Ausgabe 1/2019
pfeffer
dasgewürzmagazin
Bärlauch in Deutschland
Aus dem Zauberwald
Küchen-Psychologie vom Profi
Chilischoten mit scharfer Sauce
Ist unsere Ernährung unser neues Statussymbol? Ernährungspsychologe Dr. Thomas Ellrott im Interview
Was will Jack Daniel’s von der Bloody Mary? Die legendäre Markengeschichte des Tabascos
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser! Herausgeber des Gewürzmagazins pfeffer ist der Fachverband der Gewürzindustrie e.V. in Bonn. Der Verband vertritt rund 80 Unternehmen, die Gewürze verarbeiten und veredeln. Die deutsche Gewürzindustrie bedient private Haushalte ebenso wie Gastronomie und Handel. Gleichzeitig ist sie leistungsstarker Partner der Lebensmittelhersteller im handwerklichen und industriellen Bereich.
aren Sie dieser Tage einmal im Wald? Vielleicht haben Sie ihn dann ja getroffen, den wunderschönen Bärlauch. Mit seinen satt-grünen Blättern und weißen Sternblüten verzaubert er den Waldboden, macht ihn zum frühlingsfrischen Teppich. Da der Bärlauch nicht nur Augenschmaus, sondern auch Gaumenfreuden verspricht, räumen auch wir ihm seinen Platz ein: Ab Seite 4 darf sich das Wildkraut auch in pfeffer ausbreiten. Blüten ganz anderer Art treiben die Seiten 10 und 11. Es geht um Blütenblätter. Schön sind sie ja, auch auf dem Teller, aber darf man Kornblume, Rose und Co. eigentlich essen – und servieren? Die Antwort finden Sie in diesem Heft.
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Für Antworten anderer Art sorgt Dr. Thomas Ellrott. Der Mediziner lehrt an der Universität Göttingen Ernährungspsychologie. Das brachte ihn zu der Erkenntnis: „Konsum – und damit auch das Essen – bestimmt unsere Identität“. Und das mit steigender Tendenz. Mehr ab Seite 8. Wer es mit der „Küchen-Psychologie“ weit weniger genau nahm, war Edmund McIlhenny. Der USAmerikaner erfand seinerzeit die legendäre „Tabasco Pepper Sauce“. Dazu nahm er, was er kriegen konnte: eine Chili, die ihm ein Fremder mitbrachte. Eichenfässer, in denen einst Bourbon-Whiskey lagerte. Ehemalige Parfumflakons für die Abfüllung. All das entpuppte sich als Erfolgsrezept, wie wir heute wissen. Die ganze Geschichte lesen Sie ab Seite 12. Bei all dem – und einigen Themen mehr – bleibt mir nur noch, Ihnen viel Lesefreude zu wünschen. Ach ja, und sollten Sie diesen Sommer zufällig den Grill anwerfen, dann haben wir auch hierfür etwas: Einfach die Seiten 6 und 7 aufschlagen. Besten Gruß
Dr. Markus Weck Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes der Gewürzindustrie e.V.
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pfeffer – das gewürzmagazin
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© Fachverband der Gewürzindustrie e. V., Bonn Ausgabe 1/2019, erschienen im Mai 2019 Herausgeber: Fachverband der Gewürzindustrie e. V. Reuterstraße 151, D-53113 Bonn Telefon: (02 28) 21 61 62 Fax: (02 28) 22 94 60 E-Mail: pfeffer@gewuerzindustrie.de www.gewuerzindustrie.de
Redaktion/Gestaltung: Kerstin Rubel, Susanne Del Din Druck: Druckerei Kliewer (Limberg-Druck GmbH) Bildnachweis: geschenke.de, Knesebeck Verlag, mediaVAward (Verbändereport), Shutterstock (Sebastiana, Jacob Lund, wsf-s, science photo, Chedemole, Marcel Heinzmann, HandmadePictures, Ms Mienien, Anna Shepulova, jessicahyde, Norma Meoni, Rostovtsevayu, vaivirga, littlenySTOCK, Olhastock, Irina Fischer, Quang Ho, xpixel, pimlena, Prachaya Roekdeethaweesab, Oleksandra Naumenko)
Inhalt
Wilder Bärlauch in Deutschland
Aus dem Zauberwald Titelthema
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Wurst & Co. Fernweh in der Nase Auf dem Grill: traditionelle Gewürzmischungen
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Im Gespräch Du bist, was du isst Küchen-Psychologie mit Dr. Thomas Ellrott, Mediziner und Ernährungspsychologe
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Lebensart & Geschmack Kornblumenköstlich Essbare Blüten und Blütenblätter
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Aus der Geschichte Wenn Bloody Mary und Jack Daniel’s … Die legendäre Tabasco-Pfeffer-Sauce
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Expertise Naturprodukte in Bedrängnis Weltweite Flächenkonkurrenz betrifft Gewürze und Kräuter
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Klassisch & traditionell Hummus im Handumdrehen Orientalischer Kichererbsen-Dip
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Kurz & knapp Aus der Welt der Gewürze
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Länderbericht
Wilder Bärlauch in Deutschland
Aus dem Zauberwald Über lange Zeit lag er im Dornröschenschlaf. Als er vor wenigen Jahrzehnten daraus erwachte, überraschte – kurz – sein starkes, knoblauchartiges Aroma. Dann aber war der Bärlauch in aller Munde. Heute gehören seine delikaten Blätter zu den Frühlingsboten schlechthin. Wie schön, dass sich das Wildkraut in Deutschland daheim fühlt.
