VECTURA #3 Auszug

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WWW.VECTURAMAG.CH

[ lat.: das Fahren]

#3 | Sommer 2012

Sportwagen 2020

NISSAN DELTAWING

LAUTLOS AM START // ELEKTROAUTOS DOWNSIZING // VOLUMENMOTOREN MARITIME TRÄUME // SEGELYACHTEN MOTORMENSCHEN // QUEEN ELIZABETH II

EDITION ZUKUNFT www.prestigemedia.ch | CHF 10.–

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DAS MOTION-MAGAZIN AUS DER SCHWEIZ



EDITORIAL

Matthias Pfannmüller, Chefredaktor

VECTURA #3

EDITION

ZUKUNFT

BEWEGUNG IST DAS LEITMOTIV VON VECTURA, UND DA GIBT ES VIELE FACETTEN: WIR FAHREN DIESEN SOMMER ZUR SEE, MIT DEM FAHRRAD UND SOGAR RICHTUNG MOND

D

er Schwerpunkt liegt bei uns aber auf dem Automobil, und das macht einmal mehr Negativ-Schlagzeilen. Global Warming, zu wenige Parkplätze, steigende Spritpreise, neue Abgas-Normen, Tempolimits und viele immer strenger werdende Reglementarien drangsalieren den zum Outlaw stilisierten Pw-Fahrer. Der soll offenbar ein chronisch schlechtes Gewissen haben: Spass scheint streng verboten im auch politisch motivierten Verkehrsinfarkt. Knapp drei Stunden von Zürich nach Bern sind heute kein Skandal mehr, während neben der Autobahn ein IC vorbeirauscht. Mancher stellt da gar schon die bange Frage, ob wir in Zukunft überhaupt noch individuell unterwegs sind. Werden wir, allen Schwarzmalern zum Trotz – aber anders als heute. Viel zielorientierter nämlich, dazu sparsamer, leiser und insgesamt sozialer. Teilautonome Fahrzeuge, «Pool Lane» und Mitfahrbörsen sind dann selbstverständlich. Dank vernetzter Mobilität finden sich Reisende binnen Minuten. Autokennzeichen sind überflüssig, weil eine flächendeckende Verkehrsüberwachung weiss, wer wann wo unterwegs ist. Klar ist auch: Autofahren wird teurer und die Pw-Steuer mit der jährlich gefahrenen Kilometerzahl multipliziert. Ein Horror-Szenario? Nein, eine andere Epoche. Als Statussymbol Nummer 1 taugt das Automobil bei der jungen Generation bereits heute nicht mehr. In der Schweiz ist der Anteil der Führerausweisbesitzer bei den 18- bis 24-Jährigen von 71 Prozent im Jahr 1994 auf 59% in 2010 gesunken. In anderen Ländern sieht es ähnlich aus. In einer zunehmend komplexen Welt braucht das Auto frische Impulse, und die gilt es zu finden – mit sachlich-konstruktiven Lösungsvorschlägen statt ablehnender Verweigerung. Klar ist: Technik wird weiter standardisiert und zur Nebensache; vierrädrige Vielfalt reduziert sich auf unterschiedliche Karosserieformen. Unterdessen werden Oldtimer im Wert steigen: Ein 1999er-Smart hat in 15 Jahren Exoten-Status und wird dann ebenso bestaunt wie der auf E-Antrieb umgerüstete 1969er-Mustang. Diese Ausgabe beleuchtet einige wichtige Trends, die das Auto von morgen beeinflussen werden. In ihm spiegelt sich unser Bedürfnis zur individuellen Fortbewegung und Freiheit. Die Zukunft bringt sicher keinen Stillstand und schon gar keinen Rückschritt, sondern viele, auch spannende Veränderungen. Wir werden aber weiterhin mobil bleiben und viel Spass dabei haben, versprochen.

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INHALT #3

EDITORIAL

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AUSSERIRDISCH Verdammt lang her: 1971 kam das Lunar Roving Vehicle mit Radnabenelektromotoren erstmals zum Einsatz

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ABGAS ADE Alle Elektroautos, die man bei uns bis Ende Jahr tatsächlich kaufen kann

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OFFEN FÜR NEUES Wie innovationsfreudig Schweizer Autokäufer wirklich sind, erklärt Max Nötzli

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SERIENERPROBUNG Einmal Hölle und zurück: Autos müssen vor ihrem Verkaufsstart viel erdulden – so auch der Smart ED

024

TANKSTOPP Welche Auflademöglichkeiten für E-Autos es inzwischen gibt und worauf man achten sollte

030

CALIFORNIA TODAY Objektivität oder Schwarzmalerei? Matt DeLorenzo über die Verkehrspolitik im Golden State

UNTERWEGS ZUM HORIZONT Luxuriöse Segelyachten sind das vielleicht letzte Refugium freiheitsliebender Männer

056

PLAGIATS-AFFÄRE Was den Aston Martin Cygnet so einzigartig macht – und was das neue Sondermodell bringt

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TITELSTORY Welche Technologien künftige Sportwagen auf die Überholspur bringen sollen

080

HAFTUNG ÜBERNEHMEN 048090 Reifenhersteller überbieten sich mit Superlativen. Aber welcher moderne Pneu taugt wirklich etwas? PORTRAIT Der Basler Mark Stehrenberger gehört zu den wichtigsten Auto-Illustratoren der Welt

096

106

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UNTER BEOBACHTUNG Teure Fahrzeuge werden heute dreister geklaut denn je. Entsprechend raffinierter wird der Diebstahlschutz

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ABGEZÄHLT Vier und weniger Zylinder: Sparmotoren erleben eine Renaissance, denn sie können inzwischen mehr denn je

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VENGA GUAPA! Mit dem frisch überarbeiteten Seat Ibiza Ecomotive durch die quirlige Designer-Metropole Barcelona KÖNIGLICH Der völlig abgefahrene Fuhrpark der Queen

118

SACKGASSEN DES FORTSCHRITTS Technische Irrtümer in der Motorenentwicklung gibt es immer wieder

042

STRAMME WADEN Ein Fahrrad-Profi steigt extra für uns auf das Porsche-Bike RS um

138

BROT UND BUTTER Historische Kleinwagen folgten einst materiellen Zwängen. Schick-komfortabel wurden sie erst später

044

BESSER SEHEN Neue Sonnenbrillen für den Sommer

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150

INTELLIGENTE STADTAUTOS Lust auf weniger: Eine Hand voll neuer Citycars stellt Interessenten vor die Qual der Wahl

052

SELTENE EINSICHTEN Diese überraschende Bilderserie zeigt reales Industrie-Design aus ungewohnter Perspektive IMPRESSUM

160

E DI T ION

ZUKUNFT

004 VECTURA #3


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SOMMER 2012 005


Die Airline, die sich über Verspätungen mehr ärgert als Sie. Wir Schweizer sind gerne etwas genauer. Deshalb können Sie sich bei uns nicht nur auf die Pünktlichkeit verlassen, sondern auch auf einen schweizerischen Service oder auf feines Essen. Erfahren Sie mehr über unser Flugangebot mit 72 Zielen weltweit im Reisebüro oder besuchen Sie uns auf swiss.com



AUSSERIRDISCH

KEIN GEGENVERKEHR E

WER DAS ELEKTROAUTO AUF DEN MOND WÜNSCHT, KOMMT ZU SPÄT: ES LANDETE DORT BEREITS VOR MEHR ALS VIER JAHRZEHNTEN

s zählt wohl zu den dringendsten Bedürfnissen der Menschheit, neue Territorien zu erobern. Der Weltraum und fremde Planeten gehören seit jeher dazu. Als zivilisiert im modernen Sinne gilt das Terrain aber erst, wenn Touristen mit Autos in ihm herumfahren.

Text Matthias Pfannmüller · Fotos NASA

Der Erdtrabant ist so gesehen längst erschlossen: Am 26. Juli 1971 hob Apollo 15 in Cape Canaveral ab. An Bord der Mondlandefähre «Falcon» befand sich – platzsparend an der Bordwand zusammengeklappt – das Lunar Roving Vehicle, ein offenes, vierrädriges Fahrzeug mit zwei Sitzen und Allradantrieb. Doch weder Chrysler noch Ford, sondern Boeing Aerospace und GM-Zulieferer Delco Electronics hatten das LRV in mehrjähriger Arbeit entwickelt. Was logisch war, wenn man sich die technischen Vorgaben ansieht: Leichtbau und geringer Energieverbrauch zählten schon damals nicht zu den Paradedisziplinen amerikanischer Automobilproduzenten.

008 VECTURA #3


SOMMER 2012 009


AUSSERIRDISCH

Die Entwickler hatten vielmehr die Bedingungen auf der Mondoberfläche im Sinn. Heraus kam ein 40 Millionen Dollar teures, 3,10 Meter langes und 1,83 Meter breites Fahrzeug, das ungewöhnliche Detaillösungen aufwies. So war der Lunar Rover mit nur 210 Kilo sehr leicht, was dem Transport und einem möglichst einfachen Zusammenbau vor Ort entgegenkam. Auf dem Mond selbst spielt Gewicht kaum eine Rolle; die Gravitation entspricht einem Sechstel der Erdanziehung und es gibt keine Atmosphäre. Hammer und Feder fallen deshalb gleich schnell zu Boden, wie Astronaut Dave Scott vor laufender Kamera anschaulich bewiesen hat. Auf der Erde wäre das fragile Fahrgestell des LRV wohl auseinandergebrochen. Auch bestanden seine Reifen nicht aus Gummi, sondern aus robust gewickeltem Draht. So rustikal der Lunar Rover auch aussah – er war eine ingeniöse Meisterleistung. Sein Zweck lag auf der Hand: Er sollte den Astronauten bei ihren zeitlich begrenzten Mondaufenthalten einen grösseren Aktionsradius und damit exaktere Untersuchungen ermöglichen. 010 VECTURA #3

Gesteuert, beschleunigt und gebremst wurde mittels Joystick, der von beiden Insassen bedient werden konnte. Dazu kam eine Allradlenkung, die einen Wendekreis von nur drei Metern erlaubte. Zwei 36-Volt-Batterien speisten vier je 0,25 PS starke Elektromotoren, die in den Radnaben sassen – und ausreichend Kraft boten für maximal 12 km/h Geschwindigkeit sowie eine Reichweite von über 90 Kilometer. Aus Sicherheitsgründen wurde die maximale Distanz vom Landemodul auf knapp zehn Kilometer begrenzt; im Notfall hätten die Mondfahrer den Rückweg also zu Fuss antreten können. Am 30. Juli setzte die Falcon in der Nähe des Hadley-Gebirges auf, wenig später stand das LRV startklar auf dem Mond. Die erstaunte Weltbevölkerung war live dabei, als Scott und sein Beifahrer James B. Irwin – mit Gurten gesichert – ihre ersten Fahrversuche unternahmen. Die Dynamik des Lunar Rover verblüfft noch heute; seine Steigfähigkeit betrug offroad-taugliche 25 Grad, die Bodenfreiheit 35 cm. In voller Fahrt hoppelte der Wagen ein wenig, hob mit einem oder zwei Rädern vom Boden ab, bewegte sich dabei wie in Zeitlupe und setzte sanft wieder auf.


Die erstaunte Weltbevรถlkerung war live dabei, als Scott und sein Beifahrer James B. Irwin ihre ersten Fahrversuche unternahmen


Scott und Irwin verbrachten fast drei Tage auf dem Mond. Eigentlich waren es nur wenige Stunden, denn ein Mond-Tag z채hlt knapp 28 Erd-Tage

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AUSSERIRDISCH

Zur Orientierung bediente sich die LRV-Besatzung eines elektromechanischen Navigationssystems, das Radeinschlag und Umdrehungen messen und so Entfernungen und die grobe Position ermitteln konnte. Per Sonnenwinkel und Funkkontakt mit Houston über die regenschirmartige Antenne liess sich die Stellung kalibrieren und ein exakter Kurs berechnen. Aus heutiger Sicht eine primitive Technik, die vom Chip jedes SpielzeugTaschenrechners übertroffen wird. Aber es hat funktioniert. Scott und Irwin verbrachten fast drei Tage auf dem Mond. Eigentlich waren es nur wenige Stunden, denn ein Mond-Tag zählt knapp 28 Erd-Tage. Weshalb am LRV eine Beleuchtung ebenso wenig erforderlich war wie Blinker. Man stelle sich das vor: allein. Kein Gegenverkehr, weder Ampeln, Parkuhren noch Strafzettel – nichts. Nur grauer, staubfeiner Sand, weite Täler, hohe Berge und dieses Wahnsinns-Panorama mit dem Blauen Planeten am Horizont. Ein gespenstisches Szenario. Selbst die Astronauten philosophierten, wenn sie den strengen Zeitplan in wenigen Momenten ausser Acht und ihren Gedanken freien Lauf liessen. Bei Charlie M. Duke Jr., dem Lunar-Module-Piloten auf Apollo 16, der folgenden Mondmission im April 1972, schlich sich in einer Schlafpause sogar ein irrealer Traum ein: Sie seien losgefahren, erinnerte er später, und kurz darauf auf eine zweite Reifenspur gestossen. Dieser unerschrocken gefolgt, bald eine dritte entdeckt. Und in der Ferne auch den Verursacher: ein anderes LRV! Es habe einfach so in der Gegend gestanden, an Bord zwei Astronauten, bewegungslos. Sie reagierten weder auf Funkrufe noch auf Winken, also hin zu ihnen. Duke parkte daneben, stieg aus, ging hinüber. Und als er die goldbeschichteten Sonnenvisiere zurückschob, erblickte er – sich selbst und seinen Kollegen John Young! Der irritierte Raumfahrer demontierte ein Teil des fremden Rover und brachte es mit zur Erde, wo sein Alter auf mehrere Millionen Jahre taxiert wurde. Duke hat uns allerdings verschwiegen, ob er schweissgebadet aufgewacht ist. Trotzdem eine gänsehautmässig gute Geschichte, fast so gut wie das hartnäckige Gerücht, die Mondmissionen hätten nie stattgefunden, sondern wären nur eine von vielen Medien-Inszenierungen der US-Regierung gewesen: Capricorn lässt grüssen. SOMMER 2012 013


Wer eines der Mondautos sehen will, braucht ein verdammt gutes Fernglas


AUSSERIRDISCH

Letzter Verdacht wird von dem Faktum genährt, dass die Mondexpeditionen für manche Kritiker zu problemlos verliefen. Tatsächlich sind von den drei LRV-Einsätzen nur wenige Pannen überliefert: So ging beim Ausladen des dritten Rover der Apollo17-Mission im Dezember ’72 ein Kotflügel zu Bruch, was im Fahrbetrieb viel Staub aufwirbelte. Commander Gene Cernan und Harrison H. Schmitt reparierten das Teil auf pragmatische Weise – mit Klebeband und einigen Blättern der über 200 Seiten starken LRV-Betriebsanleitung.

Mit Apollo 17 und nach nur zwölf Jahren wurde das Mondfahrprogramm der NASA frühzeitig beendet – man hatte alles erreicht. Seitdem hat kein Mensch mehr den Mond betreten. Trotzdem sind auch die Russen auf ihm herumgefahren; 1970 und ’73 schossen sie zwei ferngesteuerte Mobile namens Lunakhod rauf. Die sahen aus wie achträdrige Badewannen, wurden nachts radioaktiv beheizt und konnten so mehrere Monate eingesetzt werden. Sie und die drei LRV sind natürlich noch oben. Wer eines der Mondautos sehen will, braucht aber ein verdammt gutes Fernglas.

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ELEKTROANTRIEB RUBRIKEN

UNTER STROM Text map · Fotos Werk

HYBRIDAUTOS, VOR ZEHN JAHREN NOCH EINE SENSATION, SIND INZWISCHEN ALLTÄGLICH. HEUTE SIND E-MOBILE DER LETZTE SCHREI: ES GIBT UNZÄHLIGE KONZEPTE, DIE MEISTEN VON IHNEN BLEIBEN ILLUSION. DOCH WAS KOMMT WIRKLICH AUF DIE STRASSE? VECTURA NENNT ALLE ELEKTRO-SERIENAUTOS, DIE BIS ENDE 2012 IN DER SCHWEIZ VERFÜGBAR SEIN WERDEN 016 VECTURA #3



ELEKTROANTRIEB

Smart Fortwo Electric Drive

Chevrolet Volt

Tesla Roadster

Fisker Karma

W

er sich heute ernsthaft für ein bestimmtes E-Auto interessiert, muss allzu oft lesen: «Voraussichtlich lieferbar ab …» Das Label «emissionsfrei» sorgt momentan für die gewünschte Aufmerksamkeit, kommt aber ohne Anspruch auf Erfüllung. Entsprechend schwierig ist es für potentielle Käufer, die sich einen Überblick verschaffen wollen. Am besten, so sollte man meinen, geht das im Internet. Doch viele Webseiten sind hoffnungslos veraltet, andere lassen relevante Vergleichsdaten vermissen. Wir haben deshalb eine übersichtliche Tabelle mit allen kaufbaren E-Autos erstellt, die garantiert aktuell ist und sogar ohne Steckdose funktioniert. Auf Parameter wie Kraftübertragung oder Radstand wird hier bewusst verzichtet, weil sie in diesem Zusammen018 VECTURA #3

hang völlig unerheblich sind. Viel wichtiger erscheint die Anzahl der Sitzplätze oder das Gewicht, weil es vorrangig um Alltagsnutzen und Reichweite geht. Und natürlich um den Nutzungsausfall, also die Ladezeiten. Die Ausschluss-Kriterien bei dieser Auflistung lauten dagegen: keine Angebote wie den viertürigen Coda, weil es ihn nicht bei uns, sondern nur in den Vereinigten Staaten zu kaufen gibt. Dazu verzichten wir auf Dreiräder wie das Twike, weil das eben kein Auto ist. Der Toyota Prius Plug-in muss auch draussen bleiben: Er kann zwar über 20 Kilometer weit rein elektrisch fahren; trotzdem rangiert er unter Hybridfahrzeug. «Gehhilfen» wie der Meco EH Line EMH01 bleiben ebenfalls aussen vor – obwohl manche meinen, der hier aufgeführte Renault Twizy gehöre in diese Kategorie. Er ist als Tandem-Zweisitzer zwar grenzwertig, trägt aber ein richtiges Kennzeichen, kann also auch auf Autobah-


Viermal Renault (von links nach rechts): Twizy, Fluence, Kangoo, Zoe

nen bewegt werden. Und vielleicht bevölkern raumsparende Fahrzeugkonzepte wie er die Städte von morgen, sind bald modische Verbrauchsartikel wie das neueste Smartphone.

