170/Juni 2019
CS. 16S–D 24
Ein Gemeinschaftsprojekt von
Preis 2,50 € | SP 02Z031968 S | Österreichische Post AG
Linz
50 Jahre
Wien
Graz
Das lesbisch/schwule Österreichmagazin
FÜR
BRAUCHT‘S UNS ALLE. www.SoHo.or.at/uns-alle
MARIO LINDNER ABGEORDNETER ZUM NATIONALRAT WWW.MARIOLINDNER.AT
Wenn die letzten eineinhalb Jahre uns etwas gezeigt haben, dann dass es für unsere LGBTIQ-Community leider nicht immer nur besser wird. Die schwarzblaue Regierung hat unsere Community ignoriert, blockiert und bewiesen, woran es ihr mangelt: RESPEKT für die Vielfalt in unserem Land! Zeigen wir gemeinsam, dass ein weltoffenes, buntes, respektvolles Österreich möglich ist! Kämpfen wir zusammen für Veränderung! #StärkerGemeinsam
PRIDE
Editorial 50 Jahre Stonewall
E
s begann mit einer Straßenschlacht und wurde zu einer historischen Zäsur – das Aufbegehren gegen Polizeiwillkür gegen Lesben, Schwule und Transgender in der Christopher Street in New York City ist der queere Feiertag für alle. In 50 Jahren hat sich weltweit vieles zum Besseren entwickelt, aber in noch vielen Ländern gilt die Todesstrafe für gleichgeschlechtliche Liebe. Viele Errungenschaften mussten hart erkämpft werden, konnten erst nach jahrelanger politischer, ehrenamtlicher und juristischer Arbeit umgesetzt werden. In dieser Ausgabe werfen wir einen Blick auf diese historischen Entwicklungen, und geben einen Überblick über CSDs und Paraden in Österreich (Seite 16 bis 24).
Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, die selbstbestimmte Wahl der Geschlechteridentität als Menschenrecht zu sehen tat sich die vor kurzem abgewählte Regierung schwer – Alex Jürgen muss dafür kämpfen, den richtigen Eintrag in den Dokumenten als intersexueller Mensch zu bekommen (Seite 08). Wir schauen aber auch auf andere spannende Themen: Ein Bericht über queere Urlaubsziele (Seite 36), ein Blick auf die fantastische Show „RuPaul’s Drag Race“ (Seite 38) und Einblicke in die intimen Tagebücher von Gerhard Fritsch (Seite 40). Mit bewegten Grüßen Gerhard Niederleuthner
Impressum Offenlegung laut §25 Mediengesetz: Medieninhaberin, Herausgeberin und Verlegerin: „Verein zur Förderung der Information über Schwule, Lesben und TransGender-Personen”, Gerstnerstraße 13, 4040 Linz (Vorstand: Vorsitzender: Joe Niedermayer, Vorsitzender-Stellvertreterin: Isolde Messerklinger, Schriftführer: Hans-Peter Weingand, Finanzreferent: Gernot Wartner) ZVR: 993540699 Zulassungsnummer: SP 02Z031968 S, „Sponsoring Post“ Eigentümer*innen: Homosexuelle Initiative Linz, Schillerstraße 49, 4020 Linz (Vorstand: Vereins sprecher: Mag. Richard Steinmetz, Finanz referent: Stefan Haider, Organisationsreferent: Wolfgang Zehetmayer, Jugend- und Communityreferentin: Alice Moe, Alex Handlbaur: Technikreferent; RosaLila PantherInnen (Vorstand: Vorsitzender: Joe Niedermayer, Stv. Vorsitzende: Caro Milinkovic, Kassier: Chris Skutelnik, Stv. Kassier: Michael Fuchs, Schriftführer: Andy Strick, Stv. Schriftführer: Peter Beck, Beirät*innen: Feiner-Wuthe Michaela, Christof Geramb, Monika Gratzer) und Stop Aids – Verein zur Förderung von sicherem Sex (Vorstand: Vorsitzender: Alex Steiner, stv. Vorsitzender: Peter Beck, Kassier: Joe Niedermayer, stv. Kassier: Sandro Nestelbacher, Schriftführer: Alex Groß, stv. Schriftführer: Stefan Schlöglb Beirat - Olli Ingenillem) beide: Annenstr.
26, 8020 Graz Grundlegende Richtung: basierend auf den in den Vereinsstatuten des „Vereins zur Förderung der Information über Schwule, Lesben und Trans-GenderPersonen” niedergeschriebenen Grundsätzen. Im Sinne der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Februar 1998 zur Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union will PRIDE mitwirken, dass die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben anerkannt wird, insbesondere durch eine rechtliche Absicherung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, und will mitwirken, jedwede Diskriminierung abzuschaffen, unter der Schwule und Lesben vor allem im Bereich des Steuerrechts, des Vermögenrechts, der sozialen Rechte etc. immer noch zu leiden haben, und mit Hilfe von Information und Aufklärung dazu beitragen, gegen Vorurteile anzukämpfen, die in der Gesellschaft gegen Homosexuelle bestehen. Die Beiträge geben die Meinung der Verfasserin bzw. des Verfassers wider. Für unverlangt eingesandte Beiträge und Bildmaterial wird keine Haftung übernommen. Ein Recht auf Abdruck besteht nicht. Leser*innenzuschriften sind uns willkommen; bei allen Beiträgen behält sich die Redaktion das Recht auf Kürzung vor. Der anonyme Abdruck von Beiträgen ist möglich; Name und Anschrift des/der
Verfasser*in müssen der Redaktion bekannt sein. Private Kontaktanzeigen sind gratis. Redaktionsleitung OÖ: Gerhard Niederleuthner Redaktionsleitung Stmk.: Hans-Peter Weingand Redaktionsanschrift: PRIDE, Gerstnerstr. 13, 4040 Linz; Auflage: 2500 Stk. Redaktion: Web: pride.at, Mail: redaktion@pride.at, PRIDE, Gerstnerstr. 13, 4040 Linz; PRIDE Nr. 170/Juni 2019 / Cover: Fotos: Stephane Magloire (Regenbogenparade Wien), Andy Joe (CSD Graz), Gerhard Niederleuthner (Linzpride) Layout: Isolde Messerklinger, Gerhard Niederleuthner Redaktion: Rainer Bartel, Isolde Messerklinger, Gerhard Niederleuthner, Heinz Schubert, Gernot Wartner, Hans-Peter Weingand Mitarbeiter*innen: (Redaktion Stmk) Michi Fuchs, Martin J. Gössl, Sigrid Heistinger, Andy Joe, JIndes Müller, Joe Niedermayer, Chris Skutelnik, HansPeter Weingand, Kurt Zernig; (Redaktion OÖ) Rainer Bartel, Isolde Messerklinger, Gerhard Niederleuthner, Gernot Wartner Redaktionsschluss: PRIDE Nr. 171/2019: Sa., 06.07.2019 Spendenkonto: UniCredit Bank Austria AG; BIC: BKAUATWW; IBAN: AT69 1100 0049 2560 3500
PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019 |
03
PRIDE
Inhalt PRIDE Nr. 170/Juni 2019
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Girls go wild in the West?
29
Der Panther darf rosalila sein!
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Österreich
Schmutz und Schund
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Kurz-Schluss 06
Ausland
Divers versus inter
08
Erste Ehe für alle in Asien
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Alex Jürgen
09
Splitter: Daneben
33
Splitter 12
Splitter: Aufgehoben, Abgelehnt, Zurückrudern
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50 Jahre CSD
Gesellschaft
Editorial & Impressum
03
Vor 2o Jahren
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Regenbogenpakt 10
Stonewall Uprising
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The Death and Life of Marsha P. Johnson
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Wien: Die größte Parade ever 20
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38
Man darf nicht leben, wie man will
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Linz: Love Loud
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Graz: Laut & bunt
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Termine & Kontakte
1 Jahr forty nine 26
Oberösterreich / HOSI Linz
26
Ehe und EP
27
Crossing Europe
27
ESC Party
27
Steiermark
38
Werq B*tch
21
Spring Break Party
Die Krux mit dem Klimakterium 28
04
| PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019
36
Kultur
Salzburg: Pride Boat
Oberösterreich
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Queere Urlaubsziele
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Stmk / RosaLila PantherInnen 43 Gesundheit About Gay
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Kontakte Kontakte 46
PRIDE
Darüber berichtete PRIDE vor 20 Jahren ... PRIDE Nr. 50/Juni 1999
rosalila buschtrommel 3/1999
Text Gernot Wartner, HansPeter Weingand
Die Zahl 50 prangte in Gold im Lorbeerkranz – so feierte die Redaktion die fünfzigste Nummer. Und auf vier vierfärbigen Mittelseiten wurde allerlei Wissenswertes rund um das Zeitschriftenprojekt berichtet. Ansonsten ging es wieder einmal um die Kirche. Zuvor hatte der Vorsitzende der Glaubenskongregation und spätere Papst, Kardinal Josef Ratzinger, dem Dialog mit den Gläubigen eine klare Absage erteilt. So dürfe nicht verschwiegen werden, „dass homosexuelle Praktiken schwer gegen die Keuschheit verstoßen.“ Daher, so Ratzinger, sind homosexuelle Handlungen „in keinem Fall zu billigen.“ PRIDE ließ daher verschieden Personen zu Wort kommen, die sowohl für den Austritt eintraten, als auch für einen Verbleib in der Kirche. „Auftreten statt Austreten“ titelte der homosexuelle Pfarrer Franz Benezeder seinen Beitrag. Aber auch die Versuche der ÖVP, soziale Aufgaben des Staates stärker auf „Selbsthilfe“ zu verlagern, zog ebenso eine kritische Würdigung nach sich, wie der letztlich erfolglose Versuch der FPÖ Steiermark, die RosaLila PantherInnen durch eine Klage mundtot zu machen, zumal die Höhe der Klagssumme geeignet war, den Verein zu ruinieren. Und auch der Austritt der HOSI Linz als letzter mitgliederstarker Verein aus dem ÖLSF (Österreichisches Lesbenund Schwulen Forum) war einen Bericht wert. Ab dann sollte das ÖLSF keine weitere relevante Rolle in der österreichischen Politik und LGBQI*-Community mehr spielen.
