pfeffer
das gewürzmagazin
AUSGABE
Gewürznelken aus Sansibar
Im Knopfloch der Geschichte Safran der Schweizer Berge
Amsterdams Kaufleute
Der Begehrenswerte: Das luxuriöse Gewürz erblüht in einem zartvioletten Krokus. Und zwar im Herbst. Der Beginn vieler Extravaganzen
Die Unerschütterlichen: Als älteste Aktiengesellschaft segelte d i e N i e d e r l ä n d i s c h e Ve r e i n i g t e O s t i n d i e n C o m p a g n i e – f a s t – u m d i e g a n z e We l t
2|2012
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser! Herausgeber von „pfeffer – das gewürzmagazin“ ist der Fachverband der Gewürzindustrie e. V. in Bonn. Der Verband vertritt rund 70 Unternehmen, die Gewürze verarbeiten und veredeln. Die deutsche Gewürzindustrie bedient private Haushalte ebenso wie Gastronomie und Handel. Gleichzeitig ist sie leistungsstarker Partner der Lebensmittelhersteller im handwerklichen und industriellen Bereich.
I
in dieser Ausgabe von „pfeffer“ lockt das Fernweh ganz besonders: Sansibar, Sri Lanka, die indonesischen Molukken. Die Spur der Gewürze führt uns an wahre Sehnsuchtsorte. Losgesegelt wird bereits 1602 mit der Niederländischen Vereinigten Ostindien-Compagnie (Seite 14 und 15). Wertvolle Gewürznelken und Muskatnüsse lockten die see- und kampferprobten Kaufleute, die mit ihrer Unternehmung als erste Aktiengesellschaft in die Historie eingingen. Eine Geschichte aus längst vergangenen Zeiten. Anders erweist sich die Situation bei der Gewürznelke selbst, dem einstigen Objekt der seefahrenden Begierde, sie ist auch heute ein gerne gesehener Gast in unseren Kochtöpfen. Ihr widmen wir bereitwillig die Seiten 4 und 5, denn sie ist die wahre Prinzessin Sansibars. Einen Prinzen haben wir für sie auch schon gefunden: den edlen Safran. Als echtes Luxusgeschöpf hat er – wer hätte das gedacht – in den Schweizer Bergen eine standesgemäße Bleibe gefunden (Seite 10 und 11). Manch Feinschmecker sagt, hier wachse der beste Safran der Welt. Wer ihn direkt vor Ort, im abgelegenen Bergdorf Mund, in einem feinen Süppchen verkostet, der mag zu keinem anderen Schluss kommen wollen.
IMPRESSUM: pfeffer – das gewürzmagazin © Fachverband der Gewürzindustrie e. V., Bonn Ausgabe 2/2012, erschienen im September 2012 Herausgeber: Fachverband der Gewürzindustrie e. V. Reuterstraße 151, D-53113 Bonn Telefon: (02 28) 21 61 62 Fax: (02 28) 22 94 60 E-Mail: pfeffer@gewuerzindustrie.de www.gewuerzindustrie.de
Bevor wir ganz zünftig mit regionalen Kochwurstspezialitäten (Seite 9) die Heimat erreichen, besuchen wir aber noch Michael Kreitmeir auf Sri Lanka. Mit bewundernswerter Hingabe hat der einstige TV-Journalist hier ein Kinderdorf aufgebaut, zu dem ein Gewürzgarten gehört. Lesen Sie mehr auf den Seiten 12 und 13 zu seiner immer größer werdenden Little Smile Association – und wie es überhaupt dazu kam.
Eine schöne Lesezeit mit „pfeffer“ wünscht
Redaktion/Gestaltung: Kerstin Rubel, Susanne Del Din Druck: diba Druck Diefenbach GmbH, Köln Bildnachweis: design3000 Little Smile Association Safrandorf Mund Shutterstock Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier
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Dirk Radermacher Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes der Gewürzindustrie e. V.