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Man muss kein Romantiker sein, kein Poet, um sich von einem blühenden Bärlauchwald verzaubern zu lassen. Wer mitten in ihm steht, über dem Kopf das lichte Blätterdach der Bäume, unter den Füßen ein dichter Teppich aus satt-grünen Blättern und weißen Sternblüten, der wird stumm vor lauter Staunen. So weit das Auge reicht, überzieht nichts als Bärlauch den frühlingsfrischen Waldboden. Welche Pracht.
daheim. Mit diesem Habitus ist es eindeutig ein Europäer. Sind die Baumkronen noch kahl, im März und April, treibt das lichtbedürftige Pflänzchen aus. Seine Blüten und Früchte entwickelt es im Mai und Juni, dann, wenn das Blätterdach Schutz verspricht. Kurz darauf verschwindet der Bärlauch, als wäre gar nichts gewesen, im Waldboden, um dort seinen Sommer-, Herbst- und auch Winterschlaf zu halten.
Im hellen, feuchten Wald, unter Buchen und anderen Laubbäumen, fühlt sich das hübsche Wildkraut
Die krautige Pflanze erreicht im Wuchs 20 bis 30 Zentimeter, im Erdreich fußt sie auf einer länglichen
Länderbericht
Zwiebel. Über sie, aber auch über Samen vermehrt sich der Bärlauch zahlreich, das macht ihn zu einer starken Konkurrenz für andere Waldbewohner. Das „Allium ursinum“ gehört zur Familie der Zwiebelund Lauchgewächse, für sie steht das „Allium“. Aber auch der „Ursus“, der Bär, klingt bereits in seinem lateinischen Namen an. Warum? Das ist und bleibt ein Rätsel. Sicher scheint nur, dass die alte Legende, Bären würden sich nach ihrem Winterschlaf an den aromatischen Blättern laben, ins Reich der Märchen gehört. Wobei: Auf dem Speisezettel des Tierreichs steht die Wildpflanze sehr wohl. Kühe etwa haben ihn zum Fressen gern. Sehr zum Leidwesen ihrer Besitzer, denn die Milch, die diese Kühe nach einer anständigen Bärlauch-Mahlzeit geben, besitzt eine unnachahmliche Knoblauchnote. Sie ist schlichtweg ungenießbar. Das Wildkraut ist – ganz besonders vor der Blüte – reich an Aroma, aber auch an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Naturkundler schwören beispielsweise auf seine antibakterielle Wirkungsweise und die Heilkraft seiner schwefelhaltigen ätherischen Öle. „Herba salutaris“, Gesundheitskraut, nannten ihn die Römer. Für die Küche eignen sich die jungen, waldfrisch geernteten Blätter. Sie harmonieren mit allem, was auch dem großen Bruder, dem Knoblauch, gefällt. Klein geschnitten brillieren sie geradezu in Frischkäse, in Kräuterquark und -butter, Gemüse-Dips,
Salat-Dressings, Pestos und PastaSaucen. Bärlauch ist ein starkes Gewürz und braucht Platz für seinen Auftritt. Wem sein Aroma zu intensiv wird, kann die Blätter kurz in heißem Wasser balancieren, das mildert. Bei so viel Gaumenfreude, gepaart mit Augenschmaus, kann auch die Touristikbranche dem Bärlauch kaum widerstehen: Kochkurse, Seminare mit Verkostungen, gemeinsame Erntetage und geführte Wanderungen stehen in den BärlauchHochburgen alljährlich auf dem Programm. Während die delikaten Blätter in der Mitte und im Süden Deutschlands munter gedeihen, sind sie im Norden aber nur selten anzutreffen. In Brandenburg oder Hamburg steht die Wildpflanze