche, was sind die Trends? Das Wachstum der Branche kommt in den letzten Jahren klar aus dem Bereich der Wohnmobile. Der Caravan-Bestand hat sich zwar in den letzten 20 Jahren konstant bei rund 35 000 Fahrzeugen gehalten, doch in der gleichen Zeit hat sich der WohnmobilAnteil von 17 000 auf 42 000 Fahrzeuge fast verdreifacht. Momentan deutet nichts auf eine Umkehr dieses Trends hin, denn obwohl wir in 2015 wieder ein zweistelliges Wachstum bei den Caravan-Neuzulassungen erlebten, hat es diesen Zuwachs auch bei den Wohnmobilen gegeben, aber auf höherem Niveau. Bezüglich der Fahrzeuggattungen stellen wir drei Strömungen fest: einmal kompakt dimensionierte Kastenwagen, die auch im Alltag gebraucht werden können, dann wendige teilintegrierte Fahrzeuge mit guten Raumverhältnissen auch für längere Reisen und darüber jene Luxusklasse, die den Vergleich mit einer kleinen Wohnung in Bezug auf Komfort und technische Ausstattung nicht zu scheuen braucht.
Ist der spezielle Fahrausweis C1, den man für Wohnmobile oberhalb von 3,5 Tonnen braucht, nicht auch eine Motivations bremse für Quereinsteiger? Ja, diese Gewichtsgrenze ist für unsere Branche ungünstig. Denn eigentlich sind es die Dimensionen, die beim Fahren mit einem Wohnmobil besonders berücksichtigt werden wollen. Es gibt Modelle, die man als 3,5- oder 4,25-t-Fahrzeug kaufen kann. Von den Dimensionen sind beide gleich. Der Unterschied besteht darin, dass das 4,25-t-Fahrzeug eine stärkere Bremsanlage hat. Viele Wohnmobilhändler können Ihnen Kontakte zu Fahrlehrern vermitteln, die C1-Kurse durchführen. Wer die C1-Ausbildung frühzeitig ins Auge fasst, kann sie auch mit einer gewissen Gelassenheit angehen. Gerade was man da im praktischen Bereich lernt, ist sicherlich von Nutzen für das sichere Führen eines grösseren Wohnmobils. Einige Menschen fürchten sich vor der regelmässigen ärztlichen Untersuchung, die das C1 mit sich bringt. Hier empfehle ich, einfach mal ganz unverbindlich den eigenen Hausarzt auf das Thema anzusprechen. Damit vergibt man sich sicher nichts. Ist die richtige Beladung ein sicherheitskritisches Thema, anders gefragt: Braucht es vielleicht eine entsprechende Prüfung für Caravan- und Wohnmobillenker? Nein, Prüfungen gibt es heute bereits genug! Drei Dinge sind wichtig. Beim Beladen gehören die schweren Gegenstände möglichst tief ins Fahrzeug und bei Caravans in die Nähe der Achse. Zweitens sollte man bereits vor dem Kauf eines Fahrzeuges dessen Gewicht als entscheidendes Kriterium ins Auge fassen und dann auch beim Beladen – eventuell mit einer speziellen, im Fachhandel erhältlichen Waage – im Auge behalten. Gerade als Einsteiger kann es sich lohnen, vor der ersten grossen Ausfahrt mal mit dem
«Während der Caravan-Bestand in den letzten 20 Jahren konstant blieb, hat sich der Wohnmobil-Anteil fast verdreifacht» Fahrzeug zu einer öffentlichen Waage zu fahren. Manchmal hilft dann auch die Einsicht, dass man Wasser erst am Zielort auffüllen und nicht unbedingt 120 zusätzliche Liter mit über den Gotthard schleppen sollte. Wird dann noch die fahrzeugspezifische Gewichtsverteilung der vier Räder bei Wohnmobilen oder auch die Stützlast der Deichsel bei Caravans beachtet, ist man auf der sicheren Seite. Wer das einmal intus hat, wird später auch ohne Waage richtig beladen, denn die meisten nehmen immer etwa die gleiche Ausrüstung mit und verstauen sie auch am gleichen Ort. An wen können sich Camping-Novizen wenden, wenn sie sich näher informieren oder praktische Tipps erhalten wollen? Wenn Sie ein Wohnmobil mieten oder kaufen, wird es Ihnen vom Verkäufer genau erklärt. Beim erstmaligen Leihen kann die Übergabe 45 Minuten bis eine Stunde dauern – und beim Erwerb auch mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Selbstverständlich sollte der Verkäufer auch später für Fragen und Erklärungen bereitstehen. Das gehört zum Service und es ist darum von Vorteil, wenn der Händler in der erweiterten Region ansässig ist. Grössere Marken haben fünf bis acht Stützpunkte in der Schweiz. Bei kleineren Marken sind es vielleicht zwei oder drei. www.wohnmobil-und-caravan.ch WINTER 2015/16 111
NORDWÄRTS
EINMAL SPO, BITTE! Text und Fotos map
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ES IST EIN SUPERSOMMER, DIE BERGE FUNKELN IN DER SONNE, DOCH WIR WOLLEN ZUR ABWECHSLUNG IN DIE FERNE SCHWEIFEN. UND WOHIN? ANS MEER NATÜRLICH, DIREKT AN DEN STRAND! MIT SACK UND PACK INKLUSIVE BETT. DAS ZIEL IST GLEICHZEITIG EIN EXPERIMENT, DENN DER MOTORHOME- TRIP IST EINE PREMIERE: WIRD DAS GUT GEHEN?
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NORDWÄRTS
A
ller Anfang ist schwer: Die Entscheidung, erstmals mit einem Wohnmobil in die Ferien zu fahren, will erzwungen werden. Es fängt mit dem Organisieren an – Modelle, Ausstattungen und Preise vergleichen, Zuladung (Fahrausweis-konform?), zulässige Höchstgeschwindigkeiten und Vignetten-Pflicht (ab 3,5 Tonnen gilt die individuell berechnete «Pauschale Schwerverkehrsabgabe» PSVA) in Erfahrung bringen, Versicherungsschutz abklären. Man muss sich reinfuchsen in diese Themen und telefonieren, denn das Internet ist für WoMo-Anfänger keine grosse Hilfe, sondern stiftet zunächst noch mehr Verwirrung. Dann das Abholen: glücklich die Mieter, deren Verleih in Heimatnähe stationiert ist … Und schliesslich die Einweisung, welche technische Grundkenntnisse erfordert – merke: Wohnmobil-Kapitäne sind gleichzeitig auch potentieller Hauswart und Klempner in Personalunion! Ja, es ist purer Stress vorher. Doch der ist dann wie fortgeblasen, als sechsjährige Kinderaugen das Monstrum vor der Haustür erspähen – Freude pur beim Entdecken von Küche und Bad, alles will auf- und wieder zugemacht werden, «Papa, was ist das?», «darf ich diesen Schrank haben?» und «Ich will auch in eurem Bett schlafen!» Das Abenteuer Wohnmobil-Ferien, es beginnt genau jetzt und man richtet sich ein. Die bessere Hälfte zeigt beim Einpacken noch weniger Hemmungen als
Unser Strandnachbar beeindruckt mit drei Achsen, Vorzelt und noch mehr Komfort, beklagt aber die eingeschränkte Wendigkeit
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TECHNISCHE DATEN HYMERMOBIL ML-I 580 Konzept Vollintegriertes Wohnmobil der gehobenen Preisklasse mit vier Schlafplätzen, Sitzgruppe, Küche, Duschbad/WC und Heckgarage Motor Code OM 651 DE22LA (Mercedes 316 CDI). Wassergekühlter Reihenvierzylinder-Biturbodiesel, 4 Ventile/Zyl., Common-Rail-Einspritzung, Abgasreinigung mit Additiv, Heckantrieb
Hubraum in cm3
2143
Bohrung x Hub in mm
83 x 99
Verdichtung
16,2:1
Leistung in PS (kW) @ U/min
163 (120) @ 3800
Max. Drehmoment in Nm @ U/min
360 @ 1400 – 2400
Kraftübertragung
M6 (Option: A7)
Abmessungen (L/B/H) in cm
699,5 / 221,5 / 285
Radstand in cm
366,5
Spur vorne/hinten in cm
171/171,5
Reifen und Räder
235 / 65 R16 auf 6,5J
Tankinhalt in L
75
Kofferraumvolumen in L
3085
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg
3015
Zulässiges Gesamtgewicht in kg
4200
Leistungsgewicht in kg/PS
18,5
0 – 100 km/h in Sek.
k.A.