30 Jahre nach Stonewall gab es einen Blick auf die vierte Regenbogenparade in Wien: dort stach eine kleine steirische Delegation mit Uhrturm und Spruch „Graz ist wirklich andersrum“ ins Auge. In Graz hatte „Stop Aids“ eine Broschüre produziert in der auch Männer, die Sex mit Männern haben, zu sehen waren. Die Jugendgruppe hatte sich neu konstituiert. Mit dem Reader „Einer/r in jeder Klasse“ schafften die PantherInnen den ersten großen Schritt in Schulen und in die Jugendarbeit. Mit „Papas Freund“ wurde eines der ersten „schwulen“ Bilderbücher für 3- bis 6jährige Kids vorgestellt. In der Steiermark wurde Hermann Miklas Superintendent der Evangelischen Kirche, der bereits vor Jahren eine Partner*innenschaftssegnung durchführte. Sein Gegenkandidat Gerhard Krömer aus Schladming erklärte, dass er niemals einer Segnung gleichgeschlechtlicher Paare zustimmen werde. Es gab einen Reisebericht über Lesbos aus lesbischer Sicht, über Istanbul aus schwuler Sicht. Das „Megaphon“ veröffentlichte ein Interview mit zwei jungen Schwulen, die von einem Polizisten am Grazer Schlossberg zurechtgewiesen worden waren, weil sie Händchen hielten. Im Juli folgte ein Leserbrief, dass der Polizist nur seiner Pflicht nachgekommen sei. Deshalb der Aufruf, sich bei Problemen mit Polizei, Gericht oder Behörden bei den PantherInnen zu melden: „Wir können zwar nicht zaubern, aber wir haben auch schon einigen Leuten helfen können bzw. sogar einige Monate Gefängnis erspart.“
Fotos PRIDE-Archiv
PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019 |
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Österreich
Kurz-Schluss Die Selbstenthauptung der FPÖ und die Folgen
Text Gernot Wartner Foto Gerhard Niederleuthner
Foto oben: Regenbogen parade 2018: Kritik an der türkis/blauen Regierung
W
er bereit ist, öffentliche Aufträge gegen Wahlkampfspenden zu tauschen, hat in den höchsten Ämtern der Republik, nichts verloren. Das Ibiza-Video, dass am 17. Mai, ausgerechnet am internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Trans- und Inter*phobie, die Republik auf den Kopf stellte, zeigt ein Sittenbild einer Partei, die fern jeglicher demokratischer Gepflogenheiten heimisch ist. Es mag nicht strafrechtlich relevant sein, jemanden im Alkohol-Dusel zum Kauf der Kronen-Zeitung bewegen zu wollen oder in einem vermeintlich privaten Gespräch über Steuergeld-Geschenke an noch zu gründende Baufirmen zu fantasieren, aber demokratiepolitisch relevant ist das allemal. Eine Partei, die jahrelang daran gearbeitet hat, sich den Ruf einer Sauberkeitspartei zuzulegen und für die Ärmsten der Armen da sein zu wollen, entpuppt sich als Partie habgieriger und machtgeiler Männer, die ein klares Konzept haben, wie man Wahlkampfspenden am Rechnungshof und an der Öffentlichkeit vorbei einstreifen kann. Und sollte das bereits passiert sein, dann, ja dann hat
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| PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019
die FPÖ auch ein strafrechtliches Problem. Denn irgendwoher muss das Geld ja hergekommen sein, das für die immense Wahlkampfkosten überschreitung gebraucht wurde. Der Rücktritt von Vizekanzler Strache und Klubobmann Gudenus war jedenfalls ein folgerichtiger Schritt; die Distanzierung von der Zusammenarbeit mit der FPÖ, die bei ÖVP und SPÖ daraufhin einsetzte auch. Bundeskanzler Kurz wäre nur glaubwürdiger gewesen, hätte er das ohne Wenn und Aber sofort gemacht, und nicht erst, nachdem die FPÖ den Innenminister, der zumindest offenbar nicht aktiv in die Affäre verwickelt ist, nicht opfern wollte. Mit der FPÖ ist kein Staat zu machen Und ja, man hätte es wissen können, dass mit der FPÖ kein Staat zu machen ist. Mit dem Rücktritt der FPÖMinister*innen ist nämlich eine Partei aus der Regierungsverantwortung geschieden, die schon immer ganz offen die Europäische Menschenrechtskonvention in Frage gestellt hat. Eine Partei, die auch gegen jegliche
Österreich Form der Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans-, Inter*und queeren Personen eintritt und die gegen Minderheitenrechte und Anti-Diskriminierung schlechthin, vor allem aber gegen die Sichtbarkeit von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ist. Die Ibiza-Affäre und die unzähligen braunen „Einzelfälle“ zeigen: Die FPÖ scheint eine zu tiefst korrupte, rechtsextreme Partei zu sein, die nun schon zum dritten Mal bewiesen hat, dass sie nicht im Mindesten regierungsfähig ist. Diese Partei hätte niemals in die Regierung kommen dürfen – ihre Regierungsbeteiligung hat das Land nachhaltiger gespalten als es noch erträglich ist. Eine Politik der Angstmache, der permanenten Skandalisierung und der aufgeregten Suche nach Sündenböcken hat zu Misstrauen, Abstiegsängsten und Verunsicherung geführt. Dafür Schuld zu tragen, ist nicht bloß der FPÖ zuzuschreiben, sondern auch ÖVP-Chef Sebastian Kurz anzulasten. Eine Republik basiert im Wesentlichen auf dem Vertrauen der Bürger*innen in sie und ihre Institutionen, aber vor allem im Vertrauen untereinander. Dieses Vertrauen ist in den letzten Monaten zutiefst erschüttert worden. Der Bundespräsident mag recht darin haben, wenn er betont, dass es eine Regierungskrise ist, aber keine Staatskrise. Dennoch haben Strache, Gudenus, Kickl und all die anderen mit Duldung und vielleicht sogar Billigung des Kanzlers seit der Regierungsbildung daran gearbeitet, diese Grundfesten der Republik zu untergraben. Und darin liegt das Gefährliche an der FPÖ und der neuen ÖVP. Wie wenig das alles die Kern wähler*innen der FPÖ bewegt, lässt sich gut im Abschneiden der FPÖ bei
den Europa-Wahlen erkennen, vor allem aber auch am Ergebnis der Vorzugsstimmen für HC Strache. Es ist aber ein Anzeichen für diese tiefgehende Spaltung, die dieses Land seit der türkis-blauen Koalitionsregierung prägt. Das Misstrauen, das der Nationalrat der Regierung Kurz ausgesprochen hat, ist daher die logische Konsequenz dieser Koalition – auch wenn dadurch paradoxer Weise gerade die ÖVP profitieren wird. Es ist der Stabilität der Verfassung aber auch der Umsicht des Bundespräsidenten geschuldet, dass trotz dieser Krise, der Staat weiter funktioniert. Die Ernennung der VfGH-Präsidentin Brigitte Bierlein zur Bundeskanzlerin ist ein erster Schritt zur Überwindung der Spaltung und zu einer wieder mehr konsensualen Politik. Kein Selbstbedienungsladen für korrupte Populist*innen Allerdings sind jetzt wir Bürger*in nen bei den kommenden National ratswahlen aufgerufen, gesellschafts- und demokratiepolitisch verantwortungsvoll zu wählen. Als Österreicher*innen stehen wir vor zwei entscheidenden Fragen: Welcher Partei trauen wir zu, konsequent und ehrlich gegen Korruption aufzutreten und von welcher Partei können wir erwarten, dass sie das Vertrauen der Bürger*innen in die Republik und ihre Institutionen, in die demokratische Ordnung und in den Rechtsstaat wieder herstellt. Und als Angehörige der LGBTIQ*-Community sollten wir uns auch noch folgende Frage stellen: Welche Partei tritt für die Interessen, die Sichtbarkeit und die Rechte von LGBTIQ*-Personen und anderen Minderheiten ein? Es ist schließlich unsere Republik und nicht ein Selbstbedienungsladen für korrupte Populist*innen. PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019 |
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Österreich
Divers versus inter Wenn die Politik dem Recht nicht folgt… Text Gernot Wartner Foto privat
Intersex Flagge
N
ach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist die selbstbestimmte Wahl der Geschlechtsidentität ein fundamentales Menschenrecht, und die eigene Geschlechtszuordnung gehört zum intimsten Bereich der Persönlichkeit eines Menschen, der prinzipiell staatlichem Zugriff entzogen ist. Intergeschlechtliche Personen im Personenstandregister (und damit auch in der Geburtsurkunde) als männlich oder weiblich auszuweisen, verletzt überdies das Grundrecht auf Datenwahrheit nach der Datenschutzgrundverordnung und stellt eine unrichtige Beurkundung durch das Amt dar. Zudem haben solche Personen bei Verwendung von Urkunden mit dem unrichtigen Eintrag „männlich“ oder „weiblich“ das Problem, in unangenehme und bloßstellende, erniedrigende Situationen zu geraten sowie in den Verdacht der Verwendung fremder Urkunden/Ausweise oder der Urkundenfälschung zu geraten. Beispielsweise bei Leibesvisitationen am Flughafen, wenn sich herausstellt, dass die Person nicht über dem eingetragenen Geschlecht entsprechende äußere Genitalien verfügt und so in den Verdacht gerät, nicht die Person zu sein, für die die Urkunde oder der Ausweis aus gestellt worden ist. Der bekannt Intersex-Aktivist Alex Jürgen hat daher 2016 am Standesamt Steyr beantragt, den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister auf „inter“, „anders“, „X“ oder eine ähnliche Bezeichnung zu berichtigen.
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Das Standesamt hat die Berichtigung im Geburtenbuch abgelehnt, und das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich diese Entscheidung bestätigt. Alex Jürgen hat mit Hilfe des Rechtskomitee Lambda dagegen den Verfassungsgerichtshof angerufen und dieser hat ihm letztlich recht gegeben und entschieden, dass die eigenständige geschlechtliche Identität von intergeschlechtlichen Personen anerkannt werden muss und sie vor einer fremdbestimmten Geschlechtszuweisung zu schützen sind (PRIDE berichtete in der Ausgabe Nr. 165/August 2018). Außer männlich und weiblich kann, so der VfGH, jede Geschlechtsbezeichnung gewählt werden, die einen Bezug zur sozialen Realität hat und die nicht frei erfunden ist. Ausdrücklich als in diesem Sinne zulässig hat der Verfassungsgerichtshof die Begriffe „divers“, „inter“ und „offen“ erklärt. Dennoch hat der frühere Innenminister Herbert Kickl im Dezember 2018 die Standesämter angewiesen, dass für die dritte Option nur der Begriff „divers“ zu verwenden ist, dass das Geschlecht Neugeborener nur als „männlich“, „weiblich“ oder „offen“ eingetragen werden dürfe und der dritte Geschlechtseintrag nur dann zustehe, wenn sogenannte VdGBoards (ärztliches Gutachten einer vom Gesundheitsministerium noch zu installierenden medizinischen Instanz zu Varianten der Geschlechtsentwicklung), die es bis heute noch nicht gibt, bestätigen, dass die Person körperlich weder männlich noch weiblich sei. Dieser, mit dem Erkennt-
Österreich nis des Verfassungsgerichtshofs und den nicht auf bestimmte Beweismittel einschränkenden Verwaltungsverfahrensgesetzen nicht im Einklang stehende Erlass, bindet aber die Standesämter. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom Vorjahr zum Dritten Geschlecht wurden nun die ersten Urkunden mit einem nicht auf „männlich“ oder „weiblich“ lautenden Geschlechtseintrag ausgestellt. Alex Jürgen erhielt von der Stadt Wien einen Reisepass mit dem Eintrag „X“ und von der Stadt Steyr eine Geburtsurkunde mit dem Eintrag „divers“. Für Reisepässe sieht das
Unionsrecht für das dritte Geschlecht den Eintrag „X“ vor. Für die Geburtsurkunde von Alex Jürgen hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, bestätigt durch den Verwaltungsgerichtshof, den Eintrag „inter“ angeordnet. In Missachtung des rechtskräftigen und höchstgerichtlich bestätigten Gerichtsurteils musste das Standesamt Steyr auf Weisung des Innenministers eine Geburtsurkunde mit dem Eintrag „divers“, anstatt dem gerichtlich angeordneten „inter“, ausstellen. Alex Jürgen muss für die Durchsetzung der Gerichtsentscheidung (!) und des von ihm primär gewollten Begriffs „inter“ jetzt neuerlich vor Gericht ziehen.
Alex Jürgen
A
lex Jürgen wurde als intergeschlechtlicher Mensch geboren. Intergeschlechtliche Personen sind Menschen, die hinsichtlich ihres chromosomalen, gonadalen oder anatomischen Geschlechts von der medizinischen Normvorstellung „männlicher“ und „weiblicher“ Körper abweichen. Sie sind weder männlich noch weiblich. Dies kann sich im Aussehen der äußeren Geschlechtsmerkmale, der Körperbehaarung, der hormonellen und/oder chromosomalen Zusammensetzung zeigen. Nicht alle werden bei der Geburt als intergeschlechtlich identifiziert, bei manchen geschieht das im Kindes- oder Jugendalter, bei manchen als Erwachsene. Die physischen Geschlechtsmerkmale von Alex Jürgen waren uneindeutig und entsprachen bereits zum Zeitpunkt der Geburt weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht. Zunächst ordneten die behandelnden
Ärzte Alex Jürgen als männlich ein, ein entsprechender Eintrag im Geburtenbuch wurde veranlasst. Nach zahlreichen Untersuchungen rieten Mediziner den Eltern, Alex Jürgen aufgrund der geschlechtlichen Ambivalenzen als Mädchen zu erziehen. Im Laufe der folgenden Jahre wurden die ambivalenten körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Teil entfernt, um Alex Jürgens Körper optisch dem eines Mädchens anzupassen. Doch das konstruierte Geschlecht entsprach nicht Alex Jürgens Identifikation. Da Alex Jürgen keine Frau ist und sich nicht als Frau fühlt, ließ sich Alex Jürgen vor Jahren die durch künstliche Hormongaben entwickelte Brust entfernen. Alex Jürgen ist aber auch kein Mann, sondern war von Geburt an ein intergeschlechtlicher Mensch, als welcher sich Alex Jürgen auch seit jeher identifiziert. Seit nun bereits mehr als 10 Jahren lebt Alex Jürgen offen als intergeschlechtliche Person.
PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019 |
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Webtipps alexjuergen.at vimoe.at
Österreich
Regenbogenpakt SPÖ und Soho präsentieren umfassenden Aktionsplan für queere Rechte in Europa Text Gernot Wartner Foto SoHo
„I
n der kommenden Periode des Europaparlaments steht viel auf dem Spiel. Es geht um die Frage, in welche Richtung sich das Projekt Europa entwickelt und welchen Stellenwert Solidarität und Weltoffenheit in Zukunft haben“, erklärte der SPÖSpitzenkandidat zur EU-Wahl Andreas Schieder. Die Europäische Union habe in den letzten Jahren zentrale Maßnahmen für sexuelle Minderheiten gesetzt und er forderte, dass die nächste EU-Kommission darauf aufbaue. Zusammen mit SoHo-Bundesvorsitzendem Mario Lindner und EUKandidatin Camila Garfias, die als erste Österreicherin dem europaweiten sozialdemokratischen LGBTIQNetzwerk „Rainbow Rose“ vorsteht, stellte Schieder wenige Tage vor der Wahl den Regenbogenpakt von SPÖ und SoHo vor. „In Ländern wie Polen, Ungarn und immer stärker auch Österreich erleben wir, wie Gleichstellung immer stärker unter Druck gerät. Diesem konservativen und rechten Backlash stellen wir ein Projekt der Hoffnung entgegen“, so Lindner, der auch Gleichbehandlungssprecher der SPÖ im Nationalrat ist. Mit dem Regenbogenpakt fordern
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SPÖ und SoHo deshalb eine verbindliche Strategie der Kommission, die von 2019 bis 2024 amtieren wird, um umfassende Gleichstellung und den Abbau von Diskriminierungen gegen sexuelle Minderheiten in der ganzen Union sicherzustellen. Der Regenbogenpakt beinhaltet einen umfassenden Aktionsplan gegen Hassverbrechen, die europaweite Absicherung der Freizügigkeit von Regenbogenfamilien und die Stärkung der Grundrechte von intergeschlechtlichen und Trans-Personen. Außerdem müsse die noch immer ausstehende Richtlinie zum Schutz vor Diskriminierung im Privatleben umgesetzt und ein gemeinsames Programm zum Schutz von LGBTIQ-Geflüchteten gestartet werden, fordern die Sozialdemokrat*innen. „Genau in dieser Situation braucht es ein starkes Bekenntnis zu einem weltoffenen, vielfältigen Europa ohne EU wären viele Fortschritte in Österreich bis heute nicht möglich gewesen. Jetzt geht es darum, die notwendigen nächsten Schritte zu gehen – hin zu einem Europa, das Menschenrechte schützt und fördert“, so Schieder, Garfias und Lindner bei der Vorstellung des Projekts.
8. Christopher StreetÖsterreich Day in Linz
Ein queerer* Feiertag für alle
SA. 29.06.2019
loVe loUD
50 JahRE CSD 1400
PRIDE ParaDe Volksgarten > aeC Organisiert von: AUGE/UG OÖ — FEM Events — Grüne Andersrum OÖ — HOSI Linz — NEOS — SLP — SoHo OÖ
1700
PRIDE oPenaIr MaInDeCk aeC
Mr. Flock — DJane VanIce — Crackstreet Girls — DJ Mark Neo Call Me Astronaut — Evergreen Pandora Nox — Jürgen Pendl
2200
PRIDE nIgHt ClUB sPIelPlatZ
forty nine QUEER BAR | HOSI LINZ
Media Partner:
Supporter:
DJane S.Stereo — DJ Boah — ab 18 Jahren Eintritt: 12 € — VVK: 9 € — HOSI-Mitglieder: 9 € — VVK: 6 €
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lInZPrIDe.at
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Impressum: Homosexuelle Initiative Linz (HOSI) Schillerstr. 49 | 4020 Linz | linzpride@hosilinz.at
Österreich
Splitter Kampf gegen „unklare Haltung“
Text Hans-Peter Weingand
P FA R R B L AT T Pöllau NR. 90
Pöllauberg MÄRZ - APRIL 2019
So spreche ich dich los
von deinen Sünden
N
ach dem Kabarett eines Familienseelsorgers, veranstaltet vom Arbeitskreis „Bunte Pfarre“, fühlte sich der Pöllauer Pfarrer Roger Ibounigg berufen, die Pfarrkinder durch Abdruck der Auszüge aus dem Weltkatechismus zu Homosexualität im Pfarrblatt wieder auf den rechten Weg zu bringen. Greife doch die Haltung, Familie sei „jede Form von Beziehung unter Menschen in den unterschiedlichsten Konstellationen gemeinsamen Lebens“ auch unter Katholik*innen gefährlich um sich. Deshalb verwies er darauf, dass Homosexualität in der Bibel „als schlimme Abirrung bezeichnet“ werde und „homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind“. Ein Betroffener vor Ort zeigte sich „darüber sehr traurig und enttäuscht“ und wollte diese „Hasstirade gegen Schwule in die Öffentlichkeit bringen“, was via PRIDE nun geschieht. Denn schon 2014 gab Pfarrer Ibounigg in Reimform bekannt, was er von diskriminierungsfreien Familienbildern hält:
„In Bildungsplänen für die Schulen wird deren Lehre eingeträufelt man spricht von „Lesben und von Schwulen“ die Kirchenlehre wird verteufelt. Auch so genannte „gute Christen“ sind tief vom Zeitgeist infiziert, von angepassten Journalisten, verbildet und indoktriniert“ Die Pfarrgemeinde ist wegen derartigen Positionierungen seit Jahren gepalten, zumal bei der letzten Pfarrgemeinderatswahl auch ein FPÖ-Gemeinderat mit Flugblatt eingegriffen hatte. Im Jänner traten nun acht Pfarrgemeinderät*innen zurück, was Pfarrer Ibounigg als „normale Fluktuation“ bezeichnete. Die Gruppe hat die Aktivitäten der Initiative „Bunte Pfarre“ nun eingestellt. Mitgeteilt sei auch: das auffallend homoerotische Titelbild des Kirchenblattes stammt von einem Pöllauer Jugendtreffen und steht mit dem Thema Homosexualität nicht im Zusammenhang.
Im Gedenken FOTOS: BERND SLABIHOUD
Gedenkfeier am 05. Mai 2019 für die homo sexuellen Opfer des NS Regimes anlässlich des Befreiungstags in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen.
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| PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019
Österreich
R U O Y S H OW ! S R U O CO L ho
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SA 29.6.2019 LINZPRIDEde PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019 |
Para 14:00 PRIDE AEC >> n te Volksgar nair pe O E 17:00 PRID EC A k ec nd ai M
13
Österreich
„TeenStar” – keine Lösung
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RECHT HABEN IST GUT – RECHT BEKOMMEN IST BESSER!
”
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| PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019
dieser Causa. Was es gebraucht hätte, wäre eine schnelle Überprüfung samt Konsequenzen gewesen. Stattdessen reagierte der Minister immer nur nach neuen Medien berichten, nach Leaks und neuen Veröffentl ichungen – obwohl ihm die nötigen Unterlagen seit dem Sommer 2018 vorliegen. Zuerst wird eine Meldepflicht für Schulen angekündigt, dann sogenannte ClearingStellen, dann ein Akkreditierungssystem – wie das alles funktionieren soll oder wie echte Expert*innen eingebunden werden, bleibt Faßmann aber schuldig.
FOTOS: ALMDUDLER
I
n der Plenardebatte des Nationalrats Mitte Mai dieses Jahres war einmal mehr der Sexualpädagogikverein TeenStar Thema, der seit knapp einem Jahr wegen massiv fragwürdiger Inhalte in Schulworkshops für Schlagzeilen sorgt. „Nach 11 Monaten Diskussion, zahlreichen parlamentarischen Anfragen und Dutzenden Medienberichten hat der Minister im April endlich angekündigt, dass TeenStar aus Schulen verbannt werden soll. Heute aber lehnen die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ einen Antrag, der genau das fordert, einfach ab. Das ist heuchlerisch!“ zeigt sich SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner empört Lindner kritisiert die gesamte Vorgehensweise des Bildungsministers in
„Pride“ Edition
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lmdudler ist offizieller Partner der EuroPride. „Hier geht es um Liebe, Offenheit, Zusammengehörigkeit, Geselligkeit und Miteinander – Werte, die wir von Almdudler schon seit unserer Gründung leben“, freut sich Sprudelfabrikant Heribert Thomas Klein. Die limitierte „Pride“ Edition „Marianne und Marianne“, sowie „Jakob und Jakob“ der Alm dudler Original Glasflasche ist bei ausgewählten Gastronomiebetrieben erhältlich (u.a. auch in der Queer Bar forty nine der HOSI Linz).
Österreich
Queer Donnerstag
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FOTOS: G. NIEDERLEUTHNER
m Donnerstag, den 9. Mai wurde die queer Edition der Donnerstagsdemo in Linz organisiert. Diesesmal ging die Route gegen den Uhrzeigersinn. Unter dem Motto „Recht statt Rechts!“ fanden sich mehr als 1000 Menschen ein, die mit Schildern und Regenbogenfahnen friedlich aber selbstbewusst gegen alle Formen der Diskriminierung auftraten. Ein starkes und buntes Zeichen der Zivilgesellschaft war in Linz spürbar!
1. Regenbogenparade in Wien
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kriminierenden Strafrechtsparagraphen endlich abzuschaffen. Und für Lesben, Schwule und Transgender war es ein wichtiger Tag, sich öffentlich zu zeigen. Die HOSI Linz war mit einem eigenen Wagen, der gemeinsam mit der Bar Stonewall organisiert wurde, auch von Anfang an dabei.
FOTOS: G. NIEDERLEUTHNER
or 50 Jahren fanden die ersten Riots in der Christopher Street Day statt. In Öster reich ging die erste große Regen bogenparade im Jahr 1996 über den Ring. Noch kleiner und überschaubarer, aber für damalige Verhältnisse bereits ein kraftvolles Signal an die Politik, um die dis-
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| PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019
„I know all about Stonehenge.”
50 Jahre Stonewall
(Will & Grace Season 9 Episode 2 „Who’s your Daddy“)
Vor 50 Jahren fand die Stonewall Revolution in New York statt; eine Replik.