gar auf der Roten Liste. Zum guten Schluss jeder Bärlauch-Geschichte muss es nun noch einen Sicherheitshinweis geben. Denn wer Bärlauch sagt, muss Maiglöckchen denken: In jedem Jahr verwechseln Kräutersammler die beiden Pflanzen. Die Blätter der Maiglöckchen aber sind hochgiftig, ebenso wie die der Herbstzeitlosen, die auch zur Verwechselung bereitsteht. Doch keine Angst, der Sicherheitscheck ist ganz einfach: Wer ein echtes Bärlauchblatt zwischen den Fingern zerreibt, riecht eindeutig und sofort: Knoblauch. Taucht dieser Duft nicht auf, dann ist es ratsam, an anderer Stelle weiterzusuchen. i
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Wurst & Co.
Auf dem Grill: Gewürzmischungen aus aller Welt
Fernweh in der Nase In diesem Sommer darf es orientalisch werden, afrikanisch und arabisch noch dazu. pfeffer hat drei BBQ-Gewürzmischungen ausgesucht, die es in sich haben. Einfach in Fisch, Fleisch oder Geflügel einmassieren und ab aufs Feuer.
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Wurst & Co.
Baharat
rdanien, ypten, Libanon, Jo Gewürz-Rub in Äg ei rk Tü r de d tina un Syrien, Israel, Paläs
Chermoula Gewürz-Marinade in Marokko, Algerien und Tunesien
Zutaten: ferkörner 1 TL schwarze Pfef en 1 TL Koriandersam amen els m üm zk eu 1 TL Kr 1 TL Gewürznelken eln en Kardamomkaps Samen von 3 grün nze 1 TL getrocknete Mi Zimt ½ TL gemahlener ne Muskatnuss 1 TL frisch geriebe wie die rner und Samen so Zubereitung: Alle Kö le zu feiüh m rz in einer Gewü e nz Mi te ne ck tro ge nuss unter. Zimt und Muskat len ah m r lve Pu m ne tdichten Monate in einem luf mischen. Bis zu 2 ren. Behälter aufbewah
Berbere Gewürz-Rub in Äthiopien und Eritrea
Zutaten: 5 getrocknete rote Chilischoten ½ TL Bockshornkleesamen ¼ TL Pimentkörner ¼ TL Ajowan ½ TL Stangenpfeffer (oder schwarze Pfefferkörner) Samen von 3 grünen Kardamomkapseln 1 TL Koriandersamen 3 Gewürznelken ½ TL gemahlener Ingwer ½ TL frisch geriebene Muskatnuss ¼ TL gemahlener Zimt Zubereitung: Eine Bratpfanne mit dickem Boden bei mittlerer Hitze auf die Herdplatte stellen. Die Chilischoten und die Samen, Körner und Früchte einschließlich der Gewürznelken 2–4 Minuten unter gelegentlichem Rühren anrösten, bis sie duften und leicht dunkel werden. Abkühlen lassen, dann in einer Gewürzmühle zermahlen. Die bereits gemahlenen und geriebenen Zutaten unterrühren. Bis zu 2 Monate in einem luftdichten Behälter aufbewahren.
Zutaten: 2 TL Kreuzkümmelsamen 1 großes Bund frischer Koriander 3 Knoblauchzehen, fein gehackt 1 EL süßes Paprikapulver ¼ TL Safranfäden Saft von ½ Zitrone Olivenöl Salz Zubereitung: Eine kleine Bratpfanne mit dickem Boden bei mittlerer Hitze auf die Herdplatte stellen. Die Kreuzkümmelsamen einige Minuten unter ständigem Rühren rösten, bis sich ihr Aroma entfaltet. In eine Küchenmaschine geben und die Korianderblätter und -stängel samt Knoblauch, Paprika, Safran und Zitronensaft hinzufügen. Das Ganze zu einer Paste schlagen, dann bei laufender Küchenmaschine ausreichend Öl hinzugießen, damit ein dickes Püree entsteht. Mit Salz abschmecken. Abdecken und im Kühlschrank bis zu 4 Tage aufbewahren.