Volvo C30 Electric

Käufer haben also die Qual der Wahl, staunen über die wachsende Vielfalt des Angebots und die breite Preisspanne. 15 teils baugleiche Modelle (drei sind mit Range-Extender unterwegs) von einem Dutzend Anbietern sind aktuell in der Schweiz verfügbar. Von Anfang mit Elektro-Antrieb konzipierte Fahrzeuge wie der Nissan Leaf oder Think City bilden inzwischen die Mehrheit, doch auch umgerüstete Benziner wie Smart Fortwo oder Volvo C30 Electric sind unter ihnen. Dabei wird es nicht bleiben: Ford bringt Ende Jahr einen Focus Electric, Chevrolet lanciert 2013 den relativ günstigen E-Spark und VW unter anderem den Golf Blue-E-Motion. SOMMER 2012 019


ELEKTROANTRIEB

Nissan Leaf

Die Spannung steigt also. Doch ob die E-Flotte Fahrt aufnimmt, hängt nicht nur von lokalen geografischen Gegebenheiten, sondern besonders von der Batterie-Entwicklung und der Preisgestaltung ab. Noch handelt es sich um Imageträger für Leute, die sich ein grünes Umweltbewusstsein leisten wollen und in der Regel weitere Autos besitzen – mit Verbrennungsmotor. Auch die narrensichere Handhabung beim Wiederaufladen, nennenswerte Ladestation- und Servicenetze und nicht zuletzt die Tatsache, wie sauber der benötigte Strom erzeugt wird, spielen für die breite Akzeptanz der Elektromobilität eine Rolle. Dazu kommt eine zu hohe Erwartungshaltung, die nur enttäuscht werden kann: Die Leistung und Reichweite konventioneller Autos, welche über 125 Jahre Evolution hinter sich haben, kann ein E-Modell kaum bieten. Erst wenn das den Exoten-Status abgelegt hat, wird es sich auch behaupten können. Ob und wie es E-Mobile schaffen, entscheiden keine politischen Programme, sondern ausschliesslich die Anzahl der Käufer. Und die sind kraft der ihnen zur Verfügung stehenden automobilen Alternativen so mündig wie noch nie.

Think City

Mitsubishi i-MiEV. Die Modelle Citroën C-Zero und Peugeot iOn sind baugleich mit dem Japaner

ÜBERSICHT 2012 ALLE E-SERIENAUTOS IN DER SCHWEIZ Marke Typ Sitz- Motor plätze Chevrolet Volt Citroën C-Zero Fisker Karma Mitsubishi i-MiEV Nissan Leaf Opel Ampera Peugeot iOn Renault Twizy Z.E. Renault Zoe Z.E.2 Renault Kangoo Z.E.3 Renault Fluence Z.E. Smart Fortwo Electric Drive2 Tesla Roadster Think City Volvo C30 Electric 1

4 4 4 4 5 4 4 2 5 2/5 5 2 2 2/2+2 4

Leistung in kW

Länge in cm

Gewicht Reichweite in kg km

E + 1,4L 110 450,0 1660 E 49 347,5 1120 E + 2,0L 300 499,5 2400 E 49 347,5 1110 E 80 445,0 1525 E + 1,4L 110 450,0 1660 E 49 347,5 1120 E 13 234,0 470 E 65 409,0 1400 E 44 421/460 1510/1580 E 70 475,0 1530 E 30 od. 55 269,5 800 E 215 394,5 1240 E 25 312,0 1130 E 82 426,5 1660

ohne / mit Range Extender; 2 Auslieferung ab Herbst; 3 in zwei Längen verfügbar

020 VECTURA #3

80/5001 150 80/4851 150 175 80/5001 150 100 200 170 185 140 400 160 150

0–100 km/h in Sek.

Vmax km/h

9 15,9 6,3 15,9 11,9 9 15,9 6,1 (0–45 km/h) k.A. 20,3 13,7 13 4 6,5 (0–50 km/h) 10,9

160 130 200 130 145 160 130 80 135 130 135 120 200 110 130

Preis CHF

Extrakosten

50 490 31 300 129 900 33 000 49 950 52 900 33 600 9 600 + 60/Monat 22 800 + 95/Monat 26 300 + 95/Monat 30 600 + 95/Monat 25 000 + 90/Monat 118 300 34 900 nur Leasing ab 1290/Monat


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FAHRTENBUCH

DIE SCHWEIZ IST KEIN TESTMARKT

W

er als Erster gesagt hat, die Schweiz sei für die Automobilindustrie ein Testmarkt, lässt sich nicht mehr eruieren. Fest steht nur, dass diese Behauptung auch durch ständiges Wiederholen nicht wahrer wird. Wären wir tatsächlich ein Testmarkt, müssten weltweit pro Jahr circa 10 000 Bugatti Veyron verkauft werden. Und bereits stünden viele Millionen Elektroautos in Betrieb, dafür aber nur wenige mickrig motorisierte und dürftig ausgestattete Kleinautos für automobile Einsteiger. Blicken wir einige Jahrzehnte zurück. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich die Schweiz in einer beneidenswerten Situation: im Vergleich zum europäischen Ausland weit überdurchschnittlicher Wohlstand, prosperierende Wirtschaft, Vollbeschäftigung, intakte Infrastrukturen. So wurden Autos früher als anderswo auch für einfache Arbeiter erschwinglich, wobei die Präferenzen bezüglich Fahrzeugherkunft und -marken schon aus den Vorkriegs-Gepflogenheiten heraus sehr breit gestreut waren. Dies nicht zuletzt deshalb, weil es keine eigene Automobilindustrie (mehr) gab, die man glaubte, schützen zu müssen. Diese Markenvielfalt macht die Schweiz einzigartig und damit den Markt untypisch. Traditionell ein hohes Ansehen genossen vor allem in den 50erund 60er-Jahren US-Automobile; lange Zeit hatte hierzulande ein Cadillac ein weit höheres Renommee als etwa ein MercedesBenz. Deutsche, französische, italienische und englische Autos waren jahrzehntelang ziemlich gleichmässig verteilt, bis dann ab den 90er-Jahren die deutschen Hersteller eine zunehmend dominantere Position einzunehmen begannen. Ein Zeichen für die Neutralität und die Unvoreingenommenheit der Schweizer Käufer ist die Erfolgsstory der japanischen Marken. Fanden die fernöstlichen Neuzuzüger auf den europäischen Märkten mit eigener Automobilproduktion ein sehr steiniges Terrain vor, gab es in der Schweiz keine Berührungsängste. Zwar legten Toyota, Honda, Datsun & Co. auch bei uns keinen Senkrechtstart hin, aber ab Mitte der 70er-Jahre ging es doch so steil aufwärts, dass man beinahe von einem Boom sprechen konnte. Und mit den Koreanern wiederholte sich die Geschichte rund 15 Jahre später.

wagen, aber auch für alle Arten von GTi-, OPC- und RS-Versionen. Unvergessen ist der Fall eines hochsportlichen Audi-Modells, von dem die Schweiz über einen Fünftel der Gesamtproduktion absorbierte. Das hängt einzig und allein mit unserem Wohlstand zusammen; was gibt es da für einen Hersteller zu «testen»? Und auch bei den «grünen» Fahrzeugen zieht die Mär vom Testmarkt nicht wirklich. Autos mit alternativen oder Hybrid-Antrieben finden in der Schweiz einen vergleichsweise sehr guten Absatz, und positiv entwickelt sich der Trend auch bei den Elektroautos. Aber daraus auf andere Märkte schliessen zu wollen, wäre kreuzfalsch. Bewiesen ist damit lediglich, dass sich die Schweizer die durchwegs teureren Zukunftstechnologien auch zu leisten vermögen – ganz im Gegensatz zu der Bevölkerung in Entwicklungsländern, die froh ist, sich mit irgendetwas Vierrädrigem motorisieren zu können. Der Schweizer ist nicht «grüner» als andere, doch er kann es sich ganz einfach problemloser leisten, dies durch den Kauf eines grünen Autos auch gegen aussen kundzutun. Das alles wissen die Fahrzeughersteller natürlich seit jeher sehr genau. Und der Slogan vom «Testmarkt Schweiz» (der wahrscheinlich von einem schlauen Verkäufer geprägt wurde, welcher den potentiellen Kunden weismachen wollte, sie seien etwas ganz Besonderes) entpuppt sich als das, was er schon immer war: warme Marketing-Luft. Um zum eingangs erwähnten Beispiel mit dem über 1,5 Millionen Euro teuren Bugatti Veyron zurückzukommen: Dieses Rechenbeispiel ist natürlich rein theoretisch und schon deshalb nicht zulässig, weil die Einwohnerzahl der Schweiz gegen die – um den Faktor 1000 höhere – Gesamt-Weltbevölkerung aufgerechnet wird. Aber auch der Vergleich mit dem ebenfalls als wohlhabend geltenden Deutschland (Faktor 12) zeigt das unterschiedliche Käuferverhalten: Würden unsere nördlichen Nachbarn im Verhältnis gleich viele Bugattis kaufen wie die Schweizer, nämlich rund zehn pro Jahr, entspräche das einem Auftragsvolumen von gut 120 Stück. Und damit hätte Bugatti die Veyron-Produktion in Molsheim allein mit deutschen Bestellungen in weniger als drei Jahren verkaufen können …

Mittlerweile haben zwar der Markt und die beinharte Konkurrenz dafür gesorgt, dass die Bäume der asiatischen Autobauer auch hierzulande nicht in den Himmel wachsen. Aktuell weist aber die Schweiz den – nach Hersteller-Region – wohl ausgewogensten Automobilmarkt weltweit auf. Noch eine Tatsache widerlegt die Floskel vom Testmarkt: In der Schweiz ist der Anteil an stark motorisierten und üppig ausgestatteten Autos grösser als sonst wo (von Dubai und anderen exotischen Märkten einmal abgesehen). Bei den Herstellern gilt die Schweiz als der Markt für Luxuslimousinen und Supersport022 VECTURA #3

Max Nötzli, Jahrgang 1944, ist Präsident von Auto Schweiz, der Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure. Zuvor war Nötzli 39 Jahre lang Automobiljournalist, zehn davon als Chefredaktor.


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PROTOTYP

024 VECTURA #3


AUF DIE HARTE TOUR E-MESSIAS ZUM KAMPFPREIS: DIE DRITTE GENERATION DES ELEKTRO-SMART SOLL DIE MOBILE WELT ELEKTRISIEREN. DAMIT BLOSS NICHTS SCHIEF GEHT, HAT DAIMLER DEN FORTWO FÜR DIE STECKDOSE IN GNADENLOSEN TESTS AUF DIESE MISSION VORBEREITET Text Ralf Bielefeldt · Fotos Dirk Weyhenmeyer

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ie schwarz-rote Motorenabdeckung mit Mercedes-Stern und V6-Kürzel prangt an der weiss lackierten Wand wie eine Jagdtrophäe. «Hybrid» und «221» steht gross darauf. Dazu, kleiner, mit dem gleichen weissen Filzer geschrieben: «Serien-Freigabe 02/2009». Auf Naht über dem Souvenir aus dem S 400 Hybrid (intern: W 221) hängt ein blau gerahmtes Foto mit dem Vermerk «19.02.– 10.03.2007». Mindestens 40 Leute grinsen auf dem Farbabzug um die Wette. Fast alle tragen schwarze Polohemden und Shorts. Ein paar von ihnen sind auch auf dem Bild mit dem Eintrag «Sommererprobung, 26.2.–12.3.2010, 169er + 451er». Die Baureihen-Kürzel für A-Klasse und Smart II.

Die Wand mit den Erinnerungsfotos gehört zu einem umfunktionierten Hangar am Rande des Flughafens von Upington in Südafrika. Drei Hebebühnen verraten, dass hier nicht nur Propellermaschinen gewartet werden. 25 mal 57 Meter misst die luftige Halle. Fünf grosse Türen und ein riesiges Rolltor dienen als Ein- und Ausfahrten – und als Schlupflöcher für die wabernde Hitze, die vor den Pforten des gelben Baus die Luft flirren lässt. 38 Grad zeigt das Aussenthermometer, mittags, kurz vor zwölf. «Warme Klimazone» nennt sich das im Entwickler-Jargon. Eine sehr nüchterne Betrachtung der Backofen-ähnlichen Wetterbedingungen am Rande der Kalahari-Wüste. Nachts im Durchschnitt 18 bis 20 Grad Celsius, tagsüber gern das Doppelte, macht im Mittel um und bei 25 bis 28 Grad – und in Autos bis zu 60 Grad und mehr, je nach Sonnenstand. Ideale Bedingungen für einen elementaren Praxistest im Leben eines nahezu serienreifen Autos: die «Sommererprobung». Weitab von allzu neugierigen Blicken, aber mit intakter Infrastruktur. Sogar eine HighspeedStrecke gibt es: 55 Kilometer Landstrasse, gesäumt von Telefonund Strommasten, tempolimitiert auf 250 km/h. «Nur autorisierte Fahrzeuge», warnt dann und wann ein gelbes Schild am Rand der Tiefflugpiste. Absperrungen gibt es nicht. An Bord des Frachtfliegers, der am 16. Januar 2012 in Upington auf der mit knapp fünf Kilo-meter längsten zivil genutzten Landebahn der Südhalbkugel aufsetzt, sind vier rein elektrisch fahrende Smart Fortwo Coupés, zwei ebenso motorisierte Cabrios sowie ein Fortwo Cabrio mit Verbrennungsmotor als Referenzfahrzeug. Finale Testreihen und Bestätigungen vorausgegangener Er-probungen stehen an, 14 Tage lang, mit 15 Mann. Dann folgt der Pflicht die Kür, nach fast drei Jahren intensiver Arbeit wird es ernst: Entwicklungsfreigabe, dann Qualitätsfreigabe und schliesslich Verkaufsfreigabe. Der Startschuss für die automobile Elektrifizierung von über 30 Ländern weltweit. Den Anfang machte Deutschland im Juni 2012; die Schweiz ist ab Oktober dabei.

SOMMER 2012 025


PROTOTYP

Zweimal durchläuft jedes komplett neue Modell von MercedesBenz oder Smart die Sommererprobung. «Elektroautos machen da keine Ausnahme», erklärt Jürgen Schenk (56), Daimlers Entwicklungsleiter für Elektrofahrzeuge. Digitale Entwicklung (zwölf Monate), Erprobung von Entwicklungs- und Bestätigungsfahrzeugen (zusammen 18 Monate), Produktionsvorbereitungen (sechs Monate) – das sind die Stationen im Leben seiner E-Schützlinge. Zur Wintererprobung geht es in die «kalte Klimazone» – polarnahe Regionen wie Arjeplog in Lappland stehen dafür hoch im Kurs. Einzig für die Standarderprobungen in gemässigtem Klima muss keiner weit fahren: Das herrscht in Deutschland fast das ganze Jahr über, in Sindelfingen wie auf der Mercedes-Teststrecke im Emsland. Das Kühlen und Heizen muss der E-Smart mindestens so gut beherrschen wie seine konventionellen Brüder, sonst wird sich kein Käufer für den E-Messias erwärmen. Smarte Lösung: Der 026 VECTURA #3

«Electric Drive» genannte Antrieb regelt das bereits, wenn er am Ladestecker hängt. Programmiert wird die Vorklimatisierung wie bei Generation II via Bordcomputer oder – neu – übers Internet beziehungsweise eine spezielle «App». Smartphone-Nutzer können ihren E-Smart also von überall aus vorheizen oder runterkühlen. Beim Start hat er also immer die gewünschte Kabinentemperatur. Bei den Handling-Tests von Elektroautos kommt es wie bei konventionell angetriebenen Fahrzeugen auf das Zusammenspiel von Antriebskräften und Regelsystem an. Hier die Grenzen auszuloten, macht auf zugefrorenen Seen im Zweifel mehr Spass als auf staubigen Buckelpisten. Aber das Entwicklerleben ist kein Wunschkonzert. «Alles, was die Natur zu bieten hat, muss in den Testprogrammen abgebildet werden», erläutert Schenk: «Staub und Salz, Tag und Nacht, Winter und Sommer, nass und trocken».