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urch die Luft fliegende Münzen, brennende Mülleimer und Rauchschwaden über Greenwich Village in New York City standen am revolutionären Anfang einer tiefgreifenden sozialen Bewegung, nämlich der Stonewall Revolution. Eine queere – lesbische, schwule, transidente und Drag – Menge war an diesem Abend Ende Juni 1969 nicht mehr bereit, die Unterdrückung aufgrund von gelebter sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu akzeptieren. Die historische Revolte nahm ihren Anfang. Die Wiederentstehung der Kultserie Will & Grace 2017 eröffnet bereits in der zweiten Episode das Dilemma der Stonewall Revolution, als Will Truman einen jüngeren Mann in seiner Wohnung über schwule Geschichte belehren möchte und dabei prompt die Antwort erhält: „I know all about Stonehenge.“. „Before the 1960s almost everything about living openly as a lesbian, gay, bisexual, or transgender (LGBT) person was illegal. New York City laws against homosexual activities were particularly harsh. The Stonewall Uprising on June 28, 1969 is a milestone in the quest for LGBT civil rights and provided momentum for a movement.“ So die offizielle Begründung für das National Monument Stonewall, welches von Präsident Barack Obama für das Areal um die Bar „Stonewall Inn“ in New York City am 24. Juni 2016 gewidmet wurde. Das Bildungs-
fernsehen PBS American Experience hatte schon 2010 eine umfangreiche Doku produziert, und es gibt derzeit einige Neuerscheinungen zum Thema. Stonewall – wie kam es dazu? Der breite Wohlstand in den Vereinigten Staaten von Amerika, welcher während des Zweiten Weltkrieges und danach aufgekommen war, trug dazu bei, dass viele Menschen ein Leben außerhalb des konventionellen Familienverbandes erfahren durften: Ausreichend Arbeit, steigende Einkommen und Versicherungsleistungen ermöglichten dabei nicht nur momentane Freiheiten, sondern auch die Möglichkeit, Widrigkeiten des Lebens (wie Krankheit oder Alter) zu kalkulieren. Viele queere Identitäten nutzen die Chancen vor allem in der Kriegswirtschaft und der US Army, um ein selbstständiges Leben nach eigenen Maßstäben zu führen. Der Soldat George Buse beschrieb wie folgt: „Der Effekt des Zweiten Weltkrieges war wahrlich tiefgreifend […] Schwule Menschen begannen zu verstehen, dass es auch andere aus allen Teilen des Landes gab, die so waren wie sie selbst. Auch wenn wir noch ungeoutet geblieben sind, so war es doch eine sichere Erkenntnis, nicht geographisch isoliert zu sein,“ schrieben Andrea Weiss und Greta Schiller 1988 in „Before Stonewall“. Die Strategie zu erleben, aber nicht öffentlich in Erscheinung zu treten, machte durchaus Sinn, denn die 1940er, 1950er und 1960er-Jahre PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019 |
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Text Martin J. Gössl Fotos PBS American Experience, 'Centropolis Entertainment, NYU Press/Fred W. McDarrah, First Run Features/New York Daily News, Netflix, Pride Archiv, W. W. Norton & Co/ Diana Davies
50 Jahre Stonewall waren durchaus konservativ geprägt und historisch als McCarthynism (nach dem konservativen Senator McCarthy) benannt. Dieses Klima der Unterdrückung erklärte kommunistische und/oder ‚homosexuelle‘ Lebensstile als staatsfeindlich. Dabei konnte es zu handfesten Konsequenzen kommen, wie die ‚Charges of Immorality‘ bezeugen. Die New York Times wusste unter anderem am 30. April 1950 zu berichten, dass 91 Angestellte aus dem öffentlichen Dienst als Sicherheitsrisiko wegen ihrer ‚Homosexualität‘ entlassen wurden. Das ist nur ein Beispiel von vielen: Entlassungen, Inhaftierungen, staatliche Verfolgungen und polizeiliche Willkür waren fixer Bestandteil für ‚homosexuelle‘ Communitys. Trotz oder wegen dieser Ambivalenzen sind erste Zeugnisse eine queeren Subkultur vor allem Schattengewächse, die sich am Rande der Legalität großer Beliebtheit erfreuten. Vereine, wie die „Daughter of Bilitis“ oder die „Mattachine Society“, Magazine wie „Mattachine Review“ oder „one“ und Bars und Clubs wie das
„Stonewall Inn“ wurden besucht, gekauft und frequentiert. „Und da waren Männer, die mit Männern tanzten. Und als ich zwei Männer sah – da waren mehrere Paare die tanzten – hatte ich einen Nervenkitzel. Es war … wie ein elektrischer Schlag,“ wusste Chris Babick über seinen ersten Besuch im „Stonewall Inn“ zu berichten. In der Tat war zum damaligen Zeitpunkt diese Bar bemerkenswert: Sie war räumlich großzügig, verfügte über einen Tresen und über eine Tanzfläche. Es fehlte jedoch an einer Ausschanklizenz für Alkohol, weswegen die örtliche Mafia Einfluss gewinnen konnte. Vom 27. auf den 28. Juni 1969 begann die Schicksalsnacht durchaus unaufgeregt nur mit einer besonderen Ausnahme: eine ‚urban legend‘ besagt, dass zu jener Nacht besonders viele Gäste im „Stonewall Inn“ anzutreffen waren, wurde doch kurz zuvor die queere Ikone Judy Garland in New York beigesetzt. Deputy Inspector Seymour Pine wurde damit beauftragt,
The Death and Life of Marsha P. Johnson
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ach dem Stonewall-Aufstand von 1969 gründete Marsha P. Johnson und ihre ebenfalls legendäre Mitstreiterin Sylvia Rivera 1970 STAR (Street Transvestites Action Revolutionaries), die erste Organisation für die Rechte Transsexueller. Sie engagierte sich viele Jahre lang in der Bürgerrechtsbewegung für die LGBT-Community. Die beliebte „Street Queen“ der New Yorker Szene wurde 1992 tot im Hudson River aufgefunden, der Fall wurde als Selbstmord eingestuft. Die 2017 erschienene Doku von Da-
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vid France untersucht auf eindringliche Weise ihr Leben und die mysteriösen Umstände ihres Todes. Netflix gestattet explizit das Streamen auch der deutschen Fassung des Films für Bildungszwecke in Vereinen, Schulen, Universitäten, wenn diese Veranstaltung kostenfrei ist und NICHT mit dem NetflixLogo oder sonstigem Sponsoring betrieben wird. https://media.netflix.com/de/ only-on-netflix/149560
50 Jahre Stonewall
eine Razzia wegen des Verdachts der illegalen Ausschank durchzuführen. Zwei Polizisten und zwei Polizistinnen wurden in die Bar geschickt, um zu observieren, wer was und an wen ausschenkte. Nachdem nur zwei Polizisten zum vereinbarten Treffpunkt erschienen waren, entschied sich Pine um 1:20 Früh, die Bar mit der gesamten Mannschaft zu betreten. Im „Stonewall Inn“ wurde das Deckenlicht angeknipst, die Musik gestoppt und die Kontrolle durchgeführt. Während dieses Prozederes ergaben sich bereits erste Unruhen – mag es die Kontrolle der Drag Queens gewesen sein (die Feststellung des Geschlechts aufgrund des Gender Accords war notwendig) oder eine Meinungsverschiedenheit zwischen einer Lesbe und einem Polizisten – die Stimmung kippte. Personen gingen auf die Straße – die abendliche Hitze war unerträglich – und begannen sich vor der Bar zu versammeln. Nach Angaben des Inspektors war die Amtshandlung schon beinahe zu Ende, als vor dem „Stone wall Inn“ eine spürbare Unruhe bemerkt wurde und Gegenstände auf die Amtspersonen niederprasselten. Es blieb der Polizei nur mehr – Ironie des Schicksals – die Flucht in das Lokal. Als das Gebäude Flammen fing, wurde die Lage brenzlig. Eine Beamtin konnte sich jedoch über eine Dachluke retten und Verstärkung rufen. Die örtlichen Spezialeinheiten, aufgrund der Black Community regelmäßig in der Bronx aktiv, brauchte nicht nur einige Zeit, um ins Village zu kommen, son-
dern war auch noch den ortskundigen Queeries hoffnungslos unterlegen. Das Katz-und-Maus-Spiel amüsierte und wurde gleichzeitig zu einem Kampf für Freiheit. Bereits die darauffolgende Nacht wurde erneut zu den Gesängen von „We shall overcome“ eine weitere Auseinandersetzung gesucht und gefunden, wobei Lesben, Schwule, Drags und Transgender mit unterschiedlichen Hintergründen (Migration, sozialer Status, Hautfarbe etc.) gemeinsam in Erscheinung traten. „Stonewall“ wurde mit diesen zwei Nächten zu einem historischen Ereignis und zu einem Startschuss für die queere Bewegung. Man war nun nicht mehr bereit, heimlich, still und leise im gesellschaftlichen Schatten geduldet zu bleiben, sondern man wollte gleiches Recht für die Vielfalt an Liebe, Geschlecht und Sexualität. Fünfzig Jahre danach fungiert das National Monument Stonewall als Zeugnis dieser Tage des Umbruchs; doch viel mehr als das Gebäude erinnert eine aktuelle Zeit an die Fragilität von queerer Selbstverständlichkeit als Menschenrecht. Wenn Todesstrafen für queere Menschen – egal ob schwul, lesbisch, transident oder Drag – gefordert und sogar beschlossen werden, dann sollte man den Geist der Stonewall-Nacht beschwören, niemals schwächer zu werden. Denn konträr zu Stonehenge, dessen Bedeutung uns heute noch Fragen auferlegt, trägt Stonewall die Bedeutung der Frage in sich, nämlich: Sind wir gleich?
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Buchtipp Noch verfügbar und für 15 Euro unter info@homo.at bestellbar ist das Buch von Martin Gössl über die HomosexuellenBewegung in den USA während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, basierend auf Originalquellen im New Yorker LGBT Archive.
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Die größte Parade ever EuroPride 2019 in Wien
Text Gernot Wartner Foto Martin Darling / Regen bogenparade.at
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m Samstag, dem 15. Juni findet dieses Jahr eine ganz besondere Regenbogen parade statt: Sie steht ganz im Zeichen der EuroPride – und dem entsprechend wird eine Parade der Rekorde erwartet. Mehr als eine halbe Million Menschen werden von den Organisator*innen an der Ringstraße erwartet.
stellt. „Die Regenbogenparade ist die größte politische Kundgebung Österreichs. Ein Grund dafür ist, dass nicht nur LGBTIQ-Menschen auf die Straße gehen, sondern alle Menschen, die sich gemeinsam mit uns für Menschenrechte einsetzen“, so Yvon weiter. In den letzten Jahren hatte die Regenbogenparade immer rund 100.000 Teilnehmer*innen.
Wegen der erwarteten Menschenmassen musste die Startzeit auf 12.00 Uhr vorverlegt werden. Dann wird sich der Zug über die altehrwürdige Ringstraße in Bewegung setzen – „andersrum“, also gegen die Fahrtrichtung, wie es in Wien seit vielen Jahren Tradition ist. Bis jetzt haben sich für die Parade 108 Gruppen und Wagen angemeldet, das sind um 50 Prozent mehr als im Vorjahr, wie Moritz Yvon, Obmann der HOSI Wien, fest-
Gegen 17.00 Uhr soll dann die Abschlusskundgebung auf dem Rat hausplatz stattfinden – mit hochkarätigen Gäst*innen: So sind Statements von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, EU-Justizkommissarin Vera Jourova, Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Song-Contest-Siegerin Conchita angekündigt. Ob aufgrund der derzeitigen politischen Lage auch hochrangige Bundespolitiker*innen bei der Schlussveranstaltung sprechen werden, ist noch unklar. „Es spricht der Präsident, es spricht der Bürgermeister, es spricht die Kommissarin“, freut sich die scheidende Grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Und auch Stadtrat Jürgen Czernohorszky von der SPÖ freut sich schon auf die EuroPride und sieht es als Auszeichnung, dass diese in Wien stattfindet: „Es ist so viel mehr als ein Event. Es ist eine Manifestation, es ist ein Spektakel, es ist eine Großkundgebung, es ist eine Mutmacherin.“ Ihm ist wichtig, dass die Stadt Wien folgende Botschaft an die Menschen aussendet: „Egal, wie du bist. Egal, wen du liebst. Wien liebt dich.“
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Pride Boat Gay Pride erstmals auf dem Wolfgangsee
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m 22. Juni sticht zum 19. Mal das schon legendäre Pride Boat der HOSI Salzburg in See. Dieses Jahr erstmalig auf dem Wolfgangsee und mit einem größeren Schiff. Die LGBTI-Community Salzburgs und Gäst*innen aus Nah und Fern werden den Pride-Gedanken feiern, der 1969 seinen Anfang in der Christopher Street in New York genommen hat und nun mit der MS Salzburg als das regenbogenfarbene Weiße Rössl auch auf dem Wolfgangsee angekommen ist. Nach einem Meet&Greet ab 17:00 auf dem Mirabellplatz in Salzburg fahren um 17:30 die Shuttle Busse an den Wolfgangsee, wo die MS Salzburg um 19:00 ablegt. DJ Skin:)IN-hard ONVienna am Elektro-Deck und DJ Petra Pan (Schlager & Pop) sorgen für Stimmung – an den beiden Bars auf und unter Deck. Nach Rückkehr der Busse nach Salzburg wird bei der Afterparty im Mexxx und der Afterparty für Fetischfreunde im Dark Eagle in der Salzburger Szene weitergefeiert. Die Party auf dem Schiff ist eingebettet in ein Rahmenprogramm, das die vielen Facetten lesbisch-schwulen Lebens in Salzburg zeigt. Am Vorabend des Pride Boat kommen
Text Gerhard Niederleuthner Fotos Pride Boat
Fetischfreunde aus dem In- und Ausland zum Fetischabend HOSI goes Fetish (für alle Geschlechter offen). Am Samstagvormittag wird es dann kulturell: Bei einer queeren Stadtführung erfährt man interessante Details zu berühmten Persönlichkeiten Salzburgs. Zum Beispiel zu Ludwig Viktor, dem homosexuellen Bruder des Habsburg-Kaisers Franz Josef I. Ludwig Viktor war aufgrund seines losen Lebenswandels nach Salzburg verbannt worden und sorgte dort für manches Stirnrunzeln – und er sammelte Kunst. Bis 30. Juni werden die Kunstgegenstände Ludwig Viktors im DomQuartier ausgestellt und seine damaligen Lebens umstände beleuchtet. Im DomQuartier endet dann gegen 14:00 auch die queere Stadtführung. Zur selben Zeit können Besucher*innen auf einem Fetischflohmarkt von 11:00 bis 16:00 nach neuen Spielzeugen Ausschau halten und eigene kostenlos anbieten. Ein Brunch am Sonntag ab 11:00 im Café Wernbacher rundet dieses PrideHighlight in Salzburg ab.