Inhalt
Titelthema
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Zankapfel der Entdecker und Kaufleute
Gewürznelken aus dem fernen Sansibar 6
Im Gespräch Zimt und Zucker? Zimt gegen Zucker! Autor Sven-David Müller über moderne Diabetes-Therapie
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Forschung & Technik Rein, reiner, am reinsten Gewürzverarbeiter veredeln ursprüngliche Naturprodukte
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Wurst & Co. Geschmacksstark in den Regionen Die Kochwurst – für jede Mundart die richtige
10 Lebensart & Geschmack
Luxus, der violette Blüten treibt Safran ist das teuerste Gewürz der Welt. Immer noch
12 Expertise Da, wo der Pfeffer lächelt Little Smile: Ein deutscher Journalist hilft Sri Lankas Kindern und baut auf Gewürzgärten
14 Aus der Geschichte
Immer hart am Seewind Auf der Gewürzroute unterwegs: die Niederländische Vereinigte Ostindien-Compagnie
16 Kurz & knapp Meldungen aus der Welt der Gewürze
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Länderbericht
Gewürznelken
fernen
Es war die Gewürznelke, für die Abenteurer wie Christoph Kolumbus, Vasco da Gama und Marco Polo in unbekannte Welten aufbrachen. Von jeher ist sie die heiß Begehrte. Heute gedeiht der Gewürzklassiker vor allem vor der Küste Afrikas: auf Sansibar. Welch Sehnsuchtsort! Bis die Nelke jedoch dorthin gelangte, hatte sie einige Abenteuer zu bestehen. Die Heimat der Nelken – wie der nicht weniger begehrten Muskatnuss – liegt auf den sagenumwobenen Gewürzinseln. Es sind die Molukken im Pazifischen Ozean, die heute zu Indonesien gehören. Ihre Landesfrüchte transportierten findige Kaufleute schon vor christlicher Zeitrechnung bis nach China und im frühen Mittelalter nach Europa. Hier schmückten sich vor allem die Höfe
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mit den exotischen Luxusgütern, die sie als Gewürz, Medikament, Aphrodisiakum, vor allem aber als Prestigeobjekt einsetzten. Wo die kostbaren Spezereien jedoch wuchsen, blieb lange ein wohlgehütetes Geheimnis. Ganz im Sinne all jener Zwischenhändler, die gut an ihnen zu verdienen wussten. Im späten Mittelalter allerdings wandte sich das Blatt: Das bis dato unbedeutende Portugal hatte sich auf den Weg gemacht, das fest etablierte venezianisch-arabische Handelsmonopol zu umschiffen – im wahrsten Sinne des Wortes. Die portugiesischen Kapitäne fanden den Seeweg zu den Molukken und errichteten dort 1512 einen eigenen Stützpunkt, um Handel zu treiben. Ein paar Jahrzehnte gelang dies, dann folgten unruhige Herrschaftsjahre. Bis die Niederländische Vereinigte Ostindien-Compagnie (VOC) auf den Plan trat: Sie besetzte die Molukken ab 1605 mit all ihrer gewaltigen Macht (mehr zur VOC auf den Seiten 14 und 15). Die Geschichte, die nun folgt, ist keine, die man kleinen
Länderbericht
Zankapfel der Entdecker und Kaufleute
n aus dem
Sansibar Kindern vor dem Einschlafen erzählt. Tat die VOC doch alles Erdenkliche, um die Gewürze und auch die Preise, die für sie gezahlt wurden, in ihrer stahlharten Hand zu halten. Ihr Monopol bröckelte erst, als es Mitte des 18. Jahrhunderts gelang, Nelken- und Muskatsetzlinge außer Landes zu schmuggeln und nach vielen erfolglosen Versuchen auf den französischen Inseln Mauritius und Réunion zu kultivieren. Sansibar erreichte der erste Nelkenbaum 1793. Wenig später entschied der Sultan, Herrscher von Oman, seinen Anbau konsequent zu fördern – und fand dazu in seinem Land ideale Bedingungen. Alleine der Sultan soll bei seinem Tode 45 Nelkenplantagen besessen haben, auf denen bis zu 8.000 Sklaven arbeiteten. Bis zu 90 Prozent der weltweiten Nelkenproduktion wurzelten auch Mitte des 20. Jahrhunderts noch auf Sansibar. Noch heute heißt es im Logo der örtlichen Behörden: „Gewürznelken sind das Leben der Nation.“
LIEBLICHE NELKENINSEL PEMBA
Sansibar – dies klingt in unseren Ohren nach einem märchenhaften Sehnsuchtsort. Dies mag sich in seiner populärsten Einwohnerin begründen: der Prinzessin Salme. Sie erlangte Berühmtheit, als sie 1866 nach Hamburg floh, um dort einen deutschen Kaufmann zu ehelichen. Im kolonialen 19. Jahrhundert zählte die Insel zu Deutsch-Ostafrika. Heute gehört Sansibar mit seiner Nelkeninsel Pemba zu Tansania.
