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[ lat.: das Fahren]
#4 | Herbst 2012
Erbmasse
MERCEDES G-KLASSE
MADE IN USA // LAMBORGHINI CHEETAH HIGH-SPEED // SUPERZÜGE FAHRSPASS // 912 TRIffT CR-Z MOTORMENSCHEN // ALÉN / BRACQ / WARD
EDITION ALLRAD www.prestigemedia.ch | CHF 10.–
03
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RUBRIKEN
Das motion-magazin aus der schweiz
herbst 2012 001
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002 VECTURA #4
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editorial
Matthias Pfannmüller, Chefredaktor
Vectura #4
EDITION
allrad
K
lassische Pw-Segmente schrumpfen, doch der Markt der Sport Utility Vehicle (SUV) brummt stärker denn je: Bis 2020 prognostizieren die Demoskopen einen weltweiten Zuwachs von 40 Prozent auf 20 Millionen Einheiten jährlich – eine eher konservative Schätzung. Die steigende Popularität strassentauglicher Geländewagen hat mehrere Gründe. Zum einen ist da das psychologische Moment: Offroader sind im Crashfall deutlich solider als normale Pw und sehen auch so aus. «My car is my castle»: Welcher Familienvater mag dazu schon nein sagen – oder zum variablen Platzangebot, dem bequemen Zugang und der erhöht-erhabenen Sitzposition? Dazu kommt, dass die Hersteller ihre SUV-Flotten bewusst besser ausstatten als manches ebenfalls mit Allradantrieb erhältliche Kompakt- oder Kombimodell. Wird also das neueste Getriebe in Kombination mit einem ebenso durchzugsstarken wie sauberen Diesel gewünscht, führt kein Weg am teureren Softroader vorbei. Nicht zuletzt ist es für viele Autofahrer ein Kick (und unterbewusst auch beruhigend zu wissen), notfalls ohne Asphalt nach Hause kommen zu können. Dass Offroad-Einsätze in der Schweiz weitgehend untersagt sind und es politische Gruppierungen gibt, die am liebsten die gesamte Fahrzeuggattung verbieten möchten, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Es reicht schon, den Abenteuerfilm im Kopf ablaufen zu lassen. Baureihen mit überragenden Geländeeigenschaften werden indes immer seltener. Beim Gros der SUV-Angebote handelt es sich heute um Strassenmodelle mit rustikaler Optik und rudimentären Über-Stock-und-Stein-Fähigkeiten – sofern überhaupt ein 4x4-Antrieb an Bord ist. «Offroad» ist längst auch ein Stylingpaket wie «Executive» oder «Sport», mit dem sich manche Modelle besser verkaufen lassen. Die SUV-Bandbreite ist derweil ein weiterer Grund für die zunehmende Verbreitung – es ist für jeden Interessenten etwas Passendes dabei. Wie abwechslungsreich die Allrad-Welt war und ist, beleuchtet diese Ausgabe. Die Automobilindustrie widmet sich unterdessen verstärkt den Themen Verbrauch und Emission. Plug-in-Hybridtechnologie ist bei Geländewagen noch eine aufwändige High-End-Antwort. Der Trend geht daher zum kompakt-umweltfreundlichen Allrounder, der in der Stadt ebenso zuhause ist wie vor der Skihütte. Und das ist eine begrüssenswerte Entwicklung. herbst 2012 003
inhalt #4
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DESIGN AUF ABWEGEN Warum einige Softroader schlecht und andere gut aussehen, erklärt Mark Stehrenberger
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ZEITSPRUNG Alter Porsche trifft modernen Honda zur Ausfahrt auf den Gurnigel
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KURVENRAUSCH Schweizer Passstrassen entwickeln ohne Autos eine ganz eigene Ästhetik
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INSIDER-TALK Bevor bei einem Autosalon das Licht angeht, gibt es für Messebauer sehr viel zu tun
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TRENDSETTER Kompakt, sportiv, effizient: neue SUV-Modelle für die Saison 2013
RETRO ON THE ROCKS Klassische Optik, aktuelle Technik: Offroader von Icon sind etwas ganz Besonderes
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NOMEN EST OMEN Punkten in der Mittelklasse: Suzuki Kizashi
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ETIKETTENSCHWINDEL Der Cheetah trug zwar das Lamborghini-Logo, war aber ein waschechter Amerikaner
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ÜBEN IM GRENZBEREICH Auf den TCS-Verkehrssicherheitszentren kann man kontrolliert die Kontrolle verlieren
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TRADITION VERPFLICHTET Japanische Bestseller: Suzuki LJ80 von 1981 und Grand Vitara Modelljahr 2013
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TITELSTORY Die Mercedes G-Klasse hiess einst G-Modell. Mit ihren 33 Jahren ist sie frischer denn je
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EXOTEN DER RUNDSTRECKE Das Thema Allrad-Rennwagen ist bald 100 Jahre alt und hat mitunter sehr gewagte Konstruktionen hervorgebracht
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GENTLEMAN’S CHOICE Stephan Senn fährt Jaguar XJS V12 Coupé
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KOMFORT-FEATURE Elektronisch geregelte Allradsysteme bieten auch auf Asphalt mehr Stabilität und Sicherheit
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MEISTERLICH Markku Alén zählt zu den erfolgreichsten Rallye-Piloten. Heute verfeinert er die Dynamik von Sportwagen wie dem Ferrari FF
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KEINE EXPERIMENTE Mit dem neuen Subaru Impreza geht die vierte Modellgeneration an den Start
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ALLRAD-IKONE Anfang 2013 kommt der komplett neue Range Rover auf den Markt. Wir stellen den britischen Luxusliner en détail vor
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GROSSER BAHNHOF Superzüge erobern das internationale Schienennetz. Längst erreichen sie 300 km/h und mehr – falls es die Strecke erlaubt HAUPTSPONSOR Rennprofis erklären, wie wichtig Flüssigkeit für Fitness und Gesundheit ist
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FÜR DEN GROSSSTADT-DSCHUNGEL Georg Dönni wünscht sich einen SUV
070 IMPRESSUM
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E DI T ION
allrad
004 VECTURA #4
EDITORIAL
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REVOLUTION Die dritte Mercedes A-Klasse macht alles anders als ihre Vorgänger
FAMILIENBANDE 048088 Manche Traktoren tragen den Namen von Automobilmarken, sind aber früher entstanden. Heute trifft Nostalgie auf High-Tech
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Vitamin A
006 VECTURA #4
Fahrtermin
Geblieben ist nur der Name: Die Mercedes A-Klasse der dritten Generation hat keinen doppelten Boden mehr, sondern vertritt technisch und in puncto Positionierung ein völlig neues Konzept. Mit sportlichen Attributen soll sie jetzt im wachsenden Segment der kompakten Premiumfahrzeuge punkten Text Stefan Lüscher · Fotos Werk
V
orbei sind die Zeiten, in denen Mercedes mit Van-artig hoher Sitzposition und einer Sandwich-Konstruktion die Sicherheit und Antriebstechnologie der Kompaktklasse neu definieren wollte. Bei ihrem ersten Auftritt 1997 machte die A-Klasse zunächst mit dem fatalen Elchtestergebnis von sich reden – ein denkbar ungünstiger Start. Doch der kleinste aller Benze rappelte sich schnell wieder auf, kehrte mit serienmäs-
sigem ESP zurück und vermochte sich einen festen Platz in der Kompaktklasse zu erobern. Von den ersten beiden Generationen wurden bis Ende 2011 über 2,2 Millionen Exemplare verkauft – 37 000 davon in der Schweiz und auch hier in erster Linie an Frauen und ältere Verkehrsteilnehmer. Als Imageträger oder Motivation für die Jugend, sich der Marke Mercedes zuzuwenden, taugte die Baureihe dagegen nie.
herbst 2012 007
fahrtermin RUBRIKEN
Neue, quer eingebaute Turbomotoren arbeiten mit relativ kleinen Hubräumen und generieren schon bei sehr tiefen Drehzahlen hohe Drehmomente
Mit der dritten Modellgeneration, die intern W176 genannt wird und ab September in der Schweiz zu haben ist, hat sich Mercedes deshalb zu einem spektakulären Neubeginn entschlossen. Ab sofort reitet man auf der jung-dynamischen Welle und hat konsequenterweise mit einem weissen Blatt Papier begonnen: Bei der neuen A-Klasse ist jede einzelne Schraube neu. Herausgekommen ist ein für Mercedes überraschend progressives und sehr emotionales Design, rund 40 cm länger und mit einer um 18 cm flacheren Dachlinie als beim Vorgänger, einer ausgeprägt langen Motorhaube und einem verjüngenden Heck mit Spoiler und Diffusor, das entfernte Parallelen zum VW Scirocco aufweist.
008 VECTURA #4
Die direkten Konkurrenten sind jedoch bei Audi und BMW zu suchen – beim ebenfalls komplett neuen A3 und dem ein Jahr frischen 1er. Wie ihr Vorgänger ist die neue A-Klasse zwar ein Fronttriebler, erstmals wird es ab Frühling 2013 aber auch diverse Allradmodelle, ein Coupé, einen kompakten SUV und die ultimative Sportversion A 45 AMG (Weltpremiere in Genf) mit deutlich über 300 PS geben. Gestartet wird zunächst mit dem Fünftürer in den vier Ausstattungslinien Basis, Style, Urban und AMG Sport. Letzterem ist der beim Concept Car gezeigte, fast etwas überstylte Diamantkühlergrill vorbehalten; ausserdem gibt es diverse Design-Pakete für die Individualisierung.
TECHNISCHE DATEN
Mercedes-Benz A 200 BlueEfficiency Konzept Kompakte Stufenhecklimousine mit vier Türen und fünf Sitzplätzen; wahlweise mit Front- (Handschaltung) oder Allradantrieb (Automat) Motor
Als Antriebsquellen stehen neue, quer eingebaute Turbomotoren zur Verfügung. Sie arbeiten mit relativ kleinen Hubräumen und generieren schon bei sehr tiefen Drehzahlen hohe Drehmomente, was eine betont ruhige, unaufgeregte Fahrweise begünstigt. Auch die Verbrauchswerte können sich sehen lassen, zumal die neue A-Klasse mit einer rekordverdächtig guten Aerodynamik aufwarten kann und alle Triebwerke schon serienmässig über eine Stopp-Start-Funktion verfügen. Bei den Benzinern reicht das Leistungsspektrum zur Markteinführung von 122 bis 211 PS, bei den Turbodiesel hat man die Wahl zwischen 109 PS und 136 PS, was sich im A 200 CDI aber dank 300 Nm ab 1600/min
Code M 270.910, vorne längs eingebauter VollaluminiumVierzylinder nach dem Downsizing-Prinzip. Turbo-Aufladung, zwei oben liegende Nockenwellen, Kettenantrieb, 4 Ventile pro Zylinder, Camtronic-Ventilhubumschaltung, BenzinDirekteinspritzung, Stopp-Start-System
Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung
1595 83 x 74 10,3:1 156 (115) @ 5000 250 Nm @ 1250 – 4000 M6 (Option 7G-DCT)
Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder
429 /178 /143 270 155/155 205/55 R 16 V auf 6,5 J
Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS
50 341 bis 1157 ab 1370 1935 8,78
0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h
8,4 224
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF
8,3 (Sport: 7,9) 191 (Sport: 183) F 37 990.–
* gemessen nach NEFZ, Neuer Europäischer Fahrzyklus
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fahrtermin RUBRIKEN
schon sehr kräftig anfühlt. Eine ausgezeichnete Wahl stellt zudem das ebenfalls neue Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe dar (als Option für CHF 2795.–). Man kann es in den Automatikmodi Comfort oder Sport fahren oder mittels – etwas klein geratener – Schaltwippen am Lenkrad manuell schalten. So oder so wechselt es die Gänge effizient und butterweich ohne jeden Schaltruck. Der neue Stern in der Kompaktklasse, wie ihn die MercedesVerantwortlichen gerne titulieren, verzichtet im Vergleich zur Konkurrenz auf adaptive Stossdämpfer und unterschiedliche Fahrdynamikprogramme. Trotzdem kann man ihm nach ersten Testfahrten ein äusserst ausgewogenes Fahrverhalten mit hohen Kurvengeschwindigkeiten und eine tadellose Traktion attestieren. Die elektromechanische Lenkung agiert sehr präzise und vermittelt besten Fahrbahnkontakt. Im Grenzbereich verhält sich die neue A-Klasse jedoch markentypisch eher konservativ und nie auch nur ansatzweise übersteuernd. Das dezent eingreifende ESP lässt sich bei Bedarf nur teilweise und über mehrere Klicks in einem Untermenu deaktivieren, was aber den dynamischen Charakter der A-Klasse und den Fahrspass keineswegs schmälert. Sitzkomfort, Platzangebot und Ausstattung lassen ebenfalls kaum Wünsche offen, zumindest wenn man bei Letzterem vom umfangreichen Optionenkatalog ausgiebig konsumiert und den 010 VECTURA #4
A auf S-Klasse-Niveau hievt. Zum Angebot gehören auch diverse Assistenten wie das Schutzsystem Pre Safe, ein aktiver Parkassistent, die sehr empfehlenswerte kamerabasierte Schildererkennung und ein hervorragender adaptiver Fernlichtassistent mit Bi-Xenon-Licht. Serienmässig ist bereits ein Aufmerksamkeitsassistent, der das Verhalten des Fahrers überprüft und diesen wenn nötig zur Kaffeepause schickt. Auch ein Kollisionswarner, der radargestützt vor Auffahrunfällen warnt und beim optimalen Bremsen hilft, ist schon ab Werk an Bord. Nicht zuletzt ist die A-Klasse für die anvisierte Generation Facebook ein iPhone auf Rädern: Das trendige Smartphone lässt sich komplett integrieren und zaubert seine Inhalte über Sprachsteuerung oder Tasten auf ein knapp 15 Zentimeter grosses Farbdisplay im iPad-Look. Damit wird die Metamorphose der A-Klasse nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich überzeugend vollzogen.
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RUBRIKEN
Generation
Fahrspass
Honda CR-Z versus Porsche 912: ungleicher Vergleich auf dem Gurnigel, der ältesten Schweizer Rennstrecke
Text Matthias Pfannmüller · Fotos Ian G.C. White, map
012 VECTURA #4
vergleichstest
Z
ugegeben: Einen klassischen Elfer gegen einen neuzeitlichen Mild-Hybrid antreten zu lassen, ist mindestens ungewöhnlich. Doch bei näherem Hinsehen verblüffen die Ähnlichkeiten: «Unser» Porsche verfügt ebenfalls über vier Zylinder, denn es ist ein 912. Auch das Leistungsgewicht beider Kandidaten ist relativ nah beieinander. Das Gleiche gilt für Radstand, Karosserieabmessungen oder Platzangebot. 912 gegen CR-Z – hier treffen natürlich auch Antriebskonzepte und technische Kulturen aus völlig unterschiedlichen Epochen aufeinander: Knapp 45 Jahre trennen den Deutschen und den Japaner, das sind Welten. Der Zwölfer steht für die analoge Autowelt, in der Besitzer noch viel selbst machen konnten. Hondas «Z» dagegen ist ein Kind des digitalen Zeitalters und vollgestopft mit Elektronik, die nur noch in der Markengarage gewartet werden kann.
Die einende Klammer heisst Fahrspass: Sowohl der 912 als auch der CR-Z bieten reichlich davon, aber jeder auf seine eigene Art und Weise. Die Gemeinsamkeit liegt in den Motoren: Beide Hersteller bauen fabelhafte Triebwerke, die nicht nur für den Trip von A nach B entwickelt wurden. Diese Maschinen sind das Produkt begeisterter Ingenieure, die sich während der Entwicklung vorgestellt haben, einmal selbst damit fahren zu wollen.
Und noch etwas verbindet CR-Z und 912: Sie wurden für eine Klientel gemacht, die zwar Dynamik sucht, aber dafür keine Unsummen auszugeben bereit ist. Nachdem Porsche 1965 die Produktion des Typ 356 eingestellt hatte, trat der 912 mit dessen Vierzylinder als neues Einstiegsmodell unterhalb des Elfers an. Der Zwölfer ist optisch identisch, aber spartanischer ausgestattet. Entworfen wurde die Urform vom kürzlich verstorbenen Alexander Porsche; seitlich und von schräg hinten wirkt das Auto etwas gedrungen. Ein ab 1969 um knapp sechs Zentimeter gestreckter Radstand der B-Serie – sie kam mit seitlichen Karosserieanpassungen, doch die Gesamtlänge blieb unverändert – sieht das Coupé wesentlich stimmiger und eleganter aus. Gemeinsam mit einer schon 1968 erweiterten Spurbreite bietet das B-Modell mehr Fahrstabilität, um sein im Grenzbereich nervöses Heck besser unter Kontrolle zu halten. Der Foto-912 ist einer der allerletzten und weist deshalb ebenfalls den langen Radstand auf. Lange verschmäht, entwickelt der Zwölfer heute einen ganz besonderen Reiz; originale Exemplare kosten in gutem Zustand inzwischen 70 000 Franken und mehr.
Einen neuen CR-Z gibt es für weniger als die Hälfte. Was auch daran liegt, dass er in Europa nur schwer Fuss fassen kann: Gerade mal 65 000 Einheiten wurden seit Markteinführung im herbst 2012 013
vergleichstest
Sommer 2010 weltweit verkauft, von den Schweizer Zahlen will man hier erst gar nicht sprechen. Das stört die Zentrale in Japan offenbar nicht – sie hat den Zweitürer speziell für die absatzstarken Vereinigten Staaten konzipiert, um den US-Geschmack auszuloten. Denn der ist dem Unternehmen für kommende Baureihen besonders wichtig. In Übersee ist man auch so konsequent, den CR-Z als reinen Zweisitzer ohne Rückbank auszuliefern, die ohnehin nur für die berühmten beinamputierten Zwerge taugt. Geblieben ist das klassische Honda-Motorkonzept – ein bedarfsweise hoch drehender Vierzylinder, für den die Autowelt 1964 schon jenen Bonsai-Roadster S600 bewundert hat. Auch der CR-Z entwickelt zwischen 4500 und 6500 Touren ein recht erstaunliches Temperament, was nicht zuletzt am passend untersetzten, knackigen Sechsgang-Schaltgetriebe liegt. So vertritt das Hybrid-Coupé die sportlichen Lorbeeren seines Hauses mit jener Würde, welche Insight-Chassis und Jazz-Komponenten zulassen. Steif ist er ja, der CR-Z – und smart zusammengebaut: Da wackelt nichts, auch Kurven werden sehr stabil genommen. Den notdürftig nach unten gerückten H-Punkt – mit ihm definieren Konstrukteure das Becken des Fahrers, also dessen Sitzhöhe über Asphalt – spürt man allerdings. Auch an den unter starker Beanspruchung nicht Fading-freien Bremsen ist zu merken, dass hier Baukasten-Komponenten neu kombiniert wurden. Kurz: Der CR-Z ist ein intelligent gemachter Zweitürer, aber sicher kein reinrassiger Sportwagen.
Das Asia-Coupé zitiert optisch den verblichenen CRX, der 1984 lanciert wurde und sich als «Pocket Rocket» international einen Namen machte. So gesehen verfügt auch der Z über eine jahrzehntelange Modellgeschichte. Entworfen wurde er von Honda-Chefdesigner Motoaki Minowa, der einen windschnittigen Hatchback mit steiler Heckpartie ablieferte. Dem aerodynamisch günstigen Formkonzept folgen immer mehr Modelle – Volkswagens Scirocco gehört dazu, der Hyundai Veloster oder Volvos just auslaufender C30. Das Honda-Styling wirkt im Vergleich mit dem klassischen Porsche wie Alko-Pop gegen Champagner. Die CR-Z-Karosse begeistert nicht jeden auf den ersten Blick, bietet allerdings clevere Detaillösungen und wird nie langweilig. Beim Porsche geht das Heck nach unten, beim Honda nach oben und schafft dank Frontmotor einen beachtlichen Kofferraum – aber auch eine zweiteilige Heckscheibe mit störendem Balken im Rückspiegel. Von der Rundumsicht des 912 kann man im Japaner nur träumen, so wie in vielen anderen modernen Autos auch. Vorne ist er dagegen «cab forward», ragt die Bugpartie weit über die Räder. Nach dem tragischen Ableben des S2000 vor drei Jahren muss der CR-Z die sportliche Fahne des Hauses hochhalten, bis 2014 ein neuer Civic Type R antreten wird. Auf den neuen NSX müssen
Fans noch länger warten, doch eine Honda-Vorgabe gilt für alle drei: mehr Effizienz für sportliche Autos. Der Hersteller will hier ganz vorne dabei sein, und der Z spielt bei dieser Strategie eine Vorreiter- und Forschungsrolle – technisch, aber auch in Bezug auf die Marktakzeptanz. Für engagierte CR-Z-Erlebnisse braucht es aber auch einen respektlosen Fahrer, der bereit ist, kräftig Gas zu geben und das Auto von seiner scheinbaren Lethargie zu befreien. Dabei fühlt sich Hondas Motor-Getriebe-Abstimmung schon bei Tempo 50 sehr gelungen an: Es ist immer ausreichend Leistung abrufbar, um zügig anzufahren oder im Extremfall gar zu überholen. Mit den drei Tasten «Econ», «Normal» und «Sport» lässt sich der Charakter auf Knopfdruck verändern, leuchten die 3D-Instrumente grün, blau oder rot. Der Öko-Mode schafft in Verbindung mit dem serienmässigen Stopp-Start-System locker Vier-Komma-Verbräuche, aber dann kann man auch gleich die Bahn nehmen.
Im Sport-Programm sind es schnell sechs Liter, dafür schärft das Auto die Gasannahme und geht spürbar dynamischer zur Sache. Seine dann auch direkter agierende Lenkung macht aus dem Japaner einen Kurvenräuber. Oberhalb von 5000 Touren beisst der CR-Z richtig herzhaft zu. Drehzahl statt Hubraum: Sein Besitzer, zuvor mit einem drehmomentgewaltigen Sechsliter-V8 unterwegs, ist zufrieden damit und hat auch nach zwei Jahren noch nicht genug von dem kleinen Spaceship. Als einziges Manko nennt er den Frontantrieb, obwohl: Mit provozierten Lastwechseln (also Gas wegnehmen) lässt sich das Heck in Kurven gezielt ausschwenken, neigt der CR-Z zum Übersteuern, kann man sogar driften. Auch im Winter kommt der Sport-Hybrid erstaunlich weit und erklimmt auf den richtigen Reifen so manchen Pass. Während der ansonsten leise Honda unter Vollgas knurrt, klingt der 912 allzeit wie ein hochgezüchteter Käfer, betört mit dem heiseren Rasseln seines luftgekühlten Vierzylinder-Boxermotors. Doch so sehr sich der auch bemüht – dem Honda fährt er nicht davon. Zwischen Gurnigelbad und Stockhütte hat er nicht den Hauch einer Chance; am Berg verendet er regelrecht, fällt weit zurück. Kein Wunder: Zwischen ihm und dem Japaner liegen über 50 Jahre Auto-Evolution. Dank zusätzlicher Batterie-Power fühlt sich der CR-Z zuweilen wie ein 1,8-Liter-Modell an. Dazu kommen ein paar konstruktive Tricks wie die Kraftportionierung auf sechs Gänge, mit denen die limitierte Motorkraft besser abrufbar wird. Dem Porsche verschafft sein kurzer zweiter Gang beim Zwischenspurt für Sekunden einen hauchdünnen Beschleunigungsvorteil, doch spätestens bei 60 km/h zieht der Honda wieder vorbei. Immerhin: Der Zwölfer fühlt sich auch nach Jahrzehnten noch sehr solide an und ist deutlich leichter. Beim Japaner fallen der Hybridantrieb inklusive Batterie sowie die Komfort-Features (LED-Tagfahrscheinwerfer, Regen- und Lichtsensoren, sechs
Klassik trifft Manga-Design: Der Porsche ist der Ästhetik verpflichtet, der Honda steht für umweltbewusste Sportlichkeit. Hingucker sind beide
014 VECTURA #4
Airbags, Servolenkung, Zentralverriegelung, Tempomat, Subwoofer-Stereoanlage, iPod-Anschluss, Sprachsteuerung oder Klimaautomatik) ins Gewicht. Gespart hat Honda beim Blech: Die Türen fallen dröhnend ins Schloss, während die des Porsche mit sattem «pop» schliessen.
912-Piloten fahren dagegen in Abwesenheit all jener Sicherheitssysteme, die heute selbstverständlich sind. Gurte sind das höchste der Gefühle, und selbst die gab es anfänglich nur gegen Aufpreis. Dafür riecht – Pardon – duftet der 912 herrlich nach Benzin und wird immer wertvoller. Ob der CR-Z in vier Jahrzehnten Sammlerstatus haben wird, darf bezweifelt werden. Allein die Batterie dürfte dann komplett entladen und kaum ersetzbar sein. Das Auto ist eher der Gegenwart verpflichtet, punktet mit Umweltbewusstsein und verbraucht praktisch nie mehr als sechs Liter. Ende Jahr kommt ein Facelift inklusive neuem Batteriesys-
tem, das leichter und stärker ausfallen soll. Die noch aktuelle Serie 1 ist somit angezählt und – pssst! – beim Honda-Händler derzeit besonders günstig zu erwerben. Fazit: Die Unterschiede zwischen dem rassigen 912 und dem komfortablen CR-Z treten erst langfristig zu Tage. Während der zeitlos schöne Porsche immer teurer wird, zeigt der moderne Honda, dass Fahrdynamik und Spritsparen kein Widerspruch sein müssen. Spätestens bei der übernächsten Verschärfung der CO2-Norm wird er seine Vorreiterrolle allerdings einbüssen.
herbst 2012 015
Der 912 erfordert engagiertes, weil Servo-freies Fahren. Die Fuchsfelgen sind bis heute eine begehrte Option
016 VECTURA #4
Captain Future: Der Honda beschleunigt mit elektrischer Unterst端tzung. Das Holz-Heck ist nicht original, sondern eine Spezialfolie von 3M herbst 2012 017
vergleichstest
TECHNISCHE DATEN Honda CR-Z
TECHNISCHE DATEN Porsche 912
Konzept Spurten und Sparen: Der CR-Z soll beides können. 2+2-sitziges Fastback-Coupé mit mutiger Formsprache und durchdachtem Infotainment. Frontantrieb
Konzept Basismodell der zweiten Strassensportwagen-Generation des Herstellers, der aus jenem Entwicklungsbüro hervorging, das einst den VW Käfer konstruierte. 2+2-sitziges Sportcoupé mit markentypischer Heckmotor-Anordnung, Heckantrieb
Motor
Motor
Drehfreudiger Alu-Vierzylinder mit oben liegender Nockenwelle (Kette), fünffach gelagerter Kurbelwelle und E-MotorUnterstützung (Mild Hybrid), elektr. Einspritzung, FrontmotorAnordnung
Luftgekühlter Vierzylinder-Aluminium-Heckmotor mit hängenden Ventilen und zentral angeordneter Nockenwelle und vierfach gelagerter Kurbelwelle. Zwei Fallstrom-Doppelvergaser (Solex 40 PJJ-4), Ölkühler
Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung
1497 73 x 89,4 10,4:1 114+14 (84+10) @ 6100 174 @ 1000–1500 M6
Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung
1582 82,5 x 74 9,3:1 90 (66) @ 5800 138 @ 3500 M4*
Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder
408/174/139,5** 243,5 152/150 195/55 R16 (a.W. 205/45 R17)
Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder
416/161/132 227 136/134,5 165 HR 15 (a.W. 185 HR 14 oder 185/70 VR 15)
Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS
40 225–595 1145 1520 8,9
Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS
62 200 950 1300 10,6
0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h
9,9 200
0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h
13,2 185
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF
5,5 117 A 29 900.–
Durchschnittsverbrauch in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF
ca. 11 k.A. – 24 060.– (1969)
* gemessen nach NEFZ, Neuer Europäischer Fahrzyklus ** inkl. Dachantenne
018 VECTURA #4
* Option: vollsynchr. Fünfganggetriebe
TURBINE XL, A1050/1 DOUBLE ROTOR TECHNOLOGY
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Brot & Spiele Trotz aller Kritik am Individualverkehr: Autosalons gleichen heute immer mehr (oder gerade deswegen) einem Tanz um das goldene Kalb, sind der medial perfekt inszenierte Zirkus des 21. Jahrhunderts. VECTURA blickt mit einem Insider hinter die Kulissen Text Robert Waltmann 路 Fotos Andreas Keller
020 VECTURA #4
circus maximus
Showtime: dreimal Audi-Stand in Peking 2012
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leissendes Scheinwerferlicht, blitzende Karossen, viele, sehr viele schöne Frauen, Prominente, Premieren, Performances – so kennt man die Selbstdarstellung der Automobilfirmen von gelegentlichen oder auch regelmässigen Besuchen – zum Beispiel in Genf oder Paris. Kaum einem Besucher oder Journalisten ist aber bekannt, welcher unglaubliche Aufwand hinter diesen Messeständen steckt, die da so unverrückbar den Rahmen für die Auto-Premieren und Exponate bilden. Ein Grossteil des Publikums macht sich gar nicht klar, dass die Hallen noch vor kurzem gähnend leer waren. Das Schema ist rund um den Globus immer wieder gleich: Bis zu 20 Tage wird aufgebaut, gute zehn Tage läuft die Show, und nach Messeende muss alles nach spätestens fünf Tagen wieder verschwunden sein. Die Königsklasse sind die sogenannten A-Messen, neben den vielen B- und C-Messen in aller Welt und den rein regionalen Shows. Der Messezirkus im High-End-Bereich der A-Klasse
kennt den jährlichen und zweijährigen Turnus: Den Auftakt bildet traditionell Detroit im Januar, dann geht’s nach Genf (beide jährlich), danach folgen Peking (im Wechsel mit Shanghai), Moskau, Frankfurt, Paris und Tokio im Zweijahres-Rhythmus – fast könnte man den Veranstaltungskalender mit dem der Formel 1 vergleichen… Das ist Globalismus in Perfektion. Nicht umsonst gibt es in der Branche den Satz «Nach der Messe ist vor der Messe»: Teilweise nahtlos anschliessend, teilweise sogar überlappend, laufen die Vorbereitungen bei den Autoherstellern, Architekten, Agenturen, Kommunikationsfachleuten, dem technischen Personal und nicht zuletzt den Journalisten. So war das natürlich nicht immer: Man kennt die SchwarzweissAufnahmen aus den fünfziger Jahren – Teppich auf dem Hallenboden, Namenschilder von der Decke abgehängt, Sperrkordeln, Topfpflanzen, fertig war der Messestand. Schon in den sechziger Jahren änderte sich das: Drehbühnen, doppelstöckige Gebilde, zunächst alle noch sehr einfach und schlicht, weil herbst 2012 021
circus maximus
meist rein hölzerne, einfache Konstrukte. Der Aufwand steigerte sich bis in die Achtziger. Der Wandel zur Top-Architektur, teilweise mit Hochbau-Anspruch, kam dann in den neunziger Jahren, und die Werkstoffe glichen sich immer mehr der modernen Architektur an – Glasfassaden, Marmor oder Edelstahl machten aus der ehemals rein zweckorientierten Präsentation der eigentlichen Stars, Automobile und Showcars, eine Darbietung der jeweils kompletten Markenwelt. Bis zur 9/11-Katastrophe im Herbst 2001 in New York und Washington war noch die Live Performance dazugekommen – laut, heftig, eben Show pur. Die Attentate wurden zur Eröffnung der IAA Frankfurt verübt, was zum fast augenblicklichen Verstummen eben jener Vorführungen führte, welche danach auch nie wieder dieselbe Popularität erreichten. Ab Mitte der neunziger Jahre und noch verstärkt in den 2000ern folgte der Boom bewegter Bilder, gigantische LED-Wände blitzten auf, mit Musikvideo-artig schnellen Schnitten und perfekti-
onierten Filmdarstellungen; das ist bis heute ein ungebrochener Trend. In dieser Zeit wurde die Crème-de-la-Crème aller Branchenmessen, die Automobilmesse, auch zum Spielfeld renommierter Architekten und Designer, die in dem kurzlebigen Umfeld die Möglichkeit entdeckten, Trendsetter zu werden oder bisher «Unmögliches» möglich zu machen. Ein gutes Beispiel ist die Messearchitektur von Schmidhuber + Partner/München für Audi, die gigantische organisch geformte Bauten vorgab; man denke nur an den Pavillon auf der letzten IAA im Herbst 2011, vom deutschen Messebauer Ambrosius realisiert. Oder an den monumentalen Bau von Daimler für Mercedes-Benz und Maybach; traditionell ist der Konzern schon immer in der historischen Frankfurter Festhalle auf dem Messegelände zu Hause. Letztes Jahr, erstmalig von Display International aus Würselen bei Aachen projektiert und gebaut, stand dort ein 16 Meter hoher Bau mit der grössten Bühne und gestaffelten LED-Screens, die man je zu diesem Zweck gesehen hat – 40 Meter lang und zwölf Meter hoch. Dort ging eine Showkombination aus
Erlebniswelt: Kia-Bühne in Genf 2012
022 VECTURA #4
Grossbaustelle: der Mercedes-Stand in der Festhalle Frankfurt (IAA 2011), vorher und nachher
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Live-Act und Film derart raffiniert im wahrsten Sinn des Wortes über die Bühne, dass den Zuschauern nicht nur die Luft wegblieb, sondern auch die Jury des ADC (Art Directors Club) befand, dass das gleich mehrere Preise wert war.
passiert. 890 Tonnen Stahl, 17 000 Quadratmeter Holzwerkstoffe, 68 Kilometer Elektroverkabelung und 3500 Leuchtmittel – das waren die Zutaten für diese Inszenierung der Superlative. Alles in allem waren 1000 Leute an diesem Projekt beteiligt.
Die Vorbereitungen zu diesem Messestand, der wohl den Superlativ dessen bildet, was heute im Messebau geht, waren extrem intensiv. Zunächst hatte man die Architekten KTP (Kauffmann, Theilig & Partner/Stuttgart) gefragt, dann ging der eigentliche Bau über mehrere Wochen los. Display International musste die 10 000 Quadratmeter überbauten Raum zunächst in Einzelteilen durch eine einzige Toröffnung in die Festhalle bringen, um dann den Stahlbau, das dreigeschossige Gebäude und die Bühne Schritt für Schritt einzubauen. Hunderte von Handwerkern arbeiteten gleichzeitig emsig ihre Vorgaben ab, diverse fahrbare Kräne hievten die sperrigen und schweren Bauteile in die Höhe. Der Zeitdruck sitzt stets im Nacken, das gilt ganz allgemein für die Messebau-Branche: Schichtarbeit und viele Überstunden sind normal, alle arbeiten auf den Zeitpunkt der Übergabe hin, die absolut fix ist, es gibt keine Verspätungen, egal, was auch
So sah man in Frankfurt 2011 recht gut, wohin der Wettbewerb der Marken neben dem der Automodelle auch führt: Der eine Hersteller, Audi, liess auf der Agora-Freifläche quasi ein UFO mit spektakulären Kurven landen, das in luftiger Höhe um die geschätzt gut zehn Millionen teure Halle echte Probefahrten zu bieten hatte. Der andere, BMW, hatte schon auf der IAA 2009 und dann auch 2011 eine vom Schweizer Messe- und Veranstaltungsspezialisten Nüssli realisierte richtige Strasse in seine Halle gebaut, auf der aktuelle Modelle die Zuschauer umkreisten. Mercedes wiederum bot in seinem Festhallen-Messestand einen 650 Meter langen Parcours, der die Besucher zunächst über eigens zu diesem Zweck montierte Rolltreppen nach oben brachte, von wo aus sie dann an allen ausgestellten Fahrzeugen vorbei über drei Ebenen zu Fuss bis unten defilieren konnten – wenn man nicht gerade die «medial-kinetische» Vorführung auf der Bühne genoss.
Come together: Volkswagen-Stände 2007 in Frankfurt und 2012 in Detroit (rechts)
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Auch diese Premiumhersteller schwelgen nicht immer in solchen Superlativen. Viele Messen weltweit werden aus Fundusmaterial in Kombination mit attraktiven Zusatzelementen gebaut. Das teure Material wird also mehrfach verwendet und sowohl umweltfreundlich als auch kostenbewusst eingesetzt. Nur so kommt man bei grossen Flächen auf niedrige einstellige Millionenbeträge. Ein ganz besonderer Leckerbissen für Architekturfans ist der jährliche Genfer Automobilsalon. Er hat ein ganz besonderes Flair, was vielleicht hauptsächlich daher kommt, dass man dort ganz konsequent eine Art Landschaftsordnung pflegt: An den Hallenwänden entlang befinden sich die ganz grossen Stände, aufwendig bis luxuriös, in der Mitte stehen kleinere Marken, die ihre Stände und Präsentationen nur bis auf Augenhöhe aufbauen dürfen, so dass man über drei riesige Hallen hinweg von überall aus einen wirklich spektakulären Blick auf das Gesamtgeschehen hat – das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. Die hohe Kunst des automobilen Messebaus ist übrigens fest in deutscher und Schweizer Hand: Beide Länder verfügen über
eine Handvoll Spezialisten, die diese State-of-the-Art-Präsentation am besten beherrschen und die man an den Messeplätzen in aller Welt ständig antrifft. Und nicht überall herrschen so geordnete Verhältnisse wie beispielsweise in Frankreich, Deutschland oder der Schweiz. In Detroit weht ein rauer Wind, nicht nur wettermässig, sondern auch in den Hallen. Wer dort versucht, selbst einen Hammer in die Hand zu nehmen, wird von der örtlichen Gewerkschaft schnell darüber aufgeklärt, dass in der Halle nur amerikanische organisierte Kräfte arbeiten dürfen. Wer das nicht beachtet, dem wird notfalls der Strom für die Werkzeuge abgestellt und das Licht ausgeschaltet. In China fällt vor allem auf, dass trotz der avantgardistischen Wolkenkratzer im Stadtbild, entworfen von den weltweit berühmtesten Architekten, die reale (Messe-)Bau-Wirklichkeit noch etwas mittelalterlich anmutet. Da kann es durchaus passieren, dass der Gabelstapler ungenutzt herumsteht und die 500-Kilo-Last lieber von 20 Arbeitskräften durch die Gänge getragen wird. Und man darf sich nicht wundern, an allen Ecken der Halle, tags wie nachts, schlafende Wanderarbeiter anzutreffen, die den Weg
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ins Schlafquartier einsparen, falls überhaupt eines existiert. In Peking oder Shanghai wird die relativ neue Lust am Auto auf den Messen besonders sichtbar: Nicht nur, dass es so brechend voll ist, dass einem vor lauter medialer Präsenz oft Hören und Sehen vergeht. Nirgendwo sonst sieht man auch so viele junge wohlgeformte Frauen und Männer an den ausgestellten Fahrzeugen, die für den entsprechenden Blickfang sorgen sollen – und die manchmal von den Weltpremieren, die ja heute zunehmend in China stattfinden, ablenken können.
Farbenfrohe Clubatmosphäre: zweimal Citroën 2009 in Genf (unten) und 2011 in Frankfurt (oben)
Ziemlich lang ist auch die Liste der Beispiele, was alles schiefgehen kann, wenn man nur wenige Tage Zeit hat, 5000 oder 10 000 Quadratmeter mit den feinsten Materialien zu bebauen, wofür man ausserhalb des Messebetriebs Monate brauchen würde. Da fährt ein viel zu schnell bewegter Gabelstapler genau in jenes Gestell, auf dem speziell geformte Glasscheiben deponiert sind, die man als Nächstes gebraucht hätte. Oder es gibt Wassereinbruch bei Regen von oben, durch versehentlich ausgelöste Sprinkler in den Räumen von innen oder gar von allen Seiten, weil nach dem Wolkenbruch ein Mini-Tsunami durch die Halle schwappt. Auch Wasser in fester Form kann eine kleine Katastrophe auslösen, wenn bei minus 20 Grad Celsius ein Container festgefroren und nicht mehr zu bewegen ist. Auch aus grösserer Höhe fallende Werkzeuge hinterlassen äusserst unschöne Spuren auf Motorhauben – alles schon passiert, und trotzdem schafft man es irgendwie immer, auch damit fertigzuwerden. Bei allem Tamtam: Das Auto ist rund um den Globus noch immer sehr greifbar der Mittelpunkt des mobilen Interesses, und das ganz analog und live, mit bis zu einer Million Besucher pro Messe, natürlich begleitet von sehr umfassender medialer Berichterstattung in den Printmedien oder zunehmend im Internet. Aber diese aufwendigen Veranstaltungen sind ausserdem auch sehr emotional und eine Begegnung der Sinne – Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken, Riechen. Dieses Erlebnis kann man in keiner Zeitung oder Sendung, sondern so komprimiert eben doch nur auf der Messe erleben!