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Tickets Vorverkauf vom 1. Mai bis 21. Juni: 35€ (inkl. Busshuttle von Salzburg Mirabellplatz zum Wolfgangsee und zurück) Abendkasse: 45€ VIP-Ticket 100€ (privater Shuttle, Pre-Boarding, 1 Flasche Wodka Absolut Pride Edition samt Beigetränken) Infos zu Tickets und Rahmenprogramm: prideboat.eu
50 Jahre Stonewall
love Loud – linzpride 2019 8. CSD in Linz – ein queerer* Feiertag für alle
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m Samstag, den 29.06.2019, findet anlässlich des Christopher Street Day (CSD) zum achten Mal der linzpride als sichtbares Zeichen der LGBTQI*-Community (LGBTQI: Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersexuell) in Oberösterreich statt. linzpride wird von der Homo sexuellen Initiative (HOSI) Linz und solidarischen Organisationen der Zivilgesellschaft organisiert und setzt sich für die Akzeptanz von Vielfalt und die Solidarität in der Gesellschaft ein. Die pride parade startet um 14:00 beim Volksgarten, geht über die Landstraße bis zum Maindeck beim AEC. Teilnehmende Organisationen sind:
AIDSHILFE OÖ, Auge/UG, Bollywood Dance Linz, FEM Events, Feminismus und Krawall, Fetisch Gruppe, Die Grünen Andersrum OÖ, Lesbresso, NEOS OÖ, SLP, SOHO OÖ, TSC Wechselschritt, YOUnited und HOSI Linz. Ab 17:00 wird beim pride openair am Maindeck mit Liveacts, DJ*anes und Infoständen (AIDSHILFE OÖ, Dorf TV, Famos OÖ, Grüne Andersrum OÖ, HOSI Linz, NEOS OÖ, PRIDE, Radio Fro, SLP, SOHO OÖ, Tabera, Vimoe) – Catering durch Blue Heaven – gefeiert. Abgefeiert wird bei der pride night ab 22:00 mit DJane S.Stereo und DJ Boah im Club Spielplatz. Jede* kann mitgehen und mitfeiern – mehr Infos unter linzpride.at.
forty nine QUEER BAR | HOSI LINZ
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1400
PRIDE PARADE VOLKSGARTEN > AEC
Organisiert von: AUGE/UG OÖ — FEM Events — Grüne Andersrum OÖ — HOSI Linz — NEOS — SLP — SoHo OÖ Moderation: Eric Big Clit — Cherry T Joystick
1700
PRIDE OPENAIR MAINDECK AEC
Mr. Flock — DJane VanIce — Crackstreet Girls — DJ Mark Neo — Call Me Astronaut — Evergreen Moderation: Pandora Nox — Jürgen Pendl
2200
PRIDE NIGHT CLUB SPIELPLATZ
DJane S.Stereo — DJ Boah Eintritt: 12 € — VVK: 9 € HOSI-Mitglieder: 9 € — VVK: 6 € ab 18 Jahren — Vorverkauf: forty nine, Schillerstr. 49, 4020 Linz jeden Fr. und Sa. ab 21:00
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50 Jahre Stonewall
Laut & bunt
Text Michi Fuchs Fotos Andy Joe
50 Jahre Stonewall – das wird das Grazer CSD-Wochenende! Das Programm für das CSDWochenende hat es in sich: Am Freitag, 22. Juni wird von 15:00 bis 17:00 wieder die CSD-Tram zwischen Jakominiplatz und Laudon gasse ihre Runden ziehen, während die Gruppe „Homosexuelle und Glaube“ (HuG) um 18:30 in der Heilandskirche am Kaiser-Josef-Platz zum CSD-Gottesdienst lädt.
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or 50 Jahren fand in der New Yorker Christopher Street die erste große Rebellion von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten als Reaktion auf Polizeiwillkür statt. Anlässlich dieses wichtigen Tages gehen wir auch heuer wieder gemeinsam auf die Straße, um unsere Erfolge im Kampf für eine gleichberechtigte Gesellschaft zu feiern. Der Christopher Street Day macht LGBTIQ* als Gemeinschaft sichtbar und steht für das Einfordern von Gleichstellung und den Widerstand gegen Alltagsdiskriminierungen. Gemeinsam organisieren die queer Referate Graz und die RosaLila PantherInnen an diesem bedeutenden internationalen Aktions- und Gedenktag einen Demonstrationszug mit anschließendem Parkfest als starkes Zeichen für Gleichberechtigung! Mit anderen Worten: ausgelassenes Feiern ganz im Zeichen des Regenbogens!
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Am Samstag startet die CSD-Parade der queer Referate um 12:00 bei der Oper und führt dieses Jahr über den Jakomini- und Hauptplatz sowie über die Keplerbrücke und den Lendplatz in den Volksgarten, wo das CSDParkfest mit über 50 Initiativen, Unternehmen, Vereinen, Parteien und Künstler*innen als ein kunterbuntes Sommerfest mit zahlreichen Live Bands, DJs, Shows, großem Gastronomiebereich und vielen Verkaufs- und Informationsständen den Nachmittag laut und bunt ausklingen lässt. Das liebe sQUEERel ist schon auf geregt, denn auch heuer erwarten die RosaLila PantherInnen wieder rund 3000 Gäste. Als Haupt-Acts konnten das Wiener Duo EsRap sowie die queere Pop-Formation Pop:sch engagiert werden.
k c a r t d n u o rS
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! s n e b e L es
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www.qradio.cc
Oberรถsterreich
1 jahr forty nine 4.5.2019: #Party #DJaneVanIce #Mr.Flock @fortynine Fotos Gerhard Niederleuthner
Spring Break Party 6.4.2019 #SpringBreak #Party @fortynine
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OberĂśsterreich
Ehe und EP
Fotos Gerhard Niederleuthner
11.4.2019: Vortrag Helmut Graupner #ehefĂźralle #ep @fortynine
Crossing Europe 25. - 30.4.2019: #filmfestival #nevrland #gregorschmidinger #crackstreetgirls
ESC Party 8.5.2019: #ESC #Songcontest #Party @fortynine
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Steiermark
Text und Fotos Andy Joe
Die Krux mit dem Klimakterium Ralf König liest „Herbst in der Hose”
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lterwerden kann schon mal schwer fallen, das ist bekannt. Dass aber auch Männer sich mit einer „Andropause“ (Äquivalent zur Menopause) oder, moderner einem „Klimakterium virile“ herumschlagen müssen, ist da schon weniger geläufig. Der legendäre Comiczeichner und -autor Ralf König nimmt sich in seinem Roman „Herbst in der Hose“ genau dieses Lebensabschnitts an und machte sich anlässlich einer Lesung auf den Weg nach Graz, um am 11. April im Dom im Berg aus diesem sowie anderen thematisch passenden Werken vorzutragen. Protagonisten vieler kurzen oder auch längeren Geschichten sind einmal mehr das schwule Paar Konrad und Paul aus Köln, die König erstmals 1989 zeichnete und die ihn seither begleiten und dabei mit ihm gemeinsam gealtert sind. Wenn dann aber die ersten grauen Schamhaare auftauchen, der Testosteronspiegel konstant absinkt und die se-
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xuelle Anziehung nachlässt, hört bei vielen der Spaß auf. Nicht so bei König. Gekonnt verarbeitet er mit seinem typischen Humor, der trotz oder gerade aufgrund zahlreicher Absurditäten bemerkenswert aus dem Leben gegriffen zu sein scheint, ein Thema, das sich wohl wegen seiner Unausweichlichkeit bitterernst darstellt. Deshalb darf bei allem Witz und aller Situationskomik auch das Lachen mal im Hals stecken bleiben. Wie so oft im Leben liegen auch hier Tragik und Komik nahe beieinander. Also versuchen Konrad und Paul in Königs neustem Roman alleine oder gemeinsam mit ihrer veränderten Lebenssituation umzugehen, was gerade bei aller Erinnerung an die „verlorene“ Jugend nicht leicht fällt. Nichtsdestotrotz sieht König, der selbst von sich behauptet das Älterwerden zu hassen, die Sache gelassen: „Solange der Humor nicht verloren geht, wird alles gut!”
Steiermark
Girls go wild in the West? Autorinnenlesung und Diskurs mit Towander Flagg – „Der Galgen fragt nicht welcher Hals“
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ebrasksa 1872. Obligatorische trockene Grasbüschel wehen durch die Prärie. Irgendwo in der Ferne wiehert (ganz bestimmt) ein wilder Hengst. Der allerdings hat in dieser Story nicht so viel zu melden, denn schon der Bucheinband kündigt einen "Revulva Western" an. Die Wiener Stand-up-Comedienne, Verlagslektorin und Aktivistin Towander Flagg erzählt in ihrem Debutroman "Der Galgen fragt nicht welcher Hals" die Abenteuer der Annie Goodlick, ihres Zeichens Kopfgeldjägerin, die sich auf die halsbrecherische Jagd macht nach der berüchtigten Revolverheldin Mary Dippin. Tot oder lebendig? Nomen est omen? Und: Wird´s was mit den beiden? Viele spannende Fragen, auf die das Buch, das der Falter hervorragend zum Binge Reading geeignet nannte, Antworten verspricht. Um einigen davon nachzugehen, luden am 29.4. die Frauengruppe fem* und die Kultur- und Freizeitgruppe der RLP gemeinsam ins feel free zur Autorinnen Lesung mit anschließender Diskussion. Nachdem Towander Flagg uns mitgenommen hatte auf die gewagte Reise der Annie Goodlick, die queer durch den wilden Westen reitet, gab die Autorin dem Publikum spannende Einblicke in ih-
ren kreativen Schaffensprozess. Madame, Sexworkerin oder Hure? Towander beleuchtete etwa mit uns das Spannungsfeld zwischen historisch korrekter Sprache und einem sensiblen Umgang mit Sexismus und Rassismus. Wir sprachen über Homo phobie-bereinigte Flüche und darüber, welche Herausforderungen es mit sich bringt, als weiße Autorin über Native Americans oder People of Color zu schreiben. Was zeichnet denn nun überhaupt einen Western aus? Anhand von Filmbeispielen gingen wir dieser Frage nach. Und landeten bei unendlich weiten Landschaften, Postkutschenraub, Revolverduellen auf staubigen Straßen, Saloons voller trunkener Bösewichte und selbstverständlich: Pferden. Und bei einem traditionell weiß und männlich dominierten Genre. Letzteres erfährt jedoch durch Towander Flagg´s sprachliches Gespür und die feministische Aneignung eine frische Präriebrise, die Lust auf mehr macht. Was sich gut trifft, denn wer nach dem Binge Reading feststellen sollte, dass die 197 Seiten viel zu schnell vorüber waren – nicht verzagen: Die verwegenen Unternehmungen der Annie Goodlick werden weitergehen! Wer jetzt Leselust bekommen hat, das Buch kann übrigens in der der Bibliothek der RLPs ausgeliehen werden.
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Text Sigrid Heistinger Fotos Andy Joe
Steiermark
Der Panther darf rosalila sein! Das Verwaltungsstrafverfahren wurde eingestellt.
Text Hans-Peter Weingand Fotos RLP; UMJ/ Museum für GeschichteKulturhistorische Sammlung/Graz; Land Steiermark; Reinhold Em pacher; sagen.at
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m März 2018 wurden auf Anordnung des Chefs der Protokollabteilung des Landes Steiermark dem Magistrat Graz zur Kenntnis gebracht, die Rosalila PantherInnen würden auf ihrer Homepage „das Landeswappen in der Form des Hoheitszeichens des Landes Steiermark führen“. In der Bau- und Anlagenbehörde der Stadt Graz wurde daraufhin geprüft und geprüft und geprüft – und schließlich im August 2018 gegen den Vereinsvorsitzenden Joe Niedermayer eine Verwaltungsstrafe von 300 Euro verhängt. Denn die PantherInnen hätten auf ihrer Homepage „mit der Abbildung des Steiermärkischen Landeswappens in originaler Form als Hoheitszeichen geworben“, ohne dies dem Land angezeigt zu haben. Doch da das steirische Landeswappen durch Gesetz klar definiert ist (siehe Bild), ist sofort klar, dass die Grafik der PantherInnen ja gar nicht das Landeswappen zeigt! Die Empörung war deshalb in der Community groß und innerhalb weniger Stunden wurden 470 Euro gesammelt. Zumal die PantherInnen versprachen, den nicht benötigten Betrag dem Wiener Verein QUEER Base übergeben, da dieser sich engagiert für LGBTI-Flüchtlinge einsetzt. Natürlich wurde gegen die Strafverfügung Einspruch erhoben: „Die Verwendung des Landeswappens ‚in einer erkennbar geänderten Form‘ bedarf nach §7 Abs. 3 Z 5 keiner Anzeige bei der Landesregierung. Allein der im Wappenstil ausgeführte Teil der Grafik ‚RLP Wappen‘ zeigt nicht nur
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einen rosalila statt einem silbernen Panther. Abgesehen von dieser völlig anderen Farbgebung der heraldischen Figur unterscheidet sich allein dieser Teil der Grafik vom gesetzlich genau definierten Landeswappen in acht weiteren Elementen.“ Und wieder wurde geprüft und geprüft und geprüft – und am 26. April 2019 das Verfahren eingestellt, weil, so das Gesetz, „der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen“. Damit kommt der gesamte Betrag von 470 Euro QUEER Base und damit einem wirklich sinnvollen Zweck zu Gute. Die Darstellung des steirischen Panthers sorgte in der Politik immer wieder für Aufregung. Schon in der ersten gedruckten steirischen Landesordnung von 1523 ist festgelegt, dass das Wappentier aus allen Körperöffnungen Flammen ausstößt. Dies erweckt in manchen Darstellungen eher den Eindruck eines beachtlichen Gemächts, sodass das steirische Wappentier oft einem lüsternen Satyr gleicht. Da dies die christlichsoziale Landtagsabgeordnete Friederike Mikola als obszön empfand, wurde 1926 die Reduzierung des Ausstoßens von Flammen nur noch aus dem Rachen angeordnet. Das steirische Wappentier muss eben keusch sein – und natürlich heterosexuell. Doch wie es überall z. B. Lesben und Schwule gibt, darf auch der steirische Panther rosalila sein. Und zwar straflos.