Höchstgeschwindigkeit in km/h
145
Durchschnittsverbrauch in L/100 km
7,6
CO2-Emission in g/km
199
Energieeffizienzkategorie
A (C)
Preis ab CHF
84 900.–
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NORDWÄRTS
Oberhalb der Fahrerkabine entfaltet sich abends ein wunderbares Doppelbett
ohnehin schon; Platz ist ja auch reichlich vorhanden! Eigenes Bettzeug – grossartig! – und dazu Toaster, Unmengen Literatur, die Stofftier-Kollektion, Klappstühle, Fahrräder, es nimmt kein Ende. Freundlich mahne ich die maximale Zuladung an, doch da ist schon alles an Bord. Nun gut, wir wollen schliesslich an die witterungslaunische Nordsee, also geht’s nach dem Tanken bei der Landi schnell nochmal auf die Waage: 3480 Kilo, schau an! Mit dem Hymermobil ML-I 580 – gehobene Mittelklasse mit Mercedes-Fahrgestell, Dieselmotor und Automatik – dürften wir sogar bis 4,2 Tonnen schwer sein – und zusätzlich bis zu 1,7 Tonnen ziehen. In unserem Fall könnte also auch meine Gattin, deren Fahrausweis nur bis 3,5 Tonnen erlaubt, ans Steuer… Es wird dann nicht dazu kommen, ist aber anfangs ein beruhigender Gedanke. Nicht dass es keinen Spass machen würden, die sieben Meter lange, knapp drei Meter hohe Hymer-Box zu fahren, im Gegenteil: Leer bringt es das Fuhrwerk locker auf über 140 Sachen, dann allerdings wollen Bremsweg und Seitenwind stets eingeplant werden. Es ist bei der Abholung auch nur ein Test, um die Fahrdynamik auszuloten und das Vorurteil zu widerlegen, dass WoMos Verkehrshindernisse sind. Reisetempo 100 ist jedenfalls problemlos beherrschbar, und dank vorausschauend drapierter Handtücher klappert auch nichts in den Küchenschränken. Die Kleine ist im Kindersitz auf der Eckbank direkt hinter den Vordersitzen platziert; Isofix-Befestigungen gibt es allerdings 116 VECTURA #17
nicht, und wir fragen uns, warum das so ist. Die Vorstellung, die Besatzung könnte während der Fahrt umherlaufen, einen Kaffee kochen oder das Bad benutzen, ist natürlich naiv und in der Praxis streng verboten. Im Stau auf deutschen Autobahnen – unsere Geschwindigkeit beträgt circa zehn Meter pro Minute – müssen wir es schmerzlich erfahren: Es wird dunkel, die kleine Maus quengelt und darf doch noch nicht in die Heia, was sie gar nicht versteht. Die nächstmögliche Ausfahrt nach qualvollen zwei Stunden ist eine Erlösung, der Schattenparkplatz neben einem Eros-Center auf dem völlig überfüllten Autohof das Paradies. Motor aus, Rollläden runter, Zähne putzen und gute Nacht! Nicht auszudenken, hätten wir uns jetzt noch ein Hotel suchen müssen… Kaffeeduft durchströmt mit der ersten Morgendämmerung die Kabine; das Hymermobil verfügt serienmässig über MehrzonenKaltschaummatratzen, optional gibt es Tellerroste dazu. Ent sprechend gut ausgeruht verlassen wir diesen hässlichen Ort, cruisen entspannt dem noch 700 Kilometer entfernten Ziel entgegen. So viel vorweg: Wir werden es in Tagesfrist und Helligkeit schaffen, trotz obligatorischem Berufsverkehr vor dem Elbtunnel – und uns gleichzeitig geloben, das nie wieder zu tun, nicht mit einem Kleinkind. Unseres kann sich zwar auch prima selbst beschäftigen, also zeichnen oder mal was essen, langweilt sich in der Regel aber auch schneller als Erwachsene. Also erfinden wir das Ratespiel «Siehst du das Wohnmobil?» Hervorragende Idee, Caravans zählen auch und die Autobahn ist voll davon! Wir sichten alle möglichen Variationen, erkennen Gemeinsamkeiten wie Unterschiede und vermuten, dass es weit mehr Reise mobil- und Wohnwagen-Marken als Automobilhersteller gibt. Kenner der Materie wissen, dass allein die marktdominierende Hymer-Gruppe neun Label unter einem Dach vereint (siehe S. 129); bei Knaus Tabbert sind es immerhin noch vier (Knaus, Tabbert, T@b und Weinsberg).
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NORDWÄRTS
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Die Serienausstattung unseres fahrenden Hauses kann sich bereits sehen lassen: Im stufenfreien Innenraum gibt es eine ergonomisch durchdachte Küche mit Dreiflammenherd, ein separates Duschbad, die gemütliche Sitzecke mit Fernseh-Vorrüstung und viele Oberlichter. Wer mehr will, muss extra bezahlen, das ist genau wie in der Personenwagen-Abteilung. Ein gut bestückter 580er kostet ganz schnell über 100 000 Franken. Trotzdem geht hier und da auch mal etwas kaputt, reisst eine Furnierkante ab, klemmt die Fahrersitzverstellung, fransen Fliegengitter aus. Das ist freilich keine Hymer-Kritik, sondern eine allgemeine Beobachtung: Qualitativ, das dürfen wir nach Besuch mehrerer Händler und eines Caravan-Salons sagen, befinden sich nahezu alle WoMo-Hersteller auf einem verbesserungswürdigen Niveau. «Die Garantiefallrate beträgt 300 Prozent», raunt uns ein Branchenkenner zu, der namentlich nicht genannt werden möchte. Mit anderen Worten: Nachbesserungen sind an der Tagesordnung, und spätestens hier rächt es sich, das Fahrzeug im entfernteren Ausland eingekauft zu haben. Wer sich nun eingehender mit den Katalogen diverser Marken beschäftigt, wird feststellen, dass er es mit einer weitgehend biederen Branche zu tun hat – spitze Zungen würden gar von spiessig sprechen. Dabei gäbe es Alternativen wie der OperaEntwurf von Axel Enthoven. Doch kaum ein Hersteller traut sich, vom Mainstream abzuweichen. Und so entspricht dieses Vorurteil geschmacklicher Mittelklasse weitgehend der Wahrheit – wo ist der WoMo-Produzent, der diesen Zustand aufbricht mit einem Philippe-Starck-artigen Design, der nicht gleich sechsstellig kostet? Selbst Ikea traut man spannendere Interieurs zu, obwohl es verglichen mit den 1970er-Jahren viel besser geworden ist. Mit unserem Hymermobil haben wir es ohnehin gut getroffen: Wie seine kürzeren und längeren Geschwister hält es sich beim Mobiliar dezent zurück, verzichtet auf gedrechselte Schrankwandkanten und zwirbelige Beschläge. Auch die jutebeige Polsterung darf als neutral bezeichnet werden. Allein an die Spiegelei-förmige Holzfassung des LED-Oberlichts unter dem vorderen Doppelbett mag ich mich auch nach einer Woche nicht gewöhnen … Wer sich mit eingefleischten Wohnmobilisten unterhält, wird über die technischen Fortschritte aufgeklärt. Kunststoff hat Holz weitgehend verdrängt. Kontinuierliche Verbesserungen finden unsichtbar und im Detail statt – mit modernen SandwichKonstruktionen und doppelten Böden für bessere Isolierung ohne Kältebrücken, neuen Materialien wie XPS-Schaum oder sparsamen Elektrogeräten. Wer heute mit einer Gelbatterie über das Wochenende kommt, brauchte früher zwei Akkus. Gas ist aber nach wie vor ein Thema, wenn es um mollige Wärme geht – sei es zum Duschen oder nachts aus der Standheizung. Der Umgang erfordert gedankliche Gewöhnung – ist wirklich alles dicht? Wir wollen morgen schliesslich nicht in der «Bild»-Zeitung stehen … Mehrmals schnuppern wir anfangs durch das Fahrzeug, doch nach zwei Tagen ist das kein Thema mehr. Auch die zunächst etwas eigenartige Bedienung der Bordelektrik weicht bald der Routine – und wenn Stromverbraucher nicht benötigt werden, schaltet man sie ab. Das gilt besonders für die Wasserpumpe, die nicht trockenfallen darf, womit wir auch beim weniger appetitlichen Teil angekommen wären – der Braun- und Schwarzwasserentsorgung. Doch auch das ist Übungssache und schnell gelernt. WINTER 2015/16 119
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An der Nordseeküste ist die Welt ein Dorf … Frische Krabben und Kitesurfen gehören dazu
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NORDWÄRTS
Am Reiseziel Sankt Peter-Ording verbringen wir an scheinbar endlosen Stränden entspannte Ferientage mit allem Komfort – und prosten uns glücklich zu, wenn Spaziergänger mit Butterbrot-Rucksäcken vorbeilaufen. Hier reicht ein Griff in die Kombüse, wo neben frisch gepuhlten Krabben aus Tönning der gut gefüllte 140-Liter-Kühlschrank bereitsteht. Herrlich! Zu hell? Das elektrische Rollo schafft Abhilfe. Ein gepflegtes Mittagsschläfchen? Gleich hier und jetzt! Ab 22 Uhr, wenn der Strand geräumt werden muss, könnten wir es zwar riskieren zu bleiben – rollen aber auf einen nah gelegenen Campingplatz, der pro Nacht 20 Euro kostet. Hier ist man dann Buddy, duzt jeder jeden. Trotzdem wird genau beobachtet, wer hier was einparkt und aktuell den Längsten hat: Mit einem 250 000-Franken-plus-Oberklassemodell vorzufahren, wäre etwa so, als würde man mit einem Rolls vor einer Imbissbude halten. Unser Hymer dagegen kehrt den Luxus nach innen und verhält sich äusserlich schlicht genug, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Nur Kenner sehen, dass es sich um eine gehobene Form mobilen Reisens handelt, das uns irgendwann wieder Richtung Heimat führt. Übernachtet wird dann auf Stellplätzen, die es überall entlang des Weges gibt und mir als Autofahrer bisher nie aufgefallen sind. Abschliessend sei noch gesagt, dass wir unseren Sieben-MeterLulatsch auch problemlos durch die Grossstädte Hamburg und Berlin bewegen werden; allein die Parkplatzsuche ist ein wenig aufwendiger. Und so nehmen wir uns vor, wieder mal ein Wohnmobil zu nehmen – das nächste Mal vielleicht mit einer etwas helleren Holzmaserung.
Sinnvolle Begleiter Die Stellplatz-Atlanten von Promobil sind für viele westeuropäische Länder erhältlich. Neben Fotos und Adressen finden sich nützliche Infos zur Lage, Ausstattung oder eventuellen Gebühren. Diese Atlanten sind überall im Buchhandel erhältlich oder auch im Internet bestellbar unter www.swisstravelcenter.ch/promobil. Gibt es natürlich auch als App, entweder bei www.promobil.de/iOS oder www.promobil.de/android
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Dynamisch, sportlich und progressiv verleiht die neue Premium BusinessLimousine von JAGUAR innovativer Technologie eine neue Form. Der JAGUAR XF wurde komplett überarbeitet und auf ein neues Level gehoben. · Aluminium-Leichtbaukonstruktion für maximale Effizienz und Fahrdynamik · Top Verarbeitungsqualität · Modernste Sicherheits- und Fahrer-Assistenzsysteme · Luxuriöses und komfortables Interieur · Moderne und effiziente Ingenium-Motoren mit Verbrauchswerten
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THE ART OF PERFORMANCE *JAGUAR XF 2.0 Diesel E-Performance, 4-Türer, man., 163 PS/120 kW, empfohlener Nettoverkaufspreis CHF 49’100.–, Gesamtverbrauch 3.9 l/100 km (Benzinäquivalent 4.4 l/100 km), Ø CO2-Emissionen 104 g/km. Energieeffizienz-Kategorie A. Abgebildetes Modell: JAGUAR XF 3.0 V6 S, 4-Türer, auto., 380 PS/280 kW, empfohlener Nettoverkaufspreis CHF 77’400.–, Gesamtverbrauch 8.3 l/100 km, Ø CO2-Emissionen 198 g/km. Energieeffizienz-Kategorie G, Ø CO2-Emissionen aller in der Schweiz angebotenen Fahrzeuge 139 g/km. Alle Beträge sind inkl. MwSt.