Touristisch erschlossen ist Pemba kaum, Ruhe suchende Besucher können sich auf 984 Quadratkilometer fruchtbares Hügelland und ausgezeichnete Tauchreviere freuen. Die „grüne Insel“ ist von Korallenriffen umgeben. Ebenso von dem süßlichen Duft ihrer Nelkenbäume. Rund vier Millionen wachsen auf ihr, und sie tragen ein gehaltvolles Produkt: Bis zu 15 Prozent ätherisches Öl besitzt eine Nelke, vor allem in ihrem Kopf sitzt viel von ihrem intensiven, eigenwilligen Geschmack. Die ungeöffneten Knospen des immergrünen Myrtengewächses werden kurz vor der Blüte geerntet und in der Sonne getrocknet. Bis sie ihre typische, holzig-braune Farbe tragen. Ist im Sommer und noch einmal im Winter Erntezeit, dann helfen alle mit, denn die Arbeit ist nur von Hand zu erledigen. Erstaunlich: Rund 50 Prozent des weltweiten Ertrags landet nicht auf dem Teller, sondern in den beliebten Nelkenzigaretten der Indonesier. Unser Name Nelke leitet sich übrigens ab von dem mittelhochdeutschen Wort „negellin“, Nägelein. Und tatsächlich: Es braucht nicht viel Phantasie, um in der Nelkenform ein solches zu erkennen. ❦
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Im Gespräch Buchautor Sven-David Müller über moderne
Zimt und Z
Zimt gege
Apfelkuchen brachte die Wissenschaft auf eine DiabetesTherapie mit Zimt.
Im Deutschland leiden derzeit acht Millionen Menschen an Diabetes mellitus: Zuckerkrankheit. Bis 2020 soll die Zahl auf 15 Millionen steigen. Eine Linderung dieser Volkskrankheit verspricht Zimt. Wer hätte das gedacht: Zimt gegen Zucker. Auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Kombination. „pfeffer“ hat bei dem Buchautor Sven-David Müller nachgefragt.
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Im Gespräch Diabetes-Therapie
Zucker?
en Zucker! Ist Zimt die Rettung für Diabetiker? Zimt ersetzt weder eine Diät, ein Bewegungsprogramm noch eine eventuelle medizinische Behandlung. Aber: Das Gewürz ermöglicht bereits eine Ursachenbehandlung, das ist neu. Diabetes mellitus zählt ja zu den Stoffwechselkrankheiten: Der Zucker aus dem Blut gelangt nicht in die Zellen, und dadurch steigt der Blutzuckerspiegel. Schwere Erkrankungen wie Erblindung oder Nierenversagen können folgen. Zimt kann die Krankheit aufhalten, auch dann, wenn sie noch nicht manifestiert ist.
Wie wirkt Zimt? Das Gewürz enthält einen sekundären Pflanzenstoff, Polyphenol MHCP, der blutzuckersenkend wirkt. Und ganz nebenbei auch noch die Blutfettwerte reduziert.
Wie sieht die Therapie aus? Seit einigen Jahren etabliert sich die Behandlung mit Zimtextrakt, vor allem bei Typ-2-Diabetikern. Um bis zu 29 Prozent ließ sich bei ihnen, aktuellen Studien zufolge, der Blutzuckerspiegel senken. Amerikanische Wissenschaftler entdeckten das Phänomen übrigens eher zufällig: im Apfelkuchen. Sie testeten an Freiwilligen die Auswirkungen verschiedener Lebensmittel. Apfelkuchen verhielt sich dabei eigenartig: Der enthaltene Zucker hätte den Blutzucker stark nach oben klettern lassen müssen, er stieg aber nur leicht. Des Rätsels Lösung lag im Zimt, mit dem US-Amerikaner ihren Apfelkuchen traditionell würzen.
Dann können Diabetiker also handelsüblichen Zimt verwenden? Das wäre natürlich der geschmackvollste Weg! Wir raten jedoch zu Kapseln mit wässrigem Zimtextrakt. Sie sind in jeder Apotheke zu haben und besitzen zwei Vorteile: zum einen eine hohe Wirkstoffkonzentration, zum anderen eine gute Verträglichkeit, da die ätherischen Zimtöle entfernt wurden. Innerhalb einer deutschen Anwendungsbeobachtung erhielten Diabetiker beispielsweise täglich drei Kapseln.
Wie sieht es aus bei Typ-1-Diabetikern, die Insulin spritzen müssen? Momentan arbeiten viele Wissenschaftler an den Wirkmechanismen von MHCP. Möglicherweise kann es zukünftig auch hier eine Behandlung geben. Sie wird aber sicherlich nicht auf Insulin verzichten. ❦
Sven-David Müller, Master of Science, ist ernährungsmedizinischer Wissenschaftler. Für seine Arbeit im Bereich Ernährung und Diabetes mellitus erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Der Gesundheitspublizist und Ernährungsexperte ist seit 1995 Dia be tesberater der Deutschen Diabetes Ge sell schaft. Weitere Informationen im Buch von Sven-David Müller: Zimt gegen Zucker (Verlag Mainz)
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Forschung & Technik Gewürzverarbeiter veredeln ursprüngliche Naturprodukte
Rein, reiner, am reinsten Gewürzverarbeiter veredeln: Sie mahlen, zerkleinern, mischen und verpacken nicht nur, sie machen Gewürze auch erst zu einem Produkt, das den Qualitätsansprüchen von Lebensmittelindustrie und -handwerk genügt. Vor allem der aufwendige Reinigungsprozess lässt aus ursprünglichen Naturwaren Produkte entstehen, die jedem Standard genügen.