Robert Waltmann (65) ist seit 1992 Geschäftsführer Verkauf & Marketing der Display International, eines führenden Players im Automobil-Messebau (www.displayint.com). Er ist regelmässig auf den wichtigen Automessen anzutreffen. 026 VECTURA #4
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Er begann einst als Toyota-Garagist, baute dann eigene Autos auf. demnächst arbeitet Jonathan Ward mit ALTMEISTER Ercole Spada zusammen Text Matthias Pfannmüller · Fotos William Bradford, Michael Muller, Pedenmunk, Alastair Ritchie, Werk
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enn es um Kultautos geht, hat jeder «Motorhead» sofort ein eigenes Bild im Kopf. Bei Jonathan Ward ist es der Original-Toyota BJ40 Baujahr 1958 bis 83, allgemein auch «Landcruiser» genannt – und Urmodell einer ganzen Modell-Dynastie, die bis heute weit über sechs Millionen Mal produziert worden ist. Über 800 von ihnen nannte der 42-Jährige schon sein Eigen, und dabei wird es wohl nicht bleiben. Das Auto ist für ihn «die Essenz der Coolness», und da war es nur konsequent, 1996 unter der Firmenbezeichnung TLC in Van Nuys nördlich von Los Angeles – und nur für diesen einen Fahrzeugtyp, versteht sich – eine Garage für Service, Restauration und Ersatzteile zu eröffnen. Kunden gab es wie Sand am Meer: In Kalifornien erfreut sich der Landcruiser nach wie vor grosser Beliebtheit; er ist sozusagen das Gegenstück zum VW Bulli: In Letzterem sassen meist softe, langhaarige Frauenversteher, doch echte Kerle fuhren einen gestrippten BJ ohne Dach und Türen. Qual der Wahl: Das FJ-Cockpit gibt es entweder «Old School»…
TLC lief mit den Jahren so gut, dass selbst der Toyota-Konzern im fernen Japan auf Ward aufmerksam wurde. Die Japaner vertrauten dem in Maryland geborenen und in New York aufgewachsenen Landcruiser-Guru zunächst kleinere Projekte an, bevor ihn Konzernboss Akio Toyoda persönlich darum bat, einen modernen BJ-Nachfolger zu konzipieren und auch gleich drei fahrbare Prototypen zu bauen. So geschah es, doch letztlich gingen die Meinungen in Bezug auf Power und Styling zu weit auseinander. Toyota brachte 2006 den selbst entwickelten FJ Cruiser auf den Markt. Ward selbst dachte weniger an einen neumodischen Aufguss, sondern an «klassisches Styling, moderne Fahrleistungen und zeitlosen Nutzwert»: Der Plan, den BJ-Look der Baujahre 1960 bis ’75 mit leistungsstarker Technik zu paaren, kam also fast zwangsläufig. Und weil Ward jede Landcruiser-Schraube beim Vornamen kennt, war der erste Prototyp im Jahr 2004 fast ein Kinderspiel. Alles, was vom Original übrig blieb, waren der Leiterrahmen und die Fahrgestellnummer: Sie ist bis heute wichtig, um den Neuaufbau ohne Crash- und Emissionstest zulassen zu können. Der «Rest» stammte aus den Regalen verschiedener Grossserienhersteller, um Versorgung und Bezahlbarkeit zu gewährleisten. Gasdruckstossdämpfer ersetzten Blattfedern, Scheibenbremsen die betagten Trommeln, LED-Spots die gelblich funzelnden Glühbirnen der Instrumentenbeleuchtung. Andere Teile wie optisch originalgetreue, aber Teflon-beschichtete Karosseriebleche, die Kabinen-Isolierung, Achskomponenten oder das Softtop wurden extra angefertigt. Auch beim Antrieb ging man keine Kompromisse ein – und verpflanzte einen Chevy-V8 in den Bug, der mit 350 SAE-PS gut dreimal so viel Leistung aufwies wie die seligen Sechszylinder-Benziner aus japanischer Produktion. Damit schaffte es der vier Meter lange, leer 1700 Kilo schwere Geländewagen in 6,7 Sekunden auf 100 km/h, war furchteinflössende 185 Stundenkilometer schnell und wirkte sowohl solide als auch professionell gemacht, wie wir auf einer Probefahrt im Jahr 2006 feststellen konnten. «Meine Autos vertragen mehr Missbrauch als der alte Landcruiser», versprach Ward und sollte recht behalten: Auch die ersten Kunden schwärmten von der Verarbeitungsqualität. Dazu lockte ein attraktiver Basispreis von 88 000 Dollar, der sich mit diversen Optionen wie Luftdruck-Sperrdifferential, Seilwinde, Sitzheizung, Klima- und Stereoanlagen natürlich auch in die Höhe treiben liess. 030 VECTURA #4
…oder in einer Baja-Ausführung mit staubdichten Digitalinstrumenten
Volle Kraft voraus: Chevy-V8-Power
MOTORMENSCHEN
Made in USA: Mit dem CJ3B bietet Ward auch einen Amerikaner an
Ward nannte seine Firma fortan «Icon» und den Geländewagen «New School», womit er auch gleich andeutete, was folgen sollte. Denn neben diesem Retro-Runner, der dank vorne und hinten getrennt aktivierbarer Untersetzungen sehr geländegängig ist und sich auf Anhieb reger Nachfrage erfreute, bietet Icon (www.icon4x4.com) mittlerweile diverse Modellvarianten mit unterschiedlichen Radständen, Aufbauten und Ausstattungen an. Damit nicht genug: Neben dem Toyota gibt es inzwischen auch potente, optisch ebenfalls nur dezent aufgefrischte Updates der Allrad-Ikonen Willys Jeep JC3B (1940–’60) und Ford Bronco (1966–’75), die wie der Toyota auch mit anderen Motoren verfügbar sind und sogar auf neu entwickelten, noch stabileren Rahmen ruhen. Ward nutzt längst nur beste Zutaten: Der CanvasVerdeckstoff kommt aus Deutschland, die Schnappverschlüsse sind von Bentley, andere Bauteile stammen von Marine- und Flugzeugzulieferern – Icons Sonnenblenden zum Beispiel finden sich auch im Lear Jet. Spezialteile wie das Markenlogo, die Bluebelly-Wüsteneidechse, werden nach wie vor exklusiv produziert. Aus der kleinen Landcruiser-Garage, die es immer noch gibt, um sich um klassische Landcruiser zu kümmern, ist so ein mittelständischer Betrieb geworden, der aktuell in Chatsworth residiert, aber einmal mehr noch grössere Räumlichkeiten sucht: Arbeiteten anfänglich noch er und seine Frau Jamie bei TLC, beschäftigt Ward heute 28 Mitarbeiter, die bisher 115 Fahrzeuge in Handarbeit produziert und ausgeliefert haben, unter anderem auch nach Dubai und Europa. Ein Icon kommt wie gesagt überall durch, nur die Schweizer Zulassung stellt eine grosse Hürde dar. Wie gross, hängt vom jeweiligen Icon-Modell und dem Grad der Umrüstung ab. In der Verordnung über die technischen Anforderungen an herbst 2012 031
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Nach Toyota und Jeep erfährt auch der Ford Bronco die Icon-Behandlung
Strassenfahrzeuge (VTS) und der asa-Richtlinie 2a Ziffer 1.2.2 der Vereinigung der Strassenverkehrsämter sind Änderungen und Umbauten von Motorwagen genau definiert. In jedem Fall gelten Icon-Modelle als Neufahrzeuge, müssen einzeln geprüft werden. Die erforderlichen Abgas- und Geräuschmessungen können bei anerkannten Prüfstellen wie dem Dynamic Test Center in Vauffelin bei Biel (www.dtc-ag.ch) ausgeführt werden. Merke: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Es dürfte trotzdem etwas länger dauern, einen Icon zu fahren, denn die Warteliste ist lang. Der Firmengründer selbst ist ein stets bescheidener, zugänglicher Typ geblieben, was ihn und seine Marke Icon noch sympathischer macht. Doch Ward ruht sich nicht auf seinem Erfolg aus, sondern sucht neue Herausforderungen. Eine nennt sich «Derelict Series» und steht für patinierte, aber technisch aktuali-
Zweites Standbein: Die «Derelict Series» spricht Hot-Rodder an
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sierte, topfitte Strassenkreuzer aus den 50er-Jahren, deren «RatLook» gerade besonders hip ist. Es gibt die US-Klassiker auch toprestauriert; dann nennen sie sich «Icon Reformers». Das jüngste Projekt ist indes noch anspruchsvoller: Der zweifache Familienvater hat sich über einen gemeinsamen Kunden rein zufällig mit dem italienischen Stardesigner Ercole Spada zusammengefunden, dessen Entwürfe für Zagato, BMW oder Fiat Automobilgeschichte geschrieben haben. Zu den Kreationen des inzwischen 75-jährigen Spada gehört auch der berühmte Aston Martin DB4 GT Zagato, und dieses Auto wird nun ebenfalls ein Revival erleben – als technisch moderner Vintage-Roadster. 2014 soll es in Pebble Beach so weit sein, und angesichts Spadas ästhetischem Empfinden und Wards Detailversessenheit muss man sich um das Ergebnis wohl keine Sorgen machen: Auch der NeoAston wird eine echte Ikone sein.
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ITALO-WESTERN er sollte in den krieg ziehen – und fuhr doch wieder nach hause: Cheetah oder die Geschichte eines vorübergehenden Scheiterns
Text Matthias Pfannmüller · Fotos Archiv Pharis, Umberto Guizzardi, Werk
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Cheetah-Keimzelle: FMC XR311
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s ist also entschieden: Die dritte Lamborghini-Baureihe, welche ab 2015 erwartet werden darf, wird keine Sportlimousine, sondern ein bedingt geländegängiger SUV sein. Urus nennt sich die Ende April in Peking gezeigte, karbonhaltige Studie mit 600 PS. Sie ist knapp fünf Meter lang, kommt trotz 166 cm Höhe optisch geduckt daher und bläht die Nüstern wie ein zum Galopp ansetzender Stier. Anders als bei vielen anderen Luxusmarken, die derzeit ins Gelände aufbrechen, um zahlungskräftigen Chinesen den Weg durch provinzielle Infrastrukturen zu bahnen, sind die Allrad-Ambitionen aus Sant’Agata nicht synthetisch. Vielmehr kann Lamborghini auf eine jahrzehntelange 4x4-Geschichte zurückblicken – und wir sprechen nicht von den Traktoren. Der wuchtige V12-Offroader LM002 ging in den 80er-Jahren in Serie, und genau genommen begann seine Geschichte schon viel früher. Aus der Not geboren Mitte der 70er ging es Automobili Lamborghini richtig schlecht. Mit dem endgültigen Ausstieg des Markengründers Ferruccio im Jahre 1974 gingen auch die besten Angestellten, fehlte es neben treibenden Kräften schnell auch am Geld und es war klar: Mit den wenigen Dutzend Countach, die damals montiert wurden, würde der italienische Hersteller langfristig nicht überleben können. Die Baureihen Jarama und Espada rangierten inzwischen unter «ferner liefen»; neue Konkurrenten wie der in den Startlöchern stehende Porsche 928 verschärften die Situation. Fremdaufträge waren das Gebot der Stunde für Lamborghini, und tatsächlich gelang es dem damaligen Generaldirektor Franco Baraldini, einen BMW-Vertrag für einen neuen Tourenwagen an Land zu ziehen – den späteren M1. Die Bayern lieferten einen Sechszylindermotor samt Getrag-Getriebe nach Norditalien, Lamborghini sollte das Auto entwickeln und mindestens 400 Exemplare bauen. Das Design steuerte kein Geringerer als Giorgetto Giugiaro bei. Angesichts dieser lukrativen Order sicherte die italienische Regierung dem strauchelnden Sportwagenproduzenten im Sommer 1976 eine Finanzhilfe zu, um den drohenden Untergang abzuwenden und die Mehrheit der Arbeitsplätze zu erhalten. Eine sich langsam erholende Wirtschaftslage sorgte für zusätzliches Selbstbewusstsein und in Sant’Agata schien es unter der Führung des damaligen Schweizer Markenbesit-
zers René Leimer jetzt wieder aufwärts zu gehen. Der spitzte die Ohren, als ihm sein Generaldirektor nach einer US-Reise von einem sensationellen Offroad-Fahrzeug berichtete. Franco Baraldini erzählt: «Schon 1975 war ich auf ein ungewöhnliches Auto aufmerksam geworden, das mich in gewisser Weise an den Countach erinnerte. Es handelte sich um einen relativ flachen Geländewagen mit hubraumstarkem Chrysler-V8-Motor, der hinten angeordnet war und dem Auto zu überragenden Fahrleistungen verhelfen sollte.» Der Allradler geht auf eine Entwicklung für den Rüstungshersteller FMC (Food Machinery Corporation) zurück: 1970 entstand dort der XR311, und er war als geländefähiges Mehrzweckfahrzeug für den militärischen Einsatz gedacht. Exakt nach den Ausschreibungsvorgaben der US-Armee konzipiert, die ihren Fuhrpark um ein High Mobility Vehicle (HMV) ergänzen wollte, hoffte FMC auf einen lukrativen Auftrag. Die Streitkräfte konnten sich aber nicht zu einer Bestellung durchringen. Baraldini nahm jedenfalls Witterung auf – über Chrysler-Verbindungen stiess er schliesslich auf die XR311-Konstrukteure Bard Johnson und Rodney Barnes Pharis. Beide hatten FMC inzwischen verlassen. Jetzt suchten sie einen Weg, ihre Erfindung doch noch zu realisieren, und waren deshalb nicht abgeneigt, mit Lamborghini zu verhandeln. Auch Leimer hielt eine Kooperation für sinnvoll und gab Baraldini grünes Licht. Der flog daraufhin mehrmals nach Kalifornien und bereitete die Zusammenarbeit vor. Davon erfuhr wiederum FMC, machte Patentansprüche geltend und drohte bei Missachtung mit einem zeit- und kostenintensiven Strafverfahren. Das sollte zwar scheitern, verzögerte aber einen Vertrag mit Lamborghini. Pakt mit den Amerikanern Anfang 1976 war der Weg schliesslich frei, und am 20. Januar unterschrieben Baraldini und die Amerikaner im New Yorker «Waldorf Astoria» eine entsprechende Vereinbarung: Ihr zufolge sollten Johnson und Pharis einen Prototyp bauen und Lamborghini die Kosten tragen, bevor man das Fahrzeug im nächsten Schritt zur Serienreife entwickeln und gemeinsam vermarkten werde. Die beiden Konstrukteure gründeten daraufhin in Kalifornien eine eigene Firma namens Mobility Technology International (MTI) und machten sich sofort ans Werk. herbst 2012 035
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Kein Jahr später hatte MTI den Prototyp weitgehend fertiggestellt. Die Zutaten des 455 cm langen, 188 cm breiten, aber nur 165 cm hohen Cheetah (englisch für Gepard) stellten damals das Nonplusultra dar: Ausgestattet mit permanentem Allradantrieb und drei Differentialen, Einzelradaufhängungen und Scheibenbremsen rundum, Rohrrahmen mit Überrollkäfig, einer Karosserie aus Aluminium (nicht Kunststoff, wie oft zu lesen ist), umklappbarer Frontscheibe, vier Einzelsitzen und belastbarer Ladefläche, konnte man sich viele Verwendungsmöglichkeiten vorstellen: «Leimer sah gute Chancen für eine militärische Produktion, denn er hatte gute Verbindungen in arabische Länder und wusste um den dortigen Bedarf», erinnert sich ein damaliger Lamborghini-Mitarbeiter. Die Zubehörliste des Cheetah sah dementsprechend lang aus: Räder und Karosserie konnten in einer kugelsicheren Ausführung bestellt werden. Sogar ein Waffen-Kit mit Granatenwerfer und Drehplattform war vorgesehen, dazu wahlweise eine leistungsfähige Heizung, 24-Volt-Anlage, Funkgerät, Seilwinde, Fernstrahler, Tarnnetze oder ein Anhänger. Die in der Presse kolportierte Radar-Anlage gibt es allerdings nicht: «Bei der langen Antenne 036 VECTURA #4
handelte es sich lediglich um einen Peilstab mit Wimpel, damit man bei Dünenfahrt besser gesehen werden konnte», gibt Rodney Pharis schmunzelnd zu Protokoll. Nicht zuletzt schien der Cheetah auch als Polizei- oder Rettungswagen zu taugen – oder eben als Sandkasten-Spielzeug grosser reicher Jungs: Der 5,9-Liter-V8-Motor lieferte 180 PS – genug, um das über zwei Tonnen schwere Fahrzeug in gut elf Sekunden auf Tempo 100 und maximale 150 km/h zu beschleunigen. Im Gelände sollten dank den Spezialreifen immer noch 100 Kilometer pro Stunde möglich sein; sogar eine TurboVariante stellte man in Aussicht. Die variable Drehmomentverteilung, knapp 30 cm Bodenfreiheit und über 80 cm Wattiefe, aber auch 70% Steigfähigkeit und bis zu 50% Seitenneigung versprachen beste Offroad-Eigenschaften. Zwei Tanks standen dabei für hohe Reichweite, die Dreigang-Automatik und eine Servolenkung für Fahrkomfort. Mitte der siebziger Jahre war das Geländewagen-Angebot noch nicht so vielfältig wie heute, sondern sehr überschaubar. In Europa kannte man Jeep, den Toyota Land Cruiser, die britischen
Land- und Range Rover – das war’s. 1979 kam das Mercedes G-Modell hinzu; ein Jahr später würde der kleine Suzuki LJ als legitimer Nachfolger der Flower-Power-Strandbuggys das Angebot ergänzen. So gesehen war der Cheetah ein Trendsetter. Auf Crashkurs Ein Geländewagen von Lamborghini? Auf dem Genfer Salon im März 1977 war die Sensation perfekt. Interessenten staunten nicht schlecht – und verstanden unter Umständen kein Wort, denn die meisten Prospekte hatte man aus den genannten Gründen in Arabisch verfasst. Auf den Cheetah schien man nur gewartet zu haben, denn tatsächlich gab es noch auf der Messe konkrete Anfragen aus Syrien und Saudi-Arabien. Lamborghini möge bitte die Offroad-Fähigkeiten nachweisen, forderten die potentiellen Kunden, dann werde man umgehend Fahrzeuge bestellen. Viele Fahrzeuge. Von einem technisch ausgereiften Geländewagen konnte indes keine Rede sein; der Cheetah war schliesslich ein fahrbereites Showcar und Franco Baraldini bei den Erprobungen bereits nicht mehr an Bord: Schon Ende 1976 hatte er Lamborghini verlassen, nachdem er mitbekam, dass Leimer nicht über die erforderlichen herbst 2012 037
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finanziellen Mittel verfügen würde, um sowohl den BMW-Sportals auch den Cheetah-Geländewagen wie jeweils vertraglich vereinbart umzusetzen. Mit diesem Insider-Wissen war Baraldinis Ausscheiden nur konsequent: «Ich hatte die Verträge gemacht – sowohl mit BMW als auch mit MTI. Unsere Partner vertrauten mir und nun stand mein guter Name auf dem Spiel.» Bei MTI bekam man die Ungereimtheiten in Italien mit, konnte zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr ohne weiteres aussteigen. Tatsächlich plante Lamborghini ernsthaft, den Cheetah schnell in Serie zu fertigen, um die hoch dotierten Anfragen aus dem Nahen Osten bedienen zu können. Was Mitte 1977 geschah, ist heute nur noch schwer nachvollziehbar, dürfte sich aber folgendermassen abgespielt haben: Das Schweizer Lamborghini-Management setzte alles auf eine Karte, zweigte einen grösseren Betrag des BMW-Geldes für eine hauseigene Cheetah-Serienentwicklung ohne MTI-Beteiligung ab und bat um weitere staatliche Fördermittel. Letzteres vergeblich, denn die italienische Regierung hegte Zweifel an den immer abenteuerlicheren Plänen in der Emilia – zu Recht, wie sich schon wenig später bestätigen sollte. Einseitige Zusammenarbeit Interessant ist, wie MTI-Ingenieur Rod Pharis das Projekt erlebt hat. Hier ist sein Bericht: «Weil Lamborghini den Cheetah Mitte März 1977 in Genf vorstellen wollte, fanden Entwicklung und Bau des Prototyps unter extremem Zeitdruck statt. Die ersten Testfahrten – hauptsächlich für Presse- und Prospektfotos – dauerten nur zwei Wochen. Wir brachten sogar die Lamborghini-Logos an und wurden am 13. März fertig, bevor ich den Wagen persönlich in einer Fracht-747 von San Francisco über New York nach Frankfurt und dann per Truck nach Genf begleitete. Dort traf ich am 15. März ein – einen Tag vor der Salon-Premiere. Es gelang mir, den Prototyp auf Anhieb durch den Zoll zu bringen, bevor ich die Schutzhüllen entfernte und das Auto die kurze Strecke hinüber zur Ausstellungshalle fuhr – gerade noch rechtzeitig, denn eine Stunde später wären alle Zugänge versperrt gewesen: Es war ein Rennen gegen die Uhr. Dann ging ich auf mein Hotelzimmer und war bis zum nächsten Morgen nicht mehr ansprechbar. Nach dem Salon brachte Lamborghini den Cheetah nach Sant’Agata – und damit eskalierten die Schwierigkeiten. Denn es war weder vereinbart worden, den Prototyp zu testen, noch ihn vorzuführen oder ohne unsere Genehmigung und Beteiligung ausser Landes zu bringen. Auch durfte das Fahrzeug nicht mit militärischem Zubehör ausgestattet werden, doch Lamborghini verletzte jede einzelne dieser Beschränkungen. Man zerlegte das Auto sogar, machte Detailzeichnungen und behielt es sechs Monate länger als ursprünglich verabredet. Darüber hinaus wurde der bestellte Wagen nie voll bezahlt, was Phase II, also Serienentwicklung und Produktionsvorbereitung, unmöglich machte. Wir diskutierten mehrere Vertragszusätze, die ohne Zahlung allerdings wieder verfielen. Daraufhin verlangten wir, den Prototyp bis zu einem bestimmten Datum zurückzugeben, was nicht geschah. Im Oktober 1977 verkauften wir, MTI, die Exklusivrechte am Cheetah-Design, den Prototyp und seinen Namen an Teledyne Continental Motors (TCM) in Muskegon, Michigan: Mit unserer Unterstützung wollte TCM versuchen, sowohl einen Vertrag mit der US-Armee für einen Gefechtswagen als auch eine zivile Cheetah-
Version zu realisieren. Das Agreement sah eine Beschränkung ausserhalb der USA vor, denn wir wollten uns die Möglichkeit einer Lamborghini-Lizenz als Option offen halten. Leider war das italienische Unternehmen nicht in der Lage, die dafür erforderlichen finanziellen Mittel bereitzustellen. Zu dieser Zeit befand sich der Cheetah noch immer in Sant’Agata und ich kündigte dort mein Erscheinen an, um das Fahrzeug abzuholen. Als ich eine Woche später eintraf, schien jeder sehr erstaunt zu sein, und Präsident Leimer liess mich in der Lobby warten. Ich ging hinaus auf das Firmengelände und bemerkte dort sofort frische Spuren der unverwechselbaren CheetahGeländereifen. Sie führten von einem grossen Rolltor zum Haupteingang und von dort auf die Strasse. Während des folgenden Treffens mit Leimer (und den Übersetzern) gab er an, der Cheetah befände sich in Belgien und könne in den kommenden Wochen deshalb nicht in die Staaten zurückkehren. Ich erinnerte ihn an unseren Vertrag, der den Export aus Italien verbot und schon seit Monaten die Rückgabe auf Verlangen vorsah. Dann erwähnte ich die Reifenspuren und dass ich bedauerlicherweise keine andere Möglichkeit mehr sähe, als Lamborghini und Leimer persönlich wegen Unterschlagung von MTI-Eigentum anzuzeigen. Leimer versprach nun, nach dem Mittagessen seinen Anwalt Prof. Alberto Maffei Alberti zu rufen, was auch geschah. Dem zeigte und erklärte ich unseren Vertrag, woraufhin er sich in meiner Gegenwart lange mit Leimer auf Französisch unterhielt. Es war offensichtlich, dass Maffei Alberti sehr aufgebracht war. Anschliessend entschuldigte er sich bei mir und erklärte, der Prototyp befände sich auf einem Lkw in Italien, aber der Fahrer sei seit Stunden nicht erreichbar. Ich verlangte, dass man mir den Cheetah innerhalb von zwei Tagen zum United-Airlines-Terminal des Frankfurter Flughafens bringen solle. Im Gegenzug bat Leimer um einen weiteren Vertragszusatz bezüglich der limitierten Lizenzrechte ausserhalb der Vereinigten Staaten und versprach dafür, ausstehende Rechnungen zu begleichen sowie die Finanzierung der Entwicklungsphase auf den Weg zu bringen. Wir einigten uns schliesslich darauf und ich unterschrieb die Klausel, bevor ich mich auf den Weg nach Frankfurt begab. Der Cheetah wurde letztlich von einem Lamborghini-Testfahrer geliefert. Ich überwachte die Verladung des Fahrzeugs in die 747 nach Los Angeles, flog mit derselben Maschine und fuhr den Cheetah schliesslich zu unserer Firma nach San José zurück, damit unsere Partnerschaft mit Teledyne Continental Motors rechtzeitig beginnen konnte.» Waghalsige Manöver Trotz der nahezu aufgekündigten Zusammenarbeit mit MTI wollte Lamborghini an den viel versprechenden 4x4-Plänen festhalten. Und während mit «Saturday Night Fever» weltweit der Disco-Boom ausbrach, reiste Leimer persönlich in die USA, um nochmals mit Pharis und Johnson zu verhandeln: Er wollte von ihnen alle Cheetah-Rechte und den Prototyp kaufen, obwohl er ausser Versprechungen nichts zu bieten hatte – die Gespräche mit den Amerikanern scheiterten. Doch auch ohne die Italiener sollten MTI und Partner Teledyne Pech haben: Die US-Armee forderte inzwischen ein High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle (HMMWV) und lehnte den Cheetah ab. Den Zuschlag sollte 1979 der Hersteller AM General erhalten – so entstand der Hummer. herbst 2012 039
RÜCKSPIEGEL
Bumm-bumm: LM001, noch mit Heckmotor
Erstmals mit V12 im Bug: LMA (für «anteriore»)
Endlich in Serie: der LM neben einem Countach Anniversario
In Sant’Agata war die Geschäftskasse dagegen so gut wie leer und Ende 1977 mit nur 97 gefertigten Fahrzeugen ein neuer Tiefpunkt erreicht: Lamborghini würde aus eigener Kraft höchstens noch ein paar Monate durchhalten können. Ob die Fertigungszahlen jener Jahre stimmen, ist bis heute umstritten: Auf jeden Fall gab es damals Unregelmässigkeiten in den Büchern, und beim BMW-Sportwagen-Projekt, das mittlerweile auch offiziell M1 genannt wurde, hinkte Lamborghini dem Zeitplan inzwischen hoffnungslos hinterher. Statt zu liefern, bat Leimer in München um einen Vorschuss, was das Fass zum Überlaufen brachte. Davon abgesehen änderte die Motorsportbehörde FIA das Gruppe4-Reglement – der M1 war out, bevor er überhaupt antreten konnte. Mitte April 1978 kündigte BMW nach knapp zwei Jahren entnervt die Zusammenarbeit mit Lamborghini. Weil der M1 trotzdem gebaut werden und in einer eigenen Rennserie antreten sollte, verlagerte man die Fertigung zu Giugiaros Firma ItalDesign; die Endmontage erfolgte schliesslich bei Baur in Stuttgart. Lifestyle-Revival Lamborghini stand mit leeren Händen da und steuerte jetzt direkt in den Konkurs. Erst zwei Besitzerwechsel und acht Jahre später erlebte der Cheetah ein Revival – in Form des brachialen LM002. Dem waren ein paar wirre Prototypen vorausgegangen, bevor man ihn 1986 auf die zivile Bevölkerung losliess – das Militär hatte längst jegliches Interesse verloren. Ausgestattet mit einem vorne angeordneten, 415 PS und ab 1990 satte 490 PS starken 5,2-L-Zwölfzylinder, der das 3,3-Tonnen-Trümm auf über 220 Stundenkilometer wuchten konnte, war der LM fortan der Star auf den Parkplätzen von Saint-Tropez oder Bahrain. Etwa 300 Exemplare später war schon wieder Schluss, rollte 1986 der letzte LM aus dem Werk – die Nachfrage war einfach zu gering, der Preis exorbitant hoch und der Verbrauch sowieso. Der Allradantrieb lebte derweil als Traktionshilfe weiter – in den Lambo-Supersportwagen. 1993 trat erstmals der Diablo VT (Viscous Traction) mit Viskokupplung zwischen den Achsen an; auch Murciélago, Gallardo und Aventador kamen als 4x4 auf den Markt. Heute gibt es rein heckgetriebene Lamborghini-Boliden nur noch als Sondermodell. Das Unternehmen selbst ist nicht mehr mit jenem der turbulenten siebziger und achtziger Jahre zu vergleichen: Nach Mitte 1998, als Audi und damit der VolkswagenKonzern die italienische Traummarke erwarb, ging es bei Automobili Lamborghini steil bergauf, kamen Vertrauen, Fertigungsqualität und überragende Fahrleistungen, feierte man einen Absatzrekord nach dem anderen. Doch mit der technischen Komplexität ist auch die kritische Masse gestiegen: Heute braucht es schon ein paar Autos mehr, um profitabel arbeiten zu können. Deshalb ein weltweit expandierendes Händlernetz, deshalb die dritte Baureihe – deshalb ein Luxus-SUV, der in Asien, Arabien oder Russland reissenden Absatz finden dürfte. Und weil sich der Urus, oder wie immer er später heissen mag, die Plattform und Motoren mit Konzerngeschwistern von Audi oder Porsche teilen wird, bleiben auch die Kosten überschaubar. Klar ist: Von allen SUV-Derivaten des VW-Konzerns wird das Lambo-Pendant am begehrenswertesten sein. Und am schnellsten, natürlich.
Auszüge dieses Textes stammen aus einer grossen Lamborghini-Chronik, die 2013 zum 50-jährigen Markenjubiläum erscheinen wird
Zukunftsmusik: Lamborghini Urus
040 VECTURA #4
Der neue
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Fahrertraining
Im Namen der
Sicherheit 042 VECTURA #4
In Derendingen hat der TCS kürzlich ein weiteres, hochmodernes Verkehrssicherheitszentrum eröffnet. Der Besuch lohnt sich Text Simon Baumann · Fotos Werk
N
ach einer mehr als dreijährigen Planungs- und Bauphase hat die Test & Training tcs AG, eine Tochtergesellschaft des TCS, im Juni dieses Jahres in Derendingen bei Solothurn ein neues Verkehrssicherheitszentrum eröffnet. Es verfügt über modernste technische Einrichtungen sowie professionelle Instruktoren und bietet verschiedene Fahrsicherheitstrainings für Einzelpersonen, Gruppen und Unternehmen an. Mit dem VSZ Derendingen verfügt der TCS bereits über die sechste Anlage dieser Art. Nebst den drei grossen Verkehrssicherheitszentren in Niederstocken (bei Thun, BE), Hinwil (ZH) und neu auch in Derendingen (SO) gibt es Fahrtrainingszentren auch in Emmen (LU), Meyrin (GE) und Lignières (NE). Direkt an der A1 gelegen und somit nur wenige Fahrminuten von der Autobahnausfahrt Solothurn-Ost entfernt, schliesst das neue Zentrum (www.derendingen.tcs.ch) also eine geografische Lücke im bestehenden Angebot. Schweizweit kümmern sich über 100 professionelle Instruktoren um die Betreuung der Kursteilnehmer. Das Fachpersonal wird an der eigens dafür eingerichteten Trainer School des TCS ausgebildet und perfektioniert so das von Test & Training tcs AG in der Schweiz eingeführte Konzept «Lernen durch Erleben». Mit einem Investitionsvolumen von 11 Millionen Franken entstand im Industriequartier von Derendingen eine rund 25 000 Quadratmeter grosse Anlage mit hochmoderner Ausstattung. Auf drei Aktionsflächen finden sich ein bewässerter Gleitbelag, Wasserhindernisse, ein Geschwindigkeitsmesssystem und eine Schleuderplatte. Doch auch umwelttechnischen Aspekten wurde beim Bau grösste Aufmerksamkeit geschenkt. Nebst der Realisierung des Wärmepumpen-beheizten Holzgebäudes im Minergiestandard wird die gesamte Wassermenge, die bei Niederschlägen auf die Anlage fällt, in unterirdischen Tanks aufgefangen und über ein komplexes Pumpensystem wiederverwendet. Der Rücklauf er-
folgt über ein hochwirksames Filtersystem, so dass das Wasser in einem permanenten, geschlossenen Kreislauf mehrfach eingesetzt werden kann. Die Grösse der Anlage ermöglicht es, bis zu vier Kurse mit jeweils zehn Fahrzeugen gleichzeitig durchzuführen. Das Haupthaus bietet nebst dem Empfang und den Büros für die Administration ein grosszügig ausgelegtes Bistro namens «Turbolino» sowie fünf Theorie- und Schulungsräume. Drei davon können multifunktional zu einer Fläche zusammengefasst und von grösseren Gruppen oder für Präsentationen genutzt werden. Die technischen Einrichtungen im VSZ Derendingen bieten ideale Voraussetzungen für die Durchführung von Fahrsicherheitstrainings in den unterschiedlichsten Bereichen. Dazu zählen die 2-Phasen-Ausbildung, spezielle Schulungsprogramme für Roller, Motorrad, Auto, Lieferwagen, schwere Nutzfahrzeuge, Busse und Gelenkbusse oder auch massgeschneiderte Übungseinheiten für Unternehmen und Verbände. Die Anlage lässt sich teilweise oder in ihrer Gesamtheit für individuelle Fahrveranstaltungen buchen – so kann das Sicherheitstraining beispielsweise mit einmaligen Fahrerlebnissen kombiniert werden. Der seit Dezember 2005 eingeführte Führerschein auf Probe verlangt, dass nach der praktischen Führerprüfung zwei obligatorische Ausbildungstage absolviert werden. Neulenker haben dafür drei Jahre Zeit. Die Test & Training tcs AG, die verschiedenen Sektionen des TCS und einige Partner bieten diese 2-PhasenKurse an mehr als 30 Standorten in der Schweiz an – unter anderem natürlich auch im neuen VSZ Derendingen. Wer einen Standort in der eigenen Region sucht, wird unter www.2phasen.tcs.ch fündig. Fahranfänger unter 25 Jahren finden beim speziell auf sie zugeschnittenen Cooldown Club (www.cooldownclub.ch) sinnvolle Tipps und finanzielle Vorteile, unter anderem eine Vergünstigung von bis zu 150 Franken auf die 2-Phasen-Ausbildung. herbst 2012 043
fahrtermin
Eine Freundschaft
fürs Leben Der Mercedes G ist das Auto für die Ewigkeit. Oder mindestens für dreissig Jahre Text Wolfgang Peters · Fotos Werk
W
ir sind mit einer Legende verabredet. Mit einem Fahrzeug, wie es in der Wegwerfgesellschaft keines mehr gibt. Ersonnen vor knapp vier Jahrzehnten und konstruiert für die Belastungen einer Expedition in das Innere des Kraters Krakatao, kraft seines Alters schon mehrmals modellgepflegt und von innen nach aussen renoviert, wie es der Stand der Technik forderte, und dabei im Kern geblieben, wie es immer war: Das G-Modell von Mercedes-Benz scheint gebaut für eine automobile Ewigkeit und ist geeignet, als gern akzeptierte Erbmasse vom Vater auf den Sohn und dann später auf dessen Sohn überzugehen. Ja, das G-Modell ist ein Wagen für den Generationenvertrag. Und gleichzeitig Beispiel für Nachhaltigkeit, die man nicht mit immer neuen Modellen erreicht. Zur Legende wird ein Automobil nicht aus strategischer Berechnung. Dieser Titel fällt einer Baureihe zu oder nicht. Dazu gehören eine eiserne Gesundheit, Abenteuer und Anekdoten, belastbare Eigenschaften, ein Charakter aus Verzicht und Vergnügen 044 VECTURA #4
sowie eine gewisse Arroganz im Auftreten und vor allem eine unerhörte Vorsicht bei der Akzeptanz modischer Attribute. Aber auch eine ruhige Klarheit im Wesen und jene Entschlossenheit, die weder Geröll noch den Teufel fürchtet und weder vor dem Boulevard der Eitelkeiten noch vor den banalen Einsätzen der Bourgeoisie zurückschreckt. Die beste Eigenschaft des G-Modells: Das kastenförmige Vehikel kann alles. Seit jeher. Die Basis seines Langzeiterfolgs war die Konzeption für den Einsatz jenseits aller Strassen, worauf noch eingegangen wird. Allerdings haben sich die Schwerpunkte in seinen Eigenschaftswertungen und in seinen Einsatzgebieten im Laufe eines biblischen Lebens deutlich verschoben. Das belegt schon der Hinweis auf eine mild veränderte Namensgebung: Aus dem G-Modell wurde in der modischeren Nomenklatur des Herstellers die G-Klasse. An der Klasse des G-Modells hat sich dadurch nichts geändert. Es ist nach Meinung von Experten und Fans noch immer der beste Geländewagen der Welt. Heute nur mit mehr Schmalz und Seide und Pomp denn je zuvor.
evolution
Die alte Weisheit, der Krieg sei der Vater aller Dinge, gilt für die G-Klasse in gemässigtem Umfang. Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts kam der letzte Schah von Persien auf die Idee, in der Armee seines Landes möge doch bitte ein moderner Geländewagen Dienst tun. Dass diese Vorstellung bei MercedesBenz umgesetzt wurde, ereignete sich vor dem Hintergrund eines Engagements von Persien (aus dem alsbald der Iran werden sollte) mit einer netten Aktienbeteiligung am Kapital des im Schwäbischen logierenden, aber global agierenden Unternehmens. Der Schah wurde von der Revolution weggespült, aber die Idee vom Geländewagen überlebte. Vielleicht war das schon ein erster Hinweis auf das lange Leben des G.
