Quart Nr. 9

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Quart Heft für Kultur Tirol Nr. 9/07 E 12,–


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Inhalt

Martina Steckholzer BTV Stadtforum

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spector cut+paste (Markus Dreßen, Anne König, Jan Wenzel) zusammen mit Helmut Völter 4 Inhalt 5 Willkommen: Tirols Gemeinden fotografieren ihre Dorfeingangsschilder Wer gute Laune hat, ist dumm Wolfgang Sebastian Baur polemisiert

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Fenster von sich selbst Thomas Trummer über die neuesten Gemälde von Martina Steckholzer

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Martina Steckholzer

20 – 31

Daheim bei Gilbert Der Gilbert von Gilbert & George ist ein Gadertaler. Von Florian Kronbichler

32 – 41

Gutachten. Diesmal: Wetter Vier Kapriolen von Friederike Mayröcker, Sepp Mall, Bernhard Studlar, Klaus Merz

42 – 51

Landvermessung No. 2, Sequenz 4: Von Sautens nach Wiese Dimitré Dinev und der leichtgläubige Gebhard

Eigenwerbung

78 / 79

Nachrichten vom Tod Eine ethnografische Reportage von Peter Oberdorfer

80 – 89

Architektur o. T. Ein Statement von Carl Pruscha

90 – 95

Gerhard Klocker: Fotografische Odysee in 24 Bildern

96 –119

Schall und einiger Rauch Kleine Glockenkunde von Gabriele Werner

120 –127

Auf Wiedersehen: Tirols Gemeinden fotografieren ihre Dorfausgangsschilder

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Zillertal Arena, col legno Tirols Architekten und Ingenieurkonsulenten

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Alpina Druck Hypo Tirol

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Swarovski Kristallwelten M-Preis

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Besetzung, Impressum

136 /137

Halotech Lichtfabrik

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Martina Steckholzer

140

52 – 65

Leopold Kessler Originalbeilage Nr. 9

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Der Plan, vom Plan abzugehen Oder: Sind Melodien beruhigend? Gunter Schneider trifft Erich Urbanner

68 – 77




ORDINARY BOYS, HAPPY KNOWING NOTHING HAPPY BEING NO ONE, BUT THEMSELVES

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Wer gute Laune hat, ist dumm

Sehen Sie nicht die Zeichen der Zeit, spüren Sie nicht das Gewicht der Welt? Sind Sie nicht leidensfähig? Eine Polemik von Wolfgang Sebastian Baur Die Welt, in der wir leben, ist etwas Unzusammenhängendes, auf dessen Kruste unterschiedliche Zeitkammern koexistieren, in welchen Disparates geschieht. In Wirklichkeit wissen wir wenig voneinander, auch wenn eine rasende Informationsmaschinerie uns tagtäglich das Gegenteil weismachen möchte. Es lebt und stirbt sich in dieser Welt auf unterschiedlichem Niveau, und als einzige ewig Überlebende triumphiert eine davon völlig unbeeindruckte Natur, die gut auch ohne Menschen zurechtkommt. „Die Welt ist groß genug, dass wir alle miteinander drauf unrecht haben können“, sagt Arno Schmidt. Und ich finde, er hat recht. Wir wären mit uns im Reinen. Und wir könnten mit unserer eigenen Meinung glücklich werden, heiter, gelassen und gut gelaunt. Durch unser Urteil wäre keiner verurteilt und schon gar nicht vorverurteilt. Denn wir würden nicht zu richten brauchen, hätten wir doch von vornherein alle nicht recht. Doch leider ist dem nicht so. Die Sicht auf unsere Welt und ihre Erkenntnis ist verstellt durch ein Gestrüpp von Vorurteilen. Wer aber sind ihre Träger und Urheber? Da sind zunächst die professionellen Warner, die davon gut leben, den Teufel an die Wand zu malen. Ihre Hauptabnehmer sind die Bedenkenträger und Befürchter, die sich durch die inzestuöse Verbindung mit den Warnern bestätigt fühlen und in Energieaustausch mit ihnen stehen. Man sollte beide gemeinsam auf den Mars schießen. Dann gibt es die Selbstankläger, die geistigen Flagellanten und Vulkantänzer, die sich nach der endzeitlichen Rache, nach dem befreienden Gewitter, nach dem dicken Ende sehnen. Und danach, dass allen anderen das unbotmäßige Lachen vergehe. Wer sich also den Luxus guter Laune leistet, riskiert gesellschaftliche Ächtung. Denn ein Vorurteil, das sich immer noch am hartnäckigsten hält, ist jenes, wonach einer, der angesichts des Zustandes unserer Welt guter Laune ist, eo ipso jure auch dumm sein müsse, oder umgekehrt. Was aber ist eigentlich mit „dumm“ gemeint und was

zeichnet den Dummen aus? Sieht er nicht die Zeichen der Zeit, spürt er nicht das Gewicht der Welt? Ist er nicht leidensfähig? Ist seine gute Laune bloß Ausweis von Gefühllosigkeit und sozialer Inkompetenz? Und wäre demnach der naturgemäße Widerpart des Dummen der selbstgerechte Moralist oder gar der freudlose, durch Depression geadelte Neurotiker? Und die Anleitung zur Glücksuche lediglich ein Akt der Grausamkeit? Oder verbirgt sich hinter der Vorstellung von Dummheit vielleicht auch nur der Wunsch, dumm zu sein und somit arglos und rein wie ein Kind im Stand der göttlichen Gnade? Fragen über Fragen. Ich gebe drei Exempel zu bedenken. Erstes Exempel: Wem dreimal täglich essen gute Lau­ ne macht, ist dumm Menschenfresser mögen keine Zuspeis, es sei denn sie hat Hand oder Fuß … H. C. Artmann.

Die Menschenfresserin steht in der Küche und bereitet das Essen. Schon kommen der große Menschenfresser aus dem Büro und die kleinen Menschenfresser aus der Schule. Sie bringen einen Mordshunger mit. Gemeinsam spricht man das Tischgebet und widmet sich dann dem Essen. Hei, wie das Menscherne mundet! Und hinterher sind alle glücklich und guter Laune. Man ist satt und denkt nichts dabei. Die Menschenfresser freuen sich des Lebens. Bei der gewaltig großen Weltbevölkerung muss sich die Menschenfresserin auch keine Sorgen machen, wo ihre nächste Mahlzeit herwächst. Aus dem Blickwinkel des Kolonisators ist der indigene Primitive kein Mensch. Er lebt im Kreislauf von Beutebeschaffung und Beuteverzehr. Für Ess-Kultur ist da kein Platz. In der Art der Nahrungsaufnahme unterscheidet sich der Primitive nicht vom Tier. Hat er sich erst den Bauch mit Affen- und Gürteltierfleisch vollgeschlagen, so ist er gut gelaunt und zufrieden. Analog dazu hat einer, der sich in unseren Breiten der bloßen Nahrungsaufnahme freut, kein Mensch, sondern ein primitiver Dummkopf zu sein. Oder ein Tier.


ORDINARY GIRLS, SUPERMARKET CLOTHES WHO THINK IT’S VERY CLEVER TO BE CRUEL TO YOU...

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Oder allenfalls ein gut gelaunter Menschenfresser. Lebensmittelkonzerne wie Knorr, Oetker und andere Sattmacher haben bisher von der täglichen Peristaltik ihrer Kunden gut gelebt. Die Tugend der Kunden hat bislang darin bestanden, nichts vom Essen verstehen zu müssen, aber dennoch perfekt und schnell zu kochen; ungeschickt sein zu dürfen und trotzdem erfolgreich zu genießen, in aller Dummheit und ohne Risiko. Unterdessen hat sich der Blickwinkel geändert: um Mensch zu sein, befleißigt man sich nun der Esskultur. Televisive Profi-Vorkocher zeigen, wo’s lang geht. Jedoch kaum einer ihrer Bewunderer vermag ihnen nachzukochen. Wer’s trotzdem versucht, muss sich dumm vorkommen. Dumm trotz Esskultur. Oder vielleicht gar deswegen? Der Elsässer Gastrophilosoph Alfred Walterspiel, langjähriger Chef des Münchner Hotels „Vier Jahreszeiten“, gab als sein Lieblingsessen eine Scheibe herzhaften Schwarzbrots mit Butter, ein paar Nüsse und ein Glas Rotwein an. Er würde sich heute angesichts der sich gegenseitig übertrumpfenden GastroShows ausnehmen wie ein Primitiver. Aber nicht wie ein Dummer. So was geht. Sogar zusammen. Zweites Exempel: Gut gelaunt ist dumm und ergo politisch unkorrekt Auf der Internetseite des Mahnmals für die ermorde­ ten Juden wird dem Architekten Peter Eisenman attestiert, sein auf der zentralen Holocaust-Gedenkstätte Deutschlands befindliches Stelenfeld „verzichte auf jegliche Symbolik“. Eine kühne Behauptung angesichts der Tatsache, dass Eisenmans Anlage symbolische Deutungen geradezu herausfordert. Seien die Stelen nun Grabsteine, ein Irrgarten deutschen Unwesens, eine miniaturisierte Großstadt aus wolkenkratzerartigen Grabsteinen oder was auch immer: Die definitorische Halbherzigkeit rächt sich. Die Krux der Mahnmalmacher scheint sich darin zu äußern, dass die Gedenkstätte bei angeblicher Abwesenheit jeglicher Symbolik dennoch den Besucher in Trauerstimmung versetzen und eine Ahnung deutscher Kollektivschuld erzeugen soll. Dass dieses Vorhaben nicht aufging, zeigten die ersten Pannen bei der Übergabe der Anlage an die Öffentlichkeit. Da wurde klar, dass die Anordnung der unterschiedlich

hohen Betonquader auf welligem Untergrund den Spieltrieb der Besucher geradezu herausfordert. Entsetzt registrierte eine kritische Öffentlichkeit, dass Besucher zwischen den Stelen Versteck und Fangen spielten, auf den niederen Betonquadern lagerten oder auch in luftiger Höhe von einer Stele zur anderen sprangen. Hinzu kam die als pikant empfundene Tatsache, dass Eisenman (noch dazu als Jude, wie die Presse irritiert anmerkte) die Oberflächenversiegelung der Betonstelen ausgerechnet beim einstigen Zyklon-B-Gaslieferanten bestellt hatte, der als einziger einen tauglichen Schutz vor erwarteten Neonazischmierereien gewährleistete. Mögliche Schande sollte dadurch abwaschbar werden. Umgehend erfolgte die Unterbindung des Besucherspieltriebs; Wachpersonal wurde aufgestellt, um dem Treiben Einhalt zu gebieten. Dies Einschreiten evozierte ungute Bilder aus der Vergangenheit und widerlegte zudem die Behauptung der Symbollosigkeit; unversehens war aus dem vorgeblich bedeutungslosen Stelenfeld ein durch Schändung bedrohter Friedhof geworden. Dabei liegen keine toten Juden im Erdreich, wohl aber der Bunker von Goebbels’ Dienstvilla. Das rigorose Beharren auf der Ernsthaftigkeit einer Denkmalanlage, die weder ein Symbol noch ein veritabler Friedhof ist, stellte die Ernsthaftigkeitsansprüche der Macher in Frage. Die Idee von Aufpassern passte nicht zum pazifistisch-versöhnlichen Gestus der Anlage. Daher erfolgte die umgehende Unterbindung der Unterbindung des Besucherspieltriebs. Unter dem Druck der paradoxen Situation haben die verunsicherten, schaumgebremsten Aufpasser unterdessen zu gutmütig-väterlichem Gehaben gefunden. Sie üben auftragsgemäß Nachsicht, wo sie doch eigentlich für Ordnung sorgen möchten. Indem sie ihren Auftrag verraten, erfüllen sie ihn und befinden sich so in der paradoxen Lage von nachsichtigen Animateuren, die ihr Publikum zum folgenlosen Gebrauch einer behauptetermaßen nicht symbolischen, also bedeutungslosen, Mahnmalanlage anhalten müssen, indem sie es nicht vertreiben. Wo sie vorher befahlen, werben sie jetzt eigentlich um Verständnis


...THE LAIR OF THEIR ORDINARY WORLD WHERE THEY FEEL SO LUCKY SO LUCKY, SO LUCKY, SO LUCKY, SO LUCKY, SO LUCKY... 12/13


für die eigene Dienstpflicht. So wird die Rolle der Aufpasser quasi durch undisziplinierte, heitere, verspielte Besucher zur Mitmenschlichkeit korrumpiert. Die seit sechs Jahrzehnten kollektiv noch nicht erfolgte Trauerarbeit erhält also eine zaghafte Chance durch politisch unkorrekte Stelenhüpfer. In der Tat genießen viele der Mahnmaltouristen als Nachgeborene den Freibrief der von Kohl reklamierten „Gnade der späten Geburt“; und sie gehören Nationalitäten an, die an der Judenermordung nicht beteiligt waren. Sie tragen keine Schuld. Darf ihre gutgelaunte Gedankenlosigkeit und politische Unkorrektheit, die ja unter Begleitschutz behaupteter Symbollosigkeit steht, unter solchen Umständen dumm genannt werden? Drittes Exempel: Der Ernst des Lebens Als ich ein kleiner Junge war, erzählte mir meine Großmutter oft vom Ernst des Lebens und dass er nun bald kommen werde. Diese Ankündigung traf mich stets bei ausgelassenster Heiterkeit und Lebensfreude. Die Meldung drohte den Zustand meiner seligen Unbeschwertheit jäh zu beenden. Es lag mir fern, den Einbruch der sogenannten Wirklichkeit symbolisch, metaphorisch oder als chiffrierte Botschaft aufzufassen. Unter dem Ernst des Lebens stellte ich mir vielmehr einen unangenehmen Jungen meines Alters vor, der nun bald bei uns einziehen und meinen Tagesablauf bestimmen würde; einen, der mich aus der Gunst der Großmutter zu verdrängen gedachte, um meinen Platz einzunehmen. Ich hasste diesen Ernst bereits, ehe ich ihn zu sehen und zu spüren bekam. Ich sah ihn schon vor mir: er trug einen Anzug, ein sauberes Hemd und sogar ein Krawatte. Sein Haar war gewaschen und gescheitelt. Er hatte saubere, geschnittene Fingernägel, und seine geputzten Schuhe glänzten. Er hatte eine blinkende Brille auf, die ihn klug aussehen ließ. Um seinen schmalen Mund war ein entschlossener Zug. Wenn Ernst allenfalls höflich lächelte, blieben seine Augen davon unberührt. Sie wirkten leblos, die Stimme war flach und etwas gequetscht und klang, als käme sie aus einer Kartonschachtel heraus. Sicher mag er keine Tiere, dachte ich, weil sie riechen und ihm vielleicht die Bügelfalten ruinieren könnten. Er wusste anscheinend immer,