Im Gewürzanbau scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Viele der Spezereien gedeihen nur im Wildwuchs oder auf kleinen Parzellen. Die Bauern sammeln sie, wie eh und je, von Hand, trocknen sie auf Bastmatten, die den ganzen Dorfplatz beschlagnahmen. Kaum ein Lebensmittel ist ursprünglicher und näher an Mutter Natur als das Gewürz. Um es trotzdem den hohen Qualitätsnormen und Sicherheitswünschen der westlichen Verbraucher anzupassen, setzen die Gewürzverarbeiter auf einen hoch technisierten Reinigungsprozess. Trifft beispielsweise ein Sack Pfeffer in einem Gewürzwerk ein, dann fließt sein Inhalt zunächst über große Magnetwalzen und Siebe, die größere und kleinere Fremdkörper aussortieren. So genannte Luftaspiration saugt Stäube und Feinstteile aus der Ware. Anschließend läuft der Pfeffer über den Steinauslöser, er sortiert Steine, die gleich groß und schwer sind, aus. Erst dann wird der Pfeffer geschrotet oder vermahlen.
GESIEBTE MILLIMETERARBEIT
Der größte Teil des Pfeffers wird zu Gewürzmischungen verarbeitet, die einen weiteren Reinigungsprozess erleben: Zunächst geht es zur Schutzabsiebung, sie dient vor allem dazu, mögliche Verunreinigungen, die sich etwa in den Maschinen eingestellt haben könnten, zu beheben: Detektoren erkennen alles, was aus Metall ist, und werfen es aus. Anschließend kommen noch einmal Siebe zum
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Einsatz, sie behalten alles zurück, was größer ist als die Mischung selbst. Millimeterarbeit ist hier gefragt: Die Lochgröße der Siebe beträgt zwischen 0,5 und zehn Millimeter im Durchmesser. Ist die Mischung fertig verpackt, passiert sie noch einmal den Metalldetektor, der eine letzte Sicherheitskontrolle unternimmt. Erst jetzt verlassen die Beutel, Dosen oder Eimer das geschlossene System im Gewürzwerk. ❦
Wurst & Co. Die Kochwurst – für jede Mundart die richtige
Regional
und immer gut gewürzt Sie dürfen auf keiner Schlachtplatte und keinem Frühstücksbrettchen fehlen: Kochwürste. In Form von Leber-, Blut- und Sülzwürsten, als feine Pasteten und zuweilen auch als Mettwurst. Nicht nur ein Verkaufsschlager mit rund 50 Prozent Absatzanteil, sondern auch ein Veteran unter den Kochwürsten ist die „lebarwurst“, sie fand bereits im 11. Jahrhundert Erwähnung. Die „butoli“, die Blutwurst, kannte sogar die griechische und römische Antike. Seit dem 13. Jahrhundert entwickelten sich landestypische und regionale Spezialitäten, die oftmals auf ganz bestimmten Gewürzen beruhen. Gerade Deutschland zeigte hier viel Erfindungs- und Geschmacksreichtum. Die hiesige Wurstvielfalt ist weltweit legendär. In all der Buntheit macht bei der Kochwurst immer noch der Name das Programm: Sie besteht aus vorgekochten Zutaten, die, vor und nach dem Abfüllen, noch einmal gekocht werden. In Deutschland sind das ausschließlich Fleisch, Speck, Innereien, Salz und Gewürze. Ausnahmen macht dieses „Reinheitsgebot“ nur regional, etwa bei der Hafergrütze, die in der niedersächsischen Grützwurst zu finden ist. ❦
Lieblinge der „pfeffer“-Redaktion Aachener Puttes q Aachen Ahle Leber- und Blutwurst q Nordhessen Bauern- oder Landleberwurst q Schleswig-Holstein Berliner Dampfwurst q Berlin Bregenwurst q Niedersachsen Flönz q Rheinland Grützwurst q Niedersachsen Hamburger Gekochte q Hamburg Hannoversche Weißwurst q Hannover Hessische Kartoffelwurst q Hessen Knipp q Bremen/Niedersachsen Kohlwurst q Norddeutschland Lungwurst q Mecklenburg-Vorpommern Möppgenbrot q Westfalen Pfälzer Leberwurst und Saumagen q Pfalz Pinkel q Bremen Presssack und Würzburger Rotgelegter q Franken Schwartenmagen q Baden-Württemberg Schweinskopfsülze und Presskopf q Schwaben Stippgrütze q Westfalen Thüringer Leberwurst und Rotwurst q Thüringen
Kein Anspruch auf Vollständigkeit! Deutschland kennt mehr als 350 regionale Kochwurst-Spezialitäten. Wer seine liebste Pastete, Leber-, Blutoder Sülzwurst hier vermisst, der schreibe uns bitte eine Mail unter dem Stichwort „Kochwurst“: pfeffer@gewuerzindustrie.de. Wir reichen Ihren Liebling dann gerne in der nächsten Ausgabe nach.