Legendenbildung: erste Skizzen und ein Tonmodell Mitte 70er-Jahre
Denn die Schweizer Armee dachte zu dieser Zeit ebenfalls über ein derartiges Fahrzeug nach, und aus Norwegen und aus Argentinien kamen ähnliche Wünsche. Da fand es sich trefflich, dass in Österreich Steyr-Daimler-Puch seinen Haflinger baute. Ein anspruchsloses Gefährt für die Arbeit auf der Alm, und die Mercedes-Männer in der Abteilung Nutzfahrzeuge beschäftigten sich mit einem ebenso frugalen, aber fantastisch talentierten Alleskönner, nämlich mit ihrem universalen Motorgerät, kurz Unimog genannt. Es kamen beide Unternehmen, und damit Haflinger und Unimog, zusammen und über mehrere Vertragsschritte wurden dann 1975 eine gemeinsame Entwicklung und schliesslich der Produktionsbeginn des G-Modells Anfang 1979 im österreichischen Graz beschlossen. Auf dem Programm standen nicht mehr und nicht weniger als Zeugung und Geburt des nach
Prominenter Fahrgast: Johannes Paul II. anno 1980 im Papamobil
herbst 2012 045
evolution
Ansicht vieler Experten weltbesten Geländewagens. Dass sich daraus eine Legende der Kontinuität und des Könnens entwickeln sollte, ahnte damals natürlich noch niemand. Ebenso wenig war klar, dass der G direkt in die Entwicklung eines Lebensgefühls hinein beschleunigte, das ihn zu einem Fahrzeug der Verehrung, fast der Mystifizierung, machen sollte. Die Freizeit- und DrittwagenGesellschaft schien auf den G geradezu gewartet zu haben. Heute, im späten Jahr 33 nach der ersten Auslieferung eines G-Modells, gibt es noch immer keine Spuren von Müdigkeit im Umfeld dieses Autos. Vor zehn, zwölf Jahren kamen zum wiederholten Male Gerüchte auf, mit dem G könnte es nun doch allmählich zu Ende gehen. Mercedes baute eine Flottille flotter Geländegänger auf der Basis der M-Klasse auf und der alte Kasten mit seinen Kanten wirkte immer störrischer und irgendwie auch sturer. Und doch gleichzeitig wie eine lieb gewordene Vitrine der Erbtante, die darin ihr Silber aufbewahrte. Jürgen Hubbert, in jener Zeit Chef der Personenwagensparte von Mercedes-Benz, sagte damals gerne, man werde die G-Klasse so lange bauen, wie sich Käufer dafür fänden. Daran hat sich bis in die Gegenwart nichts geändert. Insgesamt wurden bis jetzt etwa 220 000 Exemplare gefertigt, und die meisten davon sind noch «still going strong.» Zur aktuellen Modellfamilie Jahrgang 2012 gehören drei Versionen, denen eine gewisse Normalität anhaftet, und zwei Varianten, die für extraterrestrische Regionen geeignet sein könnten. Es gibt den G350 Bluetec und den G500, beide mit langem und den G500 auch als Cabrio mit zeltähnlichem Verdeck und kurzem Radstand. Über diesen Versionen und damit quasi in den wolkigen Abteilungen der Reichsten und Schönsten halten sich die Ableitungen des zu Mercedes gehörenden einstigen Tuning-Unternehmens AMG auf, deren Biturbomotoren mit acht oder zwölf Zylindern für Leistungen sorgen, die manchen Zeitgenossen nicht ganz zu Unrecht beinahe als apokalyptisch anmuten. Eine weitere Version ist für Profis jedweder Ausrichtung geplant: Der G300 Professional ist frei von den Glitzer- und Glamour-Elementen der AMG-Abkömmlinge; Quellwasser-Robustheit statt Prosecco-Lifestyle definiert diese Variante, und wer beim Betreten ihres schlichten Führerstandes aufmerksam schnuppert, wird mit dem Hauch von Männerschweiss konfrontiert. Und zwar auch in den flammneuen Exemplaren. Aber das mag eine Täuschung der überreizten Sinne sein. Die Geburtsentscheidung, den besten Geländewagen zu bauen, führte zunächst nur zu technischen Konsequenzen. Diese sollten so ausgelegt sein, dass der G nicht nur jenseits von Asphalt vorankam, sondern auch für geschmeidige Reisen komfortverwöhnter Passagiere zu taugen hatte. Fahr- und Federungskomfort sollten mit jenen in einem Limousinen-Mercedes vergleichbar sein. Mit hohem Aufwand wurden diese Ansprüche erfüllt, und
Bewährte Methoden: Nach wie vor wird die G-Klasse im österreichischen Graz händisch zusammengeschweisst. Eine automatisierte Fertigung hat sie nie gesehen
046 VECTURA #4
die Forderungen verwöhnter Kundschaft konzentrierten sich immer deutlicher auf Komfort und Leistung. Deshalb wurden die beiden Startbaureihen 460/461 zum Ende der achtziger Jahre in den Typ 463 überführt, der fortan mit permanentem Allradantrieb (zuschaltbarer 4x4-Antrieb wie bei 460/461 konnte nicht mit ABS arbeiten) für eine exklusive Kundschaft sorgte. Technisch hielt sich der G mit drei (!) sperrbaren Differentialen, mit seinem Leiterrahmen und mit seiner passiven Sicherheit ohnehin an der Spitze der Offroad-Bewegung. Zu unserer Verabredung kommt die aufrechte Legende im jüngsten Kleid nach der Renovierung. Schon der erste Blick zeigt: Der G hat nichts von seiner Urtümlichkeit und der Orientierung seiner Eigenschaften am grösstmöglichen Hindernis verloren. Auf den vorderen Radhäusern sitzen noch immer jene faustgrossen Blinker, mit denen man auch havarierten Seeleuten im Sturm den Weg weisen könnte. Und die Türgriffe wirken, als könne man das gesamte Auto daran aufhängen. Mit einem metallischen Knacken öffnen die Portale, und sie schliessen mit der Endgültigkeit der Tore eines Sanatoriums. Das Einsteigen ist eine kleine Bergtour, und wer dann Platz genommen hat, lebt und regiert in einem Hochsitz auf der Jagd nach den Reisezielen dieser Welt. Dafür gibt es jeden Komfort, der in einem Auto zu haben ist. Und trotzdem herrscht die Anmutung einer Einfachheit, die allerdings nicht auf die Sparsamkeit des Mangels zurückblickt, sondern mit steigenden Ansprüchen ihren Inhalt erweiterte, ohne die Funktionalität verloren zu haben. Daran rütteln auch die mit der jüngsten Überarbeitung eingezogenen Displays und Zierteile nichts. Alles bleibt besser im G und alles bewegt sich im G ein wenig schwerer: Die Drucktasten rufen nach kräftigen Daumen, das Volant prüft den Griff der Fäuste und alles wirkt wie für die Ewigkeit genäht, gestichelt, geschraubt, gefräst und gefügt. Solidität zum Anfassen. Materialgüte als optische Streicheleinheit. VerwöhnAroma für die Fingerkuppen. Ein Leder wie der geschmeidige Pfotenballen des tapferen Hundes. Die Sitzposition ist nicht viel
Typenkunde: Baureihe 460 mit vier Karosserien,…
…ein kurzer Stationwagon (463) Baujahr 2003…
…und der revitalisierte 461er in der Edition-Version für extreme Einsätze
herbst 2012 047
1979
1982
1990
Typologie: G-Klasse-Entwicklung von 1973 bis heute 1973 Im
April entsteht das erste Holzmodell des künftigen MercedesGeländewagens.
1974 Der
erste fahrbereite Prototyp wird erprobt.
1975 Eine
zweite Machbarkeitsstudie bestätigt die Erfolgsaussichten für einen Geländewagen von Mercedes-Benz. Beginn der Bauarbeiten für eine neue Produktionshalle in Graz.
1979 Das G-Modell wird in Südfrankreich zum ersten Mal der Presse vorge-
stellt. Die Produktion der Baureihe 460 (kurz oder lang geschlossen, kurz mit Softtop) startet in Graz am 1. Februar 1979 mit den Modellen 240 GD, 300 GD, 230 G und 280 GE und einer Leistungsspanne von 72 bis 150 PS (53–112 kW). In Österreich, der Schweiz und den sozialistischen Ländern des Comecon heisst das Modell Puch G. Servolenkung und beide Differentialsperren sind optional erhältlich. 1980 Ein
geschlossener Kastenwagen mit kurzem oder langem Radstand erweitert das Angebot.
1981 Erste
Modellpflege: Optional erhältlich sind für den 280 GE und den 300 GD Automatikgetriebe, Klimaanlage, Längssitzbänke für die Ladefläche, Zusatztanks, Tropendach, Scheinwerferschutzgitter, Seilwinde, ein Hardtop für das Cabrio und der mechanische Nebenabtrieb. Statt fünf stehen jetzt 22 Farbtöne zur Verfügung.
1982 Der
neue 230 GE mit Benzineinspritzung und 125 PS (92 kW) löst den 230 G mit Vergasermotor ab. Recaro-Sitze, Zusatzheizung, Breitreifen auf Leichtmetallfelgen und Kotflügelverbreiterung sind auf Wunsch lieferbar.
1983 Den
230 GE gibt es wahlweise mit Viergang-Automatikgetriebe. Im Rahmen der zweiten Modellpflege werden vier neue Metallic-Farbtöne und ein Fünfganggetriebe angeboten – dazu Acht-Zoll-TandemBremskraftverstärker und ein neues Klappverdeck für das Cabrio. Jacky Ickx und Claude Brasseur fahren bei der Rallye Paris–Dakar mit einem 280 GE als Erste durchs Ziel.
1985 Dritte
Modellpflege mit serienmässigen Differentialsperren, Zentralverriegelung und Drehzahlmesser. Das Cabrio erhält anstelle der einfachen Plane ein Klappverdeck.
1986 Die
Benzinermodelle 230 GE und 280 GE sind mit geregeltem Katalysator lieferbar. Im Juli fährt das 50 000. Exemplar der G-Klasse vom Band.
048 VECTURA #4
1987 Vierte
Modellpflege mit neuen Sonderausstattungen: elektrische Fensterheber, automatische Antenne und Doppelrollo für die Kofferraumabdeckung und ein grösserer Tank. Das Fahrgestell mit Fahrerhaus und 3,12 Meter Radstand kommt ins Programm. Der 250 GD mit 84 PS (62 kW) löst den 240 GD ab. Planungsbeginn für die spätere Modellreihe 463.
1988 Neuer
Sechszylinder-Dieselmotor für den 300 GD. Fahrer- und Beifahrersitz werden mit Armlehnen ausgestattet.
1989 Zum
10-jährigen Jubiläum erscheint das Sondermodell 230 GE Classic in limitierter Auflage von 300 Exemplaren. Präsentation der neuen Baureihe 463 mit permanentem Allradantrieb, Edelholz-Innenausstattung und auf Wunsch ABS im September auf der IAA in Frankfurt.
1990 Markteinführung
der Baureihe 463 (permanenter Allradantrieb, geändertes Armaturenbrett) im April mit den Modellen 230 GE, 300 GE, 250 GD und 300 GD. Drei Karosserieversionen stehen zur Auswahl. Ende der Produktion des 280 GE und des 300 GD der Baureihe 460.
1992 Produktion
des G-Modells in Griechenland, das als CKD-Fahrzeug (Completely Knocked Down) in Einzelteilen an den Montageort geliefert wird. Markteinführung der Baureihe 461 für professionelle Anwender – eine überarbeitete Variante der bisherigen Baureihe 460. Die Modellpalette umfasst den 230 GE und den neuen 290 GD, der den bisherigen 250 GD ablöst. Erste Modellpflege des Typs 463: Tempomat, Reserveradabdeckung aus Edelstahl, seitliche Trittbretter, Gepäckraumabdeckung und Wurzelnussholz sind auf Wunsch lieferbar. Im April wird der neue 350 GD Turbodiesel mit 136 PS (101 kW) eingeführt. Im Juni entsteht der 100 000. Geländewagen der G-Klasse.
1993 In
der Modellreihe 461 kommt ein Fahrgestell mit Fahrerhaus und 3,4 Meter Radstand ins Programm. Das Achtzylinder-Sondermodell 500 GE wird präsentiert. Es bietet einen leistungsstarken V8-Motor mit 241 PS (177 kW) sowie eine besonders luxuriöse Ausstattung und ist auf 500 Exemplare begrenzt. Das «G» wandert nach vorn: Die G-Modelle heissen jetzt offiziell G-Klasse, und die Typenbezeichnungen lauten G 230, G 300, G 350 Turbodiesel etc.
1994 Zweite
Modellpflege der Modellreihe 463 mit innenbelüfteten Scheibenbremsen vorn und serienmässigem Fahrerairbag. Der 210 PS (155 kW) starke G 320 löst den bisherigen G 300 ab.
1995 Alle
Modelle der G-Klasse werden mit Zentralverriegelung per Fernbedienung und Wegfahrsperre ausgestattet.
chronik
2000
2007
1996 Der
G 300 Turbodiesel mit 177 PS (130 kW) und elektronisch gesteuertem Fünfgang-Automatikgetriebe wird vorgestellt. Er ersetzt den G 350 Turbodiesel. Modellpflege und Aufwertung der 463er-Serienausstattung durch Scheinwerfer-Reinigungsanlage, Tempomat und Beifahrerairbag.
1997 Das
Cabrio der G-Klasse mit elektropneumatischem Verdeck wird präsentiert. Beim 463 löst der V6-Motor im G 320 den bisherigen Reihensechszylinder ab. Die elektronisch gesteuerte Fünfgang-Automatik ist im G 300 Turbodiesel und im 320 erhältlich. In der Baureihe 461 ersetzt der 290 GD Turbodiesel mit 120 PS (88 kW) den 290 GD mit Saugdieselmotor.
1998 Vierte
Modellpflege: Neben dem G 320 und dem G 300 Turbodiesel wird als Spitzenmodell der neue G 500 mit 296 PS (218 kW) angeboten.
1999 Im
März wird zum 20. Geburtstag der G-Klasse das exklusive Sondermodell G 500 Classic vorgestellt. Die Stückzahl ist auf 400 Fahrzeuge limitiert. Das Multifunktionslenkrad erweitert die Serienausstattung der G-Klasse. Der G 55 AMG wird präsentiert. Sein V8Motor leistet 354 PS (260 kW). Der Mercedes-Benz G 500 Guard erscheint in drei verschiedenen Sonderschutzversionen.
2000 Die
neuen Modelle des Jahrgangs 2001 werden auf dem Pariser Automobilsalon vorgestellt – mit neuem Interieur für noch mehr Komfort. Der G 400 CDI mit neuem V8-Dieselmotor (250 PS/ 184 kW) ersetzt den G 300 Turbodiesel. Die V8-Modelle erhalten neue Leichtmetallfelgen, eine verchromte Kühlermaske und Stossfänger in Wagenfarbe. Produktionsende der Puch-Varianten.
2001
Ab Herbst wird die G-Klasse mit neuen Fahrdynamiksystemen vorgestellt. Dazu zählen ESP, ein Brems-Assistent sowie elektronische Traktionskontrolle.
2002 Der
neue G 270 CDI mit 156 PS (115 kW) starkem Fünfzylinder-Dieselmotor erscheint. Produktionsende der 461er-Ausführung; sie wird fortan nur noch für das Militär gebaut. US-Verkaufsstart der G-Klasse unter der Bezeichnung «G Wagon».
2003 Die
G-Klasse erhält in die Aussenspiegel integrierte Blinker.
2004 Weltpremiere
des neuen G 55 AMG mit V8-Kompressormotor und 476 PS (350 kW) auf dem Genfer Automobilsalon. Die G-Klasse feiert ihr 25-jähriges Jubiläum.
2006 Der
G 55 AMG leistet jetzt 500 PS (368 kW). Erstmals werden BiXenon-Scheinwerfer, Nebelleuchten mit Abbiegelicht und neue,
2012
kratzfestere Nanolack-Farbtöne angeboten. Der G 320 CDI mit 224 PS (165 kW) und serienmässigem Partikelfilter ersetzt die Dieselmodelle G 270 CDI und G 400 CDI. Gleichzeitig entfällt der G 320. 2007 Die
letzte Ausbaustufe des G 55 AMG leistet 507 PS (378 kW). Erneute Modellpflege: Kombiinstrument mit vier analogen Rundinstrumenten, eine modifizierte Mittelkonsole mit neuen Reglern und Schaltern und ein modernes Vierspeichen-Multifunktionslenkrad bilden ab diesem Modelljahr die Kommandozentrale. Das Bedienund Anzeigegerät Comand APS mit DVD-Navigationssystem, integriertem Radio, CD-Player und Telefontastatur ist serienmässig (optional im G 320 CDI). Neue Heckleuchten erstrahlen in moderner LED-Optik. Erweiterte Sonderausstattungen, unter anderem mit Rückfahrkamera, Reifendruckkontrolle oder einem Interieurpaket mit robuster Ledernachbildung.
2008 Der
G 500 erhält einen neuen 5,5-L-V8-Motor mit 388 PS (285 kW) und 530 Nm Drehmoment. Mit einer geänderten Kühlermaske im 3-Lamellen-Design präsentiert sich die G-Klasse ab Herbst des Jahres. Zeitgleich kommt auch die neue Telematikgeneration mit schneller Festplattten-Navigation, Bluetooth-Schnittstelle für den Betrieb von Mobiltelefonen und Sprachbedienung zum Einsatz.
2009 Neue
Sitzanlage und überarbeitete Innenraumgestaltung. Die G-Klasse feiert ihren 30. Geburtstag: Zum Jubiläum präsentiert Mercedes-Benz die Sondermodelle EDITION30 – Basis ist der G 500 – und EDITION30.PUR; Letzterer entspricht technisch dem G 280 CDI in der frugalen Militär-Variante 461 und feiert nun sein ziviles Comeback.
2010 Aus
dem G 280 CDI wird Ende Jahr der G 300 Professional mit nun 181 PS (135 kW).
2011 Neuer
V6-Dieselmotor im G 350 mit modernster Bluetec-Technologie und Harnstoff-Einspritzung für besonders niedriges Emissionsniveau; die Leistung beträgt 211 PS (155 kW).
2012 Präsentation
der vorerst letzten Ausbaustufe im April auf der Auto China in Peking. Aussen mit LED-Tagfahrleuchten und anderen Aussenspiegeln, innen komplett neues Armaturenbrett. Dazu kommen ein überarbeitetes ESP mit Anhängerstabilisierung sowie neue Sicherheitsfeatures wie Totwinkel-Assistent, Einparkhilfe oder Abstands-Tempomat. Die neuen Topmodelle heissen G 63 AMG (Achtzylinder-Biturbo mit 536 PS/400 kW, ab 189 100 Franken) und G 65 AMG: Er bringt erstmals einen V-Zwölfzylinder in den G, der dort dank Biturbo satte 612 PS (450 kW) und 1000 Nm abgibt und mindestens 356 000 Franken kostet, was ihn zum aktuell teuersten Mercedes-Serien-Pw macht. Der Verkauf startet im Sommer.
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Guter Jahrgang: 2012er G 350 Bluetec mit langem Radstand
050 VECTURA #4
evolution
niedriger als in einem Truck und der kabinenähnliche Aufbau ist ein Abteil zum mobilen Wohnen. Ein Planwagen mit festem Dach und steil stehenden Scheiben. In der Einsamkeit der Wüste führen mehrere G-Fahrer ihre Gefährte zur Wagenburg zusammen. Andere Geländewagen ignoriert der G-Fahrer gerne. Alles Untertanen. Das gilt auch für die Leistung. Anfänglich hatte Mercedes hier mit schmalbrüstigen Dieseln zu tief gestapelt; 94 PS waren das Existenzminimum, aber nicht ausreichend für geschmeidiges Fahren auf dem Weg ins Skigebiet geeignet. Doch dann kamen schnurrige V8 und dickere Diesel mit absolut fettem Drehmoment und (relativ) magerem Durst. Und jetzt brodeln unter der kantigen Haube reinrassige Hochleistungs-Sportmotoren. Vielleicht kann man sie lieben, wenn man ein reicher Russe ist, sein Vermögen mit Wodka gemacht hat und hinter kugelsicheren Scheiben leben muss. Für den Genuss des G genügt ein sanfter Diesel wie der im 350 Bluetec. Dessen V-Sechszylinder hat ein Drehmoment wie eine Winternacht am Fusse des Matterhorns, und wer auf ihn hört, der kann die alten Stories von Niemals-Aufgeben und Immer-Durchkommen für die Kinder und Kindeskinder bewahren – so wie den ganzen G.
G-Force: Die neuen AMG-Versionen haben bis zu 612 PS
herbst 2012 051
Am Sande meines Herzens Zum 33-Jahre-Jubiläum verneigen wir uns vor der Mercedes G-Klasse, die aus Graz kommt und erst einmal in der Wüste berühmt wurde – lange vor der Flaniermeilen-Show in Beverly Hills, Dubai und Moskau Text Herbert Völker · Fotos Werk, Reinhard Klein
D
re des Überrollkäfigs und Verstärkungen an Vorderachse und Motoraufhängung. Der 2,8-Liter-Benziner bekam eine etwas geheimnisvolle Mercedes-Nockenwelle – «mehr Schmalz von unten», wie sie in Stuttgart sagen.
Bei der ersten und zweiten Dakar durfte übrigens auch ein bemerkenswert hässliches Auto mitfahren, das vielleicht nicht zufällig Iltis hiess. Sein Hersteller ritterte ebenfalls um internationale Militäraufträge, dann aber geriet der Dakar-Sieg von 1980 zur Geburtsstunde der smarten Variante einer Konzerntochter. Sie hat praktischerweise ihren alten Namen behalten, Audi. Wem das zu verschwurbelt klingt: Der heutige Schlachtenlenker, Piëch, liess als damaliger Cheftechniker die Dakar-siegreiche Allradtechnik des Iltis zum Quattro-Prinzip veredeln und begründete damit die progressive Linie von Audi.
Von Terror und Entführungen in Nordafrika war damals noch nicht einmal ansatzweise die Rede. Was uns aber nachts bibbern liess, zusätzlich zur Kälte am Boden, war die Angst vor dem Verlorengehen und Nie-mehr-gefunden-werden. GPS existierte nur als Gerücht beim amerikanischen Militär; für jeden Check am Kompass mussten wir noch aussteigen und zehn Schritte vom Auto weggehen. Die Anleitungen zur Strecke (Road Book) lasen sich in der Übersetzung beispielsweise so: «Bevor du die äusseren Hütten von Silet erreichst, gehst du auf Kurs 280, kommst in weiches Gelände, lavierst dich durch zwei Dünen durch, am Kamm siehst du auf 180 drei schwarze Berge, du wirst sie aus den Augen verlieren, später musst du zwischen erstem und zweitem Berg durch, vorerst aber bleibst du auf westlichem Kurs.»
Beides war gleich aufregend: der junge G und die frisch erfundene Wüstenrallye. Ich redete den Steyr-Daimler-Puch-Leuten ein Loch in den Bauch, um ein Werksauto für die Dakar 1982 zu bekommen, zwar als Journalist und nicht in Wertung, sonst aber voll integriert und auf Höhe des Wettbewerbs, denn anders hätte sich ja die tägliche Marschtabelle nicht einhalten lassen. Mein Partner war der wunderbare Fotograf Reinhard Klein (www.mcklein.de). Die wichtigsten Umbauten am G betrafen den Zusatztank (170 Liter, also 260 insgesamt), die armdicken Roh-
Tatsächlich war 1982 ein Schlüsseljahr, was Verirren und Vermisstsein betraf. Mark Thatcher, Sohn der britischen Premierministerin, ritt mit seinem Peugeot 504 ins Nirwana. Das waren Headline-News für eine ganze Woche, sogar die französische Luftwaffe wurde aufgescheucht. Am Ende entdeckte eine algerische Hercules den jungen Herrn im Grenzgebiet zu Mali, etwas trocken in der Kehle, aber sonst okay. Das Riesentheater führte dazu, dass ab 1983 alle Teilnehmer Funksonden für den Notfall bekamen. Wer das Ding aktivierte, sollte spätestens am dritten
ie Mercedes G-Klasse (für uns damals Puch G) und die Rallye Paris–Dakar sind gleich alt, 33. Die Dakar begann in unschuldiger Liebe zu allen hell- und dunkelhäutigen Stämmen auf ihren Routen. Der G verdankte sein schmuckloses Äusseres den Militärs, im Vorfeld hatte der Schah von Persien eine wichtige Rolle gespielt; er hielt seinerzeit 18 Prozent Anteile an Mercedes. Man vergisst solche Dinge, Daimler hatte ja im Lauf der Jahrzehnte nicht nur Chrysler am Hals.
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RUBRIKEN Rückspiegel
Tag geborgen werden. Grundsätzlich brauchte man vor der GPSZeit (ab 1986) schon einiges Glück, um jeden Abend ins neue Lager zu finden. Zu unseren Teamkollegen, wenn man so sagen darf, gehörte auch Grand-Prix-Star Jacky Ickx mit seinem Beifahrer, dem französischen Schauspieler Claude Brasseur (Filmvater von Sophie Marceau in «La Boum», aber noch besser in seinen Cop-Rollen, dann auch als Mussolini, wofür er den idealen Schädel hatte). Ickx/Brasseur fuhren einen von Mercedes präparierten 280 G und wurden Fünfte. Auch wir, in unserer wohl angebrachten Demut, hatten unser Bestes gegeben, hatten Dakar erreicht und der Welt davon berichtet. Grösstes Missgeschick war die Plünderung des Autos auf dem Schiffstransport retour. Im Grazer Puch-Werk machten sie einen 10 000-Kilometer-Service und überliessen uns dasselbe Auto auch für die folgende Dakar, also 1983. Thierry Sabine, der legendäre Begründer der Rallye, war erst 33, als er am Morgen des sechsten Tages zum Halbkreis der 500 Kumpels sagte: «Am Abend werdet ihr mich hassen.» Es ging um die Durchquerung des Ténéré, eine 600-km-Etappe im grimmigsten Stück der Sahara, damals aberwitzig, heute völlig undenkbar. Wie wir’s geschafft haben (und 150 andere auch), ich kann’s nicht mehr sagen. Strahlende Sieger dieser Rallye waren Ickx/Brasseur auf Mercedes G. Es war der Höhepunkt im ersten Leben der eckigen Kiste aus Graz, noch ohne jede Elektronik in den Kraftschlüssen. Dass auch zwei patscherte Journalisten schon zum zweiten Mal
im Renntempo nach Dakar gefunden hatten, stiess bei Mercedes und Puch ebenfalls auf Wohlwollen, und wir wurden geradezu eingeladen, es noch ein drittes (und dann viertes) Mal zu versuchen. Zur Abwechslung wollten sie uns auf einem Vierzylinder sehen, also 230 GE, was vom Marketing her interessanter war als beim Schwungholen in den Dünen. Der Sechszylinder war ja doch das ideale Format für den G (bevor die modernen Diesel kamen, von Achtzylinder und V12-Overkill nicht zu reden, das gehört ins vierte, also aktuelle Leben des G). 1984 erlebten wir die ausuferndste aller Dakar-Strecken, mit weitem Bogen nach Süden, durch die Elfenbeinküste, Sierra Leone und Guinea. Wir brachten den G auch 1985 ins Ziel, hatten aber, speziell im Ténéré, das Gefühl, unser Konto bei allen Schutzengeln der beschleunigten Wüstentrips langsam zu überziehen. Die Dakar zeigte auch schon klare Ansätze, jenes Monster zu werden, das irgendwann nicht mehr in die afrikanische Dimension passen würde. Immer öfter wurden die Biwaks neben Landestrips eingerichtet, und nachts ging es zu wie in Heathrow. Der G war für Spitzenteams kein Sieganwärter mehr, nicht gegen hochbeinige Allrad-Porsches und Leichtbau-Pajeros. Da war aber der Ruf des Modells schon solide gefestigt, in der ganzen Welt der Hardcore-4x4-Fans, fernab jeder Mode. Wenn uns allerdings jemand gesagt hätte, dass dieses eckige Trumm ein Vierteljahrhundert später die hippste Erscheinung in Beverly Hills sein würde, hätte ich von Schlafsack zu Schlafsack gemurmelt: «Reinhard, die Wüste macht uns ja doch fertig. Versuch ein bissl zu schlafen.» herbst 2012 053
Vier gewinnt Mercedes nennt sie den «Gipfel des permanenten Allradantriebs». Doch wie patent ist die markeneigene 4matic wirklich? Text Hubertus Hoslin · Fotos Werk
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matic – so heisst der permanente, elektronisch geregelte Allradantrieb von Mercedes, und in der Bezeichnung ist bereits alles enthalten, worum es geht: Vierradantrieb und automatisch. Dabei geht es nicht nur um Gelände-, sondern vor allem um Personenwagen, denen dieses Antriebskonzept bei nassen oder winterlichen Strassenverhältnissen zu mehr Traktion und Stabilität verhelfen soll. Weil die 4matic vollkommen selbstständig agiert und der Fahrer nichts beachten muss, bietet das System auch einzigartigen Komfort sowie bestmögliche Sicherheit. Und sorgt dafür, dass der Fahrspass nicht auf der Strecke bleibt. 49 Mercedes-Modelle aus zehn Baureihen, darunter auch der flammneue CLS Shooting Brake, sind inzwischen mit diesem intelligenten 4x4-Antrieb erhältlich. Doch 4matic ist nicht gleich 4matic: Je nach Anforderungsprofil kommen massgeschneiderte Systeme zum Einsatz. Die M-Klasse bietet beispielsweise eine 4matic, die neben dem souveränen wie sicheren Antrieb auf der
Auch mit 4matic erhältlich: Mercedes CLS Shooting Brake
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Strasse auch hochkarätige Offroad-Technik umfasst. Hier ergänzen sinnvolle, teils optionale Zusatzsysteme die 4matic, um deren volles Potential auch auf losem Untergrund ausschöpfen zu können. So stehen nebe n dem Automatikprogramm auch zwei spezielle Offroad- sowie die drei Strassen-Modi «Winter», «Sport» und «Anhängerbetrieb» zur Verfügung. In der E-Klasse ist wiederum eine 4matic-Version verbaut, die optimales Leistungsvermögen auf Asphalt garantiert. Bei der Abstimmung standen Fahrstabilität und aktive Sicherheit klar im Vordergrund. Doch wie genau funktioniert die 4matic? Sie kann Radschlupf mit Hilfe moderner Mikroelektronik und Hydraulik erfassen und begrenzen, um die Längsdynamik und damit die Spurstabilität eines Autos zu verbessern. Das System besteht im Wesentlichen aus einem Verteilergetriebe, welches in die Automatik integriert ist und die Antriebskraft situativ auf Vorder- und Hinterachse verteilt. Dank einer Sperre des Zentraldifferentials können bis zu 100
technik
Prozent der Antriebskraft zu einer Achse geleitet werden. Das geschieht permanent, sodass die Technik immer einsatzbereit ist – ohne die bei anderen Allradsystemen übliche Reaktionszeit. Diese Grundkonzeption ermöglicht hohe Traktionswerte, weil die beim Beschleunigen auftretende dynamische Achslastverschiebung Richtung Hinterachse genutzt wird, um dort mehr Antriebsmoment abzusetzen. Die Lamellensperre kann das Antriebsmoment aber auch variabel von 30 zu 70 beziehungsweise 70 zu 30 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse verschieben, falls die Strassenverhältnisse das erfordern. So kann der Eingriff der elektronischen Hilfssysteme ESP, Traktionskontrolle oder Schlupfregelung möglichst spät erfolgen, ein Grossteil des Antriebsmoments wird auch auf glatten Strassen in Vortrieb umgesetzt. Alle Regeleingriffe erfolgen fast unmerklich. Trotzdem erfährt der Fahrer sofort, wenn er sich dem Grenzbereich nähert. In diesem Fall blinkt im Kombi-Instrument ein gelbes Warnsymbol. Dies ist das eindeutige Signal, die Fahrweise den Strassenverhältnissen anzupassen. Bei den jeweils umfangreichen Abstimmungsarbeiten stand die nochmalige Erhöhung der Längstraktion bei gleichzeitig verbesserter Querdynamik und Fahrsicherheit im Fokus. Diese Vorgaben konnten die Entwicklungsingenieure mit spezifischen Steuerungsmechanismen im Antriebsstrang realisieren. Die Allradgeschichte von Mercedes geht im Grunde genommen auf das Jahr 1903 zurück: Damals begann Paul Daimler mit der Entwicklung zum «Dernburg-Wagen», einem Pw mit Allradantrieb und -lenkung. Seither hat der Hersteller weitere 4x4-Lösungen präsentiert – unter anderem mit sechs Rädern (Mercedes G1, Typencode W103, gebaut von 1926 bis 1928), verbesserter Vierradsteuerung (G5, W152, 1937–ʼ41) oder klassischem, weil mechanisch mit drei Sperren operierendem Allradantrieb (G-Modell). Die erste 4maticGeneration kam 1987 in der damaligen E-Klasse (W124) auf den Markt; der Vorderradantrieb wurde hier noch bedarfsweise auto-
matisch zuschaltet. Die technischen Voraussetzungen hatte 1978 das Antiblockiersystem (ABS) gelegt. 1997 folgte eine permanente 4matic-Variante, die wiederum erstmals in der E-Klasse angeboten wurde. 2003 hatte man die 4matic auch dank leistungsfähiger Elektronik in Bezug auf Komfort und Fahrdynamik derart perfektioniert, dass sie nun im Topmodell S-Klasse zum Einsatz kommen durfte. Heute bildet das System einen wesentlichen Baustein der Markenstrategie, die sowohl sichersten als auch zuverlässigsten Autos der Welt zu bauen. Der permanente Allradantrieb hilft aber nicht nur bei Schnee. Bei Nässe verbessert er die Fahrbahnhaftung und vermindert das Aquaplaning-Risiko. Auch wer häufig auf der Autobahn unterwegs ist, kann von der Vierradtechnik profitieren, weil sie die Seitenwindempfindlichkeit des Wagens verringert. Diesen Vorteilen stehen ausser dem Mehrgewicht fast keine Nachteile gegenüber. Moderne 4matic-Modelle sind so komfortabel und leistungsstark wie ihre heckgetriebenen Serienbrüder, haben das gleiche Kofferraumvolumen und die gleiche Ausstattung. Und weil die 4matic in den vergangenen Jahren effizienter wurde, sank auch der Kraftstoffverbrauch. Er liegt circa einen halben Liter über den Werten vergleichbarer Modelle mit konventioneller Antriebstechnik. Beispiel E 250 CDI 4matic Blueefficiency: Bei diesem Fahrzeug hat man die 4matic erstmals mit einem Vierzylinder-Diesel kombiniert; ein Durchschnittsverbrauch von 5,6 L spricht für sich. Insgesamt darf also ohne Übertreibung gesagt werden, dass es sich bei der 4matic um eines der aktuell besten verfügbaren Allradsysteme handelt. Grundsätzlich gilt in der kalten Jahreszeit: Auch eine 4matic kann nur so gut arbeiten, wie es die Verbindung zwischen Fahrzeug und Untergrund erlaubt. Darum bitte nicht vergessen: Geeignete, ausreichend frische Winterreifen sind immer unabdingbare Voraussetzung. herbst 2012 055
Alén voran Für die Feinabstimmung des innovativen Allradantriebs im Ferrari FF verpflichteten die Italiener keinen Geringeren als den mehrfachen Rallye-Champion Markku Alén. Wir besuchen ihn im hohen Norden – und setzen uns selbst hinters Steuer Text Roland Löwisch · Fotos Lorenzo Marcinnò, rl, Collection Fanna
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ormalerweise fliegt ein Auto auseinander, wenn es so knallt. Doch der Mann neben mir hat es so gelandet, dass gleichmässig alle vier Stossdämpfer belastet werden. Und grinst sich einen. «Ist wie bei Rallye», rollt Markku Alén mit diesem unnachahmlichen Finnen-Rrrrr und erhobener Stimme durch den Zwölfzylinder-Sound, «du kannst hier einfach auf dem Gas stehen bleiben.»
Jahre alt und noch so gut drauf wie eh und je. Also durfte er auch die Fahrwerks- und Elektronikkomponenten des Ferrari FF mitentwickeln, dank alter Bande zum Ferrari-Verwaltungsratsvorsitzenden Luca di Montezemolo. Ja, der Wettbewerb würde ihm schon ein bisschen fehlen, sagt der Finne, während er über den wirklich schmalen und glatten Eiskurs driftet, aber er sei ja noch mit der Autobranche verbandelt und überhaupt …
Na klasse Da braucht man schon Vertrauen als Beifahrer. Der Sprung kam nach einer hügeligen Geraden, auf der Alén erst mal voll beschleunigt hatte. Das rund 1,8 Tonnen schwere ItaloGeschoss namens Ferrari FF hob auf der letzten Kuppe kurz ab und schlug etwa zehn Meter weiter hart auf. Und das alles auf purem Eis: Der Schnee hier ist schon längst so gefroren wie platt gefahren.
Mit «überhaupt» kann er nur meinen, dass der Tacho momentan gerade 155 km/h zeigt und er selbst überhaupt keine Ermüdungserscheinungen. Schlafwandlerisch sicher zirkelt unser allradgetriebener «Ferrari Four» (so die Bedeutung von «FF») um die Kurven, selbstverständlich so quer wie möglich. «Glaubt man nicht, dass ein Ferrari das kann, oder?», fragt Alén schelmisch zwischendurch – und damit hat er völlig recht. Dass ein 660 PS starker 6,3-Liter-V12 in Frontmittelmotorbauweise mit abgeschalteten Fahrstabilisierungsprogrammen, vier Sitzplätzen und einem Kofferraum, der bei umgeklappten Rücksitzlehnen 800 Liter Fassungsvermögen bietet – dass so ein perfekter LangstreckenSuper-GT mit seiner Topspeed von 335 km/h wie ein Rallyeauto durch schwedische Winterwälder fliegt, ist eine Errungenschaft der jüngsten Moderne.
Es ist die dritte Runde auf dieser etwa zehn Kilometer langen Teststrecke im schwedischen Arjeplog, wo die Temperaturen schon im September unter den Gefrierpunkt fallen. Und die Bäume gefühlt viel zu nah am Strassenrand stehen. Alén, 1978 letzter Rallye-Champion vor Einführung der Fahrerweltmeisterschaft und langjähriger Werkspilot der Fiat-Gruppe, ist inzwischen 61 056 VECTURA #4
MOTORMENSCHEN
Das Geheimnis liegt hauptsächlich in dem neuartigen Allradantrieb – noch nie zuvor befand sich im seit Bestehen bislang immer heckgetriebenen Ferrari-Portfolio ein Serienfahrzeug mit Power an allen vier Rädern. Das selbst entwickelte Vierradsystem nennt Ferrari kurz «4RM», was für «quattro ruote motrici» steht. Es verteilt das Drehmoment des Motors auf alle vier Räder des Sportlers. Die grössten Vorteile: Das neuartige System ermöglicht die Beibehaltung eines klassischen Frontmittelmotors samt Transaxle-Aufbau (Getriebe und Differential an der Hinterachse) mit nur einer Antriebswelle zum Motor – und damit weniger Gewicht.
und Kupplungssteuerungen sind ebenso wie die Elektronik für das serienmässige Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe im PTU integriert, was extrem schnelle Schaltzeiten ermöglicht. In den Gängen fünf bis sieben bleibt vorne der Antrieb grundsätzlich kalt, weil Ferrari davon ausgeht, dass normale Fahrer ihre Pferde dann im Trockenen galoppieren lassen, deshalb schnell unterwegs sind und keine Unterstützung an der Vorderachse benötigen. Um die Feinabstimmung des PTU kümmert sich Alén auch heute noch – auch wenn das Auto bereits für exakt 315 535 Franken zu haben ist.
Dass der komplette 4x4-Antrieb des FF etwa 50 Prozent leichter ist als herkömmliche Systeme der Konkurrenz, liegt hauptsächlich an der nur 170 Millimeter kurzen, rund 45 Kilo leichten und «Power Transfer Unit» (PTU) genannten Schaltzentrale des 4RM-Systems. Sie ist direkt mit dem Triebwerk verbunden und liegt über der Vorderachse. Von hier aus steuert sie die Differenz zwischen Drehzahl und Radgeschwindigkeit aller vier Räder, reguliert ausserdem das jeweils benötigte Drehmoment an der Vorderachse und sorgt dort auch für die richtige Verteilung zwischen linkem und rechtem Rad. Die Kraft nimmt sie direkt von der Kurbelwelle, indem zwei voneinander unabhängige Mehrfachkupplungsscheibenpakete aus Kohlefaser ihre Drehmomente über Achswellen an die Vorderräder leiten. Das heisst: keine mechanische Verbindung zwischen Vorder- und Hinterachse und zwei voneinander unabhängige Traktionssysteme.