Grosszügiges und architektonisch interessantes Gebäude in Form eines Wohnwagenfensters
SCHAUFENSTER DES MODERNEN NOMADEN Text Stefan Fritschi · Fotos map, sfr, Werk
1929er Opel 4 PS zieht 1939er Sportberger Karavane alias «Wanderniere»
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DIE HYMER-STIFTUNG IM SÜDDEUTSCHEN BAD WALDSEE PRÄSENTIERT DIE SAMMELLEIDENSCHAFT DES WOHNWAGEN-PIONIERS ERWIN HYMER. DAS MODERNE AUS STELLUNGSKONZEPT IST AUCH FÜR CAMPING-MUFFEL HÖCHST INTERESSANT GESTALTET – DER BESUCH WIRD AUSDRÜCKLICH EMPFOHLEN
Folge dem Weg der Zeit …
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… bereits ein Hubdach aufwies – seinerzeit eine kleine Sensation!
besonderen Art: die Sammlung des 2013 verstorbenen Firmengründers Erwin Hymer, die nicht als Werkmuseum verstanden werden will, sondern eine unabhängige, private Stiftung ist. Angefangen hat es 1947; der erste Hymer war weder Wohnmobil noch Wohnwagen, sondern ein selbst gebautes «Motorrädle», das der damals 17-jährige Erwin aus überall zusammengeklaubten Teilen zusammenbastelte. Die Holzreifen mit Gummibelag wurden von einem 98 cm3 grossen und 2¼ PS starken Zweitakter angetrieben. Seine Tanzpartnerin durfte auf dem Sozius mitfahren, aber nur wenn es «den Buckel runter» ging, wie Hymer später erklärte.
… und entdecke dort auch Arist Dethleffs’ Wohnauto, welches 1931 …
D
as nördlich von Ravensburg gelegene und von der Schweiz leicht erreichbare Bad Waldsee ist nicht nur Stammsitz des Wohnwagen- und Wohnmobilbauers Hymer, sondern beherbergt auch ein Verkehrsmuseum der
Einstiegsmodelle: Knaus Schwalbennest Baujahr 1961 …
Als 23-jähriger Ingenieur stiess er zur Mannschaft von Professor Claudius Dornier, wo er unter anderem den Dornier Delta entwarf – ein Kleinstauto, welches später als Zündapp Janus in Serie gehen sollte. Für Hymer war Dornier zeitlebens der einzige
… oder Fritz B. Buschs nicht ganz ernst gemeinter Planwagen anno 1975
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RUBRIKEN
Baujahr 1961: auff채lliges Einzelst체ck im Wintergarten-Stil
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Chef, denn 1962 machte er sich mit der Herstellung von Aluminiumleitern selbständig. Später übernahm er die Firma seines Vaters Alfons, welche allerlei Fahrzeug-Sonderaufbauten vom Planverdeck bis zum Omnibus herstellte. Da wurde er von der Technik-Koryphäe Erich Bachem (abgekürzt: Eriba) gefragt, ob er ihm nicht einen Wohnwagen konstruieren könne. Das war natürlich keine Frage, und so entstand der Eriba «Ur-Troll», das Serienmodell hiess dann «Puck». Der Rest ist Geschichte: 1961 folgte ein erstes grosses Wohnmobil auf BorgwardBasis, das aber aufgrund der Liquidation des Bremer Herstellers zum Fiasko geriet. Bis zum zweiten Versuch sollte es dann über zehn Jahre dauern, doch das heute legendäre Hymermobil entwickelte sich ab 1971 zum durchschlagenden Erfolg. Heute gehören zum Hymer-Konzern die Marken Hymer, Eriba, Bürstner, Carado, Laika, Niesmann + Bischoff, Dethleffs, Sunlight, LMC sowie einige Zubehörmarken.
Bei näherem Hinsehen offenbart sich, dass Hymer nicht nur die eigenen Produkte gesammelt hat. Sondern alles, was mit dem Themenkreis zusammenhängt, inklusive Zusatzausstattungen, Literatur oder Kuriositäten. Das alles musste irgendwann einen festen Platz bekommen. Im Oktober 2011 wurde das auch architektonisch reizvolle Museum eröffnet, das sich nicht als Werkschau versteht, sondern Geschichte, Gegenwart und Zukunft des mobilen Reisens zeigen möchte. Und das auch tut: Die Sammlung der Erwin-Hymer-Stiftung umfasst aktuell
Erfolgreiche Grossserienmodelle oder von Individualisten erbaute Einzelstücke – beides ist reichlich vorhanden
Faltcaravan und Zeltanhänger bieten maximalen Wohnraum bei geringem Luftwiderstand
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PARKHAUS
Gebannte Blicke in Grossvaters rollende Stube
rund 250 Fahrzeuge verschiedenster Baujahre und Hersteller; das älteste Exponat ist ein historischer Schäferkarren aus dem Jahre 1850. Einen von vielen Schwerpunkten bilden Eigenbau-Skurrilitäten aus der DDR. Zwar hatte die SED-Führung die Wohnmobil-Kultur noch 1960 als «schändlichen Individualismus» gegeisselt und bekämpft. Doch die werktätige Bevölkerung im Arbeiter-und-Bauern-Staat war anderer Meinung – und baute mit teilweise primitiven Mitteln geniale, Trabi-taugliche Faltcaravans oder Kleinstbehausungen auf Rädern. Solcherlei Aktivitäten lösten bei den Regierenden schliesslich ein Umdenken aus: Camping wurde fortan als idealer Freizeitausgleich gesehen, die VEBs durften jetzt «Qek Junior», «Weferlinger Heimstolz» und dergleichen fertigen. Diese Modelle finden in Bad Waldsee genauso ihre Bewunderer wie die anderen alten oder neueren Exponate, die die Entwicklung dieses heute so wichtigen Industriezweigs ebenso anschaulich wie unterhaltsam dokumentieren.
Es handelt sich nicht um ein Werkmuseum, sondern um eine unabhängige, private Stiftung
Leckerbissen: der nur zwölfmal gebaute Mikafa mit BMW-V8...
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... und einer von drei gefertigten Hymer Caravano auf Borgward-Basis
Dazu gehört beispielsweise der erste deutsche Wohnwagen von Dethleffs aus dem Jahr 1931, welcher als Nachbau von 1974 gezeigt wird. Für Technikliebhaber ein besonderes Schmankerl stellt das Mikafa-Wohnmobil de Luxe aus dem Jahr 1959 dar, das damals mit einem Verkaufspreis von 42 500 Mark schon exorbitant teuer war und dank trinkfestem BMW-Barockengel-V8 im Heck ein gut gepolstertes Reisebudget voraussetzte. Oder der Schäfer Suleica (Abkürzung für Super-leicht-Caravan) mit aerodynamisch optimierter Form, die auch beim Wohnmobil Orion auf Mercedes-Basis adaptiert wurde und weit in die Zukunft gerichtet war. Leider dauerte diese nur bis 1987, dann war Schäfer wegen zu hoher Produktionskosten am Ende. Und genau an dieser Stelle setzten sehr viele innovative Konzepte an: bei den Kosten. Denn viele Camper hatten weder Platz noch Geld für ein Wohnmobil, aber das Zelt war ihnen dann doch zu unbequem. So entstand eine Vielzahl von Klapp- und Faltcaravans, die sich hinter einem schwachbrüstigen Fiat 500 oder Renault Dauphine so wenig wie möglich in den Fahrtwind stellten. Ob nun in zwei Hälften, die sich vertikal oder in der Höhe auseinanderfalten liessen, oder anderen ausgeklügelten Klappmechanismen, immer lautete die Devise: klein beim Fahren, gross beim Campen.
Futuristischer Leichtbau: Schäfer Orion auf Mercedes-Chassis…
Ein besonders origineller Beitrag stammt vom Motorjournalisten Fritz B. Busch, der sich einen Planwagen zum Vorbild nahm und 1975 ein gewölbtes Zeltdach auf einen Basisanhänger montierte. Der eigentliche Motorhome-Boom ab den 1980er-Jahren wird schliesslich mit vielen stiftungseigenen Exponaten sowie langfristigen Leihgaben veranschaulicht; das beeindruckende Angebot reicht vom selbst ausgebauten Mitsubishi L300, VW Bus oder Ford Transit bis zum plüschigen Luxusliner mit im Heck geparktem Zweirad. Ein sehr grosszügiges, helles Ausstellungskonzept auf üppigen 6000 Quadratmeter ermöglicht, dass alle Schaustücke frei zugänglich und en détail inspiziert werden können. Das Repertoire beinhaltet auch Anlässe wie Fotoausstellungen, Filmvorführungen, Reisevorträge oder sogenannte «Werkstattgespräche», in denen Experten zu Wort kommen, aber auch Oldtimer-Camping-Weekends auf dem Stiftungsgelände. Da kommen dann regelmässig alte Wohnwagen, Motorhomes oder historische Zugfahrzeuge zusammen und versetzen Besucher wie Teilnehmer in vergangene Zeiten. Nicht wenige Old- und Youngtimer fahren aus der Schweiz nach Bad Waldsee, das nur rund 100 Kilometer von Schaffhausen entfernt liegt. Es ist eine kurze Reise für diesen tiefen Blick in die CaravaningGeschichte; nicht wenige Novizen haben anschliessend ganz neue Ferienpläne.