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Lebensart & Geschmack
Safran ist das teuerste Gewürz der Welt. Immer noch
Luxus, der violette Blüten treibt Kein Gewürz weckte je mehr Begehrlichkeiten als der kostbare Safran. Bis heute gilt er als Luxusgewürz, das zuweilen seltsame Blüten treibt. Naturbelassen sind diese allerdings wunderschön: zart violett mit gelb-rotem Innenleben.
„Der beste Safran der Welt wächst in den Schweizer Alpen.“ Ja, richtig gehört. In dem kleinen, abgelegenen Bergdorf Mund, im Wallis, auf sonnigen Steilhängen, in 1.200 Meter Höhe reckt und streckt sich das edelste aller Gewürze empor: „Crocus sativus“. Eine Krokusart, die im – aufgepasst! – Herbst blüht. Violett. Zwei Wochen lang und in geradezu homöopathischen Dosen. Feinschmecker sagen, der Schweizer Safran sei unter allen der beste. Zahllose Hobbyköche und Gourmets fallen daher zur Blütezeit, im Oktober und November, in Mund ein. Ihre Kauflust ist weitaus größer als die Handvoll Kilos, die alle Munder Bauern zusammen erwirtschaften können. Die Schweizer hatten schon immer ein Händchen für das Geld und für die luxuriösen Feinheiten des Lebens. Und damit liegen sie auch beim Safran goldgelb richtig: Jede Blüte enthält einen Griffel, der sich in drei tiefrote Stempelfäden verzweigt. Diese filigranen Drei sind es, die von Hand gesammelt, getrennt und getrocknet werden. Ein Pflücker schafft es, etwa 80 Gramm am Tag zu sammeln. Für ein Kilogramm Safran lassen bis zu 200.000 Blüten ihre Fäden. Die komplette Safranproduktion basiert auf Handarbeit, selbst die Fortpflanzung: Die Bauern haken die kleinen Zwiebeln aus dem Boden, trennen sie und pflanzen sie wieder ein. Safran bildet keine Samen. So viel Handarbeit kostet! Wen soll es also wundern, dass das teuerste Gewürz der Welt immer noch jede Menge Begehrlichkeiten weckt. Vor allem bei gewitzten Betrügern, die ahnungslosen Kunden Faden-Mischungen mit Färberdistel, Ringelblume oder Mais unterjubeln. Oder auch
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Lebensart & Geschmack
gefälschtes Safran-Pulver, das sich bei näherer Betrachtung als Kurkuma entpuppt. Ein einträgliches Geschäft. Die Berufsbezeichnung Safranier, die die Safranhändler einst trugen, avancierte nicht umsonst zu einem Schimpfwort. Das jedoch war eine milde Strafe. Denn wer im Mittelalter als Safranbetrüger überführt wurde, der bezahlte mit seinem Augenlicht oder direkt mit seinem Leben: etwa in einem steingefüllten Sack, der den Straftäter mitsamt seiner gefälschten Ware im Fluss versenkte.
S A F R A N R E G E N V O M TA U B E N F L Ü G E L
In der Geschichte eigneten sich schwer erhältliche Gewürze stets als dekadentes Statussymbol. Eine Disziplin, in der fraglos die Römer den Vogel abschossen. Gerne im safrangelben Gewand. Allen voran: das Staatsoberhaupt. Kaiser Elagabalus ließ im dritten Jahrhundert das Wasser seines Schwimmbades safranrot färben. Sein Vorgänger Hadrian machte es ihm vor: Er ließ Safranwasser über die Stufen des Theaters laufen, um ihnen eine goldgelbe Tönung zu verleihen. Da konnte sich Nero keinesfalls lumpen lassen. Er orderte an, die Straßen Roms mit den kostbaren Fäden zu bestreuen. Wie hätte man auch besser seine Triumphe feiern können. Diesen Ideenreichtum toppte allein ein phantasievolles Gastmahl im kleinen Kreise, von dem der Gelehrte Athenaios berichtete. Man tauchte lebende Tauben in ein mit Safran parfümiertes Wasser. Sie sollten bei ihrem anschließenden Flug durch den Raum die Gäste mit einem Parfümregen benetzen. Da hätte sich selbst Götterchef Zeus die Augen gerieben, morgens, wenn er in seinem Safranbette erwachte.