Endlich Fahrerwechsel Die fiesesten Punkte der Teststrecke habe ich fest im Hirn verankert, während wir uns vorsichtig an meinen ersten Drift herantasten. Auch dabei unterstützt die
So ausgestattet ist der FF in der Lage, situativ mit reinem Hinterradantrieb und damit ganz Ferrari-typisch unterwegs zu sein, falls vorne keine zusätzliche Traktion gebraucht wird. Die Mehrfachscheibenkupplungen übernehmen auch die Aufgaben von zentralem und vorderem Differential: Hydraulische Schaltungsherbst 2012 057
Alén im Lancia Stratos bei der RAC-Rallye 1978
Alén machte das Rallyefahren 1974 zu seinem Beruf und gehörte schnell zu den Allerschnellsten der Branche; 1978 dominierte er die Saison
Korsika-Einsatz 1982 auf dem Lancia Rally 037
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MOTORMENSCHEN
Elektronik per Manettino, wie sich der Lenkraddrehschalter für Traktionskontrolle, Differential, Allradantrieb, Stabilitätskontrolle, Getriebe und Dämpfungskontrolle nennt. Die «Ice-Einstellung dort bietet maximale Sicherheit bei minimalem Fahrspass – alle Systeme sind jetzt vollaktiv und nehmen dem Fahrer fast das Denken ab. Bei «Wet», also im Nässe-Modus, sind immerhin kleinere Drifts möglich, weil jetzt alle Parameter etwas mehr Spielraum zulassen. Die «Comfort»-Stellung lässt das Auto noch mehr schwänzeln, nur Getriebe- und Dämpfereinstellung bleiben identisch. Die «Sport»-Einstellung ist auf der Rennstrecke optimal; nun schützen nur noch leichte Elektronik-Reserven vor dem Abflug. Die Grundeinstellung für finnische Rennfahrer – «ESC aus» – sollten tatsächlich nur Profis ausprobieren, sonst gibt es Physikunterricht der rotierenden Art. Alle Traktionsund Stabilitätssysteme sind dann abgeschaltet; nur mit dem Dämpfer-Knopf kann noch gespielt werden: Dessen Benutzung macht das Fahrwerk etwas weicher (ebenso im Sport-Modus) – ein Vorteil zum Beispiel beim Kurvendriften auf Schnee. Besonders stolz ist Ferrari darauf, alle Komponenten der Elektronik auch selbst entwickelt zu haben: Im 599 GTB stammt die «Vehicle-Dynamic»-Elektronik noch zu drei Fünftel von Bosch, im California immerhin noch zu zwei Fünftel. Damit sich die PTU-Elektronik auf den Zustand der Fahrbahnoberfläche optimal einstellen kann, soll man nach dem Motorstart die ersten 300 Meter gesittet fahren – was mir schwerfällt. Aber dann ist das freie Spiel mit Gaspedal und Manettino erlaubt. Hat nicht schon der erste Gasstoss mit seinem hellen Bellen die Sinne geschärft, ist es spätestens der Vortrieb. Ab 1000 Umdrehungen liegen bereits 500 Newtonmeter an, die von der Elektronik und dem Allradantrieb wunderbar auf den rutschigen Untergrund übertragen werden – und das auf ganz normalen Winterreifen. Die Einstellungen «Ice» und «Wet» fordern einen halbwegs geübten Fahrer so gut wie gar nicht, weshalb ich deren Einsatz auf ein paar Kurven reduziere. Spassig wird es ab «Comfort» – der Drift ist einfach und relativ gefahrlos. Trotzdem kann das Heck den Schneewällen hier schon bedenklich nahe kommen. Berührungen sind zu verhindern, wenn man entweder von vornherein langsamer fährt oder zur richtigen Zeit Vollgas gibt, damit sich der FF selbst aus der brenzligen Situation ziehen kann – eine sehr ungewöhnliche Massnahme für einen Ferrari. Natürlich lässt sich der FF auch langsam fahren und auf Serienwinterreifen sogar stilvoll und sicher am vereisten Berg in Bewegung setzen. Diese Übung stellt unter Beweis, dass der FF selbst im alpinen Winter alltagstauglich ist. Einem Markku Alén bereitet das natürlich nur bedingt Vergnügen. Als Champion in der fragwürdigen Disziplin, drei verschiedene Rallye-Autos innerhalb von 58 Sekunden nach dem Start hintereinander aufs Dach gelegt zu haben («...das lag an den Autos...»), will er am liebsten zurück auf seine Sonderprüfung am Sprunghügel. Soll er auch, denn er ist hoch motiviert, den Ferrari FF noch etwas feiner zu kalibrieren. Von seinem persönlichen Geschmack der ElektronikAbstimmung sollen schliesslich alle FF-Kunden profitieren. Wahrscheinlich will er aber auch noch ein bisschen den Sprunghügel geniessen. Könnte ja sein, dass Fiat ihn wegen seiner guten Arbeit beauftragt, künftig auch Zweizylinder-Puntos abzustimmen. Mit denen kann Alén zweifellos auch driften, aber die Sprünge wären vermutlich nicht so heftig…
Der Finne 1987 als Lancia-Werksfahrer
Markku Allan Alén wurde 1951 in Helsinki geboren. 1969 bestritt er seine ersten Rennen am Steuer eines Renault 8 Gordini und gewann gleich die finnische Meisterschaft seiner Klasse; weitere Einsätze mit Volvo, Fiat, Lancia, Subaru, Toyota und Ford sollten folgen. Alén machte das Rallyefahren 1974 zum Beruf und gehörte schnell zu den Allerbesten; 1978 dominierte er die Saison. Sein Pech: Die FIA-Rallye-Markenweltmeisterschaft (WRC) gab es zwar schon seit 1973, eine Fahrer-WM aber erst ab 1979. Somit ist Alén nach Sandro Munari der letzte der inoffiziellen Champions gewesen. Seinen fünf Siegen bei der Rallye Finnland 1978, ’79, ’80, ’87 und ’88 tat das aber keinen Abbruch; ebenso gewann er in England, Schweden und Griechenland. Mit 20 Gesamtsiegen liegt er in der Top Ten aller Rallyefahrer derzeit auf Platz 7 (gemeinsam mit Didier Auriol). 1995 wechselte Alén auf Asphalt und ging mit Alfa Romeo bei der britischen ITCC (International Touring Car Championship) an den Start; parallel trat er in der DTM an. Mit der Trophée Andros kehrte er 1996 auf losen Untergrund zurück; auch die Rallye Dakar ist er gleich mehrfach gefahren. 2004 wurde Alén Zweiter der finnischen Rallycross-Meisterschaft; sein letzter Rallye-WM-Einsatz hatte 2001 auf einem Ford Focus in England stattgefunden. Anton Alén (29) ist 2005 in die Fussstapfen seines Vaters getreten, ebenfalls Rennfahrer geworden und bisher auf Mitsubishi, Subaru und Abarth gestartet. map/ac
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SEINE SCHLANKE
LordSCHAFT Leichter, sparsamer, noch luxuriöser – so kommt die vierte Range-Rover-Generation daher. Mit dieser Rezeptur will sie den Titel «vornehmster Geländewagen der Welt» verteidigen. Zum Europa-Start Anfang 2013 stehen drei Motoren zur Wahl Text Boris Schmidt · Fotos Werk
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Geländewagen sind gefragt: In einem insgesamt schwachen europäischen Automobilmarkt erzielt das Allradsegment immer noch Zuwächse. Auch in der Schweiz sind viele Käufer nahezu verrückt nach den grossen Offroadern, die heute gern als SUV (Sport Utility Vehicle) tituliert werden. Befeuert wird der Boom auch durch eine immer grössere Vielzahl an Modellen: Marken, die etwas auf sich halten, führen gleich mehrere SUV im Portfolio. Geländewagen im wahren Wortsinne sind die meisten allerdings nicht mehr: Ihnen fehlt fast immer ein Untersetzungsgetriebe für den Einsatz im wirklich Groben; manche Modelle haben noch nicht einmal Allradantrieb.
Bei Land Rover in Solihull freut man sich besonders über den Boom, ist man doch neben Jeep die einzige relevante Automarke der Welt, die ausschliesslich auf SUV oder Geländewagen setzt. Nachdem schon so mancher Autoexperte den Briten eine unsichere Zukunft prophezeite, als Ford die Marke 2008 gemeinsam mit Jaguar an den indischen Tata-Konzern verkaufte, geht es Land Rover heute besser denn je. Gewiss profitiert das Haus auch vom allgemeinen SUV-Trend, man hat aber auch die richtige Mischung im Angebot: kultige Geländewagen-Tradition (Defender), den praktischen Alleskönner (Discovery), das attraktive Einsteigermodell (der just optisch und technisch überarbeitete Freelander) und – last but not least – ein Trio für die besonderen Momente des Allradlebens: Range Rover, Range Rover Sport und Range Rover Evoque. Der kleine und ebenso stylische Evoque, der 2011 debütierte und die Linie der Luxus-Landys gekonnt nach unten abrundet, wird weltweit so stark nachgefragt, dass das Werk im britischen Halewood kürzlich auf 24-Stunden-Betrieb in nun drei Schichten umgestellt werden musste. Längst gilt Range Rover bei vielen Kunden als eigene Marke neben Land Rover, auch wenn dem nicht so ist. Doch mit harten Kerlen, die an ihren Defendern herumschrauben, möchten elegante Evoque-Fahrerinnen nicht unbedingt in Zusammenhang gebracht werden. Dennoch richten sich alle Augen momentan auf den neuen Range Rover. Er gilt als Mass der Dinge im Haus und zeigt, was die Ingenieure so draufhaben. Der «Range» muss quasi die unendlichen Geländewagen-Talente eines Defenders mit dem Anspruch einer Luxuslimousine paaren (es gibt Menschen, die ihn als «Rolls-Royce der Feldwege» bezeichnen). Und natürlich wird das Komfortniveau im vierten Range Rover (Modellcode L405) um Längen über dem eines Evoque liegen. Die möglichst individuelle Erscheinung ist da Programm: Neben feinstem Leder und diversen Edelhölzern – beides aus nachwachsenden Quellen, wie man betont – stehen 17 Innenraumfarben, 37 Lackierun066 VECTURA #4
gen, zwei kontrastierende Dachfarben (Santorini-Schwarz und Indus-Silber) oder acht verschiedene Felgenthemen zwischen 19 und 22 Zoll zur Wahl.
Die eigentliche Sensation ist jedoch der schlanke Auftritt, den das neue Topmodell an den Tag legt. Land Rover ist zwar dafür bekannt, beim Automobilbau viel Aluminium einzusetzen – so geschehen schon 1948 beim allerersten Land Rover, doch damals geschah das vor allen Dingen aus Mangel an Alternativen. Der neue Lord hat wieder eine selbsttragende Karosserie, die aber diesmal komplett aus Leichtmetall besteht – ein Novum unter Geländewagen. Eine Milliarde Pfund (umgerechnet 1,5 Mia. Franken) hat das Unternehmen allein in diese Technologie investiert, die auch bei anderen, künftigen Land-Rover-Modellen zum Einsatz kommen wird. Plakativ nennt man beim Range Rover 4 eine Gewichtsreduzierung von 420 Kilogramm gegenüber dem Vorgänger (L322). Die Alu-Struktur ist 39 Prozent leichter als der bisherige Stahlaufbau, das spart alleine 180 Kilogramm und 75% Energieaufwand. Die Rohkarosse wiegt weniger als die eines 3er-BMW und wird auf einer komplett neu aufgebauten, vollautomatisierten Fertigungsstrasse im Stammwerk Solihull gepresst; die Seitenteile gar aus einem einzigen Stück – das hat es in dieser Grössenordnung noch nie gegeben. Beim Zusammenfügen der 270 Teile wird kaum geschweisst, sondern 3700 Mal genietet: Der Hersteller betont, dass Fertigungsverfahren aus dem Flugzeugbau zum Einsatz kommen und man noch nie eine aufwendigere Entwicklung als bei jenem Alu-Monocoque gestemmt hat. Unvorstellbare 1000 Jahre Prozessor-Rechenzeit seien dafür nötig gewesen, und das Ergebnis ist nicht nur leichter, sondern auch extrem steif. Alle Anforderungen hinsichtlich Crash-Festigkeit und Dauerhaltbarkeit werden übererfüllt, verspricht Land Rover, und selbstverständlich habe der Neue auch alle die üblichen harten Geländetests überstanden. 18 Monate wurden Prototypen weltweit bei Temperaturen zwischen minus 30 und plus 50 Grad Celsius auf bis zu 4500 Meter Höhe erprobt; 80 Exemplare zerschellten im Crashversuch. Zurück zur neuen Leichtigkeit des Seins. Neben den 180 Kilo bei der Karosserie spart der neue Range unter anderem Gewicht bei Motorhaube, Türen, Flankenschutz, B-Säulen, der Federung vorne und hinten sowie den Hilfsrahmen in Bug und Heck. Auch Teile des Antriebsstrangs, der Brembo-Sechskolbenbremsen, Sitzstruktur und Räder speckten ab. Andere Karosseriekomponenten sind aus Magnesium gefertigt, die Paneele am oberen Teil der Heckklappe bestehen aus Plastik. Macht zusammen schon
MODELLWECHSEL
über 300 kg. Das war auch bitter nötig, mag mancher einwerfen – schliesslich bringt der alte, 4,95 Meter lange Range Rover noch 2,6 Tonnen auf die Waage. Dass Solihull von über 400 Kilogramm Gewichtsreduzierung reden kann, liegt an einem kleinen Trick: Wie schon zu Beginn der inzwischen nicht mehr produzierten dritten Generation im Jahr 2002 ist nun wieder ein Sechszylinder-Diesel im Angebot – und dieser Dreilitermotor bringt die restlichen 70 Kilo Ersparnis im Vergleich zum bisherigen 4,4-Liter-TDV8, dessen Fahrleistungen vom neuen Sechsender übertroffen werden – bei 20% weniger Verbrauch. Stammte der 177 PS (130 kW) starke Sechszylinder vor zehn Jahren noch von BMW, greift man inzwischen auf eigene Motoren zurück. Der TDV6 ist aus Discovery und Range Sport bekannt, wurde aber für den Einsatz im Über-Rover nochmals gründlich überarbeitet. Dort bietet er nun 258 PS (190 kW) und ein maximales Drehmoment von 600 Nm. Als zunächst einziger der vier Motoren verfügt er ausserdem über ein Start-Stopp-System, was zum geringen Normverbrauch von 7,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer beiträgt; dazu bleibt diese Modellvariante mit einem CO2-Ausstoss von 197 g/km knapp unter der 200er-Marke. Den Spurt von null auf 100 km/h erledigt der schwächste, aber vielleicht auch interessanteste Neu-Range in unter acht Sekunden. Und wie alle Range Rover der vierten Generation ist auch er mit einer optimierten AchtgangAutomatik von ZF ausgestattet; Schaltpaddel am Lenkrad sind Serie. Der zweite Selbstzünder hat wieder acht Zylinder, wird exklusiv nur für den Range Rover gebaut, heisst jetzt SDV8 und leistet nach einer kleinen Kraftkur 339 PS (250 kW) – 26 mehr als bisher. Das maximale Drehmoment liegt unverändert bei 700 Nm, während der Normverbrauch um immerhin 6% auf 8,7 Liter fällt.
Während die beiden Diesel hauptsächlich für die europäischen Märkte gedacht sind, sollen zwei optimierte V8-Benziner vorrangig Range-Rover-Fans in Amerika und Asien beglücken. Auch hier haben sich Fahrdynamik und Verbrauchswerte schon allein durch das Leistungsgewicht verbessert; als Fünfliter-Kompressor soll der Range den Spurt von null auf 100 km/h gar in unter 5,5 Sekunden schaffen! Der schwächere Achtzylinder-Sauger ist ausschliesslich für Nordamerika vorgesehen, während der TDV6 dort nicht angeboten wird. Viel Beachtung wird gewiss eine Diesel-Parallelhybrid-Variante finden, die Ende 2013 auf den Markt kommt. Die Kombination von Dreiliter- und E-Motor ermöglicht rein elektrisches Fahren und später auch das Aufladen an der Steckdose; Land Rover spricht von insgesamt 338 PS, unter sieben Sekunden für den Spurt auf Tempo 100, nur 169 Gramm CO2 und einem Normverbrauch von rund 6,2 L – Chapeau!
Allen Range Rover gemein ist selbstverständlich der permanente Allradantrieb; wie gewohnt verteilt ein Zentraldifferential die Kraft im Normalfall zu 50:50 nach vorne und hinten. Geht irgendwo Grip verloren, entscheidet die Elektronik über eine bestmögliche Kraftverteilung. Das von Land Rover patentierte Terrain-Response-System wurde für den Range entscheidend weiterentwickelt: Ab sofort muss der Fahrer nicht mehr einstellen, auf welchem Untergrund er unterwegs ist – das Auto merkt es erstmals selbst und wählt aus fünf Möglichkeiten die entsprechenden Parameter für bestmögliches Durchkommen. Nur noch die Untersetzung will manuell aktiviert werden, und das ist erstmals bis Tempo 60 möglich (vorher nur 40). Mit diesen Zutaten ist klar: Auch der nächste Range ist trotz Einzelradaufhängung kein weichgespülter Softroader, sondern
Technische Daten RANGE ROVER (L405) Konzept Full-Size-Geländewagen mit Luxusausstattung. Selbsttragende Leichtmetallkarosserie mit vier Türen, zweiteiliger Heckklappe und fünf Sitzplätzen (wahlweise vier Einzelsitze). Einzelradaufhängung, Luftfederung. Permanenter Allradantrieb mit fünf automatischen Fahrprogrammen, Reduktionsgetriebe und Hinterachssperre (Option)
TDV6 Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS
2993 84 x 90 16:1 258 (190) @ 4000 600 Nm @ 2000
255/50 R20 auf 8,5 J
SDV8 4367 84 x 98,5 ca. 16:1 339 (250) @ 3500 700 @ 1750–3000 A8 500/207/183,5 292 169/168.5 275/45 R21 auf 9,5 J
5.0 Supercharged 5000 92,5 x 93 9,5:1 510 (375) @ 6000–6500 625 @ 2500–5500
275/40 R22 auf 9,5 J
2160 3000 8,4
105 550–2030 2360 3200 7,0
2330 3150 4,6
0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h
7,9 209
6,9 217
5,4 225 (249***)
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km* CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie** Preis ab CHF
7,5 196 C ca. 135 000.–
8,7 229 D ca. 145 000.–
13,8 322 G ca. 190 000.–
85
105
* gemessen nach NEFZ, Neuer Europäischer Fahrzyklus ** vorläufig *** Option
herbst 2012 067
MODELLWECHSEL
waschechter Geländewagen geblieben. Die Rampenwinkel wurden verbessert und eine in allen Varianten serienmässige Luftfederung erlaubt zudem, den gesamten Aufbau noch höher zu pumpen: Die Wattiefe ist auf 90 Zentimeter gestiegen – satte 20 Zentimeter mehr als bisher. Dank weiterer Hilfssysteme wie Bergabfahrhilfe, Hillholder und die erwähnte elektronisch regulierte Kraftverteilung ist der vornehme Brite also Wildnis-tauglicher denn je. Und solche Extremtouren sind im Range immer etwas ganz Besonderes. Dennoch dürfte sich nur ein Bruchteil der künftigen Klientel tatsächlich ins Gelände wagen – den meisten ist ihr strassenbereiftes Auto dafür viel zu schön und auch zu wertvoll. Sie erfreuen sich lieber an der «Command Seating Position»: Im Range Rover sitzt man neun Zentimeter höher als in jedem anderen SUV, dazu gesellt sich ein erhabener Überblick auf die Motorhaube mit ihren traditionellen Einzügen rechts und links. Das opulente Innenraum-Layout stellt den bisher gekannten Luxus in den Schatten – noch feiner ist das Leder, noch exakter die Verarbeitung, noch eleganter die Cockpit-Gliederung. Das Dash wirkt weniger klobig und somit luftiger – es ist alles da, aber nichts drängt sich auf. Die Schalter und Knöpfe wurden um 50 Prozent reduziert; wahlweise gibt es eine dimmbare Ambiente-Beleuchtung mit zehn frei wählbaren Farben oder 20fach verstellbare Vordersitze mit MassageFunktion. Neu ist unter anderem ein optionales, UV-schutzbeschichtetes Glasdach, welches fast über die gesamte Dachlänge reicht und im vorderen Bereich geöffnet werden kann. Am Internet-Zugang wird noch gearbeitet, TV-Empfang ist bereits möglich, die Türen rasten beim Schliessen wahlweise elektrisch ein, man kann den Range auch ohne Schlüssel öffnen und starten, statt der Rück068 VECTURA #4
bank sind auf Wunsch zwei exklusive Einzelsitze oder eine Vierzonen-Klimaanlage lieferbar (Serie: Dreizonen) – die Aufpreisliste ist länger denn je. Wie zuletzt schon beim Range 3 gibt es virtuelle TFT-LCD-Instrumente. Neu ist ein Bewegungssensor unter der Innenraumbeleuchtung – Knöpfchendrücken entfällt. Ein zentral angeordneter Monitor erlaubt es, dass sich der Fahrer aktuelle Navigationshinweise ansieht (das aktualisierte System kommt von Denso), während sein Copilot einen Spielfilm geniesst. Auch DAB-Radio oder Sprachkontrolle sind verfügbar. Als Top-Soundsystem steht eine Meridian-Anlage mit 1700 Watt und 29 Lautsprechern für 3D-Akustik parat.
Rear-Seat-Entertainment mit Extra-Bildschirmen gibt es natürlich ebenfalls; die Seitenscheiben lassen sich endlich komplett in den Fondtüren versenken. Über denen finden sich leider keine Handgriffe mehr. Im Fond finden sich satte zwölf Zentimeter mehr Beinfreiheit, was auch an einem um vier auf 292 Zentimeter gestreckten Radstand liegt. Die Gesamtlänge des Range Rover wächst um vier Zentimeter und bleibt damit hauchdünn unter fünf Meter. Das ist Audi-A6-Niveau, solange es sich um die kurze Version handelt: Land Rover mag zwar nicht darüber sprechen, doch schon in einem Jahr wird es den Range für die arabischen und asiatischen Märkte auch in einer Chauffeur-Variante geben. Dieser LWB (Long Wheel Base) weist 15 cm mehr Radstand auf und dürfte sich bestens verkaufen, zumal es nichts Vergleichbares gibt.
Rein äusserlich hat sich der Neue von seinem unter BMWRegie entwickelten Vorgänger kaum entfernt: «Don’t change it, just make it better!» lautete die Vorgabe an das Designteam um Gerry McGovern, der die vierte Generation als «Evolution einer Ikone» bezeichnet. Die Proportionen wurden weitgehend beibe-
halten, das Auto wirkt aber deutlich eleganter. Auffällig sind die nun ums Eck ragenden Hauptscheinwerfer und Rückleuchten; vor allem die vertikalen Zierstreben an den Vordertüren fallen ins Auge. Sie sind ohne Funktion, stehen dem Range aber gut und reduzieren optisch die Länge. Eine leicht abgeschrägte Front, die flacher stehende Windschutzscheibe und das Heck mit seinen horizontalen Sicken setzen weitere Akzente, die Dachlinie verläuft zwei Zentimeter tiefer als bisher und der Heckscheibenwischer ist komplett im Spoiler verborgen. Das alles sorgt für einen Luftwiderstandsbeiwert von «nur» 0,34 beim TDV6, doch für einen Geländewagen ist das ein sehr guter Wert – der aerodynamische Feinschliff und ein verkleideter Unterboden helfen dabei. Zum Vergleich: Der Range Rover Sport weist 0,36, der alte Range 0,39 auf. Und die Heckklappe? Die bleibt horizontal geteilt, kann aber jetzt oben und unten elektrisch betätigt werden. Auf Knopfdruck ausfahrbare Trittbretter und eine ebenso bequem aktivierbare Anhängerkupplung sind erstmals zu haben; Letztere ist dabei aber nicht auf allen Märkten erhältlich. Die maximale Zuglast beträgt unverändert 3,5 Tonnen. Als fahrdynamische Referenz haben die Range-Rover-Macher keinen Geringeren als den Bentley Flying Spur im Sinn gehabt und diesen angeblich in allen Disziplinen übertroffen. Beim Innengeräusch gibt man zu, dass es in der Mercedes S-Klasse einen Hauch leiser zugeht.
ist ein Spurhalteassistent. Fehlanzeige auch bei Nachtsichtgerät oder Head-Up-Display. Weil die Lenkung nicht mehr hydraulisch, sondern elektrisch agiert, sind aber die technischen Voraussetzungen für automatisches Einparken gegeben. Dabei kann man über die Rückfahrkamera verfolgen, wie sich das Auto selbst abstellt. Weitere Kameras sind im Bug angebracht und ermöglichen beispielsweise, in unübersichtliche Kreuzungen oder Ausfahrten hineinzublicken.
Die Auslieferung des neuen Range Rover beginnt im Januar 2013. Aussergewöhnliche Erlebnisse sind garantiert; sie dürften mindestens 135 000 Franken kosten – exakte Preise waren bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Eines ist aber klar: Mit ihrem Gesamtkonzept bleibt auch Nummer 4, was schon der Urtyp Jahrgang 1970 gewesen ist – das Elitärste, was man abseits befestigter Strassen bewegen kann.
Boris Schmidt (53) ist seit 1989 Redaktor der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» und hat – gemeinsam mit anderen Autoren – bereits mehrere Fachbücher zum Thema Land Rover verfasst. Ein aktualisierter Range-Rover-Titel erscheint Ende Jahr.
Einmal in Bewegung, kann auf etliche technische Hilfssysteme zurückgegriffen werden, zum Beispiel die optimierte Wankkontrolle, einen verbesserten Tote-Winkel-Assistenten oder – Novum – den adaptiven Tempomaten. Letzterer bremst im Stau jetzt bis zum Stillstand und fährt auf Knopfdruck wieder an, kann aber keine Verkehrsschilder lesen. Was es ebenfalls (noch) nicht gibt, herbst 2012 069
fahrtenbuch
Raubkatzen in freier Wildbahn Warum auch Jaguar dringend einen SUV oder Crossover bauen sollte
W
elche Automobilmarke hat noch keinen Geländewagen oder wenigstens einen mit Vierradantrieb? Kaum eine. Sogar die mythischen Sportwagenmarken wie Porsche und Ferrari sind mehr oder weniger tief in den Markt der schlammigen Wege gesprungen. Wer hätte vor zehn Jahren noch gedacht, dass man in Zuffenhausen einmal mehr Cayenne als 911er verkaufen würde? In der Offroad-freien Zone bleiben noch Bentley und Aston Martin, aber auch diese beiden britischen Edelmarken sind am Ausloten des Marktes mit mehr und vor allem weniger ansprechenden Studien. Wo bleibt in diesem Reigen Jaguar? Scheu hält man sich im Entwicklungszentrum Whitley zurück, einen Alleskraxler zu entwickeln, um der Konzernschwester Land Rover ja keinen noch so kleinen Marktanteil abzujagen. Vielleicht ist es auch britische Noblesse. Warum eigentlich? Jaguar, entstanden aus der Vision eines minderjährigen Jünglings, war immer an vorderster Front dabei, wenn es um neue Märkte und neue Technologien ging. Leider ist dieser Geist der Marke in den 70er-Jahren abhanden gekommen, als Gewerkschaften und eine falsche Regierung die ganze Automobilindustrie mit dem Leyland-Wahn zerfledderten. Das einst stolze Flaggschiff der britischen Industrie, mit revolutionären Wagen wie Mini, E-Type oder Range Rover, zerschellte ungebremst an den aufstrebenden japanischen und deutschen Marken. Was bleibt, ist die Erinnerung – und eine Kolonie internationaler Motorkonzerne: Es gibt kaum noch ein Mutterhaus, das in England nicht Komponenten, ganze Autos oder sogar Marken herstellen lässt. Warum also entwickelt Jaguar nicht einen eigenen Geländewagen? Land Rover greift bereits auf Triebwerke von Jaguar zurück, warum sollte sich Jaguar im Gegenzug nicht eine Plattform von der Schwester borgen? Sicher würde Mike Cross, Herr über die Fahrwerksabstimmung bei Jaguar, diesem Projekt den nötigen Biss und ein markentypisches Einlenkverhalten verleihen. Müssig ist die Frage, ob es auf unseren hervorragenden mitteleuropäischen Strassen überhaupt einen Geländewagen, einen SUV oder Crossover braucht. In Westeuropa schätzt man vor allem die hohe Sitzposition und den damit verbundenen Überblick, aber auch das Platzangebot. Ganz anders dagegen in den aufstrebenden Märkten weiter östlich, wo die Verkehrswege weniger gut ausgebaut sind und die Randsteine hoch, Parkplätze nicht der Euronorm entsprechen und nur mit einem halsbrecherischen Fahrmanöver ein Überfall verhindert werden kann. Dort gieren Millionen junger Menschen nach Audi-, BMW-, Mercedes- oder Porsche-Modellen, die zwar etwas hochbeinig daherkommen, aber eben auch ein Lebensziel darstellen. Sie gelten als Symbole des Erfolgs, sind vierrädrige Rewards für harte Arbeit. Selbst künstliche Neumarken wie Infiniti finden ihre Käufer, doch Jaguar glänzt durch Abwesenheit. 070 VECTURA #4
Noch immer leidet das Haus unter dem Bappeli-Image der drögen Leyland-Ära, obwohl Jaguar in den 30er-, 50er- und 60erJahren hochsportliche Fahrzeuge produzierte und mit ihnen bedeutendste Rennerfolge errungen hat. Aus diesem Grunde darf es sich Jaguar nicht leisten, eine wachsende Käufergruppe zu ignorieren. Ich bin sicher, dass Ian Callum, der sich als erster Designer wieder auf die Kernwerte der Marke konzentriert und nicht moderne E-Type oder Mk2 im Retrolook zur Serienreife bringt, auch eine solch anspruchsvolle Aufgabe mit Bravour meistern könnte. Er hat schon bei Aston Martin mit DB7 und Vanquish eine Renaissance dieser urenglischen Marke eingeläutet. Auch die aktuellen Jaguar-Modelle sehen heute eigenständig und modern aus: Der neue F-Type-Roadster wird die Markeneigenschaften Eleganz, technische Avantgarde, Dynamik, Britishness, Understatement und Preiswürdigkeit in sich vereinen. Bei einem Softroader wäre das nicht anders – und er würde sicherlich nicht X-Type heissen. Ich hoffe sehr, dass Ratan Tata als Inhaber von Jaguar Cars dem Designteam um Callum längst grünes Licht gegeben hat, um in den hintersten Hallen des Entwicklungszentrums Whitley an einem solchen Crossover zu arbeiten. Sonst ist es bald zu spät für Jaguar, um in diesem wachsenden Segment noch wahrgenommen zu werden.
Georg Dönni begann bereits im zarten Kindesalter, Plastikmodelle seiner Traumwagen zusammenzusetzen. 1986 liess er sich am englischen Colchester Institute of Technology zum Fahrzeugrestaurator ausbilden; heute ist er ein über die Schweizer Grenzen hinaus bekannter Jaguar-Spezialist. Seine 1988 gegründete Garage befindet sich in einer alten Schreinerei in Roggliswil. Dort parken stets die schönsten Katzen. Unter anderem hat Dönni den PremierenE-Type vom Genfer Salon 1961 komplett neu aufgebaut.
PUSCHL AV ( SCHWE IZ ), 2005
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Soll 2013 antreten: Jaguar-Crossover auf Basis des XF Sportbrake
Wald-und-Wiesen-Design Was vom Offroad-Gedanken optisch übrig blieb – Beobachtungen zur aktuellen SUV-Welle Text und Zeichnung Mark Stehrenberger
S
UV und Geländewagen erleben derzeit einen riesigen Boom. Damit die wachsende Nachfrage gestillt werden kann, kommt eine ganze Flotte frischer Offroader auf uns zu und ein Trend ist offensichtlich: Sie werden kleiner.
Die meisten Neuheiten findet man also bei den Kompaktmodellen. Audi erweitert seine Q-Familie demnächst um die Varianten 1, 2 und 4. Mercedes bringt schon 2013 einen Softroader auf AKlasse-Basis und arbeitet zusammen mit Infiniti an einem kleinen Bruder der M-Klasse. Volkswagen wird Up und Polo im SUV-Look anbieten und die Tiguan-Baureihe um eine Langversion ergänzen; auch die Konzerntöchter Seat und Skoda sollen künftig verstärkt mitmischen. Fiat hat einen Basis-Jeep auf 500er-Plattform im Sinn und Volvo zeigt uns Ende Jahr mit dem V40 XC, wie man Kompaktwagen auf Allrad-Optik trimmen kann. Dass dies auch bei Kombis funktioniert, will Jaguar schon bald mit einer Allradvariante des neuen XF Sportbrake beweisen (siehe oben). Wichtig dabei ist, dass nicht alles, was nach SUV aussieht, auch 4x4Antrieb aufweist. Viele Kunden legen gar keinen Wert darauf und sind nur an der Optik oder einer höheren Sitzposition interessiert. Dazu kommt, dass Verbrauch und Emissionen heute das Package diktieren, nicht Untersetzungsgetriebe! Offroad-typische Zutaten wie Kuhfänger oder Überrollkäfige sind längst verschwunden; an ihre Stelle traten Schutzleisten aus lackiertem Plastik oder wulstige Seitenteile – kosmetische Massnahmen, die an die Herkunft dieser Fahrzeuggattung erinnern und Solidität ausstrahlen sollen. 072 VECTURA #4
Das neue Buzzword lautet jedoch «SUV-Crossover-Coupé», und da kommen zum Teil ganz scharfe Typen auf uns zu. Der Mini Paceman, die zweitürige Ausführung des Countryman, ist einer von ihnen und bereits startklar. Aber auch von Audi werden Coupé-Versionen des Audi A3 Sportback und Q5 erwartet. Und während BMW an X2- und X4-Coupés arbeitet, bereitet VW einen Tiguan-Zweitürer vor. Renault hat sich vorgenommen, 2014 eine frankophile Version des überraschend erfolgreichen Nissan Juke zu lancieren. Selbst Land Rover plant einen dreitürigen Range Rover Sport; das Topmodell der Baureihe dürfte Ende 2014 auf den Markt kommen. Dieses High-End-Spielmobil orientiert sich optisch am nagelneuen Range Rover (siehe S. 062) und dem Erfolgsmodell Evoque, soll aber viel aggressiver und weniger kantig daherkommen. Grosse SUV wird es natürlich auch weiterhin geben. Audi erweitert sein wachsendes SUV-Portfolio nicht nur nach unten, sondern mit Q6 und Q8 auch nach oben. Sogar von einem Q9 ist die Rede; dieser King-Size-Gozilla wäre allerdings nur für die Vereinigten Staaten, Asien und künftige Mars-Expeditionen gedacht. Alfa will in den USA einen Crossover auf Jeep-LibertyPlattform realisieren und Maserati hat dem Kubang nach langem Hin und Her endlich grünes Licht gegeben. Aston Martin sucht noch einen Entwicklungspartner für den angedachten Wald-und-Wiesen-Lagonda, während Lamborghini nach zwei Dekaden Gelände-Abstinenz in wenigen Jahren wieder dabei
Stilblüten
sein dürfte. Selbst Ferrari will der verehrten Kundschaft ein Angebot mit vier Einzelsitzen machen, das wie der begeistert aufgenommene FF von Pininfarina entworfen wird: Die Premiere des ersten SUV der Scuderia soll 2013 in Genf stattfinden. Dort fiel das Bentley-Concept EXP 9F letztes Frühjahr einstimmig durch, doch es gilt als beschlossene Sache, dass die Briten einen zweiten Anlauf unternehmen wollen: In der US-amerikanischen Musik- und TV-Branche ist das Auto bereits zum nächsten Hip-Hop-Mobil erkoren worden; ein Caddy Escalade ist dagegen kalter Kaffee. Die genannten Luxuslabel orientieren sich dabei am vorexerzierten Erfolg von Range Rover, Porsche und Co., zumal sich auch Retortenmarken wie Infiniti und Lexus wachsender Beliebtheit erfreuen. Fehlen eigentlich nur noch Bugatti und Rolls-Royce… Wenn es nur um das SUV-Design geht, spielen Marke oder Grösse selbstverständlich eine Rolle. In erster Linie geht es aber um Glaubwürdigkeit, Alltagsnutzen und Coolness. Ich möchte deshalb über Autos sprechen, die bereits heute aus der Masse herausragen. Und da fallen mir konkret sieben Modelle ein.
Fast perfekt Für mich ist der Audi Q5 momentan einer der bestdesignten Audis überhaupt. Die Grösse stimmt, die Räder stehen proportional richtig, der Frontgrill schmunzelt freundlich, die Linienführung ist gediegen und dennoch kraftvoll. Auch das dezente Interieur mit seinem nicht überladenen Armaturenbrett, dem griffigem Lenkrad und straffen Sitzen kann sich sehen lassen. Leider hapert’s am viel zu breiten Heck; die aussen absackenden Rückleuchten sehen einfach nur trist aus. Dennoch steht das Auto insgesamt für lässige Fortbewegung. Wer es noch sportlicher will, kann ab 2013 zum technisch nahezu baugleichen Porsche Macan greifen.
Würg Der BMW X6 dagegen ist die Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat. Trotz Coupé-haftem Styling wirkt das Auto viel zu gross und wuchtig, ja brutal. Man erwartet, dass eine Bande übler Schläger in ihm sitzt. Speziell die Heckansicht mit ihren viel zu kleinen Fenstern fällt bei mir durch. Man sieht dem X6 an, dass er hastig auf den US-Markt geworfen wurde, um Honda mit dem Crosstour Coupé die Suppe zu versalzen: Die Japaner hatten schon lange vor den Europäern mit allerlei SUV-Varianten experimentiert. Fazit: Anders als beim rundum gelungenen X5 hat BMW hier eine Chance vertan.
Unverwechselbar Der amerikanische Cousin des Opel Antara heisst Cadillac SRX und verkörpert eine ganz eigene Formsprache: Messerscharfe Linien und gemeisselte Ecken sind konsequent und polarisieren – hier ist ein Auto, das man entweder hasst oder liebt. Bei mir liegt der SRX dieser zweiten Modellgeneration voll drin, weil er Charakter hat und stilistisch keine Kompromisse eingeht. Vielleicht könnte das Auto eine Spur breiter sein für seine Höhe, was auch der Präsenz zugute käme. Andererseits soll es sich deutlich von den Full-Size-SUV mit ihrem «Gangsta»-Image distanzieren. Innen gibt es trotzdem viel Platz und Technologie; der SRX ist längst der Bestseller des Hauses und mit dem diesjährigen Refreshing sollte man das Momentum beibehalten können. Selbst in 20 Jahren wird das Teil noch gut aussehen, wetten?
Wegweisend Der erste Infiniti FX von 2003 war in Bezug auf das SUV-Styling ein echter Hammer und schlug entsprechend positiv ein. So hätte damals eigentlich der Porsche Cayenne aussehen müssen – dynamisch, schwungvoll, mit einem hinten abfallenden Dach und knackigem Hintern. Dazu kamen grosse Räder und ein passender Radstand, die hohe Gürtellinie und kleine Seitenfenster. Insgesamt zeigte der Japaner also klare, fast deutsche Linien. Optisch fuhr der FX schon im Stand – während der zweite Cayenne mit seiner aufrechten Kabine auch heute noch steht, selbst wenn er längst schon fährt. Sicher, die Infiniti-Front hätte mehr Fläche im Grill und in den Lampen vertragen können; beides war angesichts der Körpermasse des Wagens unterdimensioniert. Die zweite FX-Generation kam 2009 mit einem stechenden Blick, und obwohl sich die Baureihe immer noch bestens verkauft, gefällt sie mir persönlich nicht mehr ganz so gut. Meine Bitte nach Tokio: Möge der dritte FX doch so geil und markant daherkommen wie der erste! American Idol Wenn es ein Referenzmodell für den Wandel vom robusten, harten Geländewagen der 90er Jahre hin zu den geschmeidig-weichen 4x4-Luxusschlitten von heute gibt, ist das der Jeep Grand Cherokee. Die Baureihe traf damals genau den richtigen Ton für viele Amerikaner, die sich sofort verliebten und ihre öden Limos und Minivans am Strassenrand stehen liessen. Auch die neuste Ausgabe hat alle Zutaten zum Erfolg: Sie ist nicht übergross und kommt mit unaufdringlichem Look, hat aber einen ausreichend langen Radstand mit Wow!-Radkästen, die markentypisch winklig sind und Offroad-Kompetenz ausstrahlen. Innen gefällt die Auswahl an Farben und Materialien inklusive echtem Holz. Gut gemacht, Jungs!