Sommererprobung in Südafrika: Das Grenzgebiet zu Namibia bietet ideale Testbedingungen. Einsame Asphaltpisten, knochentrockene Schotterstrecken und mittlere Temperaturen um 26 Grad gibt es von Januar bis März. Bergfahrten simuliert das Team mit einem Bremsanhänger. Grünes Licht signalisiert: Ladevorgang erfolgreich. Der Mann hinter dem Messaufbau: Entwicklungsleiter Jürgen Schenk (56)

Bis zu 220 Messfühler haben seine Mitarbeiter an, unter und in den Autos installiert, an jedem hängen gut fünf Meter Kabel. 1,7 Millionen Daten laufen im Messaufbau im Kofferraum zusammen – pro Stunde Fahrzeit, wohlgemerkt. Rechner, Kommunikationseinheit, Messstellenaufnehmer und Kühlwassermessung sind auf einem Brett zusammenmontiert. So lässt sich der Aufbau problemlos von Auto zu Auto transportieren. Heizen und Kühlen, Agilität, Antriebsgeräusche und Lade-Infrastruktur – das sind die zentralen Merkmale, um die es bei der Entwicklungsfreigabe geht. Wie schlägt sich der E-Smart unter extremen Bedingungen? Laptop-Besitzer wissen ein Lied zu singen über die Temperaturfühligkeit von Akkus: Bei Kälte brauchen sie ewig, um in Wallung zu kommen; bei Hitze schmilzt die Leistung wie Eis in der Sonne. Beides darf bei einem Auto, das Marktführer im Segment der Elektrofahrzeuge werden will, auf gar

keinen Fall nie und nimmer nicht passieren. Erst recht nicht, wenn es sich bereits um die dritte Auflage handelt, die jetzt erstmals in nennenswerter Stückzahl produziert werden soll. Reichweiten-Einbussen um 50 Prozent und mehr, bei diversen E-Autos mehrfach von Prüforganisationen und Fachblättern nachgewiesen, kann sich der Electric Drive III als jüngstes Modell im Wettbewerb nicht erlauben. Der ausgeklügelte, doppelte Wasserkreislauf, die aufwändige Isolierung der Fahrgastzelle und konsequentes Energiemanagement für alle elektrischen Verbraucher sollen den thermisch bedingten Leistungsabfall auf maximal 30 Prozent reduzieren. Im Normalfall beträgt die Reichweite rund 140 Kilometer. Mehr als genug im urbanen Umfeld, dem natürlichen Lebensraum eines Elektroautos. 30 bis 40 Kilometer legen Autofahrer in Ballungsgebieten pro Tag zurück, haben Smarts Elektro-Feldversuche ergeben. SOMMER 2012 027


PROTOTYP

E-Autos werden für die Stadt gebaut – der Smart Fortwo sowieso

Von Geländetauglichkeit ist keine Rede im Lastenheft, von einwandfreien Leistungen selbst bei 60 Grad Hitze schon. Die offizielle Highspeedstrecke bei Upington erlaubt Tempo 250. Der E-Smart schafft gut die Hälfte

Mit Schnell-Lader ist das 17,6-Kilowattstunden-Kraftwerk im Fahrzeugboden in weniger als 60 Minuten wieder aufgeladen; normales «Stromtanken» dauert circa sieben bis acht Stunden. Entwickelt wurde die neue Lithium-Ionen-Batterie von der «Deutschen ACCUmotive», einem Joint-Venture von Daimler mit Evonik Industries. Die in der Schweiz obligatorische Wallbox zur gefahrlosen Entnahme von Strom aus dem Haushaltsnetz entfällt beim E-Smart. Der Stromer aus dem französischen Hambach stellt sich automatisch auf die Elektroinfrastruktur des jeweiligen Landes ein.

höhere Geschwindigkeiten interessieren nicht so», meint Schenk. «E-Autos werden für die Stadt gebaut», der Smart Fortwo sowieso. Mehr Dampf an der Ampel, mehr Reichweite für die Zauderer – darum ging es. Gleichwohl, für Statistiker: 13 Sekunden gibt Smart für den Spurt auf Tempo 100 an. Der Permanentmagnetmotor mit maximal 55 kW ermöglicht eine offizielle Höchstgeschwindigkeit von «über 120 km/h», je nach Ladezustand und Gegenwind. Viel schneller ist der Smart cdi (135 km/h) auch kaum – und auf Schweizer Autobahnen ist ohnehin nicht mehr erlaubt.

Wichtige Erkenntnisse hierfür lieferten die Feldversuche mit den Vorgängern. Generation I, ab 2007 exakt 100 Mal gebaut, und Generation II (ab 2009, 2000 Exemplare) standen jeweils nur einem übersichtlichen Kreis von Testpersonen zur Verfügung – die fünf Jahre lang fleissig Daten und Erfahrungswerte lieferten für die grosse Smart-Strom-Offensive anno 2012. Generation Nummer 3 ist für alle da und soll die Welt elektrisieren – als bezahlbarer Spassmacher mit schneeweisser Umweltweste und Karacho-Antrieb.

«Wir haben uns mit diesem Auto wirklich sehr, sehr viel Mühe gegeben», versichert Vollblutschwabe Schenk. Er gehört zu den Menschen, denen man so etwas glaubt. Ein Tüftler, Frickler, Entwickler durch und durch. Kurz: jemand, der frei nach der Landeswerbung «alles kann ausser Hochdeutsch». Fünfstellige Produktionszahlen peilt Daimler an – pro Jahr. Der Schweizer Startpreis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest; in Deutschland kostet der E-Smart rund 16 000 Euro plus Mehrwertsteuer und Batteriemiete (knapp 60 Euro netto/Monat). Ab 2013 wollen VW mit dem e-up! und BMW mit dem i3 dagegenhalten. «Das elektrische Zeitalter ist endgültig angebrochen», frohlockte Smart-Chefin Annette Winkler bereits bei der Präsentation auf der IAA 2011. Kein schlechter Spruch fürs nächste Erinnerungsfoto.

Fahraktiv wie ein Kart, spielt das neue Modell die Stärke des Elektromotors – volles Drehmoment ab null Umdrehungen – ungeniert aus. Nach fünf Sekunden erreicht der Zweisitzer Tempo 60, die magische Marke für E-Autos. «Die Beschleunigungszeiten auf 028 VECTURA #3



DIE KRAFT AUS DEM KABEL REICHWEITE UND EINSATZBEREITSCHAFT BESTIMMEN HEUTE ÜBER ERFOLG UND MISSERFOLG DES ELEKTROAUTOS. WIR ERKLÄREN DIE UNTERSCHIEDLICHEN LADEMETHODEN Text Marc Kudling · Fotos Werk

E

lektroautos sind derzeit auf dem Vormarsch. Denn trotz vieler offener Fragen und Probleme, die sie noch mit sich bringen, scheinen die Vorteile zu überwiegen. Schliesslich herrscht Konsens darüber, dass wir uns von tradierten Energiesystemen verabschieden wollen. Und bei aller Skepsis darf nicht vergessen werden, dass das Elektroauto mit jeder Kilowattstunde Strom, die mit Hilfe eines neuen Wasser-, Wind- oder Solarkraftwerkes gewonnen wird, sauberer wird. Zudem ist der E-Antrieb mit einem Wirkungsgrad von 90 Prozent etwa dreimal so effizient wie ein moderner Verbrennungsmotor, bei dem mehr als die Hälfte jeder Tankfüllung als Verlustwärme in die Umwelt geblasen wird. Der hohen Effizienz des Elektroantriebes verdanken wir es aber überhaupt erst, dass die durchschnittliche Reichweite inzwischen bei praktikablen 150 Kilometer liegt – denn die Energiedichte von Batterien ist im Vergleich mit Benzin oder Diesel sehr gering. Da auch in naher Zukunft keine relevante Steigerung der Energiedichte zu erwarten ist, spielt die Ladezeit (und mit ihr die Standzeit) bei vollelektrischen Fahrzeugen je nach Nutzungsprofil eine entscheidende Rolle. Wir haben uns die einzelnen Ladetypen angeschaut und erklären die Unterschiede. 030 VECTURA #3

Standard-Steckdose Diese ist die einfachste aller Lademethoden, aber auch die langsamste. Jedes Elektroauto kann auf diesem Wege per handelsübliches Kabel bequem zuhause aufgeladen werden. Die Zeit, um leere Autobatterien über einen solchen Wandanschluss wieder aufzufüllen, beträgt zwischen fünf und 15 Stunden – abhängig davon, wie leer die Batterien sind und über welche Leistungsfähigkeit die Steckdose verfügt. In Europa liegt diese maximal bei 3,7 Kilowatt (230 Volt und 16 Ampere). Sind es bei der deutschen Steckdose meist noch Stromstärken von 16 Ampere, findet man in der Schweiz üblicherweise nur 13 oder sogar zehn Ampere vor – je nach Alter des Hauses und der Installation. Zudem ruft ein Elektroauto die volle Leistung über einen längeren Zeitraum ab, was zu einer Belastungsprobe für die örtliche Verkabelung werden kann. Da wundert es nicht, dass Nissan beim Leaf für diese Art von Ladevorgängen nur von einem «Notladekabel» spricht und den Ladestrom aus Sicherheitsgründen auf acht Ampere begrenzt. Generell empfiehlt es sich also, vor der Anschaffung eines Elektroautos die lokalen Gegebenheiten zu überprüfen und die maximale Ladeleistung bestimmen zu lassen. Alternativ kann auch eine sogenannte Wallbox installiert werden, die wie ein


LADETECHNIK

Neuer Schnelllade-Standard: Das Combined Charging System geht Ende 2012 in Europa und den USA an den Start

Da auch in naher Zukunft keine relevante Steigerung der Energiedichte zu erwarten ist, spielt die Ladezeit (und mit ihr die Standzeit) bei vollelektrischen Fahrzeugen eine entscheidende Rolle

Adapter funktioniert und für das sichere Laden sowie die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Steckdose sorgt. Die «Wandbox» zur gefahrlosen Entnahme von Strom aus dem Haushaltsnetz stellt also eine sinnvolle Ergänzung dar. Viele Hersteller von Elektroautos bieten eine solche Lösung meist gegen Aufpreis in Zusammenarbeit mit Ökostromanbietern an – beim neuen Toyota Prius Plug-in Hybrid, der ab Herbst diesen Jahres auf dem Schweizer Markt erhältlich sein wird, gehört die Wallbox sogar zur Standardausrüstung. Schnellladung Praktisch für gewerbliche Szenarien wie etwa Kurierdienste und Car-Sharing (aber auch für die monatliche Fahrt zur Oma aufs Land, die sich vielleicht finanziell am Autokauf beteiligt hat) sind Schnellladesysteme, mit deren Hilfe ein Elektroauto meist in unter einer Stunde wieder vollständig aufgeladen werden kann. Grundsätzlich gilt es zwischen AC- und DC-Schnellladungssystemen zu unterscheiden: Der Unterschied besteht darin, an welcher Stelle der Strom von Wechselstrom (engl. alternating current, AC) aus dem Netz auf den Gleichstrom (engl. direct current, DC) für die Batterie umgewandelt wird. Wo also sitzt das Ladegerät, das nichts anderes macht, als diese Ströme zu transformieren – inner- oder ausserhalb des Autos? Bei der Lademethode via Standard-Steckdose ist das Ladegerät immer im Fahrzeug eingebaut, da es aufgrund der geringen Ladeleistung von 3,7 kW relativ kompakte Dimensionen einnimmt und nur wenig Abwärme produziert, also keine aufwendigen Kühlsysteme benötigt. Beim Schnellladen werden jedoch Leistungen von bis zu 50 kW erreicht, weshalb auch die Ladegeräte deutlich grösser ausfallen. Befindet sich das Ladegerät ausserhalb des Autos, spricht man üblicherweise von einer DC-Ladesäule. Diese stationäre Anlage wandelt den Wechselstrom zu Gleichstrom, bevor

er in das Auto gelangt. Hier hat sich bisher der De-facto-Standard «CHAdeMO» etabliert. Das Akronym steht einerseits für die englischen Wörter «Charge» und «Move» und ist gleichzeitig eine Abkürzung des japanischen Satzes «O cha demo ikaga desuka». Übersetzt bedeutet das so viel wie: «Lasst uns beim Aufladen einen Tee trinken.» Fahrzeuge wie der Mitsubishi i-MiEV oder Nissan Leaf unterstützen diesen Standard, aber auch die neue TeslaLimousine Model S wird sich auf diese Weise schnellladen lassen. Der generelle Vorteil der DC-Ladestrategie ist, dass sich mehrere Fahrzeuge die relativ kostenintensive Stromzapfsäule teilen können. Umso wichtiger ist es deshalb, dass solche Anlagen in regelmässigen Abständen und an strategisch sinnvollen Standorten platziert werden, damit sich der Aktionsradius von E-Automobilen sinnvoll erweitern kann. Deutlich flexibler ist derzeit die Lösung des AC-Schnellladens, bei der jedes Auto sein eigenes Gerät an Bord hat. Da der Strom nicht extern in Gleichstrom gewandelt werden muss, gibt es theoretisch die Möglichkeit, das E-Auto an jedem Drehstromanschluss in kürzester Zeit wieder aufzuladen. Zwar sind auch hier (wie beim Standard-Laden) aus Sicherheitsaspekten Wallboxen notwendig; diese intelligenten Steckdosen kosten mit bis zu 3000 Franken jedoch deutlich weniger als DC-Schnellladestationen. Zudem verfügen viele der heute vorhandenen öffentlichen Ladesäulen (Liste unter www.lemnet.org) bereits über Drehstromanschlüsse mit 22 kW. Diese Leistung reicht aus, um die Batterien der meisten Elektroautos in etwa einer Stunde wieder aufzutanken. Erste Fahrzeuge mit Onboard-Schnellladesystemen werden der Renault ZOE und die neue Generation des Smart ED sein, die beide in der zweiten Jahreshälfte 2012 auf den Markt kommen (siehe S. 16ff.). Audi, BMW, Chrysler, Daimler, Ford, General Motors, Porsche SOMMER 2012 031


LADETECHNIK

Schöner Strom tanken dank Wallbox, hier mit dem Schweizer E-Roadster Lampo

und Volkswagen haben sich Anfang Mai auf eine einheitliche Fahrzeugschnittstelle geeinigt, um den Aufbau einer standardisierten Infrastruktur zu beschleunigen. Das DC-Schnellladen mit dem Combined Charging System soll in Europa und den USA zum Einsatz kommen. Es vereint einphasiges Laden mit Wechselstrom, schnelles Wechselstromladen mit Drehstromanschluss, Gleichstromladen für Haushalte oder ultraschnelles Gleichstromladen an Stromtankstellen mit nur einer Schnittstelle im Fahrzeug. Das kann an den meisten Ladestationen unabhängig von Stromquelle und angebotener Ladegeschwindigkeit geladen werden. Kommerziell erhältliche CCS-Ladestationen stehen voraussichtlich Ende Jahr bereit; erste Serienfahrzeuge mit dieser Technologie werden 2013 folgen. Batteriewechselstation Völlig anderer Ansatz. Hier werden die leergefahrenen Fahrzeugbatterien vollautomatisch gegen frisch aufgeladene ausgetauscht. Vorteil: Der Wechsel dauert nicht länger als ein regulärer Benzin-Tankstopp – zumindest in der Theorie, denn noch sind solche Austauschstationen Zukunftsmusik. Immerhin funktioniert dieses Prinzip bereits im kleinen Versuchsrahmen, wie man es beispielsweise am kalifornischen Unternehmen Better Place beobachten kann. Obwohl von vielen Seiten bezweifelt, scheint das Verfahren zuverlässig zu funktionieren. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass ein solches System jemals

flächendeckend für elektrische Langstreckenreisen zur Verfügung stehen wird. Dafür wird in Zukunft die Vielzahl der unterschiedlichen Elektroautomodelle einfach zu gross sein, denn die Hersteller werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Batterie, dem Herzstück und Alleinstellungsmerkmal ihres Elektroautos, nicht auf ein Standarddesign einigen. Umgekehrt wird eine Wechselstation aus logistischen und finanziellen Gründen nicht beliebig viele unterschiedliche Akkutypen bereithalten können, um möglichst jeden Kunden zu bedienen. Wahrscheinlicher ist dagegen, dass Wechselstationen künftig in geschlossenen Systemen wie Taxi- oder Busgewerbe Erfolg haben werden, wo identische Fahrzeugtypen in kürzester Zeit wieder einsatzbereit sein müssen. Induktion Bei dieser Ladetechnik wird der Strom ohne physischen Kontakt in die Autobatterie übertragen – ähnlich dem Ladeprinzip einer elektrischen Zahnbürste. Der Vorteil des drahtlosen Ladens liegt in dem grossen Komfortgewinn für den Nutzer, da das Einstecken des Ladekabels entfällt, was Zeit spart und auch das Hantieren mit einem dreckigen oder vereisten Ladekabel vermeidet. Es laufen bereits diverse Testprojekte, die vielversprechende Ergebnisse liefern. Bevor diese Systeme aber in einer oder zwei Fahrzeuggenerationen zur Standardausrüstung gehören können, müssen unter anderem noch Herausforderungen der Standardisierung und Sicherheitsfragen gelöst werden.

Marc Kudling arbeitet für die BRUSA Elektronik AG. Das Technologieunternehmen aus dem St. Galler Rheintal entwickelt und produziert seit 27 Jahren Leistungselektronik und Motoren für Elektrofahrzeuge. Als weltweit erster Anbieter wird man noch in diesem Jahr ein 22-kW-Onboard-Schnellladegerät für die Serienanwendung produzieren.

032 VECTURA #3


PUSCHL AV ( SCHWE IZ ), 2005

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BRIEF AUS LOS ANGELES

Juni 2012

Schöne neue Auto-Welt?