Steiermark
Schmutz und Schund Diskussion zu Tagebüchern einer „Perversion”
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ls „Schmutz und Schund“ wurden insbesondere in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg künstlerische Werke diffamiert, welche gesellschaftliche Bilder entwarfen, die nicht der Norm entsprachen. Die Tagebücher von Gerhard Fritsch wären damals wohl unter diesen Begriff gefallen, wären sie nicht erst in diesem Jahr erstmals veröffentlicht worden. Der Autor, der als Literaturreferent selbst Teil dieser Kampagne war, verspürte zeitlebens das Bedürfnis, sich in Frauengewänder zu kleiden. Seine Aufzeichnungen werden so zur Dokumentation seiner heimlich ausgelebten Neigung. Für Herausgeber Klaus Kastberger sind die Tagebücher daher ein wichtiges Zeugnis der starren Geschlechterbilder im Wien der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Ein Leben als männlicher Cross Dresser ohne gesellschaftliche Ächtung war undenkbar. Fritsch, als bekannter Autor selbst Person des öffentlichen Lebens, kannte auch niemand anderen, der dieselben Neigungen verspürte.
schaftssystem, das beiden Geschlechtern klar definierte Rollen zuweist, kann niemand glücklich werden. Die Frauen von Fritsch wissen mitunter von seiner Neigung, empfinden diese im Spiegel der Gesellschaft jedoch als abstoßend. Nichtsdestotrotz bleiben sie bei ihm, da das gesellschaftlich verlangt wird. Der Mann wiederum muss in jedem Fall dem Bild absoluter Männlichkeit entsprechen, eine Tatsache, die bei Fritsch über viele Jahre Schuldgefühle auslöst. Sein Ventil fand er im Schreiben, das schließlich in der Veröffentlichung des Romans „Fasching“, welcher seine Neigung explizit zum Thema macht, mündete. Damit scheint sich Fritsch zu Lebzeiten ein Refugium geschaffen zu haben, welches ihm zumindest das „Coming Out“ vor sich selbst erlaubte.
Künstlerin Alexandra Desmond sah auch die patriachalen Strukturen, die bis heute fortdauern, abgebildet. Gerade am Beispiel Fritsch, der eine Sensibilität für Personen, die diesen Rollenbildern nicht entsprechen, zeigt, werden die damit einhergehenden Probleme deutlich. In einem GesellPRIDE | Nr. 170 | Juni 2019 |
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Text und Fotos Andy Joe
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Erste Ehe für alle in Asien
Chi Chia-wei – LGBT-Aktivist der ersten Stunde
Am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi- und Transphobie, dem 17.05.2019, führt Taiwan als erstes asiatisches Land die gleichgeschlechtliche Ehe ein. Text Gernot Wartner Fotos Chris Horton (twitter. com/heguisen); Shane & Marc (instagram.com/ ms961024)
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as Parlament in der Hauptstadt Taipeh stimmte mit 66 zu 27 Stimmen für ein entsprechendes Gesetz der Regierung. Vor dem Parlament feierten hunderte homosexuelle Demonstrant*innen die Entscheidung lautstark. Ursache für die Abstimmung war ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2017. Die Richter hatten erklärt, dass die rein heterosexuelle Definition der Ehe im Zivilgesetzbuch gegen das in der Verfassung garantierte Recht auf Ehe und das Recht auf Gleichbehandlung verstoße. Das Parlament hatte nach dem Urteil zwei Jahre Zeit für eine verfassungskonforme Neuregelung, ansonsten würde die Beschränkung der Ehe auf heterosexuelle Paare zum Stichtag 24. Mai 2019 automatisch entfallen. Das Urteil hatte aber auch die Gegner*innen der Gleichstellung auf den Plan gerufen. Sie erzwangen einen Volksentscheid zum Thema: 70 Prozent der Wähler*innen stimmten daraufhin im letzten November für
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die Beibehaltung der heterosexuellen Ehe-Definition im Zivilgesetz. Allerdings setzte das Referendum die Entscheidung der Höchstrichter nicht aus. Das Parlament stand damit vor dem Dilemma, wie es auf den Volksentscheid reagieren sollte. Insgesamt drei Gesetzesentwürfe wurden vorgelegt – zwei von ihnen sahen keine Eheschließungen, sondern nur Lebenspartnerschaften mit begrenzten Rechten vor. Am Ende siegte aber das fortschrittlichste Gesetz. Dieses erlaubt Homo-Paaren, „exklusive permanente Verbindungen“ einzugehen und später die Ehe amtlich eintragen zu lassen. Das Gesetz wird zum richterlichen Stichtag am 24. Mai in Kraft treten. Schwammig formulierte Ausnahmen Das neue Gesetz enthält alle Rechte und Pflichten von heterosexuellen Paaren mit schwammig formulierten Ausnahmen beim Adoptionsrecht. Diese Restdiskriminierung war von LGBTI-Aktivist*innen scharf kri-
tisiert worden. Allerdings unterstützten sie das Gesetz, da es im Vergleich zum Status quo einen gewaltigen Sprung nach vorne bedeute. LGBTIAktivisten warnten die Regierung aber im Vorfeld der Abstimmung, dass man jegliche weitere Einschränkung ablehnen werde: „Dieses Gesetz ist schon an unserer Schmerzgrenze, wir dulden keine weiteren Kompromisse”, sagte etwa die Aktivistin Jennifer Lu im Vorfeld der Abstimmung. Sie drohte damit, ansonsten erneut vor den Obersten Gerichtshof zu ziehen. Konservative Politiker waren gegen den mehrfach geänderten Gesetzesentwurf der Regierung Sturm gelaufen. Sie erklärten, dass die Ehe für alle dem Willen des Volkes widersprechen würde. Mit Blick auf das Referendum zur Ehe-Öffnung erklärte die homophobe Gruppe „Koalition für das Glück der nächsten Generation”: „Der Wille von sieben Millionen Menschen im
Volksentscheid wurde missachtet. Diese Menschen werden bei den Parlamentswahlen 2020 zurückschlagen.”
Ausland
Die linksgerichtete Präsidentin Tsai Ing-Wen, eine langjährige Unterstützerin der Ehe für alle, begrüßte dagegen die Entscheidung. „Am 17. Mai 2019 hat die Liebe in Taiwan gewonnen. Wir haben einen großen Schritt Richtung Gleichbehandlung gemacht und Taiwan damit zu einem besseren Land gemacht”, schrieb sie auf Twitter. Dazu veröffentlichte sie ein Bild von Regenbogenfahnen schwingenden Demonstrant*innen. Die LGBTI-Organisation „Taiwanische Allianz für Partnerschaftsrechte” begrüßte auf Facebook die Entscheidung der Parlamentarier: „Taiwan wird definitiv das erste Land in Asien sein, das die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt.” Man schlage nun „ein neues Kapitel unserer Geschichte” auf.
Daneben
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´ WARSZAWA. Jaroslaw Kaczynski, seit 2003 Vorsitzender der rechtspopulistischen polnischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), hat bei einer katholischen Konferenz in der Großstadt Wloclawek Ende April LGBTIRechte als Gefahr für das Fortbestehen Polens bezeichnet und erklärt, dass es unpatriotisch sei, die Position der katholischen Kirche zu hinterfragen. Die Konferenz trug den Namen „Polnischsein – Stolz und Verantwortung“ und wurde vom Bistum Wloclawek organisiert. „Die LGBT- und Gender-Bewegung bedroht unsere Identität und unsere Nation. Sie bedroht unseren polnischen ´ Staat“, so Kaczynski. Der 69-Jährige sagte weiter, LGBTI-Rechte und Religionsfreiheit seien unvereinbar. Er kritisierte die Lage in England, da dort „Homosexuellen Kinder gegeben werden“ müssten. Wenn Homo- und Transsexuelle Rechte erhielten, sei das eine „Attacke auf die Familie“ und würde Kindern generell Schaden zufügen. Ohnehin sei das
Konzept von LGBTI-Rechten aus dem Ausland importiert worden, behauptete ´ Kaczynski weiter. Diese Argumentation wird immer wieder von LGBTI-Gegnern in Osteuropa und in Regierungskreisen in Russland verwendet, die Homo- und Transsexualität als westeuropäisches Phänomen bezeichnen. In afrikanischen Ländern stellen homophobe Regierungen die Existenz von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten gerne als Folge des Kolonialismus dar. Bei der ´ Konferenz stellte sich Kaczynski auch bedingungslos hinter die katholische Kirche. Unabhängig vom eigenen Glauben sei es „un patriotisch, die Position der katholischen Kirche in Polen zu hinterfragen“, so der PiSChef. In Polen ist die Amtskirche derzeit scharfer Kritik ausgesetzt, weil sie den Missbrauchsskandal nur schleppend aufarbeitet, obgleich auch dort Priester offenbar jahrzehntelang ungestraft Kinder sexuell missbrauchen konnten.
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Ausland
Splitter Aufgehoben
Text Gernot Wartner
ANKARA. Ein Gericht in Ankara hat Ende April das vor anderthalb Jahren eingeführte Verbot queerer Veranstaltungen aufgehoben. Das hat die LGBTI-Organisation Kaos GL, die gegen den Bann geklagt hatte, auf ihrer Website bekannt gegeben. „Wir können sagen, dass das Gericht unsere Meinung akzeptiert hat, die wir vom ersten Tag des Verbots an ausdrücklich vertreten haben: Statt Grundrechte und -freiheiten zu beschneiden, sollten die Behörden die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen treffen”, um entsprechende Veranstaltungen zu schützen, erklärte Kaos-GL-Anwältin Hayriye Kara. Das Gericht habe
LGBTI-Gruppe Kaos GL kaosgl.org
entschieden, dass der Staat die Grundrechte von LGBTI verteidigen müsse. Anlass für das Verbot war ein deutschtürkisches LGBTI-Filmfestival, in dem unter anderem der deutsche Film „Romeos” gezeigt werden sollte, eine 2011 erschienene Coming-of-Age-Geschichte eines schwulen Frau-zuMann-Transsexuellen, die in Köln spielt. Der vom Staatspräsidenten ernannte Gouverneur verbot das Event im Herbst 2017 knapp 24 Stunden vor dem Start und begründete den Schritt unter anderem mit der angeblichen Terrorgefahr. Wenige Tage später sprach die Regierung ein Komplettverbot von allen kulturellen Veranstaltungen aus, die von „LGBTI-Nichtregierungs-Organisationen” durchgeführt werden. Das Verbot sei notwendig, weil diese Veranstaltungen die öffentliche Ordnung gefährdeten. Als Grund führte das Gouverneursamt auch an, dass Homo-Hasser*innen Besucher*innen angreifen könnten. Menschenrechtler*innen werteten den Sieg vor Gericht als großen Fortschritt für LGBTI-Rechte.
Abgelehnt BERN. Mit einem Volksentscheid sollen die Menschen in der Schweiz über die Rechte von Lesben und Schwulen abstimmen. Derzeit wirbt ein evangelikales Bündnis dafür, mit einer Abstimmung die Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafbestimmung abzulehnen. Die Ergänzung des Antidiskriminierungsgesetzes sieht vor, Aufrufe zu Hass und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung
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unter Strafe zu stellen. Das Bündnis hat über 70.000 Unterschriften gesammelt, weswegen es zur Abstimmung kommen wird. Ihr Referendumskomitee heißt "Nein zu diesem Zensurgesetz". Die Fundamentalist*innen sagen auf ihrer Webseite, sie hätten Bedenken, dass die vom Parlament beschlossene Erweiterung der Rassismus-Strafnorm die Meinungsfreiheit unnötig einschränke. Die Fundis be-
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Zurückrudern BANDAR SERI BEGAWAN. Das Sultanat Brunei will nach internationalen Protesten auf die Vollstreckung der Todesstrafe gegen Homosexuelle verzichten. Dies kündigte Sultan Hassanal Bolkiah Anfang Mai in einer Rede zum Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan an. Das bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten geltende „De-Facto-Moratorium”, keine Todesurteile umzusetzen, gelte auch für Urteile gegen Homosexuelle. Zudem sprach er von „Missverständnissen”. Wie PRIDE berichtete, waren in dem Sultanat auf der südostasiatischen Insel Borneo wie seit einigen Jahren geplant, Anfang April eine weitere Stufe harter Strafgesetze auf Grundlage der Scharia in Kraft getreten. Mit ihnen drohte unter anderem Schwulen die Todesstrafe durch Steinigung, Lesben Haft bis zu zehn Jahre und 40 Peitschenhiebe. Bereits zuvor konnten „Akte gegen die Natur” nach früherem britischen Kolonialrecht mit bis zu zehn Jahren Haft belegt werden – allerdings sind keine Urteile bekannt. International gab es viel Proteste gegen die Neuregelung, darunter von Prominenten wie US-Schau-
spieler George Clooney. 36 Staaten, auch Österreich, hatten nach Inkrafttreten eine Aufforderung zur Abschaffung der Todesstrafe unterzeichnet (siehe rechts). Auch das Europäische Parlament hatte Druck gemacht und mit Visaverboten und dem Einfrieren von Konten gedroht. In einem Schreiben an das EU-Parlament hatte der Sultan die Gesetzesverschärfung zunächst noch verteidigt und "Respekt" für das Land eingefordert, das traditionelle Werte bewahren wolle. Er verwies zudem darauf, dass für die Verhängung der Todesstrafe mehrere Zeugen benötigt würden. Auch die neue Rede enthielt eine Passage, wonach die "Verdienste" des neuen Scharia-Strafrechts insgesamt klarer würden, wenn "Fragen und Missverständnisse" aus dem Weg geräumt würden. Unklar blieb, inwieweit weitere Bestrafungen nach dem neuen Recht weiter angewandt werden sollen, darunter etwa die für Sex unter Frauen oder eine Amputation bei Diebstahl. Die Verhängung der Todesstrafe wäre auch für Vergewaltigung, Ehebruch, Raub oder die Beleidigung des Propheten Mohammed vorgesehen gewesen.