You’ve come a long way, baby Aus dem hässlichen Entlein Kia Sportage ist in der dritten Generation ein schöner Schwan geworden. Ich könnte auch sagen: Der Softroader hat sich in 15 Jahren von einem Pavian über einen Neandertaler zu George Clooney entwickelt! Zu verdanken haben wir das der koreanischen Weitsichtigkeit und dem deutschen Designchef Peter Schreyer. Der Sportage verkörpert fast alles, was ich von einem SUV verlange: eine vernünftig-praktische Grösse, dazu sauberes Design mit hoher Gürtellinie, die Robustheit und Schutz verspricht. Riesige Räder schreien 4x4-Power, nur die Front des Sportage wirkt zweideutig: Der obere Grill lächelt, der untere heult wie ein trotziges Kind im Supermarkt. Das Interieur ist organisch gestaltet und qualitativ okay. Der Verbrauch könnte besser sein, dafür bekommt man aber viel Auto für wenig Geld. Mein Fazit: mega, mehr davon!
Fashion-Victim Der Range Rover Evoque ist sicher nicht der praktischste SUV auf Erden, hat dafür aber eine Menge Stil. Dazu glänzt er mit raffiniertem Fahrverhalten und den traditionellen Land-Rover-Offroad-Talenten, auch das gefällt mir. Ja, ich weiss, das Dach ist viel zu niedrig. Aber das Auto ist genau für diesen Look gemacht, hat die passenden Proportionen! Ein Evoque ist nicht billig, aber begehrenswert: Mit ihm fährt man nicht nur, sondern «kommt an», und wer ein lupenreines Style-Statement fahren möchte, wird nicht enttäuscht sein. Kurz: Wenn es im Himmel keine Evoque gibt, dann will ich nicht dorthin! herbst 2012 073
Autofreie
Traumstrassen
Alpen, Alpen und nochmals Alpen: Eine bemerkenswerte Publikation beschäftigt sich mit Asphalt in den Bergen. Und weil die aktuelle Ausgabe vorrangig durch die Schweiz führt, drucken wir einige Motive exklusiv ab Text Helena Sukova · Fotos Stefan Bogner
Sustenpass
074 VECTURA #4
Fernweh
herbst 2012 075
E
ine Kurve ist die sinnlichste Verbindung zwischen zwei Punkten – und in gewisser Weise auch die realistischste. Wer sich ein Ziel steckt, wird dieses fast nie auf dem kürzesten Weg erreichen. Würden unsere Wünsche alle auf einen Schlag wahr werden – wir würden uns um den Weg dorthin betrogen fühlen. Fahren lehrt uns, gegenwärtig zu sein. Und wer gegenwärtig ist, ist glücklich. Machen Sie sich auf die Jagd nach dem Flow, jener zeitlosen Hochebene des Seins, wo Ursache und Wirkung mal keine Rolle spielen, sondern nur der Moment zählt. So steht es im Vorwort des aktuellen «Curves», eines alljährlich verlegten Magazins, das sich mit alpinen Strassen beschäftigt – ohne dabei ein einziges Auto zu zeigen. Es gibt auch kein richtiges Inhaltsverzeichnis – dieses Werk will wie ein Reiseführer gelesen werden. Nach der Erstausgabe 2011 bewegt sich Jahrgang 2012 (www.curves-magazin.com) «entlang der schweizerisch-italienischen Grenze»: Von Südtirol aus geht es über die spektakulärsten Alpenpässe Richtung Tessin, Engadin und Wallis. Zu den optischen Highlights zählen das Stilfser Joch und hierzulande die Pässe Albula, Flüela, Maloja, der alte Gotthardpass, die «Tremola» und die Pässe nördlich von Italien wie der Simplon- und der SanBernardino-Pass. Auch Klassiker wie Klausen, Susten, Grimsel und Furkapass sind vertreten. In fünf ausgearbeiteten Tagesetappen voller Berg- und Talfahrten wird der geneigte Leser von Schluderns nach Zuoz, weiter nach Andermatt, über den Gotthard, den Gornergrat und den Grossen Sankt Bernhard geführt. 076 VECTURA #4
Stilfser Joch Das Layout ist grosszügig bis zeitlos – und ein weiterer Grund, weshalb «Curves» bei uns vorgestellt wird. Serviceseiten mit grafisch schön aufbereiteten Höhenangaben, einigen Übernachtungstipps und Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke (zum Beispiel das HR Giger-Museum in Gruyères) runden das gelungene Werk ab. Kritik? Die Anordnung der Bilder und Strecken wirkt stellenweise etwas willkürlich. Und auf fast allen Fotoaufnahmen liegt ein grauer Schleier, schieben sich düstere Wolken über Bergspitzen, wirken die Alpen fast depressiv und endzeitmässig. Ein sattes, im Sonnenlicht badendes Sommergrün findet sich in diesem «Curves» nur selten. Man muss dem Fotografen Stefan Bogner freilich zugute halten, dass er alle Aufnahmen selbst gemacht und in zwei Trips à sieben Tagen nebenberuflich produziert hat. Mit diesem Wissen erscheint der von Dunlop sowie Mercedes-AMG gesponserte, ansonsten werbefreie, 232 Seiten starke und 20 Franken teure Band noch spektakulärer. Zu den Protagonisten der begleitenden und oktanhaltigen Reiseberichte zählen ein Mercedes 190 2.5-16 Evo II, ein original RallyeMonte-Carlo-Mini Cooper S und ein Lamborghini Miura. Zu sehen sind die Autos allerdings nie: Die konsequente Abwesenheit jeglicher Motorfahrzeuge – einige, verrät uns Bogner, mussten natürlich aus den Fotos herausretuschiert werden – macht interessanterweise umso mehr Lust darauf, die abgebildeten Strassen unter die eigenen Räder zu nehmen. Vor allem die erstmals vom Helikopter aus geschossenen Aufnahmen glatter Asphaltbänder durch die steinig-schroffen Berglandschaften sind spektakulär.
Fernweh
Albulapass
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rennsport
078 VECTURA #4
Fernweh
nochmal Stilfser Joch
herbst 2012 079
rennsport
Gotthard-Passhรถhe
080 VECTURA #4
Fernweh
herbst 2012 081
rennsport
Susten, zum zweiten
082 VECTURA #4
Fernweh
Blick aus der Eigernordwand – nur erreichbar mit der 100 Jahre alten Jungfraubahn
herbst 2012 083
Allrad für den Alltag Acht wichtige SUV-Modelle für die Saison 2013
Text Stefan Lüscher, map · Fotos Werk
Sushi mit Zitrone Ausser dem Namen C4, der auf die ungefähre Fahrzeuggrösse hinweisen soll, hat der Citroën C4 Aircross mit dem Kompaktwagen C4 nichts gemein. Stattdessen ist er das neue Einstiegsmodell der Franzosen ins wachsende Segment der kompakten SUV. Diesen beschreitet Citroën gemeinsam mit PSA-Schwester Peugeot, deren technisch identisches SUV-Modell auf den Namen 4008 hört. Beide Franzosen sind letztlich aber Japaner – und nach dem Outlander, aus dem in Frankreich der Citroën C-Crosser und der Peugeot 4007 wurden, eine neue, für Mitsubishi rentable Gemeinschaftsproduktion mit dem französischen PSA-Konzern. Emotionale Formgebung aus Frankreich und bewährte Technik von Fernost: Für verwöhnte europäische Kunden wurde der Japaner in Paris mit der eigenständigen aktuellen Design-DNA von Citroën trendig eingekleidet. Zumindest aussen, mit neu gezeichneten Scheinwerfern, Chromstegen, dem
trieb kommt zum 1,6-Liter-Benziner (117 PS) und 1,8-Liter-Diesel (150 PS)
Doppelwinkel und L-förmigen Rücklichtern. Innen unterscheidet sich der in
aus Japan ein 1,6-Liter-Diesel (112 PS) von Citroën mit Durchschnittsver-
Russland produzierte C4 Aircross (Laderaum bis 1220 L) kaum vom ASX,
bräuchen ab 4,6 L/100 km. Zur Wahl stehen zudem ein cleverer Allradan-
was aber kein Nachteil ist. Es hat gute Sitze, eine hohe Verarbeitungsqua-
trieb mit drei Modi sowie das Basismodell mit Vorderradantrieb. Das kostet
lität, die 40-GB-Festplatte sowie Navigations- und Audiosysteme. Als An-
ab 30 200 Franken; ein Aircross mit Allrad ist ab 35 900 Franken zu haben.
Gruss aus Amerika Als Vierjähriger steht der Ford Kuga in der Blüte seines Lebens. Das beweisen auch die Verkaufszahlen: 2011 führte der SUV in seinem Segment gar die Schweizer Verkaufshitparade an, und im ersten Halbjahr 2012 war er hinter dem VW Tiguan noch immer Nummer 2. Der globalen Modellstrategie und dem nordamerikanischen Ford-Management gehorchend, wird er trotzdem ausgemustert und Anfang 2013 durch ein komplett neues Fahrzeug ersetzt. Die Basis der zweiten Kuga-Generation liefert das US-Pendant Escape. Damit weicht das progressive, dynamische Design des europäischen Kuga einer mehrheitsfähigeren, geschliffeneren Optik. In der Länge (4,52 m) wächst das neue SUV-Modell bei gleichbleibendem Radstand (2,69 m) um 8 Zentimeter. Dadurch gewinnt das Interieur an Raum, der Laderaum wächst um
tiv: Je nach Strassenzustand verteilt ein leistungsfähiger Bordrechner das
82 Liter auf ein Volumen von stolzen 970 bis 1930 L. Praktisch: Die Rücksitze
Motordrehmoment bedarfsgerecht auf die Räder. Zugleich optimiert die ak-
falten sich auf Knopfdruck zusammen und geben eine durchgehend ebene
tive Fahrdynamikregelung TVC aus dem aktuellen Focus das Handling und
Ladefläche frei. Der Fahrer wird durch einen Einparkassistenten und einen
die Fahrzeugkontrolle in Kurven. Zum Marktstart stehen zwei 2-L-TDCi mit
Totwinkel-Assistenten sowie das sprachgesteuerte Kommunikations- und
140 und 163 PS sowie ein 150 PS starker 1,6-Liter-Benzin-Direkteinsprit-
Entertainmentsystem Sync mit automatischer Notruf-Funktion unterstützt.
zer zur Wahl. Die Preise dürften sich am Vorgänger orientieren, also bei ca.
Ein intelligenter Allradantrieb erkennt Fahrbahnverhältnisse derweil proak-
40 000 Franken starten.
084 VECTURA #4
showroom
Einer für alle(s) Seit 1996 gibt es den Honda CR-V, und dieses «Comfortable Runabout Vehicle» suggeriert laut Namensgebung, ein Alleskönner zu sein. Tatsächlich ist der CR-V mit über fünf Millionen Einheiten ein internationaler Verkaufserfolg. Ende Jahr kommt nun die komplett neue, in England gefertigte, vierte Modellgeneration. Sie ist 456,5 cm lang, 182 cm breit, 164,5 cm hoch und soll sich anfühlen wie ein normaler Pw, also vor allem auf Asphalt überzeugen. Wozu es dann noch einen SUV braucht? Zum Beispiel wegen dem Platzangebot: Nummer 4 bietet bis zu 1670 L Stauvolumen, das sind knapp 150 Liter mehr als bisher. Dank einem «Easy-Fold-Down»-System lassen sich die Rücksitze mit einem Handgriff umklappen, bilden allerdings keinen ganz ebenen Ladeboden. Eine Vielzahl erhältlicher Assistenzsysteme (adaptiver Tempomat, aktiver Spur-
wahlweise mit Sechsgang-Handschaltgetriebe (inkl. Stopp-Start-System,
assistent oder Kollisionswarner inkl. Vollbremssystem) sorgt dafür, dass
Econ-Modus und Spritsparassistent) oder Fünfstufenautomat. Beide
die Besatzung sicher unterwegs ist. Ein besonders schnell agierender
Kraftübertragungen stehen auch für den 2,2-L-Diesel zur Verfügung;
elektronischer Allradantrieb soll optimale Traktion garantieren; erstmals
er kommt mit 150 PS (110 kW) und souveränen 350 Nm Drehmoment.
wird der CR-V in der Zweiliter-Benzinversion aber auch mit reinem Front-
Schweizer Markteinführung ist im November; die Preise starten bei knapp
antrieb offeriert. Sie leistet 155 PS (114 kW) sowie 192 Nm und kommt
40 000 Franken.
Koreanischer Weltstar Eigentlich müsste der Hyundai Santa Fe entsprechend seiner SchwesterModelle ix45 heissen. Der grössere Bruder des ix35 darf aber auch in der dritten Generation den Namen der Hauptstadt von New Mexico tragen. Optisch kommt der mit insgesamt 469 cm leicht verlängerte Koreaner mit der progressiven Designsprache aktueller Hyundai-Modelle daher – mit grossem Hexagonal-Grill, der von weit nach hinten gezogenen Scheinwerfern eingerahmt ist. Unter der Haube werden viele elektronische Helfer das Leben leichter und sicherer machen. Ein Tempomat hält per Radar den Abstand zum Vordermann, ein Parkassistent steuert selbstständig in Parklücken. Dazu kommen Berganfahrhilfe, Bergabfahrkontrolle, Spurhaltesystem, Regen- und Lichtsensor und die erstmals im i30 eingesetzte Lenkung mit drei Fahrprogrammen. In puncto Sicherheit profitieren Fussgänger, die
ziner mit 192 PS/242 Nm, ebenfalls ein Vierzylinder-Direkteinspritzer, rundet
bei Kollisionen mit Geländewagen besonders bedroht sind, von einer aktiven
die Motorenpalette ab und emittiert dank manuellem Sechsganggetriebe
Motorhaube. Sie hebt sich bei einem Aufprall blitzschnell an. Als Motoren
und Vorderradantrieb nur 145 g/km CO2. Je nach Motorisierung steht auch
stehen zwei Turbodiesel und ein Benziner zur Wahl. Ein neuer 2.0-Liter-
ein automatisches Sechsganggetriebe parat. Schweizer Marktstart ist Mitte
Turbodiesel mit variabler Turboladergeometrie leistet 150 PS/383 Nm, ein
Oktober. Die Preise bewegen sich auf dem Niveau des Vorgängers; bei etwa
2.2 CRDi gar 197 PS und mindestens 421 Nm Drehmoment. Der 2,4-L-Ben-
38 000 Franken geht es los.
Evolutionsstufe Grün Die dritte Generation des Mitsubishi Outlander zeichnet sich durch eine glattflächig-grazile Designsprache, jedoch fast unveränderte Abmessungen aus. Grosse Aufmerksamkeit wurde dem Einsatz umweltfreundlicher Technologien geschenkt. Als Antriebe werden zum Marktstart neue ClearTec-Motoren mit Stopp-Start und optional auch einem von Aisin neu entwickelten Sechsstufen-Automatikgetriebe angeboten. Der neue Zweiliter-MIVEC-Benziner leistet 150 PS/195 Nm, ein wieder selbst entwickelter 2,2-Liter-MIVEC-DID-Turbodiesel generiert 150 PS und 380 Nm Drehmoment – und verbraucht dabei zwei Liter weniger als sein (PSA-)Vorläufer. Beide Antriebe sind wahlweise mit Front- oder Allradantrieb lieferbar. Andererseits will der 100 Kilo leichtere Outlander mit einem hochwertigen Innenraum (Soft-Touch-Oberflächen und moderne Sicherheitssysteme) überzeugen. So hilft der optional erhältliche präven-
raum sowie auf Wunsch eine vollwertige dritte Sitzreihe. Der in Japan
tive Bremsassistent bis 30 km/h bei der Vermeidung von Auffahrunfällen
produzierte Outlander kam schon im Sommer in Russland auf den Markt,
und integriert zudem einen Spurhalteassistenten sowie eine aktive Ge-
die Schweizer Lancierung ist für nächsten Februar geplant. Ebenfalls
schwindigkeitsregelung. Für mehr Komfort sorgen unter anderem eine
2013 ist auch ein Plug-in-Hybrid vorgesehen, der rein elektrisch bis zu
Zweizonen-Klimaautomatik, der völlig ebene, nun 30 cm längere Koffer-
50 Kilometer weit fahren soll. Preise sind noch nicht bekannt.
herbst 2012 085
showroom
Espresso im Gelände SUVs werden kleiner und der Opel Mokka fährt mit Corsa-Format genau in diese Nische: Seine bullige Optik bringt eine würzige Prise Abenteuer in den Vorstadt-Dschungel. Das Aussendesign kommt mit 18-Zoll-Rädern, breiter Spur, einer auf 16 cm erhöhte Bodenfreiheit und kompakten Überhängen. Erhellend ist ein adaptives Lichtsystem mit Bi-Xenon-Scheinwerfern und Fernlichtassistent der dritten Generation. Es arbeitet stufenlos und seitengetrennt, ohne den Mitverkehr zu blenden. Auf einer Länge von 4,28 Meter bietet der Fünftürer seinen Insassen eine angenehm erhöhte Sitzposition. Überdies steht im Mokka ein grosszügiges, variables Platzangebot zur Verfügung; es gibt 535 bis 1370 Liter Stauraum sowie 19 praktische Staufächer. Biker können bis drei Velos auf ein ausziehbares, in die hintere Stossstange integriertes Trägersystem laden. Angetrieben wird der Mokka – es gibt ihn auch optisch leicht verändert als Chevrolet Trax, in den USA folgt 2013 eine Buick-Variante namens Encore – wahlweise über die Vorderräder oder per optionalem Allradantrieb. Das Basismodell erhält ein Fünfgang-Schaltgetriebe, ansonsten kommen manuelle oder automatische Sechsgang-Boxen zum Einsatz. Die Motorenpalette beginnt mit einem 115 PS/155 Nm starken 1,6-Liter-Benziner; darüber generiert ein 1,4-Liter-Turbobenziner 140 PS und 200 Nm. Die potenteste und zugleich sparsamste Motorisierung ist jedoch der 1.7 CDTI Ecoflex mit 130 PS/300 Nm; er ist mit 4,7 L zufrieden. Alle Motoren verfügen serienmässig über ein Stopp-Start-System. Die Markteinführung erfolgt Ende Oktober, die Preise beginnen bei fairen CHF 24 400.–.
Sportiver Abenteurer Zuerst sollte er Cajun heissen, doch jetzt ist es amtlich: Die fünfte Baureihe
ten Kotflügel hinein, grosse Kühlluftöffnungen versorgen die Motoren mit der
der Stuttgarter Sportwagenschmiede nennt sich Porsche Macan, wird im
nötigen Kühl- und Atemluft. Seitlich strahlt der Wagen mit stark konturier-
Herbst 2013 vorgestellt und kommt Anfang 2014 auf den Markt. Deutlich
ten Radläufen, muskulösen Flanken oder chromumrandeten Fenstern das
unter dem Geländewagen Cayenne angesiedelt, zielt das circa 450 cm lan-
sportliche Flair eines Coupés aus. Der Kompakt-SUV läuft im Porsche-Werk
ge Modell ins trendige SUV-Segment, wo es sportlicher Spitzenreiter sein
Leipzig vom Band, bedient sich technologisch aber weitgehend beim Kon-
will. Sein Name leitet sich vom indonesischen Wort für «Tiger» ab und soll
zernbruder Audi Q5 aus Ingolstadt. Dessen modifizierte Plattform dient als
laut Hersteller Attribute wie Geschmeidigkeit, Kraft, Faszination und Dyna-
Macan-Basis und wird ab 2014 auch im nahezu baugleichen, coupéartigen
mik miteinander verbinden, womit die anvisierten Kerneigenschaften klar
Audi Q4 zum Einsatz kommen. Die Macan-Motoren stammen von der Basis
umrissen wären. Optisch wird sich der neue Macan am Stil des Cayenne
her ebenfalls von Audi, dürften in der Porsche-Ausführung allerdings deutlich
orientieren: Elegante Scheinwerfereinheiten reichen bis weit in die markan-
leistungsstärker sein.
Fussgänger-Airbag auf Abwegen Die technisch nach wie vor eigenständig operierenden, jedoch zum chi-
Fussgänger-Airbag. Dieser ist von 20 bis 50 km/h aktiv und zwischen
nesischen Autobauer Geely gehörenden Schweden steigen 2013 mit
Motorhaube und Windschutzscheibe platziert: Im Kollisionsfall breitet
dem Volvo V40 Cross Country ins Segment der kompakten SUV ein.
sich das Luftkissen U-förmig aus und deckt dabei das untere Drittel der
Der neue Konkurrent von Audi Q3 und BMW X1 wird diesen Herbst erst-
Windschutzscheibe sowie grosse Teile der A-Säulen ab. Als Antriebe ste-
mals in Paris gezeigt, misst knapp 4,4 Meter und basiert auf dem neuen
hen alle V40-Motoren, also auch zwei direkt einspritzende 1,6-L-Benziner
Kompaktwagen V40. Die Unterschiede liegen in den üblichen Zutaten wie
(150 oder 180 PS mit je 270 Nm) sowie besonders sparsame Common-
Höherlegung, Kunststoff-Fassungen um die Radhäuser, den für theoreti-
Rail-Turbodiesel-Zweiliter-Fünfzylinder (150 PS/350 Nm oder 177 PS und
schen Geländeeinsatz optimierten Front- und Heckschürzen oder diver-
400 Nm) zur Auswahl. Alle Motoren verfügen über Stopp-Start-Sys-
sen rustikal wirkenden Elementen. Der Cross Country punktet mit erhöh-
tem und Bremsenergie-Rückgewinnung. Die Benziner sind mit einem
ter Sitzposition und wahlweise Vorderrad- oder Allradantrieb (T5-Version).
6-Gang-Schaltgetriebe gekoppelt, die Diesel gibt es auch mit Sechs-
Zu seinen Spezialitäten zählen neue Assistenzsysteme und der welterste
stufen-Automat. Die Preise dürften bei etwa 35 000 Franken beginnen.
086 VECTURA #4
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ROT IST DIE LIEBE 088 VECTURA #4
COUNTRY STYLE
Lange Zeit wollte sie niemand mehr haben. Heute feiern Porsche-Traktoren ein beachtliches Comeback – als Männerspielzeug. Der glanzvolle Markenname hilft dabei Text und Fotos Matthias Pfannmüller
herbst 2012 089
RUBRIKEN
Im Rotnasenland werden Traktoren bis auf die letzte Schraube zerlegt. Die Qualität ist erstklassig
M
üde und verbraucht stehen sie da, mit stumpfem Lack und platten Reifen. Gut zwei Dutzend alte PorscheTraktoren dämmern in einer noch älteren Scheune vor sich hin, und es ist das Beste, was ihnen passieren konnte. Denn hier sind sie in Sicherheit und warten auf den zweiten Frühling. Der Jungbrunnen heisst «Rotnasenland» (www.rotnasenland.de), befindet sich gut 30 Kilometer nordöstlich von Saarbrücken im deutschen Käshofen und ist die clevere Geschäftsidee von Thomas Hoffmann: Vor wenigen Jahren noch verdiente der gelernte Hotelfachmann gutes Geld mit dem Handel gebrauchter Geländewagen. Dann kam die Wirtschaftskrise; zahlende Kundschaft blieb aus. «Viele von denen, die sich noch zu uns verirrten, be-
wunderten aber stets den restaurierten, unverkäuflichen Porsche Junior, der hinten in der Ecke stand», erinnert sich der Pfälzer. Warum hatte er das Ding überhaupt? «Der Traktor-Virus hat mich schon vor 15 Jahren befallen und seither nicht mehr losgelassen.» Hoffmann zählte eins und eins zusammen, erkannte, dass die Zeit für ihn arbeitete – und begab sich auf die Suche nach jenen roten Nutzfahrzeugen. Die hatte lange niemand mehr haben wollen, doch auf vielen Bauernhöfen standen sie herum. Das war Anfang 2010. Inzwischen ist er in der Szene bekannt wie ein bunter Hund, steht sein Telefon nicht mehr still. Scheunenfunde werden langsam rar, doch Hoffmann ist bestens vernetzt. «Nicht jeder Schnäppchenjäger mag uns, weil wir faire Preise bezahlen und niemanden über den Tisch ziehen.» Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Stefanie Heim reist er kreuz und quer durch Europa und sammelt die weidwunden Traktoren ein. Heim berichtet von herzzerreissenden Geschichten weinender Bauerswitwen, die ihren tropfenden Junior nur in gute Hände abzugeben bereit sind.
Die Geschichte der Porsche-Traktoren ist kurz und heftig. Alles begann Mitte der 30er-Jahre mit dem Auftrag der Nazis an Professor Ferdinand Porsche, nicht nur einen KdF-Wagen (den späteren Käfer), sondern auch einen «Volksschlepper» zu konstruieren. So geschah es. Der Trekker erhielt einen Zweizylinder-Dieselmotor und der war natürlich luftgekühlt; allein der Krieg verhinderte seinen Einsatz. 1949 kamen die Pläne dann wieder auf den Tisch. Der schwäbische Traktorenproduzent Allgaier erwarb von Porsche eine Lizenz zur Herstellung des Modells «System Porsche», errichtete auf dem Gelände der ehemaligen Dornier-Werke in Friedrichshafen am Bodensee eine Fabrik – und brachte den konservativen Traktorenmarkt ab 1950 mit günstigen Einstiegspreisen und tech090 VECTURA #4
RUBRIKENSTYLE COUNTRY
Dreimal Master: Das Porsche-Diesel-Topmodell hat beeindruckende Armaturen, ist 50 PS stark, dazu besonders selten und teuer
nischen Innovationen gehörig durcheinander: Motor und Getriebe des damals noch orange lackierten und Allgaier AP17 genannten Typs bestanden aus Aluminium. Die Kupplung verfügte über eine Ölhydraulik, was die Lebensdauer erhöhte und ein Abwürgen praktisch unmöglich machte. Darüber hinaus war die ganze Konstruktion nicht nur einfach und robust gehalten, sondern auch leicht und schnell. Die Produktion brummte, allein 1955 entstanden 25 000 Exemplare, doch Allgaier veränderte sein Geschäftsmodell und gab die Traktorenproduktion auf. Anfang 1956 übernahm Mannesmann die Porsche-Diesel Motorenbau GmbH und entwickelte den Schlepper weiter. Schon ein Jahr später wurden mit dem einzylindrigen Junior, dem Standard (zwei Zylinder) und dem Super (drei) neue Modelle eingeführt, eroberte man Platz 2
der deutschen Traktor-Zulassungsstatistik. Doch auch im Ausland erfreuten sich die Baureihen mit ihrer markant geschwungenen Motorhaube wachsender Beliebtheit; 1958 krönte die Baureihe Master mit vier Zylindern und 50 PS das Programm. Der Master war gleichzeitig auch der Schwanengesang der Porsche-TraktorenÄra: Das Unternehmen hatte wichtige Entwicklungen verschlafen; vor allem in Bezug auf Leistung und Hubkraft geriet man ins Hintertreffen. Auch einen Allradantrieb hatte es ab Werk nie gegeben. Schon 1963 endete die Produktion; die restlichen Traktoren wurden in einer mit Renault gegründeten Vertriebsgesellschaft verramscht. Bis 1966 wurden zudem noch 255 Porsche-Traktoren von Iseki in Japan produziert, dann war endgültig Schluss. Insgesamt sind etwa 150 000 Exemplare entstanden.
herbst 2012 091
Thomas Hoffmann neben einem frisch restaurierten Porsche Junior: Der kleine Schlepper ist heute wieder sehr gefragt
Nach dem Vorglühen springt der Porsche sofort an und verfällt in ein vibrierendes «put-put-put-put-put». Hoffmann grinst: «Herrlich, nicht wahr?» Der Charme gebrauchter Nutzfahrzeuge erschliesst sich nicht sofort, doch die männliche Fangemeinde wächst. Galten Lanz-Bulldog-Besitzer früher als Spinner, locken ihre regelmässigen Treffen heute immer mehr Publikum an. In der Rotnasen-Szene ist es inzwischen genauso. Das hat viel mit Nostalgie zu tun – viele heute 50-Jährige erinnern sich an die Porsche-Trekker ihrer Kindheit – und der Sehnsucht nach einer heilen Welt. Das ist Wirtschaftswunder-Romantik und sicher auch eine Flucht aus dem digitalen Alltag. Also am Wochenende keine Mails mehr checken oder die abgestürzte Festplatte vom Sohnemann reparieren, sondern entschleunigen und Furchen ziehen, vielleicht auch den Mähbalken einspannen und Nachbars Garten gleich mitschneiden – eine herrliche Vorstellung! Vielleicht am Sonntag mit 20 km/h ganz gemütlich über Feldwege quer durch die Natur tuckern – aber bitte mit Stil. Und den bietet nun mal kein Hatsu-Matsu- oder Szôvynçy-Trekker. Sinkende Verfügbarkeit und steigende Nachfrage treiben die Preise. Konnte man einen fahrbaren Junior vor zehn Jahren noch für ganz kleines Geld erwerben, sind heute mindestens 10 000 Franken fällig; ein komplett überholtes Prachtexemplar kostet bald 30 000 Franken. Wer sich für einen der seltenen Master begeistert, muss gar sechsstellige Summen investieren. Ob original, revidiert oder besser als neu – Hoffmann erfüllt jeden Wunsch und führt längst eine Warteliste. Eine Komplettüberholung dau092 VECTURA #4
ert sechs bis zwölf Monate. Sahen die Trekker ab Werk auch so schön aus? «Ach was, erst wurde alles montiert und dann komplett lackiert. Lediglich die Zierleisten hat man damals nachträglich angebracht», weiss der 46-Jährige, der schon über 40 Rotnasen restauriert hat und mittlerweile jede Schraube kennt: «Ich selbst mag es mit etwas Patina, aber viele Kunden wünschen sich eben einen perfekten Porsche.»
Goldgräberstimmung in Käshofen: Die Sorgfalt fürs Detail hat sich herumgesprochen; solvente Sammler aus ganz Europa reisen an, um sich die Prachtstücke aus der Nähe anzusehen. Auch mehrere Schweizer Porsche-Fans haben bei Hoffmann Traktoren gekauft. Es sind Liebhaber dabei, die ihren Porsche richtig arbeiten lassen wollen. Aber auch Manager, Werber, Architekten, Rechtsanwälte, Ärzte. Fünf Traktoren wird Hoffmann am Wochenende unseres Besuchs verkaufen. Ein Interessent kommt im Audi Allroad aus Luxembourg, steht mit verklärtem Lächeln neben den nagelneuen Junioren und bewundert deren Finish. Besonders die Einzylinder haben es ihm angetan, von denen er bereits einige besitzt – «aber eben noch keinen Porsche!». Das dürfte sich aber bald ändern und auch wir sind versucht, dem frugalen Zauber der selbstzündenden Ackerschlepper zu erliegen – erst recht, nachdem wir einige Kilometer auf ihnen zurückgelegt haben. Ein Junior, von dem es diverse Baumuster gegeben hat, läuft gut 20 Sachen und mit langer Achse auch etwas schneller. Die Zeit vergeht wie im Flug, doch Hoffmann muss zurück: Kundschaft wartet.
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herbst 2012 093
RUBRIKEN
094 VECTURA #4
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Stiere auf die Weide Landwirts Liebling: Warum es nach 43 Jahren Traktorfahren auch mal ein Lamborghini sein darf
Text Matthias Pfannmüller · Fotos map, Georg Bärtschi/skyfocus.ch, Werk
D
er Lamborghini auf diesen Seiten hat vier Zylinder und 85 PS; er wiegt knapp vier Tonnen, kann bis zu 4,3 Tonnen heben und 20 Tonnen ziehen. Die Höchstgeschwindigkeit von 38 km/h schliesst Autobahnen aus; dennoch macht das Fahrzeug einen starken Eindruck – auch optisch. Die Rede ist vom R3 Evo 85, einem multifunktionalen Arbeitsgerät des Lambo-Traktorenangebots. «Mittlere Leistungsklasse» heisst das mit Heck- oder Allradantrieb erhältliche Allroundmodell im Fachjargon des Herstellers Same Deutz-Fahr, zu dem Trattori Lamborghini seit 1974 gehört: Das Markenangebot reicht vom kleinen Raupentraktor oder dem Schmalspurmodell R1 bis zum King-Size-Schlepper mit über sieben Liter Hubraum, dem knapp zehn Tonnen schweren R8. Die meisten Baureihen sind baugleich mit anderen Markenprodukten des LandmaschinenKonzerns; die einzigen Unterschiede sind der Kühlergrill und die Farbe. Bei Same heisst das R3-Evo-Pendant schlicht «Explorer3» (trotz roter Lackierung), bei Deutz-Fahr ist es grün und wird «Agrofarm» genannt, bei Hürlimann «XB MAX» (silber). Der stolze Evo-Besitzer heisst Samuel Gehrig und lernte schon im zarten Alter von sieben Jahren, einen Traktor zu fahren. «Das war ein luftgekühlter Zweizylinder-Porsche Standard mit 30 PS», lacht der 50-Jährige. Er ist ein Freund des Autors und führt einen klassischen Schweizer Bauernhof von elf Hektar Grösse mit Milchwirtschaft, Grünland und Ackerbau. Ein universeller Traktor ist da Gesetz, und Gehrig hat jetzt gleich drei davon. Die älteren beiden sind von Same – ein 1973er Minitauro DT60 und ein Minitaurus 60 Baujahr 1983, die beide neu angeschafft wurden. Bei der Suche nach einem neuen Allradtraktor durfte es diesmal ein echter Stier sein, «weil du mir diesen Floh ins Ohr gesetzt hast», grinst Samuel. «Ausserdem ist der ja auch ein Same und aus Italien, da kenne ich mich aus. Der Evo ist silber lackiert und gefiel meiner Freundin besser.» Hier auf dem Land ist ein Lamborghini relativ selten, obwohl er gleich viel kostet wie der technisch identische Same. Die 85er-Version war Gehrig gross genug, denn «der einzige Unterschied zum 100er ist dessen Ladeluftkühler und etwas mehr Hubkraft an der Hydraulik, das kostet aber gleich 4000 Franken mehr». Seinen «Sport-Trekker» hat Samuel mit ein paar Prozenten Nachlass bei der Hürlimann-Vertretung Rohrer AG in Oberburg gekauft, die seine Maschinen schon lange betreut.
Der 1929 gegründete Traktorenhersteller Hürlimann ist inzwischen auch eine Same-Marke. Die Zeiten, in denen es viele unabhängige Schweizer Produzenten wie Bührer, Grunder, Köpfli, Schilter UT oder Vevey gab, sind lange passé. Schweres Gerät wird heute importiert und heisst neben Same Deutz-Fahr auch Fendt, John Deere, Massey Ferguson oder New Holland. Die meisten dieser Hersteller entstanden in den späten 40erJahren des letzten Jahrhunderts, als Landmaschinen dringend gebraucht wurden. Auch die Geschichte der LamborghiniTraktoren begann nach dem Zweiten Weltkrieg: Ferruccio Lamborghini, 1916 im italienischen Renazzo nahe Cento in der Emilia Romagna geboren, wusste um die Mühen körperlicher Arbeit. Seine Eltern waren Bauern, die ihre Felder noch mit Pferd und Wagen bestellten. Die Begeisterung für Maschinen kam da nicht von ungefähr, und Ferruccio bewies früh ein besonderes technisches Verständnis. 1939 wurde der damals 23-Jährige eingezogen und als Mechaniker dem Militärfuhrpark zugeteilt. In den Kriegsjahren mehrte er seine Kenntnisse, die ihn befähigten, die Konstruktion eines eigenen Traktors in Angriff zu nehmen: Als Mann mit Visionen hatte Lamborghini den wachsenden Bedarf an Landmaschinen und das damit verbundene Geschäft frühzeitig erkannt. Es war der Beginn einer steilen Unternehmerkarriere in guter Gesellschaft; auch der britische Industrielle und spätere Aston-Martin- und Lagonda-Eigner David Brown konnte sein Vermögen damals mit der Produktion von Traktoren vervielfachen. 1949 entstand die erste Lamborghini-Fabrik und 1952 eine grössere. Mit Spezialitäten wie einem kleinen Raupenschlepper wurde die Marke schnell bekannt. Ende der 50er-Jahre hielt Trattori Lamborghini nach Fiat und Ferguson bereits den dritten Platz der italienischen Verkaufsstatistik. Wie bei den schnellen Strassenboliden aus Sant’Agata lässt sich auch ein Lambo-Traktor traditionell mit allerhand Extras aufrüsten. Samuel hat einen luftgefederten Sitz, die luxuriöse Glasdachkabine samt DAB-Radio, eine Fronthydraulik mit Zapfwelle, das vordere Zugmaul, eine Schnellkupplung plus Lastenregler hinten sowie Arbeitsscheinwerfer hinzubestellt. Optional ist auch ein stufenloses Getriebe erhältlich, «doch das ist sehr teuer und herbst 2012 095
COUNTRY STYLE
von der Auslastung her sensibler», weiss Samuel. «Dazu kommt, dass man den Traktor am Berg dann nicht im Gang abstellen kann, was auch für das hydraulische Wendegetriebe gilt – deshalb habe ich auf beides verzichtet.» Der Erfolg seiner Schlepperproduktion ermöglichte es Ferruccio Lamborghini Anfang der 60er-Jahre, weitere Geschäftsfelder zu erschliessen. Die Herstellung von Ölbrennern und Klimaanlagen machte ihn noch wohlhabender. Mit den Gewinnen konnte schliesslich ein neues ehrgeiziges Projekt finanziert werden – der Bau eigener Sportwagen. 1963 wurde Automobili Lamborghini gegründet, 1964 erschien mit dem 350 GT ein erstes Modell. Zu dieser Zeit stellte das Traktorenwerk jährlich bereits über 4000 Einheiten für die unterschiedlichsten Zwecke her. Kühler, Hydraulikschläuche, Plastikbehälter: Vom Motor des R3 ist nach Öffnen der langen Kunststoffhaube nicht viel zu sehen; die Maschinenräume der gleichnamigen Sportwagen sind klar schöner. Doch auch der Traktor springt mit dem ersten Schlüsseldreh an und klingt durchaus eindrucksvoll, obgleich es in der kaum isolierten Kabine etwas leiser sein dürfte. Die souverän hohe Sitzposition und Rundumsicht passen aber: Die lange 096 VECTURA #4
Haube versperrt den Blick nach direkt vorne unten kaum, auch alle riesigen Räder liegen gut im Blickfeld. Das ist auch gut so, denn der R3 nimmt fast den ganzen Feldweg ein. Weil die breiten Räder die Durchfahrt an engen Passagen erschweren, hat Samuel schmalere Hinterreifen im Format 380/85 R34 montieren lassen: Sie sind eine 3500 Franken teure Spezialanfertigung der Schweizer Firma Agro und erlauben eine Vmax von über 42 Stundenkilometern, was nur wenige Schlepper schaffen. Überholprestige ist also gegeben «und ich habe jetzt auch einen engeren Einschlag», freut sich Samuel. Das Fahren mit dem solide verarbeiteten R3 ist kinderleicht: Einfach kuppeln, Gang einlegen, los gehtʼs. Weil der Traktor so viele Rückwärts- wie Vorwärtsgänge hat, kann man mit einem zweiten Hebel die Fahrtrichtung vorwählen, ohne den eigentlichen Gang wechseln zu müssen. 40 sind es insgesamt; der integrierte Kriechgang fährt mit 300 Meter pro Stunde. Ein Leistungsgewicht von knapp 44 Kilo pro PS klingt auf dem Papier zwar träge, das ist aber unerheblich – der Lambo macht alles mit seinem Drehmoment, das einen Anstieg von satten 29% aufweist – bei so viel Kraft kann auch mal in der vierten Stufe angefahren werden. Grösste Überraschung: Die Lenkung ist butterweich, dennoch
präzise und ermöglicht es, den wuchtigen Trekker fast auf der Stelle zu wenden. Auf dem Acker sorgt der manuell zuschaltbare 4x4-Antrieb für furchenloses Anfahren und spürbar mehr Grip. Die gross dimensionierten Scheibenbremsen im Ölbad verzögern sensibel und zuverlässig. Vorsicht ist bei geteerten Bodenwellen geboten: Tempo raus, sonst hüpft der Lambo (wie jeder Schlepper ohne Achsfederung), dass dem Kutscher angst und bange wird: Trekkerfahren ist anspruchsvoll und will gelernt sein. Also bitte daran denken, liebe Autofahrer, wenn weiter vorne auf der Landstrasse wieder mal ein Schlepper auftaucht: Schneller geht es beim besten Willen nicht. Der R3-Fahrer hat unterdessen das Gefühl, recht flott unterwegs zu sein. Bei Ferruccio Lamborghini lief es 1971 weniger gut: Mit dem Supersportwagen Miura war der Traktorenkönig zwar international berühmt geworden. Gewerkschaftsforderungen und eine weltweit schwierige Wirtschaftslage brachten sein Imperium allerdings ins Wanken. Als dann auch noch eine Landwirtschaftskrise entstand und ein Traktoren-Grossauftrag aus Südamerika platzte, war Lamborghini gezwungen, sich von einer seiner Firmen zu trennen. Nüchtern kalkulierend, verkaufte er zuerst die Automarke (an einen Schweizer), weil das am meisten Geld brachte. Zermürbt von den ständigen Streiks, veräusserte er Ende des gleichen Jahres auch sein Traktorenunternehmen an den nationalen Konkurrenten Same (Società Accomandita Motori Endotermici) – nicht ohne sich vertraglich eine Prämie pro verkauftes Exemplar zusichern zu lassen. Die endgültige Übernahme erfolgte 1974; etwa gleichzeitig zog sich Ferruccio aus der Emilia zurück, liess sich in Umbrien nieder, stampfte einen 18-LochGolfplatz aus dem Boden und baute rundherum Wein an.