was sich gehört. Er verstand keinen Spaß. Er war der vollkommene Spielverderber. Dieser Ernst mit dem komischen Beinamen Deslebens (den man als Bildungsbeflissener durchaus auch französisch korrekt Delöbañ aussprechen könnte), lebt noch immer fort. Und sein Herrschaftsbereich dehnt sich ständig aus. Aus dem blöden kleinen Ernstl ist ein großer staatstragender Ernst, ein amtlich bestallter Spielverderber geworden. Er spricht warm und kalt aus einem Munde. Als Regierungssprecher verkündigt er beschlossene Grausamkeiten. Als Wirtschaftssprecher kündigt er einschneidende Maßnahmen an. Als Präsident des Industriellenverbandes droht er mit Abwanderung ins Billiglohnland. Als Gewerkschaftsboss mit dem Rücken an der Wand mahnt er, in den sauren Apfel zu beißen. Als Aufsichtsrat der Katastrophenbergbahn weist er alle Verantwortung von sich. Als Blutbankdirektor kann er sich nicht vorstellen, wie die HIV-verseuchte Charge in Umlauf gelangt ist. Als Umweltminister erklärt er, dass bei der Panne im Atommeiler zu keiner Zeit eine Gefahr bestanden hat. Mit dezent plissierter Stirn versteht er es, jede Situation zu meistern, jeden Ton zu treffen und jeden Einwand als Problem des Einwendenden zu identifizieren. Er ist ein Routinier der Betroffenheit, ein Terrorist der politischen Korrektheit. Zu seinem Geschäft gehört es, die eigenen Gefühle in Schach zu halten, denn Ablesbarkeit bedeutet Kontrollverlust. Dem Dandytum von einst mit seiner stilvollen witzigen Unerschütterlichkeit und Nonchalance steht in der globalisierten Welt nun das neue Ideal gesellschaftlich genehmigter Gefühllosigkeit und rücksichtsloser Ausbeutung gegenüber. All jene, die angesichts des Zustands unseres Planeten nichts zu lachen haben, bilden nun die massenhafte Zielgruppe einer Fröhlichkeitsindustrie, die mit grimmiger Entschlossenheit und großem Ernst eine Palette von Wellnessangeboten und Selbstbeglückungstechniken propagiert, um auf die frustrierten Gesichter der Arbeitslosen und anderer Globalisierungsopfer den Abglanz inneren Friedens und guter Laune zu zaubern. So will es nun fast scheinen, die Titelthese bewahrheite sich am Ende doch noch: dann wäre der gut Gelaunte wirklich der Dumme. Allerdings nicht, wenn er Josef Ackermann heißt.


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Fenster von sich selbst Vom Videostill zum Gemälde: Martina Steckholzer hat die Titelseite dieser Ausgabe gemacht und sechs Doppelseiten im Heftinneren (S. 20 – 31). Zu Martina Steckholzers jüngsten Bildern – ein Text von Thomas Trummer. Ein dichtes Gitter aus tausenden Punkten überspannt die Leinwand. Links am äußersten Bildrand beginnen diese Punkte zu flirren. Durch Überlagerung, Verschiebung und Verzerrung entsteht ein Moirée-Effekt, wie er manchmal an fälschlich verwendeten Druckdaten erscheint. Das Flimmern intensiviert die visuelle Bewegung. Nicht allein dadurch wird der Betrachter von der optischen Sogwirkung mitgerissen, von seinem Standpunkt tief unter dem Geschehen, am Fuß eines vielleicht riesenhaften Gebäudes, von einer enormen Kraft entlang dessen Fassadenstruktur nach oben gezogen. Selten vermögen unbewegte Bilder solche Dynamik zu erzeugen wie dieses Gemälde, selten scheinen sie so aktiv die Imagination des Betrachters zu beflügeln wie jene sich vor den Augen verflüchtigende Matrix. In einem anderen, zweiten Gemälde begegnet dem Beschauer ein beruhigterer Eindruck. Die visuellen Bestandteile sind dennoch dieselben, doch statt rasender Oberfläche ein durchsichtiger Tiefenraum, statt verzerrter Perspektive fixe Koordinaten, statt Grau-in-Grau dunkles Schwarz-Weiß. Eine Vielzahl an geometrischen Schichten lässt den Blick in eine kristalline Tiefenstruktur vordringen, die optisch durchsucht und sorgfältig erforscht werden will. Dieses zweite Gemälde fordert eine andere Begegnung ein, von senkrechten Leisten gerahmt, erwartet es eine konsolidierte, aufgeschlossene Wahrnehmung, unbeeindruckt von perspektivischer Verführung, mit mehr Respekt für sein stilles Beisichsein und Selbstgenügen. Während wir im ersten Gemälde von diesem angezogen und erfasst werden, von seinem Drang motiviert, unseren Blick nach oben zu wenden, vielleicht sogar mit ihm aus dem Bildgeviert zu verschwinden, sind wir es im zweiten selbst, welche Bewegung, Illusion, Durchsichten und Raum eröffnen, in dem Bedürfnis nach Ordnungssuche und in dem Wunsch, in es mit Sorgfalt und Bedacht vorzudringen. Beide Gemälde sind Spiegel mehr als Einsichten, Reflexionen mehr als Visionen. Ihre festgehaltene Bewegung, einmal im Bild, das andere Mal durch das Bild, wirft den Beschauer auf sich selbst zurück, lässt ihn aufmerksam und gewahr werden dafür, worin Bilder und Wahrnehmung ihre Existenzbegründung finden: in dem Bezug des Sehens auf sich selbst. Martina Steckholzer sagt: „Meine Malerei ist kein Fenster, der Betrachter ist eins“. Mit diesem kurzen, sehr prägnanten Statement gibt sie zu bedenken, wie sehr Bildsehen

sich einer Selbstbeobachtung verdankt, wie wenig Wahrnehmung ohne das Bewusstsein von Wahrgenommen-Werden sich vollziehen kann, wie sehr schließlich das Interesse für Kunst von einem Interesse motiviert ist, die Welt für sich empfänglich, verfügbar und verständlich zu machen. Und so als würden beide Extreme einer möglichen Beziehung zwischen Bild und Betrachter erprobt, finden sich in den Gemälden von Steckholzer Attraktion und Absorption aufs Beste zur Anschauung verbildlicht. Es ist der Betrachter, der auf dem Prüfstand steht, er ist das Fenster, durch das gesehen wird, angeregt durch den Testfall des Bildes. In seiner Fähigkeit zur inneren Transparenz verbirgt sich der Schlüssel für ihr Verstehen. Malerei verstanden als Anregung, um eigene Spiegelung, Selbstbegegnung und Regungsfähigkeit zu registrieren. Martina Steckholzer beherrscht die Sichtbarkeitsvorgaben der Malerei, bedient mit Bravour ihre Lenkungseffekte, weiß um das Erkenntnispotential von Ahnungen und visueller Verunsicherung. Dass ihre Bilder die Illusion von Bewegung derart erstaunlich auslösen, ist darin begründet, dass sie ihre Herkunft Bewegungen verdanken. Steckholzer benutzt eine Videokamera, um aus deren Aufzeichnungen Vorlagen für ihre Gemälde zu gewinnen. Deshalb handelt es sich um Motive im engeren Sinne des Wortes, Sujets, die sich einer Motivation schulden. Das bedeutet, Dynamik wird keineswegs als Verführung entworfen oder im Nachhinein rekonstruiert, sie ist von Anbeginn Teil einer künstlerischen Strategie. Es sind Streif­ züge, nahezu unwillkürliche Akte der Sinn- und Motivsuche, um aus deren Fundus am Ende eine Spiegelung des Inneren zu gewinnen. Jedes ihrer Bilder verdankt sich solchen Bewegungen und Begegnungen. Gewöhnlich führt Steckholzer die Handkamera. Dadurch registriert sie auch die unvorhersehbaren, taktilen Momente des Sehens. Die Kamera notiert jede Verfälschung, korrigiert das Gesehene nicht wie das rationale Auge, stellt es nicht still und fügt es nicht zur schlüssigen Einheit wie das intelligente Betrachten, sondern lässt Unschärfen, Täuschungen und Selbsttäuschungen bestehen. Sie bleibt verlässlich in ihrer Unverlässlichkeit, zeichnet emotionslos auf, was ohne Emotionen nicht zu denken wäre, das Geheimnis der Wahrnehmung als solche.


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Steckholzer wählt sehr bewusst diese Vorgangsweise. In den Bewegungen des Körpers findet sie den Hinweis auf die verborgenen und verdrängten Erfahrungen des Ichs, in den Vibrationen der Hand den Gegensatz zu den berechnenden Augen, die sich gerne auf gleicher Höhe befinden, um die Kontrolle über die Erfahrung zu bewahren. Die Kamera ist für Steckholzer weniger Stellvertreter des Auges, vielmehr ein Hilfsmittel und sensorisches Verlängerungsorgan ihres Körpers. Durch das Strecken und Schweifen der Arme nähert sie sich dem Motiv, um motorische, ephemere und subjektive Anteile der Wahrnehmung zu bewahren. In ihrer Absicht, Wahrnehmung als Spiegelung zu zeigen, die ebenso bewegt ist wie zu Bewegung veranlasst, werden vor allem die unwillkürlichen Anteile körperlicher Begegnung Aufzeichnung finden, die Empfindlichkeit des Ichs und seine Fähigkeit zur Regung. Sosehr Steckholzer Motivationen beabsichtigt, so verliert sie sich dennoch nicht in diffuser Verflüchtigung. Ihre Absicht ist das Festhalten, Aufzeigen, Sichtbar-Werden von Empfindungen und Erkenntnis. Ihre Kunst ist die Kunst, dies durch Kunst anzuzeigen. Durch den Blick auf die eigene Beobachtung wird sich der Betrachter seines Sehens gewahr, zugleich empfindlich für den Verlust des Empfundenen während des Wahrnehmens. Es ist ein Gesetz unseres Denkens. Jede Selbstentdeckung und -beobachtung kann sich nur unter der Voraussetzung vollziehen, die Außenwelt zu einem guten Teil unberücksichtigt zu lassen. Denn eine Wahrnehmung, die sich untersucht, wird sich um ihrer selbst willen rationalisieren, wird ihren Erlebnisgehalt neutralisieren, indem sie sich zuwendet, um von außen zu erwirken, was eigentlich nur von innen her und ohne Kontrolle möglich ist. Sie wird wahrscheinlich den Verlust der Erlebnisintensität akzeptieren, um ein Verständnis, ein Fenster von sich selbst zu gewinnen. Steckholzer berücksichtigt all dies. Die Ergebnisse ihrer Streifzüge erlauben die Aufzeichnung jener umfangreichen und unzertrennlichen Dimension des Erlebnisaktes, das unvorhersehbare Zusammenspiel von Attraktion und Absorption. Jedoch, und dieser Einwand ist wichtig, sie erlauben keine Verortung von Wahrnehmung in der Zeit, oder wie Steckholzer mir mitteilt, die Fixierung jenes flüchtigen Moments, der „erotisch“ ist und in ihren Bildern wohl mit dem Moment der Erkenntnis zusammen fällt. Um dies zu ermöglichen, den eigentlichen Erfahrungsgehalt zu bewahren, die Intensität zeitbedingten Erlebens, selektiert die Künstlerin ihre filmischen Bilder. Sie unterzieht sie einem kritischen Auswahlverfahren. Es

geht darum, gegen den Verlust und das Verschwinden des Wahrgenommenen anzuarbeiten, um nach Bildern zu suchen, in denen Bewegung nicht gefroren oder anonymisiert erscheint, sondern weiterhin lebendig und individuell bewahrt wird. Um dies zu erreichen, gleichsam um die Ewigkeit des Moments zu sichern, sortiert sie den Film, ordnet seine Eindrücke, sorgfältig und mit Kenntnis, zerteilt seine Dauer in Sinneinheiten, um eigene und fremde Motivationen nicht zu ersticken. Am Ende gewinnt sie weniges, zugleich aber vieles, denn die einzelnen Resultate sind ebenso einmalige wie reiche und sprechende Bilder. Es sind Bilder, die im buchstäblichen Sinne als still gelegt zu bezeichnen sind, Filmstills, Ausschnitte aus der Zeit, Momentaufnahmen, die Bewegung anhalten, anstatt sie zu beschleunigen. Dennoch handelt es sich keineswegs um still gelegte Erfahrungen. Vielmehr beweist die Malerin, die in diesem Arbeitsstadium um der Vorbereitung willen noch mit anderen, fremden, technischen Medien hantiert, dass sie in der Lage ist, Bilder ausfindig zu machen, die Bewegung und Erlebnisintensität sogar über das Anhalten hinaus entfalten können. Kaum anders als durch diese erstaunliche Fähigkeit wäre erklärbar, warum in den beiden anfangs beschriebenen Gemälden sich solche fordernde Dynamik artikulieren könnte. An den Gemälden wurde ersichtlich, dass Steckholzer bereits vor dem Malakt darauf achtet, dass im Motiv jene inneren und äußeren Motivationen gegenwärtig bleiben werden, die die Anwesenheit eines suchenden und selbstreflexiven Ichs belegen. Darum sind jene Stills mehr als nur Vor-Bilder, vielmehr handelt es sich um unbewegte Bildsujets, die mehr noch als die bewegten, denen sie entnommen sind, der Bewegung des Körpers, seinem Drang nach Raum und Erfüllung zur Kondensation verhelfen. Und doch gibt es einen zweiten ernsten Einwand. Jene Vor-Bilder, so reich und dicht sie auch sind, vermögen nichts anderes als Unterlagen zu liefern, die sich dem Speicher einer technischen Apparatur verdanken. Sie sind durch die Aufzeichnungsvorgaben der Geräte, mit denen sie aufgenommen sind, geprägt und dadurch verfälschend. Im Kontrast mit der Vielfalt persönlicher Wahrnehmungen, Befindlichkeiten und Stimmungen, wie wir sie tagtäglich erleben, werden sie kaum bestehen können. Kurzum, so hilfreich die Medien bei der Aufzeichnung von Erfahrungen und persönlichen Begegnungen sein mögen, die Totalität eines Erlebnisses, jene intrinsische Sinnsuche, die jede Wahrnehmung begleitet und bereichert, ist durch sie niemals einzuholen. Weil Kamera und Stills bewahren, jedoch kein Gedächtnis besitzen, reichert Steckholzer ihre Motive