Erwin-Hymer-Museum, Robert-Bosch-Strasse 7, 88339 Bad Waldsee/ Deutschland. Täglich 10–18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr (Einlass bis eine Stunde vor Schliessung), am 24.12. und 31.12. jeweils geschlossen. Erwachsene € 9,50, Kinder € 4,50 (6–18 Jahre). www.erwin-hymer-museum.de
... und der Suleica-Caravan nach ähnlichem Konzept
Das Hymermobil wurde zum Inbegriff für vollintegrierte Reisemobile
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AUTO-BIOGRAFIE
F
euchter Nebel liegt über dem Land, als wir den steilen Hang hochnageln. Der Transit ist noch kalt, zieht aber kraftvoll durch und ist auch angenehm leise dabei. Franz Blaser zirkelt den 4,87 Meter kurzen Camper lässig durch die engen Kehren und lächelt: Erste Erfahrungen sammelte der CampingProfi während der 1980er-Jahre im eigenen Westfalia-T2, mit dem er ganz Südeuropa bereist hat, bevor er ihn 1996 verkaufte. Die Leidenschaft blieb und fortan mieteten die Blasers – Franz hatte inzwischen geheiratet – jährlich einen Wohnwagen. Das lange Gespann und Reisetempo 80 schlug den beiden aller dings aufs Gemüt: «Kilometerreiche Strecken wie nach Rügen dauerten eine kleine Ewigkeit», erinnert sich der heute zweifache Vater – «es wurde uns immer klarer, dass wir wieder ein Freizeitmobil haben wollten.» 2011 war es so weit, wurde bei der Westfalia-Vertretung Moby Campers in Lohn-Ammannsegg ein nagelneuer Nugget angeschafft, der mittlerweile 43 000 problemlose Kilometer abgespult hat – Aufkleber zahlreicher Reiseziele zeugen vom kontinuierlichen Einsatz. Wochenendtouren nach Brienz, auf den Grimsel, ins Tessin, ins Wallis, zum Mont Vully oder nach Südfrankreich gehören zum Standardprogramm der Familie – gegessen (und getrunken: Blaser ist Wein-Liebhaber) wird dann auch gerne mal im Sterne-Restaurant. Spontanität ist Trumpf und der topgepflegte Nugget sprichwörtlich ein Gourmet-Shuttle; manchmal geht es samstags los und sonntags zurück. Die Wahl des Kompakt-Modells war eine bewusste, «weil man es auf jedem normalen Parkplatz unterbringt, während ein Wohnmobil oft ausserhalb einer Stadt platziert werden muss», erklärt Gattin Marlies. Einzig die lichte Höhe von 2,85 Meter will beachtet werden, stellt aber meist kein Problem dar, im Gegenteil: Franz Blaser vergleicht den Kastenwagen fahrdynamisch mit einem Pw «und Tempo 150 schafft er locker». Besonders begeistert ist
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das Ehepaar vom Nugget-eigenen Zwei-Raum-Konzept, bei dem sich die Küche im Heck befindet. Davor ist die Sitzgruppe aus Rückbank und drehbaren Vordersitzen angeordnet; es gibt insgesamt fünf Plätze und zwei Doppelbetten. Das obere ist knapp 1,6 Meter breit und zwei Meter lang – «das findet man bei der Fahrzeuggrösse sonst nirgends!», betont Franz. Tatsächlich ist auch die untere Schlafstatt mit 1,3 mal 2 Meter grosszügig proportioniert und – man kann fast überall stehen. Westfalia hat den Nugget seit bald 30 Jahren im Programm und ständig weiterentwickelt; das Blaser-Goldstück kann 655 kg zuladen, verfügt über eine Diesel-Standheizung, fliessend Wasser sowie Aussendusche. Blasers, die noch nie per Flugzeug in den Ferien waren, sind sehr zufrieden damit und können sich die Spitze nicht verkneifen: «cleverer als ein VW und deutlich günstiger!» Den Sommer 2015 verbrachte das Ehepaar in Norwegen – es war die bisher weiteste Fahrt mit insgesamt 7500 Kilometer in fünf Wochen und einem Durchschnittsverbrauch von unter 7,5 L. Auch in der kalten Jahreszeit steht der Campingbus nicht still, sondern auf Winter reifen. Und wenn Sie einen Wunsch frei hätten, Herr Blaser? «Dann würde ich Allrad ordern! Doch den gab es damals noch nicht.» map
Fahrer
Franz Blaser, Jahrgang 1967, Rechtsanwalt aus Biglen
Ex-Autos V W Golf I und II, VW T2, Golf Variant, Smart Fortwo, Volvo V70 und XC70
Aktuell (Fiat Panda 4x4 319, Kia Sorento UM)
Ford Transit 2.2 TDCI Nugget, Baujahr 2011, 2184 cm3, 140 PS/350 Nm, Leergewicht 2345 kg, Vmax 157 km/h, Neupreis 2011: CHF 68 000.– (€ 53 000.–)
Photography by Warren & Nick
DAS 1811 GEGRÜNDETE HAUS Seit seiner Gründung entwickelt Perrier-Jouët blumigen Champagner mit einer seltenen Feinheit, die durch Chardonnay gekennzeichnet ist.
www.perrier-jouet.com
Please Drink Responsibly
ÜBERRASCHENDE ERINNERUNGEN ALLE KENNEN SEINE AUTOS, DOCH DAS KÜNSTLERISCHE WERK VON PETER SCHREYER WAR LANGE PRIVATSACHE. MIT EINER EUROPAWEIT ERSTEN AUSSTELLUNG IM ENGADIN IST ES JETZT ÖFFENTLICH ZUGÄNGLICH UND AUCH KAUFBAR Text map · Portraits Peter Vann
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GALERIE
Skeleton-Rennnummern: «Tool Box», Acryl auf Leinwand, 200 x 165 cm, 2012
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GALERIE
Collage «What a nice day to aviate», 200 x 165 cm, 2006
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Flugzeuge und ihre Ästhetik faszinieren Schreyer. Und diese Begeisterung überträgt sich mühelos auf seine Bilder
Hommage an die Supermarine S.4 (nicht in der Ausstellung): «Three Men», Acryl und Wandfarbe auf Leinwand, 165 x 205 cm, 2012
E
r ist ein gefragter Mann, der regelmässig zwischen Europa, Südkorea und den USA pendelt, privat immer noch in Ingolstadt lebt und zwei Kinder hat, obwohl die im Alter von 17 und 22 Jahren gar keine mehr sind. Ein ordentliches Pensum für Peter Schreyer, der seit Ende 2013 einer von drei KiaPräsidenten sowie seit 2014 für den Auftritt der gesamten Hyundai Kia Automotive Group verantwortlich ist. Und dennoch die Zeit findet, seiner zweiten Leidenschaft nachzugehen – der Kunst. Nun gab und gibt es einige malende Automobildesigner – Bertoni, Bracq, Giugiaro, Haub, Sinkwitz. Früher war Zeichnen
ein Pflichtfach für Carrossiers, heute ist es Kür, vielleicht Luxus, meistens Freizeit. Was also treibt Schreyer, der seit seinem vierten Lebensjahr zeichnet – ist es für ihn eine Ausdrucksmöglichkeit nicht enden wollender Kreativität oder gar formales Mitteilungsbedürfnis? Anlässlich einer Werkschau, die Ende 2012 in Seoul stattfand, hat es der bevorzugt schwarz Gekleidete treffend beschrieben: «Als kleiner Junge verbrachte ich die Sonntage mit meinem Grossvater, der mich mit in seine Werkstatt nahm, wo wir dann Spielzeuge gebaut haben – Holzautos, Flugzeuge und sogar einen Zoo. Mit seinem Talent und seiner Kreativität, Dinge herzustellen, hat er mich geprägt. Ich glaube daher, dass die WINTER 2015/16 137
GALERIE
eigenen Wurzeln auch der grösste Schatz sind, den ein Mensch hat. Und während ich mich als Designer auf die Zukunft konzentriere, versuche ich als Künstler, die Lücke zur Vergangenheit zu schliessen. So gesehen kann meine Kunst mit einem Tagebuch verglichen werden, in dem Ideen, Erinnerungen und Gefühle aufgeschrieben sind.» So authentisch wie diese Aussage sind auch die Bilder und Collagen des 57-Jährigen; die scheinbare Zufälligkeit seiner Motive hat System. Zum Beispiel jener Rennschlitten, der immer wieder auftaucht – Schreyer nahm 1989 aktiv an der Skeleton-Weltmeisterschaft in St. Moritz teil und ist dem Sport immer noch sehr zugetan. Die Schweizer Flagge – Schreyer schätzt das Land, besitzt ein Domizil im Engadin. Und dann die Flugzeuge – der in Bad Reichenhall nahe Salzburg aufgewachsene Oberbayer ist selbst begeisterter Flieger. Dass er dennoch nicht abgehoben, sondern bodenständig und nahbar geblieben ist, macht ihn noch sympathischer: In einer ansonsten hektischen Autobranche strahlt Schreyer eine angenehme Ruhe aus, die sich wie eine Konstante durch seine gesamte berufliche Laufbahn verfolgen lässt. Ausnahmen bestätigen die Regel: Der grosse Bruch findet 2006 statt, als Schreyer Volkswagen verlässt. «Wir hätten ihn nicht gehen lassen sollen», soll Patriarch Ferdinand Piëch Jahre später sinngemäss sagen – und der muss es schliesslich wissen. Der Abgang ist spektakulär und in den Augen vieler eine Wahnsinns-Tat – von VW zu den Südkoreanern zu wechseln. Schreyer hat es damals gewagt und die Komfortzone verlassen, ganz bewusst, ganz bescheiden, ganz aufmerksam. Das macht ihn heute
zu einem der ganz wenigen, welche die beiden Extreme der Branche von innen heraus kennen. Da wäre Europa als Wiege des Automobils. Und Südkorea, wo sich diese Industrie schneller und besser entwickelt hat als sonst wo auf der Welt. Sicher, die Chinesen geben Gas und generell spüren Hyundai und Kia derzeit viel Gegenwind, Schreyer weiss das natürlich. Doch diesmal treffen wir uns nicht zum Interview oder auf einer Pressekonferenz, sondern in privater Atmosphäre, in der Galerie von Peter Vann. Schreyer lächelt: Der Designer und der Fotograf, dessen Aufnahmen wir bereits mehrfach und immer wieder gerne gezeigt haben, kennen sich seit vielen Jahren; beide sind Weltreisende in Sachen Auto. Diesen zwei Rastlosen jetzt im ruhigen Engadin zu begegnen, wo sie fast Nachbarn sind, und Schreyers Arbeiten zu erleben, ist etwas Besonderes. Denn während sich andere Künstler in ihrem Tun sichtlich verausgaben, schaltet Schreyer ab, spannt aus, lädt seine Batterien wieder auf. Und tut das auf eine augenzwinkernde Art, die ebenso überraschend wie sehenswert ist.
Die Ausstellung läuft vom 19. Dezember bis 26. März in der Galerie Peter Vann, Somvih 24, 7525 S-chanf. Öffnungszeiten: 19.12.–09.01., Mo.–Sa. von 15 bis 19 Uhr, 31.01.–26.03., Mi.–Sa. von 16 bis 19 Uhr oder nach Vereinbarung (Tel. +41 81 850 16 22), www.galeriepetervann.com
Peter Schreyer wird zu den weltweit bedeutendsten Automobildesignern gezählt. Beruflich eingestiegen ist er 1987 als Praktikant im Audi-Design, wo sein Talent sofort auffiel. Nach dem College kehrte er zu den vier Ringen zurück; zu seinen ersten Arbeiten gehörte 1991 die viel beachtete Studie Quattro Spyder, bevor er zunächst ins kalifornische VW-Design center wechselte – um 1994 in leitender Funktion nach Ingolstadt zurückzukehren. Audi TT und A2 sind unter seiner Leitung entstanden; 2002 wurde Schreyer als Nachfolger seines Förderers Hartmut Warkuss zum Chefdesigner des VW-Konzerns nach Wolfsburg berufen, verantwortete dort VW Beetle und Golf IV. Schreyers Handschrift wusste selbst das Londoner Royal College of Art zu würdigen und verlieh ihm 2007 die Ehrendoktorwürde – als drittem Autodesigner nach Sergio Pininfarina und Giorgetto Giugiaro. In den letzten neun Jahren hat Schreyer den koreanischen Autos ein Familiengesicht gegeben und damit unverwechselbare Identität. Aktuell arbeitet er an der neuen Luxusmarke Genesis, die oberhalb von Hyundai angesiedelt werden wird. Man darf also gespannt sein auf weitere Autos eines Mannes, der von sich selbst sagt, nie ganz zufrieden zu sein: «Das treibt einen ja auch vorwärts.»