S

üdkalifornien ist die Geburtsstätte der modernen automobilabhängigen Gesellschaft. Das Nichtvorhandensein öffentlicher Transportmittel, eine breitflächig zersiedelte Stadtlandschaft, der ausgebaute Zugang mit vielen Freeways und nicht zuletzt niedrige Treibstoffkosten haben eine Megalopolis geschaffen, die fast nur noch mit dem Auto zu bewältigen ist. Insbesondere Los Angeles könnte nun auch der Ort sein, in dem sich die Zukunft individueller Mobilität ankündigt: Sie wird viel teurer sein und seltener vorkommen als heute. Früher konzentrierten sich Regularien noch auf die Durchsetzung bestimmter Abgas-Grenzwerte für Autos, um Smog zu reduzieren. Heute wird das behördliche Bestreben von dem Gedanken bestimmt, Kohlendioxid einzugrenzen, welches bei der Verbrennung Kohlenstoff-basierter Kraftstoffe entsteht. Ermächtigt durch die «Assembly Bill 32» (so nennt sich ein Gesetz gegen die Erderwärmung, die 2006 unter dem damaligen Gouverneur Arnold Schwarzenegger mit dem Ziel in Kraft trat, den CO2-Ausstoss auf das Volumen der 90er-Jahre zurückzufahren), hat das CARB (California Air Resources Board) entschieden, dass 15 Prozent aller ab 2025 verkauften Modelle grosser Produzenten sogenannte ZEVs (Zero Emission Vehicles) sein müssen. Bei diesen Fahrzeugen wird es sich im Wesentlichen um reine Elektro- oder Wasserstoff-Autos handeln. Das ultimative – manche sagen unrealistische – Ziel ist es, ab 2050 nur noch ZEVs zuzulassen, um die CO2-Absenkung zu erreichen. Hier wiederholt sich die Geschichte: Anfang der 90er-Jahre wurde ein Gesetz eingeführt, welches vorsah, dass ab 1998 zwei Prozent und später fünf Prozent aller Neuwagen elektrisch betrieben werden sollten. 2003 wurde die Regelung schliesslich wegen Unerfüllbarkeit abgeschafft. Man kann die ab 2025 geltende 15-Prozent-Vorschrift auf zwei unterschiedliche Weisen betrachten. Wird davon ausgegangen, dass ein Hersteller jährlich 100 000 Autos baut, sollen künftig 15 000 davon ZEVs sein. Aus marktgerechter Perspektive muss dazu gesagt werden, dass ZEVs teuer sind und eine beschränktere Reichweite als konventionelle Automobile aufweisen. Wenn nun ein Hersteller lediglich 7500 ZEVs verkauft, wird sein Gesamtkontingent auf 50 000 Einheiten gekappt. Das Ergebnis könnte ein sinkender Absatz sein, der wiederum zu höheren Fahrzeugpreisen führen würde. Es geht aber noch weiter. Die gleiche CO2-Gesetzgebung beinhaltet unter anderem die Forderung, dass elektrische Verbraucher letztlich ein Drittel ihrer Leistung aus sauberen Energiequellen wie Wind oder Solarkraft beziehen müssen. Wie bei der ZEV-Vorschrift kann diese Vorgabe faktisch als Limitierung elektrisch generierter Kapazitäten betrachtet werden, sollten anstelle heutiger Ressourcen nur ungenügend alternative Energiequellen gefunden werden, um das besagte Drittel zu liefern. Das wird auch zu höheren Strompreisen und dazu führen, dass die Käufer von Elektroautos mit Betriebskosten rechnen müssen, die über konventionellen Spritpreisen liegen werden. Im ungünstigsten Fall bleiben ihre E-Fahrzeuge bei Spannungsab- oder gar Stromausfällen liegen, wenn die Versorger die Nachfrage nicht mehr decken können. 034 VECTURA #3

Dieser perfekte Sturm in Bezug auf Neuwagen und die Fähigkeit zur E-Auto-Aufladung ist zwar noch über ein Jahrzehnt entfernt. Doch in der Zwischenzeit werden mehrere politische Hebel in Bewegung gesetzt, um Autofahrer aus herkömmlichen Fahrzeugen und Hybriden in Plug-in-Hybride, Erdgas- oder WasserstoffModelle zu locken. Zu den grössten Schubkraftverstärkern der Toyota-Prius-Verkäufe zählten staatliche Aufkleber, die es Hybriden und anderen alternativ betriebenen Fahrzeugen erlaubten, mit nur einer Person an Bord auf der relativ leeren Pool Lane zu fahren. Allerdings wurden nur 85 000 Sticker an die damals drei oder vier Hybrid-Hersteller verteilt. Diese zuerst gelben Siegel sind inzwischen abgelaufen und werden von grünen ersetzt, die aber nur noch für Plug-inHybride wie einen Chevy Volt gelten. Nur 40 000 Stück werden ausgestellt. Diejenigen mit einem gelben Sticker, die auf der linken Spur nicht nur schneller vorankamen, sondern beim Wiederverkauf ihres Autos auch höhere Preise erzielten, hat das Glück jetzt verlassen. Kürzlich hat der Staat weisse Aufkleber herausgebracht, für die es keine Stückzahlgrenze geben soll. Diese gibt man nun den Käufern reiner Elektro-, Brennstoffzellen- oder Gas-Autos. Seltsamerweise lässt die CO2-Verminderungs-Strategie jegliches Vertrauen in die Diesel-Technologie vermissen, obwohl mit ihr viel Kraftstoff eingespart werden könnte, wie man vor allem in Europa argumentiert. In Kalifornien dagegen sorgen NOX-Standards (Russ zählt zu den Haupt-Smogverursachern) und strengere Partikel-Regulierungen dafür, dass Hersteller von Diesel-Autos technisch anspruchsvollere und damit teurere Lösungen finden müssen, was einer grösseren Verbreitung im Wege steht. Diesel- und Benzin-Automobile werden wir in Zukunft also seltener sehen – dafür mehr Elektro-, Gas- und Hydrogenzellen-Fahrzeuge. Was auch immer geschieht: Der kalifornische Traum wird ein kostspieliger sein.

Bis bald, Matt

Matt DeLorenzo, Jahrgang

1953, ist Chefredaktor der traditionsreichen US-Automobilfachzeitschrift «Road & Track».


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K

ompakte, beinahe schon filigrane Triebwerke mit weniger als vier Zylindern kommen nach Jahrzehnten der Geringschätzung wieder gross in Mode im Automobilbau. Das geschieht jedoch nicht ganz freiwillig, sondern weil der Gesetzgeber diese Entwicklung per Ultimatum erzwingt: Künftige Verbrauchsnormen beziehungsweise die mit ihnen verknüpfte europäische C02-Gesetzgebung sind ohne ultimativ sparsame und saubere Triebwerke ganz einfach nicht erreichbar. 036 VECTURA #3

Während in Europa der je nach Wagengrösse mit genügend Hubraum dotierte Vierzylinder für kleine und mittlere Fahrzeuge während Jahrzehnten das Mass aller Dinge war, strebte beispielsweise der amerikanische Automobilbau lange zu Höherem. Nach dem vierzylindrigen Ford Model T machte zuerst der Reihensechszylinder Furore, bevor ab den fünfziger Jahren ein Achtender den US-motorischen Status quo markierte. Erst die Energiekrisen von 1973 und '79 führten in den Staaten zum so


2 DOWNSIZING

MINIMAL-MOTORISIERUNG

Zweizylindermotoren fanden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in das Automobil, zum Beispiel bei Opel oder Skoda. Als 1948 schliesslich der Citroën 2CV vorgestellt wurde, reichten noch 9 PS aus 375 cm3 Hubraum, um die Fuhre auf 65 km/h zu beschleunigen. Im Laufe seines langen Lebens wuchs der Hubraum dieses hier abgebildeten luftgekühlten Zweizylinder-Boxer bis 1990 in mehreren Schritten auf zuletzt 652 cm3 und 34 PS. Ein ähnlicher Motor mit 610 cm3 und zunächst 24 und dann 40 PS war bereits zwischen 1945 und '54 von Panhard verwendet worden. Auch der 1957 präsentierte Fiat Cinquecento wurde anfänglich von einem luftgekühlten Zweizylinder-Reihenmotor mit nicht mal einem halben Liter Hubraum befeuert. Trotzdem leistete er 13 PS, wenngleich ein findiger Carlo Abarth mehr als das Doppelte herauszukitzeln verstand. Im zweitürigen BMW 700 (1959–1965) tat ein bis 40 PS starker Motorrad-Boxer Dienst. Nicht zuletzt bei japanischen Kleinwagen der 60er-Jahre (Daihatsu, Honda, Mitsubishi, Subaru, Suzuki oder Toyota) kamen einige Reihen-Twins mit ähnlichen Leistungsdaten zum Einsatz, bevor man dort einen Topf hinzufügte: Ohne weitere Zylinder gab es damals einfach keine technischen Möglichkeiten, um mehr Power zu generieren. Mit dem 35 cm kurzen, 875 cm3 grossen und 85 PS starken TwinAir-Triebwerk, das der Fiat-Konzern sowohl im Fiat 500 als auch im Alfa Romeo Mito und Lancia Ypsilon verwendet, erlebt der Zweizylinder in Europa ein Comeback. Eine Stopp-Start-Automatik ist Serie. Das «Air» in der Namensbezeichnung bezieht sich auf eine elektrohydraulisch-variable Ventilsteuerung, die ohne Einlass-Nockenwelle auskommt: Das verbessert den Wirkungsgrad, und der betriebene Aufwand macht sich an der Zapfsäule bezahlt. Durchschnittsverbrauch im Fiat 500: 4,1 Liter – für Benziner ist das eine kleine Revolution. Weitere Twin-Air-Versionen sollen schon in Kürze folgen.

genannten «down-sizing» – Fahrzeuge schrumpften zum Teil erheblich und in der Folge gab es wieder vermehrt Sechs- oder Vierzylinderaggregate. Ähnliches geschieht jetzt in kleinerem Ausmass in «Old Europe» und es darf davon ausgegangen werden, dass diese Entwicklung bald auch andere Länder und Erdteile erreichen wird. Das Umdenken in den Führungsetagen der internationalen Automobilindustrie hat schon längst eingesetzt. Erste Ergebnisse des neuen Motor-Mainstream liegen vor und können nicht mehr nur auf Ausstellungen, sondern inzwischen auch beim Autohändler besichtigt werden. Drei Töpfe genügen Neben hubraumschwachen, aber aufgeladenen Vierzylindern, die im Extremfall sogar mit einer Kombination aus Kompressor und Turbolader aufgerüstet werden, feiert

neuerdings der Dreizylinder eine ungeahnte Renaissance. Zuletzt fristete diese Spezies ein liebloses Schattendasein, drückte sie doch meist kleinseriellen Öko-Mobilen mit unverkennbarem Stakkato den akustischen «Armut»-Stempel auf. Zu lange war es her, dass DKW ab den Fünfzigern mit seinem intelligenten 3=6 auch die Herzen von Sportfahrern erobert hatte! 3=6 hiess das Modell übrigens, weil sein Dreizylinder-Zweitakter mit exakt derselben Zündkadenz arbeitete wie ein feudaler Sechszylinder-Viertaktmotor. Dem Viertakt-Dreizylinder verhalfen bei uns ab Ende 70er-Jahre japanische Häuser wie Daihatsu und Suzuki zum Durchbruch, während europäische Hersteller den damit einhergehenden «Billig»-Status noch längere Zeit meiden sollten. In unseren Breitengraden wurde nun mal der Vierzylinder favorisiert, wenn auch mit geringeren Hubräumen als beispielsweise in den Drehmoment-verwöhnten USA. SOMMER 2012 037


DOWNSIZING

3

ALLER GUTEN DINGE SIND DREI

Das hier freiliegende Herz des DKW 3=6 schlug von 1955 bis '59 im Zweitakt – und lieferte dabei 40 PS sowie knapp 75 Nm aus nur 900 Kubikzentimeter Hubraum. Mit 7,5:1 moderat verdichtet, benötigte der Motor in dem nicht mal eine Tonne schweren Auto über zehn Liter Sprit.

Weniger Gewicht und Reibung: Zu DKW-Zeiten war das kaum interessant. Heute sind das besonders attraktive Eigenschaften, denn sie stehen für geringeren Verbrauch – und nebenbei auch für eine günstigere Produktion. Den vergleichsweise lauteren Lauf kriegen die Hersteller mit Ausgleichswellen in den Griff. Suzuki ist dem Dreisatz schon seit Jahrzehnten treu und stellt ihn seit dem Jahr 2000 auch Opel zur Verfügung. Smart ist mit Benzin und Diesel seit 1998 dabei, während Volkswagen seit 1999 und die Konzernschwestern Seat und Skoda seit 2002 mit Dreizylindern unterwegs sind (Diesel gibt es seit 2009). Nissan hat für den Micra kürzlich einen weiteren Dreitopf-Benziner mit 1,2 L Hubraum (mit Auslassventilsteuerung nach MillerPrinzip) ins Programm aufgenommen. Daihatsu ist schon lange mit drei Kolben unterwegs, Mitsubishi und Subaru sind es inzwischen auch. Toyota verbaut in den Kleinwagen Aygo, iQ und Yaris längst den modifizierten Daihatsu-EinliterDreizylinder, der auch bei den Kooperations-Partnern Citroën (C1) Peugeot (107) zu haben ist. Dass der Kleinwagenmarkt aktuell boomt, verleiht dem Trend zusätzlichen Schwung. Mit dem Ford Focus stösst der hier zu sehende, hochmoderne Ecoboost-Dreizylinder mit Stopp-Start-System jetzt in die Kompaktklasse vor. Sein weiterer Aufstieg ist beschlossene Sache, dann vielleicht als Hybrid in Kombination mit einem Elektromotor.

Selbst zwei sind genug In Italien, Frankreich, England, Deutschland und anderen europäischen Staaten hat es neben den «ungeraden» und sehr exotischen Dreizylindern bereits mehrere mit viel Akribie entwickelte Zweizylinder gegeben. Diese Motoren entstanden nicht zuletzt aus Kostengründen; wir erinnern uns an den Fiat Nuova 500, den Citroën 2CV oder einen Gutbrod Superior (als 700E sogar mit direkter Benzineinspritzung), um nur einige zu nennen. Jetzt feiert das Doppelpack in Form einer Twin-Air genannten 875-Kubikzentimeter-Maschine bei Fiat sein Comeback. Wenn schon, denn schon, müssen sich die Verantwortlichen beim Ab-segnen dieser Radikallösung gesagt haben, doch der sparsame Zwilling ist keine Spassbremse, sondern überrascht nicht zuletzt mit Temperament. Auch der indische Hersteller Tata setzt bei seinem 2008 vorgestellten Discount-Modell Nano auf zwei Zylinder. 038 VECTURA #3

Ob mit zwei, drei oder auch vier Zylindern – die brandneu konstruierten Motoren von Fiat bzw. Ford, Hyundai und Kia, Mitsubishi, Nissan, Opel, PSA (Peugeot-Citroën), Smart, Suzuki, Toyota und VW-Konzern markieren in puncto Effizienz den aktuellen Stand der Technik. An feinen Zutaten wird dabei nicht gespart: Die kurzen, schmalen und hoch bauenden Maschinen kommen teilweise sogar mit Doppelaufladung und Intercooler daher. Vier Ventile pro Zylinder sind natürlich die Regel, also auch zwei oben liegende Nockenwellen inklusive verstellbarer Ventil-Steuerzeiten auf der Ein- und Auslassseite. Was den Antrieb der Nockenwellen betrifft, wird bei den jüngsten Aggregaten kaum noch der dauerhaften Kette, sondern dem Zahnriemen vertraut, obwohl er in regelmässigen Abständen zu erneuern ist. Lange Wartungsintervalle sollen diesen Nachteil wieder wettmachen. Für die Zylinderköpfe gilt inzwischen durchgängig Alu-Bauweise, während der Motorblock


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4 DER MILLIARDÄR

Vierzylinder sind bis heute die weltweit am häufigsten verbauten Automobilmotoren. Im Bild der zierliche FW-Aluminium-Benziner (Feather Weight) von Coventry Climax, der seine Karriere 1950 als mobiles Einliter-Feuerspritzentriebwerk mit 38 PS begann, bevor er mit Hubräumen von 1,2 oder 1,5 Liter und bis zu ca. 150 PS stark in siegreichen Rennsportwagen von Kieft, Lotus, Cooper und TVR Karriere machte. Unvergessen auch die herrlichen Doppelnockenwellen-Aggregate von Alfa Romeo, die mit Hubräumen von 1300 bis 2000 cm3 ab den 50er-Jahren die Konkurrenz mit sechs und mehr Zylindern aufmischten. Bis zu etwa drei Liter Hubraum haben Serien-Vierzylinder in der Vergangenheit aufgewiesen. Der Trend geht nun wieder zu kleineren Kapazitäten, weil nur mit ihnen die gesetzlich geforderten niedrigeren Emissionen möglich sind. Die technologische Spitze unter den kleinen Vierzylinder-Benzinern markiert derzeit ein neuer 1,4-L-TSI von VW, der EA211 (Foto): Die Maschine, die dank Kurbelgehäuse aus Aluminium-Druckguss nur 112 kg wiegt (Vorgänger EA111: 134 kg), leistet 140 PS sowie 250 Nm und bietet dabei einen Durchschnittsverbrauch von ca. 4,7 L (mit DSG: 4,5 L). Der besondere Clou ist eine Zylinderabschaltung, welche die kommende EU6-Abgasnorm spielend erfüllen kann und von VW als erstem Hersteller bei einem aufgeladenen Vierzylinder aus der Grossserie eingesetzt wird. Dank ausgeglichener Balance läuft der reibungsarme Motor auch mit nur zwei Zylindern sehr leise und vibrationsarm. Das TSI-Brennverfahren (die Benzin-Direkteinspritzung agiert durch 5-Loch-Düsen mit bis zu 200 bar, dazu kommt Single-Scroll-Turboaufladung) macht die Technologie der Zylinderabschaltung in der heutigen Form erst möglich, weil es Komplikationen beim Gaswechsel ausräumt, die bei Saugrohreinspritzern auftreten würden. Der innovative EA211 wird ab August dieses Jahres im Polo, ab November im Golf der siebten Generation und später auch in anderen Baureihen verwendet.

mal in Leichtmetall (Gewicht) oder Grauguss (Kosten) gefertigt wird. Benzineinspritzung ist natürlich auch ein Muss, teilweise ist sie direkt. Für die gewünschte Laufruhe – besonders beim Zweizylinder – sorgt entweder eine Schwingungsausgleichswelle oder etwa das Schwungrad mit entsprechender Unwucht. Kurz: Der simpel aufgebaute, millionenfach produzierte Viertopf-Volumenmotor mit Einfachvergaser und Choke ist längst Geschichte. Die kommenden Normen sind nur mit komplexer Technik und noch mehr Elektronik zu schaffen. Bis in die Mittelklasse Kleine Motoren wie die neuen Dreizylinder sind vorwiegend für Autos bis circa vier Meter Länge vorgesehen. Der Anwendungsbereich dürfte aber schon bald höhere Fahrzeugklassen erreichen, wie der neue Einliter-Turbo-Ecoboost von Ford demonstriert: Mit 100 oder 125 PS wird er zwar zuerst im 040 VECTURA #3

kompakten Focus verbaut. Das Drehmomentangebot von 170 bis 200 Nm entspricht allerdings auch bisherigen 1,8- oder ZweiliterMotoren, die unter anderem im Mondeo zum Einsatz kommen.