Wieder zurück im weltlichen Jetzt hat das einstige Arznei-, Duft- und Textilfärbemittel seinen festen Stand in den Gewürzregalen des Ostens wie des Westens gefunden. Was wären ein italienisches Risotto alla milanese, eine spanische Paella oder eine französische Bouillabaisse ohne gelbe Färbung und süßlich-herben Geschmack? Safran ist auf dem Mittagstisch längst angekommen. Man sollte also meinen, Gewürz-Luxus sei Geschichte und längst passé. Der Taschenrechner allerdings weiß es besser: Ein Pfund Safran kostete im Mittelalter so viel wie ein Pferd. Bei einem aktuellen Ladenpreis von etwa 15 Euro pro Gramm kommt man auf 7.500 Euro, die für ein ganzes Pfund der Staubfäden zu berappen wären. Dafür ist doch ein hübsches Pferdchen zu haben! Geschichte hin oder her. Es ist alles beim Alten. ❦
Safran im Museum
*
GEW
INN
Im Hamburger Gewürzmuseum Spicy’s ist noch bis zum 28. Oktober 2012 die Sonderausstellung „Vanille & Safran – Die Königin und das Gold der Gewürze“ zu sehen. www.spicys.de
„pfeffer“ verlost dreimal zwei Museumstickets, die auch nach der Sonderausstellung noch gelten. Künftige Gewinner schicken bitte eine Mail mit kompletter Adresse und Telefonnummer an pfeffer@gewuerzindustrie.de. Stichwort: Spicy’s (Einsendeschluss: 31. Januar 2013). Viel Glück!
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Expertise
Da, wo der P Im Hochland von Sri Lanka liegt ein Kinderdorf mit Gewürzgarten – das hört sich fast paradiesisch an. Für viele Kinder, die hier leben, ist es das auch: das Paradies. Ein sicheres, schönes Heim, jeden Tag genug zu essen, Kleidung, Schule und Ausbildung auf internationalem Niveau, nicht zuletzt: ein liebevolles Miteinander. Möglich machte es der Fernsehjournalist Michael Kreitmeir. Er legte 1999 den Grundstein für die Little Smile Association.
Es begann mit einer Vater-Sohn-Reise nach Sri Lanka. Fernab von Daheim sollte der neunjährige Junge eine ganz andere Welt erleben, als er sie aus dem beschaulichen Bayern kannte. In einem entlegenen Bergdorf dann kam es zu einer folgenschweren Begegnung: Ein Waisenkind wurde, da es spielte statt arbeitete, halb tot geprügelt. In der darauffolgenden, schlaflosen Nacht erhielt der tief erschütterte Sohn das Versprechen, der Vater würde sich für das arme Mädchen einsetzen. Fest entschlossen, es am nächsten Tag freizukaufen, konnte er jedoch nur noch den Tod der Namenlosen betrauern. Und doch trug das Versprechen: Das Hilfsprojekt Little Smile entstand. In dem Bergort Koslanda erbaute der Vater Michael Kreitmeir
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1999 das Kinderdorf Mahagedara – überwiegend aus eigenen Mitteln. Zum Dorf gehören heute zahlreiche Gebäude, die sich auf 15 Hektar verteilen: von sechs Kinderhäusern über Schule und Tempel bis zur Krankenstation und Schreinerei. Mehr als 150 singhalesische und tamilische Kinder – viele von ihnen sind Waisen des 30-jährigen Bürgerkriegs – haben hier und in drei weiteren LittleSmile-Einrichtungen Zuflucht gefunden. Denn Michael Kreitmeirs Engagement scheint grenzenlos. Besonders seit der Tsunami-Katastrophe von 2004. Weitere Kinderheime, Schulen, medizinische Einrichtungen, Ausbildungszentren und vieles mehr entstanden seither.
Expertise
Little Smile: Ein deutscher Journalist hilft Sri Lankas Kindern und baut auf Gewürzgärten
Pfeffer lächelt Fruchtbar und grün ist das Bergland Sri Lankas. Idealer Boden für die Little-Smile-Gewürze, die in Handarbeit geerntet werden (Fotos unten).