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Kettenreaktion: Renault Voiturette Die Kette als Kraftschluss zwischen Antrieb und Achse ist bei Fahrrädern noch immer angesagt, bei Autos aber längst «out». Der Ruhm, das erste Automobil mit Kardanantrieb gebaut zu haben, gebührt dem damals 20-jährigen Louis Renault. Der hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts einen dreirädrigen De DionBouton zugelegt und weiterentwickelt. Die Pioniertat bestand nicht nur im eingangs erwähnten «Antrieb ohne Kette» – dazu gesellte sich auch ein revolutionäres Dreiganggetriebe (mit direkt ausgelegter höchster Fahrstufe) und, als sei das noch nicht genug, ein spezieller Rahmen samt Aufhängung für vier Räder. 140 VECTURA #17
Fortschrittliches Schnauferl: Voiturette Jahrgang 1899
Am Weihnachtsabend 1898 startete Renault schliesslich zu einer ersten Probefahrt. Die verlief so überzeugend, dass der junge Mann schon bald die Serienfertigung seines «Voiturette» genannten Gefährts plante: Am 9. Februar 1899 meldete er sein «Schaltgetriebe mit verschiedenen Gängen für Automobilfahrzeuge» unter der Nummer 285.753 zum Patent an und gründete – rückwirkend zum 1. Oktober 1898 – am 25. Februar 1899 mit seinen Brüdern Marcel und Fernand die Firma Renault Frères. Kurz darauf verliess als erster Renault eine Voiturette Typ A die Werkhallen.
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Rasende Zigarre: La Jamais Contente Der belgische Ingenieur und Rennfahrer Emile Jenatzy tat schon vor einhundert Jahren das, was heute wieder Konstrukteure auf der ganzen Welt bewegt: Er entwarf Autos mit Hybrid-Antrieb, die unter der Bezeichnung Jenatzy-Martini in Serie gingen. Weltberühmt aber wurde der Mann, weil er nie zufrieden war – und deshalb seine wichtigste Schöpfung «La Jamais Contente» nannte: einen federleichten einsitzigen Rennwagen mit Elektro-Antrieb und zigarrenförmiger Alu-Haut – der wegen der mitgeführten Batterien trotzdem über 1000 Kilo wog! Bestückt mit profillosen Luftreifen von Michelin und einer Lenkstange, die an die Kurbel einer Strassenbahn erinnerte, gelang Jenatzy am 29. April 1899 der grosse Wurf: Er erreichte mit der «Nie Zufriedenen» in Anchère exakt 105,876 Stundenkilometer und passierte damit als erster Mensch in einem Automobil die 100-km/h-Marke – Weltrekord!
Doppelt obenauf: Peugeot L-Rennwagen und Ballot 2LS Bei der Konstruktion des Bugatti T51 von 1931 – im Prinzip ein weiterentwickelter T35 mit Doppelnockenwellen-Motor – soll sich der Patron an amerikanischen Miller-Rennwagen orientiert haben. Warum eigentlich? Peugeot hatte schliesslich ebenfalls mit dohc-Aggregaten für Furore gesorgt, als erster Hersteller überhaupt. Entworfen von Ernest Henry, diesem genialen Schweizer Konstrukteur mit Erfahrungen in der Flugzeugindustrie, verfügten die Peugeot-Rennwagen über vier Zylinder mit jeweils vier
Gruppenbild mit Dame: Jenatzy nach erfolgreicher Rekordfahrt
schräg hängenden Ventilen sowie halbkugelförmigen Brennräumen. Dank dieser Zutaten brachte es der L76 von 1912 auf stattliche 148 PS, die er aus einem Hubraum von anfänglich 7596 cm³ (Bohrung x Hub: 110 x 200 mm) und später aus 5654 cm³ (100 x 180 mm) holte. Ein schlagkräftiges Werkteam mit den Herren Boillot, Goux und Zuccarelli war damit recht flott unterwegs. Vor allem Jules Goux, der später für Bugatti startete, konnte sich profilieren und fuhr neben guten Platzierungen auch zahlreiche Geschwindigkeitsrekorde ein. Der grösste Knaller des L76 aber waren die 500 Meilen von Indianapolis im Jahr 1913, die Peugeot gewinnen konnte. Voller Einsatz: Peugeot L76 auf der Ideallinie
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150 Stundenkilometer im Jahr 1921 – das hätte noch so manche MittelklasseLimousine in den 1970ern blamiert
Gute Ballot 2LS sind selten; selbst Wracks werden hoch gehandelt
Diese hoch komplizierten, anfälligen und natürlich sehr kostspieligen Motoren für den serienmässigen Einsatz in normalen Pw tauglich zu machen, schien Peugeot offenbar ein zu heisses Eisen. Doch Édouard Ballot, ein Mann voller Ehrgeiz und Tatendrang, der 1919 die Établissements Ballot gegründet hatte, packte es an. Mit von der Partie war wieder Monsieur Henry, dieser brillante, unruhige Geist, der häufig den Arbeitgeber wechselte und nun eben bei Ballot gelandet war. Mit dem Resultat, dass seine neue Firma bereits 1921 den 2LS lancierte, ein sportliches Auto mit Zweiliter-dohc-Motor und 80 PS, das 150 km/h lief (und damit noch manche Mittelklasse-Limousine der frühen 1970er-Jahre blamiert hätte). «Wahrscheinlich war dieses Modell der erste käufliche Sport- und Tourenwagen mit einem dohc-Motor», vermutet Automobilhistoriker Ferdinand Hediger zu Recht. Leider war es 1924 schon wieder vorbei; Ballot setzte von da an auf bodenständigere Konstruktionen.
Coupés mit 10-PS-Anzani-Dreizylindern – und rannten über 100 km/h! Aber mit der Sicherheit (keine Motorbremse, instabiles Fahrverhalten) haperte es und so verschwand die kleine Marke 1927 wieder vom Markt.
Alles von vorn: Tracta Jean Albert Grégoire war ein ebenso brillanter wie weitgehend unbekannter französischer Autokonstrukteur, welcher der Geschichte des Automobils immer wieder neue Impulse verlieh. So hielt er den Frontantrieb für die einzig angemessene Art und
Luftnummer: Leylat (links) neben einem Helica
Strassenflieger: Leyat Helica Luftschraubenwagen Der französische Flieger und Erfinder Marcel Leyat gründete 1913 in Mersault seine eigene Fabrik, wo eines der ungewöhnlichsten Automobile überhaupt Wirklichkeit werden sollte: der Leyat Helica. Befeuert zunächst von einem Zweizylinder-Boxermotörchen der Firma A.B.C., wurde bei diesem skurrilen Mobil die Kraft nicht etwa an die (gebremsten) Vorder- oder die (gelenkten) Hinterräder übertragen, sondern direkt an einen von der Kurbelwelle betriebenen grossen Propeller! Der rotierte, um die Umwelt vor Schäden zu bewahren, hinter einem feinmaschigen Gitter und sorgte für flottes Tempo: Nach offenen Zweisitzern in Tandembauweise entstanden in den 1920er-Jahren kleine 142 VECTURA #17
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Weise, bei einem Personenwagen für Traktion zu sorgen. Und da Monsieur nicht nur tatkräftig war, sondern zudem geschickt im Auftun von Geldquellen, fand er in Pierre Fenaille den passenden Financier für seine Pläne. Beide gründeten 1926 die SA des Automobiles Tracta in Asnières (nahe Versailles) und bauten noch im selben Jahr ihr erstes gemeinsames Auto – einen schicken zweisitzigen Roadster mit einem von SCAP gelieferten 1100-cm³-Motor, der von einem Cozette-Kompressor zusätzlich beatmet wurde. Sofort nahm man mit dem kleinen Zweisitzer höchst erfolgreich an Rennen teil (später startete man sogar in Le Mans), um ihn 1927 unter der Bezeichnung «Gephi» auf dem Pariser Salon vorzuführen. Wo er für Furore sorgte: Der Tracta verfügte natürlich über Frontantrieb, dessen Antriebswellen auf jenes heute «Tracta-Gelenk» genannte, homokinetische Gleichlaufgelenk gesetzt wurden. Und damit das wesentliche Problem dieser Bauart – die Vorderräder zu lenken und gleichzeitig anzutreiben – löste. Das Patent daran erwarben übrigens einige Hersteller wie etwa DKW, um es 1931 im Modell F1 zu verwenden. In späteren Jahren fertigte Tracta nicht nur Sport-, sondern auch durchaus elegante Tourenwagen, die sich 1934 vom Markt verabschiedeten. Genau in dem Jahr also, als Citroën mit dem Traction Avant erschien (siehe VECTURA #15) und mit seinen homokinetischen Gelenken den Frontantrieb salonfähig machte.
Das erste feste Faltdach: Peugeot Eclipse Georges Paulin war ein wohlhabender französischer Zahnarzt und passionierter Offen-Fahrer, der sich freilich mit den zugigen, schwer bedienbaren Stoffverdecken fast aller damaligen Cabrios nicht anzufreunden vermochte. Aber er hatte eine Idee: Was wäre von einem Blechdach zu halten, das sich im Kofferraum versenken liesse? Duplizität der Ereignisse: Im fernen Salt Lake City brütete bereits ein anderer Erfinder namens George Ellerbeck über eben diesem Problem – weshalb sich die beide Herren Ende der 1920er trafen. Offenbar einigten sie sich über die Urheberrechte an diesem «chapeau claque» für Cabrios, denn schon bald erschien die erste entsprechende Konstruktion,
Rassig: Tracta Gephi, Baujahr 1928
die sich Paulin um 1934 herum patentieren liess. Marcel Pourtout, ein bekannter Karosserieschneider, begeisterte sich sofort für das «System Paulin» und stellte eine Reihe von Einzelstücken auf die Räder, bis mit den Peugeot-Modellen 301 von 1934 und 402 Eclipse von 1937 tatsächlich zwei Kleinserien aufgelegt wurden. Vor allem der stromlinienförmige, wegen seiner zwangsläufig üppigen Heckpartie 5,19 Meter lange und 1,5 Tonnen schwere 402 sorgte für Furore – obwohl man die mächtige Kofferklappe per Muskelkraft öffnen und das Dach hervorwuchten (oder verschwinden) lassen musste. Im offiziellen Verkaufsprospekt tauchte übrigens die Bezeichnung Eclipse nicht auf; stattdessen war nur von «Décapotable Métallique» die Rede, vom Metallcabrio. Das serienmässig mit einem Zweiliter-Vierzylinder von 55 PS und Dreiganggetriebe ausgeliefert wurde. Wer zuzahlen wollte, bekam einen 2,1-L samt elektro-magnetischem Vorwahlgetriebe von Cotal. Zum Verkaufsschlager entwickelte sich dieser «Löwe mit dem heis sen Blechdach» freilich nicht – ebenso wenig seine Nachfolger Ford Fairlane, Skyliner sowie Sunliner Retractable, der originelle Treser TR1 oder der französische Venturi. Erst der Mercedes SLK mit seinem genialen, von Karmann in Osnabrück entwickelten und elektrohydraulisch versenkbaren «Variodach» sollte der Idee des Docteur Paulin dann ab 1996 zum Durchbruch verhelfen. Wirklich erschwinglich wurde die Idee im Jahr 2000 wiederum mit einem französischen Modell – dem Peugeot 206 CC.