Die Rezepte als auch die Illustration stammen aus dem reich bebilderten Buch „Basar der Düfte“ von Caz Hildebrand (Knesebeck Verlag). Ein geschichtsträchtiges Nachschlagewerk aus der Welt der Gewürze.
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Im Gespräch
Küchen-Psychologie mit Dr. Thomas Ellrott, Mediziner und Ernährungspsychologe
Du bist, was du isst Menschen bilden aus Lebensmitteln nicht nur Knochen und Gehirnmasse, sondern auch ihre Persönlichkeit. Das erfährt, wer sich mit dem Ernährungspsychologen Dr. Thomas Ellrott an einen Tisch setzt. Die gute alte Küchen-Psychologie erscheint in einem ganz neuen Licht: Essen wird zum Bekenntnis. Ein Zukunftsgespräch.
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Im Gespräch
Welche Bedeutung hat Essen für unsere soziale Rolle, für unsere Persönlichkeit? „Essen bedeutet heute mehr als die Aufnahme von Treibstoff für den Körper und das freundschaftliche Miteinander bei Tisch. Essen ist eine Form des Konsums. In Überflussgesellschaften wird Konsum zum Bekenntnis, viele Menschen definieren darüber, wer sie sind oder sein wollen. Konsum – und damit auch das Essen – bestimmt zunehmend unsere Identität. Der Historiker Frank Trentmann hat unlängst in einem ‚Spiegel‘-Interview festgestellt, dass Menschen ihre Persönlichkeit heute viel häufiger und bewusster ändern als früher. Perfekt dazu eignet sich die eigene Ernährung als gut sichtbare Facette des Konsums. Ein Ernährungsstil lässt sich nämlich hervorragend in den Social Media inszenieren.“ Um es einmal konkret zu machen: Wie möchte sich beispielsweise eine Person inszenieren, die sich zu einer glutenfreien Ernährungsweise entscheidet, medizinisch betrachtet aber gar keine entsprechende Erkrankung besitzt? Dieser Mensch verzichtet freiwillig auf Getreideprodukte, auf Brot, Nudeln, Gebäck und vieles mehr, er braucht ständig Spezialkost, das Leben wird kompliziert. Wo liegt der persönliche Benefit? „Wer glutenfrei kauft und isst, obwohl er Gluten verträgt, zahlt einen deutlich höheren Preis für sein Essen und muss noch dazu auf Geschmack verzichten. Diese Nachteile müssen durch einen erheblichen Nutzen auf einer anderen Ebene wettgemacht werden. Das kann zum einen der Glaube an mehr Gesundheit sein. Glutenfreie Produkte suggerieren, irgendwie gesünder zu sein als das Normalprodukt, obwohl das medizinisch nicht haltbar ist. Zum anderen hebt die glutenfreie Ernährungsweise von der anonymen Masse all jener ab, die ‚nur‘ normal essen. Auf diese Weise wird im sozialen Zusammenleben auch Aufmerksamkeit, Rücksichtnahme und Zuwendung generiert. Darüber hinaus kann dieser Lebensstil die eigene soziale Einbettung fördern, etwa in einer digitalen ‚Glutenfrei-Community‘. Der soziale Zusatznutzen einzelner Ernährungsstile kann ganz erheblich sein.“ Wie wird aus der Entscheidung Einzelner, sich auf eine bestimmte Weise zu ernähren, ein umfassender Ernährungstrend? „Indem Einzelne möglichst viele mitreißen. Heute gibt es dank Social Media völlig andere Kanäle, um gleichgesinnte ‚Freunde‘ zu finden. So können Konzepte, die vor Ort keine Chance hätten, sich dennoch viral ver-