Lambo-Traktoren sind die Exoten im Same-Deutz-Fahr-Portfolio; pro Jahr werden etwa 6000 Exemplare hergestellt. In den 80er- und 90er-Jahren gab es sie gar mit Giugiaro-Design
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098 VECTURA #4
Schรถner arbeiten: Samuel Gehrig und sein R3 Evo 85
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Mit dem Lamborghini-Kauf stieg Same zum drittgrössten Traktoren-Produzenten Europas auf und baute sein Portfolio in den Folgejahren konsequent aus: 1977 übernahm man auch den Schweizer Produzenten Hürlimann, der da bereits eng mit Lamborghini zusammengearbeitet hatte, und im Jahr 1995 das Kölner Unternehmen Deutz-Fahr, was den heutigen Firmennamen erklärt. Samuel, bei dem das Auge mitfährt, ist kein Hürlimann-Fan; auch das aktuelle Frontdesign der Same-Modelle mag der Hobby-Pilot nicht besonders. Umso glücklicher ist er mit seinem nagelneuen Lambo, den er demnächst einlösen will. Wer seine topgepflegten Same-Youngtimer gesehen hat, weiss, dass er auch den R3 sehr gut behandeln und lange behalten wird. Überhaupt scheint er auf den Lamborghini-Geschmack gekommen zu sein und fügt grinsend hinzu: «So ein Aventador täte mir auch noch gefallen!»
TECHNISCHE DATEN Lamborghini R3 Evo 85 Konzept Einsitziger Allround-Traktor mit diversem Zubehör für verschiedene Aufgaben, z.B. Mähen, Heuen, Pflügen, Eggen, Ziehen, Heben, Pflegen. Zapfwellen vorne/hinten (mit vier Drehzahlen h.), Anschlussmöglichkeiten von Front- und Heckhydraulik, Frontladervorbereitung Motor
Code TDC 2012 L04 2V. Wassergekühlter Deutz-Reihenvierzylinder-Turbodiesel (Tier III) mit Grauguss-Zylinderkopf und einer unten liegenden Nockenwelle. 5fach gelagerte Kurbelwelle, Zwangsbeatmung, Hochdruck-Einspritzung mit elektronischer Steuerung, ein Turbolader
Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung
4038 101 x 126 34:1 85 (62,5) @ 1950 320 Nm @ 1400–1600 M5 mal 4 = 20 (plus 20 rückwärts)
Abmessungen (L/B/H) in cm Bodenfreiheit in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder vorne hinten Wendekreis in cm Tankinhalt in L
385/220/256 45 231 160/160 320/85 R24 auf 11 J 420/85 R30 auf 14 J 800* 160
Leergewicht in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Hubkraft vorne in kg Hubkraft hinten in kg Zugkraft hinten in kg Leistungsgewicht in kg/PS
3700 6100 1800 4300 20.000 43,5
Höchstgeschwindigkeit in km/h Durchschnittsverbrauch pro Stunde CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF
38* 6,0 k.A. Euronorm 3A** 67 440.–
* Serienbereifung ** mit AdBlue: Euro 3B
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Nicht der einzige Boxer, der auf Heckantrieb setzt.
Der neue BRZ ist der 2-türige Sportler, der mit schlagenden Argumenten überzeugt. Zum Beispiel, dass er ein Subaru ist. Oder dass er 200 PS hat. Und 2 Liter Hubraum. Dass er mit seinem SUBARU-BOXER-Motor für einen tiefen Schwerpunkt und damit bessere Bodenhaftung und mehr Balance sorgt. Und mit seinem Hinterradantrieb für vollen Fahrspass. Oder dass er die Wahl zwischen 6-Stufen-Automatik und manuellem
6-Gang-Getriebe lässt. Endgültig zum Sieger nach Punkten macht ihn sein Preis: ab Fr. 39’800.–. Energieeffizienz-Kategorie F, CO2 181 g/km, Verbrauch gesamt 7,8 l/100 km (man., Fr. 39’800.–). Durchschnitt aller in der Schweiz verkauften Neuwagenmodelle (markenübergreifend): 159 g/km.
www.subaru.ch SUBARU Schweiz AG, 5745 Safenwil, Telefon 062 788 89 00. Subaru-Vertreter: rund 200. www.multilease.ch. Unverbindliche Preisempfehlung netto, inkl. 8% MWSt.
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FahrTERMIN
Mittelklasse
mit Grip-Faktor Im 40 000-Franken-Segment stellt der Suzuki Kizashi eine erfreuliche Alternative dar – und kommt wahlweise auch mit Allradantrieb Text Hubertus Hoslin · Fotos map
W
ährend Hersteller konventioneller Autos den Allradantrieb für sich entdeckten und in den letzten Jahren auch den einen oder anderen Softroader auf den Markt brachten, ging Suzuki den umgekehrten Weg: Seit 2009 bietet man neben geländegängigen Baureihen und kleinen Stadtautos auch eine kompakte Mittelklasse-Limousine namens Kizashi an. Die Modellbezeichnung des Topmodells ist natürlich japanisch und bedeutet so viel wie «Omen»: Suzuki ist bereits Weltmarktführer bei den Kleinwagen und hat 102 VECTURA #4
allein 2011 rund drei Millionen Autos verkauft. Und auf dem indischen Subkontinent hält das Gemeinschaftsunternehmen Maruti Suzuki einen Gesamtmarktanteil von über 50 Prozent. Mit dem Kizashi streben die Japaner international zu Höherem – und haben dem stämmig wirkenden Viertürer konsequenterweise einen Allradantrieb mit auf den Weg gegeben. Die Exotik des Stufenheckmodells erschliesst sich erst auf den zweiten Blick. Sei es ein geflochten wirkender Kühlergrill, der Origami-
artige Fugenverlauf der Stufenheckpartie oder die Integration der zweiflutigen Auspuffanlage – die äussere Erscheinung drängt sich nicht auf, schmeichelt mit solchen Details aber dem Auge. Die rein frontgetriebene Sport-Version weist zusätzlichen Chromschmuck im Bugbereich, Seitenschweller und andere Felgen auf. Diese eleganten Zutaten gibt es plus portabler TomTom-Navigation und weiteren Zutaten auch als «Indigo»-Paket für den 4x4 – seit Sommer mit einem Preisvorteil von insgesamt 5800 Franken. herbst 2012 103
FahrTERMIN
Der Kizashi ist nicht nur stimmig gemacht, sondern auch funktionell: Alle Türen verfügen über voll versenkbare Seitenfenster, was heute leider nicht mehr selbstverständlich ist. Auch öffnen die Portale weit genug, um einen bequemen Zustieg zu ermöglichen. Der Kofferraumdeckel gibt ein geräumiges Gepäckabteil frei, das sich dank umklappbarer Rücksitzlehnen bedarfsweise erweitern lässt. Das Cockpit präsentiert sich ergonomisch und ohne Schnickschnack; wie das ganze Auto ist es solide verarbeitet, dabei selbsterklärend und passt deshalb auf Anhieb. Der Kizashi glänzt mit einem guten Leistungsgewicht von neun Kilogramm pro PS. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt mindestens 205 km/h, doch bei 120 km/h fühlt sich der Japaner sehr wohl und ist mit sieben Liter Kraftstoff zufrieden. Zusätzlich erfreut man sich am energischen Durchzug – vor allem als 110 Kilogramm leichterer «Sport». Kein Wunder, waren solche Kraftreserven vor noch nicht allzu langer Zeit in der Oberklasse zuhause. Folglich ist souveränes Fortkommen garantiert, zumal sich die Maschine akustisch kaum aufdrängt. Kurz: Mit dem Kizashi ist man überall gut angezogen und die Allrad-Variante bietet jenen zusätzlichen Grip-Faktor, den man in der kalten Jahreszeit schnell schätzen lernt.
TECHNISCHE DATEN Suzuki Kizashi Konzept Kompakte Stufenhecklimousine mit vier Türen und fünf Sitzplätzen; wahlweise mit Front- (Handschaltung) oder Allradantrieb (Automat) Motor
Code J24B. Wassergekühlter Reihenvierzylinder-Benziner aus Aluminium, zwei oben liegende Nockenwellen (Kette/VVT), fünffach gelagerte Kurbelwelle, Saugrohreinspritzung
Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung
2393 92 x 90 10:1 178 (131) @ 6500 230 Nm @ 4000 A6 (Sport: M6)
Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder
465/182/148 270 156,5/157,5 235/45 R18 auf 8 J
Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS
63 460 1605 (Sport: 1495) 2030 9,0
0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h
8,8 (Sport: 7,8 205 (Sport: 215)
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF
8,3 (Sport: 7,9) 191 (Sport: 183) F 35 990.–
* gemessen nach NEFZ, Neuer Europäischer Fahrzyklus
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BeRge veRsetzen Der Rexton «Limited Edition» für konkurrenzlose CHF 49 900.–
Der vollausgestattete Rexton mit CHF 5000.– Kundenvorteil 2.7 l Diesel, 179 PS, 4×4, 3,5 t Anhängelast, Automat, 5 Jahre Garantie* Jetzt gibt es den Rexton in einer limitierten Sonderserie exklusiv für die Schweiz mit der praktischen Mehrausstattung. Sein 179 PS starkes Dieseltriebwerk verfügt über eine Anhängelast von eindrucksvollen 3,5 t. Die komfortable Ausstattung mit Lederinterieur, Klimaautomatik und vielen weiteren Highlights unterstreicht die exklusive Note. Kontaktieren Sie noch heute den SsangYong Vertreter in Ihrer Nähe: www.ssangyong.ch/vertreter.
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Premium 4 105 4 herbst 2012 ×
Keimzelle
der Funroader Die leichte Art, grobes Gelände zu überwinden: Aha-Erlebnisse im Suzuki LJ80 – mit Rückblick auf einen allerersten Test anno 1979 Text Clauspeter Becker · Fotos Ian G.C. White, map, Werk
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Fahrtermin
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s ist gerade mal vier Jahrzehnte her, da glaubten wir Europäer, die Marke Suzuki beschränke sich darauf, als aufstrebender Produzent von sportlichen Motorrädern die japanischen Konkurrenten herauszufordern. Tatsächlich aber gab es schon lange einige Produkte von Suzuki, die als zierliche Geländewagen den Kundenkreis im Land der aufgehenden Sonne erweiterten. Aber das dämmerte uns Europäern erst gegen Ende der Siebzigerjahre.
Die Geschichte der schlanken Fastallesüberwinder hatte schon im April 1968 mit dem Modell Hope Star begonnen. Dieser Urtyp war von der gleichnamigen Hope Star Company entwickelt und etwa 100 Mal verkauft worden, bevor Suzuki die Rechte kaufte und das Auto unter der Modellbezeichnung Jimny weiterentwickelte. Wie alle seine Nachfolger war der von klassischer Bauart: Die Kraft des vorn installierten Motors floss über ein Vierganggetriebe und bei Bedarf auch über eine Reduktion mit einer kurz übersetzten Geländestufe zum Verteilergetriebe. Dies bot (und bietet) den Bändigern des kleinen Suzuki die Möglichkeit, auf der Strasse allein die Hinterräder mit Leistung und Drehmoment zu verwöhnen und abseits des Asphalts per Reduktion erstaunliche Klettertouren zu unternehmen – oder im Winter auch den Tiefschnee souverän zu überwinden, was in der Schweiz ja gelegentlich vorkommen soll. Eine sparsame Motorisierung qualifizierte den Jimny als einen vom japanischen Gesetzgeber begünstigten Kleinwagen, der aus heutiger Sicht mit einer fossilen Kraftquelle gezügelt wurde. Ein luftgekühlter Zweitaktmotor mit zwei Zylindern schöpfte aus 359 cm³ sehr gelassene 21 PS (15,4 kW). Schon 1970 folgte der Suzuki LJ10 mit 25 PS (18,3 kW) und ab 1972 sorgte beim LJ20 eine Wasserkühlung für 28 PS (20,6 kW) bei besserer Laufkultur und wirksamerer Heizung. 1976 hat das Triebwerk drei Zylinder und 539 cm³ und ein deutlich wuchtigeres Drehmoment bekommen, während die Leistung auf 26 PS (19,1 kW) sank; dieser Jimny nannte sich nun LJ50. Schon 1978 kam der äus-
serlich immer noch sehr rustikale LJ80 auf den japanischen und inzwischen auch australischen Markt, wo die Armee der hauptsächliche Kunde war. Aber mit vier Zylindern, 797 cm³ Hubraum und 40 PS (29 kW) war der Bonsai-4x4 nun für einen Weltmarkt gerüstet, den das Morgengrauen der Geländewagen für jedermann erreicht hatte.
Höhepunkt einer Weltreise Im Frühjahr 1979 erreichte einige Motorjournalisten die Einladung zu einer Weltumrundung mit Suzuki, um neue Motorräder in Japan auf der hauseigenen Teststrecke zu erleben – und anschliessend vor dem kalifornischen San Diego mit einem Suzuki-Wetbike kräftig den Stillen Ozean zu quirlen. Ein alles andere als alltägliches Programm also, doch das war mir und bald auch einigen Kollegen nicht genug. Wir hatten vom «Eljot» gehört und wollten diesen im verflossenen Jahrzehnt für den Export in alle Welt gereiften Geländewagen endlich auf und abseits der Strasse erfahren. Dem Wunsch, neben dem Gebotenen auch die Kletterkünste des LJ80 zu erleben, ist man bei Suzuki gerne nachgekommen. Als wir das Testgelände nahe der Stadt Hamamatsu erreichen, wartet schon ein hellblauer Testwagen auf uns. Kürzer als ein klassischer Mini Der war noch kleiner, als wir je erwartet hatten – keine 319 Zentimeter kurz, 139,5 cm schlank, aber mit 184 cm auch so hoch wie ein erwachsener Mann. Ohne das Reserverad am Heck ist der LJ sogar kürzer als ein Mini der ersten Generation. Und er ist auch sehr schlicht im Auftreten: Seine Karosserie zeigt mit kantiger Zweckform, dass sie jeden Besuch im Windkanal vermieden hat. Das Verdeck strebt mit seiner winkeligen Gestalt konsequent nach ausreichendem Wetterschutz, aber kaum nach dezenten Windgeräuschen. Die frugalen Türen der Standardversion demonstrieren eine revolutionäre Form von Leichtbau: Sie tragen auf filigranem Rohrgestell das gleiche robuste Segeltuch wie das Dach. Parallel hatte Suzuki aber vorgesorgt – und eine etwas besser ausgestattete «Q»-Version mit Blechtüren und fest stehender Frontscheibe, den herbst 2012 107
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Fahrtermin
obligatorischen Kastenwagen mit Blechdach (Zusatzbezeichnung «V» für Van) und gar einen Pick-up (Modellcode LJ81 K) in Vorbereitung. Der damals mitreisende Suzuki-Pressesprecher war schon von der Basisversion des kleinen Kraxlers begeistert: «Fragen Sie mich nicht, wie viele wir davon in Europa verkaufen können. Fragen Sie mich lieber, wie viele die Japaner liefern können, denn darauf kann ich Ihnen klar antworten – zu wenig.» Der ab 1981 endlich auch nach Europa exportierte Suzuki LJ (in Deutschland hiess er auch «Jipsy») bestätigte diese Einschätzung, zumal er mit anfänglich 10 990 Franken ein erschwingliches Vehikel war. Das Angebot überzeugte sowohl den professionellen Waldarbeiter als auch Offroad-Fans, denn der LJ ist ein sehr vergnügliches Vehikel für ganz private Abenteuer jenseits aller befestigten Strassen. Die entsprechenden Aufgaben will die Keimzelle aller SuzukiAllradler dabei noch mit minimalem Aufwand lösen. Hauptsächlich von Stoff oder turbulentem Fahrtwind umgeben, haben bis zu vier Personen aufrecht sitzend Platz im Wagen. Wer dagegen mit viel Gepäck zu einer längeren Reise aufbrechen will, sollte seinen LJ80 als Zweisitzer nutzen. Egal, ob kurze oder weite Ausflüge geplant sind – in diesem Auto gilt es, auf eine recht herbe Art gefasst zu sein. Die Sitze sind aus heutiger Sicht sehr klein, leicht und kaum komfortabel. Der kurze Radstand von lediglich 193 Zentimeter, die beiden Starrachsen und vier Blattfeder-Pakete mühen sich zwar, Kastenrahmen und Karosserie zu bändigen. Ein verantwortungsbewusster Fahrer jedoch sollte seine Passagiere auf schlechten Strassen und erst recht im Gelände durch behutsame Gangart schonen.
Wenig Leistung… Der kleine Vierzylinder mit sparsamem Hubraum, aber immerhin schon mit einer oben liegenden Nockenwelle erscheint auf dem Papier und aus heutiger Sicht zwar lächerlich. Doch mit einem Leergewicht von nur 740 Kilogramm und zulässigen 990 kg waren die Fahrleistungen noch einigermassen befriedigend damals. Der kleine Suzuki kam seinerzeit in 10,3 Sekunden nicht etwa auf 100, sondern auf 60 km/h. Auch die gemessene Höchstgeschwindigkeit von 97 km/h wirkt nur so lange bescheiden, wie man nicht in diesem Auto sitzt. Denn neben der derben Federung gilt es, auch intensive Windgeräusche mit oder ohne Flatterdach zu ertragen. Diese Stimme des Sturms bemüht sich dann redlich, das Motorgeräusch etwas zu verdrängen, während der gerade damit beschäftigt ist, reichlich zehn Liter zu verzehren.
…reicht völlig aus Wenn der Suzuki LJ80 die Strasse verlassen darf, fühlt nicht nur er sich spürbar wohler: Auch ein sensibler Fahrer merkt sofort, dass er mit diesem Leichtgewicht plötzlich auf dem rechten Wege ist. Der zugeschaltete Allradantrieb sorgt in Wald und Flur für eine verblüffend souveräne Traktion, zumal wenn es steil auf Hügel und Berge geht. Als wir den winzigen Kletterkünstler zum ersten Mal von grobem Gelände gefordert erlebten, staunten wir nicht schlecht, wie souverän er extreme Steigungen und grobe Passagen zu bezwingen vermochte. Verantwortlich dafür ist eine recht einfache Konstruktion der Kraftübertragung: Wenn der Antrieb an allen vier Rädern gebraucht wird, wird im Verteilergetriebe eine starre Verbindung zwischen den Kardanwellen zu Hinter- und Vorderachse hergestellt. Diese Lösung garantiert konsequent den Vortrieb auf lockerem
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oder schlammigem Boden. Auf griffiger Strasse sollte sie dagegen nicht zum Einsatz kommen, weil es dort bei Richtungsänderungen Verspannungen im Antriebsstrang gibt, die das Fahrverhalten riskant beeinflussen – vor allem in engen Kurven. Nur bei tiefem Schnee kann der schlicht 4x4 genannte Antrieb auch auf gefestigten Wegen kurz die Traktion sichern.
Genial einfach Das mit eigenem Schalthebel gerüstete Reduktionsgetriebe, welches bei Bedarf die Übersetzung um den Faktor 2,1 verkürzt, erlaubt es dem heute noch beeindruckenden Suzuki, trotz massvoller Motorleistung Gebirgspfade mit enormen Steigungen zu bewältigen. Alle vier Gänge sind in dieser Konfiguration zwischen null und 50 km/h verfügbar, und so wird es möglich, auf groben Pfaden immer die optimale Untersetzung zu finden. Ebenso problemlos lässt sich mit einem der vier kurzen Gänge im kritischen Gelände betont langsam fahren, ohne stecken zu bleiben oder gar das Auto zu beschädigen. Sehr hilfreich ist neben der angeborenen Kletterkunst und dem geringen Gewicht auch das zierliche Format, denn damit lassen sich eben auch enge Passagen passieren, die es im Gelände nun mal gibt. Auf Italiens hochalpinen Schotterpisten, die einst mühevoll für den Grenzschutz angelegt wurden, ist der mit knapp 1,40 Meter sehr schlanke Japaner seinem amerikanischen und 220 cm breiten Kollegen namens Hummer 1 am Rande des Abgrunds klar überlegen. Bei der Bändigung des kleinen Klettermaxes muss der an zivile Automobile gewöhnte Fahrer jedoch einige Eigenarten tolerieren: Die Kugelumlauflenkung verzichtet aus Kostengründen auf jede Art von Unterstützung. Damit der Fahrer auch selbst im schweren Gelände den gewünschten Kurs korrekt bestimmen kann, ist die Übersetzung extrem indirekt. Die Zügelung des LJ80 auf der Strasse wird so zu einer regen, aber ziemlich gefühllosen Kurbelei. Und auch die allenthalben notwendige Verzögerung erfordert eine weitsichtige Fahrweise, denn den vier (immerhin hydraulischen) Trommelbremsen gelingt es kaum, den Suzuki energisch, geschweige denn kursstabil zu verzögern.
TECHNISCHE DATEN Suzuki LJ80 4x4 Konzept Leichter Offroader für schweres Gelände. Leiterrahmen, Blechkarosserie. Zwei Blechtüren (Q-Version), zwei Sitzplätze (Rückbank optional), wahlweise offen (Softtop), mit Pritsche oder als geschlossener Kastenwagen (Zusatzbezeichnung «V» für Van). Starrachsen, Hinterradantrieb, zuschaltbare Vorderräder, Reduktionsgetriebe, aber kein Differential Motor Code F8A. Wassergekühlter Reihenvierzylinder-Benziner mit Leichtmetall-Zylinderkopf und einer oben liegenden Nockenwelle. Fünffach gelagerte Kurbelwelle, Einfach-Vergaser (Mikuni 32 PHD) Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung
797 62 x 66 8,7:1 41 (30) @ 5500 60 Nm @ 3500 M4
Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder
318,5/139,5/168,5 193 119/120 195 SR 15 auf 5,5 J
Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS
40 k.A. (bauartbedingt) ab 800* 1140* 19,5*
0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h
k.A. 100
Durchschnittsverbrauch in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF
8,5 k.A. – 10 990.– (1981)
* «Q»-Version
Leider selten Der hiesige Verkauf des LJ80 begann im Frühjahr 1981 und damit ein knappes Jahr nach Gründung der Suzuki Automobile AG. Bis 1985 wurden noch die Restbestände und insgesamt über 2500 Exemplare verkauft; die meisten hat der Rost dahingerafft – das war die Achillesferse des Eljot und Korrosionsschutz seinerzeit ein Fremdwort. Schon 1981 präsentierte Suzuki einen komplett neuen Nachfolger, den SJ410. Er trug eine weniger rustikale Karosserie, die jetzt etwas grösser und geräumiger ausfiel. Neben der nun offiziell mit dem Namen Roadster verwöhnten Stoffdach-Variante gibt es wieder eine geschlossene Version, die diesmal «Station Wagon» hiess. Weil den SJ das Wachstum etwas schwerer gemacht hatte, wog er als Roadster leer 840 kg und als Station Wagon 880 kg. Zum Ausgleich vergrösserten die Techniker den Hubraum des Vierzylinders dezent auf 970 cm³ und hoben die Leistung sanft auf 45 PS (33 kW) an. Der letzte LJ80 lief dagegen schon 1982 vom Fliessband; über 90 000 Einheiten wurden exportiert; über Japan-Zahlen schweigt sich Suzuki aus. Fortan gehörte dem SJ der Weltmarkt, den er mit Vielfalt bediente: Auch Varianten mit verlängertem Radstand sollte es geben; ebenso wuchsen Hub und Bohrung des Vierzylinders, der es ab Herbst 1994 auf 1325 cm³ und 64 PS brachte. herbst 2012 111
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112 VECTURA #4
Wenn der Suzuki LJ80 die Strasse verlassen darf, fühlt nicht nur er sich spürbar wohler: Auch ein sensibler Fahrer merkt sofort, dass er mit diesem Leichtgewicht plötzlich auf dem rechten Wege ist
Die SJ-Serie wurde knapp 1,3 Millionen Mal gebaut. In Australien gab es sie als Holden Drover, auf manchen anderen Märkten nannte man sie Samurai oder Widetread. Das Modell wurde in der Schweiz bis 1991 angeboten (insgesamt über 14 000 verkaufte Exemplare) und hielt sich in manchen Ländern sogar noch bis 2008 im Angebot, obwohl sein legitimer Erbe Jimny – so hiess auf einigen Weltmärkten ja schon der LJ – bereits 1998 angetreten war. Im Sommer 1984 erweiterte Suzuki das Geländewagenprogramm mit den Modellen Escudo und Vitara. Deren Karosserien kamen nicht mehr kernig, sondern gutbürgerlich geglättet und damit verwechselbarer daher – die Anzahl der Konkurrenten hatte sich multipliziert. Ergo sind auch die Geländewagen von Vorreiter Suzuki konsequent perfekter, grösser und teurer geworden, was auch seine Reize hat. Und der auf dem Pariser Salon vorgestellte Concept S-Cross zeigt, wie sich die Japaner ihren (wahlweise allradgetriebenen) SX4-Nachfolger vorstellen, der schon im Herbst 2013 lanciert wird.
Heute teurer als neu Wer jedoch einen schlichten Offroader sucht, mit dem er ohne Filter unterwegs sein und noch das ganze elektronikfreie Autofahren spüren kann, der muss sich heute nach einem gut erhaltenen Suzuki LJ oder SJ umschauen. Beide werden relativ selten angeboten – in der Schweiz ist der EljotBestand gar auf wenige Dutzend geschrumpft – und sind mittlerweile auch nicht mehr ganz billig: Die im Internet angebotenen Fahrzeuge sind meist mangelhaft. Der Marktwert der hier gezeigten perfekt restaurierten Q-Version (fest stehende Frontscheibe und Türen) aus dem Museum des Importeurs liegt dagegen weit über dem damaligen Neupreis – aber auch weit unter dem moderner 4x4-Modelle. Interessenten können sich den Anruf in Safenwil jetzt trotzdem sparen: Das Auto ist unverkäuflich.
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RUBRIKEN
Grand Vitara, reloaded Suzuki lanciert diesen Herbst das überarbeitete 4x4-Topmodell Text Hubertus Hoslin · Fotos Werk
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or 25 Jahren präsentierte der japanische Hersteller den Vitara oberhalb des rustikalen SJ. Die neue Baureihe kam zunächst als Dreitürer mit 1,6-L-Benzinmotor sowie manuell zuschaltbarem Allradantrieb und hat seither regelmässig Verbesserungen erfahren. 1991 gesellte sich dann eine fünftürige Variante mit längerem Radstand hinzu, womit auch dem Kundenwunsch nach mehr Platz entsprochen wurde, bevor 1998 der ebenfalls fünftürige Grand Vitara debütierte und den Vitara nominell ablöste. Dem «Grand» zur Seite stand ab 1999 auch ein verkürzter Dreitürer, der wahlweise mit Stoff- oder Stahldach angeboten wurde und über einen neuen Zweiliter-Vierzylinder mit nunmehr 128 PS verfügte. Ein Jahr später folgte das Diesel-Modell und 2001 der vorrangig für den nordamerikanischen Markt bestimmte, mit 4,7 Meter besonders lange XL7, dessen 2,7-L-V6-Benziner aus Leichtmetall stattliche 173 PS abgab. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits über zwei Millionen Vitara/Grand Vitara-Exemplare von den Bändern gelaufen, was die Baureihe zum bisher erfolgreichsten Suzuki-4x4 machte. 114 VECTURA #4
2005 war es dann Zeit für ein komplett neues Modell: Die zweite Grand-Vitara-Generation kam mit einem in die Stahlkarosserie integrierten Leiterrahmen, permanentem Allradantrieb sowie elektronisch zuschaltbarem Mittendifferential plus Geländereduktion – womit auch klar war, dass es sich nach wie vor um ein voll offroad-taugliches Fahrzeug handelte. Gleichzeitig sorgten Einzelradaufhängungen rundum ab sofort für eine bessere Strassenlage, während Optionen wie Xenonlicht oder Lederpolster den Fahrkomfort erhöhten. Eine speziell präparierte und über 1000 (!) PS starke Rennversion des XL7 gewann 2006 und 2007 das legendäre Pikes-Peak-Bergrennen in Colorado/USA, was den Absatz weiter beflügelte. 2008 gab es ein sanftes Facelift und 2011 entfiel im Serienmodell der 3.2 V6; seither kommen nur noch leichtere, emissionsärmere Vierzylinder-Aggregate zum Einsatz. In der Schweiz erfreut sich die Baureihe nach wie vor grosser Popularität; knapp 6500 Einheiten sind hier in den letzten acht
modellpflege Modellpflege
TECHNISCHE DATEN
Suzuki Grand Vitara 2.4 I VVT Konzept Kompakter Geländewagen mit fünf Türen und Sitzplätzen (wahlweise viersitziger Dreitürer), Stahlkarosserie mit integriertem Rahmen. Permanenter Allradantrieb, zuschaltbares Reduktionsgetriebe Motor
Jahren zugelassen worden. Ende August wurde auf der Moskau Motor Show ein optisch überarbeiteter Grand Vitara vorgestellt, der ab Mitte September auch bei hiesigen Händlern steht: Neben einem Kühlergrill mit nun horizontalen Streben sorgen neue Alufelgen und Stoffsitzbezüge für ein frisches Erscheinungsbild. Nach wie vor gibt es Drei- und Fünftürer; die Preise starten bei attraktiven 28 990 Franken. Der Grand Vitara Jahrgang 2013 wird entweder von einem 2,4-L-Benziner oder einem 1,9-L-Turbodiesel angetrieben. Die Kraftübertragung erfolgt manuell oder per Automat (Option beim Benziner). Zum Serienumfang gehören Sitzheizung, Klimaautomatik, schlüsselloses Zugangs- und Startsystem, ESP, Nebelscheinwerfer oder Alufelgen. Kurz: Mit seiner Ausstattung bleibt der Grand Vitara ein konkurrenzloses Angebot, wenn man ein preiswertes Allround-Fahrzeug sucht, das nicht nur nach Gelände aussieht, sondern auch Gelände kann.
Code J24B. Wassergekühlter Reihenvierzylinder-Benziner aus Aluminium, vorne längs eingebaut. Zwei oben liegenden Nockenwellen (Kette, VVT), fünffach gelagerte Kurbelwelle, Saugrohreinspritzung
Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung
2393 92 x 90 10:1 169 (124) @ 6000 227 Nm @ 3800 M5 (Option: A4)
Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder
430*/181/169,5 264 154/157 205/55 R 16 V auf 6,5 J
Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS
66 400–760 1640 2100 9,7
0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h
11,7 185
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF
8,8 204 G 34 990.–
* ohne Reserverad am Heck ** Gemessen nach NEFZ, Neuer Europäischer Fahrzyklus
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rennsport
Die lange Suche nach dem Vorteil Gegeben hat es sie bloss als Einzelstücke, denn die Monoposto mit Allradantrieb haben nie richtig Fuss gefasst. Ende 60er-Jahre sah man sie in Indianapolis und kurz auch in der Formel 1, bevor sie endgültig verschwanden. Einen wahren Triumphzug erlebte die Technik hingegen im Rallyesport Text Adriano Cimarosti · Fotos Collection Fanna, Cellection W. Oude-Weernink, Werk
Klausenrennen 1932: Achille Varzi auf Bugatti Typ 53 mit Vierradantrieb
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Der in Holland gebaute Spyker 60 HP erschien schon 1903 und ist deshalb der erste Rennwagen mit Allradantrieb
W
er in den 70er-Jahren von Allradautos sprach, dachte vorrangig an militärisch genutzte Geländewagen und Nutzfahrzeuge. In Serie produzierte 4x4-Personenwagen waren dagegen Exoten; der erste war der von 1966 bis 1971 in nur 320 Exemplaren gebaute Jensen FF mit Allradtechnik der Ferguson Research in Coventry. In den Staaten gab es die Jeeps und in Europa den Range Rover oder das Mercedes G-Modell, doch erst in den 90er-Jahren erfuhren die SUV (Sport Utility Vehicle) eine nennenswerte Verbreitung. Wuchtig in ihrer Erscheinung und mit grossvolumigen Motoren ausgestattet, sind diese Potenz und sogar Prestige ausstrahlenden Allradler der Luxusklasse bis heute ein Statussymbol. Im Rallyesport erfolgte die Ouvertüre des Allradzeitalters anlässlich der Jänner Rallye in Österreich vom Januar 1981 mit dem erfolgreichen Auftritt des damals neuen Audi Quattro, der alles veränderte: Seit 1983 hat kein rein heckgetriebenes Auto mehr eine Rallye-WM gewonnen, doch das ist eine eigene Geschichte wert.
Die Urzeit Bleiben wir also auf Asphalt. Das erste allradgetriebene Automobil, bei dem es sich zugleich um einen Rennwagen handelte, war der 1903 entstandene Spyker 60 H.P. der beiden niederländischen Brüder Jacobus und Hendrik-Jan Spijker aus Amsterdam. Ungewöhnlich war dabei auch die Tatsache, dass es sich um einen Sechszylinder mit über acht Liter Hubraum handelte (damals gab es praktisch nur Vierzylindermotoren); ausserdem wies das Auto Bremsen an allen vier Rädern auf. Mit diesem Fahrzeug gewann Jacobus Spijker 1906 ein Bergrennen bei Birmingham. Knapp drei Jahrzehnte nach dem 60 H.P. baute Ettore Bugatti im elsässischen Molsheim einen allradgetriebenen Rennwagen: Der Typ 53 mit aufgeladenem 4,8-Liter-Achtzylindermotor kam 1932, 1933 und 1934 bei einigen Bergrennen zum Einsatz und wurde dabei von Achille Varzi, Louis Chiron (beide am Klausen), Jean Bugatti, Robert Benoist und René Dreyfus pilotiert, wobei nur Letzterem, beim Bergrennen von La Turbie 1934 in Südfrankreich, ein Tagessieg gelang. In jener Zeit machte auch ein Miller 4x4 herbst 2012 117
rennsport
Im Pat Clancy Special trat Fahrer Jackie Holmes mit vier angetriebenen Hinterrädern an, schied in Indianapolis jedoch aus
mit Fünflitermotor bei Einsätzen in Indianapolis von sich reden. Beim Lotterierennen von Tripolis 1933 holte Peter De Paolo, der Indianapolis-Sieger von 1925, auf dem Miller-Achtzylinder den sechsten Platz. Bei den Indy 500 traten die allradgetriebenen und vom deutschstämmigen Harry Miller gebauten Renner sogar bis 1948 in Erscheinung. Dort ging 1949 auch ein dreiachsiger Rennwagen an den Start – mit vier angetriebenen Hinterrädern an zwei Achsen sowie «normalen» Vorderrädern. Dieser Pat Clancy Special mit Curtis-Chassis und vorne eingebautem Offenhauser-4,5-LVierzylinder-Saugmotor wurde von Jackie Holmes gefahren, fiel nach 66 Runden aber mit einer schadhaften Antriebswelle aus.
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Etwa gleichzeitig machte in der GP-Klasse eine neue und fortschrittliche Konstruktion von sich reden – der im Auftrag der kleinen Turiner Marke Cisitalia bei Porsche in Stuttgart und Gmünd (Steiermark) konstruierte 4x4-Cisitalia 360. Dieses Modell wurde von einem vor der Hinterachse eingebauten flachen 1,5-LZwölfzylinder-Kompressor angetrieben. Cisitalia geriet jedoch in finanzielle Schwierigkeiten, so dass der Tipo 360 nie ein Rennen bestritt. Einzig in Argentinien, wohin sich Cisitalia-Gründer Piero Dusio zurückgezogen hatte, stellte der Allradler Anfang der 50erJahre einen nationalen Geschwindigkeitsrekord auf. Heute steht der Einsitzer im Porsche-Werksmuseum von Stuttgart.
Der von Porsche-Ingenieuren konstruierte Cisitalia 360 wurde von einem flachen 1,5-Liter-Zwölfzylindermotor mit Aufladung angetrieben, der seine Leistung auf alle vier Räder abgab. Rennen bestritt das Auto allerdings nie
1954 dachte auch Alfa Romeo daran, einen 4x4-Rennwagen mit Zwölfzylindermotor sowie hinter der Hinterachse sitzendem Fahrer zu bauen. Es kam nicht dazu
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rennsport
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Peter Westbury auf dem BRM P67 mit Ferguson-Vierradantrieb anl채sslich des Bergrennens Ollon-Villars 1964
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Eine skurrile, für Indianapolis gedachte Konstruktion von 1966: Porsche-Dealer Stein aus Kalifornien baute einen Wagen mit je einem 911-Motor vorne und hinten (siehe rechts). Jeder Sechszylinder trieb eine Achse an, aber es war unmöglich, beide zu synchronisieren
4x4-Renaissance mit Ferguson Auch bei Alfa Romeo in Italien liebäugelte man mit dem Projekt eines 4x4-Monopostos für die 1954 in Kraft getretene 2,5-Liter-Grand-Prix-Formel. Das Vorhaben wurde jedoch erst anderthalb Jahrzehnte später publik, nachdem Graf Giovanni Lurani im Werkarchiv auf entsprechende Unterlagen gestossen war. Und herausfand, dass man in Mailand ein total unkonventionelles Fahrzeug mit 180°-Zwölfzylinder-Frontmotor skizziert hatte. Besonders ungewöhnlich war die Position des Fahrers, der im Heck noch hinter der Hinterachse hätte sitzen müssen. Die Sache blieb jedoch auf dem Papier – umso verständlicher, als das zu erwartende Fahrverhalten kritische Fragen aufwarf.
Indianapolis 1966: Jack Fairman führt STP-Boss Andy Granatelli den Ferguson P99 mit Vierradantrieb vor
Bis 1961 wurde es bezüglich 4x4-Konstruktionen in Rennfahrzeugen wieder ruhig, bis dann im Sommer desselben Jahres plötzlich der Ferguson P99 mit Coventry-Climax-Vierzylindermotor auftauchte, gebaut nach der damaligen 1,5-Liter-Formel. Der erste Auftritt erfolgte anlässlich des Grand Prix von England vom 15. Juli in Aintree: Gemeldet wurde der Ferguson vom RRC Walker Team mit Jack Fairman als Fahrer. Bei Ferguson Research war das Projekt unter der Leitung des ehemaligen Rennfahrers und Le-Mans-Siegers Tony Rolt entstanden; Harry Ferguson selbst war 1960 überraschend gestorben. Der P99 wies einen Rohrrahmen mit vorne liegendem Motor auf, die Ferguson-Kraftübertragung mit zentralem Differential war nach links versetzt, so dass der Fahrer tief sitzen konnte. Die Scheibenbremsen wiesen ein Maxaret-Antiblockiersystem auf. Im total verregneten Rennen von Aintree beeindruckte der Ferguson durch seine Strassenlage. Später wollte der ausgeschiedene Stirling Moss das Rennen mit dem P99 seines Teamkollegen Fairman zu Ende fahren, doch es kam zur Disqualifikation, weil man das Auto anschob. Immerhin schaffte Moss später mit dem P99 doch noch einen Formel-1-Erfolg – anlässlich des wiederum verregneten Gold-Cup-Rennens von Oulton Park. Das Ferguson-Projekt barg aber auch einen gewissen Nachteil: Die Frontmotorkonstruktion war entstanden, als alle anderen Formel-1-Teams bereits auf Mittelmotorbauweise umgestellt hatten. Folglich wurde auf die Weiterentwicklung dieses interessanten Projektes verzichtet, allerdings kam der P99 bis 1964 bei einigen Bergrennen mit Peter Westbury und sogar mit Jo Bonnier (Tagessieger 1963 in Ollon–Villars) zum Einsatz. Man setzte den Allradler auch bei einigen Läufen der Tasman-Serie in Neuseeland oder Australien ein (2,5-L-Coventry-ClimaxMotor), und zwar mit Innes Ireland und Graham Hill. 1964 wurde Peter Westbury damit sogar Britischer Bergmeister. Weitere 4x4-Anläufe sollten folgen: Beim Training zum Grossen Preis von England 1964 in Brands Hatch drehte Richard Attwood auf einem BRM P67 mit Ferguson-Vierradantrieb einige Proberunden. Gebaut hatte den Wagen Mike Pilbeam, welchem BRM das P56-Chassis von 1961 zur Verfügung gestellt hatte. Angetrieben wurde das Fahrzeug von einem BRM-1,5-L-V8. Einige Jahre danach trat der P67 mit einem BRM-2,1-L-Triebwerk in Erscheinung, wobei Peter Westbury damit auch das Bergrennen Ollon–Villars bestritt. Auf dem BRM 4x4 gewann Peter Lawson 1968 die englische Bergmeisterschaft.