4 Rainald G: Jahrzehnt der schönen Frauen, Berlin , S. . Nelson G:Weisen der Welterzeugung, Frankfurt/Main, S.  u. . Ludwig W: Tractatus logicophilosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung, Frankfurt/Main, S. . Sören K: Der Begriff Angst, Hamburg , S. . Ernst H.G: Vorwort, In: Ernst Kris, Otto Kurz: Die Legende vom Künstler. Ein geschichtlicher Versuch, Frankfurt/Main , S. . Martin Ludwig H,Tobias F. K, Sibylle N (Hrsg.): Culture Club. Klassiker der Kulturtheorie, Frankfurt/Main, S. . 8 —(E )TIQUE, Marcel B: POLI Wien , S.  [Marcel Broodthaers, Moi aussi, je me suis demandé si je ne pouvais pas vendre quelque chose…, , Einladungskarte zur Ausstellung in der Galerie Saint-Laurent, Brüssel, Druck auf Anzeigenseite aus Zeitschrift]. M: The Ordinary Boys, Viva Hate, EMI Records . ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Eric B, Russland -. Eine ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ historische Foto-Reportage, Zug , ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ S.  [ Titel: Je länger die Hungersnot ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ anhält, desto häufiger kommen Fälle von ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Kannibalismus vor. Das Grauen über‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ steigt jegliche Vorstellungskraft]. ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ http://www.putmap.com/imag .jpg. ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Katharina M-A: Lee Miller. ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Kriegskorrespondentin für Vogue, Fotografie ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ aus Deutschland , Marburg , ‒‒‒‒‒‒ S. . ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ www.picture-alliance.com [Signatur: ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ , Foto:Wolfgang Langen‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ strassen, © dpa.Titel: Neue RTL -Show ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Teufelsküche. Der Sternekoch Christian ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Rach (Michelin , l-r) posiert am ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Freitag (..) in seinem Restau‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ rant Tafelhaus in Hamburg anlässlich ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ des Starts der neuen RTL-Show Teufels‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ küche mit dem Schlagersänger Patrick ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Lindner und der Moderatorin der Show]. Andy W: a Ein Roman, Köln , S. ‒.

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10 M: The Ordinary Boys, Viva Hate, EMI Records . ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ T S: Meat is Murder,Transmedia ‒‒‒‒‒ . ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ www.picture-alliance.com [Signatur: ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ , Foto: Stephanie Pilick, © dpa. ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Titel: Eröffnung Holocaust-Mahnmal]. ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Wieland H, John Heartfield. ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Leben und Werk, dargestellt von seinem ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Bruder Wieland Herzfelde, Dresden , ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ S.  [ John Heartfield, Adolf – der ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Übermensch. Schluckt Gold und redet ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ ‒‒‒‒‒Juli ‒‒‒‒‒‒‒]. ‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Blech, . ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ http://accentartandframe.com/ ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ [British Prime Minister Winston Chur‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ chill responds with ›V‹ for victory sign]. Andy W: a Ein Roman, Köln , S. ‒. 12 M: The Ordinary Boys, Viva Hate, EMI Records . ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Roland M, Heartfield montiert. ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ ‒, Leipzig 1993, S. 9 [ John ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Heartfield, Selbstbildnis, Berlin 1920, ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ ‒‒‒‒‒‒ Ausschnitt aus dem »dadaco«]. ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Boris L, Seymour K: NO!art. ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Pin-ups, Exkrement, Protest, Jew-art, Berlin; ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ Köln 1988, U4 [Umschlagentwurf von ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ ‒‒‒‒ Ronaldo Brunet, New York]. ‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒‒ http://www.globalfire.tv Andy W: a Ein Roman, Köln , S. ‒. 32 Mark Z: Die schönsten Bergwanderungen in Südtirol, München , S. . Wolf J: Die Kunst von Gilbert & George oder eine Ästhetik der Existenz, München , S. . www.bonnefanten.nl/pers/ [Gilbert & George opening Bonnefantenmuseum .., Foto: Harry Heuts]. 34 www.htbl-hallein.salzburg.at [ Erstellt von Prof. Mag. Helmuth Hickmann]. 36 Wolf J: Die Kunst von Gilbert & George oder eine Ästhetik der Existenz, München , S. . Annie P: Brokeback Mountain, . erweiterte Auflage, München/Zürich , S.  http://www.hotel-laperla.it

38 Theodor W. A: Sexualtabus und Recht heute, In:Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften. Band ., Kulturkritik und Gesellschaft II, Eingriffe, Stichworte, Anhang, Frankfurt/ Main , S. . Eckhard S (Hg.): Gilbert & George. An Exhibition, Köln 2002, ohne Paginierung [Portrait by Cecil Beaton at the photographer’s home, London, ]. Henrik O: § / München, In: Christiane Mennicke, Silke Wagler:Von der Abwesenheit des Lagers. Reflexionen zeitgenössischer Kunst zur Aktualität des Erinnerns, Berlin , ohne Paginierung. 40 John C, Lou R: Small Town. Songs for Drella, Sire/London/Rhino . Mark Z: Die schönsten Bergwanderungen in Südtirol, München , S. . Eckhard S (Hg.): Gilbert & George. An Exhibition, Köln , ohne Paginierung [Foto: David Seidner, ]. Wolf J: Die Kunst von Gilbert & George oder eine Ästhetik der Existenz, München , S. . Henrik O: § / München. 42, 44, 46, 48, 50 Markus D: Open Studios, AGI Congress Berlin , Spector, Markus Dreßen, Leipzig . 54 Gilles N, Kathrin M (Hrsg.): Devils, Köln/ London u.a., S. 64 Matei B, Travelling Guide, In: Idea. arts+society, Nr. 21, 2005

72 Carl W, Das Burroughs-Experiment. In: Michael Köhler (Hg.), Burroughs. Eine Bild-Biographie, Berlin , S. . Christopher D, Soziale Praxis und Improvisation, In: b&k+, Bergische Universität GH Wuppertal, Akademie der Stadt Sindelfingen (Hrsg.), Political Landscape. Köln , S. . 74 Heinrich Z: Die Launen des Zufalls. Wissenschaftliche Entdeckungen von Archimedes bis heute, Darmstadt , S. . Ulrich G: Verschwinden.Wegsehen. Ignorieren.Vergessen.William S. Burroughs’ subversive Strategien des Cut-up und die Gesellschaft der Kontrolle, In: b&k+, Bergische Universität GH Wuppertal, Akademie der Stadt Sindelfingen (Hrsg.): Political Landscape. Köln , S. . André B: Erstes Manifest des Surrealismus, In: André Breton: Die Manifeste des Surrealismus, Hamburg , S.. 76 Der Beginn einer Epoche.Texte der Situationisten, Hamburg , S. . Peter C (Hg.): The Letters of Horace Walpole, Earl of Oxford, Vol. , London . 80, 82, 84, 86, 88 Andy W: a Ein Roman, Köln . Anne K: Kreuz bei Null [der Text basiert auf Tonbandprotokollen von vier Müttern, Oktober ]. 90 Roland R: Anonymes Bauen. Nordburgenland, Wien/ Köln/ Weimar . 92 Bernard R: Architektur ohne Architekten. Eine Einführung in die anonyme Architektur, Salzburg .

68 Oxford English dictionary, 2nd ed,Vol. XV, Oxford . Tom MD, Städte und Zeichen: Gedächtniskarten,Visualität und Blindheit, In: Nina Möntmann (Hg.),  – town projects, Frankfurt , S. .

94 Raimund A: Elementare Architektur, Salzburg .

70 Alan M.T, Intelligence Service. Schriften, Berlin , S. f. André B, Erstes Manifest des Surrealismus, In: André Breton, Die Manifeste des Surrealismus, Hamburg , S. .

120, 122, 124, 126, 128 Andrej A.T: Andrej Rubeljow, Berlin , S. ‒. Bibliographie zur Glockenkunde nebst einigen Tonträgern, In: www.grabinskionline.de/glocken/biblio.html


im dritten und letzten Filterungsakt mit eigenen Erlebnisdimensionen an. Streifzüge und Vor-Bilder stellen lediglich das Material dar. Die Herstellung eines Gemäldes ist hingegen der bedeutsamste Akt, ein aktives Tätigsein vor der Leinwand, ein Ausleben, selbst Bewegung, nicht bloße Rekonstruktion oder Gedächtnisübung. Steckholzer kommt es auf das befreiende Tun des Malens an, auf die Spur, die sie als Künstlerin am Gemälde hinterlässt. Die Aufzeichnungen der Kamera werden dabei mit einem erneuerten Erlebnisgehalt angereichert, dem bereits Erlebten ein aktuelleres Erleben hinzugefügt. Über die Aktivierung apparativer Aufzeichnungen durch neues Handeln wird die von ihr beabsichtigte Überlagerung von Zeiten ermöglicht, das Zusammenschmelzen von vergangener und momentaner Erfahrung, von Erinnerung und Beleben, von Rückschau und Jetzt. Es entstehen Bilder, in denen die flüchtigen Momente rekonstruierter Wahrnehmung zu einer Verdichtung mit neuen gelangen, apparative und menschliche Wahrnehmung zur Annäherung oder vielleicht sogar zur Deckung finden. Anstelle von Abstraktion sind diese Bilder als Bestätigung des Wechselspiels von Attraktion und Absorp­ tion zu lesen, d. h. als innerer Bewegungsdialog zwischen Gemälde und Beschauer. Dies ist auch richtig und gut so. Denn die formalen Elemente in ihren Gemälden verdanken sich keiner Entleerung oder einer wie immer gearteten Eigengesetzlichkeit und vorherbestimmten Logik. Steckholzers famose Kunst der malerischen Blickführung wäre zutiefst missverstanden, würde man ihre Bilder als inhaltsleere Formationen auffassen, etwa nach dem Muster der klassischen Avantgarde, die sich festgelegter Formen bediente, um der Wirklichkeit eine andersartige, fiktive entgegenzusetzen. Im Gegenteil, Steckholzers Bildwelten sind nicht als Eigenformat und Gegenwelt zur Wirklichkeit erfunden, sondern der Wahrnehmung und ihren kontingenten Bedingungen angeglichen, weil dem Wirklichen und dem Seienden abgeschaut. Bei all dem ist Steckholzer unzweifelhaft eine überlegte und sehr gewissenhafte Malerin. Ihre Fähigkeit zu planmäßigem Vorgehen wird an der akribischen Malweise, an einem Festhalten an der Kultur präziser Formen nachweisbar. Klare Linien, exakte Konturen, flache Flächen. Kein Detail scheint abseits von wissender Beobachtung. Und trotz der Übersicht, die Steckholzer durchgehend bewahrt, und der Berechnung, mit der sie die Komposition von Anbeginn belegt, lässt sie in keinem Gemälde den Hinweis auf Spontaneität vermissen, gibt einen oder mehrere Be-

lege auf den Akt des Malens, zeigt mithin offen das Authentische, Einmalige und Zeitgebundene des Erlebens. Entscheidend ist die Qualität der Begegnung und ihre Überzeugung, dass kompositionelle Ideen durch Zufälligkeit bereichert, nicht beschädigt werden. Manchmal sind es verlorene Spritzer von Farbe, kleine Rinnsale oder Ungereimtheiten im Duktus, die an der Bildkante oder Peripherie irritieren, manchmal ist es der Malakt selbst, der Schwung der Hände, die ehemals die Kamera hielten und nun den Pinsel führen, die den Beweis dafür liefern, dass Steckholzer sich selbst und eine emotionale (erotische) Unberechenbarkeit ins Spiel bringt. Die Farbskala ihrer neuesten Bildserie, die in diesem Heft exklusiv abgedruckt ist, ist beschränkt, limitiert auf Schwarz, Weiß und ihre Zwischenwerte in Grau. Eine solche Reduzierung mag verwundern, besonders bei all den Hinweisen auf emotionale Werte. Bei genauerem Hinsehen aber wird klar, dass die Beschränkung auf Nichtfarben derselben Absicht folgt wie die Festlegung auf geometrische Formen. Diese Gestaltungsbeschränkungen deuten weniger auf den abstrakten Gehalt eines Gemäldes, als vielmehr auf ihre Herkunft aus einer fremden, nichtmalerischen Welt hin. Steckholzer selbst bezeichnet ihre Bilder als „malerischen Dokumentarismus“. Dies widerlegt nicht das Wechselspiel von Attraktion und Absorption. Denn ihre Bilder, die sich als Beobachtungsanalysen verstehen, folgen einem bestimmten künstlerischen Programm, einem bestimmten didaktischen Vorhaben. Es betrifft die Sujets, die Motive, d.h. recht eigentlich die Motivationen. Tatsächlich entstammen Steckholzers Bildthemen ausschließlich der Welt der bildenden Kunst. Was wir an ihren Bildern sehen, ist bereits durch sie anderswo gesehen worden. Raster, Strukturen, Schachbrett und Geometrien sind Eindrücke von Kunstwerken, die bereits bestanden, bevor sie in Filmen, Stills und Gemälden verzeichnet wurden. Darum sind Steckholzers Bilder stets Bilder nach Bildern, dabei zugleich intensive Selbstbeobachtungen und kondensierte Erfahrungen nicht eigener Kunst. Es ist die Selbstwahrnehmung am anderen, die sie interessiert und uns nahe legt. Es ist die Beobachtung während des Beobachtens, die Spiegelung im Anderen, welche der Erfahrung zur Erotik und der Wahrnehmung zur Erkenntnis verhilft, nicht zuletzt das Fenster zum eigenen Ich durch den Spiegel der Kunst eröffnet.