breiten. Um die Dimension zu illustrieren: In Ihrem Ort können Sie beispielsweise 10.000 Menschen erreichen. Wenn sich jeder Tausendste von Ihrer Idee überzeugen lässt und mitmacht, ergibt sich nur eine kleine Gruppe von insgesamt 11 Personen. Wenn Sie Ihre Idee aber in den sozialen Netzwerken präsentieren, dann erreichen Sie Millionen oder gar Milliarden von möglichen Freunden oder Followern.“ Darin drückt sich doch eine großartige Freiheit und Pluralität aus: Jeder darf leben, was er für gut und richtig erachtet. Statt sozialer Ausgrenzung erfährt er mentale Unterstützung und findet Gleichgesinnte. Warum aber fällt es den einzelnen Gruppen oftmals schwer, einander mit Respekt zu begegnen und den anderen einfach ihren Lebensstil zu lassen? Ernährung ist doch etwas sehr Persönliches, geradezu Intimes. „Absolut! Allerdings ist das, was wir essen, mit unserer Gesundheit verwoben und auch mit den Ressourcen, die man für die Herstellung der Lebensmittel benötigt. Durch das Krankenversicherungssystem trägt die Allgemeinheit Mehrkosten für Krankheiten, die durch den Lebensstil bedingt sind. Ebenso ist die Allgemeinheit von den Folgen eines Lebensstils mitbetroffen, der durch hohen Ressourcenverbrauch gekennzeichnet ist. So gesehen ist Essen nicht nur Privatsache. Das macht das Thema durchaus delikat. Zumal Mehrkosten für Krankheiten und ein besonders hoher Ressourcenverbrauch derzeit nicht adäquat in den Kaufpreis eingepreist sind.“ Letzte Frage: Schreitet die Individualisierung unserer Essgewohnheiten weiter voran oder ist auch sie nur ein Trend unter vielen? „Essen wird zukünftig noch individueller. Denn Menschen unterscheiden sich stark in der genetischen Ausstattung, im Stoffwechsel, Alter, Geschlecht, Kalorienbedarf, in der Zusammensetzung der Darmflora, um nur einige wichtige Modulatoren zu nennen. All diese Faktoren können durch immer bessere diagnostische und technische Möglichkeiten zukünftig genutzt werden, um die persönliche Ernährung hochgradig individuell zu gestalten. Der Megatrend zur Individualisierung wird uns allein aus diesem Grund sicher erhalten bleiben.“ i Dr. Thomas Ellrott leitet das Institut für Ernährungspsychologie an der Georg-August-Universität Göttingen. Der Privatdozent und Mediziner steht zudem der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Niedersachsen vor.
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Lebensart & Geschmack
Essbare Blüten und Blütenblätter
Kornblumenköstlich
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Lebensart & Geschmack
Schwungvoll landet ein farbenprächtiger Salatteller auf dem Restauranttisch. Darauf verteilen sich frische Veilchen und Gänseblümchen. Wunderschön. Aber darf man Blüten eigentlich essen – und auftischen?
„Früher waren Blüten – und da gehören jene der Kräuter mit dazu – lediglich schöne Zierde auf meinen Gerichten. Mittlerweile habe ich auch ihre Aromakraft entdeckt, denn in ihnen steckt die pure Essenz des Kräuteraromas“, das sagt keine Geringere als die Sterne-Köchin Tanja Grandits. In ihrem Schweizer Restaurant Stucki würzt sie liebend gern mit Blüten – und dies mit Ideenreichtum: „Die Blüten des African-Blue-Basilikums zaubern einen feinen Sirup, Zitronenverveineblüten veredeln eine Marinade zu Fisch oder Geflügel, und Veilchen geben einem Essig einen besonderen Touch.“ Tatsächlich haben sich die Blüten und Blütenblätter aus der Dekorationsabteilung in das Gewürzregal vorgearbeitet. Das gilt nicht nur für Grandits’ Küche. Wobei sich die ganz sachliche Frage stellt. Dürfen die Blüten das – im Sinne des Lebensmittelrechts? Die Antwort ist ein eindeutiges: Ja. Blüten werden traditionell als Zutaten in Tees verwendet. Die Stoffliste des Bundes und der Bundesländer, Kategorie „Pflanzen und Pflanzenteile“, führt die Kornblumen, Sonnenblumen, Rosen oder Ringelblumen als Lebensmittel auf und stellt fest, dass es sich bei ihnen nicht um Novel Food handelt. Auch die Wirtschaftsvereinigung Kräuter- und Früchtetee betrachtet die genannten Blütenarten als Lebensmittel (Inventarliste „Lebensmitteldrogen“).