WACHSENDE ENTWICKLUNGSHILFE
Dann stellte sich der tatkräftige Entwicklungshelfer eine Frage: Wie kann ich ernsthaft für Kinder sorgen, wenn im Land Nahrungsmittel, Luft und Wasser vergiftet werden? Als Antwort gründete er 2005 Little Smile Organic. Die Modellfarm produziert und exportiert Bio-Produkte mit Fairtrade-Zertifikat. Neben Früchten und Kräutern baut sie auch Gewürze an: Pfeffer, Muskatnuss, Macis, Gewürznelken, Kardamom, Zimt, Vanille. In den Gewürzgärten des Hochlandes bekommen Jugendliche, besonders solche aus dem Kinderdorf, einen Ausbildungsplatz. Sie lernen eine naturschonende Landwirtschaft. Ebenso erhalten Frauen in Not, vor allem Witwen, eine Chance, sich und ihre Familien zu ver-
sorgen. Die Gewinne, die die Farm erwirtschaftet, fließen wieder in die Little-Smile-Sozialprojekte. Im Rahmen ihrer Schul- und Berufsausbildung werden die Kinder übrigens angehalten, den Erwachsenen eine Stunde täglich an die Hand zu gehen. Auch auf der Gewürzplantage. So lernen sie schon früh einen verantwortungsvollen Umgang mit Natur und Landwirtschaft. Damit sie es später etwas besser machen können als die Generation vor ihnen. ❦ Auch große deutsche Gewürzunternehmen engagieren sich für Little Smile. Mehr zu den einzelnen Projekten unter www.littlesmile.de und www.littlesmileorganic.de.
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Aus der Geschichte
Auf der Gewürzroute unterwegs: die Niederländische Vereinigte Ostindien-Compagnie
Immer hart am
Seewind Sie ist die älteste Aktiengesellschaft der Welt: die Niederländische Vereinigte OstindienCompagnie (VOC). Entstanden 1602 aus niederländischen Kaufmannsgesellschaften wollte sie die gemeinsamen Kräfte auf den Weltmeeren bündeln. Dies gelang: Über Jahrhunderte galt die Amsterdamer VOC als global größte Handelsunternehmung. Ihr Erfolg fußte auf der gewinnbringenden Gewürzroute, die Hinterindien mit Europa verband.
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Aus der Geschichte
Sie war eine schlagkräftige Einheit, die VOC. Nicht nur, dass sie Handelsmonopole besaß, nein, auch über Hoheitsrechte, wie das der Kriegsführung oder des Festungsbaus, verfügte sie. Und von diesen machte sie reichlich Gebrauch. Mit einer Übermacht von zwölf Schiffen übernahm sie bereits 1605 die Hauptinsel der Molukken, der Gewürzinseln. In den Folgejahren bekämpfte sie die vorherrschenden Portugiesen und die Einheimischen, bis sie die Inselgruppe gesichert hatte. Ihr kostbares Kriegsgut: Muskatnüsse und Gewürznelken, die bislang nur an diesem Platz der Erde wuchsen. Hier hielt die VOC bald das Monopol. Später kam Zimt aus Ceylon hinzu. Ebenso immer mehr Luxuswaren wie Silber, das in Asien preiswert einzukaufen war, feines Porzellan, Seide aus Indien, Tee aus China und Kaffee, den die VOC auf Java kultivierte. Beheimatet in Amsterdam und Middelburg unterhielten die Niederländer Vertretungen in Indonesien, Japan, Iran, Bangladesch, Indien, Sri Lanka, Taiwan und Südafrika. Hier führten sie Kriege, betrieben Landwirtschaft, errichteten ganze Städte und handelten, was das Zeug hielt. Zuerst einmal aber kosteten die Unternehmungen der VOC Geld, viel Geld. Die Ausrüstung der Schiffe, verbunden mit dem Risiko, dass sie von ihren Expeditionen nicht heimkehrten, verschlang Unsummen. Außerdem verlangte die Obrigkeit, die die großzügigen Privilegien verlieh, einen finanziellen Gegenwert, der nach zeitlich befristeter Vergabe zu erneuern war. Ein fester Kapitalstock musste her. Damit waren eine Idee und die weltweit erste Aktie geboren. Die VOC-Direktoren ersannen folgenden Plan: Zehn Jahre blieben die Aktionäre an ihre Anlage gebunden, dann folgte eine verzinste Rückzahlung, ergänzt durch eine Dividende. Genug Zeit, um satte Erfolge „einzuschiffen“. 1602 legten die Investoren eine erste Summe von 6,5 Millionen Gulden an. Der Gegenwert beträgt heute etwa 100 Millionen US-Dollar.