SĂźdtirol

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Daheim bei Gilbert

Der Gilbert vom berühmten Künstlerduo Gilbert & George ist ein Südtiroler. Florian Kronbichler hat sich in der Verwandtschaft umgehört. Ruft mich irgendwann im Sommer die Redaktion an: „Florian, wir wollen von dir einen Aufsatz mit dem Titel ‚Daheim bei Gilbert‘ “. Ich drauf: „Was für ein Gilbert?“ Die Redaktion: „Gilbert & George, kennst du doch.“ Am anderen Ende der Leitung klingt das so, dass auch ein Selbstbewussterer als ich sich nicht getraut hätte, nein zu sagen. „Ah ja,“ sag ich nur noch. „Daheim bei Gilbert“ also. Nichts über ihn, nur von daheim bei ihm. Die Redaktion meint, Jugendfreundschaften auftreiben wäre gut; schön wäre, wenn noch die Mutter lebte, vielleicht; ich müsste halt dort, „in Gröden oder so“ nachfragen. Ladinien liegt aus Nicht-Südtiroler Sicht immer „in Gröden oder so“, und sei es auch das Gadertal. Auftrag also angenommen, ich begebe mich auf die Suche nach Gilbert. Diese beginnt man, wie jede Suche neuerdings, im Internet. Ich google „Gilbert & George“ und mache gleich eine Entdeckung: Man vernachlässigt nicht ungestraft den meldeamtlichen Zunamen. Wie heißt denn dieser Gilbert wirklich? Prosch, Proesch, Prousch – das weltweite Netz bietet alle drei Varianten an. Dazu die ungefähre Ortsangabe: „in den Dolomiten“ (und um nichts genauer auch „in den ladinischen Dolomiten“). Mein heimatkundliches Gespür verlässt mich nicht: Ich tippe auf Prousch, und Prouschs gibt’s in St. Martin in Thurn, im mittleren Gadertal, das weiß ich, und ein besonders liebenswürdiger Ableger der Prousch-Sippe führt das Gasthaus „Anita“ am Bozner Obstplatz. Dorthin führt mein erster Weg. Ein kommoder Einstieg in eine Recherche, eigentlich. Ich finde es nur seltsam, dass nach einer Weltberühmtheit so investigativ gesucht werden muss. Ich treffe gleich auf die Seniorchefin, Anita, und frage, ob sie, wo die Familie doch diesen Namen trage und aus der Gegend dort

stamme, ob sie einen Gilbert Prousch, den von Gilbert & George, ob sie den kenne. Und ob! „Der Gilbert? Mein Mann ist der Onkel von dem. Wir sind verwandt, aber wir haben eigentlich nichts zu tun damit.“ Wollte ich auch nicht unterstellt haben. Ich sagte nur, ich sei somit bei ihrem Mann an die rechte Stelle geraten mit meinem Anliegen. Oh, nein, da war die Wirtin gegenteiliger Meinung. Ihr Mann, der Gustl, sei nicht mehr besonders gut beisammen, und außerdem … er habe nichts gegen den Gilbert, „aber Sie wissen ja, der …, die älteren Leute sind halt so, heute ist ja nix mehr dabei, heute sind ja viele so, ganz offen, aber die älteren Leute, die wollen nicht reden drüber …“ Die Frau erzählt mir noch, als Gilbert & George in Bologna eine Ausstellung eröffneten, vor ein paar Jahren war das, da sei sie mit ihrem Mann hingefahren, und er habe mit seinem berühmten Neffen auch gesprochen, aber die Bilder habe er sich nicht angesehen. „Das hat er nicht derpackt“. Wir einigen uns, ich würde mit einer der Töchter sprechen. Aldina sei die Zuständige. Die stehe in Kontakt mit dem Cousin und wisse alles von ihm. Nur, es war grad Mittag, Hochbetrieb im Restaurant, ich würde ein anderes Mal kommen, wenn es ruhiger zugehe. Das tue ich, aber Fehlanzeige: Nein, über Gilbert gebe es nichts zu sagen, jedenfalls nicht von ihrer Seite. Aldina findet mich höflich bestimmt ab. Es sei ihr Gilbert, sie habe ein gutes Verhältnis zu ihm und habe keine Lust, sich dieses durch irgendwelches Getratsch verderben zu lassen. Ich bin kein Anfänger, und so leicht lasse ich mich nicht abwimmeln. Mein Anliegen sei nicht eigentlich Gilbert, sondern „Daheim bei Gilbert“, also nicht der Mensch, sondern eher der Ort, die Umstände mehr


Liste aller Schülerinnen und Schüler der Bildhauerschule in Hallein ab 1887 Ablinger Traudi 1966 Aichinger Birgit 2001 Aigner Johann 1961 Albe Moritz 1922 Albert Thomas 2000 Alge Mauritz 1918 Alker Andrea 1983 Alzner Leonhard 1998 Anker Mathias 1953 Arnold Bernd 1978 Aschaber Herbert 1983 Asen Verena 1993 Bachmayer Klaus 1975 Baier Gerhard 1972 Beran Wolfgang 1973 Berger Ursula 1974 Bergmaier Tatjana 2002 Bernhofer Petra 1981 Bichl Andreas 1984 Binder 1946 Binder Christine 1996 Binder Karl 1945 Birtic Veronika 1962 Blahowetz Ludwig 1944 Blaselbauer Thonas 1982 Blattl Waltraud 1958 Blieberger Marta 1944 Blühm Raffael 1999 Bogensberger Kurt 1991 Böhme Ferdinand 1983 Bornkessl Karin 1964 Botzenhardt Inge 1942 Bourjevis Georgette 1927 Brandauer Karl 1919 Brandstätter Natascha 1989 Brandstätter Peter 1973 Breitfuß Ingo 1989 Breitfuß Klaus 1987 Brugger Karl Heinz 1989 Bubendorfer Felician 2001 Buchner Sarah 2001 Costanzo Catharina 1997 Dangl Marina 1966 Danninger Bianca 1996 Daringer Manfred 1964 Delcher Jacqueline 1992 Dellago Nino 2001 Deusch Christian 1993 Dick Roland 1963 Dickinger Martin 1976 Dobelhammer Georg 1975 Döller Alexandra 2000 Domenig Hannes 1977 Domenig Johann 1919 Domig Daniel 1998 Druskovic Radha 1998 Dum Christina 2002 Dutter Michael 1994 Ebner Michaela 1999 Eckert Helmut Christian 1966 Eder Heinrich 1981 Eder Karin 1982 Egger Andreas 1923 Eibl Alois 1920 Eibl Britta 1992 Eibl Gundula 1949 Einwallner Philipp 2001 Engelhard Konrad 1965 Ernstbrunner Leopold 1963 Essl Christiane 1996 Esterbauer Manfred 1993 Estermann Bernhard 2000 Etzer Georg 1988 Fallwickl Rene 1998 Fallwickl Willhelm 1925 Fessler Hubert 1949 Fiedler Heinz 1977 Fink Fabian 1993 Fink Manfred 1990 Fink Renate 1991 Fischer Daniele 1989 Franzel Christian 1964 Frickh Michael 1997 Fuchs Ernst 1942 Fuchs Irmgard 1985 Fuchs Michael 1972 Gachowetz Markus 1985 Gahr Robert 1992 Gans Friederike 1983 Ganster Doris 1993

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Ganzer Ludwig 1949 Gappmaier Stefan 1979 Gartner Daniela 1988 Gasslberger Martin 1923 Gassner Alice 1989 Gattinger Astrid 1990 Gatto Astrid 1986 Gebhart Rainer 1991 Ghezzi Erich 1942 Gimpl Martina 1983 Glantschnig Josef 1948 Göllner Caroline 1994 Goder Gerhard 1971 Gogl Oliver 2002 Golser Herbert 1981 Gregor Theresa 2001 Gritzner Franz 1948 Grömmer Rosina 1969 Gruber Manuel 1999 Gruber Oskar 1927 Gruber Wilfried 1971 Grundner Edmund 1969 Grünwald Thomas 1993 Gstöttenmaier Solvei 1975 Gündera Patrick 1999 Haas Andreas 1993 Haberpointner Alfred 1980 Haingartner Christine 1979 Haitzer Lambert 1992 Haitzer Lambert 1993 Hansen Lukas 2002 Hartl Peter 1976 Hartl Peter 1977 Hasenauer Franz 1936 Hasenauer Friedrich 1969 Haslauer Maria 1990 Häuslschmid Clamens 1986 Hecke Arthur 1925 Heidrich Andreas 1993 Heinzel Walter 1919 Helminger Heinrich 1978 Helminger Wolfgang 1962 Hensel Sophie 1996 Hensel Willi 1992 Herbst Rupert 1933 Herbst Rupert 1943 Herrmann Marieluise 1928 Hickmann Martin 1997 Hilzensauer Alexander 1985 Hinterberger Johannes 1962 Hlebaina Andrea 1993 Hlebaina Claudia 1992 Hochsteger Clemens 1997 Höfinger Oskar 1952 Höfner Clodith 1953 Höll Andreas 1989 Hörl Thomas 1997 Hofbauer Simone 2001 Hofer-Rettenwender Julia 2002 Horvath Franz 1961 Huber Christian 1982 Huber Olivia 2001 Huber Tristan 2002 Hubmann Verena 2001 Hula Christl 1953 Huss Thomas 1955 Huttary Markus 1998 Innerhofer Martin 1971 Janda Albin 1918 Jansa Christine 1972 Janscha Johann 1924 Jenny Inge 1942 Jetzinger Tanja 2000 Jindra Egon 1972 Jordan Reinhard 1981 Kaluppa Ursula 1972 Kandler Marion 1990 Kany Julius 1949 Kapfer Franz 1985 Kargruber Franziska 1999 Karnutsch Wolfgang 1983 Karrer Walter 1938 Kastler Hans 1945 Kempf Christa 1980 Khan Silvia 1995 Kinner Bartholomäus 1995 Kirchberger Manuela 1979 Klammer Johann 1972 Klang Fanny 1994 Klein Gerald 1987 Kloska Adolf 1947 Knoll Anna 1999 Knopp Florian 1991 Koller Friedrich 1955

Krainer Harald 1956 Kranavettvogel Ludwig 1919 Kranzinger Norbert 1970 Krauss Nicole 1988 Kreis Antonia 1988 Kreuzer Christian 1980 Kroll 1922 Krug Alexander 1948 Kubitschek Gerold 1970 Kurz Alfred 1943 Lackner Michael 1996 Lackner Thomas 1984 Langegger Heide-Marie 1996 Leberer Martin 1968 Lechner Anita 1988 Lechner Ferdinand 1924 Leeb Gustav 1925 Leitner Astrid 1968 Lemerz Peter 1947 Lenz Heinrich 1943 Leutgeb Eva Maria 1994 Lezuo Mario 1992 Lienbacher Eva 1948 Lindtner Johann Josef 1986 Ljubimir Boris 1998 Löffelberger Hilde 1980 Lonski Albin 1937 Lottermoser Claudia 1985 Lukesch Andreas 1989 Mackl Erika 1984 Madile Hedwig 1972 Maier Harald 1948 Maier Marie-Luise 1999 Mandl Karl 1930 Manz Karl 1920 Marin Daniel 1955 Marius Haike 1995 Markovic Daniel 1994 Mathoy Christoph 1998 Mauracher Peter 1975 Maurer Markus 1985 Maxones Johann 1918 Maxones Josef 1922 Mayer Berthold 1975 Mayer Werner 1976 Mayr Christine 1974 Mayr Melanie 1999 Mehringer Adolf 1940 Mehringer Ernst 1942 Meierhofer Walter 1954 Meindl Peter 1928 Meixner Stefan 2002 Michael Christian Andreas 1999 Minovic Leopoldine 1948 Mittendorfer Günther 1982 Mitter Nora 1998 Mittermayer Lydia 1991 Moroder Friedrich 1966 Moser Helma 1961 Moser Karin 1983 Moser Paul 1919 Mühlbacher Herbert 1942 Mühlbauer Harald 1968 Mülleitner Hartwig 1984 Müller (Leis) Robert 1961 Nedeljkovic Milan 1927 Neff Sarah 2000 Neu Marie 1917 Neuhuber Helmut 1959 Neureiter Karin 1989 Niederseer Petra 1981 Nimmervoll Wielfried 1973 Nitsch Steven 2002 Nowak Alexander 1995 Oberndorfer Sylvia 1979 Oberrosler Greta 1973 Obersteiner Gerald 1975 Oberwimmer Stefanie Öhlschuster Johann 1941 Öllinger Michael 1980 Opitz Gisela 1943 Otte Werner 1949 Pacher Johannes 1975 Paul Josef 1945 Paulesich Josef 1951 Paulus Walter 1972 Pausch (Präauer) Eva 1991 Peer Sandra 1998 Pektor Ursula 1995 Penetzdorfer Peter 1994 Perz Thomas 1993 Peterka Renate 1973 Petz Richard 1982 Pfeifhofer Peter 1948

Pickl Thomas 1981 Pink Daniel 2001 Pitscheider Alois 1972 Planckh Lydia 1982 Platzer Petra 1984 Pliessnig Emmerich 1943 Pöchhacker Felix 1997 Pock Ilse 1949 Pointl Andreas 1919 Pointner Friedrich 1946 Pointner Friedrich 1949 Pölzl Ernst 1944 Pompernigg Erwin 1972 Präauer Aurelia 2002 Prähauser Alexander 2000 Praschberger Werner 2000 Prechtl Gabriele 1977 Prenn Hugo 1953 Prodinger Hans Peter 1983 Prousch Gilbert 1960 Pummer Erich 1972 Quintus Florian 1993 Raab Gerald 1980 Radics Christine 1977 Radler Josef 1965 Radosavljevic Dejana 1998 Rainer Franz 1966 Rainer Stephanie 1997 Rauch Johann 1972 Rauth Susanne 1991 Rauth Susanne 1992 Redl Heimo 1966 Reich Karl 1961 Reif Erich 1929 Reif Manfred 1981 Reinthaler Arnold 1986 Reischl Veronika 1997 Reisenauer Simon 1997 Reiter Barbara 1979 Reiter Sandra Maria 1999 Rems Josef 1950 Resch Joachim 1986 Resmann Andreas 1996 Rettensteiner Ines 2000 Rinnessl Bernd-Jür 1980gen Rohrmoser Wolfgang 1980 Ronacher Alois 1946 Ronacher Walter 1958 Ronacher Wolfgang 1980 Rötzer Markus 1981 Rücker Magdalena 1989 Ruess Ines 2000 Runschke Christian 1999 Sagmeister Christina 2000 Salzburger Beate 1997 Santer Heimo 1977 Schaber Daniela 2000 Schacherbauer Gerlinde 1992 Schattauer Georgia 1992 Schattauer Hubert 1943 Schatz Franz 1936 Schatz Josef 1941 Schedler Herbert 1956 Scheichl Cornelia 2001 Scherer Kerstin 1997 Scherr Gerolf 1936 Scherr Kurt 1945 Scherrer Dolly 1969 Scherübl Wilhelm 1976 Schick Herbert 1958 Schider Leo 1918 Schider Leo 1919 Schindlauer Nina 1996 Schlechmair Daniela 1996 Schmidhuber Raoul 1995 Schmidsberger Barbara 1995 Schmuck Felicitas 1988 Schneider Alois 1936 Schöberl Thomas 1984 Schörghofer Helmut 1986 Schreiber Vinzenz 1992 Schreiber Vinzenz 1993 Schreyer Gernot 1955 Schubert Heinrich 1973 Schwaiger Johann 1971 Schwaiger Johanna 1998 Schwaiger Wolfgang 1980 Schwaighofer Peter 1971 Schwarz Franz 1978 Schwarz Hans 1977 Schwarz Karin 2001 Schwarzenbacher Hannelore 1990 Schwarzwald Bernhard 1989 Schweiger René 1976