Alternativ kombiniert Aufgrund ihrer kompakten Bauweise eignen sich moderne Zwei- und Dreizylinder auch exzellent für eine Hybridisierung des Antriebs. In Kombination mit einem drehmomentstarken E-Motor ergibt sich eine ideale Kraftquelle, die die Vorteile von Verbrennungsmaschine und Elektropower optimal nutzt – besonders dann, wenn eines der sich weiter verbreitenden Plug-in-Systeme mit per Steckdose aufladbaren Batterien installiert ist. Und als Range Extender für Elektroautos eignen sich natürlich auch Einzylindermotoren. Die neuen Sparwunder haben also eine grosse Zukunft vor sich. Jetzt muss sie der Autokäufer nur noch goutieren. Die Politik dürfte dafür Sorge tragen, dass er es tut.


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MASCHINENBAU

UNERMÜDLICHE MOTORENTÜFTLER GIBT ES HEUTE NOCH REVOLUTIONÄRE ERFINDUNGEN? DIE THEMATIK IST KOMPLEX. WIR WAGEN DEN DETAILLIERTEN EINBLICK Text Christian Bartsch · Grafik Werk

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u allen Zeiten haben sich unzählige Erfinder bemüht, neue und grundsätzlich andere Motoren zu entwickeln, mit denen sie die etablierte Motorenwelt aus den Angeln heben wollten. Bisher ist es ihnen nicht gelungen. Selbst der Wankel, der es bei NSU und Mazda bis in die Serienfertigung schaffte, vermochte den konventionellen Verbrennungsmotor nicht zu verdrängen. Dennoch ist die Szene auch heute noch äusserst bunt. Lassen Sie uns zusammen einen Blick in die Welt der Erfindungen werfen. Durch die Auflösung der DDR im Jahr 1989 verschwanden die letzten beiden Zweitaktmotoren in Trabant und Wartburg aus dem Automobilbau. Sie wären auch verschwunden, wenn die DDR noch einige Jahre dahinvegetiert hätte, denn anstelle der Zweitakter sollten Vierzylinder-Viertaktmotoren von VW in beide Wagen eingebaut werden. Sie hätten die Ostzonenautos jedoch nicht retten können, denen die Zeit längst davongelaufen war. Planwirtschaft war schon immer Mangelwirtschaft, die noch nie auf Realität und Fortschrittswillen Rücksicht nahm. Mit Trabant und Wartburg verschwand die bläuliche Ölfahne aus dem Strassenbild, die ein Wahrzeichen jahrzehntelang versäumter Weiterentwicklung war. Im Westen war der Zweitakter bereits fast 30 Jahre früher mit dem DKW F 102 zu Grabe getragen worden. Man hatte ihn nach der Übernahme der Auto Union von VW durch einen sogenannten Viertakt-«Mitteldruck»-Motor ersetzt, der sich aber als nicht praxistauglich erwies und seinerseits einem konventionellen Motor Platz machen musste. Das Grundübel des Zweitaktmotors war nicht etwa die Zündung bei jeder Kurbelwellenumdrehung, sondern die fehlende Erforschung der in ihm ablaufenden Vorgänge. Einen einigermassen ordentlichen Viertaktmotor mit seinen sauber voneinander getrennten vier Takten zu bauen, war trotz der höheren Teilezahl viel einfacher. Der Reiz des Zweitakters war seine extreme Einfachheit aus «nur drei bewegten Teilen», nämlich Kolben, Pleuel und Kurbelwelle. Er lebte von den Gasschwingungen im Auspuff. Als sich diese Erkenntnis durchsetzte, enteilte er zu ungeheuren Leistungen bei Motorrad-Rennmotoren, bis die Maschinen nicht mehr fahrbar waren. Dennoch ist die Zweitaktidee nicht gestorben. Normalerweise ist der Kolben eines Verbrennungsmotors durch ein Pleuel mit der Kurbelwelle verbunden, um die senkrechte Bewegung des Kolbens in eine Drehbewegung zu verwandeln. Der Konstrukteur Reinhold Ficht führt aktuell zwei gegenüberliegende Kolben durch runde Kolbenstangen, die in der Mitte durch einen rechteckigen Rahmen verbunden werden, die 042 VECTURA #3

«Kurbelschlaufe». Das ist ein «unechter» Boxer mit einer Zündfolge von 180 Grad. Zündet ein Kolben, befindet sich der andere im unteren Totpunkt. Im rechteckigen Rahmen aber läuft ein Gleitstein auf und ab, der in der Mitte eine Bohrung für den Hubzapfen der Kurbelwelle hat. Die Räume unter den Kolben werden durch Abdichtungen der runden Kolbenstangen gegen Öl aus dem Kurbelgehäuse abgeschirmt, so dass der Schmierstoff nicht in den Brennraum gelangen und dort verbrennen kann. Da keine verbrannten Gase ins Kurbelgehäuse eindringen können, verlängert sich die Standzeit des Motorenöls gegenüber konventionellen Motoren um ein Vielfaches. Wie bei Zweitaktern üblich, sind die Auslassschlitze höher als die Spülschlitze. Derzeit geht noch ein Teil der Frischluft in den Auspuff verloren, doch das will Ficht künftig durch Auslassdrehschieber verhindern. Ein solcher konstant drehender Motor würde sich ganz besonders für stationären Betrieb mit Gas zum Antrieb eines Generators eignen. Ficht arbeitet aber daran, seinen Motor universell einsetzbar zu machen, zum Beispiel als RangeExtender in einem Elektroauto. Mit dem Prinzip des Zweitakt-Gegenkolbenmotors ist der Name Hugo Junkers untrennbar verbunden. Als Diesel-Flugmotor erwarb er sich durch seine extreme Sparsamkeit und hohe Zuverlässigkeit einen legendären Ruf. Darum gab es eine Reihe von Firmen im In- und Ausland, die ebenfalls Gegenkolbenmotoren entwickelten. Bis in unsere Zeit hat sich jedoch lediglich ein russischer Panzermotor gehalten. Wir wissen nicht, ob er noch gebaut wird. Seit einigen Jahren beschäftigt sich der in den USA lebende Motorenspezialist Peter Hofbauer mit dem Gegenkolben-Zweitakter und entwickelte daraus einen Nutzfahrzeugantrieb. Die in den letzten Monaten durchgeführten Messungen brachten gute Werte und der Motor hat tatsächlich realistische Aussichten, serienmässig gebaut zu werden.


Das Prinzip: In einem relativ langen Zylinder arbeiten zwei Kolben, die aufeinander zulaufen und nach der Zündung in ihre äusseren Totpunkte zurückkehren. Einer der Kolben eilt dem anderen Kolben etwas voraus. Er öffnet die Auslassschlitze, bevor der andere Kolben die Spülschlitze freigibt, und schliesst sie wieder, wenn der andere Kolben die Spülschlitze noch geöffnet hat. Das ist der wesentliche Grund, warum der Gegenkolben-Zweitakter einen guten Wirkungsgrad hat. Auch der Hofbauer-Motor ist ein Diesel, der allerdings gegenüber dem Junkers nur eine zentrale Kurbelwelle besitzt, die durch die Boxerbauweise gleich zwei Zylinderreihen bedient.

Der Scuderi-Motor ist so aufwendig geworden, dass er kaum einen Fahrzeughersteller begeistern wird Auch der neuartige Scuderi-Motor ist ein Zweitakter, der eine besonders hohe Leistung abgeben soll. Allerdings ist er so aufwendig geworden, dass er kaum einen Motorenhersteller begeistern wird. Er besitzt neben dem Arbeitszylinder einen zweiten Ladepumpenzylinder, der die Luft ansaugt und dann in den Arbeitszylinder presst. Zusätzlich hat er einen Abgasturbolader, der die dem Arbeitszylinder zugeführte Luftmenge vergrössern soll. Die verschiedenen Luftströme werden beim Scuderi nicht durch Schlitze, sondern durch Ventile gesteuert. Wenn wir richtig gezählt haben, verfügt jeder Arbeitszylinder über sieben Ventile, die nach einem vorbestimmten System geöffnet und geschlossen werden. Das ist ganz sicher ein interessanter Motor – aber wie man bei konventionellen Motoren zusätzliche Leistung generiert, weiss man längst. Audi und Peugeot haben bewiesen, dass man selbst mit dem Diesel sehr erfolgreich Rennen gegen die OttomotorKonkurrenz fahren und gewinnen kann. Einen ganz anderen Weg beschritt der Erfinder und Fabrikant Herbert Hüttlin. Sein Ziel war es, einen extrem kompakten Motor zu entwickeln, der zusammen mit einem Generator aus einem Stück besteht. Bei ihm laufen die Kolben auf Kreisbahnen in einem kugelförmigen «Zylinderraum». Der Hüttlin-Kugelmotor arbeitet nach dem Viertaktprinzip, hat aber keine Ventile, sondern Schlitze für den Gaswechsel. Durch die Einheit von Triebwerk und Generator eignet sich der Kugelmotor in vereinfachter Form auch als Kompressor zur Erzeugung von Druckluft für industrielle Anwendungen: Nach unseren Informationen besteht an einem solchen Kompressor lebhaftes Interesse. Es kann also durchaus sein, dass die als Motor gedachte Konstruktion die Einführung in die Serienproduktion zunächst als Kompressor erlebt. Neben den genannten Beispielen gibt es noch zahllose andere Wege. Aus Frankreich kommt die Kunde von einem Motor, bei dem sich während des Betriebes die Verdichtung verändern lässt. Dazu ist zwischen Kurbelwelle und Kolben ein zusätzliches Hebelwerk mit zahlreichen Lagerstellen notwendig. Saab hat sich vor Jahren ebenfalls daran versucht, ebenso viele weitere Erfinder. Oh ja, sowas lässt sich machen. Aber von den vielen ähnlichen Vorschlägen der Vergangenheit hat es nicht einer bis zur Serienferti-

gung geschafft. Selbst Ford versuchte sich an einem Motor mit verstellbarer Verdichtung, der genau wie alle anderen Entwürfe für die Serienfertigung ungeeignet war, weil einfach viel zu teuer und kompliziert. Das trifft auch auf den französischen VSR-Motor zu, mit dem immerhin bewiesen wurde, was man mit einem solchen System erreichen kann. Ähnliche Versuche fanden aber auch an anderen Stellen statt. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass einer davon je serienmässig gebaut wird. Moderne aufgeladene Motoren erreichen eine Änderung der Verdichtung auf viel einfachere Weise, nämlich über den Ladedruck. Zudem gibt es weitere, relativ einfache Möglichkeiten zur Änderung der Verdichtung, von denen wir künftig mehr hören werden. Heute existiert im Automobilbereich kein Diesel mehr ohne Abgasturbolader und Ladeluftkühler. Der Ottomotor geht den gleichen Weg. Auch hier verschwindet der Sauger und wird durch aufgeladene Aggregate ersetzt. Eines Tages werden Otto- und Dieselmotor miteinander verschmelzen und eine neue Triebwerkgeneration bilden, die noch sparsamer und schadstoffärmer ist als heutige Aggregate. Rotationskolbenmotoren hatten zur Blütezeit des Wankel Hochkonjunktur. Sogar ein «Eintaktmotor» wurde vorgeschlagen, bei dem zwei Walzen ineinander griffen. Selbst Einventilmotoren kamen auf und solche, bei denen der Kolben über zwei Pleuel auf zwei Kurbelwellen wirkt. Nicht zuletzt wurde versucht, mit der Gasturbine den Kolbenmotor zu ersetzen; in solche Experimente investierte man viel Geld. Versuchsmotoren wurden gebaut und auch zum Laufen gebracht. Doch das allein sagt noch nichts über die Qualität des Motors aus. Die serielle Anwendung kam nie. Jede neue Motorenidee muss sich gegenüber konventionellen Triebwerken durchsetzen. Das ist extrem schwierig, denn jeder neue Motor muss sparsamer sein, weniger Schadstoffe im Abgas enthalten, leichter und leistungsfähiger werden – und er muss sich zu geringeren Kosten herstellen lassen. Nicht zuletzt soll er im Auto eine Lebensdauer von mindestens 250 000 Kilometer erreichen. Für jeden Neuling sind das nahezu unübersteigbare Hürden. Dazu kommen die im Autoalltag unabdingbaren Fähigkeiten wie sicherer Kaltstart im Winter oder ein unproblematischer Umgang zum Beispiel bei weniger versierten Fahrern. Zehntausende kompetenter Motoreningenieure arbeiten weltweit Tag für Tag daran, die Motoren stetig zu verbessern. Neue Fertigungseinrichtungen werden entwickelt, um noch höhere Qualität zu erreichen und trotzdem Kosten zu sparen. Den einfachen Motor, den man am Wochenende eben mal im Hinterhof ausbauen konnte, um defekte Teile zu ersetzen, gibt es längst nicht mehr. Einen Versuchsmotor zum Laufen zu bringen, ist wie schon erwähnt etwas völlig anderes, als für die Zuverlässigkeit einer grossen Stückzahl zu garantieren. Wer eine Million Motoren oder mehr baut, hütet sich vor Experimenten, deren Ergebnisse nicht vorhersehbar sind. Schon wenig erprobte Detaillösungen können verheerenden Schaden anrichten, wenn sie versagen. Beispiele dafür gibt es genug. Dennoch steckt in den meisten neuen Ideen das eine oder andere Fünkchen Hoffnung, dem nachzugehen sich lohnt. Und darum wird es auch weiterhin konstruktive Versuche geben, Motoren sparsamer zu machen. Leider enden diese Anstrengungen selten im Motorraum, sondern überwiegend im Kuriositätenkabinett. SOMMER 2012 043


RÜCKSPIEGEL

KURZ & GUT NICHT GLÄNZENDE PRUNK-KAROSSEN, SONDERN PRAGMATISCHE KLEINWAGEN HABEN EINST DIE MASSENMOBILISIERUNG ERMÖGLICHT. VECTURA BLÄTTERT DURCH DIE VIELFÄLTIGE MODELLGESCHICHTE DIESER FAHRZEUGGATTUNG Text Roger Gloor · Fotos Archiv Gloor, Archiv Görg, Werk

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Der aufblühende Automobilhandel verlangte zusehends auch nach Motorwagen für Selbstfahrer

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leine Autos, einst als Fortbewegungsmittel des kleinen Mannes belächelt, sind heute beliebter denn je. Zu den Anfängen des Automobils war es genau umgekehrt: Weil sich ohnehin nur Gutbetuchte eine «motorisierte Kutsche» leisten konnten, spielten kompakte Modelle bloss eine Aussenseiterrolle. Zugegeben, die allerersten für den Privatgebrauch gedachten Automobile waren noch recht klein, sowohl die ab 1883 kommerzialisierten Dampfmobile von De Dion-Bouton wie die ab 1886 konstruierten Fuhrwerke mit Verbrennungsmotor von Karl Benz. Sie galten zunächst bloss als Spielzeuge der Hautevolee, und selbst reiche Adepten moderner Technik setzten sie denn noch kaum als Alternative zu Pferdewagen ein, mit denen man zuverlässig von A nach B reisen konnte. Erst um die Jahrhundertwende erwies sich eine Fahrt per Automobil auch für das Anpeilen ferner Ziele als zweckmässig. Damit ein «pferdeloser Wagen» hinsichtlich Komfort mit traditionellen, geschlossenen Kutschen mithalten konnte, mussten die Automobilhersteller zusehends grössere und stärkere Fahrgestelle und Motoren bereitstellen. Gleichzeitig transferierten Karosseriefirmen ihr Können und Wissen vom Kutschenbau auf das neue Verkehrsmittel, welches statt von einem Kutscher nun per «Chauffeur» gesteuert wurde. Immer mehr Selbstfahrer Parallel zu motorisierten Luxusgefährten verlangte der aufblühende Automobilhandel zusehends auch nach Motorwagen für Selbstfahrer. Diesen genügten mitunter bloss zwei Sitze und ein Notverdeck. Das niedrigere Gewicht solcher Modelle verhalf zu verbesserter Handlichkeit und höheren Fahrgeschwindigkeiten. Klar, dass damit auch mehr Fahrspass aufkam. Gleichzeitig erkannten die Automobilhersteller in solchen Leichtbauwagen das Potential rennsportlicher Einsätze und damit ultimativer Werbemöglichkeit. Unter dem Druck der rasch wachsenden Konkurrenz entstanden dem Prestige dienende Rennzweisitzer mit bis zu 20 Liter Hubraum. Solche weitgehend karosseriefreien Boliden kamen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in spektakulären, von den Publikumsmassen applaudierten Monsterrennen von Stadt zu Stadt zum Einsatz …