Darüber hinaus gelten auch Begonien, Borretsch, Chrysanthemen, Dahlien, Gänseblümchen, Lavendel, Lindenblüten, Löwenzahn, Schlüsselblumen und Stiefmütterchen als essbare Blüten. „Gewürzhersteller schätzen Blütenmischungen wegen ihrer duftenden und aromatischen Eigenschaften“, berichtet Dr. Markus Weck, Geschäftsführer des Fachverbands der Gewürzindustrie. Er verweist auf die Leitsätze des „Deutschen Lebensmittelbuchs für Gewürze und andere würzende Zutaten“, die auch essbare Blüten umfassen. Dort heißt es: „Gewürze und Kräuter sind Pflanzenteile, die wegen ihres Gehaltes an natürlichen Inhaltsstoffen als Geschmack und oder Geruch gebende Zutaten zu Lebensmitteln bestimmt sind.“ Was diese Geschmacksgebung in der Küche vermag, beschreibt noch einmal Tanja Grandits in ihrer unnachahmlichen Art und Weise: „Beißt man im Salat auf die gelbe Rucolablüte, schmeckt die Zunge Orange. Zudem verbreiten ihre Farben sofort eine positive Energie“, begeistert sich die hochdekorierte Köchin. „Der Fenchelblüte gehört mein ganzes Herz, Rosenblüten verleihen Lieblichkeit, und Lavendelblüten machen das Gericht hocharomatisch.“ i
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Aus der Geschichte
Die legendäre Tabasco-Pfeffer-Sauce
Wenn Bloody Mary und Jack Daniel’s …
Eine Chili, die ein Fremder mitbrachte. Eichenfässer, in denen einst Bourbon-Whiskey lagerte. Glasflakons, die Parfüm in sich trugen. Als der Tabasco-Erfinder Edmund McIlhenny seine legendäre Chilisauce entwickelte, entlieh er sich so manches. Am Ende kreierte er ein Erfolgsrezept, das seit über 150 Jahren die Welt erobert. Die original „Tabasco Pepper Sauce“ ist in rund 180 Ländern daheim – und erzählt eine spannende Geschichte.
Seit 1868 stellt das Familienunternehmen McIlhenny Co. Tabasco-Sauce her. Und bis heute füllt es jede einzelne der kleinen Flaschen auf seinem Stammsitz ab, er liegt auf Avery Island im US-Bundesstaat Louisiana. Danach reisen die Waren in alle Winkel dieser Welt. Aber ganz gleich, wo sie schließlich in den Verkauf kommen, die Rezeptur der Würzsauce ist stets dieselbe. Wie genau Herstellungsprozess und Inhaltsstoffe aussehen, ist ein wohlbehütetes Geheimnis. Nur so viel: Tabasco basiert auf Chilis, Essig und Salz, sein besonderer Geschmack entsteht durch einen dreijährigen Fermentierungsprozess. In dieser Zeit lagert
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der Chilisud in Eichenfässern, die McIlhenny vom Whiskeyhersteller Jack Daniel’s übernimmt. Damit steckt auch ein kleines bisschen Bourbon-Aroma im typischen Tabasco-Style. Die Chili-Sorte, um die sich auf Avery Island alles dreht, ist die Capsicum frutescens. Die ersten ihrer Samen soll, so erzählt es der Gründungsmythos, Edmund McIlhenny von einem Fremden geschenkt bekommen haben. Dieser Fremde wiederum brachte die Schoten aus Mittelamerika mit. Von dort stammt übrigens auch der Markenname Tabasco, er ist einem mexikanischen Bundesstaat entliehen, der für seinen Chili-Anbau bekannt war.