Von wegen Finsternis: Der Eclipse war eine Lichtgestalt – und knapp 5,2 m lang
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Wellblech-Kubismus: Citroën Typ H Als der markante Kastenwagen 1947 vorgestellt wurde (ein Jahr vor dem 2CV), beerbte er den 1939 ungünstig eingeführten, wegen dem Zweiten Weltkrieg keine 2000 Mal produzierten TUB. Man muss den H – es gab ihn mit verschiedenen Aufbauten, Überhängen, Radständen und Dachhöhen – zu den ersten Multi funktionskastenwagen zählen. Seine Frontmotor-FrontantriebKonfiguration und Drehstabfederung erlaubten einen völlig ebenen Ladeboden, der sich keine 40 Zentimeter über der Strasse befand, und im Laderaum konnte man aufrecht stehen. Nicht zuletzt vermochte der mindestens 4,26 Meter lange, selbsttragende H – (je nach möglicher Zuladung trug er die Typenkürzel HY, HX, HW oder HZ) meist mehr zu tragen, als er selbst wog. Entsprechend beliebt war die «Camionette» im öffentlichen Dienst sowie bei Handwerkern, Wurst- oder Eisverkäufern; gleichsam taugte sie mit Bestuhlung auch als Kleinbus. Antriebstechnisch waren 58 PS und drei Gänge das Maximum, doch das störte die Käufer nicht. Grosserienkomponenten anderer Citroën-Baureihen hielten die Produktions- und Anschaffungskosten gering; für die Kon struktion zeichnet kein Geringerer als André Lefèbvre verantwortlich, der sich bereits in den 1920er-Jahren als Rallye-MonteCarlo-Sieger und unorthodoxer Rennwagen-Entwickler bei Voisin (VECTURA #5) einen Namen gemacht hatte. 1933 wurde er von André Citroën engagiert, was sich als hervorragende Entscheidung herausstellen sollte. Denn Lefèbvre schuf den Traction Avant, den eingangs erwähnten TUB, die «Ente» und später die DS – allesamt Meilensteine der Automobilgeschichte und die bis heute berühmtesten Citroën-Modelle überhaupt.
Auch der Typ H, in der Öffentlichkeit leicht spöttisch «Nez de Cochon» (Schweinsnase) genannt, trug die Handschrift dieses Genies, doch soll ein anderer H-Team-Ingenieur nicht unterschlagen werden. Pierre Franchiset verpasste dem H nicht nur sein charakteristisches Wellblechkleid, sondern war auch Erfinder des sogenannten Yoder-Scharniers, welches aus umgebördelten und dann ineinandergeschobenen Metallkanten bestand. Auf diese simple Weise konnte man selbst dünnste Bleche zuverlässig zusammenfügen, welche – so stand es im Lastenheft für den H (und auch in dem des 2CV) – es aus Kosten- und Verfügbarkeitsgründen zu verwenden galt. Die Kombination aus der gewählten Verbindung und dem Wellblech erwies sich zudem als äusserst steif und zeigte kaum Ermüdungserscheinungen, was dem Typ H unter anderem zu seiner Langlebigkeit verhalf. Tatsächlich blieb er ganze 34 Jahre lang im Programm und erhielt 1964 eine einteilige Frontscheibe. Erst Ende 1981 und nach knapp 475.000 Exemplaren wurde der Transporter vom komplett neuen, gemeinsam mit Peugeot und Fiat entwickelten C25 abgelöst – den es deshalb auch mit anderen Markenlogos (zunächst auch von Alfa Romeo und Talbot) unter den Modellbezeichnungen J5 (heute Boxer) und Ducato gab, während die Citroën-Variante seit 1994 Jumper genannt wird. Das Trio läuft mittlerweile in dritter Generation und ist für Wohnmobilhersteller erste Wahl, weil es auch als sogenannter «Windlauf» – nacktes Fahrgestell mit Motor – ausgeliefert wird. In den USA gibt es den Ducato seit 2013 auch als Dodge Ram Pro Master, doch das ist eine andere Geschichte.
Zwei Citroën, zwei Welten: der letzte H von 1981 und ein Jumper, Jahrgang 2014
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VECTURAMAG.CH
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DAS i-TÜPFELCHEN DIE SPORTLICHE SPEERSPITZE DER 308-BAUREIHE VON PEUGEOT WAR NUR EINE FRAGE DER ZEIT. JETZT FÄHRT SIE VOR, HEISST TRADITIONELL GTI – UND IST FÜR «HOT-HATCH»-FANS DURCHAUS EINE VERSUCHUNG WERT Text Hubertus Hoslin, iw · Fotos Ian G.C. White
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D
ass wir den 308 mögen, haben aufmerksame VECTURALeser schon mitbekommen: Wir fuhren im Sommer 2015 den GT und selten, ja noch nie hat uns ein französischer Kompaktwagen moderner Machart spontan so gut gefallen.
Inzwischen haben die Entwickler westlich des Jura noch einen draufgelegt und dem GT das magische «i» hinzugefügt – knapp 40 Jahre nach dem ersten VW Golf GTI, welcher das Segment einst begründete. Sicher, aufgeplusterte Kompaktwagen gab es bereits vorher – man denke nur an Mini Cooper S (1963–71), einen NSU TT (1967–72) sowie französische Krawallbrüder vom Schlage eines Renault 8 Gordini (1964–70). Doch erst der Golf machte die kompakten Kraftprotze salonfähig, weil er vergleichsweise kultiviert zu Werke ging und sich den lauten Auftritt weitgehend verkniff – aus einer Nische wurde Mainstream. 1983 war es dann an Peugeot, mit dem 205 GTi ein Auto (mit kleinem «i») vorzustellen, das unterhalb des sportlichen VW angesiedelt war – und dennoch zum Golf-Schläger taugte (siehe VECTURA #7). Dieses Erbe wird von Peugeot in letzter Zeit besonders liebevoll gepflegt – nicht zuletzt, weil es treue Kunden gibt, die einen Kompakten im Sportwagen-Tempo fahren möchten. Oder zumindest sicher sein wollen, dass sie es könnten, wenn sie denn dürften …
entlässt beim Schalten ein sportives «Pufffth» durch das Waste gate des Turboladers. Rund 1,2 Tonnen spürt man angesichts von 270 Pferdchen, die hier aus 1,6 Liter Hubraum gequetscht werden, nicht: In seiner Topversion (das 250-PS-Modell ist in der Schweiz aktuell nicht vorgesehen) bietet der Power-Pug das beste Leistungsgewicht seiner Klasse; er duckt sich elf Millimeter tiefer, geht leichtfüssig und agil durch Kurven, klebt am warmen Asphalt und liegt im Sport-Modus wie das sprichwörtliche Brett. Frontantriebseinflüsse werden dank einem serienmässig verbauten mechanischen Torsen-Sperrdifferential wirkungsvoll unterbunden, die Bremsen haben enorm viel Biss und für den besonderen Kick schalten Mutige das ESP komplett ab. Wenn es an der Fahrdynamik etwas zu kritisieren gibt, dann ist es die für unseren Geschmack zu indirekte Lenkung, die schnelle Rückmeldungen vermissen lässt – das können andere besser. Allerdings: Die Franzosen sind tendenziell lieber auf der komfortablen Seite, der 308 GTi macht da keine Ausnahme. Zwar gibt er sich ein, zwei Nuancen straffer als der GT, rollt aber gefühlt weicher ab als der Wettbewerb. Schliesslich sollen sich seine Insassen auch im täglichen Pariser Stau und auf den zahlreichen Kopfsteinpflastern der Grande Nation wohlfühlen, très bien. Das für Schweizer Interessenten grösste Manko dürfte freilich der nicht vorhandene Allradantrieb sein und Besserung ist nicht in Sicht.
Wir haben uns bei der dynamischen Präsentation die Freiheit genommen, den neuen 308 GTi artgerecht zu bewegen, und das durchaus genossen: Der Fünftürer – eine dreitürige Version gibt es ebenso wenig wie einen Kombi – dreht zügig hoch und
Wer mit diesen Eigenschaften leben kann und mindestens 42 000 Franken zu zahlen bereit ist, erhält ein voll alltagstaugliches Auto, das deutlich schneller fährt, als es aussieht. Dessen sechs Gänge im verstärkten Schaltgetriebe für alle Lebenslagen
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TECHNISCHE DATEN PEUGEOT 308 GTI 270 Konzept Leistungsbetonte Topversion des 2013 eingeführten Kompaktwagens. Selbsttragende Karosserie mit Hilfsrahmen vorne, 4 Türen, fünf Sitzplätze. Zahnstangenlenkung mit elektrohydr. Servo, vorne Einzelradaufhängung mit Dreieckquerlenkern, hinten Verbundlenkerachse, Scheibenbremsen rundum (v. belüftet, Frontantrieb Motor Code EP6FDTR. Vierzylinder mit 4 Ventilen/Zyl., Alu-Zylinderkopf und -block, 5fach gelagerte Kurbelwelle (Kette), Benzindirekteinspritzung, Turbolader und Intercooler, Stopp-Start-System Hubraum in cm3
1598
Bohrung x Hub in mm
77 x 85.8
Verdichtung
9,2:1
Leistung in PS (kW) @ U/min
270 PS (198 kW) @ 6000
Max. Drehmoment in Nm @ U/min
330 Nm @ 1900
Kraftübertragung
M6
Abmessungen (L/B/H) in cm
425,5/180,5/144,5
Radstand in cm
261,5
Spur vorne/hinten in cm
157/155,5
Reifen und Räder
235/35 R19 auf 8J
Tankinhalt in L
53
Kofferraumvolumen in L
670–1310
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg
1160
Zulässiges Gesamtgewicht in kg
1790
Leistungsgewicht in kg/PS
4,3
0 – 100 km/h in Sek.