Zweimal Peugeot: links der von Ettore Bugatti konstruierte Bébé Typ BP1 (4 Zyl., 855 cm3, 10 PS, Bj. 1912); oben ein 1921er Typ 161 «Quadrilette» mit gleich starkem Antrieb und Tandem-Bestuhlung

Perfektes Kleinauto – und zudem Symbol für die Motorisierung der Frau: Citroën 5 CV (4 Zylinder, 856 cm3, Jahrgang 1921)

Zunehmend erschwinglich Auch nach der Jahrhundertwende blieb das Automobil ein Privileg der Oberschicht, sprich Adel und Industrielle. Und es war gerade die industrielle «Serienherstellung» – wenn auch noch längst ohne Fliessband –, die das Motorfahrzeug allmählich auch für kleinere Unternehmer und vermögende Private erschwinglich machte. Die zunehmend breiter werdende Modellpalette der grossen Hersteller wuchs am unteren Ende entsprechend stark. SOMMER 2012 045


Ein Zylinder und 502 cm3, etwas Blech und zwei Sitze – fertig war 1925 der Hanomag 2/10 PS. Im Volksmund hiess er schnell «Kommissbrot». Das offene Minimal-Mobil war immerhin für 60 Stundenkilometer gut und wurde bis 1928 knapp 16 000 Mal hergestellt

Findige Konstrukteure entwickelten zudem Ideen, um das Auto durch technische Vereinfachung oder neue Konzepte einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Preisgünstige automobile Winzlinge kamen aber nur zu dauerhaftem Erfolg, wenn sie dem inzwischen in der Volksseele verankerten Bild eines «richtigen Autos» entsprachen. Diese Regel sollte sich im weiteren Verlauf der Automobilgeschichte als eine Richtschnur für Klein- und Kleinstfahrzeuge erweisen. Geniale Konstruktionen wie der Volkswagen «Käfer» oder der Citroën «Döschwo» waren dagegen bereits ausgewachsene Autos und auch in einem «normalen» Preisbereich angesiedelt. Minimalismus Der in Frankreich ab 1895 für Kleinwagen eingeführte Begriff Voiturette (Wägelchen) fand als Modell- und Kategorienbezeichnung internationale Verbreitung. Manche dieser besonders preisgünstigen Automobile waren bloss dreirädrig, aber erst mit vier Rädern fanden sie grösseren Absatz. Es gab, später auf bis zu 1500 cm3 erweitert, auch Rennen für diese Fahrzeugkategorie. Noch kleiner waren die 1912 eingeführten Cyclecars («Fahrradautos»), die den Übergang vom Motorrad zum Automobil markierten. Mit Sonderbestimmungen für diese Kategorie löste Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg die eigentliche Motorisierungswelle aus: Bei höchstens 350 kg Leergewicht und unter 1100 cm3 Hubraum waren bloss noch 100 Francs Jahressteuer zu entrichten. Dies rief eine Reihe neuer Hersteller auf den Plan – es waren Kleinunternehmen, die sogar ihre Motoren zukauften. Wichtigster 046 VECTURA #3

Lieferant dieser meist auf einen Zylinder beschränkten Antriebsaggregate war De Dion-Bouton. Natürlich sorgten auch in jener kleinsten Wagenklasse entsprechende Renneinsätze für Prestige und Marktkonkurrenz. Weil aber die Grossserienhersteller weit konkurrenzfähiger waren, vermochten sie Anfang der Zwanzigerjahre die teils skurril anmutenden Cyclecars mit neuen, noch preiswerteren Kleinautos aus dem Markt zu drängen. Dazu zählten der Citroën 5 CV, der Peugeot Quadrilette, ebenso der Opel Laubfrosch, ein Austin Seven oder auch die europäischen Verkleinerungen des bereits legendären Ford-T-Modells. Sach- und Staatszwänge Nebst staatlich gesetzten Limiten ebneten zwischenzeitlich auch finanzielle Gegebenheiten den Weg zu Klein- und Kleinstautos. Zwar hatte die Wirtschaftskrise von Anfang der Dreissigerjahre die Automobilindustrie stark eingebremst. Manche Marken stellten auf die Herstellung von preisgünstigeren Modellen um und etliche gingen unter. Aber es wurde keine eigentliche Kleinauto-Welle ausgelöst. Erst die Mangelwirtschaft der Nachkriegszeit löste eine neue Kleinstauto-Welle aus. So bot in Frankreich die mit einem staatlichen Fünfjahresplan regulierte Rohmaterialzuteilung Chancen für eine neue Kategorie schwach motorisierter «Motocars». Analog dazu sorgten beispielsweise in Spanien Importbeschränkungen und Produktionsvorschriften für einen Höhenflug von Kleinstautomobilen.


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Bonsai-Roadster: BMW 3/15 PS DA 3 Wartburg (1929–`32) – ein Erbe des Dixie, welcher ein Lizenznachbau des Austin Seven gewesen ist

Der ab 1936 gebaute Fiat Topolino (Mäuschen) war schon ein vollwertiges Automobil: hier der 500B von 1948 (4 Zyl., 570 cm3, 16,5 PS)

Einfache, stabile Technik sollte sich durchsetzen. Ausgefallene Konzepte hatten dagegen nur beschränkt Erfolg

Drei Meter Länge und 16 Zweitakt-PS: der 1958 lancierte, bis 1970 gebaute Subaru 360 gilt als früher Vertreter japanischer Kei-Cars

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Damals Volksmodell, heute ein Klassiker: Der ab 1958 gebaute, keine drei Meter kurze Fiat Nuova 500 mit 13,5 PS aus luftgekühlten 479 cm3 und zwei Zylindern bewies Dolomiten-Tauglichkeit. Bis 1977 entstanden über 3,7 Millionen Exemplare

Das BMW 700 Coupé mit Michelotti-Karosserie war rassige 354 cm lang und kam 1959 zunächst mit einem 30-PS-Zweizylinder-Motorrad-Boxermotor daher. Ein Mini darf in diesem Beitrag nicht fehlen: Der 305-cm-Brite (1959–2000) gilt als genialster Kleinwagen und fuhr ursprünglich mit 33,5 PS; später gewann er sogar Rallyes. Im Bild die frühe Morris-XXL-Version namens Traveller

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Deutschland aber erlebte seine erstaunliche Kabinenrollerzeit. Diese innovativen drei- oder vierrädrigen Konstruktionen zwischen Motorrad und Auto erfüllten den Traum von der Fahrt unter Dach zu zweit oder gar mit den Kindern. Weil es aber keine gesetzlichen Grössenlimiten gab, entwickelten andere, teils ebenfalls neue Hersteller vollwertige Kleinautomobile, die es zu beachtlicher Blüte brachten, bevor sich der VW Käfer endgültig durchzusetzen begann. Quadricycles und Microcars Was früher die erwähnten Cycleund Motocars waren, das sind heute für Frankreich die Quadricycles: Kleinstautomobile, die seit vielen Jahrzehnten einen eigenen Industriezweig ernähren und auch für einigen Exporterfolg sorgen. Sie unterliegen Vorschriften hinsichtlich Gewicht und Motorisierung, dürfen in der Regel maximal 45 km/h schnell fahren und richten sich vorwiegend an eine ganz bestimmte Kundschaft: Personen nämlich, die sich keiner vollumfänglichen Fahrprüfung unterziehen lassen wollen oder können. Preislich sind diese niedlichen Wägelchen gegenüber den Kleinmodellen der etablierten Automobilindustrie natürlich nicht konkurrenzfähig.

Karrieretyp: Der erste Honda Civic mass 1972 noch 340 cm und holte 54 PS aus 1200 Kubik. Frontantrieb, über eine Million Exemplare

Fiat 127, Baujahr 1971–87: Der schlichte Italiener (0,9 L Hubraum, ab 45 PS) wird heute wieder neu entdeckt; frühe Versionen sind selten

Ebenfalls einen Sonderfall verkörpern Japans Micro- oder KeiCars, die inzwischen auch schon auf einer jahrzehntelangen Tradition beruhen. Ihre Existenz verdanken sie staatlich verfügten Beschränkungen bezüglich Abmessungen und Motorgrösse und den damit bewirkten Steuer- und Parkierprivilegien. Immerhin hat Japans Autobranche aus diesen Winzlingen auch exportfähige Kleinstautos abgeleitet, die sich durch Wendigkeit und Leistungsfähigkeit auszeichnen. Marktsegment A Wo liegt die Grenze zwischen Klein- und Kleinstauto? Hier existiert keine genaue Definition. Doch es gibt die nach den Buchstaben des Alphabets aufgebaute Einteilung des Automobilmarkts. Danach zählen Kompaktmodelle wie VW Golf, Opel Astra, Ford Focus, Renault Mégane oder Toyota Auris zum Segment C, während Polo, Corsa, Fiesta, Clio und Yaris das B-Segment verkörpern. Alles, was grössenmässig darunterliegt, gehört zum Segment A, also Alto, Agila, Aygo, Ka, Twingo oder Up. Paradoxerweise werden noch einige Modelle zum A-Segment gerechnet, die inzwischen stark gewachsen sind – etwa der nebst dem Typ 500 ebenfalls bei den Kleinsten eingeordnete, aber über 365 cm lange Fiat Nuova Panda. Nun, auch der aktuelle 370-cmMini ist nicht mehr ganz, was er mit 306 cm ursprünglich war!

Ehemalige Kleinwagen wie Civic, Corsa, Panda oder Polo sind heute zwar grössenmässig in der Kompaktklasse angekommen, doch keine Sorge: Es gibt Nachwuchs

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Jaguar XK 120 OTS 1953 Versicherungswert Fr. 100‘000.00 Jahresprämie Fr. 912.50

Ford A Sedan 1930, Versicherungswert Fr. 40‘000.00 Jahresprämie Fr. 238.35 Jaguar SS I Saloon 1935, Versicherungswert Fr. 85‘000.00 Jahresprämie Fr. 506.50 Mercedes 190 SL 1960, Versicherungswert Fr. 120‘000.00 Jahresprämie Fr. 1‘149.75 Jaguar E-Type S1 1963, Versicherungswert Fr. 75‘000.00 Jahresprämie Fr. 718.60 Peugeot 404 Cabrio 1965, Versicherungswert Fr. 45‘000.00 Jahresprämie Fr. 431.20

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7 SHOWROOM

3,71 Meter lang und 750 Kilo schwer – das war 1974 der erste VW Golf. Die inzwischen sechste Modellgeneration wiegt heute zwischen 1,1 und 1,6 Tonnen, misst in der Länge knapp 4,6 Meter. Da drängt sich die Frage auf: Warum sind Kompaktautos in den letzten Jahrzehnten immer grösser und schwerer geworden? Die Antwort ist vielschichtig. Zum einen sind die gesetzlichen Vorgaben zu den Themen Sicherheit und Emissionen im Lauf der Zeit immer strenger geworden, mussten die Autos immer mehr können – ein frugaler Tata Nano ist darum in unseren Breitengraden gar nicht zulassungsfähig. Das mit dem Wachstum einhergehende Mehrgewicht musste mit stärkeren Motoren kompensiert werden, denn natürlich sollte kein neues Modell langsamer sein als sein Vorgänger. Hinter dieser Strategie standen wachsende Ansprüche der Verbraucher, die sich zudem mehr Platz und Komfort wünschten. Ergo wurden beliebte Baureihen immer voluminöser, um ihre Stammklientel auch beim nächsten Autokauf zu binden – und um Fahrer anderer Marken anzulocken. Solche Beispiele machten Schule, sie funktionieren bis heute und so weiter.

ZWERGE WO HÖREN KLEINWAGEN AUF, WO FANGEN KOMPAKTE AN? ANGESICHTS VERWIRRLICHER KLASSENBEZEICHNUNGEN SPRECHEN WIR HIER ÜBER AUTOS DER VIER-METER-KATEGORIE VON 350 BIS 420 CM – UND BESTAUNEN DIE VIELFALT. BESONDERS EN VOGUE: PRAKTISCH-SCHICKE SPARWUNDER WIE DIESE HIER Text Hubertus Hoslin · Fotos Ian G.C. White, Werk

In der Konsequenz wuchsen neue Baureihen von unten nach, um die entstandenen Lücken zu schliessen. Denn nach wie vor sind erschwingliche Fahrzeuge unter (oder knapp über) vier Meter sehr beliebt. Das liegt zum einen an der Infrastruktur bestimmter Städte – in den Gassen von Rom beispielsweise würde ein SUV schlicht stecken bleiben. Zum anderen handelt es sich um besonders wendige und übersichtliche, also auch leicht beherrschbare Fahrzeuge. Und es soll ja Leute geben, die einfach kein grösseres Auto haben möchten. Nicht zuletzt sind es diese kleinen Autos, denen heute wieder eine starke Bedeutung zukommt. Denn nur mit ihnen gelingt es den Herstellern, kommende Abgasnormen und Flottenverbräuche zu erfüllen. Wer sich für einen Kleinwagen entscheidet, muss dabei keine Abstriche machen. Sicherheitsfeatures wie ABS, Airbags, aktive Kopfstützen oder automatische Notbremssysteme sind inzwischen kein Privileg der «Grossen» mehr. Mittlerweile haben diese Zutaten auch das A- und B-Segment erreicht; ESP ab Werk wird bald sogar gesetzlich vorgeschrieben sein. Selbst Optionen wie Abstands-Tempomat oder Kurvenlicht werden optional angeboten. Sparen und Spass haben ist also kein Widerspruch, wie unsere Auswahl beweist. Manche Modelle haben sogar Kult-Potential.

1 L FOR LARGE: FIAT 500L

Wenn Fiat eine 500er-Variante lanciert, geht es natürlich um Design. So war es beim Halb-Cabrio 500C oder den Abarth-Abarten und so wird es auch beim kommenden 500L sein. Dessen L in der Typenbezeichnung steht für «Large», also gross oder gedehnt, und das ist bei 410 cm Länge gerechtfertigt (500 Limousine: 354,5 cm). Der 500L ist also der Minivan in der Cinquecento-Familie und besonders schick, um gegen Trendsetter wie Mini Countryman oder Opel Meriva punkten zu können. Das sollte dem Italiener problemlos gelingen, denn er hat nicht nur Stil, sondern bietet auch viel Inhalt. Der beginnt mit einem luftigen Innenraum, der auch grosse Menschen problemlos aufnimmt. Hinter der verschiebbaren Rückbank schliesst sich ein 450 Liter grosser Kofferraum an (umgeklappt bis ca. 1500 L). Zunächst stehen vier Benziner mit zwei, drei und vier Zylindern sowie 85 bis 105 PS zur Verfügung. Nähere Details gibt es noch nicht, denn der 500L kommt erst im Herbst und dürfte dann ab geschätzten 23 500 Franken zu haben sein.

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FUTURE NOW: FORD FIESTA ECONETIC Der aktuelle, 2008 eingeführte Fiesta sieht nach wie vor sehr frisch aus. Und mit seiner jüngsten Motorisierung, einem 1,6-L-Duratorq-Turbodiesel, nimmt der 395 cm lange Kleinwagen gar für sich in Anspruch, der Sauberste aller je gebauten SerienFord zu sein. Dank Stopp-Start-System knausert der Selbstzünder mit dem Sprit; das Werk gibt nur 3,3 Liter Durchschnittsverbrauch und 87 Gramm CO2 pro Kilometer an. Die Passagiere der wahlweise mit zwei oder vier seitlichen Türen lieferbaren, Econetic II Diesel ge-nannten Sparversion müssen derweil nicht darben: 95 PS und das maximale Drehmoment von 205 Nm versprechen ordentliche Fahrleistungen und 175 km/h Spitze. Dazu kommen die saubere Verarbeitung und eine attraktive TrendAusstattung mit Fahrerknie-Airbag, ZV, Lederlenkrad oder CDRadio, kaufbar ab 24 980 Franken.

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VERLOCKUNG AUS FERNOST: KIA PICANTO

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GEHEIMTIPP? HONDA JAZZ HYBRID Vor über 15 Jahren wurde der Hybrid-Antrieb in Japan zur Serienreife gebracht. Honda gehörte damals zu den Pionieren. Seither hat die Marke viele weitere IMA-Hybriden (Integrated Motor Assist) auf den Markt gebracht; mit steigendem Volumen wird nun die Kleinwagenklasse teil-elektrifiziert. So ist der patente Jazz seit 2011 mit einem aus 1,3-L-Benzin- und Elektromotor kombinierten Antrieb zu haben. Der leistet insgesamt 102 PS (88 PS und 10 kW), und die sorgen via stufenloses CVT-Getriebe für erstaunlich flotte Fahrleistungen. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 175 km/h, der Durchschnittsverbrauch bei 4,5 Liter und die Emissionen bei 104 g/km. Das Auto überzeugt ausserdem mit viel Raum und Rundumsicht. Dazu verfügt es über Rücksitze, die sich auch hochklappen lassen und so Platz für Sperriges schaffen. Seit Markteinführung wurden weltweit schon über 140 000 Exemplare verkauft, allein in der Schweiz waren es über 1800. So geheim ist der Jazz Hybrid also gar nicht mehr; die Preise starten bei fairen 25 000 Franken.

Mit immer besseren Autos und vergleichsweise niedrigen Komplettpreisen lernen die koreanischen Hersteller Hyundai und Kia ihre europäischen Wettbewerber das Fürchten. Längst ist das Asia-Styling einer auch für unsere Sehgewohnheiten attraktiven Optik gewichen. Bei Kia verantwortet gar Ex-Audi-Designer Peter Schreyer die Linienführung. Entsprechend gut sieht auch der neue Picanto aus: Der 359,5 cm lange Fünfplätzer ist für Stadt- und Nahverkehr konzipiert, erträgt mit seinem guten Fahrwerk aber auch längere Strecken. Empfehlung: der 1.2 CVVTBenziner mit ausreichenden 85 PS und 121 Nm. Damit läuft der circa 900 Kilo leichte Koreaner 171 km/h Spitze; sein Drittelverbrauch beträgt in der Version mit manuellem Schaltgetriebe nur 4,3 Liter, die CO2-Emissionen liegen bei 100 g/km. Während die Preise für die 69 PS starke Picanto-Basis bei 14 650 Franken beginnen, ist man mit dem 1.2 ab 16 950 Franken dabei.