B R E N N E N D E M U S K AT N U S S - S P E I C H E R
Fast wichtiger als die Ware selbst war der VOC der weitgehend monopolisierte Preis, den sie für Muskatnüsse und Nelken verlangen konnte. Einmal im Jahr legte sie fest, was die Gewürze kosten sollten, und ganz Europa hielt sich daran. Mangelte es doch an einer ernstzunehmenden Konkurrenz. Trotzdem trieb der Kaufmannsgeist seltsame Blüten: Um die Ware knapp und die Preise künstlich hoch zu halten, ließ die VOC ganze Muskatnuss-Plantagen roden. Schmuggler, die das Monopol umgehen und heimlich Bäume kultivieren wollten, drohte die Todesstrafe. Amsterdamer Kaufleute, die Überschüsse lagerten, zündeten ihre Speicher an, um sie zu vernichten. Die austretende Muskatbutter versickerte wie flüssiges Gold zwischen den Pflastersteinen. Wo so viel Geld fließt, da ist die Korruption nicht fern. Neben dem vierten Englisch-Niederländischen Seekrieg, der die VOC erheblich schwächte, war genau sie es, die der Unternehmung das Genick brach. Nicht umsonst übersetzten spitze Zungen das Signet VOC mit „vergaan onder corruptie“, was zu Deutsch so viel heißt wie: Untergang durch Korruption. Die weit entfernten „rechtsfreien“ Gebiete, in denen die VOC-Führungsmannschaft hantierte, mögen diese Entwicklung unterstützt haben. Ebenso eine Palette raubeiniger Charaktere, die Seeleute dieser Art erst erfolgreich werden ließ. 1798 wurde die weltweit erste Aktiengesellschaft schließlich liquidiert. Bis dahin hatte sie rund 4.700 Schiffe unter ihrem Kommando und verschiffte einen Handelswert, der auf weit über zwei Milliarden Gulden geschätzt wird. ❦
Wer auf den Geschmack von Wirtschaftsgeschichte gekommen ist, dem sei das Buch „Abenteuer Fernhandel. Die Ostindienkompanien (Verlag Philipp von Zabern)“ von Jürgen G. Nagel empfohlen.
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Kurz & knapp
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ZU G U L E T ZT E R T
Safran
macht den Kuchen gel
Die Werkstofftechnik der Pfeffermühle
Scharfe Zähne und eine
tolle Figur
Im Regal der Pfeffermühlen ist es eng geworden. Hatten klassische Stahl- und Keramikmahlwerke doch viele, viele Jahrzehnte lang ihren etablierten Platz, so müssen sie längst für ein paar Newcomer zur Seite rutschen: Titan, „Chirurgenstahl“ und Kunststoff wollen ebenso mahlen, schroten, beißen, schneiden, pulverisieren oder einfach nur zerkleinern. Erfunden hat die Pfeffermühle 1842 übrigens das französische Unternehmen Peugeot, das bis heute Marktführer ist. Welches Mahlwerk aber nun das beste unter allen ist, das ist fraglos eine Wissenschaft für sich. Gewiss eine männliche Wissenschaft, denn die Technik ist ja nur das eine. Das andere – und das weiß jede Genießerin zu berichten – ist ihr Aussehen. Denn eins muss die Pfeffermühle auf jeden Fall sein: schön. ❦
„Backe, backe Kuchen, der Bäcker hat gerufen“ heißt eines der bekanntesten deutschen Kinderlieder. Kaum jemand ist als Dreikäsehoch umhingekommen, es Hände klatschend zu singen. Ganz am Ende heißt eine Liedzeile: „Milch und Mehl, Safran macht den Kuchen gel“. Gel ist ein regionaler Ausdruck für Gelb. Und das macht der edle Safran ja auch: Er verleiht allem eine appetitlich goldgelbe Farbe. Besonders Backwaren. Die kleine Rubrik „Zu guter Letzt“ nimmt sich Redewendungen und Wortbilder vor, die auf ein Gewürz zurückgehen. Bisher waren dabei der Lorbeerkranz, die Zimtzicken, das geraspelte Süßholz und die zahlreichen Wortkreationen, die um den Pfeffer entstanden sind. ❦
P Alle bisherigen „pfeffer“-Ausgaben im Web-Archiv: www.gewuerzindustrie.de/pfeffer
N e u e r Ti s c h g e n o s s e zu gewinnen
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GEWINN
„pfeffer“ verlost zwei Designerstücke von design-3000.de: Die Doppelmühle Duomill besitzt eine Seite für Pfeffer und eine für Salz. Gefertigt aus schönem Akazienholz besitzt sie eine unübersehbare Größe von 23 Zentimetern. Wer einen neuen Tischgenossen mit Keramikmahlwerk gewinnen möchte, der schickt bitte eine Mail mit kompletter Adresse und Telefonnummer an pfeffer@gewuerzindustrie.de. Stichwort: Doppelmühle (Einsendeschluss: 31. Januar 2013). Viel Glück! ❦ In der letzten Ausgabe verloste „pfeffer“ drei Buchexemplare von Alfons Schuhbeck: „Meine Reise in die Welt der Gewürze“. Freuen können sich die Gewinner Kerstin Erbe, Hans-Joachim Engel und Sebastian Weintritt. Außerdem hatten Andreas Tabbert, Brigitte Schäfer und Carola Staib Glück. Sie gewannen jeweils ein „Senfschatzkistchen“ aus der Historischen Senfmühle Monschau.