fürchten, dass Pfarrer*innen künftig „kritische Einschätzungen zu Homosexualität oder Bisexualität” verboten werden könnten. „Es gibt eine bedenkliche Entwicklung”, sagt Marc Jost, Generalsekretär der evangelikalen Organisation, gegenüber dem Nachrichtenportal ref.ch. „In England beispielsweise gilt eine Rede als Hassrede, wenn sie durch das Opfer als solche wahrgenommen wird. Also nicht
eine allgemeine Wahrnehmung führt zum Urteil. Hier sehen wir Risiken.” Innerhalb der schweizerischen Kirche werde diese homophobe Position scharf kritisiert. „Jetzt, wo dieses Gesetz da ist, finde ich es in höchstem Maße unchristlich, das Referendum dagegen zu unterstützen”, sagt Michel Müller, Kirchenratspräsident der Reformierten Landeskirche des Kantons Zürich. PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019 |
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Die Erklärung wurde unterzeichnet von Albanien, Argentinien, Austra lien, Belgien, Chile, Costa Rica, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Island, Israel, Italien, Kanada, Kap Verde, Litauen, Luxemburg, Malta, Mexiko, Montenegro, Neuseeland, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowenien, Spanien, Tschechien, Uruguay, den USA und Zypern.
Gesellschaft
Queere Urlaubsziele Kanada, Portugal und Schweden die weltweit die freundlichsten Reiseländer für Regenbogenmenschen Text Ines Müller Fotos RLP, equaldex.com
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uch im Jahr 2019 ist es leider vielerorts so, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität auf Vorurteile stoßen oder sogar verfolgt werden. Bevor es in den Urlaub geht, sollte Mensch sich daher zunächst Informationen einholen, wie die allgemeine Situation im jeweiligen Land ist. Eine wichtige Quelle ist die Website des Außenministeriums bmeia.gv.at/reise-aufent halt/reiseinformation/laender/, dort steht zum Beispiel, ob Homosexualität strafrechtlich geahndet wird. Einen umfassenden Überblick bietet auch die Website equaldex.com, oder es können queere Organisationen vor Ort kontaktiert werden. Ein weiterer Tipp: Ob homosexuelle Paare in einem Land heiraten dürfen, kann ein Hinweis darauf sein, wie groß die Akzeptanz queeren Menschen gegenüber in der Gesellschaft ist. Für alle, die die Rechte nicht-heteronormativer Liebe auch während des Urlaubs
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zelebrieren möchten, kann das Reiseziel nach den Christopher Street Days und anderen Festivals, häufig im Monat Juli, dieser Welt gerichtet werden – wenngleich gilt: Every month is Pride-month. Österreich liegt auf Platz vier Im heurigen Jahr sind Kanada, Portugal und Schweden die weltweit freundlichsten Reiseländer für Regenbogenmenschen. Portugal ist aufgrund der gesetzlichen Verbesserung für Inter- und Trans*personen sowie gegen Hasskriminalität gegenüber queeren Individuen aufgestiegen. Österreich liegt auf Platz vier gemeinsam mit Finnland, Island, Luxemburg, Belgien, Malta, Neuseeland und Norwegen. Indien, Trinidad und Tobago sind ebenfalls aufgestiegen, denn die Länder haben die Kriminalisierung von Homosexuellen aufgehoben. Im Kosovo fand 2017 die erste Regenbogenparade statt und in Serbien gibt es eine lesbische Ministerpräsidentin.
Gesellschaft Die israelische Großstadt Tel Aviv, ist einer der vielfältigsten Orte, wenn es um die queere Bewegung geht. Tel Aviv hat ein einzigartiges Nachtleben, am Meer gibt es einen Gay Beach, und die Kultur kommt auch nicht zu kurz. Des Weiteren sind Wien, Berlin, London, Kopenhagen, Madrid und Barcelona besonders offen und akzeptierend und bieten viele Möglichkeiten für einen Urlaub. In den USA sind Los Angeles, Chicago und New York tolle Städte für queere Reisen. Länder mit Todesstrafe für Homosexuelle
über Homosexuellen eingeführt. Diese Länder sind geprägt von Kriminalität und feindlicher Stimmung gegenüber queeren Menschen, auch Religionen haben einen großen Einfluss auf den Umgang mit „anderen“ Lebensformen. In Brasilien und den USA arbeiten deren rechtskonservative Regierungen daran, bereits errungene LGBTQI*+ Rechte neuerlich einzuschränken. Länder wie Russ land, Tschetschenien oder viele südosta siatische Staaten, wie Malaysia und Indonesien, werden von Mitgliedern der RegenbogenCommunity oftmals gemieden.
Akzeptanz und Sicherheit jedoch leider nicht in allen Ecken dieser Welt gewährleistet. Zu den Ländern, die die Todesstrafe für Homosexuelle im Gesetz verankert haben, zählen Saudi-Arabien, Jemen, Iran und Mauretanien. Im Staat Brunei, einem Sultanat auf der südostasiatischen Insel Borneo, wurde Anfang April die Todesstrafe durch Steinigung gegen-
Jedoch: Das Boykottieren gewisser Länder ist längerfristig nicht unbedingt der nachhaltigste Weg. Schließlich kann Mensch den eigenen Urlaub auch dazu nutzen, um sich mit lokalen LGBTQI*+ Gruppen in den jeweiligen Regionen und Ländern zu solidarisieren und diese zu unterstützen. Fazit ist: Informiert euch, genießt den Urlaub und habt Spaß! Webtipps Außenministerium bmeia.gv.at/ reise-aufenthalt/ reiseinformation/ laender/ Equaldex Global LGBT Rights Movement Data: equaldex.com
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Kultur
Werq B*tch Quer durchs Sonnensystem in Drag Text und Fotos Andy Joe
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pätestens seit dem weltweiten Erfolg von „RuPaul’s Drag Race“ dürfte sich Drag als ein Teil der modernen Popkultur etabliert haben. Drag im 21. Jahrhundert ist laut, schrill, bunt und politisch. Und Drag ist vor allem in. Während die Kings und Queens früher überwiegend in Szene- oder Underground-Lokalen auftraten, rücken sie nun immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Drag DJanes werden international gebucht, Modedesigner und Ma gazine suchen explizit nach Drag Modells und ganze Shows gehen auf Welttournee. Paradebeispiel dieses Trends ist RuPaul selbst, welcher nicht unwesentlich an dieser Entwicklung beteiligt ist. Seit 2008 sucht „Mama Ru“ sowohl im regulären Drag Race, das 2018 zwei Emmy Awards gewinnen konnte, als auch in den All Stars-Staffeln nach „Americas Next Drag Superstar“. Die
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Serien kommen an. Stars wie Lady Gaga und Christina Aguilera sitzen in der Jury, auch die persönlichen Geschichten der Kandidat*innen und die Entwicklung ihrer Drag-Persona werden thematisiert. Mittlerweile ist im Vereinigten Königreich ein Ab leger der erfolgreichen Serie geplant. Sissy that walk! Doch eine Sendung im Fernsehen alleine reicht nicht. Für eine weltweite Show-Tournee unter dem Titel „Werq the World“, die bereits 2017 das erste Mal stattfand, versammelt RuPaul nun auch 2019 die bekanntesten und beliebtesten seiner Queens, die auf ihrer Reise ihre Zelte am 14. April auch in Wien aufschlugen. Dabei wurde aufgrund der großen Nachfrage die Show hier gleich zweimal an einem Tag aufgeführt. Thematisch geht es dabei nicht nur einmal quer über den Globus, vielmehr dür-
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fen die Gäst*innen dieses Spektakels die Queens von RuPaul vom äußeren Rand des Sonnensystems bis in sein Zentrum begleiten. Don’t fuck it up! Im Anschluss tanzten und lipsynchten die Queens ganze zwei Stunden über die im Steampunk-Stil dekorierte Bühne. Mit dabei waren bekannte Namen wie Violet Chachki, Kameron Michaels, Monet X Change und Kim Chi, von denen jede den ihr zugeordneten Planeten und quasi Heimatwelt vorstellte. Asia O’Hara gab unterdessen in Vertretung von Michelle Visage, die erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Tour stieß, den Host. Als Unterstützung durften natürlich auch die Jungs der Piston-Crew nicht fehlen, die gemeinsam mit zwei Tänzerinnen das Ensemble komplettieren.
Lipsynch for your life! Mittendrin war ganz im Sinne der Partizipation auch das Publikum eingeladen mitzumachen, denn schließlich steckt ja in jedem von uns zumindest ein bisschen Drag. Drei Personen wurden von Asia O’Hara auf die Bühne geholt um einmal selbst in die Rolle einer Dragqueen zu schlüpfen. Der Gewinner durfte sich über ein offizielles T-Shirt freuen. Love yourself! Das Ziel der Show wurde bereits zu Beginn klar mittels einer Videobotschaft von RuPaul definiert und fand sich auch in den Abschiedsworten der Drag Queens wieder: Intoleranz und Diskriminierung soll entgegenge treten werden, Gemeinsamkeiten können alle Unterschiede überwinden, und liebe dich so, wie du bist!