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SEX AND THE CITY: LANCIA YPSILON

Armani. Gucci. Prada. Oder Ypsilon. Der italienische Kleinwagen will mindestens so schick sein wie die genannten Mode-Label. Seit 1985 auf dem Markt (damals noch unter der Bezeichnung Y10 und kecke 339 cm kurz), hört er immer noch auf den vorletzten Buchstaben des Alphabets, und der ist griechischer Herkunft. 2011 wurde nun die vierte Generation unter der Bezeichnung «Nuova Ypsilon» eingeführt; der ist elegante 384 cm lang und kommt erstmals mit fünf Türen.

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Für Vortrieb sorgen effiziente Benzin- und Dieselmotoren mit 69 bis 95 PS; die Verbräuche reichen von 3,8 bis maximal 4,9 Liter (CO2: 97 bis 115 g/km). In der Topversion schwingt sich der Ypsilon zu 183 km/h auf; geschaltet wird manuell oder automatisiert. Wie gewohnt offeriert der Stadtfloh eine besonders individuelle Ausstattung und verfeinerte Materialien. Bei der Anschaffung dürfen es also ein paar Rappen mehr sein; die Preise beginnen bei 17 990 Franken.

6 JUNG-LÖWE: PEUGEOT 208

Kleinwagen sind die angestammte Domäne von Peugeot: Kein anderer Hersteller hat in den letzten drei Jahrzehnten so viele von ihnen produziert wie der französische Hersteller – 15 Millionen Einheiten. Der Bestseller 205 (1983– 98) sicherte der Marke gar das Überleben. Entsprechend hoch sind jetzt die Erwartungen beim 396 cm langen 208, der verlorenes Terrain wieder gutmachen muss, auf einer nagelneuen Plattform steht und seit kurzem auch beim Händler. Nicht weniger als die Marktführerschaft im B-Segment hat Peugeot mit dem Modell im Sinn, und das mit ungewöhnlichen Methoden. Denn der Wagen ist trotz grösserem Innen- und Kofferraum ganze sieben Zentimeter kürzer und bis zu 170 kg (!) leichter als sein Vorgänger 207. Weil der relativ mässig erfolgreich war, schlägt der 208 auch optisch neue Töne an – mit knuffigen Karosserieformen zum Beispiel oder seinem speziellen CockpitLayout. Für flotten Vortrieb sorgen saubere Motoren mit 68 bis 156 PS; die Preise starten bei 16 500 Franken. Spritsparvorschlag: der 1,2-Liter-Dreizylinder-Benziner VTi mit 82 PS und 4,5 Liter Durchschnittsverbrauch (CO2 104 g/km), den es ab 19 950 Franken gibt.


SHOWROOM

MULTITALENT: VOLKSWAGEN UP

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Der dreitürige Up ist noch kein halbes Jahr auf dem Markt, da schiebt Volkswagen mit dem ebenfalls 354 Zentimeter kurzen Fünftürer schon die zweite Version des im slowakischen Bratislava gebauten Kleinwagens hinterher. Dabei soll es nicht bleiben. Der Eco-Up oder ein sportlicher GT werden sicher folgen, denn schon jetzt steht fest: Der Kleine hat das Zeug, ein ganz Grosser zu werden. Die Technik mit aktuell 60 und 75 PS aus je drei Zylindern

Skoda Citigo (oben) und Seat Mii (re.) unterscheiden sich vom Up in Ausstattung, Bug- und Heckpartie sowie der Seitenfensterlinie

ist attraktiv, die Preise ab 15 750 Franken sind es auch und die Auftragsbücher entsprechend voll. Das sommerliche Konzept Azzurra Up (Fotos oben) bleibt wohl leider Träumerei, doch die Strand-Studie Buggy Up mit Allradantrieb wird ernsthaft diskutiert. Bleibt nur noch zu sagen: Daumen up! Wer es besonders günstig liebt, dem bieten sich im Skoda Citigo (ab Fr. 12 110.–) oder dem Seat Mii (ab Fr. 14 750.–) zwei baugleiche Alternativen.



LEINEN LOS

DIE MAGIE DES

SEGELNS HIGH FIDELITY ZUR SEE: GROSSE FLUCHTEN AUS DEM ALLTÄGLICHEN Text Erdmann Braschos · Fotos Carlo Borlenghi, Ernst Klaus, Toni Meneguzzo, Franco Page, Cory Silken, Hans Westerink, Werk

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Oben: Die 45 Meter lange Wally «Saudade» erhielt ein grosses permanentes Sonnendach (Bimini) in formschöner Ausführung. Unten: Nach achtern gepfeilte Salinge vereinfachen das Handling des langen Karbonmastes. Bei Yachten dieser Kategorie werden heute Haltedrähte aus ultraleichten Faserkabeln verwendet – statt der bisher üblichen Edelstahlstränge


LEINEN LOS

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inem archaischen, bereits in der Bibel erwähnten Brauch zufolge soll man ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und eine Familie gründen. Sind diese Ziele erreicht, schweift der Blick zu weiten Horizonten hinaus aufs Meer. Es ist ein tief sitzendes, ein archetypisches Bedürfnis abzulegen, um auf eigenem Kiel entlegene Küsten anzusteuern. Dazu, für komfortable, sichere und schnelle Meeresreisen, braucht man eine gescheite Yacht. Und wenn sich der stolze Eigner am Strand der fernen Ankerbucht oder im Hafen mal umdreht und er zurückschaut zur eigenen Arche, soll der Anblick ringsum erfreulich sein. Mehr noch als das Auto drückt die Yacht Erfolg, Individualität und Geschmack aus. Ablegen, mit der Familie oder Freunden die Leinen zu einer langen Reise, vielleicht sogar zu einer Weltumseglung loswerfen, das ist ein gern gehegter Traum. Wer denkt nicht über eine berufliche Auszeit, das Sabbatical nach, das durchaus länger als das berühmte eine Jahr geraten kann? Jost Stollmann hat diesen Traum nicht bloss geträumt und ihn irgendwann wie einen farbenfrohen Segelkalender daheim an den Nagel gehängt. Der Vorzeigeunternehmer, der nach dem Verkauf seiner Firma CompuNet Hart am Wind: Die Crew hat auf der Regattabahn alle Hände voll zu tun


LEINEN LOS

«Sobald Sie ein Boot betreten, befinden Sie sich in einer anderen Welt», sagt der in Monaco lebende Schweizer Ernst Klaus

anstelle eines vorübergehend erwogenen Gastspiels in der Politik bei der angesehenen bremischen Werft «Abeking & Rasmussen» die 40 Meter lange «Alithia» (Baujahr 2001) aus Aluminium für eine Weltreise schweissen liess, segelte mit seiner sechsköpfigen Familie und begleitet von Privatlehrern für die Kinder und einer Mannschaft fürs Boot zwei Jahre um die Welt. Angetrieben vom stetigen Passatwind querte der bis zu 17 Knoten (31,5 km/h) schnelle «ocean greyhound» den Atlantik in gerade mal zehn Tagen. «Ich finde es reizvoller, Träume zu leben, als sie zu träumen», sagt Stollmann, der unterwegs eine neue berufliche Herausforderung und im australischen Sydney auch eine neue Heimat fand. Dass es eine moderne und schnelle, für sämtliche Eventualitäten ausgerüstete grosse Sonderanfertigung mit einigen Finessen sein kann, aber nicht unbedingt muss, zeigt der vergleichsweise filigrane klassische Zweimaster «Kentra», Baujahr 1923. Die an Deck etwa 26 Meter lange Holzyacht kaufte der in Monaco lebende Schweizer Ernst Klaus als morsches Gebälk. Er liess sie in 45 000 (!) Handwerkerstunden vom Southamptoner Klassiker-Spezialisten Fairlie Restorations in eine weithin bewunderte Yacht-Antiquität verwandeln. Nach Erkundung der schottischen und irischen

Gewässer, Ansteuerung reizvoller Küsten wie der Bretagne, Spaniens oder Südfrankreichs wurden Inseln wie Sardinien, Elba oder der Ägäis angesteuert. Dann war das Ehepaar bereit zu seiner Odyssee auf dem «erlösend tiefen Blau», wie der deutsche Schriftsteller Gottfried Benn einmal das Meer genannt hat. «Sobald Sie ein Boot betreten, befinden Sie sich in einer anderen Welt», sagt Klaus. «Meist reicht für diese Verwandlung ein verblüffend kleiner Abstand zum Land. Sie funktioniert also überall. Segeln ist magisch, und nirgendwo ist die Magie grösser als auf einer klassischen Yacht», schwärmt der auf den stilvollen Segeltörn abonnierte Hochseesegler. «Viele Leute können sich vermutlich gar nicht vorstellen, wie komfortabel man auf einer klassischen Yacht lebt. Die Bewegungen solch eines traditionell gebauten, V-förmigen Rumpfes auf See sind angenehm. Sie sind weich und berechenbar. Wenn man wochenlang unterwegs ist, wird das zum entscheidenden Gesichtspunkt.» Der Hamburger Admiral’s-Cup-Veteran Hans-Otto Schümann nahm 13 Mal an dieser inoffiziellen Weltmeisterschaft im Hochseesegeln teil und gewann sie mit seinen Hightech-Rennyachten

Ocean Greyhound: Die «Alithia» von Jost Stollmann ist eine Sonderanfertigung in Aluminium für den grossen Törn


namens «Rubin» dreimal. Der Vaseline-Fabrikant und Nestor des deutschen Grand-Prix-Segelns verblüffte vor einigen Jahren, als er in seiner zurückhaltenden Art das eigentliche Privileg des Seglers schilderte, nämlich den Anblick des nächtlichen Sternenhimmels in unglaublicher Prägnanz. Dieses von Lichtquellen der Zivilisation ungestörte Erlebnis werde nur vom Sonnenaufgang auf See getoppt. Nun ist es nicht jedermanns Sache, Ozeane zu überqueren. Sei es, weil die berufliche Beanspruchung und das Familienleben für solche Ausstiege keine Gelegenheit lassen. Sei es, weil die Ehefrau nicht so viel Begeisterung für das Metier entwickelt oder jemandem auf See schlecht wird. Das hinderte beispielsweise Herbert von Karajan nicht daran, mit seiner Maxi-Rennyacht «Helisara IV» in der Nähe seines Ferienhauses durch den Golf von Saint-Tropez zu pflügen, soweit ihm seine Dirigentenkarriere dazu Zeit liess. Es bedeutete dem Maestro viel, der Konkurrenz den Notenschlüssel auf dem Heck seiner Yacht zu zeigen. Die Adrenalin-intensive Teilnahme an einer Regatta ist die gründlichste Art, einmal komplett abzuschalten und die Agenda des Alltags zu vergessen. Sie ist die Dur-Tonart der Magie des Segelns.

Die «Kentra» – mit Charme und Stil zu fernen Küsten

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LEINEN LOS

Die «Uca» von Klaus Murmann – aufgeräumte Alta Moda aus Mailand zum relaxten Daysailing wie hier auf der Kieler Förde. Ein Tastenfeld in der Steuerradnabe und wenige Strippen machen die Bedienung so einfach wie bei einem Segelschulboot

Wer für den intensiven Segelgenuss nicht so viel Mannschaft an Deck herumscheuchen mag, wie ansonsten im Orchestergraben sitzt, entscheidet sich für eine moderne Yacht der Marke Wally oder vielleicht die Brenta 60: Diese segelnde «Alda Moda» ist so konzipiert, dass sie sich allein oder zu zweit beherrschen lässt. Dienstbare Geister und helfende Hände werden eigentlich nur beim Manövrieren und Vertäuen solcher mittelgrossen bis grossen Yachten der 18- bis 30-Meter-Kategorie gebraucht. Leise surrende hydraulische Zylinder oder unter Deck versteckte WinschAutomaten zum Dichtholen und Verstauen des Tauwerks erledigen das Segelsetzen und Trimmen auf Knopfdruck. Der schleswig-holsteinische Fabrikant Dr. Klaus Murmann bedient seine über 18 Meter lange «Uca» grossenteils über etwa bierdeckelgrosse Tastenfelder, die diskret auf den Naben der beiden Steuerräder angebracht sind. Der verblüffend schlichte Silberpfeil hat so wenige Strippen wie ein Segelschulboot. Selbst die Beschläge zum Vertäuen des Bootes am Bug sind unter Deck versteckt. Der versierte Regatta- und Genusssegler Murmann, der auf eine Armada verschiedener Rennyachten zurückblickt, freut sich wie ein Kind an seiner Sonderanfertigung der Kieler KnierimWerft. «Herrlich, wie sie durch die Wellen geht. Ich habe schon einige Boote gesegelt, aber so eins noch nicht», fasst er begeistert zusammen. Die richtigen Knöpfe drücken und gucken, was passiert, macht auch an Bord Spass. Unter Deck wirkt dieses segelnde iPhone wie eine moderne Arztpraxis oder Jil-Sander-Boutique. Der Entwurf des mailändischen 062 VECTURA #3

«Ethereal»: Hightech im traditionellen Gewand. Dieser Royal-HuismanZweimaster punktet mit intelligenter Energienutzung und -gewinnung


Yacht-Architekten Luca Brenta ist ziemlich netto. Es gibt weisse Hängeschränke und helle Alcantara-Paneele der Kajütdachverkleidung über weissem Corian der Pantry-Arbeitsplatten. Einzig der Fussboden ist in dunkelbraunem Wengé-Holz gehalten. Noch weiter wurde der Purismus bei der Vorgängerin der «Uca» getrieben. Diese Brenta 60 heisst «Almost Nothing», gehört ebenfalls einem deutschen Eigner und liegt in Sardinien. Sie wurde schlicht weiss gemäss der Farbnorm RAL 9010 eingerichtet – und zwar abwechselnd mit glänzenden oder matten Oberflächen. Es versteht sich von selbst, dass es mit solch einem konzeptionell leichten und yachtbaulich anspruchsvollen Hightech-Boot mit grossem Ballastanteil am Ende der tiefen Kielflosse zur Sache geht wie mit einem generös motorisierten Sportwagen.

Die «Hyperion» war vorübergehend die grösste einmastige Segelyacht der Welt und soll damals 19 Millionen Euro gekostet haben

Angesichts der über 2,6 Millionen Franken für diese High Fidelity zur See ist es tröstlich, dass es den coolen Brenta Daysailor auch als kleineres Modell von knapp neun bis 16 Meter Länge gibt. Übrigens ist die Faszination des so genannten «no-nonsense»Daysailors, mit dem man einige köstliche Stunden verbringt, keineswegs neu. Der «Trend» ist ungefähr hundert Jahre alt. Früher wurden solche Segelspassmaschinen ihrer Nutzung entsprechend schlicht und ergreifend Nachmittagsboot genannt. Die klassische und schweizerische Variante dieses Vergnügens entwarf Ende der dreissiger Jahre der Genfer Ingenieur Henri Copponex als «Lacustre». Das hübsche Boot mit dem Kleeblatt im Grosssegel ist ein Evergreen eidgenössischer Seen. SOMMER 2012 063


Beinahe so schön, wie zur grossen Seereise das Weite zu suchen oder ab und zu mal für eine kleine Spritztour die Segel zu setzen, ist es, über das nächste Boot nachzudenken und es zu bauen. Der kalifornische Software-Kaufmann Jim Clark hat es dabei 1998 zur 47 Meter langen «Hyperion», 2004 zum 90-Meter-Dreimaster «Athena» und 2009 zum 40-Meter-Renner «Hanuman» gebracht. «Hyperion» war vorübergehend die grösste einmastige Segelyacht der Welt und soll damals 19 Millionen Euro gekostet haben. Clarks vorerst letzte Yacht ist eine Replik des America’s-Cup-Herausforderers «Endeavour II». Damit unterlag der englische Flugzeugfabrikant Sopwith 1937 vor Newport der «Ranger» von Harold Vanderbilt. In dieser exklusiven Bootsklasse, der sogenannten J-Class, wo nur restaurierte Exemplare oder Repliken akzeptiert sind, werden gerade die letzten Slots vergeben. Der Claim der holländischen Traumschiff-Manufaktur «Royal Huisman» ist dabei so einfach wie bestechend: «If you can dream it, we can build it.» Das Budget einer J-Class aus dieser Werft liegt bei 20 Millionen Euro. 064 VECTURA #3


LEINEN LOS

«Endeavour II»-Replik: Die «Hanuman» ist stilecht bis ins Detail, wie man zum Beispiel am exponierten Deck-Steuerstand sehen kann. Jom Clarks vorerst letzter Yachtbau ist zugleich Rennyacht und Vintage America’s Cupper für die schönsten Segelreviere der Welt

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LEINEN LOS

Die «Athena» ist ein Dreimaster mit der Anmutung eines historischen Dampfers. So sahen Yachten des späten 19. Jahrhunderts aus – mit Klüverbaum, überdachten Seitendecks und vertäfelter Brücke

066 VECTURA #3


Der Claim der holländischen Traumschiff-Manufaktur Royal Huisman ist so einfach wie bestechend: «If you can dream it, we can build it»

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LEINEN LOS

Innovativer Leichtbau mit klassischen Linien: Die im Sommer 2011 aufgetakelte «Hetairos» der finnischen Baltic Werft ist ein yachtbaulicher Meilenstein, ganze 67 Meter lang und dabei nur 230 Tonnen schwer