Sedlar Roland 1990 Seebacher Regina 1998 Seidler Veronika 1991 Seiwald Georg 1987 Sem Franz 1963 Siber Gerbert 1964 Siller Brunhilde 1994 Simbüger Reinhard 1976 Smuts Alfonso 1950 Sofradzija Adnan 1994 Spöck Josef 1919 Sporn Maria 1946 Stangl Christoph 1970 Stanzer Günter 1980 Staufer Maria 1965 Steinbacher Wolf-Dieter 1979 Steinberger Agnes 1994 Steinböck Alexander 1987 Steiner Rosemarie 2002 Steiner Wilhelm 1932 Steiner Wilhelm 1942 Steinhauser Evelyn 1987 Steininger Martin 2002 Steinmüller Alfred 1988 Stix Verena 2002 Strasser Felix 1919 Strasser Josef 1949 Strasser Sofie 1995 Strieder Raimund 1983 Strobl Gunther 1978 Strodl Alexandra 1985 Taferner Johann 1919 Tamegger Dominik 1998 Tauscher Rudolf 1938 Theusinger Ulrike 1992 Theusinger Ulrike 1993 Thoeni Agnes 1959 Thuswaldner Anton 1944 Timmermann Natalie 1942 Toigo Eva 1996 Toporis Daniel 1998 Trapp Herbert 1950 Treffer Christiana 2002 Trunez Markus 1981 Tschematschar Therese 1987 Tuzar Christine 1995 Unterberger Bernhard 1979 Unterberger Margaretha 1986 Untergantschnigg Heinrich 1974 Viehauser Franz 1988 Vondrak Otmar 1918 Vilanek Johannes Sebastian 2002 Waas Martin 1990 Walcher Bernhard 2001 Walchhofer Ursula 1997 Wallisch Kristina Jakoba 1999 Wallmann Petra 1990 Wallner Rafael 1997 Wasmeyer Susanne 1981 Weckert Fina 1962 Wegenberger Manuela 1980 Weichselbaumer Anna 1997 Weinberger Trude 1943 Weinek Michael 1987 Weinhart Johann 1945 Weixler Waltraud 1954 Weixler Wolfgang 1980 Weld Heinz 1957 Weninger Josef 1979 Widauer Ludwig 1967 Widlroither Karl 1926 Wiechenthaler Kurt 1979 Wieland Andrea 1986 Wiener Peter 1974 Wilfing Ute 1980 Wimmer Franz 1974 Wimmer Maria 1992 Wimmer Roland 1995 Winkler Rosemarie 1996 Wintersteller Christian 1969 Wögerbauer Ferdinand 1976 Worek Ulrike 1974 Wührer Peter 1969 Würtinger Werner 1955 Würtz Ines 1995 Zahmann Irene 1953 Zenz Heinrich 1917 Zenz(s)maier Josef 1947 Zerzer Ulrike 1994


als die Person. Aber die Prouschs, diese Erfahrung muss ich machen, die Prouschs sind resolute Leute. Offenbar bin ich nicht der erste, der hier nach dem berühmten Cousin fragt. Man hat in der Familie schlechte Erfahrung gemacht. Viel Gefrage, verdrehte Wiedergabe von Aussagen, unlängst habe Hubert, Gilberts jüngerer Bruder, ein Kamerateam des staatlichen Fernsehens ins Heimathaus eingelassen, und Gilbert sei ziemlich verärgert gewesen, als er das erfuhr. Deshalb nein, man sei fortan vorsichtiger; für die Verwandtschaft spreche nur noch eine, und das sei „die Hilda“, Gilberts Schwester, die mit ihrer Familie in Bruneck lebt. Und was St. Martin anbelangt, „die St. Martiner können reden, was sie wollen“. Ich stand da mit einem Verweis auf die Pressesprecherin der Familie und einer unbotmäßigen Generalvollmacht für St. Martin. Zwischen den beiden entscheide ich mich für St. Martin, denn Pressesprecher sind Verhüllungskünstler. Und es geht auch um St. Martin. Dort ist „Daheim bei Gilbert“. So gehe ich den graden Weg und ruf den Bürgermeister an. Endlich tut sich etwas auf. Bürgermeister Francesco Dejaco, genannt Pepi, ist nicht nur bereit, über alles zu reden, was er von Gilbert weiß, er ist nachgerade interessiert daran. Ich solle nur kommen, er werde sich Zeit nehmen und außerdem einige Leute organisieren, die sich auskennen. Bevor wir uns vollends in Begeisterung über den fernen Landsmann hineinreden, machen wir aus, dass ich sofort am nächsten Tag nach St. Martin in Thurn aufbreche. Treffpunkt: 9 Uhr im Gasthaus Dasser. Der gute Pepi muss an jenem Abend noch allerhand einschlägige Gespräche geführt haben – und allesamt erfolglos. Am Morgen drauf um 8 Uhr ruft er mich am Handy an. Er habe mit Gilberts Bruder gesprochen, mit einigen Frauen, von denen er wisse, dass sie Freundinnen von Gilbert seien, und außerdem mit einem Jahrgangskollegen. Sie alle hätten ihm abgesagt. Würden nicht mit einem Journalisten über Gil-

bert reden wollen. Bedauernd gibt mir Pepi, der Bürgermeister, zu verstehen, dass es eher nicht mehr der Mühe wert sei, den langen Weg von Bozen nach St. Martin zu machen. Außerdem regne es. Ich aber biege zum Zeitpunkt dieses Gesprächs grad bei St. Lorenzen ins Gadertal ein. Es hilft nichts mehr, ich stehe sozusagen schon vor der Tür. Der Bürgermeister kapituliert. Er bittet mich nur noch, den vereinbarten Termin um eine halbe Stunde vorzuziehen. Jetzt, da er schon nicht mehr zu vermeiden ist. Es wird ein ziemliches Geheimgespräch. Er, Pepi, könne sich nicht erklären, warum die Leute immer noch so ein Geheimgetue um Gilbert machen würden. Natürlich gebe es da das Tabu der Homosexualität. Aber diesbezüglich, auf diese Feststellung legt der Bürgermeister Wert, diesbezüglich seien die St. Martiner um kein Fetzelchen verklemmter als der Rest der aufgeklärten Welt. „Wir haben schon Fälle bekennender Schwuler gehabt“, beansprucht er sogar. Die Gadertaler, so wie die Ladiner insgesamt, seien überdurchschnittlich aufgeschlossen, überdurchschnittlich unternehmerisch und überdurchschnittlich künstlerisch begabt. Sie hatten einmal vier Kunstschulen und haben immer noch drei: je eine in Gröden, in Fassa und in Cortina d’Ampezzo. Der Entdecker und erste Förderer von Gilbert sei Angelus Morlang gewesen, der Geistliche, der 20 Jahre lang Pfarrer in St. Martin und selbst Künstler von einigem Rang war. Er hatte die Kunstakademie in München besucht, war Gründer der Vereinigung der ladinischen Künstler und malte, um den Lehrer im Dorf zu zitieren, „so ungefähr wie der Egger-Lienz“. Von dem alten Pfarrer wird erzählt, dass er einmal im Dorfgasthaus auf seine laute Art über das „sündige Treiben“ des Gilbert hergezogen sei. Das war zu der Zeit, da Gilbert schon lang in London und weltberühmt war. Und keiner der damals im Gasthaus Anwesenden will noch wissen, ob der cholerische Don Angelo mit dem „sündhaften Treiben“ Gilberts private Lebensführung oder seine radikale Kunst gemeint hat.


Ladinische Künstler: ____ __________ ____ Schon ein Wunder, wie ein solch kleines Land wie unser Ladinien stets eine solch große Zahl an Künstlern hervor gebracht hat. Dichter und Schriftsteller, Musiker, Maler und Bildhauer. Einige haben ihre künstlerische Reife erst in den grossen europäischen Metropolen erreicht, wie etwa der Bühnemaler Franz Angel Rottonara oêer unsere Zeitgenossen Giorgio Moroder und Gilbert Prousch. Der zusammen mit seinem Partner George (Gilbert&George) zu êen anerkanntesten Künstlern unserer Tage zählt. Gut kann ich mich noch an eine ihrer genialen Video-Installationen erinnern, die ich in der Øate æodern Gallery in London gesehen habe. Zig Personen standen geduldig Schlange, um sie anschauen zu können. In dem Video sitzen Gil und George auf zwei Stühlen, vor zwei Gläsern und einer Flasche Whisky. Die sie in 20 Minuten leer trinken. Dabei in die Kamera sehen und nicht sprechen. Dauernd erwartet man, dass irgendetwas passiert. Gil zündet sich eine Zigarette nach der anderen an. Man ist versucht, aufzustehen und zu gehen, aber kein einziger Zuschauer verlässt tatsächlich den Saal. Spannung und Neugierde sind auf höchstem Niveau. Dann ist das Video aus. Einige Zuschauer applaudieren, anderen haben nicht verstanden. Es war ein Video, das noch lange für Diskussion sorgen sollte. http://www.hotel-Èaperla.it/

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Der alte Pfarrer ist vor zwei Jahren gestorben, aber über den Tod hinaus geht ihm der Vorwurf nach, auf jenen Zwischenfall im Gasthaus datiere das „gebrochene Verhältnis“ Gilberts zu seinem Dorf. Der Bürgermeister glaubt, ein solches erkennen zu müssen. Es zu „sanieren“, den verlorenen Sohn wieder heimzuholen, das Dorf am Glanz seines berühmtesten Bürgers mindestens ein bisschen partizipieren zu lassen, dies scheint diesem Pepi Dejaco ein aufrichtiges Anliegen zu sein. Seit Jahren betreibt er es so tapfer wie erfolglos. Und, wie es aussieht, mit schwindender Hoffnung. Auf mehreren Wegen schon hat er versucht, an den berühmten Landsmann heranzukommen. Schwester Hilda bat er, sie möge ihrem Bruder bestellen, im neu eingerichteten Ladinischen Museum auf Schloss Thurn würde man gern einen eigenen Raum reservieren für den Fall, dass Gilbert & George die Güte hätten. Die Antwort kam über Hilda und war so vernichtend wie befürchtet: „nicht interessiert“. „Nicht interessiert“ ist im Zweifelsfall schlimmer als „nicht bereit“. Wer „nicht interessiert“ ist, ist auch nicht verhandelbar. St. Martin ist heute eine aufstrebende Gemeinde, Ladinien ist eine wirtschaftliche Großmacht, ladinische Kultur gilt als politisch nachhilfsbedürftig, Geld wäre somit kein Problem. Man könnte sich „einen Gilbert & George“ auch leisten. Notfalls auch am freien Kunstmarkt. Aber den kaufkraftstrotzenden Ladinern kommt grad vor, als habe ihr Landsmann Gilbert ein Heimatverbot über seine Werke verhängt. Eine bekannte Hotelierin und Kunstsammlerin im Tal habe einen Gilbert & George bereits gekauft gehabt, da sei der verkaufenden Galerie plötzlich ein Veto gestellt worden. Eine kunstsinnige Frau aus St. Martin, Kinderärztin in Bozen und von jung auf gut bekannt mit Gilbert, bemühte sich jahrelang um ein Werk. Irgendwann fragte Gilbert die gute Bekannte: „Lydia, hast du schon eine eigene Wohnung?“ Das hatte sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. Da antwortete der väterliche Freund: „Dann kauf dir nur zuerst eine Wohnung!“

Einzig der Kulturabteilung der Landesregierung gelang es bisher, ein G&G-Werk anzukaufen (SHOD, 1992). Sie überließ es für kurze Zeit dem Ladinischen Museum in St. Martin in Thurn, als Hommage an Gilberts Heimat, aber nur leihweise. Inzwischen hat sich das Land das Werk zurückgeholt. Es braucht es dringend für die Ausstattung seines ehrgeizigen Museion-Neubaues in Bozen. Das Gespenst vom strafenden Gilbert geht um. Vor zwei Jahren wurde der Berühmt-Berüchtigte zum letzten Mal im Tal gesehen. Er bezog Quartier in einem benachbarten Dorf weiter talaufwärts. Mit dem Bruder, einer Schwester und einigen Jahrgangskollegen traf er sich zu einem geselligen Abend in einem St. Martiner Gasthaus. Für den Bürgermeister und eine Gemeindedelegation, die ihm die Aufwartung machen wollten, blieb er jedoch unansprechbar. Was haben wir Gilbert getan, dass er uns nicht mehr mag? Das ist die teils bange, teils trotzige Frage der Amtsladiner. Die Oppositionellen, Heimatpfleger und Schadenfrohen glauben die Antwort zu wissen: Der Gilbert weiß genau, dass die alle nur an seinem Ruhm interessiert sind und damit Werbung machen wollen. Unverstandenes St. Martin! Warum liebt Gilbert sein Dorf nicht mehr? Draußen regnet es. Beim Dasser in der Gaststube, unter einem ziemlich patriotischen Gemälde von Gilberts Onkel Bino, mischen sich inzwischen Dorfleute ins Gespräch ein. Es kommt zu der üblichen Vergangenheitsverklärung. Ei, der Bub vom Schuster! Dieser „Gilbert dl Cargá“. Der Vater, Hermann, war ein geselliger Mensch. Hat Ziehorgel gespielt. Von seinen beiden Buben, Gilbert und Hubert, sagte er immer: „Die haben nur das Zeichnen im Kopf!“ Es war keine Kleinigkeit für den Kleinhäusler, dass er dann drei seiner Kinder – außer Gilbert und Hubert auch noch die älteste Tochter Hilda – in die Kunstschule nach Wolkenstein in Gröden geschickt hat. Gilbert war immer der talentierteste, das sagen alle.