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Man darf nicht leben, wie man will Die Tagebücher von Gerhard Fritsch Text Andy Joe Fotos ©lupispuma.com / Volkstheater, PRIDE Archiv
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m Nachhinein betrachtet dürfte Gerhard Fritsch einer der unkonventionellsten Schriftsteller Österreichs in der Nachkriegszeit gewesen sein. Seine beiden zu Lebzeiten veröffentlichten Romane werden heute mitunter als Meisterwerke gehandelt, Fritschs Zeitgenossen waren von ihnen jedoch wenig angetan. Insbesondere der Roman „Fasching“ stellte eine radikale Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs dar, zu radikal für die damalige Zeit. Die Geschichte eines Deserteurs, der sich während der letzten Kriegsmonate als Frau verkleidet versteckt und eine ganze Stadt vor der Zerstörung rettet, nach dem Krieg jedoch Schimpf und Schande anheim fällt, hat zeitgenössischen Kritikern Kopfzerbrechen verursacht. Autosexueller Unfall Dass mit diesem Roman mehr als nur eine Parallele zu Fritsch, welcher selbst den Kriegsdienst absolviert hat, geschlagen wird, offenbarte sich spätestens durch den spektakulären Tod des Autors. 1969 wurde er erhängt in Frauenkleidern aufgefunden. Lange Zeit hielt sich die Theorie eines Selbstmords, wahrscheinlich war es jedoch ein autosexueller Unfall. Die nun erstmals im Gesamtzusammenhang veröffentlichten Tagebücher Fritschs enthüllen viele Hintergründe seines Lebens. Gerade in Hin-
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blick auf „Fasching“ erstaunt zunächst das bürgerliche Leben, welches Gerhard Fritsch in seiner Selbstreflektion schildert. Doch der Schriftsteller haderte auch Zeit seines Lebens mit seinem Hang dazu, selbst Frauenkleider zu tragen. Dieses Bedürfnis zieht sich wie ein roter Faden durch seine Tagebücher, es ist ein Verlangen, mit dem er selbst große Probleme hatte. Fritsch, der selbst heterosexuell, dreimal verheiratet und Vater von vier Kindern war, empfand seine Neigung im Spiegel seiner Umwelt als anstößig und provozierend. Gleichzeitig stellt er sich die Frage, wie es wohl wäre, diesem Bedürfnis gänzlich nachzugehen. „Man darf nicht so leben, wie man will,“ notiert Fritsch an einer Stelle. Als Cross Dresser im Wien der 50er Jahre aufzutreten, ohne gesellschaftliche Ächtung zu erfahren, ist für ihn undenkbar, und es ist schließlich die gesellschaftliche Meinung, auf die Fritsch als Literat angewiesen ist. Private Auftritte Die Auslebung seiner Neigung beschränkt Fritsch daher auf seine eigenen vier Wände. Er schreibt seine Texte in Frauenkleidern, wenn er abends alleine zu Hause ist. Lediglich seine zweite Frau, Annemarie, ist eingeweiht, ein gemeinsames Erlebnis im Fasching hat dazu geführt. Sie ist sogar dabei, als sich Fritsch ein neues Kleid kauft, ihre Anwesenheit wohl auch
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Teil des Plans des Autors. Alle Besorgungen und privaten „Auftritte“ sind mit Hinblick darauf, dass nichts nach außen dringt, gut durchdacht. H-Storys oder TV-Geschichten Doch nicht nur in seinem Roman „Fasching“ hält Fritschs Verlangen Einzug in sein literarisches Schaffen. Unter den Schlagwörtern Helmut-Geschichten, H-Storys oder TV-Geschichten (TV für Transvestit) kommt er in seinen Tagebüchern immer wieder auf zahlreiche Texte zu sprechen, in denen er sich ausgiebig diesem Thema widmet. Oftmals passiert dies auf Kosten anderer Werke, wie dem Nachfolgeroman seines Erstlings „Moos auf den Steinen“. An diesem schafft Fritsch vier Seiten, während im selben Zeitraum bis zu 400 Seiten TV-Geschichten schreibt. Bericht eines Zeitzeugen Abgesehen von „Fasching”, dessen Vorstufe bereits 1962 existierte, je-
doch bis 1967 keinen Abnehmer fand, sollten jedoch keine fertigen Texte veröffentlicht werden. Die in den Tagebüchern beschriebenen Notizen scheinen nicht im öffentlichen Nachlass von Fritsch auf. Lediglich ein grob geplanter Handlungsbogen einer der Helmut-Geschichten ist bekannt. Fritsch und seine Tagebücher alleine aufgrund seines Transvestismus zu beurteilen, wäre dennoch falsch, stellt dies doch nur einen Aspekt seiner gesamten Persönlichkeit dar. Vielmehr bieten sie einen Einblick in die Gedankenwelt eines Autors, der sich zu einer Zeit mit einem Verlangen konfrontiert sah, als dies gesellschaftlich nicht akzeptiert wurde. In vieler lei Hinsicht war Fritsch selbst ein demgegenüber ablehnend gestimmter Vertreter seiner Zeit, seine oft nüchtern anmutende Berichterstattung zeichnet einen Spiegel der Zeit, ihrer Gesellschaft und Politik. Fazit: als Bericht eines Zeitzeugen sehr empfehlenswert zu lesen! PRIDE | Nr. 170 | Juni 2019 |
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„Fasching“ In einer Inszenierung von Anna Badora am Wiener Volks theater (2015) mit Nils RoviraMuñoz, Adele Neuhauser, Stefan Suske
Oberösterreich HOSI Treff Der informative Vereinsabend für Mitglieder und Freund*innen der HOSI Linz im forty nine Termine: Fr., 12.07.; Fr., 26.07; Fr., 09.08.; Fr., 23.08.2019
Termine Juni
Juli
Sa., 15.06.2019 /12:00 hosi linz & younited go europride Fußgruppe / Startnummer 15 beim EUROPRIDE; Treffpunkt: Rathauspark ab 10:00 / europride2019.at
Mi., 03.07.2019/16:00 Turteln am Taubenmarkt VA: AIDSHILFE Oberösterreich
Do., 20.06.19 /19:30 HEDWIG and the Angry Inch Musiktheater Linz landestheater-linz.at Fr., 21.06.2019/18:00 YOUnited – im Grün spün und chün Treffpunkt: Donaulände vorm Brucknerhaus Linz Fr. 28.06.19/19:00 Dyke March Treffpunkt: forty nine Demo bis Maindeck AEC Fr., 21.06.2019/21:00 Pre-pride Party zum linzpride2019 Mit DJ Ruzz & Mr. Flock forty nine
8. Christopher Street Day in Linz
Ein queerer* Feiertag für alle
Sa., 29.06.2019 linzpride2019 – love loud 8. Christopher Street Day in Linz 14:00 LINZ PARADE Volksgarten > Maindeck 17:00 PRIDE OPENAIR Maindeck AEC 22:00 PRIDE NIGHT Club Spielplatz Eintritt: 12 € / VVK: 9 € (HOSI-Mitglieder: 9 € / VVK: 6 €) ab 18 Jahren Vorverkauf: Queer Bar forty nine, jeden Fr. u. Sa. ab 21:00 & Blue Heaven, Starhembergstraße 11, Mo. bis Sa. ab 21:00 (Mehr Infos: Seite 22/23)
Mi., 03.07.2019/18:30 Wochenteiler*in Lust auf einen Drink? Treffen von Grüne Andersrum OÖ Ort: Schloßcafé Fr., 05.07.2019/18:00 1. Lehrer*innentreffen in Linz Veranstaltet von „Ausgesprochen – LGBTI Lehrerinnen und Lehrer“ Ort: forty nine; facebook. com/ausgesprochen.cc/ Fr., 12.07.2019/21:00 Pub-Quiz Ort: forty nine Sa., 27.07.2019/21:00 Beach Party Sommerparty Ort: forty nine
Homosexuelle Initiative Linz
Spendenkonto Volkskreditbank AG (VKB) IBAN: AT76 1860 0000 1071 1174 BIC: VKBLAT2L lautend auf HOSI Linz
HOSI Linz – Die Lesben- & Schwulenbewegung in OÖ Schillerstr. 49, 4020 Linz W hosilinz.at T 0732/60 98 98 E ooe@hosilinz.at facebook.com/hosilinz
Beratung Telefonisch & per Mail: Mo., Do. 20:00 – 22:00 T 0732/60 98 98-4 E beratung@hosilinz.at W hosilinz.at/beratung (Persönlich: nach Vereinbarung)
Bar forty nine Schillerstr. 49, 4020 Linz Jeden Fr. und Sa. ab 21:00 W hosilinz.at/forty-nine E fortynine@hosilinz.at
Lesbentreff „Lesbresso – what shall‘s“ Ab 19:00 am 1. Fr. Eine Kooperation von aFZ Linz & HOSI Linz W hosilinz.at/frauen
HOSI-Treff Der gemütliche Treff ab 19:00, jeden 2. Fr. in der HOSI Linz
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Dürnauer Straße 108, 4840 Vöcklabruck W duernauerhof.asak.at W hosilinz.at/voecklabruck YOUnited Treffen jeden 1. und 3. Fr. im Monat für bis 25-Jährige W hosilinz.at/younited Queer Refugees welcome Informationen und Hilfe W hosilinz.at/category/ refugees
Regenbogenstammtisch find us on facebook: Jeden Do. ab 19:00 /hosilinz Wirtshaus „Dürnauerhof“,
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Termine
Steiermark
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Die neue queere Jugendgruppe!
Fr., 21.06.2019/15:00 QUEER Friday – LGBTI Youth Styria feel free Ausnahmsweise schon am Nachmittag! Fr., 21.06.2019/18:30 CSD Gottesdienst Evangelische Heilandskirche Kaiser-Josef-Platz 9, Graz Alle sind herzlich eingeladen!
Mi., 10.07.2019/18:00 RLP Teammeeting feel free Alle sind willkommen!
Sa., 22.06.2019/14:00 CSD Parkfest Volksgarten Graz bis 22:00 Uhr Kommt und feiert mit uns! Sa., 22.06.2019/22:00 Treibhaus ppc Die neue Party in Graz! Mi., 26.04.2019/19:00 RLP Teammeeting feel free Wir freuen uns auf dich!
Sa., 22.06.2019/13:00 CSD Parade Ab 12 Uhr Treffpunkt bei der Oper Graz Parade führt direkt zum Parkfest!
Events 2019
Juli Fr., 05.07.2019/18:00 QUEER Friday – LGBTI Youth Styria feel free
So., 14.07.2019/17:00 Transgender Selbsthilfegruppe feel free Teil mit uns deine Erfahrungen Do., 18.07.2019/19:00 Fem* Stammtisch La Meskla, Kaiserfeld gasse 19 Für alle Frauen* offen 19.7.2019/18:00 QUEER Friday – LGBTI Youth Styria feel free Kommt und habt Spaß! Mi., 24.07.2019/18:00 RLP Teammeeting feel free Gerne lernen wir dich kennen!
CSD Graz am 22.06.2019
FAGtory am 31.10.2019 Events 2020 FAGtory 18.01.2020
Tuntenball am 15.02.2020
RosaLila PantherInnen RosaLila PantherInnen „feel free“ Annenstr. 26, 8020 Graz Kontakt T 0316/366601 E info@homo.at W www.homo.at Öffnungszeiten Montag 09:00 - 15:00 Mittwoch 13:00 - 18:00 Donnerstag 13:00 - 18:00 Beratung (nach Vereinbarung) T 0316/366601 E beratung@homo.at
RLP-Teammeeting Jeden 2. und 4. Mittwoch im Monat um 18:00 im feel free – schau vorbei und sprich mit! Es geht um die Ver tretung deiner Rechte und Interessen in der Steiermark!
Homosexualität & Glaube (HuG) Jeden 2. Montag im Monat um 19:30 im EHG-Raum, Martin-Luther-Haus 1. OG, Kaiser-Josef-Plz. 9 u. jeden 4. Montag im feel free
ausufern Jugendgruppe Immer freitags alle zwei Wochen ab 19:00 im feel free. Alle Infos auf Facebook.
TransgenderSelbsthilfegruppe Jeden 2. Sonntag im Monat um 17:00 im feel free
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Queer in Motion Unser Programm ist Sport. Spontan im Stadtpark laufen oder schwimmen in der Auster. Infos unter: facebook/QueerInMotion
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Webtipp Alle Veranstal tungen findest du auch auf homo.at/ kalender Auf dem Handy abonnierbar!
Gesundheit
About Gay Text und Fotos Stop AIDS
„ABOUT GAY“ Die Broschüre ist kostenlos auf stopAIDS.at verfügbar.
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enn man homosexuelle Männer fragt, wie bei ihnen Aufklärung stattgefunden hat, dann hört man meist die Antwort „gar nicht“ oder „mit Pornos“. Genauso ist es derzeit bei Jugendlichen. Die ersten Erfahrungen machen sie auf YouPorn, X-Hamster etc. und in Chatrooms, in denen Sexting ganz alltäglich ist. Denn anders als für heterosexuelle Jugendliche gibt es kaum altersgerechte Informationen zum ersten Mal. Jemanden fragen, wie das zwei Männer oder zwei Frauen so machen ist für Heranwachsende meist eine nicht überwindbare Hemmschwelle. Dabei werden Ratgeber dringend benötigt, denn nicht nur heterosexuelle Jugendliche haben Fragen. Deshalb hat nun Christof Geramb zusammen mit dem Verein Stop AIDS die Jugendbroschüre ABOUT GAY verfasst. Aus eigener Erfahrung in Kombination mit zahlreichen Beratungsgesprächen der letzten Jahre wurde der Inhalt speziell für Jungs, die Jungs mögen festlegt.
Von Fragen zur eigenen Sexualität geht es vor allem darum wie man Jungs kennenlernt und vor allem worauf dabei geachtet werden soll. Es gilt Faker in Chatrooms zu erkennen, keine Daten oder Bilder zu verschicken, die einem in eine missliche Lage bringen könnten und Tipps, die bei einem Date beachtet werden sollten. Natürlich werden auch Risiken und Safer Sex angesprochen. Für jemanden, der nicht mit MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) vertraut ist, könnte diese Broschüre durchaus negativ wirken. Vor allem die Infos über Analspülungen. Doch gerade hier besteht am meisten Aufklärungsbedarf, da einerseits dieses Thema bei Beratungen immer wieder von den Jugendlichen kommt und es einiges gibt, was falsch gemacht werden kann. Die Broschüre soll (jungen) Männern als Wegbegleiter dienen und keinesfalls als strikte Anleitung zu verstehen sein. Unabhängig von diesen Informationen machen viele Jungs bereits jetzt schon diese Erfahrungen, nur werden sie in Ihrer Entwicklung allein gelassen. „ABOUT GAY“ soll ihnen eine Unterstützung sein.
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Kontakte
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Ausgabe zu veröffentlichen. Pro Person und Ausgabe wird nur eine Kontaktanz eige geschaltet. So antwortest Du auf Chiffre-Kleinanzeigen: 1. Antwortbrief in ein Kuvert stecken, zukleben und entsprechend frankieren. (Unterschiedliche Gebühren bei In- und Ausland!). Die Chiffre-Nummer mit Bleistift auf das Kuvert schreiben. 2. Das Kuvert steckst du nun in ein 2. Kuvert, klebst es ebenfalls zu, frankierst es und adressierst es an die Redaktion: PRIDE, Gerstnerstraße 13, 4040 Linz Und nicht vergessen: Chiffre-Nummer unbedingt draufschreiben und Brief ausreichend frankieren! Nicht ausreichend frankierte Antwortbriefe können nicht weitergeleitet werden! Bei Zusendungen im Ausland höhere Portogebühren beachten!
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