Die Werft schob 2009 auch den 58 Meter langen Blauwassersegler «Ethereal» aus der Halle, der mit verblüffend leisem und vibrationsarmem Betrieb der Generatoren, einem dieselelektrischen Hybridantrieb mit zwei jeweils 715 PS starken CaterpillarMaschinen punktet. Verbrauchsreduktion und clevere Energieausbeute reduzieren die bordeigene Energiebilanz. Die beiden vierblättrigen Wärtsilä-Wasserschaufeln der Verstellpropeller dienen bei gutem Wind als Stromerzeuger. Der Fahrtverlust von 1,5 Knoten wird angesichts 17 Knoten Reisetempo in Kauf genommen. Solche Kompromisse ging der Wahlschweizer Peter Happel mit seinem wegweisenden, etwa halb so schweren 67-Meter-Renner «Hetairos» nicht ein. Bei diesem yachtbaulichen Meilenstein verschwinden die Propeller beim Segeln hinter bündig mit dem Rumpf abschliessenden Klappen wie ein Flugzeugfahrwerk. Vier VW-Marine-TDI-Schiffsdiesel vom Typ 350-8 liefern die Power –

Geschäftsmodell für Gleichgesinnte: Die Swan 66 «Lionessa» gehört einer Eignergemeinschaft

unter anderem zum hydraulischen Anheben des 86 Tonnen schweren Hubkiels. Mit ihm lässt sich der Tiefgang von neun auf 3,5 Meter reduzieren. Da ist dann das bärenstarke Drehmoment der marinisierten 350-PS-Achtzylinder gefragt, wie sie ansonsten als ganze 370 Kilo schwere 4,2-L-Maschine in Audi-Modellen zum Einsatz kommt. So weit wurde dieses Thema bislang nicht getrieben. Vorsprung durch Technik zählt eben auch auf dem Wasser. So cool und rasant, so antiquiert und elegant, so anspruchsvoll und schnell, aber leider auch so unerreichbar solche Traumschiffe nach dem heutigen Stand der Technik erscheinen mögen: Tröstlich ist, dass man zwar so gross und kostspielig auftakeln kann, aber nicht muss. Mit einem der Überholung gewidmeten Budget einer gebraucht gekauften Yacht kann man auch ablegen. Oder man teilt Freud und Leid, Kosten und Nutzung des Schiffes mit einem Partner. Letzteres hat der finnische Geschäftsmann Berndt


NICHT NUR ZUM MANÖVRIEREN: KRAFT AUS VIER UND MEHR ZYLINDERN

Die Vision 46 der süddeutschen Bavaria-Werft punktet mit einem interessanten Preis und cleverer Raumnutzung

Brunow gemacht, als er mit einem langjährigen Freund eine werftneue Swan 66 übernahm. Die ausgereiften, gediegenen und entsprechend wertbeständigen Erzeugnisse der Nautor-Werft in Finnland gelten als Mercedes zur See. Ein fest angestellter Bootsmann betreut und pflegt die zu schönen Revieren der Welt überführte «Lionessa». Wenn die Eignerfamilien das Boot selbst nicht nutzen, ist es mit zahlenden Gästen unterwegs. Wozu hundert Prozent zahlen und obendrauf die erheblichen Betriebskosten (etwa zehn Prozent des Neupreises jährlich) bestreiten, wenn man das Boot allenfalls gelegentlich nutzt? Übrigens bauen Grossserienhersteller wie Bavaria, Beneteau oder Hanse auch komfortable und zeitgemässe Yachten für Realisten, die bereits ein Haus gebaut, den Baum gepflanzt und eine Familie gegründet haben und nun den archaischen Traum von der eigenen Segelyacht leben möchten.

Flotte Fortbewegung mit Windkraft ist ein erhabenes Gefühl. Doch bei Flaute sind Motoren gefragt. Herkömmliche Einbaumaschinen (aus Sicherheitsgründen durchweg Diesel) punkten als marinisierte Industrietriebwerke mit robuster Bauweise und grosser Zuverlässigkeit, sind aber leider schwer. Zum Glück hat sich da in den vergangenen Jahren einiges getan. Die Einbaudiesel sind kompakter, leichter und wartungsfreundlicher geworden. Der beispielsweise seit 2008 gebaute Volvo Penta D2-40F mit 1,5 L Hubraum bietet bei 3200/min annähernd 40 PS und läuft als Vierzylinder sehr ruhig. Die für ein immerhin gut acht Tonnen schweres Tourenboot geeignete Maschine wiegt mit 200 kg etwa zwei Drittel vergleichbarer Vorgängermodelle (merke: schwerere Boote sind mit stärkeren Motoren unterwegs, Faustformel 3 bis 5 PS pro Tonne Verdrängung). Interessant und sehr beliebt an Bord sind auch die leichten Yanmar-Motoren. Leider hat VW Marine seinen vielbeachteten Einstieg in die Bootsbranche Anfang 2011 wieder aufgegeben. Die seit 2003 gebauten Aggregate sind übrigens weiterhin als Cummins MerCruiser Diesel (CMD) erhältlich. Laufruhe und Wartungsfreundlichkeit machen die nach wie vor im deutschen Salzgitter gefertigten Antriebsquellen interessant. Für die hochmoderne, aus dem Auto adaptierte BootsmotorenTechnologie spricht ihre clevere Steuerung und zeitgemässe Common-Rail-Hochdruckeinspritzung. Dagegen sprechen die üblicherweise langen Standzeiten in der Segelyacht und ein unregelmässiger sowie kurzer Betrieb – aus dem Hafen raus und abends wieder rein. Da wird die Maschine kaum warm. Die meisten Bootsdiesel stehen sich kaputt. Daher haben für Gelegenheitssegler und Freizeitskipper in schönen Revieren wie Mittelmeer oder Karibik robuste und gängige, dem ortsansässigen Mechaniker verständliche Motoren und ein grosses Händlernetz mit internationaler Ersatzeilversorgung Vorrang. Für Technikliebhaber sei noch ein interessanter Exot unter den Automotoren zur See erwähnt: der Dreizylinder-Diesel CDI OM 660 aus dem Smart liefert 40 PS bei ganzen 125 kg Gewicht. Dank seiner interessanten Drehmomentkurve ist bei zahm gegebenem Gas (1700/min) weniger die Maschine selbst als das durch die Bordwand plätschernde Kühlwasser zu hören.

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FAHRTERMIN

DAS HÄSSLICHE ENTLEIN EIN JUNGER SCHWAN WIRD IM ENGLISCHEN «CYGNET» GENANNT. AUSGERECHNET SO HAT ASTON MARTIN SEIN STADTMOBIL GETAUFT UND WIR UNTERSTELLEN, DASS ES MIT BRITISCHEM HUMOR GESCHAH. DENN ANDERS IST DIESER AUF DEM TOYOTA IQ BASIERTE KLEINSTWAGEN KAUM ZU ERKLÄREN – NICHT MAL IN DER EXKLUSIVEN «Q»-AUSFÜHRUNG Text Matthias Pfannmüller · Fotos Ian G.C. White

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einahe grimmig steht er da mit seinem breiten Kühlergrill, ist aber keine drei Meter lang: Einem Aston Martin Cygnet sehen viele nach. Doch ist es Bewunderung oder Sprachlosigkeit? Gelegentlich sind Lacher zu vernehmen. Tatsache ist: Hinter der in reiner Handarbeit aufwändig adaptierten Aston-Optik und dem stolzen Markenlogo mit dem klassischen Flügelmotiv verbirgt sich 1:1 ein Toyota iQ in der 98-PS-Serienversion, die bei technisch unangetasteter Ausstattung und identischen Fahrleistungen ganze 27 610 Franken weniger kostet. Der Cygnet richtet sich ganz offenbar an Leute, für die Geld keine Rolex spielt, und dagegen ist nichts einzuwenden. Der Clou liegt laut Hersteller in den Individualisierungsmöglichkeiten. Kunden können sich jede nur erdenkliche Lackfarbe anmischen lassen oder zwischen 25 Ledertönen auswählen – gegen Aufpreis, versteht sich. Damit hat es sich aber auch schon, und weil das so ist, versuchte Aston Martin schon zum Verkaufsstart im Frühling 2011, die Exklusivität mit einer speziell ausstaffierten «Launch Edition» zu steigern.

Firmenchef Ulrich Bez entzieht die ihm vor zwölf Jahren anvertraute Traditionsmarke gerne jeder Kritik, indem er sinngemäss sagt, Aston Martin sei eigentlich kein reiner Autohersteller mehr, sondern ein Luxusanbieter. Wir unterstellen Aston-Käufern derweil, dass sie die Markengeschichte kennen und auch etwas von Fahrdynamik verstehen. Der Cygnet ist da eine Enttäuschung, er ist sogar eine besonders dreiste Form von Badge Engineering – und dabei im Grunde genommen eine Verzweiflungstat. Hintergrund sind die sich immer weiter verschärfenden Abgasnormen in Europa und den Vereinigten Staaten. Solche Vorgaben sind von einem Hersteller, der ausschliesslich hubraumstarke Supersportler produziert, nicht erfüllbar: Ein V8 Vantage, mit seinen 426 PS und 470 Nm aus einem 4,7-L-V8 das schwächste Modell im Portfolio, emittiert 295 Gramm CO2 pro Kilometer. Das Topmodell One-77 (siehe Fahrbericht in VECTURA #1), dessen 7,3-L-V12 sagenhafte 760 PS und 750 Nm stark ist, gibt auf der gleichen Distanz über ein halbes Kilo von sich. Verbrauchs- und abgasmindernde Lösungen wie Hybridantrieb, ein StoppSOMMER 2012 073


FAHRTERMIN

Rapide-Beiboot: Der Cygnet ist in erster Linie ein Abgas-Argument für den Gesetzgeber

Start-System oder Zylinderabschaltung sucht man bei Aston Martin vergeblich – für solche teuren Technik-Delikatessen ist die Marke schlichtweg zu klein. Man darf davon ausgehen, dass Bez, der das Haus aus einer Sackgasse zu neuer Blüte brachte, in den letzten Jahren unter seiner Führung noch einen Motorenlieferanten finden wird – mit moderneren Aggregaten, die dazu in der Lage sind. Sicher ist das aber nicht. Ad interim muss ergo der aufgepeppte Toyota – ab 2013 soll es ihn auch mit 47-kW-Elektroantrieb geben – das ehrenwerte Brit-Label durch die kommenden Emissionsgrenzen tragen, indem er dessen Flottenverbrauch auf ein vertretbares Mass reduziert – dank Cygnet kann Aston Martin 074 VECTURA #3

einen erstaunlichen Durchschnitt von 159 Gramm pro Kilometer aufrufen. Das lässt weniger Zweifel an der Marke als an der Gesetzgebung aufkommen: Wer kommende CO2-Vorgaben erreichen will, muss einfach noch mehr Autos bauen. Ohne jene absurde Regelung würde es den Cygnet niemals geben. Vor diesem Hintergrund fällt es schwer, dem offiziell als Viersitzer deklarierten Winzling etwas Ernsthaftes abzugewinnen. Wir haben es trotzdem versucht und uns den «Q» ausgeliehen – so nennt sich die vorerst jüngste, auf dem letzten Genfer Salon vorgestellte Spielart, deren Name sich aus den Begriffen «quality» und


«unique» ableitet. «Q by Aston Martin» ist auf sämtliche Baureihen anwendbar und ein neues Individualisierungsprogramm für alle, denen die bisherigen Individualisierungsmöglichkeiten nicht individuell genug waren. Und wem das immer noch nicht genügt, dem bieten die Aston-Kreativen auch bei der Ausgestaltung von Haus oder Boot ihre Hilfe an. Der in «Cherry Tree Raspberry» (Kirschbaum-Himbeer) lackierte Muster-Cygnet ist mit entsprechenden Plaketten und «deep soft finish»-Lederpolstern in «Kestrel Tan» (Turmfalken-Braun) dekoriert. Die Nähte an Sitzen und Kopfstützen weisen besondere Verzierungen aus dem Schuhhandwerk auf und werden nur im «Q»-Programm angeboten. Der Gipfel sind

jedoch die mit Lammwolle gefüllten Sattelleder-Fussmatten, auf denen man so weich abrollt wie sonst nur im Rolls-Royce. On top gibt es ein extra angefertigtes Brompton-Klapprad, welches man uns beim Fahrtest allerdings vorenthielt. Der «Q» ist ebenso spleenig wie hübsch gemacht, kann aber nicht über seinen japanischen Ursprung hinwegtäuschen. Als besondere Dreingabe finden sich drei knallpinke Ledertaschen, die Augenschmerzen verursachen und an die vorletzte H&M-Kollektion erinnern. Einen verbindlichen Richtpreis für das gepimpte Abgas-Feigenblatt nennt Aston nicht – das käme natürlich ganz auf den SOMMER 2012 075


Foto-Leder mit frei wählbaren Motiven an Türen und Dachhimmel: Selig ist, wer solche Sorgen hat. Dennoch, der «Q» wirkt slightly over-done


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TECHNISCHE DATEN ASTON MARTIN CYGNET Konzept Veredelter Kleinstwagen mit vier Sitzen (3+1) auf Basis des technisch unveränderten Toyota iQ. Nur als Benziner mit Frontantrieb zu haben; wahlweise Handschaltung oder CVT Motor Code 1NR-FE. V. quer eingeb. Alu-Vierzylinder, 16 Ventile, zwei oben lieg. Nockenwellen (VVT), Saugrohreinspritzung, Stopp-Start-System (nur in Verbindung mit Schaltgetriebe) Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

1329 72,5 x 80,5 11,5:1 98 (72) @ 6000 125 @ 4400 M6 (Option: CVT)

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder

299/168/150 200 148/146 175/60 R 16 auf 5,5 J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

32 30–240 988 k.A. 9,5

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

11,8 (11,6) 170

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

5,0 (5,2) 116 (120) B (C) 49 440.–

*

gemessen nach NEFZ, Neuer Europäischer Fahrzyklus

«Wo ist dein schicker Citroën geblieben?», fragt Tammy ihre Freundin. «Den habe ich wieder verkauft», antwortet Andrea, «und du?» «Ich fahre immer noch Polo.»


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Noblesse N'oblige: Trotz (oder gerade wegen) seiner zweifelhaften DNA haben wir den Aston-Zwerg vor einer lupenreinen Kulisse abgelichtet, die zu besichtigen sich lohnt (www.schloss-oberdiessbach.ch)

vom Kunden gewünschten Individualisierungsumfang an, heisst es. Das Vorführmodell kommt brutto auf 45 000 Pfund, also knapp 70 000 Franken. Interessenten werden wahrscheinlich persönlich kontaktiert und per Seelenmassage schonend auf die finanzielle Forderung vorbereitet. Möglicherweise wäre ein solcher Anruf der emotionale Höhepunkt der ganzen Transaktion. In Bewegung ist der Cygnet jedenfalls weniger bewegend. Das beginnt mit seinem Aston-unwürdigen Sound und endet mit der für Aston-Verhältnisse endlos langen Beschleunigungsphase auf Schweizer Autobahn-Tempo. Die Schaltvorgänge in der optionalen Automatikversion sind angenehmerweise kaum zu spüren. Schnell aufgezählt haben wir auch die restlichen smarten Vorteile – kleiner Wendekreis, keine Probleme bei der Parkplatzsuche. Aber braucht es dafür einen als Aston verkleideten Japaner? Ursprünglich hiess es, der Cygnet könne nur von Leuten gekauft werden, die schon einen anderen Aston in der Garage haben. Als Beiboot für die Stadt, sozusagen. Das Interesse war aber offenbar zu schwach, und so kamen auch Eigner gemeiner Fremdmarken in den zweifelhaften Genuss, einen Cygnet ordern zu dürfen. Ob sich dessen Absatz damit multipliziert, bleibt Astons Geheimnis: Verkaufszahlen will man nicht nennen, weist aber darauf hin, dass der Cygnet nur auf Bestellung gebaut wird. Für ganz Eilige findet sich im Internet ein reichhaltiges Occasionsangebot mit vielen Händlerfahrzeugen. VECTURA-Verdikt: Wenn es unbedingt dieses Vehikel sein soll, empfehlen wir das Original – den Toyota iQ. Er fährt sich genau gleich, ist dabei wesentlich günstiger und gibt vor allen Dingen nicht vor, kein Toyota zu sein. So sorry, dear little friend.

Wenn es dagegen ein echter Aston Martin werden darf, also ein Auto von Rasse und Klasse, möchten wir höflich auf einen gebrauchten V8 Vantage hinweisen, der aus erster Hand mittlerweile für das gleiche Geld angeboten wird. Eine dankbare Alternative ist natürlich auch ein fabrikneuer Rapide: Er ist zwar um ein Vielfaches teurer und zwei Meter länger als das hässliche Entlein, dafür aber richtig stark und auch viel schöner. Ausserdem hat er Platz für vier plus Gepäck, womit sich der Pro-Kopf-Durchschnittsverbrauch von insgesamt 14,9 Liter auf schlanke 3,7 L vierteln lässt. Mehr ist in diesem Fall also eindeutig mehr und hinterlässt – auch das könnte ein Argument sein – bei Damen einen ernsthaften, positiveren Eindruck. Als belohnende Investition sei kurz vor Schluss der auf 150 Exemplare limitierte V12 Zagato zu nennen, der Mitte Jahr auf betuchte Sammler losgelassen und dort seinen Weg machen wird. Abschliessend bleibt zu hoffen, dass dessen anglo-japanischer Stiefbruder der eleganten, von uns nach wie vor heiss geliebten Marke Aston Martin keinen bleibenden Imageschaden zufügt. Mit dem Hinweis auf wichtig wachsende Absatzmärkte in Arabien, Asien oder Russland sollte man heute schliesslich nicht alles rechtfertigen dürfen.

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