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1967 hat Parnelli Jones den Indy-Sieg im STP-Paxton mit Pratt & Whittney-Gasturbine und Vierradantrieb nur kapp verpasst. Als Leader schied er vier Runden vor dem Ziel mit Getriebeschaden aus
Und wieder nach Indy Die 500 Meilen von Indianapolis erlebten 1964 und 1965 den Auftritt von Bobby Unser auf dem «STP Gas Treatment» getauften und von der STP Division Studebaker gemeldeten Frontmotorrennwagen mit aufgeladenem Novi-V8Triebwerk mit 740 PS Leistung – und einem Ferguson-Allradantrieb. STP-Boss Andy Granatelli hatte sich vorerst anlässlich einer Probefahrt Jack Fairmans in Indianapolis auf dem Ferguson P99 mit dem 2,5-L-Motor vom 4x4-Konzept überzeugen lassen. Von Ferguson in Coventry stammte auch das Chassis mit MonocoqueMittelpartie. Der «Novi P104» getaufte Bolide entstand in nur fünf Monaten. Beim ersten Indy-Einsatz krachte Bobby Unser schon in der ersten Runde gegen die Mauer, im folgenden Jahr schied er nach 69 Runden mit einem Ölleitungsproblem aus, nachdem er sich für den achten Startplatz qualifiziert hatte. Im Hinblick auf das 500-Meilen-Rennen 1967 bereitete STP in seinem kalifornischen Workshop von Santa Monica den nächsten Coup vor – einen Turbinenwagen mit modifiziertem FergusonVierradantrieb. Die Gasturbine stammte von Pratt & Whitney aus Montreal/Kanada, leistete 500 PS und verbreitete das Geräusch eines überdimensionalen Staubsaugers. Noch sahen die USACVorschriften keinerlei Limiten für solche Triebwerke vor. Das Monocoque war unterdessen als Doppelgabel ausgebildet: Links wurde die Gasturbine dickbäuchig angebaut, rechts sass der Fahrer und hinter seinem Rücken befand sich das Zentraldifferential. Pilotiert wurde der mit Kerosin gespeiste revolutionäre Monoposto vom kalifornischen Ford- und Firestone-Dealer Parnelli Jones, der das Turbinenauto auf die sechste Startposition stellte. Im Rennen lag er bis vier Runden vor Schluss in Führung, doch in der 196. Runde versagte das Getriebe. Immerhin vermochte Jones seinen sechsten Startplatz ins Ziel zu retten.
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Joe Leonard mit dem Lotus 56 mit Pratt & Whittney-Gasturbine und Vierradantrieb 1968 in Indianapolis. Gleich drei 56er wurden eingesetzt, doch keiner sah das Ziel
Auch Lotus und Lola Das vielversprechende Abschneiden war
Anordnung des Ferguson-Vierradantriebs im Lotus 56
Graham Hill testet den Lotus-Turbinenwagen in Silverstone
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dem innovationsfreudigen wie rennsportbesessenen Lotus-Boss Colin Chapman nicht verborgen geblieben: Im Hinblick auf die 500 Meilen von 1968 verabredete er mit STP-Chef Granatelli den Bau eines allradgetriebenen Lotus-Turbinenwagens. Unter der Leitung von Lotus-Konstrukteur Maurice Philippe entstand im englischen Norwich eine keilförmige Monocoque-Konstruktion mit der Typenbezeichnung Lotus 56. Mittlerweile gab es neue Vorschriften für das Ansaugsystem von Gasturbinen, was die Leistung des Pratt & Whitney-Aggregats mit seinen 450 PS leicht einschränkte. In Indianapolis wurden dann nicht weniger als drei Lotus 56 von Graham Hill (Indy-Sieger 1966 auf Lola-Ford), Joe Leonard und Art Pollard gefahren. Ursprünglich wären auch Jim Clark (Indy-Sieger 1965) und Mike Spence für diesen Einsatz mit den Lotus-Keilen vorgesehen gewesen, aber wenige Wochen vor dem grossen Rennen kamen Clark in Hockenheim und Spence bei den Qualifikationen in Indianapolis jeweils durch Unfall ums Leben. Die drei Lotus 56 schieden übrigens alle aus: Hill nach 110 Runden wegen einer Kollision, Art Pollard nach 188 Runden mit Problemen in der Treibstoffzufuhr und Pole-Position-Halter Joe Leonard nach 191 Runden mit einem ähnlichen technischen Defekt. 1968 setzte der britische Rennstall Lola ebenfalls einen allradgetriebenen Rennwagen in Indianapolis ein – den T150 mit aufgeladenem 2,6-L-V8-Motor von Ford. Mit diesem Fahrzeug, das die Farben von Retzloff Chemical vertrat, krachte Al Unser, Bruder von Bobby, in der 40. Runde in die Leitplanken und fiel aus.
1968, Pr채sentation des Lotus 56 in Indianapolis: von links Andy Granatelli, Jim Clark, Parnelli Jones, R. McCrary (Firestone) und Colin Chapman
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rennsport
Mario Andretti auf Lotus 64 mit Ford-V8 und Allradantrieb bei Tests 1969 in Indianapolis. Infolge technischer Probleme wurden die drei eingesetzten Lotus zur端ckgezogen
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rennsport RUBRIKEN
Der Schweizer Ingenieur Jo Marquart zeichnete für den vierradgetriebenen McLaren M9A-Cosworth verantwortlich
Nach den gescheiterten Versuchen mit Turbinenwagen und neuen Vorschriften, welche diese Aggregate praktisch ausschlossen, entstand bei Lotus im Hinblick auf das 1969er Indy 500 der Typ 64, welcher wiederum die Farben von STP vertrat. Als Antriebsquelle diente ein Ford-V8 mit doppelten Nockenwellen und Turbolader, der bei einem Hubraum von gerade mal 2605 cm3 an die 700 PS abgab. Beim Allradantrieb handelte es sich diesmal um eine von Lotus in Zusammenarbeit mit Hewland entwickelte Lösung. Als Fahrer waren Graham Hill, Mario Andretti und Jochen Rindt vorgesehen, aber bei Tests in Indianapolis erhitzten sich die Radlager und Andretti sowie auch Rindt kollidierten mit der Mauer. Die Zeit für Änderungen war zu knapp, so dass die drei Lotus 64 zurückgezogen wurden. Mario Andretti stieg kurzerhand auf den konventionellen und vom Amerikaner Clint Brawner konstruierten Hawk-Ford V8 um und gewann. Für dieses Rennen hatte man in den USA auch einen keilförmigen Rennwagen mit PlymouthStossstangenmotor von 5,2 Liter Inhalt und Allradantrieb vorbereitet, aber sein Fahrer Art Pollard verpasste die Qualifikation. Zwei Lola T 152 mit Offenhauser-Vierzylinder und Vierradantrieb schafften hingegen schöne Resultate, indem Bobby Unser den dritten und Mark Donohue den siebenten Platz belegte.
4x4-Welle in der Formel 1 Mittlerweile hatte der Allrad-Trend auch die Königsklasse erreicht. 1969 gab es zum Ersten die Konstruktion des Motorenherstellers Cosworth in Northampton, welche ursprünglich als Ford-Wagen gedacht war. Die geistigen 130 VECTURA #4
Väter dieses kantigen, «Cosworth 4WD F1» getauften Rennwagens mit keilförmiger Front und seitlich hervorstehenden Tanks waren Keith Duckworth, Mike Costin und Robin Herd; der Vierradantrieb stammte von Cosworth. Schalt- und Transfergetriebe lagen hinter dem Fahrer, dessen Cockpit leicht nach links versetzt war. Selbstverständlich diente der damals topaktuelle Cosworth-DFV-Dreiliter-V8 als Kraftquelle, doch das Auto verschwand nach einigen privaten Probefahrten wieder in der Versenkung und wurde bei keinem einzigen Rennen eingesetzt. Im Verlaufe der Saison 1969 tauchten auch allradgetriebene Modelle von Lotus, McLaren und Matra auf. Angesichts dieser Allrad-Euphorie wollte Ferrari nicht untätig zuschauen und für den Bedarfsfall gewappnet sein. Für einige Monate wurde nun Ing. Mauro Forghieri, der Chef der Rennabteilung, in ein separates Konstruktionsbüro ausserhalb des Werkes abkommandiert, wo er sich mit dem Allradantrieb befasste. Es entstand auch ein Ferrari-4x4-Sportwagen, der jedoch nie offiziell präsentiert wurde. Ein entsprechendes Formel-1-Modell wäre sicher interessant gewesen, doch insgesamt kristallisierte sich in der F1Szene die Erkenntnis heraus, dass derartige 4x4-Konstruktionen nicht konkurrenzfähig waren.
Vor- und Nachteile Zwar bot der Vierradantrieb einige Vorzüge wie eine bessere Beschleunigung, vor allem aus besonders langsamen Kehren heraus – doch Kurventempi unterhalb von
Bei McLaren wurde 1969 der M9A mit Vierradantrieb fertiggestellt. Rechts steht der Schweizer Techniker Edy Wyss
130 km/h kommen bei einem Grand Prix eher selten vor. Ein wichtigerer Vorteil bestand darin, dass hinten schmalere Reifen verwendet werden konnten, wodurch sich auch der Luftwiderstand verringerte. Und bei Regen spielte der Allradantrieb seine Überlegenheit am besten aus. Es gab aber auch Nachteile wie das Mehrgewicht; nicht zuletzt verzehrten die zusätzlichen Zahnräder der Kraftübertragung einen gewissen Anteil der Motorleistung. Die Formel-1-Konstruktionen des Jahrgangs 1969 waren übrigens ähnlich konzipiert: Der Motor – in allen Fällen ein Ford Cosworth DFV V8 – war mit der Kupplung in Fahrtrichtung (also verkehrt herum) eingebaut; das Getriebe fand so direkt hinter dem Fahrersitz Platz. Von dort wurde die Kraft seitlich auf ein Ausgleichsgetriebe übertragen, um die Motorkraft zu 25 Prozent nach vorne und 75 Prozent nach hinten zu übertragen. Nur im Matra MS84 kam das Ferguson-System zum Einsatz. Das beste Resultat eines 4x4-F1-Wagens erzielte Jochen Rindt auf dem Lotus 63 bei dem nicht für die Weltmeisterschaft zählenden Gold-Cup-Rennen von Oulton Park, wo er den zweiten Platz belegte – allerdings mit einer Runde Rückstand auf den siegreichen Brabham von Jacky Ickx sowie in Abwesenheit mehrerer Spitzenfahrer. Nur ein einziges Mal konnte ein allradgetriebener Rennwagen 1969 einen WM-Punkt herausfahren – beim Grand Prix von Kanada, als der Franzose Johnny Servoz-Gavin seinen Matra MS84 auf den sechsten Platz brachte. Diskret teilte man ihm jedoch nach dem Rennen mit, dass der Vorderradantrieb deaktiviert gewesen sei…
McLaren 9A
Cosworth 4WDF1
Matra MS84-Cosworth
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rennsport
Vom Indianapolis-Lotus mit Turbinenaggregat und Vierradantrieb gab es auch die Formel 1-Version 56B (oben), welche auch in der Formel 5000 eingesetzt wurde (unten)
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Rennsport
Mässige Resultate Der Lotus 63 kam bei immerhin acht Rennen zum Einsatz, fiel aber meistens aus. Neben Rindts erwähnten zweiten Platz stellte ein zehnter Rang von John Miles beim Grand Prix von England die magere Ausbeute dar. Bei diesem Lotus musste der Fahrer beim Einsteigen übrigens mit den Füssen unter der Vorderachse mühsam hindurchschlüpfen, was besonders Jochen Rindt missfiel. Der McLaren M9A, der unter der Leitung des Schweizer Ingenieurs Jo Marquart entstand, wurde nur beim GP von England 1969 mit Derek Bell eingesetzt, wo er ausfiel. Der besagte Matra MS84 mit Rohrrahmen und Ford-Cosworth-Motor belegte in Silverstone mit Beltoise den neunten, in Kanada mit Servoz-Gavin den sechsten und wieder mit Servoz-Gavin in Mexiko den achten Platz. Lotus wollte es noch einmal wissen und erschien 1971 mit einer Formel-1-Version des 1968 in Indianapolis eingesetzten Mark56-Turbinenwagens. Es war dies der 56B mit ebenfalls Allradantrieb und einer Pratt & Whitney-Turbine, welche an die 500 PS geleistet haben soll. Der Wagen kam in jener Saison viermal zum Einsatz, die Fahrer hiessen Fittipaldi, Walker und Wisell. Die beste Platzierung war ein achter Platz Fittipaldis beim Grand Prix von Italien, ansonsten gab es lauter Ausfälle. Es sollte fünf Jahre dauern, bis der Tyrrell P34 mit vier auffällig kleinen, lenkbaren Vorderrädern debütierte. Sie waren allerdings nicht angetrieben, sondern sollten den Luftwiderstand senken und gleichzeitig die Traktion verbessern. Der P34 avancierte schnell zum Publikumsliebling und schlug sich mit den Plätzen
3 und 4 im 1976er-Gesamtklassement recht erfolgreich. Das Auto war aber auch teurer und schwerer als die Konkurrenz und fuhr 1977 nur noch hinterher, so dass es ausgemustert wurde. Zuvor hatte dieser Tyrrell noch als Vorbild für den March 2-4-0 gedient, der vier angetriebene Hinterräder mit relativ kleinem Durchmesser aufwies. Basierend auf dem March 761-Ford der abgelaufenen Saison, an dessen Getriebe hinten noch ein Verlängerungsgehäuse mit angeflanschtem Differential angebaut wurde, war der von Chefkonstrukteur Robin Herd erdachte 771P ein ziemlich langes Auto. Als er Ende 1976 zu ersten Tests in Silverstone antrat, verbog sich das überforderte Getriebe. Erneute Probefahrten im Februar 1977 verliefen vielversprechender, doch mangelte es March schlicht an finanziellen Mitteln, um den 2-4-0 standfest zu machen – und das Projekt wurde ohne einen einzigen GP-Einsatz wieder ad acta gelegt, konnte später aber noch einige Bergrennen gewinnen. Der letzte Hoffnungsschimmer für ein 4x4-F1-Auto kam im Herbst 1982 in Form eines Prototyps von Williams: Dieser «FW08B» genannte Wagen bot zwar eine überragende Traktion, verlor den Vorteil aber mit seinem hohen Gewicht. Und weil die FIA wenig später vorschrieb, dass Formel-1-Autos höchstens vier Räder haben dürften, war das Schicksal der Williams-Konstruktion endgültig besiegelt. Damit fand das Kapitel Allradantrieb in der damaligen F1 seinen Abschluss. Ob je ein 4x4-Konzept in den Formelsport zurückkehrt, bleibt abzuwarten: Mit der heutigen Elektronik und Elektrifizierung ergeben sich demnächst vielleicht völlig neue Möglichkeiten.
Das March-Team baute ebenfalls einen 4x4: Der 771P-Ford von 1976 wies sechs Räder auf. Hinter dem Wagen stehen Konstrukteur Robin Herd (Mitte) sowie rechts der damalige March-Manager Max Mosley
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AUTO-BIOGRAFIE
Ü
Fahrer
Stephan Senn, Jahrgang 1970, Jurist aus Zürich
Ex-Autos Volvo 480, VW Golf, Mercedes CLK Aktuell Jaguar XJS V12 (Series II) Baujahr 1994
2+2-Coupé, 5995 cm3, 302 PS (222 kW) bei 5350/min, 471 Nm bei 2850/min, Leergewicht 1820 kg, 0–100 in 6,8 s, Vmax 260 km/h. Neupreis 130 440 Franken (1994)
ber der knapp zwei Meter langen Motorhaube flimmert die Luft und Stephan Senn lächelt: «Energie-effizient ist mein Jag sicher nicht; im Schnitt verbrauche ich 15 Liter Super. Plus, natürlich.» Mit dem Auto fährt er nur mehr selten zur Arbeit und gelegentlich am Wochenende. Seine Frau fährt New Mini Cooper und als «Familienkarre» steht zuhause ein genügsamer VW Golf Plus bereit – mit welchem Motor, kann Senn nicht einmal sagen. Autos spielen in seinem Leben eben keine Haupt-, aber eine attraktive Nebenrolle. Und er erinnert sich mit Wehmut an den alten Schweden mit den Schlafaugen: «Ich vermisse meinen Volvo, weil er viele Macken aufwies, die ich kannte und liebgewonnen hatte.» So kann man das also sehen, obwohl Senn in einem Jaguar-Haushalt aufwuchs und damit erblich vorbelastet ist: «Der erste Wagen meines Vaters war ein XK120.» Nun ist der Sohn ebenfalls Richtung Brit-Grid abgebogen. Mit dem XJS hat er sich während einem Studienjahr in Bristol angefreundet, wo der Wagen öfters als wenig gepflegtes Alltagsauto anzutreffen war und eben nicht als poliertes Luxusgefährt. «Etwas Gebrauchspuren und roher Umgang tun dem Auto ganz gut», meint Senn: «Einer ausgewachsenen Raubkatze krault man ja auch nicht zärtlich den Bauch.» Der Jaguar XJS ist ein Vertreter der Serie II mit hubraumerweitertem 6,0-L-V12, GM-Viergang-Automat und Heckantrieb. Sein Besitzer findet das damalige Topmodell «elegant, aber auch etwas vulgär» und hat es 2007 für 28 000 Franken mit nur 60 000 Kilometer Laufleistung aus zweiter Hand von einem Markenhändler am Zürisee erworben. «Wir suchen doch alle ein Auto, das nicht jeder hat», begründet er seine Wahl, zumal der bordeaux-métallisé lackierte Zweitürer bezahlbar gewesen und nach Abklemmen der wenig kooperativen Klimaanlage bis heute absolut alltagstauglich sei. Den letzten Halbsatz wird der Familienvater schon am Abend bereuen: Dann rollt sein Zwölfender mit Hydraulikdefekt vor einer Emil-Frey-Garage aus und muss in Bern bleiben. Die Reparatur wird sechs Tage dauern und knapp 800 Franken kosten. «Ein Einzelfall», glaubt der Jurist. Und denkt keine Sekunde daran, sich von seiner zwar durstigen, aber auch erfreulich drehmomentstarken Aristocat zu trennen. map
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Brunello di Montalcino DOCG von Caparzo der Ferrari unter den Rotweinen Im Film „Letters to Juliet“ rühmt die Schauspielerin Vanessa Redgrave den Brunello di Montalcino von Caparzo als ihren Lieblingswein. Effektiv besticht dieses Meisterwerk mit seiner ausserordentlichen Ausgewogenheit und unvergleichlichen Harmonie. Fr. 60.- Gutschein für Ihre nächste Bestellung bei www.DivinaWine.ch Gutschein-Code: vectura (ab Fr. 200.-)
Auf Erfolg
progr a m m i ert Subaru ersetzt den kompakten Impreza durch eine komplett neue, vierte Generation. Die kommt zu Preisen ab 26 000 Franken – und ist damit eines der günstigsten Allradmodelle hierzulande Text Stefan Lüscher · Fotos Werk, sl
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D
ie Schweiz und Subaru verbindet eine ganz besondere Liebe. Seit ihrer Marktpremiere im Jahr 1979 sind die Allrad-Pw klare Marktführer ihres Segments. Dazu beigetragen hat zweifellos auch Bernhard Russi, Subaru-Botschafter der ersten Stunde, und das bis heute. Über 310 000 Einheiten haben die Japaner hier bisher verkauft, und mit etwas über zwei Prozent ist der Marktanteil im Vergleich zum übrigen Europa deutlich höher. Unsere nachhaltige Sympathie für die japanischen Allradler wird jetzt honoriert: Subaru lanciert die vierte Generation des Impreza zuerst in der Schweiz – rund drei Monate vor allen anderen EUMärkten. Dazu gibt es neben den beiden speziellen Ausstattungen «swiss one» und «swiss two» ein Leder-Interieur namens «Portofino» – auch das eine exklusive Option nur für den Schweizer Markt.
Verwandtschaft zum XV Technisch und von der Karosserieform her birgt der neue Impreza keine Überraschungen. Er ist eng verwandt mit dem sehr erfolgreich gestarteten Crossover XV (4300 Bestellungen in nur fünf Monaten!), kommt jedoch ohne dessen Kotflügelverbreiterungen, aber mit neu abgestimmtem Fahrwerk und um 7,5 Zentimeter reduzierter Bodenfreiheit. Subaru versteht den geräumigen jüngsten Impreza als neuen Einstieg in die Welt der Allrad-Pw, zumal er gegenüber dem einst sehr beliebten Justy 4WD nicht wesentlich teurer sei, dafür aber klar mehr
Nutzwert biete. Zum auslaufenden Impreza-Modell verfügt er über einen um 15 mm längeren Radstand; die übrigen Masse blieben unverändert. Der Laderaum besitzt einen doppelten Boden und fasst 380 bis 1270 Liter.
Sparsamerer Benziner-Boxer Gegenüber dem als trendigen Crossover positionierten XV wird der Impreza vorläufig nur mit einer Motorisierung angeboten. Der auch im XV erhältliche langhubige 1,6-Liter-Boxer ist eine Neukonstruktion, ersetzt den bisherigen 1,5-Liter und verbraucht rund 20% weniger. Bei ersten Testfahrten überzeugte er mit sehr leisem Lauf. Sein Temperament ist mit 114 PS und 150 Nm bei 4000/min im Normalbetrieb ausreichend, sportliche Ambitionen verfolgt der ab 1450 kg wiegende Impreza ohnehin nicht. Dafür wird weiterhin der bekannte, in jeder Hinsicht beflügelte WRX STI mit 300 PS angeboten. Andererseits kann sich der Verbrauch des 1,6-Liters mit seinem serienmässigen, schnell reagierenden Stopp-Start-System sehen lassen. Auf unserer Testfahrt durch die Region Beromünster und Sempachersee zeigte der Bordcomputer rund 6,8 L/100 km an; den Normverbrauch beziffert Subaru ab 5,9 L/100 km. 2013 dürften weitere Motoren folgen. Dual-Range-Getriebe mit 2x5 Gängen Der bewährte symmetrische Allradantrieb ist beim Impreza serienmässig. Die Wahl hat der Kunde bei der Kraftübertragung: Basis ist das sehr spezielle manuelle Dual-Range-Getriebe mit zweimal fünf Gängen, das
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fahrtermin
mit einem Zentraldifferential inklusive Viskobremse gekoppelt ist. Als Option wird ein stufenloses CVT-Getriebe mit Low-Fahrstufe angeboten, das die Drehzahl je nach Gaspedalstellung selbsttätig regelt, bei grossem Leistungsbedarf aber ein monotones Motorgeräusch erzeugt. Als etwas zu straff für die übrige Fahrzeugcharakteristik empfinden wir die Fahrwerkabstimmung; besonders die Dämpfer reagieren auf Unebenheiten ausgeprägt hart. Freundlicher und luxuriöser als bei früheren Subaru-Modellen präsentieren sich das Interieur und die erwähnten Ausstattungen mit Leichtmetallfelgen, breiteren Reifen oder Nebellampen. Neu für Subaru sind ein Multifunktionsdisplay und die Rückfahrkamera. Dazu kommen Licht- und Regensensor, Tempomat, eine Zweizonen-Klimaautomatik und als zeitgemässe Zutaten die gut klingende Audioanlage sowie Bluetooth und Spracherkennung. Als Optionen gibt es ein (mit 2160 Franken leider auch teures) Navigationssystem sowie das besagte Lederpaket (beige oder anthrazit) für CHF 2650.–. Keine Frage: Auch der vierte Impreza wird seinen Weg machen – und den Subaru-Erfolg weiter festigen.
TECHNISCHE DATEN
Subaru Impreza 1.6i AWD Konzept Kompakter, fünftüriger Fünfplätzer mit variablem Innenraum, baugleich mit dem höhergestellten Crossover XV. In der Schweiz ausschliesslich mit Allradantrieb, wahlweise mit 5-Gang-Schaltgetriebe oder CVT Motor
Code FB16. Langhubiger Vierzylinder-Boxer aus Aluminium, vorne längs, 2x2 oben liegende Nockenwellen, Zahnriemenantrieb, 4 Ventile pro Zylinder, Benziner mit Saugrohreinspritzung, Stopp-Start-System
Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung
1599 78,8 x 82 10,5:1 114 (84) @ 5600 150 Nm @ 4000 M5 (Option CVT)
Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder
442 /174 /147 265 151/152 195/65 R 15 auf 6,5 J
Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS
55 380 bis 1270 ab 1450 1940 12,72
0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h
12,3 185
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF
6,2 (CVT 5,9) 144 (CVT 136) C 25 900.–
* gemessen nach NEFZ, Neuer Europäischer Fahrzyklus
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RUBRIKEN
Fahrplan
Superfast Wer sich über längere Strecken so schnell wie möglich fortbewegen will, nimmt immer seltener Auto oder Flugzeug. Neue Highspeed-Züge sorgen für eine Renaissance der Bahn, doch nicht überall können sie ihre Stärken ausspielen Text Thomas Imhof Fotos Corbis, Shutterstock, Werk
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bahnverkehr
Vieraugengesicht: Der Italo f채hrt mit maximal 360 km/h. Gebaut wird er vom Eisenbahnhersteller Alstom
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bahnverkehr
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ie haben Nasen wie Enten oder Kampfjets. Rasen mit Tempo 300 oder mehr durch die Po-Ebene, die Halbwüsten Spaniens und das Rhône-Tal. Tragen Kürzel wie TGV und ICE oder Kunstnamen wie Zefiro, Velaro oder Thalys. Und machen auf Strecken zwischen 250 und 1000 Kilometer dem Flugzeug und dem Auto zunehmend Beine. Die Rede ist von schnellen und superschnellen Zügen, die vor allem den Airlines immer mehr Kunden wegnehmen. Weil Reisende immer weniger Lust auf Leibesvisitationen, Herumsitzen in Warte-Lounges und das langwierige Ein- und Aussteigen verspüren. Und auf unvorhersehbare Autobahnstaus.
Wagenenden auf ein gemeinsames Gestell. Sicherheitstechnisch halten die Franzosen das für die bessere Lösung: Durch die festere Verbindung der Sektoren könnten die Waggons nicht so leicht entgleisen oder sich im Falle eines Wegbrechens ziehharmonikaartig zusammenfalten. Da zudem Drehgestelle die wartungsintensivsten Teile eines Zuges seien, würde das Einsparen eines Viertels an Drehgestellen auch die Wartungskosten erheblich senken. Aber es gibt auch Nachteile: Die einzelnen Wagen müssen kürzer sein, um die zulässige Achslast von sieben Tonnen nicht zu überschreiten. Ihre Übergänge sind enger, und das Trennen der Waggons ist mühsamer.
Die Stärke der schnittigen Schienenpfeile liegt primär in ihrem Reisetempo: Die Flugverbindung Paris–Lyon wurde schon kurz nach Inbetriebnahme des TGV eingestellt; auf der Relation nach Marseille hält der Schnellzug bereits einen Marktanteil von 80 Prozent, weil er in nur drei Stunden ans Mittelmeer düst. Seit ein Abkömmling des deutschen ICE 3 die 651 Kilometer zwischen Madrid und Barcelona in 2:30 Stunden zusammenzoomt, nehmen nur noch 20 Prozent den Flieger. Vor fünf Jahren war diese Strecke mit 971 Flügen pro Woche eine der geschäftigsten der Erde – jetzt sieht sich Iberia gezwungen, kleineres Fluggerät einzusetzen. Ähnlicher Effekt beim Eurostar: Der technisch eng mit dem TGV verwandte Zug verbindet Paris und London durch den 49 Kilometer langen Kanaltunnel und wird von 86 Prozent aller Reisenden präferiert. Denn während der nur 2:20 Stunden währenden Fahrt kann man arbeiten, Videos gucken, Musik hören, via WLAN ins Internet gehen oder einfach mal ein Nickerchen machen.
Direkt in den Fahrgestellen des AGV montiert sind Permanentmagnet-Synchronmotoren – das zurzeit Feinste in Sachen Antriebstechnik. Sie sind um ein Drittel leichter und kompakter als frühere Asynchronmotoren. Mit 410 Tonnen ist ein 200 Meter langer AGV ganze 70 Tonnen leichter als ein konventioneller Konkurrent – und komme daher mit 15 Prozent weniger Energie ans Ziel, behauptet Alstom. Den CO2-Fussabdruck pro Passagier beziffert der Hersteller mit zehn Gramm, gegenüber 81,3 Gramm im Auto und 243,8 Gramm im Flugzeug.
Speziell in Ländern, in denen eine günstige Topographie und eher dünn besiedelte Landstriche den andernorts kritischer beäugten Bau von schnurgeraden Highspeed-Trassen erleichtern, feiert die Bahn eine Renaissance. Wie in Italien, wo seit Ende April dieses Jahres der dunkelrot lackierte «Italo» den Stiefel rauf- und runterdüst – auf der Direttissima Mailand–Rom in nur drei Stunden. Man nennt ihn schon «Ferrari»-Zug, seitdem sich FerrariChef Luca di Montezemolo als Anteilseigner der privaten Eisenbahngesellschaft NTV (Nuovo Trasporto Viaggatori) stolz vor dem Geschoss fotografieren liess. Technisch basiert der maximal 360 km/h schnelle Italo auf dem neuen AGV (Automotrice Grande Vitesse) des französischen Eisenbahnherstellers Alstom. Der AGV hat wie alle modernen Schnellzüge einen über den gesamten Zug verteilten UnterflurAntrieb. Durch den Wegfall der Triebköpfe ergeben sich eine bessere Gewichtsverteilung und die Möglichkeit, auch an den Zugenden Passagiere unterzubringen. Eine Gemeinsamkeit mit dem seit über 30 Jahren bewährten TGV sind die Jakobs-Drehgestelle: Anders als bei den deutschen ICE stützen sich hier die 142 VECTURA #4
Die staatliche Trenitalia lässt sich vom neuen Italo indes nicht einschüchtern – sondern geht ihrerseits in die Offensive. Der aktuell eingesetzte Frecciarossa («Roter Pfeil») mit einem Design von Pininfarina erreicht auf den neueren Wechselstrom-Strecken Italiens bereits 300 km/h. Doch längst plant Trenitalia ab 2013 mit einem neuen Modell – dem V300 Zefiro oder ETR 1000. Dabei handelt es sich um eine Gemeinschaftsproduktion von Bombardier und Ansaldo Breda, die theoretisch bis 360 km/h spurten kann. Der Zug ist zudem in acht europäischen Ländern einsetzbar, weil er mit allen vier dort existierenden Stromsystemen (1,5 kV und 3 kV Gleichstrom, 15 kV und 25 kV Wechselstrom) zurechtkommt. Wie im Automobilbau setzen auch die Zugbauer zunehmend auf Plattformstrategien. Beispiel Bombardier mit dem Zefiro: Der Typ 380 ist ein bis zu 380 km/h schneller Zug mit maximal 1336 Sitzen; das chinesische Eisenbahn-Ministerium hat bereits 80 Einheiten geordert. Der V300 Zefiro wiederum ist das CoProdukt mit Ansaldo Breda mit Mehrsystem-Technik, der Zefiro 250 ein 250 km/h schneller Nachtzug mit Schlafkabinen, darunter 16 Luxus-Betten. Ganz ähnlich die Strategie von Siemens bei der Velaro-Familie: Die Evolution des ICE 3 läuft in China als CRH3, in Russland mit breiterer Spur und Kaltwetter-Kit als Wanderfalke (Sapsan), in Spanien als Baureihe 103 und in Deutschland als Velaro D oder Baureihe 407. In China erreicht der inzwischen vorwiegend lokal gefertigte Zug Topspeeds von 350–380 km/h. Der Wanderfalke fliegt zwischen Moskau und St. Petersburg mit Tempo 250.
Wie eine stringente Plattformstrategie funktioniert, zeigt bis heute auch die Mutter aller EU-Schnellzüge, der von der staatlichen SNCF eingesetzte Train à grande vitesse, kurz TGV genannt. 1981 sorgte er im europäischen Schienenschnellverkehr mit der Verbindung Paris–Lyon für eine Revolution. 1989 folgte die Atlantik-Linie nach Brest, Rennes und Nantes, 1990 die Verbindung Bordeaux–Toulouse, 1993 der Strang nach Norden gen Lille und Calais mit der 1994 realisierten Verlängerung durch den Kanaltunnel nach London. 2001 stand die Mittelmeer-Trasse Valence– Avignon–Marseille, 2006 stellte der TGV Est européenne die Anbindung an Stuttgart und Frankfurt, die Schweiz und Luxemburg her. Noch frisch verlegt sind die Schienen des TGV Rhin-Rhône, der die Reisezeit von Basel und Zürich nach Paris um jeweils 30 Minuten auf drei beziehungsweise vier Stunden verkürzte. 2005 beförderten 650 TGV-Züge 80 Millionen Fahrgäste in Frankreich und weitere 20 Millionen in Europa. 2012 verkehrt der TGV auf einem 7000 Kilometer langen Netz, das auf gut 2000 Kilometer für 300 km/h und mehr ausgelegt ist. Das ist sozusagen der Überschallbereich eines Schnellzuges.
AGV-Cockpit: Tempo- oder Haltebefehle werden von Aussen über elektrische Impulse von den Schienen auf die Instrumente übertragen
Schon der erste Prototyp, bei dem noch zwei Gasturbinen pro Triebkopf die Elektromotoren mit Strom versorgten, erreichte 1972 eine Spitze von 318 km/h. Doch wegen der Ölkrise von 1974 stellten die Franzosen auf elektrischen Antrieb um. Die Bauart des TGV bezeichnet Eisenbahnexperte und Buchautor Tomas Meyer-Eppler als «konservativ, aber in über 30 Jahren extrem ausgereift. Er ist technisch schlicht, aus heutiger Sicht einfach konzipiert.»
Allen TGV-Typen gemein sind die beiden Triebköpfe, zwischen denen acht oder zehn Mittelwagen eingestellt werden. Die Leistung beträgt je nach Typ zwischen 6450 und 9280 kW. Schon Anfang der 80er-Jahre ging es im TGV mit 260 km/h von Paris in Richtung Südosten. Paris–Lyon in zwei Stunden – das war deutlich schneller als im lokbespannten TEE Mistral, der 3:50 Stunden benötigte. 1989 folgte die zweite Generation, diesmal schon 300 km/h schnell. Die dritte (TGV Réseau) konnte dann auch Strecken ausserhalb Frankreichs befahren. Den TGV gibt es auch als doppelstöckigen TGV Duplex und gelb lackierten, 270 km/h schnellen Postzug. Für internationale Aufgaben ersann man 1997 den Thalys (als Dreisystem-Zug für Belgien/Niederlande, als Vierstrom-Version mit runderer Nase für die Strecke bis nach Köln und ins Ruhrgebiet). Der 1994 eingeführte Eurostar ist wie erwähnt ein weiteres TGV-Derivat – er begrüsste schon 2008 seinen zehnmillionsten Fahrgast. Der TGV mag im Design klobig und von innen etwas nüchtern wirken – schnell ist er aber allemal. Von Brüssel nach Marseille stellte ein Thalys 1981 mit einem Schnitt von 238 km/h (!) und 3:29 Stunden Fahrzeit einen neuen Rekord auf. Ein TGV Réseau
Der Ferrari unter den Schnellzügen: «Italo» mit NTV-Anteilseigner Luca di Montezemolo
Kraftpakete: Die Drehstrom-Synchronmotoren mit Dauermagneterregung sind direkt in den Drehgestellen untergebracht
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schaffte im Mai 2001 einen Langstreckenrekord, als er 1067 Kilometer in nur 3:30 Stunden herunterspulte. Ein TGV-Zug hält auch den aktuellen Geschwindigkeitsweltrekord: Ein Verbund aus zwei TGV-Est-Triebköpfen und drei doppelstöckigen Duplex-Mittelwagen plus angetriebenen Jakobs-Drehgestellen mit insgesamt 19 600 kW erreichte auf einer noch nicht eröffneten Neubaustrecke sagenhafte 574,8 km/h. Die «Formel 1»-artige Konfiguration diente freilich nur diesem Zweck und ist für den regulären Bahnbetrieb völlig ungeeignet.
Deutsch-französische Freundschaft: zwei Generationen des TGV und ein ICE 3 stehen einträchtig im Pariser Ost-Bahnhof
Der Formel 1 unter den TGV: Der Weltrekordzug V 150 (für 150 m/s, entspricht 540 km/h) setzte 2007 eine neue Bestmarke. Ab 500 km/h notierten mitreisende Journalisten «starke Vibrationen»…
Auf Strecken zwischen 250 und 1000 Kilometer machen Schnellzüge dem Flugzeug zunehmend Konkurrenz. Vor allem, wenn sie auf ihren eigenen Schnelltrassen frei aufdrehen können
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Neben Frankreich hat Spanien das längste Hochgeschwindigkeitsnetz Europas aufgebaut – Ende 2010 mass es schon 2056 Kilometer. Die spanische Gesellschaft RENFE schickt drei Typen aufs Gleis: den 300 km/h schnellen TGV-Abkömmling AVE (Alta Velocidad Española) der Serie 100 von Alstom, den wegen seiner markanten Frontpartie im Volksmund El Pato («Die Ente») genannten Talgo (330 km/h schnelle Co-Produktion mit Bombardier) und die Reihe 103, hinter der sich ein Plattformbruder des deutschen Velaro verbirgt. Solch ein Zug fuhr schon 2006 mit 403,7 km/h einen spanischen Schienenrekord ein und sprintet zwischen Madrid und Barcelona zwischen 300 und 350 km/h. Der Talgo mag der hässlichste Vertreter des Trios sein – doch stach er in Saudi-Arabien die deutsche und französische Konkurrenz aus: Ein spanisches Konsortium baut dort eine Trasse zwischen Medina und Mekka, die ab 2014 mit Tempo 320 täglich bis zu 160 000 Pilger transportieren soll. Die als «HHR» (Haramain High Speed Railway) bezeichnete Strecke ist etwa 450 km lang. Von paradiesischen Tempo-Zuständen wie in Frankreich und Spanien kann man in Deutschland nur träumen. Lediglich auf zwei Strecken – zwischen Köln und Frankfurt sowie Nürnberg und Ingolstadt – kann der ICE (Intercity Express) Vollgas geben. Ansonsten bleibt ihm nur Frankreich, um sich mit 320 km/h einmal frei auszutoben. Auf den vielen Altbaustrecken der Heimat muss er dagegen bummeln und sich die Gleise mit IC- und Güterzügen teilen. «Das Schnellbahnnetz in Deutschland ähnelt eher einem Flickenteppich», sagt Meyer-Eppler. «Und die beiden einzigen aktuellen Neubaustrecken von Nürnberg nach Erfurt und durch den Rheingraben bis Basel gehen nur im Schneckentempo voran. Schon befürchtet die Schweiz, dass zur Eröffnung des GotthardTunnels die Oberrhein-Strecke nicht fertig sein wird.» Zugleich liefert der zwar elegante, aber störanfällige ICE immer wieder Negativschlagzeilen: Allen voran der schwere Unfall des ICE «Wilhelm Conrad Röttgen» bei Eschede, bei dem 1998 nach einem Radbruch 101 Menschen ihr Leben verloren. Im Winter gab es anfangs grosse Probleme mit den Wirbelstrombremsen, im Sommer fallen bei Temperaturen von über 32 Grad bis heute regelmässig Klimaanlagen aus. Beim neuesten ICE 3, an dem Siemens den Wechsel vom Triebkopf- zum Triebzug vornahm,
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traten defekte Achsen auf. Seitdem werden die Radsätze alle 30 000 Kilometer per Ultraschall auf Risse überprüft. Die ab 1991 in Dienst gestellten ICE 1 wurden jüngst für zehn weitere Jahre fit gemacht – sie sind bis heute die komfortabelsten und am schönsten ausstaffierten Züge der DB. Der ICE 2 ist ein zweiteiliger Koppelzug, der an Knotenbahnhöfen getrennt werden kann. Wo sonst die Triebköpfe sassen, gibt es im ICE 3 begehrte Lounges, in denen Fahrgäste dem Zugführer über die Schulter blicken können. Währenddessen hat der deutsche Bahnchef Rüdiger Grube die Abkehr vom Hochgeschwindigkeits-Hype verkündet: Tempo 250 sei für die Deutsche Bahn künftig genug. Meyer-Eppler kann dies nicht nachvollziehen: «Da das Altbaunetz die Züge ausbremst, müssen sie im Neubaunetz so schnell unterwegs sein, um im nächten Knotenbahnhof möglichst viele Züge erreichen zu können. Da kann auch Tempo 350 durchaus sinnvoll sein.»