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Über Empfehlung eines deutschen Sommerfrischlers wurde er an die Schnitzschule nach Hallein im Salzburgischen vermittelt, und 1960, mit 17, als Jüngster damals und ohne Matura!, ist er bereits an der Akademie für bildende Künste in München. Später erfuhr man, er sei nach London gegangen, 1967 war das, und mit der Nachricht vom künstlerischen Durchbruch, der hier eher als geschäftlicher wahrgenommen wurde, drang auch das Gerücht von der Schwulität in die Heimat. Seither haben Bewunderer ein Argument, warum es im Verhältnis zwischen Gilbert und St. Martin ein Problem gibt. Man wusste und sprach nicht drüber. Gilberts Kunst fand weit weg statt, und er persönlich gab, wenn er auf Besuch da war, nie Anlass zum Ärgernis. Von der Mutter, an der er so hing, sagen die Geschwister, dass sie bis zu ihrem Tod (im Oktober 1989) von der Homosexualität ihres Sohnes „sicher nichts gewusst“ habe. Sie ahnen, Gilbert habe selber Wert drauf gelegt, es sie nicht wissen zu lassen. George Passmore war für Mutter Zilia „Gilberts bester Freund“, und außerdem war er verheiratet und hatte Kinder. Im Familienkreis ist das Kapitel tabu. Nicht weil man verklemmt wäre, sondern „weil es nichts zu sagen hat“ (Schwester Hilda, mit der ich später dann doch noch geredet habe). Was die St. Martiner doch „die Normalität“ ihres Gilbert besingen! „Ganz normal“ sei er gewesen und habe er sich benommen, wann immer er heimkam. „Normaler“ als die normalen St. Martiner. Immer den gleichen alten Anzug, den gleichen alten Mantel, die gleichen Wege durchs Dorf, ins gleiche Gasthaus – gleich, wie die ansässigen St. Martiner gleicher nicht sein konnten. Es hält sich das Gerücht, Gilbert verkleide sich als St. Martiner, wenn er daheim sei. Er schlüpfe hier ins Gewand von früher, wie es hier sonst keiner mehr trägt. Wahr an dem Gerede dürfte sein: Es handelt sich um einen jener kostbaren, selbstverständlich maßgeschneiderten und handgenähten Anzüge, die Gilbert & George tragen und die im mas-

sengeschmacklichen, konfektionsbekleideten St. Martin für altväterisch gehalten werden. Was die Leute über Gilberts Outfit sagen, gilt übrigens auch für sein Heimathaus. Nach dem Wunsch der Mutter erbte Gilbert das elterliche Schusterhäusl im Dorf. „Damit er weiß wohin, wenn er einmal zurückkommt“, habe die Gute ihre Entscheidung begründet. Ihr Wunsch sei immer gewesen, dass Gilbert „zurückkommt“. Inzwischen steht das Haus leer, als eines von zwei nicht bereits über-„erschlossenen“ Häusern im touristischen St. Martin. Das andere gehört bezeichnenderweise der Vize-Obfrau der Landespartei. Legende längst auch die Geschichte mit Gilberts „Kampiller Madonna“. Es war Anfang der 60er-Jahre. Die Pfarre von Kampill, einem Seitental, das zur Gemeinde St. Martin gehört, hat bei Gilbert Prousch eine Madonna in Auftrag gegeben. Geliefert hat der Künstler eine lebensgroße Holzstatue von sehr sinnlichem Ausdruck und – weil unbemalt – nacktem Aussehen. Gilberts Madonna überstand eine einzige Fronleichnamsprozession. Die frommen Seelen – jedenfalls ihre Wortführer – seien derart entsetzt gewesen, dass der Pfarrer das Objekt des Anstoßes in den Dachboden des Pfarrwidums verstaute, wo es dann 30 Jahre lang blieb. Mittlerweile befindet sich die „Kampiller Madonna“ im Ladinischen Museum auf Schloss Thurn. Im Depot, allerdings. Museumsdirektor Stefan Wancker, ein kennerischer Verehrer der Kunst von Gilbert & George, würde die Statue gern ankaufen, aber die Pfarrei Kampill, inzwischen auch aufmerksam geworden auf den Wert des Künstlers, verkauft nicht mehr. Den bemühten Museumsdirektor trifft zum Schaden hinzu jetzt auch noch Spott: In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien ein Artikel mit reichlich Häme gegen die hinterwäldlerische Museumsleitung dafür, dass sie Gilberts Madonna ins Depot weggesperrt hat. Ach, die armen Hinterbliebenen! In dem Dorf zu Füßen des Peitlerkofels, das noch zu den ursprüng-


Small Town When you’re growing up in a small town When you’re growing up in a small town When you’re growing up in a small town You say no one famous ever came from here When you’re growing up in a small town and you’re having a nervous breakdown and you think that you’ll never escape it Yourself or the place that you live Where did Picasso come from There’s no Michelangelo coming from Pittsburgh If art is the tip of the iceberg I’m the part sinking below When you’re growing up in a small town Bad skin, bad eyes – gay and fatty People look at you funny When you’re in a small town My father worked in construction It’s not something for which I’m suited Oh – what is something for which you are suited? Getting out of here I hate being odd in a small town If they stare let them stare in New York City as this pink eyed painting albino How far can my fantasy go? I’m no Dali coming from Pittsburgh No adorable lisping Capote My hero – Oh do you think I could meet him? I ’d camp out at his front door There is only one good thing about small town There is only one good use for a small town There is only one good thing about small town You know that you want to get out When you’re growing up in a small town You know you’ll grow down in a small town There is only one good use for a small town You hate it and you’ll know you have to leave

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lichsten ganz Südtirols gehört, sich jetzt aber anschickt, an das Karussell des Ski-Olymps Kronplatz angebunden zu werden, schießen Spekulation und Schuldzuweisung ins Gras. Man tut, als habe eine imaginäre Gilbert-&-George-Company ein Embargo über St. Martin verhängt. Wie überall anderswo im Land, ist auch hier der einzige Glaube, der nicht in die Krise geraten ist, der Glaube an den wirtschaftlichen Erfolg. Gilberts Erfolg übt eine Anziehungskraft aus, die unwiderstehlich ist. Auch auf seine Landsleute. Dass vom Glanz des berühmten Sohnes nichts auf sein Dorf abstrahlt, wird schlicht als ungerecht empfunden. Was hat Gröden an seinem Luis Trenker verdient? Und was verdient es an Giorgio Moroder? Was Kastelruth an seinen „Spatzen“? Gern würde St. Martin einen Zipfel Gilbert in die eigene Tourismuswerbung übernehmen, ihn feiern, die Ehrenbürgerschaft anhängen, auf Transparenten am Dorfeingang ihn begrüßen, so wie das bei Olympiasiegern und Rodel-Weltmeistern geschieht. Man getraut sich nicht. Überzeugt, dass Gilbert sein Dorf durch Nichtbeachtung straft, will niemand riskieren, dass der Zürnende zu noch grausameren Strafen greift. Es ist schon schlimm genug, wie sämtliche Lockrufe ungehört verhallt sind. Wenig fehlt, dass in biblischen Bildern („Warum, Herr, lässt du ...?“) gewehklagt wird. Schon treten besonnene Geister auf, wie Pfarrer Jakob vom Nachbardorf Wengen, die empfehlen: „Lasst ihn in Ruh, er kommt schon wieder, alle kommen wieder, auf lange Sicht ist die Heimat immer stärker.“ Auf lange Sicht! „Auf lange Sicht sind wir alle tot.“ Da denken die tüchtigen Ladiner heute nicht anders als der große Ökonom Keynes vor 70 Jahren. Der Bürgermeister ist schon auch um Gelassenheit bemüht, aber auch ihm läuft die Amtszeit davon. Vermutlich ist es seine letzte. Dann würde der Christbaum für den Petersplatz in Rom, den nächstes Jahr die Gemeinde St. Martin in Thurn spendieren darf („Bun Nadél 2007“), sein größter überörtlicher Auftritt bleiben.

Hilda, Gilberts älteste Schwester und ein bisschen seine erste Geheimnisverwahrerin, sieht dem heimatlichen Bemühen um den Bruder aus verwunderter Distanziertheit zu. Sie findet, hinter der erwachten Liebesmüh stehe geschäftliches Kalkül, und „G & G“ (so spricht sie von Gilbert und George, und zwar im Singular) spüre das. Und nur deswegen hätten Gilbert und sein Dorf einander nichts zu sagen. Es ist berührend, was für ein inniges Verhältnis in der Familie mit dem berühmten Bruder gepflegt wird. Hildas Mann Otto darf sich geehrt fühlen, von Gilbert für denjenigen gehalten zu werden, „der mich am besten von allen versteht“. Tochter Mara durfte den Onkel für ein Gadertaler Tourismus-Magazin porträtieren. Sohn Manuel arbeitet im Londoner Gilbert-&-George-Atelier. Sie alle, Bruder Hubert und neben Hilda noch die Schwestern Irma und Herta eingeschlossen, verstehen nicht, „was das Problem ist“. Wenn es eines gibt, sagen sie, dann liegt es an St. Martin. Die Großfamilie Prousch jedenfalls könnte sich ihr Verhältnis zum berühmtesten St. Martiner nicht besser vorstellen. Draußen regnet es weiter. Drinnen beim Dasser ist inzwischen Franz zur Gesellschaft hinzugestoßen. Er ist der alte Feuerwehrhauptmann von St. Martin und der gleiche Jahrgang wie Gilbert. Ein 1943er. Er weiß alles von ihm. Auch dass er in den letzten Jahren am Kunstmarkt nicht mehr so hoch quotiert sei. Er sagt das nicht, weil er den Jahrgangskollegen heruntermachen will, sondern eher dem Bürgermeister zum Trost. Denn eines habe der Gilbert früher, als er noch öfter heimkam, „immer gesagt“. Er habe immer gesagt, sagt feierlich der alte Feuerwehrkommandant: „Wenn ich nichts mehr bin, komme ich hierher“.


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Hier die Fortsetzung der Serie „Gutachten“: In dieser Rubrik werden Vertreter einer oder verschiedener Berufsgruppen eingeladen, auf einer einzigen Heftseite kompakte Bestimmungen einer zeittypischen Erscheinung zu entwerfen.

Diesmal: Wetter

Zeittypische Erscheinung: Jeder ist ein Fachmann Reizwörter: rächende Natur, verkürzte Zwischenjahreszeiten, richtiger Winter, Hochwasser, Heizkosten, Klimawandel, Hurrikan Katrina, Wetterchaos, Hitzeperioden, verrücktes Wetter, Wetterkontrolle Aufgabenstellung: Reden Sie eine Quartseite lang über das Wetter. Vier Beiträge von Friederike Mayröcker, Sepp Mall, Bernhard Studlar und Klaus Merz


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Den Teufel finden Hier die Fortsetzung der Serie »Gutachten« : In dieser Rubrik werden Vertreter einer oder verschiedener Berufsgruppen eingeladen, auf einer einzigen Heftseite kompakte Bestimmungen einer zeittypischen Erscheinung zu entwerfen. Diesmal: den Teufel finden!

Fünf Beiträge von Christoph Schäfer, Olaf Nicolai, David Schnell, Andreas Neumeister, Barbara Zeit

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Gebhards Traum Landvermessung No. 2, Sequenz 4 Von Sautens nach Wiese Geschichten kann man auch durch geometrische Operationen auf der Landkarte generieren: In Quart folgen unterschiedliche Autoren mit unterschiedlicher Kondition unterschiedlichen Linien (s. Übersichtskarte auf der vorhergehenden Doppelseite). Derzeit befinden wir uns auf einer Geraden, die von Garmisch-Partenkirchen Richtung Oberes Vinschgau führt. In der aktuellen Folge ist Dimitré Dinev zu Fuß von Sautens im Ötztal nach Wiese im Pitztal gewandert. Dann ist er wieder nach Wien gefahren – und hat die folgende Erzählung geschrieben: Gebhard Lutz fuhr in einem Raucherabteil zweiter Klasse Richtung Ötztal mit dem Vorhaben, seine Seele an den Teufel zu verkaufen. Er war in Wien in den Zug gestiegen. Es war frühmorgens, als er von einem gähnenden Beamten die Fahrkarte kaufte. Auf dem großen Zeiger der Uhr in der Halle hockten zwei Tauben und ließen sich von der Zeit tragen. Die staubigen Fenster fingen das Licht auf und ließen es zerbröselt auf den Boden der Bahnhofshalle fallen. Die Reisenden trugen noch die Gerüche der vergangenen Nacht wie zusätzliches Gepäck. An ihre Lider drückten noch die Reste unbeendeter Träume. Es war Anfang September. 2006 Jahre nachdem eine Frau namens Maria Jesus geboren und 42 nachdem eine Frau namens Almut Gebhard Lutz geboren hatte. Drei von Jesus’ und drei von seinen eigenen Geburtstagen hatte Gebhard nicht auf freiem Fuß gefeiert. Nun war er unterwegs, um dem Teufel seine Seele zu verkaufen. Gebhard Lutz war ein leichtgläubiger Mensch. Bis 12 hatte er an den Weihnachtsmann geglaubt, bis 28, dass seine Frau Sabine ihm treu wäre, bis 36, dass seine Malerfirma nie in Konkurs gehen würde, bis 38, dass er seine Schulden durch einen Gewinn bei den Spielautomaten zurückzahlen könnte, und als ihm vor dreieinhalb Jahren ein Kumpel sagte, dass es nichts Leichteres gebe, als ein Juweliergeschäft auszurauben, glaubte er ihm auch das. Das letzte Jahr im Gefängnis hatte er seine Zelle mit einem 63-jährigen Bankräuber namens Fritz geteilt, der im Schlaf viel stöhnte und immer wieder etwas mit einer gewissen Gabi erlebte und im Wachen über-

all hin, wo er nur konnte, Szenen aus dem alten Testament malte. Eine Gabe, die er, wie er selbst erklärte, in einem Puff in Palermo entdeckt hatte. Mit ihm schloss er Freundschaft, die nach einem romantischen Spaziergang im Hof auf eine starke Probe gestellt wurde, weil Fritz das ungebändigte Bedürfnis verspürte, ihn, Gebhard, Gabi zu nennen. Verständnis dafür hatte Gebhard schon, denn die Gefühle sind ähnlich wie Schwerverbrecher lebenslang in den Körper eingesperrt und ab und zu wollen sie ausbrechen. Sein Herz begann zwar schneller zu schlagen, aber auch seine Fäuste. Vieles zerbrach an diesem Tag, doch nicht ihre Freundschaft. Kurz bevor er entlassen wurde, bekam Gebhard von Fritz eine alte Karte, auf der ein Wanderweg eingezeichnet war. Die Karte habe seinem Ururgroßvater gehört. Dieser habe dort ein paar Mal, und zwar immer am ersten Sonntag des Monats September, den Teufel getroffen, der ihm seine Seele habe abkaufen wollen. Fritz erklärte auch, dass er Schiss gehabt und deswegen noch nie selbst diese Begegnung gewagt habe. Jetzt würde er es schon wagen, aber wer weiß, ob er noch am Leben wäre, wenn er aus diesem unseligen Ort frei komme. Gebhard umarmte ihn und ließ sich als Zeichen seiner Dankbarkeit eine Nacht lang Gabi nennen. Nun fuhr er, die Karte im Rucksack, Richtung Ötztal. Was er für seine Seele verlangen wollte, war ihm unklar, deswegen suchte er den Speisewagen auf, um ein bisschen in Ruhe darüber nachzudenken, und bestellte ein Bier. Der Kellner sah wie ein Falschspieler aus, dem jeden Augenblick ein Ass aus dem Ärmel rut-