6,0
Höchstgeschwindigkeit in km/h
250
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km
6,0
CO2-Emission in g/km
139
Energieeffizienzkategorie
139
Preis ab CHF
42 000.–
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus
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«SO HABE ICH MIR DAS VORGESTELLT» FÜNF FRAGEN AN DEN EXTERIEUR-DESIGNCHEF Sie sind seit zwölf Jahren bei PSA – warum der Wechsel von Citroën zu Peugeot? 2009 übernahm Jean Pierre Ploué neben Citroën auch die DesignVerantwortung für Peugeot. Und weil die Styling-Abteilung dort unterbesetzt war, haben ich und andere damals gewechselt; wir waren etwa zehn.
Damit war Ihre Aufgabe erledigt – woran arbeiten Sie jetzt? An der nächsten 2008-Generation: Es ist sehr spannend, etwas ganz anderes zu machen.
Der 308 Phase II ist Ihr erstes komplettes Auto … (lacht) Ja, und ich bin sehr zufrieden damit. Was macht das GTi-Design des 308 aus – die Zweifarbigkeit? Nein, bei den Studien gab es den «Coupe Franche» schon und auch bei einer Sonderserie des 208 GTi, das sind heute Sammlerautos. Beim 308 GTi ist es eine Option und richtig lackiert, keine Folierung – reine Handarbeit und deshalb teuer. Das GTi-Design selbst leitet sich vom GT ab, der dezenter und eleganter auftritt. Den GTi durften wir dagegen so sportlich wie möglich machen – mit speziellem Grill, LED-Licht, betonten Nüstern und Frontsplitter vorne, seitlichen Schwellerleisten und Heckspoiler, einem funktionsfähigen Diffusor sowie grossen runden Auspuffrohren, die auch richtig weit rausstehen. Volles Rohr, sozusagen … Absolut, sehr selbstbewusst! Und der GTi hat 19-Zoll-Felgen. Er ist der kompromissloseste 308, bei dem die Sportlichkeit klar im Vordergrund steht. Und in dieser Variante sieht das Auto so aus, wie ich es mir von Anfang an vorgestellt habe.
Thomas Röhm (40) wurde an der Hochschule Pforzheim zum Transportation Designer ausgebildet. Nach Stationen bei Volkswagen (1999–2001) und Mercedes kam er 2003 zu PSA und dort zuerst zu Citroën, wo der gebürtige Deutsche für die Facelifts von C6, C4 und C4 Picasso zuständig war. Seit 2009 ist er Exterieur-Designchef und Design Strategy Manager bei Peugeot; er hat den aktuellen 308 entworfen und damit auch den GTi oder die Racing-Cup-Version, welche 2016 an den Start geht. Röhm ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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passend abgestuft sind. Und das auf Schweizer Strassen den werkseitig genannten Normverbrauch vielleicht erreichen kann, während in freier Wildbahn mit acht Liter und mehr gerechnet werden darf. Leistungstechnisch bewegt sich der stärkere DreiNull-Acht oberhalb des VW Golf GTI Performance (230 PS) und Ford Focus ST (250 PS), aber unterhalb des (gßnstigeren) Seat Leon Cupra (290 PS) – der nächste Opel Astra OPC dßrfte sogar 300 PS haben. Nicht selten sind die Wettbvewerber auch äusserlich aggressiver gestylt als der Franzose. Optisch entspricht der 308 GTi dem 308 GT, die Unterschiede beschränken sich auf kleine Details (siehe Interview auf Seite 149). Zum Ausgleich wird als Hingucker ein Zweifarben-Thema bemßht, das angesichts der ausgewachsenen 308-Statur etwas halbstark, um nicht zu sagen infantil wirkt und damit eindeutig an eine juvenile Klientel adressiert ist. Als reifere Semester halten wir dagegen: Derartige Effekthascherei hat der durchaus elegante GTi kaum nÜtig; sie kostet ohnehin 1950 Franken Aufpreis und sei damit aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen.
will. Die Sportschalensitze sind hervorragend und auch sonst ist ergonomisch alles bestens, wenn man vom schlecht angeordneten Tempomaten und der umständlichen Heizungsbetätigung (via Touchscreen) absieht. Die Navigation lässt sich ebenso intuitiv bedienen wie die Tasten des kompakten, besonders tief angeordneten Multifunktionslenkrads – all systems go. Sitzheizung und DAB+ gehÜren in der Schweiz ßbrigens zur Serienausstattung. Was nach der Testfahrt also bleibt, sind insgesamt positive Eindrßcke von einem Auto, das die Klasse der Kompaktsportler tatsächlich zu bereichern versteht und vom Hersteller gar als ultimativ bezeichnet wird. Wer nun dem GTi-Gedanken folgen mÜchte, darf nicht zuletzt getrost davon ausgehen, dass er das ohne Bandscheibenvorfall tun kann.
Was dagegen auch beim 308 GTi positiv auffällt, ist die gute Verarbeitung. Nackte Kunststoffoberflächen sind kaum zu finden, stattdessen gibt es ßberall feine Materialien, die man anfassen
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COUNTRY STYLE
ROUTE LATÉRALE, AVEC PLAISIR DER NÄCHSTE SOMMER KOMMT BESTIMMT: MAN KÖNNTE MIT EINEM OFFENEN SPORTWAGEN DIE WIEGEN DER FRANZÖSISCHEN AUTO INDUSTRIE ANSTEUERN … WER DIE GRANDE NATION DAGEGEN GANZ GEMÜTLICH MIT DEM WOHNMOBIL BEREIST UND GELEGENTLICH BEI WINZERN AUF DEM HOF ÜBERNACHTET, KOMMT DEM WESEN DIESES LANDES SEHR NAHE, OHNE AUF DIE BEKANNTEN TOURISTISCHEN HIGHLIGHTS VERZICHTEN ZU MÜSSEN
Text Markus Schenk · Fotos France Passion
C
amping ist eine Form von Ferienkultur, die für manch Aussenstehenden eine Drei-Sterne-Kulinarik ausschliesst. Dabei leben Wohnmobilisten nicht automatisch von Tiefkühlkost, sondern schlemmen ebenso gern, wie dieser Reisebericht beweist. Denn hier geht es um eine besonders genussvolle Art der Nahrungsaufnahme – schliesslich sind wir in Frankreich! Die Distanz ab Genf ist überschaubar: Nach der Anfahrt auf der Route du Soleil und insgesamt 240 Kilometer kurvt es sich gemütlich über Annonay, Saint-Romain-d’Ay und Satillieu zum entlegenen Weiler Saint-Symphorien-de-Mahun. Unser Ziel: das Maison d’hôtes «La Chastanha». Das alte, stilvoll restaurierte 152 VECTURA #17
Schulgebäude hoch oben am Hang wirkt mondän. Christophe, der Chef des Hauses, der auch als Wanderführer arbeitet, zeigt uns die Gegend. Wir laufen über unzählige Hügel nach Veyrines und besichtigen eine wundervoll erhaltene romanische Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Auf dem Weg hoch zum 1146 Meter hohen Chiret Blanc jagt eine Hügelkette die andere. Christophe zeigt uns frische Tierspuren, lässt uns an Blumen riechen und erklärt die Wirkung von Kräutern. Endlich oben überzeugt das umwerfende Panorama! Knapp 150 Kilometer südlich von Lyon sehen wir nichts als sanfte Hügel mit Wäldern. Die Ardèche, ein 135 Kilometer langer Landstrich, der im Osten begrenzt wird von der Rhône, ist dünn besiedelt.
Zurück in der «Chastanha» werden wir mit einem sagenhaften Enten-Confit und Salat aus dem eigenen Garten belohnt. Aus artgerechter Haltung und biologischem Anbau, versteht sich. Gäste aus aller Herren Länder und die gesamte Familie sitzen wie in einer Kommune an einer langen Tafel. Bei Wein und Wasser herrscht Selbstbedienung. Es folgen Crème brûlée, Café und Käse sämtlicher Rindensorten und Reifegrade von Kuh, Ziege und Schaf.
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pausieren wir unter schattigen Platanen. Aus der Épicerie holen wir uns Baguette, Oliven, Ziegenkäse und Wildpastete. Wir schlemmen und beobachten die Männer beim Pétanque: Das Spiel lebt von Passion und Präzision. Meist wirkt es meditativ, aber wehe, die Entscheidung, welche Kugel dem «Cochonnet», dem Schweinchen, am nächsten kommt, ist umstritten, dann entsteht ein filmreifes Palaver mit gestenreichen Emotionen. Massbänder werden gezückt, jetzt geht es um jeden Millimeter!
Der Weg ist das Ziel Als grobe Richtschnur unserer ersten Reise etappe dient uns der Routenverlauf des «Ardéchoise» – das ist ein Radrennen und mit 15 000 Teilnehmern sogar eines der grössten der Welt. Aber auch für Wohnmobilisten bietet sich diese tolle Route an, weil sie die Höhepunkte der Ardèche wie Perlen aneinanderreiht. Und hervorragend zu einer anderen Vorgabe unserer Tour passt – grüne Nationalstrassen zu meiden und die roten, breiteren Landstrassen nur zur Anfahrt zu nutzen. Dafür sollen uns die gelben und weissen Wege durch das Land tragen. Satillieu, Lalouvesc, Col du Marchand, Nozière: Steinbrücken aus der Römerzeit führen über wilde Bachläufe. Grossväter und Enkel stehen seelenruhig mit ihren Angeln an der Brüstung und stellen den zahlreichen Forellen nach. Im Zentrum von Lamastre 154 VECTURA #17
An der Wasserscheide Wir schrauben uns in die zentrale Ardèche und das Gebirge hoch, passieren Saint-Martin-de-Valamas und La Rochette. Die Sonne brennt gnadenlos auf den Asphalt, der sich in manchen Abschnitten verflüssigt und zäh an den Reifen hängt. Endstation knapp unter dem Mont Mézenc, mit 1753 Meter der höchste Berg der Ardèche. Beim «L’Ardéchoise» heisst diese Etappe «Les Sucs» – das sind kleine, massive Felsgipfel vulkanischen Ursprungs, die unvermittelt schier aus der grünen Decke hervorplatzen. «Le Gerbier de Jonc» ist mit 1551 Meter ein besonders plakativer Zuckerhut: Der Berg markiert die Wasserscheide zwischen Atlantik und Mittelmeer; in seinem Innern entspringt auch die Loire. In den zahlreichen Marktständen locken luftgetrocknete Würste, Steinpilze und leckere Käsesorten. Zudem gibt es sämtliche aus Esskastanien herstellbare Produkte wie Gebäck, Mousse – und sogar Kastanienbier! Mit dem Abendlicht rollen wir in einer Landschafts- und Farbstimmung, die wir bisher nur aus der Werbung für verschiedene französische Mineralwässer kannten, weiter nach Mézilhac. Richtung Mittelmeer Die Steigungen flachen ab. Wir rollen direkt in die «Ardèche Méridionale» hinein. Erste weite Lavendelfelder tauchen auf, betören uns regelrecht mit ihrem intensiven Duft.