Plüschiger Komfort: Erste-Klasse-Abteil des klassischen TGV
Zugleich steht die DB vor einem Komplett-Austausch und einer Auffüllung ihres zurzeit dezimierten Fuhrparks. Pläne, mit dem Mehrsystem-Velaro D von Frankfurt nach Marseille und London zu düsen, sind erst einmal zurückgestellt. Stattdessen müssen die ohne die Lounges des ICE 3 ausgestatteten Züge zunächst Engpässe im heimischen Netz füllen.
Als Rückgrat des künftigen DB-Fernverkehrs gilt der extrem variabel konfigurierbare ICx. Als Nachfolger der IC-Wagenzüge wird der von Siemens und Bombardier entwickelte Zug ab 2016 zunächst die Intercity- und Eurocity-Flotten der Baujahre 1971– 91 und bis 2020 auch die ICE 1 und 2 aufs Abstellgleis schicken. Der ICx soll zwischen 230 und 250 km/h erreichen sowie dank optimaler Aerodynamik und intelligentem Leichtbau 30 Prozent weniger Energie verbrauchen. Grundtypen sind ein 7-Teiler mit drei und ein 10-Teiler mit fünf «Powercars».
Plattformprodukt: Der russische Sapsan basiert auf dem ICE3/Velaro
Komfort wird im ICx eher klein geschrieben – bis zu 100 Plätze können notfalls in einen 2.-Klasse-Waggon gepfercht werden. Ärgerlich auch, dass man auf vielen Sitzen nicht aus dem Fenster, sondern gegen einen breiten Fensterholm schauen wird. Fachjournalist Heiko Focken beklagt: «Der Charakter einer Fernreise im Zug nähert sich immer mehr jenem eines Flugzeugs in der Touristenklasse an. Bei der Gestaltung entschied wohl eher der Quotient Kosten pro Sitzplatz als Komfort pro Sitzplatz.»
Szenenwechsel in die Schweiz, die direkt und indirekt am Trend zum Superexpresszug partizipiert. Bereits seit den achtziger Jahren fahren TGV über Südostfrankreich bis nach Zürich; mittlerweile verkehren einige ICE-Züge auch bis nach Interlaken. Eine heimische Konstruktion ist der ICN, der trotz seiner
Marktführer Bombardier: Parade aller Schnellzüge, an denen der kanadische Konzern beteiligt war oder noch ist (Stand: 2011)
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«Zu wenig Leidenschaft» Notizen aus der Entstehungsgeschichte des TGV
Text Paul Bracq · Fotos Archiv Bracq
Paul Bracq (links) fertigte Ende der 60er-Jahre mehrere TGV-Entwürfe an. Neben ihm sein Arbeitgeber Yves Brissonnaux, rechts der Eisenbahn-Stylist Jacques Cooper
D
er Auftrag für eine Designstudie des geplanten französischen Hochgeschwindigkeitszuges, zu jener Zeit oft auch «Turbotrain» genannt, wurde 1968 vom Energieund Transportkonzern Alsthom (damals noch mit «h» geschrieben) an uns herangetragen. Von Anfang an war dieses Projekt grossartig und ambitiös, weil es als die Formel 1 des Schienenverkehrs konzipiert worden war. Der Zug sollte zwischen 250 und 300 Stundenkilometer schnell fahren können, was seinerzeit eine ungeheure Geschwindigkeit darstellte. Allein neben der aerodynamischen Herausforderung war die Sorge um jene Kühe, welche dereinst neben den Gleisen stehen würden, geradezu eine Kleinigkeit. Brissonneau et Lotz, der französische Eisenbahnhersteller und mein damaliger Arbeitgeber, verfügte in La Rochelle bereits über ein Montagewerk, doch dieses Mal galt es zu beachten, dass man bei der Fertigung in eine neue Ära eintreten würde. Technologisch ähnelte die Situation ein wenig der schönen, manchmal
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aber auch schmerzhaften Geschichte des Überganges zwischen den ersten Luftpost-Propellermaschinen und der Düsenfliegerei. Natürlich gab es verschiedene, sehr bedeutende und kompetente Unternehmen, die für die ersten Entwürfe des Eisenbahn-Boliden in Konkurrenz zu uns standen. Wir taten also gut daran, damit zu rechnen, dass der finale Auftrag für diese grosse Maschine in Frage stand. Folglich mussten wir ein Maximum an Hirnschmalz und Kreativität in die Waagschale werfen. Umso überraschter waren wir, die erste Etappe für uns entscheiden zu können – meine Zeichnungen gewannen den Wettbewerb. Es war sozusagen die Geburtsstunde des ganzen Projekts. Ich erinnere mich nicht mehr, ob wir uns die Zeit nahmen, diesen ersten Erfolg zu begiessen, zumal er eigentlich den Anfang der nun folgenden Schwierigkeiten markierte. Tatsächlich sollte man bei einem revolutionären Unterfangen dieser Grössenordnung damit beginnen, bescheiden in die Geschichte zurückzublicken: Dort finden sich immer technische
motormenschen
Erfahrungen und Angaben, die bei der Umsetzung eines neuen Projekts erheblich Zeit einsparen können – allein, um nicht erneut bestimmte Sachverhalte abklären zu müssen, welche bereits einmal zum Scheitern geführt hatten. Doch trotz ihrer Hilfsbereitschaft waren uns die Archivare der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF keine Hilfe, da während des Zweiten Weltkrieges viele relevante Unterlagen unwiederbringlich verloren gegangen waren. Alles, wovon wir also mit Sicherheit wussten, war unsere Unwissenheit. Und so verfolgten wir in Bezug auf Form und Profil hauptsächlich die Spur grosser Vorkriegslokomotiven: Für einen Zug sind die gestalterischen Gesetze anders, um nicht zu sagen viel komplexer, als bei einem Automobil. Wir haben dann den Luftwiderstand mit Modellen im Wasser simuliert – es gab ja keine Erfahrungen auf diesem Gebiet; das war Pionierarbeit. Das Lastenheft zum TGV war sehr streng, ja unerbittlich genau – und auf der anderen Seite aufgrund vieler Details erstaunlich unklar. Kurz gefasst hatte man uns gebeten, eine Bugpartie mit Stilelementen des Citroën DS und Panhard Dyna zu entwickeln – was für eine Vorgabe! Als Stylist, der sich die künftige Lok von vorne vorstellte, war mir schnell bewusst, dass es abgesehen von einem schmal-hochkantigen Rechteck wenig Gestaltungsspielräume gab. Nach dieser Erkenntnis plädierte ich für eine relativ kurze Nase, während man sich bei der SNCF für eine besonders lange Bugpartie aussprach. Doch wie kam es zu diesen unterschiedlichen Auffassungen? Als passionierter Automobildesigner, der ich war, gestehe ich, damals einen wichtigen Punkt übersehen zu haben: Ein Lokomotivführer des TGV muss den Zusammenstoss mit einem Hindernis, welches eventuell die Spur versperrt, unter allen Umständen unbeschadet überstehen können… Meine Exterieur-Entwürfe wurden letztlich nicht realisiert, doch ich konnte Einfluss auf die Innenraumgestaltung nehmen. Wir haben damals erstmals Kunststoffsitzschalen verwendet. Das war spannend und hat gut funktioniert, wie im Flugzeug. Obwohl gesagt werden kann, dass der TGV längst ein legendäres Transportmittel ist, fühlte ich mich damals nicht stark genug motiviert, weit von meiner grossen Leidenschaft abzurücken – dem Automobil. 1970 verliess ich also die «Angelegenheit TGV», ohne ihr gross nachzutrauern, und ging zu BMW. Dieser Text ist eine Übersetzung aus dem 1991er-Buch «Carrosserie Passion – Paul Bracq» von Jean-Paul Thevenet
Paul Bracq, 1933 in Bordeaux geboren, zählt zu den wichtigsten Automobildesignern des 20. Jahrhunderts. Er genoss eine klassische Ausbildung und war Assistent von Philippe Charbonneaux (Pegaso, Citroën). Es folgten zehn Jahre bei Mercedes-Benz, wo Bracq die Baureihen SE Coupé (W111), Pagoden-SL (W113), 600 (W100), S (W108) oder «Strich-Acht» (W114/115) verantwortete. 1967 zog es ihn zu Brissonneau et Lotz, wo er neben dem TGV auch Automobile entwarf. 1970 folgte Bracq dem Ruf von BMW, zeichnete dort die spektakuläre Turbo-Studie und die ersten 3er-, 5er-, 6er- und 7er-Serien. 1974 ging er als Interieur-Chef zu Peugeot und blieb bis zur Pensionierung 1996.
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Willkommen an Bord: chinesische Hostessen am Eingang zum CRH3, einer um 31,5 Zentimeter verbreiterten Version des ICE3 mit stufenlosem Einstieg
Höchstgeschwindigkeit von nur 200 km/h unter der Bezeichnung «Hochgeschwindigkeitszug» läuft. Aus dem Erbe der Cisalpino AG – des 2009 gescheiterten Joint-Ventures der SBB und Trenitalia – erhielten die SBB sieben Garnituren des Neigezugs ETR 610. Für die schnittige Kopfform des «Pendolino Due» zeichnete Giorgetto Giugiaro, Design-Vater des VW Golf I oder Fiat Panda I, verantwortlich. Der Pendolino ist für 250 km/h zugelassen; vier seiner sieben Wagen sind angetrieben. Der 57 Kilometer lange Gotthardt-Basistunnel (Eröffnung 2016) wird zusammen mit den neuen Neigezügen Tempo 250 ermöglichen. Dann dürften 2:40 Stunden für Zürich–Mailand keine Illusion mehr sein. Von Europa ein Blick nach Asien. Hier hat «China in unglaublich kurzer Zeit einen gewaltigen Technologiesprung gemacht», sagt Tomas Meyer-Eppler. Auf der Nonstop-Verbindung zwischen
Peking nach Nanjing werden Schnitte von 280 km/h erreicht. Im Vergleich dazu bringt es der schnellste TGV auf ein Stundenmittel von 271,8 km/h; der ICE 3 wirkt da mit seinen maximal 232 km/h zwischen Frankfurt und Siegburg fast schon wie eine Schnecke. Bis 2020 soll das Highspeed-Netz im Reich der Mitte auf 7500 Kilometer anwachsen. Für die im Juni 2011 eingeweihte Strecke Peking–Shanghai wurden 244 Brücken und 22 Tunnel errichtet, überwacht von 321 Erdbeben- sowie 167 Wind- und Regendetektoren. Der Bau der 1318 Kilometer langen Trasse dauerte nur drei Jahre – für Europa eine undenkbar kurze Zeit. Und wer zum ersten Mal einen grossen Bahnhof wie Shanghai Hongqiao betritt, wähnt sich zunächst in einem hochmodernen Flughafen. Neben dem CRH3 aus der Velaro-Familie werden demnächst der Zefiro von Bombardier und der komplett in China konstruierte Harmony Express den Beförderungsdienst schultern. Der
China hat Grosses mit seinem Schnellbahnnetz vor. Man träumt von Verbindungen bis hinunter nach Singapur und gen Westen bis nach Europa
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bahnverkehr
Ist so schnell, wie er aussieht: Der CRH 380A ist als «Harmonie-Zug» zwischen Peking und Shanghai im Einsatz
CRH 380 A genannte Harmonie-Zug fuhr bei Tests 2011 mit 487 km/h einen neuen Weltrekord für serienmässige Triebwagenzüge mit verteiltem Antrieb. Er absolviert die Distanz zwischen Peking und Shanghai mit fünf Zwischenstopps in 5:30 Stunden.
Ein Unfall mit 43 Toten im Juli 2011 zeigte jedoch, dass die Bäume auch in China nicht in den Himmel wachsen. Nach einem Blitzeinschlag war ein Schnellzug liegengeblieben, worauf nach Fehlern im Signalsystem ein nachfolgender Zug in den Havaristen prallte. Dennoch ist mit China zu rechnen: Schon heute liegt hinter Bombardier und Alstom ein chinesisches Unternehmen auf Platz drei der weltweit grössten Schnellzugproduzenten. Man träumt von einem Schienennetz bis hinunter nach Singapur und gen Westen bis nach Europa.
eines Überschall-Jets – und einer Antriebsleistung von 18 240 kW. 1997 verbuchte er für die 144,9 Kilometer zwischen Okayama und Hiroshima 34 Minuten – macht ein Mittel von 255,7 km/h. Am Ende wurden aber nur neun Einheiten gebaut, denn die Beschaffungskosten waren einfach zu hoch. Die aktuelle Serie 700 mit markantem Entenschnabel ist laut Meyer-Eppler «eine Folge von Sparmassnahmen». Doch auch dieser Shinkansen ist auf Plantempo 300 zugelassen und setzt den Mythos nahtlos fort. Lesen Sie weiter auf Seite 156
Das erste Land mit einer Schnellfahrstrecke war Chinas Nachbar Japan. Der erste Shinkansen («Neue Stammstrecke») mit Beinamen Hikar («Blitz») hatte eine kugelförmige, von der legendären Propellermaschine DC3 Dakota inspirierte Nase. Dieser erste «Bullet train» durchfuhr 1964 als Tokaido Express die Strecke von Tokio nach Osaka in 3:10 Stunden. Heute braucht der Superexpress Nozomi («Hoffnung») für die 515,4 Kilometer nur noch 2:30 Stunden.
Die dritte Shinkansen-Generation trumpfte 1985 schon mit einer aerodynamisch ausgefeilteren Kopfform und (erstmals) Drehstrom-Asynchronmotoren auf. Bis heute futuristischster Shinkansen ist jedoch der von Alexander Neumeister aus München entworfene Typ 500. Er glänzte mit einer 15 Meter langen Nase im Stil
Arbeitsbeginn: ein japanischer Zugführer vor dem Parkplatz älterer Shinkansen der Serien 0 (zweiter von vorn), 100 (dritter von vorn) und 300 (ganz vorn)
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Japanische Entenschnäbel: Der doppelstöckige E4 (oben hinten) ist hässlich, aber aerodynamisch ebenso perfekt wie der E5
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bahnverkehr
Auch beim pfeilfรถrmigen JR 500 und dessen Nachfolger JR 700 sollen die Langnasen den Tunnelknall ersticken
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1934er DeSoto Airflow vor dem Schnellzug «City of Salinas»: RUBRIKEN Damals beeinflusste die Stromlinie gleichermassen die Formgebung von Autos und Zügen
Trotz Stromlinie: Bei 200 km/h war Schluss Text Thomas Imhof · Fotos Andreas Knipping, DB Museum Nürnberg, Loewy Design, SBB Historic, Werk
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erade mal 24 Jahre war es her, dass Werner von Siemens 1879 in Berlin die erste elektrische Lokomotive entwickelt hatte – als 1903 eine noch heute verblüffende Fahrt stattfand: Ein sechsachsiger Drehstromversuchstriebwagen von Siemens & Halske und AEG schaffte von Marienfelde nach Zossen die unglaubliche Höchstgeschwindigkeit von 210,3 km/h! Das Konzept mit sechs Stromabnehmern aus einer dreiteiligen Oberleitung war jedoch zu komplex für den Serieneinsatz. Dennoch war der Keim gelegt: Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Entwicklung von Schnellzügen in ganz Europa stark vorangetrieben. Ein starkes Ausrufezeichen setzte 1930 der Schienenzeppelin – ein für den Eisenbahnhistoriker Andreas Knipping «bizarres Signal der Innovation». Konstrukteur Franz Kruckenberg selbst nannte das von einem am Heck installierten Flugzeugpropeller angetriebene Vehikel «Flugbahn-Wagen». Angetrieben wurde das nur 18,6 Tonnen wiegende Fahrzeug von einem ZwölfzylinderBMW-Flugmotor mit 600 PS. Die Konstruktion war hyperleicht: Über Spanten aus Aluminium spannte sich Segeltuch. Dieses noch heute futuristisch anmutende Mobil absolvierte am 21. Juni 1931 die Distanz zwischen Hamburg und Berlin in nur 98 Minuten und erreichte unterwegs eine Spitze von 230,2 km/h. Erst 2004 und damit über 70 Jahre später sollte ein moderner ICE auf der gleichen Strecke schneller sein. Dass der 1939 verschrottete Rekordwagen kein kommerzieller Erfolg wurde, hatte triftige Gründe: Das Anhängen zusätzlicher Wagen war ebenso wenig möglich wie das Bilden von Triebzügen oder gar Rückwärtsfahren. 152 VECTURA #4
Dennoch war der Schienenzeppelin ein Motor des Fortschritts, dem auch der Schnelltriebwagen VT877 von WUMAG und Maybach nacheiferte: Als weltweit erster seiner Art nahm er im Mai 1933 mit bis zu Tempo 160 den planmässigen Betrieb auf der Bahnstrecke Hamburg–Berlin auf. Neu am «Fliegenden Hamburger», wie ihn der Volksmund bald nannte, waren die Stromlinienform, seine Leichtbauweise und der dieselelektrische Antrieb mit zwei Maybach-Zwölfzylindern, Gleichstrom-Generatoren und elektrischen Fahrmotoren. Die Zeit von 2:18 Stunden für die 286 Kilometer war konkurrenzlos – ein Dampf-D-Zug brauchte seinerzeit noch knapp vier Stunden. Aber auch im Italien Mussolinis ging es auf der Schiene hoch her: 1939 legte ein dreiteiliger elektrischer Schnellzug die 219 km von Bologna nach Mailand in 77 Minuten zurück – mit einem Schnitt von 171 km/h! In der Spitze schwang sich dieser aerodynamisch im Windkanal des Turiner Polytechnikums optimierte ETR 200 sogar kurzzeitig zu Tempo 203 auf, was einen neuen Weltrekord darstellte. Der planmässige Einsatz des regulär auf 160 bis 175 km/h ausgelegten Zuges hatte bereits 1937 begonnen. Dennoch: Die auch für Automobile der Vorkriegszeit noch magische 200-km/h-Grenze stellte für die in den Dreissigern neu aufs Gleis rollenden Stromlinien-Dampfloks das Tempolimit dar. Am 11. Mai 1936 erreichte die 05 002 genannte, vom Lokomotivenlieferant Borsig gebaute Stromliniendampflok auf der Berlin–Hamburg-Strecke unter Ausnutzung aller Ressourcen 200,4 km/h. Zwei Jahre später war die britische Mallard mit 202,6 km/h noch einen Tick schneller – da sie die Geschwindigkeit jedoch auf einer leicht abschüssigen Strecke und auf Kosten eines heiss gelaufenen Treibstangenlagers erzielte, verbucht das Gros der Eisenbahn-Experten die deutsche Dampflok heute zumindest als inoffiziellen Rekordhalter.
historie
Zwischen Berlin und Dresden machte ab 1936 noch ein anderer Stromlinienzug Furore: Der 160 km/h schnelle HenschelWegmann-Zug war eine Tenderlokomotive mit Vollverkleidung und dazu passender stromlinienförmiger Wagengarnitur. Mit einem klassisch-düsteren D-Zug hatte der mit Elfenbein-Violett kontrastreich lackierte Zug nichts gemein. Auch sonst wurde auf Stil geachtet: Die Lok erhielt mit silbernen Verkleidungen für Kessel und Kohlekasten einen zusätzlichen Akzent, und ein Platz im halbkreisförmig abgerundeten Endwagen mit Aussichtsabteil war heiss begehrt. Der Henschel-Wegmann war natürlich nicht nur stylish, sondern auch schnell: Er schulterte die 180 km lange Strecke bis in die Elbe-Metropole in 1:42 Stunden. Bis heute dauert eine Fahrt von Berlin nach Dresden per Schiene noch immer mindestens zwei Stunden – eine Hypothek der verworrenen Zeiten im auch weitgehend Schienennetz-geteilten Berlin. Der Trend zur Stromlinie bestimmte in den 30er-Jahren nicht nur die Gestaltung von Automobilen – auch die Eisenbahn-Stylisten konnten sich dem Hype nicht verschliessen. Raymond Loewy, nach dem Zweiten Weltkrieg auch bekannt geworden durch seine Studebaker-Designs, entwarf für die Pennsylvania Railroad zwei futuristisch anmutende Streamliner – die Typen S-1 und T-1. Windschnittige Bahnen standen für Fortschritt, Optik war wichtiger als die reine Strömungslehre, denn im Konkurrenzkampf gegen das Automobil und das Flugzeug mussten die Eisenbahngesellschaften ihr Image aufmöbeln. Wie hiess doch Loewys Design-Doktrin so schön: «Hässlichkeit verkauft sich schlecht.» Doch bald zeigte sich auch in den USA, dass Dieselloks eine bessere Energieausnutzung zu bieten hatten. Stromlinien-Züge mit Dieselantrieb wie die aus Aluminium gebaute und voll klimatisierte «City of Salinas» deuteten den Technologie-Wechsel an, zumal die bisherigen Stromlinien-Loks auch grosse thermische Probleme gehabt hatten. Knipping schrieb über die deutschen Dampfrösser: «Die Verkleidungen erschwerten die Wartung, führten zu Wärmestaus und waren rostanfällig. Man behalf sich mit Rollläden, die bei Hitze geöffnet wurden. Schon nach wenigen Monaten zeigten sich die anfangs glänzenden Hüllen verbeult und verkratzt, blieben Klappen und Rollläden dauerhaft offen und fehlten erste Bleche. Bei der Reaktivierung nach Kriegsende wurden daher als Erstes alle Verkleidungen wieder abgeschraubt.» Fast wirkte es wie ein Befreiungsschlag vom scheinbar zementierten 200 km/h-Limit, als am 28. und 29. März 1955 die französische SNCF auf einer kerzengeraden Strecke zwischen Bordeaux und Dax zur neuen Rekordjagd blies. Die GleichstromElektrolok BB 9004 schraubte die neue Bestmarke auf sagenhafte 331 km/h, doch waren es Fahrten auf des Messers Schneide.
Schnell, aber kompliziert: Mit gleich sechs Stromabnehmern erreichte dieser elektrische Triebwagen schon 1903 unglaubliche 210 km/h
Futuristisch: Den Schienenzeppelin trieben 1931 ein BMWFlugmotor und ein hölzerner Propeller auf Spitzentempo 230
Bugatti «Wagon Rapide»: Mit bis zu vier V12-Royale-Motoren erwies sich der elegant gestylte und über 190 km/h schnelle Triebwagen als spiritueller Vorläufer des TGV
Kultdesigner Raymond Loewy gestaltete so ziemlich alles. Hier steht er auf einer von ihm entworfenen Dampflok
Mit Reisetempo 160 bis zum Vesuv: Italiens erster, bereits elektrifizierter Schnellzug ETR 200 anno 1938 in Mailand
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historie
Im Juni 1939 lieferte Henschel im Werk Kassel die Stromlinien-Tenderlok 61 002 aus. Ihr Einsatz vor dem Henschel-Wegmann-Zug scheiterte am Kriegsausbruch
Inbegriff des eleganten Reisens im europ채ischen Wirtschaftswunder: Der ab 1957 eingesetzte deutsche TEE mit Dieselantrieb fiel auf, wo immer er gerade fuhr
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Die Schleifleisten der Stromabnehmer glühten und drohten, die Oberleitung zu zerfetzen. Bis 2006 hatte dieser Weltrekord für konventionelle Elektrolokomotiven Bestand – bevor eine Siemens-Lok zwischen München und Ingolstadt 357 km/h auf die Gleise schrieb. Den Übergang zu den Expressbahnen der Gegenwart leitete ab 1957 der Trans Europ Express (TEE) ein. Sieben Bahnverwaltungen, darunter die Schweizer SBB, die französische SNCF und die deutsche DB, hatten zuvor Standards für Schnellzüge zwischen den Staaten der neuen EWG und der Schweiz festgelegt. Aufgrund der vier verschiedenen Stromsysteme in Europa schloss sich ein einheitlicher Zug zwar aus, aber man definierte wenigstens Gemeinsamkeiten: Spitze mindestens 140 km/h, maximal 18 Tonnen Achslast, hohe Laufruhe, nur Wagen der ersten Klasse für 100 bis 120 Passagiere, maximal drei Sitze pro Reihe, Bordküche und die einheitliche Lackierung in Bordeauxrot/ Creme. So entstand ein Luxuszug-Konzept für die Upper Class. Der deutsche Dieseltriebzug vom Typ VT 115 wurde schnell zum Sinnbild für internationales Reisen – die Neue-Deutsche-WelleBand Kraftwerk hat ihm 1977 mit ihrem sechsten Studioalbum «Trans Europa Express» sogar ein musikalisches Denkmal gesetzt. Klaus Flesche, Leiter der Architekturabteilung bei MAN, hatte den VT 115 entworfen. Der Maschinenwagen in Form eines Schlangenkopfs wurde zum Symbol der modernen Eisenbahn und eine Stil-Ikone. 1100 PS starke Maybach-Diesel sorgten für die geforderten 140 km/h, während es innen nicht nur an der Bord-Bar sehr komfortabel zuging. Als Co-Produkt entwickelten die Staatsbahnen der Schweiz und der Niederlande parallel ihren eigenen TEE-Triebzug: Der RAm/DE («TEE I») verfügte über einen sechsachsigen Motorwagen mit zwei Diesel und zusammen 2000 PS, die über E-Motoren alle Achsen antrieben. Im Design weniger avantgardistisch als das deutsche Pendant, ähnelte der TEE I eher nordamerikanischen Stil-Vorbildern. Typische TEE-Strecken waren Paris Est–Zürich (TEE Arbalète) in 5:43, Zürich–Amsterdam (TEE Edelweiss) in 9:32, Hamburg–Zürich (TEE Helvetia) in 8:48 oder München– Mailand (TEE Mediolanum) in 6:39 Stunden. Schon Mitte der 50er-Jahre hatten die SBB auch die Möglichkeit für einen elektrischen Triebzug studiert. Er sollte unter allen Stromsystemen Europas verkehren können, was ihn universell einsetzbar machen würde. Und so gebührt der Oerlikon AG die Ehre, 1961 den ersten Vierstrom-Triebzug mit Namen RAe oder «TEE II» serienreif entwickelt zu haben. Zum Sommerfahrplan 1961 starteten drei Exemplare als TEE Cisalpin (Paris–Brig–Mailand) sowie TEE Gottardo und Ticino (beide Zürich–Mailand). Die Vorteile der elektrischen Traktion zeigten sich vor allem auf den Steigungstrecken durch den Simplon und Gotthard. Und – im Flachland fuhren die Stromer mit 160 km/h immerhin 20 km/h schneller als die Diesel-TEE.
Einen geschüttelten Martini bei Tempo 140: im Barwagen des TEE VT 115
Der Viersystem-RAe der SBB lief unter anderen über 30 Jahre lang den Bahnhof Milano Centrale an. Hier hält er im Bahnhof von Airolo
1974/75 erreichte das TEE-Netz seine grösste Ausdehnung – mit den Eckpunkten Kopenhagen, Barcelona, Hendaye/Irun, Neapel, Bari, Wien und Klagenfurt. Vom TEE führte die Entwicklung zunächst zum Inter- und Eurocity und weiter zu jenem HighspeedNetzwerk, dessen Hauptstränge heute der TGV, der ICE und die neuen Schnellbahnen in Spanien und Italien bilden. herbst 2012 155
bahnverkehr
Deutscher Exportflop: Der Transrapid schwebt bislang nur in Shanghai
Fortsetzung von Seite 149 Der nährt sich vor allem aus dem vom Nah-und Güterzugverkehr komplett getrennten Netz. Die Pünktlichkeit der alle fünf Minuten verkehrenden Züge ist legendär: Zusammen kommen auf den insgesamt 2388 Kilometer langen Strecken (Stand: 2011) am Tag Verspätungen von durchschnittlich nur fünf Minuten vor. Schon bei Verzögerungen ab 15 Sekunden muss sich ein Triebfahrzeugführer schriftlich verantworten! Überall im Land melden Sensoren jedes kleine Beben. Kommt es zu einer Eruption, wird sofort der Strom in der Oberleitung abgeschaltet und eine Zwangsbremsung wird eingeleitet. Zwar sind Shinkansen dabei schon mal aus den Gleisen gesprungen, doch wie in Frankeich gab es bis heute noch keinen tödlichen Unfall. Japan wird mittelfristig das Vorzeigebeispiel im Schienenschnellverkehr bleiben, sagen Bahnexperten. Frankreich, Spanien und China sind führend, wenn es um die reine Topspeed geht. Das Mutterland der Eisenbahn – England – hinkt derweil ebenso dem Trend hinterher wie die USA. Anders Korea (mit der Eigenkonstruktion Korail KTX2), Taiwan (Shinkansen Serie 700) und die Türkei (Triebzüge der spanischen Baureihe 120), die alle bereits Schnellbahnstrecken unterhalten. In Deutschland wird weiter nur an Neubaustrecken-Inseln gearbeitet, während das einstige deutsche Prestigeobjekt, die Magnetschwebebahn Transrapid, im eigenen Land systematisch totdiskutiert wurde. So blieb es bis heute bei einer einzigen, 30 Kilometer langen Verbindung zwischen dem Flughafen und der Innenstadt von Shanghai. Vor Aufnahme des Regelbetriebs Anfang 2004 erreichte der Transrapid SMT (Shanghai Maglev Train) am 11. November 2003 eine Spitze von 501 km/h und durfte sich danach «schnellster kommerzieller Magnetschwebezug der Welt» nennen. Im Linienverkehr ist er dagegen «nur» mit 430 km/h unterwegs.
Magnetschwebebahnen oder Maglevs (für «magnetic levitation» = magnetisches Schweben) könnten die Lücke zwischen Bahn und Flugzeug theoretisch noch besser schliessen als die neuen Hochgeschwindigkeitszüge. Denn für den Sprint von null auf 300 km/h benötigt zum Beispiel der Transrapid nur vier Kilometer, ein ICE 3 dagegen rund 18. Doch nicht nur die Transrapid-Versuchsstrecke im deutschen Emsland wurde Ende 2011 aufgegeben, auch weitere Ausbaustrecken in China blieben Makulatur. Zu teuer, zu einschneidend in die Landschaft, argumentierten die Kritiker. 156 VECTURA #4
Rainer Bomba, Staatssekretär im deutschen Bundesverkehrsministerium, glaubt dennoch an eine Zukunft: «Die Technologie ist nur 50 Jahre zu früh entwickelt worden, man darf sie nicht aufgeben.» Das denken wohl auch die Japaner, die ihren JR Maglev MLX01 ab 2025 auf einer 290 Kilometer langen Strecke zwischen Tokio und Osaka anlaufen lassen wollen. Die Züge verkehren schon seit 1997 im Testbetrieb und schweben elektrodynamisch auf supraleitenden Spulen. Dabei werden während schneller Fahrt durch magnetische Wechselfelder innerhalb des Fahrzeugs Ströme induziert, die ihrerseits ein Gegenfeld für die Tragefunktion erzeugen. Anders als beim mit einem elektromagnetischen Schwebesystem ausgestatteten Transrapid braucht der japanische Zug zusätzlich Räder, weil das elektrodynamische System unterhalb von 150 km/h nicht genug Magnetkraft aufbringt. Erst bei höheren Geschwindigkeiten werden die Räder eingefahren – und der Zug schwebt. Im Dezember 2003 stellte der JR-Maglev mit 581 km/h einen noch heute gültigen Geschwindigkeitsweltrekord für Einschienensysteme auf. Wegen der nur 18 Kilometer langen Strecke konnte er diese Speed aber nur fünf Sekunden lang halten. Angesichts solcher Szenarien werden Eisenbahnromantiker der für sie «guten alten Zeit» sicher bald nachtrauern. Als es noch gemütlich durchs malerische Rheintal ging – besonders reizvoll, wenn der von den SBB gestellte Panoramaaussichtswagen angehängt war. In den mit Schiebetüren und Vorhängen abgetrennten Sechser-Abteilen kam man noch fast zwangsläufig mit Mitreisenden ins Gespräch. Heute regiert allgemein die kühle Sachlichkeit des Grossraumwagens samt Laptop, Smartphone und Video-Bildschirm. Und draussen rast die Landschaft so schnell vorbei, dass das Auge kaum noch mitkommt.
Literatur zum Thema Tomas Meyer-Eppler: Bildatlas der schnellsten Züge, 144 S., 230 Abb., GeraMond-Verlag, ISBN 978-3-86245-105-0, CHF 27,90
Karting
Vuiteboeuf 1600 Meter indoor und
outdoor
Strecke
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auto-fitness RUBRIKEN
550 PS und vier Liter Flüssigkeit Zwei Profirennfahrer erläutern ihr persönliches Ernährungsverhalten Text Susanne Rendenbach · Fotos motioncompany
viermal die Woche aus mindestens einer Stunde Joggen im Wald plus zwei- bis dreimal Krafttraining. Letzteres ganz entspannt, wie er betont, und nicht länger als zehn bis 15 Minuten. Was die mentale Rennvorbereitung angeht, hat Hari, wie ihn alle nennen, ein äusserst familienfreundliches Rezept: «Ich spiele mit meiner kleinen Tochter, mehr brauche ich nicht.»
V
on einer perfekten Figur träumen die meisten Männer. Fit-Sein spielt für manche gar eine existentielle Rolle, weil es die Basis für ihren Beruf ist – wie bei den beiden österreichischen Motorsportlern Dominik Baumann und Hari Proczyk. Bei insgesamt acht Rennen der ADAC GT Masters 2012 gehen sie als Team mit ihrem Gize SLS an den Start. Auch als Konkurrenten bei der FIA GT3 European Championship sind sie äusserst erfolgreich unterwegs: Der 19-jährige Baumann führte die Gesamtwertung an, Proczyk (36) lag zeitweise mit zwei Rennen Rückstand auf Platz drei. Wie sie sich körperlich und mental auf die Rennen vorbereiten und welche Rolle das Thema Ernährung in ihrem Leben spielt, haben sie im Gespräch erzählt.
In seiner ersten Saison 2011 schaffte es das Alpen-Duo gleich viermal aufs Podium. Insgesamt schlossen Baumann und Proczyk bei ihrer Premiere mit dem Fahrzeug ihres Hauptsponsors, dem weiss-goldenen Gize SLS, als bester SLS der ADAC GT mit einem beachtlichen fünften Platz in der Gesamtwertung ab. Unter die ersten fünf wollen sie dieses Jahr erneut. Da heisst es nicht nur Gas geben und trainieren, sondern auch – das Richtige essen. Oder eben das Falsche weglassen. So handhabt es jedenfalls Proczyk, der auf Brötchen und Brot weitgehend verzichtet – zugunsten von Fitness und Gewicht, sogar in rennfreien Zeiten. Genauso wie auf Nudeln, Reis oder Kartoffeln. Kohlehydrate insgesamt hat der zweifache Familienvater beinahe ganz von seiner Einkaufsliste gestrichen: «Ich versuche, mich möglichst eiweissreich zu ernähren. Denn Eiweiss ist das, was am leichtesten wieder runtergeht, wenn man Gewicht reduzieren will.» Und er betont: «Flüssigkeit ist enorm wichtig. Egal, ob ein Rennen ansteht oder nicht.» Drei bis vier Liter trinkt Proczyk täglich; er greift dabei meist zu kohlensäurearmen Varianten. «Mindestens zehn kleine Flaschen Gize liegen immer in meinem Kühlschrank. Mit meinem persönlichen Favoriten Gize+ Pineapple-Coconut belohne ich mich nach einem besonders erfolgreichen Training.» Das besteht 158 VECTURA #4
Baumann hat zwar kein Kind, ist in Bezug auf die mentale Vorbereitung aber ebenso relaxed wie sein Teamkollege: «Ich habe kein spezielles Vorgehen. Kurz vor dem Rennen gibt es natürlich eine kurze Phase, in der man sich sammelt.» Sportlich setzt er auf Kart-Fahren: «Das ist das beste Training überhaupt, weil es von den Händen bis zum Hals und der Sensibilität für das Auto alles umfasst. Am nächsten Tag spürt man jede Stelle des Körpers.» Wie seine älteren Kollegen auch zieht es das Nachwuchstalent ansonsten in die Natur: «Ich fahre viel Mountainbike in den Bergen.» Auf die Frage, wie er sich ernährt, antwortet er ohne langes Nachdenken: «Ich versuche, möglichst ausgeglichen zu essen und immer viel zu trinken.» Vier Liter Flüssigkeit am Tag, und zur Belohnung auch ein Gize mit seinem – wie Proczyks – Lieblingsaroma Pineapple-Coconut, gehören für ihn dazu. Offenbar liegen die beiden Österreicher auch geschmacklich ganz auf einer Wellenlänge… Gize stammt aus Nova Scotia im äussersten Osten Kanadas und ist ein besonders reines Quellwasser, welches vor der Abfüllung durch eine eigens entwickelte Goldfilterung weiter veredelt wird. Angeboten werden nicht nur Still und Sparkling, sondern auch vier ungewöhnliche Geschmackssorten in einer mehrfach international ausgezeichneten Design-Flasche. www.gize.com
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Impressum
Herausgeberin Prestige Media AG, Bösch 73, CH-6331 Hünenberg (ZG) Verleger Francesco J. Ciringione Chefredaktor Matthias Pfannmüller (map) m.pfannmueller@prestigemedia.ch Gestaltung Tobias Merz Mitarbeiter dieser Ausgabe Simon Baumann, Clauspeter Becker, Adriano Cimarosti, Georg Dönni, Hubertus Hoslin, Thomas Imhof, Roland Löwisch, Stefan Lüscher, Wolfgang Peters, Susanne Rendenbach, Boris Schmidt, Mark Stehrenberger, Helena Sukova, Herbert Völker, Robert Waltmann Fotografen dieser Ausgabe Georg Bärtschi, William Bradford, Nick Dimbleby, Umberto Guizzardi, Reinhard Klein, Andreas Keller, Andreas Knippling, Lorenzo Marcinnò, Michael Muller, Alastair Ritchie, Ian G.C. White, map Lektorat Andreas Probst Produktionsleitung Tobias Merz t.merz@prestigemedia.ch Verlag / Produktion Prestige Media AG, Leimgrubenweg 4, CH-4053 Basel Telefon +41 (0) 61 335 60 80 Telefax +41 (0) 61 335 60 88 info@prestigemedia.ch www.prestigemedia.ch www.prestigenews.ch Web & IT Dejan Djokic Koordination Laura Giarratana Abo Service Serpil Dursun Telefon +41 (0) 61 335 60 80 info@prestigemedia.ch Einzelnummer CHF 10.– Jahresabo CHF 39.– Erscheinungsweise vierteljährlich Marketing- und Anzeigenleitung Boris Jaeggi b.jaeggi@prestigemedia.ch Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von Redaktion und Verlag jede Haftung abgelehnt
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#4 | Herbst 2012
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