Christoph Sch채fer Mit dem Machtverlust Gottes ( Materialismus, Kirchenaustritte, Internet ) hat ja auch der Teufel an Glanz verloren. Er sieht aus wie ein in die Jahre gekommener Spieler, bem체ht, seine Erscheinung aufrecht zu erhalten. Man kann ihn zwischen 11 und 14 Uhr zum Lunch Buffet in diesem Chinarestaurant treffen, in Pittsburgh, Pennsylvania, USA. Zu einem Gl채schen Whiskey sagt er grunds채tzlich nicht nein.

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schen könnte. Kaum hatte man sich an einen der Tische gesetzt, hatte man schon das Gefühl, verloren zu haben. Der Kellner balancierte zwischen den Tischen wie auf einer hölzernen Hängebrücke und blickte auf die Gäste mit leichtem Entsetzen, als wären sie ein tiefer Abgrund, in den seine besten Jahre abgestürzt waren. Sein Lächeln schien an einem fernen Bahnhof, beim Anblick einer wartenden Frau entstanden und war nun einige tausend Kilometer alt und brauchte dringend eine Reparatur. Gebhard trank schon das dritte Bier, als ihm auffiel, dass er noch nie über seine Seele nachgedacht hatte. Wo sein Magen, seine Nieren, seine Leber, sein Hirn und sein Herz waren, konnte er jederzeit zeigen, aber wo war seine Seele … Hatte er überhaupt eine … Der Zug blieb in St. Pölten, zwei Bier später auch in Linz stehen und Gebhard hatte immer noch nicht den Aufenthaltsort seiner Seele ausfindig machen können. Aber da der Kellner sich gerade kurz an seine Schulter stützte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, fragte er ihn: „Haben Sie eine Seele?“ „Wir haben nur das, was auf der Speisekarte steht. Aber Paprikahuhn kann ich heute sehr empfehlen“, sprangen die Worte schnell über seine Lippen, wie wenn er jedes einzelne zärtlich mit seiner ungarischen Zunge auf den Hintern geklopft hätte. Gebhard schien es leichter, ein Paprikahuhn zu bestellen, als den Kellner in eine metaphysische Diskussion zu verwickeln. Das Übersinnliche lag eindeutig nicht auf seiner Strecke. „Wahrscheinlich schaukelt gerade meine Seele in mir, stößt mal hier, mal dort an, mal in die Brust, mal in den Bauch wie eine einsame Münze in einem geschüttelten Sparschwein, und keiner hört sie, nicht einmal ich selbst“, dachte er, während er sich kleine Hühnerstücke in den Mund schob. Das Fleisch war weich, schmeckte aber nach Eisenbahngardinen, in denen sich die Müdigkeit vieler Blicke festgesaugt hatte. Ein unbegreiflicher Kummer erfasste ihn. Doch wenn er Kummer hatte, dann musste er auch eine Seele haben. Denn für jeden Schmerz gab es auch die Stelle, die ihn spürt. Da lächelte Gebhard zum ersten Mal an diesem Tag und der Kellner schickte ihm sein tausend Kilometer gerütteltes Lächeln entgegen. Es war um die Mittagszeit, als er in Ötztal ausstieg, und es waren um die sieben Biere, die in seinem Or-

ganismus zirkulierten. Sein Atem war schwer, sein Schritt leicht, seine Blase voll, sein Kopf leer. Er steuerte direkt auf die Bahnhofstoilette zu. Sein Urin kam ihm gelber vor als sonst und plötzlich fiel ihm ein, was er vom Teufel verlangen könnte, nämlich, dass alles, was er pinkelte, sich anschließend in Gold verwandelt. Die Betonung liegt auf dem anschließend, das durfte er nicht vergessen. Frohen Mutes ging er hinaus. Es war heiß. Die Sonne war so stark, dass sie ihm fast die Augen ausstach. Auf den runden Platz vor dem Bahnhof warfen ein Postamt, eine Bank, ein Geschäft und eine Trafik ihre schüchternen Schatten. Gebhard schien es so heiß, dass er dachte, seine Hand würde verbrennen, würde er eines dieser Gebäude berühren. Die Luft zitterte wie ein Spinngewebe, als hätte ein großes, blutsaugendes Tier sein Netz zwischen den Gebäuden gesponnen. Wer weiß wie viele Leben da schon zerronnen waren. Ötztal, der Name sagte Gebhard etwas. Irgendwo hier hat man doch diesen Menschen gefunden. Ein paar tausend Jahre soll er alt gewesen sein. Vielleicht soll ich mir vom Teufel so ein langes Leben wünschen? Nein, zuerst müssen die Schulden weg. Wozu so ein langes Leben, wenn man Schulden hat. Allein die Zinsen … Im Eis hat man ihn gefunden. Mit einem Pfeil in der Brust. Die Menschen sind schon damals nicht sehr nett zueinander gewesen … Aber ein bisschen Eis wäre jetzt nicht schlecht, oder ein eiskaltes Getränk … Seltsam diese Natur. Was sie alles kann. Und der Mensch ahmt sie gern nach. Wer hat mir auch so eine Eisgeschichte erzählt … Ach ja, Mischa war das. Wie war sie genau? Da war ein russischer Mafioso. Gut, aber solche Geschichten gibt es viele. Der trank aber gern Whiskey und das Eis hatte er sich extra von Grönland oder von einem Eisberg oder von Gott weiß wo bestellen lassen. Ja, so ging sie. Jemand hat dann aber seinen Bruder entführt, ein Rivale oder so was. Und als der Mafioso wieder einmal seine Eislieferung bekam und die Eiskiste aufmachte, hat er mitten in einem riesigen Eisklumpen seinen eigenen Bruder gefunden. Ob er heute noch Whiskey trinkt … Was man nicht alles für Geschichten im Häf’n hört. Sogar Geschichten vom Teufel. Da riss die Hitze wieder mal seine Gedanken ab. „Taxibestellungen hier“, las er auf einem Schild, das jemand an die Auslage der Trafik geklebt hatte. Kurz darauf roch er schon das Parfum der Trafikantin. Seine Frau hatte auch mal das


fuer den fall, dass es ein treffen gibt, eruebrigen sich ja einige ueberlegungen und fragen, nicht nur philosophischer natur, sondern auch nach raumzeitlichen bedingungen. in diesem sinne sollten wir uns an verschiedenen orten zu gleicher zeit treffen: da waere die bar san calisto in rom, die erzgebirgsstube in chemnitz, gleich neben der großen kupferplatte mit dem »working men of all countries unite!«-schlager (in vier sprachen), der mirage-volcano in vegas, das »luxus« in berlin und nicht zu vergessen die lobby des hotels humboldt in caracas. Olaf Nicolai

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gleiche benutzt. Wie lange hatte er keine Frau gehabt? Seit der Fußball-WM in Japan und Südkorea. Halbfinale Brasilien-Türkei. Mittlerweile war die in Deutschland auch schon vorbei und er war immer noch nicht zum Einsatz gekommen. „Die Welt zu Gast bei Freunden“, stand auf ihrem T-Shirt, aber die Brüste hatten die Inschrift so aufgebläht, dass Gebhard dachte, die Worte kämen aus zwei Lautsprechern. Sie machten ihn taub. „Wohin wollen Sie?“, fragte die Trafikantin schon zum zweiten Mal, den Kopfhörer in der Hand. „Zum Teufel“, dachte er. „Sautens“, sagte er, nachdem er die Inschrift auch von rückwärts auswendig konnte, und lächelte, denn bald, sehr bald würde ihm sowieso die Welt gehören. „Warten Sie draußen. Der Lenker kommt gleich.“ Die Taxifahrerin hinkte. Sie war um die 50. Ihr rechtes Brillenglas hatte einen Sprung, ihre rissigen, rot geschminkten Lippen ähnelten angeschlagenen Ostereierschalen. Alles an ihr wirkte irgendwie zerbrochen und schnell zusammengeklebt und vermittelte das Gefühl, das Leben sei eine einzige Katastrophe. Der Kofferraum war voll mit Kartoffeln, die während der Fahrt dumpf hin und her rollten. Der Ort war schnell erreicht. Gebhard zahlte 12 Euro, stieg im Zentrum aus, sah die vielen Wahlplakate, mietete ein Zimmer, aus dessen Fenster keines der Wahlplakate sichtbar war, zog sich aus, duschte, warf sich ins Bett, schlief sofort ein, träumte nichts, wachte erst am nächsten Morgen auf, rasierte sich, fand sein Gesicht verjüngt und sympathisch, dachte wieder an die Trafikantin, an die große weite Welt im Allgemeinen und an die zwei Freunde unter ihrem T-Shirt im Besonderen, stieg mit einem freundlichen Lächeln ins Speisezimmer, frühstückte für zwei, sah sich nochmals die Karte an, packte seine Sachen, ging und bald befand er sich mitten im Wald. Der Wald war still, nur ab und zu flüsterten sich die Bäume etwas zu. Die Sonnenstrahlen drangen hier und dort zwischen den Ästen hindurch, schlugen auf den Boden und versuchten Wurzeln zu schlagen. Doch bald werden die Schatten sie absägen und zerhacken und nur die Leuchtkäfer werden den Staub, der von ihnen übrig bleibt, über die Nacht retten. Gebhard ging, schwitzte, schnaufte. Unter seinen Füßen eilten Ameisen, Wanzen, Käfer, Spinnen ihrer

Bestimmung entgegen, aber er sah sie nicht, er hörte sie nicht, er hatte Augen und Ohren nur für den Teufel. Ob er ihn überhaupt erkennen würde? Wie sah er denn aus? Er musste zugeben, dass seine Kenntnisse auf diesem Gebiet sehr dürftig waren. Und nicht nur auf diesem. Er wusste nicht einmal, wie die meisten Bäume rundherum hießen, die Vögel, die sich auf ihren Ästen niederließen, die Pflanzen, die über ihren Wurzeln wuchsen, die Sträucher und die Blumen auf den Wiesen. Vielleicht hatte ja all das eine Bedeutung. Vielleicht war da eine Botschaft versteckt und er spazierte ahnungslos vorbei, so wie er in seinem Leben Jahr für Jahr an dem großen Glück vorbeischlenderte. Wo er hinblickte nur Rinden, Äste, Blätter, Nadeln, Moos, Gras, Steine, Erde, Lichtflecken. Nur grün und braun und grau und nichts. Ihm wurde schwindlig von soviel grün, von soviel braun, von soviel Verlassenheit. Ihm wurde schwindlig, etwas zu suchen, das man nicht sah. Ihm wurde schwindlig zu suchen, wo das Glück versteckt war. Sein Herz schlug kräftig, raufte mit seinem Atem. Er musste sich hinsetzen und abwarten, bis sich die beiden wieder vertrugen. Der Boden unter ihm war feucht. Die Kühle drang in seinen Körper, breitete sich aus, versuchte Teile eines jahrhundertealten Schattens in ihn hinein zu schmuggeln. Jede Form war ihm recht, um von hier wegzukommen. Heute war es ein Mensch, morgen ein Wurm, ein Reh, ein Vogel. Nicht mal Schatten wollen ewig Schatten bleiben. Gebhard nahm ihn in sich auf, ließ ihn durch seinen Körper strömen, freundete ihn mit seinem Herzen an, so wie in der Kindheit. Vor einem Schatten fürchtet man sich doch nicht. Woher aber dieser Schwächeanfall gekommen war, konnte er sich nicht erklären. Wälder kannte er aus seiner Kindheit mehr als genug. Die Ferien hatte er immer im Dorf seiner Großeltern verbracht und in den Wäldern gespielt. Natürlich waren sie anders als der hier, aber trotzdem waren sie Wälder. Dort im Dorf hatte er sich auch zum ersten Mal verliebt und den Namen Christine mit seinem Taschenmesser in unzählige Baumrinden geritzt. Christine war 19 und die Tochter des schielenden Krämers Josef. Gebhard hatte damals vor kurzem erst mit einem Zug zwölf Geburtstagskerzen ausgeblasen und ein Taschenmesser bekommen, als die Liebe in seinem Herzen entfachte. Er wollte Christine das schönste Geschenk der Welt machen, und da er wusste, dass so was nur in einem