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Aubenas ist ein mittelalterliches Gesamtkunstwerk. Die Burg aus dem 12. Jahrhundert gilt als der schönste zivile Baukomplex der Ardèche und auch im Rest des Stadtkerns gibt es kaum bauliche Ausrutscher. Reihenweise säumen schmucke Cafés und Souvenirläden die malerischen Gewölbegassen. Von hier aus ist es nur noch einen Katzensprung nach Vallon-Pontd’Arc. 66 Meter hoch spannt sich der von der Natur geschaffene steinerne Triumphbogen über den Flusslauf der Ardèche. Das Wasser hat sich in weiten Mäandern durch den weichen Kalkstein gefräst. Für Kanuten ist die Ardèche das höchste der Gefühle. Aber auch Anfänger sollten es auf keinen Fall versäumen, einen Extratag für eine Kanutour von Vallon-Pont-d’Arc bis Saint-Martind’Ardèche einzuplanen. Die Karstlandschaft ist auch berühmt
für ihre zahlreichen Höhlensysteme. In der Unterwelt der Aven d’Orgnac, einer gigantischen drei Hektar grossen Tropfsteinhöhle, warten bizarre Säle mit bis zu 50 Meter Höhe. Ein Muss ist auch der Besuch des Chauvet-Museums: In der erst 1994 bei Vallon entdeckten Chauvet-Grotte verewigte der Cro-Magnon-Mensch schon vor 35 000 Jahren seine Erlebnisse an den Höhlenwänden. Zur Übernachtung sind wir nicht auf einen Campingplatz angewiesen, sondern suchen uns mit dem Wohnmobil einen Stellplatz aus dem Angebot von France Passion: «La Cave Ardéchoise» von Pierre Marron in Vallon-Pont-d’Arc ist einer von rund 1850 Anbietern, die in der Organisation zusammengeschlossen sind. Schon vor unserer Reise sind wir für 36,25 Franken Mitglieder geworden (www.france-passion.ch) und haben eine entsprechende Vignette WINTER 2015/16 155
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fürs Fahrzeug samt Reisehandbuch mit verschiedenen Adressen erhalten, wo man sein Wohnmobil für eine Nacht kostenlos abstellen darf. Bei den Gastgebern handelt sich um Privatleute, die auf ihrem Grundstück gerne Wohnmobilgäste beherbergen, aber vor allem um Landwirte, Gutsbesitzer und Winzer, die genügend Fläche zur Verfügung haben und ein Plätzchen für autarke Camper zur Verfügung stellen. Im Gegenzug freuen sich diese Anbieter über einen Kauf im Hofladen oder eine Weindegustation auf ihrem Grundstück. Direkt vor den wuchtigen Wänden des Amphitheaters von Orange mit seiner vollständig erhaltenen Bühne geniessen wir einen Kaffee. Unser Wohnmobil haben wir wenige hundert Meter entfernt auf dem grossen Parkplatz abgestellt und sind zu Fuss in den Kern der kleinen Provence-Stadt spaziert. Noch im Café programmieren wir unser Navigationsgerät auf Avignon und fahren knapp eine Stunde später der Stadtmauer entlang. Unser Wohnmobil parken wir nach einer Runde um die Altstadt neben Hausbooten; der Uferweg führt uns nach wenigen hundert Meter zum berühmten Pont d’Avignon, der wie ein unvollständiges Bauwerk im Fluss steht. Über Kopfsteinpflaster rollen wir mit den Velos dem Monumentalgebäude entgegen, das durch die goldene Marienfigur auf der Kirche nicht zu verfehlen ist. Der Klang eines Saxophons ist es, der uns auf den grossen Platz lockt. Von den Kräutergärten bietet sich uns noch einmal ein grandioser Blick auf die Brücke, den Fluss und die gegenüberliegende «Neustadt»: Im 14. Jahrhundert hatten sich die Päpste hierhin zurückgezogen, weil der alte Stadtteil der Überlieferung nach erbärmlich gestunken haben soll. Haken schlagen nach Westen Im Anschluss an diese erholsamen Tage entscheiden wir uns für einen Szenenwechsel – und machen es uns im knapp 400 Kilometer westlich gelegenen Cahors auf dem Campingplatz Rivière de Cabessut gemütlich, der in einem Tag bequem erreicht wurde. Das in einer schönen Schleife des Flusses Lot liegende Cahors entstand schon während der Römerzeit. Während des Mittelalters entwickelte sich die Stadt zu einem wichtigen Handels- und Finanzplatz, von dem das historische Stadtviertel noch heute zeugt. Das betrifft auch das Wahrzeichen der Stadt, die Wehrbrücke Pont Valentré. Das Bauwerk mit seinen drei befestigten Türmen stammt aus dem 14. Jahrhundert und gehört heute zum Weltkulturgut der UNESCO, ebenso die Kathedrale Saint-Étienne. Unter den mittelalterlichen Arkaden der Nachbarschaft reihen sich Restaurants, Cafés und Boutiquen. Die schattige Platanenallee am Boulevard Gambetta, ein Erbe des 19. Jahrhunderts, verlockt zum Flanieren. Die Stadt ist von Weinlagen umgeben, in denen seit jeher hauptsächlich Malbec-Trauben reifen und deren guter Ruf bis in die Zeit von König François I zurückgeht. Sollten Sie eines dieser Weingüter besuchen, dann achten Sie darauf, die regionale Rarität, den «Vin noir», zu probieren, der sich durch seine intensive dunkle Farbe und ein ganz besonderes Aroma auszeichnet. Und wenn wir schon bei den weltlichen Genüssen sind, dann sei Ihnen auch die «Auberge du Vieux Cahors» empfohlen, wo wir ausgezeichnet getafelt haben. Ausserdem wäre da noch der Markt vor den Türen der Kathedrale Saint-Étienne am Mittwoch oder Samstag zu erwähnen, denn hier macht alles Appetit: Rocamadour-Ziegenkäse, Bauernlamm aus dem Quercy-Gebiet, Nüsse aus dem Périgord, Stopfleber, Quercy-Melonen und natürlich die vorzüglichen AOC-Weine aus Cahors … Quasi zur Verdauung oder zur Verlängerung des Aufenthaltes sei geschichtlich WINTER 2015/16 157
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Interessierten noch ein Besuch der prähistorischen Grotte «Pech Merle» mit rund 20 000 Jahre alten Felsmalereien empfohlen. Bis zum Atlantik Die letzte Etappe unserer Frankreich-Rundfahrt führt in den Raum Bordeaux, wo der France-Passion-Guide wieder zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten ausweist. Wir wählen eine kleine Winzerei in einem abgelegenen Weiler – und landen auf einem idyllisch ruhig gelegenen Gutshof, umgeben von viel Natur, mit Tieren und natürlich Weinreben. Der Hausherr ist rasch zur Stelle, heisst uns willkommen und lädt uns auch gleich zu einer Weinprobe ein. Wir kommen kaum dazu, uns richtig zu installieren, da steht er schon mit einer Flasche Wein in der Hand winkend vor unserem Wohnmobil. In zügigem Tempo kreisen die Flaschen über dem Tisch, wir sind zunehmend angeregt, und doch scheint es, als habe der Winzer selbst den allergrössten Spass daran. Jedenfalls füllt er sein Glas am häufigsten und leert es dann auch in Rekordzeit … Wir amüsieren uns jedenfalls prächtig während dieser feucht-fröhlichen Unterhaltung und lassen uns die edlen Tropfen schmecken. Ein englisches Ehepaar, das dank France Passion ebenfalls auf diesen Hof aufmerksam geworden ist, gesellt sich dazu, und schon nach kurzer Zeit scheinen die sprachlichen Barrieren zwischen Französisch, Englisch und Deutsch zu fallen, entsteht eine angeregte Diskussion über Gott und die Welt. Nicht nur wegen der etwas anderen, unvergesslichen Anekdote sind wir von France Passion begeistert – uns gefällt auch das unkomplizierte Konzept dieses wohnmobilfreundlichen Angebots. So bewegen wir uns von Bordeaux aus der Dordogne entlang, steuern abends die Empfehlungen an und sind jedes Mal aufs Neue begeistert; oftmals ergeben sich auch interessante Gespräche mit unseren Gastgebern. Auch gelangen wir in Gegenden, die man 158 VECTURA #17
auf den ausgetretenen Touristenpfaden nicht ansteuern würde. Trotzdem dürfen die lokalen Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel das mittelalterliche Saint-Émilion, nicht fehlen. Wir rollen frühmorgens an und schlendern gemütlich über die Kopfsteinpflaster, bevor die engen Gassen von den per Bus aus Bordeaux angefahrenen Touristenhorden gestürmt werden. In der Morgenstille wirkt Saint-Émilion idyllisch und verträumt. Die Stadtmauer, welche die Steinhäuser umringt, scheint die Zeit stillstehen zu lassen, während sich draussen die Welt weiterdreht. Erst allmählich erwacht der Ort zum Leben, und während die Weinbauern zu ihren Anbaugebieten ausserhalb der Stadtmauer fahren, strömen die Besucher hinein. Wir hingegen machen uns auf, um auf herrlichen Landstrassen der Dordogne stromaufwärts zu folgen. Die Weinreben sind omnipräsent und uns bietet sich ein malerisches Bild mit dem träge dahinfliessenden Fluss, den saftig grünen Weingärten und den malerischen Ortschaften dazwischen. Eine Empfehlung wert Das France-Passion-Programm mit seinen rund 8000 Übernachtungsmöglichkeiten für Wohnmobilisten ist eine Klasse für sich – und die Windschutzscheiben-Vignette der Mitglieder die Eintrittskarte. Eine Kaufverpflichtung für die speziellen Produkte der jeweiligen Hofläden besteht zwar nicht, doch wir können aus eigener Erfahrung berichten, dass Gäste regen Gebrauch davon machen. Denn ob Honig vom Imker, spezielle Öle, selbst gemachte Konfitüre, Äpfel quasi direkt vom Baum, hausgemachte Ravioli und Sirup, spezieller Käse oder die Austern und Fische am Meer – frischer geht es gar nicht. Nicht zuletzt der Wein ist immer wieder eine Versuchung und es versteht sich von selbst, dass wir den einen oder anderen Tropfen als Souvenir mit nach Hause bringen werden. Lange anhalten wird diese flüssige Erinnerung an herrliche Ferien freilich nicht …
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Titelfoto und -film Damian Blakemore
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erscheint im März 2016
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