Aus der Geschichte
Der Beschenkte schien Gefallen an seinen Samen zu finden. Denn als die Familie infolge des Amerikanischen Bürgerkriegs fliehen musste, hinterließ sie auf ihrem Anwesen einige ausgewachsene Chilipflanzen. Nach ihrer Rückkehr fanden die McIlhennys ihren Besitz verwüstet – bis auf diese Chilis. Der Rest ist Geschichte. Zu ihr gehört auch, dass der Firmengründer die ersten Muster seiner neuen Würzsauce in alte, ausgewaschene Parfümfläschchen abfüllte. So war es möglich, die Schärfe tropfenweise zu dosieren. In den ersten Jahren wuchsen alle verwendeten Chilis auf Avery Island und im südlichen Louisiana, heute wurzelt ein großer Teil in Lateinamerika. Die Gene aller Pflanzen stammen allerdings nach wie vor vom Familiensitz: Die Samen, die die dortigen Chilis hervorbringen, verschickt das Unternehmen an seine Vertragsbauern, um sie kultivieren zu lassen. Die ursprüngliche „Tabasco Pepper Sauce“ gilt bis heute als das Zugpferd im vielzähligen Produktsortiment – hergestellt nach dem Originalrezept von 1868. Mit der Zeit kamen aber auch einige Geschwis-
y y Mar Blood ka, e n i e d In e en Wo gehör ft, Gewürz a s o. n c s e t a Toma ürlich Tab hört in e at und n äre Drink g der d p n p e g u e Der le ocktail-Gr d „Corpse C e u ), “ n di e-ups en-Beleber m k c h h c i c „Pi e a L r“ ( ter n Revive llen den Ka n Nacht o t s sie ech e urchz igen. d r e n ft ei besän
ter hinzu: die Geschmacksrichtungen Grüner Pfeffer und Knoblauch etwa oder klangvolle Saucen-Kreationen wie „Scorpion“ und „Buffalo Style“. Allesamt stecken sie in der typischen kleinen Tropfflasche mit ihrem rautenförmigen Etikett – und sind damit unverkennbar: Tabasco. i
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Expertise
Weltweite Flächenkonkurrenz betrifft Gewürze und Kräuter
Naturprodukte in Bedrängnis Der globale Wettbewerb um qualitativ hochwertige Gewürze nimmt weiter zu. Dabei trifft die weltweit steigende Nachfrage auf sensible, meist exotische Naturprodukte, die zunehmend um ihre Anbaugebiete wetteifern müssen. Die weltweit ansteigende Flächenkonkurrenz schadet Gewürzen und Kräutern auf ganz unterschiedliche Weise. Drei Praxisbeispiele.
Weltweit erfreut sich der Vanillegeschmack wachsender Beliebtheit. Die Nachfrage nach Vanilleschoten steigt von Jahr zu Jahr an, doch das Angebot kommt nicht nach: Denn neben einem ohnehin aufwendigen Anbau- und Veredelungsprozess, den das begehrte Gewürz benötigt, erschwert ein überschaubares Anbaugebiet die Marktsituation. Es ist wesentlich auf Madagaskar, Réunion, die Komoren, Mauritius und Tahiti beschränkt. Die Vanilla planifolia braucht tropisches Klima, um sich wohlzufühlen. Eine Flächenlimitierung ganz anderer Art zeigte sich infolge des Arabischen Frühlings: Als die Lebensmittel in Ägypten und Marokko knapp wurden, subventionierten die Regierungen den Weizenanbau. Bauern, die bislang Koriander auf ihren Feldern kultiviert hatten, schwenkten sofort auf Weizen um. Der Effekt war bis nach Deutschland spürbar. Als zeitgleich die Krise in der Ukraine hinzukam, einer ebenfalls wichtigen Anbauregion für Koriander, verteuerte sich das Kraut für eine gewisse Zeit enorm.
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Aber auch ein Land wie Deutschland trägt seinen Teil zur Flächenkonkurrenz bei: Raps, aus dem Biodiesel gewonnen wird, bringt pro Hektar einen höheren Ertrag und höheren Erlös als Senfsaat. Sie findet immer weniger Platz auf den Äckern. Ähnlich ergeht es den Kräutern: Sie drängt der Maisanbau für Biogasanlagen ebenso zurück wie die Nutzung großer Agrarflächen für Solaranlagen. Zugunsten von Städte- und Verkehrsbau verkleinert sich hierzulande die landwirtschaftlich genutzte Fläche ohnehin jedes Jahr. Anschaulich zeigt dies der Großflughafen München: Unter ihm liegt Deutschlands einstmals größtes zusammenhängendes Petersilien-Anbaugebiet vergraben. i
Klassisch & traditionell
Orientalischer Kichererbsen-Dip
Hummus im Handumdrehen Ein lauschiger Sommerabend auf dem Balkon. Etwas Wein, ein paar Oliven, ein Korb mit frischem Fladenbrot. Es braucht nicht viel, um glücklich zu sein. Nur eines fehlt noch: Hummus. Wie gut, dass der orientalische Kichererbsen-Dip im Handumdrehen auf dem Gartentisch steht.
500 g Kichererbsen (aus der Dose) abgießen und in ein hohes Gefäß geben. Zwei klein geschnittene Knoblauchzehen, 500 g Tahin-Sesampaste, Saft einer halben Zitrone, 4 EL Olivenöl, Salz und Pfeffer kommen dazu. Mit einem Stabmixer glatt pürieren. Bei Bedarf etwas Wasser hinzugeben, das macht den Hummus cremig. Mit Gewürzen und Kräutern, ganz nach eigenem Gusto, abschmecken. Zur Wahl stehen: Kreuzkümmel, Chiliflocken, Petersilie, Koriander, Minze, Sesamkörner, Paprikapulver oder auch die arabische Gewürzmischung Zatar. Als Topping dienen Olivenöl, Granatapfelkerne oder fein geschnittene rote Zwiebelringe. i
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Kurz & knapp
Grillmachete für die Gartenparty Was auch immer diesen Sommer auf den Rost kommt, die Grillmachete passt sich an: Die breite „Klinge“ aus biegsamem Edelstahl schiebt sich geschmeidig unter jedes Fleisch, jeden Fisch und jedes Gemüse. Mit so viel Finesse erregt sie garantiert die Aufmerksamkeit jeder Grillparty. Über den eingestanzten Flaschenöffner, der direkt unter dem Holzgriff sitzt, freut sich der BBQ-Master – sollte ihm zwischendurch etwas zu heiß werden.
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pfeffer verlost fünf Grillmacheten (www.geschenke.de). Wer eine gewinnen möchte, der schickt bitte eine Mail mit kompletter Adresse und Telefonnummer an pfeffer@gewuerzindustrie.de (Einsendeschluss: 1. Juli 2019). Stichwort: Grillmachete.
GEW
INN
pfeffer gewinnt „mediaVAward“ „And the winner is ...“ hieß es Anfang April in Köln. Mit dem erstmals ausgelobten „mediaVAward“ ehrte das Fachmagazin Verbändereport „herausragende Kommunikationsprojekte“ von Verbänden und Organisationen. Das Gewürzmagazin pfeffer gehörte zu den Preisträgern und erhielt einen Sonderpreis der Jury. Der Laudator Michael Jansen würdigte die „tolle Leistung bei kleinem Budget“ und die „gut gemachte, exzellente Kommunikation“. „Wir haben in der Jury das Herzblut für ihre Produkte pochen hören“, hieß es weiter. Mit zwei Ausgaben pro Jahr erscheint pfeffer, das Magazin des Fachverbandes der Gewürzindustrie, seit 2007. Die Printauflage liegt bei knapp 20.000 Exemplaren, ein E-Journal (App Store) kommt hinzu. Der mediaVAward wurde in insgesamt elf Kategorien vergeben. Auch auf die Shortlist für die „Beste Verbandszeitschrift“ schaffte es pfeffer - mit Wettbewerbern wie dem Deutschen Architektenblatt oder dem Bildungsmagazin der Deutschen Telekom Stiftung.
In der letzten Ausgabe verloste pfeffer einen AluminiumBräter von Hagen Grote. Freuen kann sich die Gewinnerin Katharina Huber. Herzlichen Glückwunsch!
Steckbrief Gewürz-Rarität Kaffirlimettenblätter Traditionell: typisch für die thailändische Küche, Bestandteil der grünen und roten Thai-Currypaste
Verwendung: Blätter in Suppen, Eintöpfen, Fisch- oder Geflügelragouts bis zu 15 Minuten mitkochen, dann entnehmen (ähnlich Lorbeerblättern). Bevorratung: Die frischen Blätter lassen sich gut einfrieren und dann stückweise entnehmen. Optik: sattes Grün, glänzende Oberfläche. In feine Streifen geschnitten, dienen sie als „geschmackvolles“ Topping.
Bei der Preisverleihung: Dr. Markus Weck, Hauptgeschäftsführer des Fachverbands der Gewürzindustrie, und pfefferRedakteurin Kerstin Rubel.
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Geschmack: zitronig, aber elegant, da die sonst typische Zitrus-Säure entfällt
Alle bisherigen pfeffer-Ausgaben im Web-Archiv: www.gewuerzindustrie.de/pfeffer