David Schnell Ordnung muss sein

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Elsternnest zu finden ist, denn sie sammeln ja nur die allerwundersamsten Dinge, machte er sich auf die Suche. Er hatte das Nest gefunden und war schon auf den Baum geklettert, aber gerade als er hineinblicken wollte, hörte er Stimmen, die ihn versteinern ließen. Unter dem Baum sah er seine geliebte Christine mit dem Sohn des Bürgermeisters. Sie leckte und saugte seinen Schnurrbart, als wäre er das köstlichste Eis der Welt. Gebhards Sehnsucht nach solch einem Schnurrbart wurde plötzlich so groß und tat so weh, dass ihm Tränen über das Gesicht liefen und er nicht mehr sehen konnte. In dem Nest fand er dann nur ein paar Glasscherben und zwei Eier, die später am Auto des Bürgermeisters zerschellten. Einige Zeit danach malte er sich, immer wenn er von zuhause wegging, mit der Schuhpasta seines Großvaters einen Schnurrbart, der seine Butterbrote verfärbte und ihren Geschmack verdarb. Unter demselben Baum und auf den nach Zwiebeln riechenden Fleischbergen der Weichenstellersfrau Luise war er dann vier Jahre später zum Mann geworden. Mehrere Jahrgänge waren als Jungen mit abgeschürften Knien bei ihr angekommen und als Männer mit weiter Brust durchs Leben gezogen. Sie kamen, versanken eine Weile in ihrer Umarmung und verließen sie so wie man einen gemütlichen, gut geheizten, aber kleinen Bahnhof verlässt. Mit ein bisschen Reue, mit ein bisschen Erleichterung und mit einem wild pochenden Herzen. Gebhard lächelte, riss einen Grashalm ab und versuchte ihn über seiner Oberlippe zu balancieren. Der Weg sah fast genauso aus wie der von damals, der in jenen Wald führte, wo er soviel Glück und soviel Kummer gefunden hatte, wie der Weg seiner Kindheit. Nur dass er jetzt steiler war, nur dass Gebhard kein Kind mehr war, nur dass er jetzt den Teufel suchte. Vielleicht tauchte er nicht auf, weil im Land gerade der Wahlkampf tobte und er mit den Politikern beschäftigt war, dachte er, während er weiterging. Das wäre eine Möglichkeit, denn wer weiß, wo so ein Teufel Prioritäten setzt. Eigentlich sollte es ihm egal sein. Eine Seele ist eine Seele. Ihm geht es ja um Quantität, nicht um Qualität. Ihm geht es um jede Seele. Da gibt es keine Privilegierten so wie im Leben. Für ihn sind alle Seelen gleich. Meine Seele ist ihm soviel wert wie die eines Bundeskanzlers, also kann ich sie auch dementsprechend teuer verkaufen.

Der Weg machte eine Kurve, hinter der ein Teil von der Sonne gepflastert war. Und dort lag eingerollt eine kleine Schlange. Das ist sicher ein Zeichen, schoss es durch seinen Kopf, und irgendwo in einem seit langem nicht mehr gelüfteten Eck seines Bewusstseins wachte die Erinnerung auf, dass sich der Teufel unter anderem als Schlange zu zeigen pflegte. Gebhard schaute sich um und schritt auf sie zu. Er wollte es versuchen. „Ich bin Gebhard. Freut mich, Sie kennen zu lernen“, begann er. „Ich bin extra aus Wien gekommen, weil ich einen Deal mit Ihnen machen will. Ich biete Ihnen meine Seele an. Warum ich das tun will, ist eine lange Geschichte. Viel Pech, viele Schulden. In dieser Welt geht es teuflisch zu. Aber wem erzähle ich das. Jedenfalls hab ich nichts mehr außer dieser Seele da. Sind Sie interessiert?“ Die Schlange war eindeutig nicht an Gebhards Seele interessiert. Sie regte sich nicht mal, und das war ärgerlich. Aber noch ärgerlicher fand er, dass er einer Schlange beinahe sein Herz ausgeschüttet hätte. „Ich muss aufpassen, dass ich in diesem Wald nicht wahnsinnig werde.“ Er überlegte, die Schlange zu zertrampeln, als Strafe dafür, dass sie ihn in eine so lächerliche Situation gebracht hatte. Er hatte sogar schon sein Bein gehoben und stand so eine Weile wie ein Storch da, doch der Aberglaube, dass das kleine Wesen da irgendwie mit dem Widersacher verwandt sein könnte, überwog. Er schritt weiter. Schritt hinunter und wieder hinauf, schritt auf wimmernden Holzbrücken, unter denen Bäche vor Wut schäumten und drohten, sie eines Tages wie Korken abzuschießen, schritt auf Wegen, die so viele Menschen schon getragen hatten, dass die Steine wie Schwielen aus ihnen hervorquollen, und auf anderen, über denen sich die Erde erbarmt und ihre zerpflückten Handflächen mit Moos und in Tau getünchtes Gras verbunden hatte, und sah keinen Menschen, und sah keinen Teufel und sah nur grün und braun und grau, und überall spielte das Licht mit dem alten blinden Schatten. Irgendwann erreichte Gebhard eine Alm. Der Weg zerschnitt sie in zwei gleich grüne, dieselbe Zahl von zirpenden Grillen beinhaltende Hälften. Ein Mann war auch da. Gebhard hatte ihn schon von weitem entdeckt, als er noch klein war wie ein seltenes Insekt. Sollte er ihn fragen, ob er … Nein, man fragt dort nicht den erstbesten Menschen, ob er nicht zufällig


Andreas Neumeister

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den Teufel gesehen hätte. Man tut nur so, als ob man wandere, und bleibt auf der Lauer. Also tat Gebhard so, als ob er wanderte, was ihm auch nicht sehr schwer fiel, und begann sogar eine Melodie zu trällern. Die Sonne schien, links und rechts zirpten die Grillen, Gebhard trällerte und schritt dem unbekannten Menschen entgegen. Der Mann saß regungslos am Rande des Weges und inmitten der großen grünen Alm wirkte er wie ein verlassenes Werkzeug. Das Schicksal hatte sich seiner eine Weile bedient und hatte ihn irgendwann dort abgestellt. Er konnte tagelang an derselben Stelle verbracht haben, so unbedeutend wurde die Zeit, je näher man ihm kam. Die Hälfte seines Gesichts war von einem sich sträubenden Bart bedeckt. In seinen noch dichten Haaren hatten sich Grashalme verfangen, seine Augen starrten auf den Hang gegenüber, neben seinen Bergschuhen lag treu wie ein Hund eine Hacke. Gebhard wollte schon grüßen, als der andere zu reden begann. „Auf diesem Weg ist die Pest ins Ötztal gegangen“, sagte er. „Ein Pelzhändler hat sie gebracht. Einen goldenen Verlobungsring hat er in seinem Gepäck gehabt. Für ein Mädchen aus Sautens. Wusste aber nicht, dass die Pest schon ein Auge auf ihn geworfen hatte, und die kann sehr eifersüchtig sein. Den halben Ort hat sie gleich mit ihm genommen.“ „Interessant“, meinte Gebhard. „Eher schrecklich.“ „Sind Sie auch ein Wanderer wie ich?“, versuchte Gebhard das Thema zu wechseln. „Ich bin nur ein Trottel. Und jetzt bin ich müde“, seufzte der Mann. „Hier in der Gegend hat vor langer Zeit ein Räuber seinen Schatz versteckt. Ein Köhler ist er gewesen, so wie sein Vater und der Vater seines Vaters. Für ein Stück Brot und ein bisschen Zwiebel haben sie sich von morgens bis abends geplagt. Rauch und Asche haben sie geatmet. In Rauch und Asche ist zuerst das Leben des Großvaters, dann das Leben des Vaters aufgegangen. Eines abends, als er das Feuer vor sich anstarrte, begannen seine Augen zu brennen und sein Herz zu glühen. Da begriff er, dass er nicht wie sein Vater und der Vater seines Vaters enden wollte. Er selber werde das Feuer sein, das andere Leben in Asche verwandelt, dachte er sich, und begann zu rauben. Drei Jahre hat er gewütet, bevor sie ihn aufgehängt haben. Eine Woche haben sie ihn ge-

foltert. Doch wo er seinen Schatz versteckt hat, haben sie ihm nicht entlocken können. Wer nicht aller seitdem nach ihm gesucht hat, aber keiner hat ihn gefunden. Man erzählt, dass einmal im Jahr ein Feuervogel vom Himmel herabkommt, eine Weile über der Stelle kreist, sich dann dort niederlässt und sich in Rauch und Asche verwandelt … Es ist eine seltsame Gegend. Dieser Weg, auf dem du stehst zum Beispiel, der wurde über hundertmal vermessen und kein einziges Mal hat er dasselbe Maß ergeben. Es ist, als ob die Natur die Menschen verhöhnen will.“ „Sie kennen sich aber gut aus. Sind Sie ein Geschichtsprofessor oder so was?“ „Ich bin ein Trottel. Seit vierzehn Jahren suche ich nach dem Schatz, hab inzwischen alles verloren. Zuerst die Arbeit, dann die Frau, die Freunde, das Haus. Jetzt bin ich müde.“ „Wir können ja gemeinsam suchen“, schlug Gebhard spontan vor. „Ich geb’ auf. Du kannst es allein versuchen. Vielleicht hast du mehr Glück. Hier, ich schenke dir meine Hacke“, sagte der Mann und schaute zum ersten Mal Gebhard an. Die blauen Augen des Mannes waren wässrig, wie wenn sie gerade zu schmelzen begonnen hätten. Er stand auf und ging direkt die Alm hinunter. Die Sonne schien, die Grillen zirpten, aber es war so, als ob sie an ihm feilten und die Späne über das Gras zerstreuten, bis nichts von ihm übrig blieb. Gebhard schaute die Hacke an, aber er berührte sie nicht. Er hatte Angst, würde er das tun, würde er genauso wie dieser Mann 14 Jahre durch die Gegend irren. Er hatte Angst, der fremde Wahnsinn würde ihn anstecken. Sein eigener reichte ihm schon. Sein Kopf brannte, ein Feuervogel irrte durch seine Gedanken. Er lief, der Weg bohrte sich wieder in den Wald. Gebhard stellte sich neben den ersten Baum und pinkelte lange. Danach fühlte er sich wieder besser. Er rollte die Karte aus, sah noch mal auf den Weg mit den Augen eines Vogels, der nach Beute sucht, steckte sie wieder in den Rucksack und zog weiter. Das Geräusch von fließendem Wasser lenkte ihn von seinen Gedanken ab. Die Rinden der Bäume wurden heller, fast weiß, wie wenn sie nicht aus der Erde, sondern aus einer Wolke entsprungen wären. Bald darauf sah er den Bach. Über dem Bach eine aus dem-


Barbara Zeit

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selben hellen Holz gezimmerte Brücke und auf der Brücke eine hellhaarige Frau. „Du bist Gebhard, nicht wahr“, sagte sie und lächelte. Gebhard erstarrte. Rundherum war alles hell. Nur in seinem Kopf nicht. Nun wusste er genau, wo seine Seele war. Sie steckte gerade in seinem Hals und wollte ihn verlassen. Er brauchte dringend etwas, woran er sich anlehnen konnte, irgendeine Stütze. „Ich hätte die Hacke mitnehmen sollen“, sagte er verwirrt. „Du brauchst keine Hacke. Ich hab etwas Besseres“, sagte sie und zwinkerte ihm zu. Eine Fliege landete auf seinem Gesicht und begann über seine Oberlippe zu flanieren, wahrscheinlich wartete sie darauf, seine Seele in Empfang zu nehmen. Doch er rührte sich nicht. Aber was war schon eine Fliege, hunderte Fliegen hätten gerade dort landen und einen summenden Schnurrbart bilden können und er hätte sich trotzdem nicht von der Stelle gerührt. „Was ist! Hast du deine Zunge verschluckt?“, hörte er wieder die Stimme. „Wie soll ich Sie nennen“, rieselten dumpf wie Sand die Worte durch seine ausgetrocknete Kehle. „Nenn mich Christine, oder Luise, oder Sabine, oder vielleicht Gabi.“ „Nur nicht Gabi“, sagte er schnell und war sogleich von seinem Mut überrascht. „Nenn mich einfach, wie es dir gefällt, aber folge mir jetzt. Wir haben noch viel vor“, sagte sie, drehte sich um und ging. Wie im Traum folgte er ihr nach, atmete ihren Duft ein, hörte die Vögel zwitschern, die Blätter rascheln, wie in einem süßen Traum. Wie im Traum erreichten sie ein Dorf, wo aus jedem Hof ein Apfelbaum winkte. Wie im Traum blieben sie vor einem bunten Haus stehen, auf dessen Fassade eine unbekannte Hand mit viel Schwung und Phantasie Adam und Eva und andere Szenen aus der Bibel gemalt hatte. Wie im Traum betraten sie das Haus, knurrte das Holz wie eine Katze unter ihren Füßen, schlug eine Biene auf die Fensterscheibe des Zimmers, flogen die Kleider, rollten die Schuhe, knatterten die Schlüsselbänder, die Münzen, entfernte sich alles, was nicht in einen paradiesischen Garten gehörte, bis sie sich nackt wie Adam und Eva gegenüberstanden. Wie im Traum atmete er ihren

Duft ein, hörte die Vögel zwitschern, die Biene ans Fenster schlagen, wie in einem süßen Traum. Und sie erkannten einander mit viel Schwung und Phantasie. Nach dem dritten Orgasmus ließ der Schwung ein bisschen nach, doch nicht die Phantasie, und er nannte sie Christine und Luise und Sabine und sie gab ihm Namen von Zug- und Haus- und Wildtieren, von all den Wesen, die still und friedlich in Eden nebeneinander verweilten. Er durchlief schon zum vierten Mal alle Evolutionsstufen seiner Liebe, als er ihr sagte: „Meine Seele gehört dir, Göttin.“ „Bald, mein Tiger, bald“, sagte sie nur und bohrte ihre Nägel in seinen Körper, und es gab keine Zeit mehr und keine Furcht, und alles verschwand in dem Nichts und kam wieder als Atem. Wie im Traum wurde er aufgeweckt und geküsst und stieg danach mit ihr in ein Auto, in dem es nach Harz roch wie in einem tränenden Wald. Wie im Traum legte sie ihre Hand auf seine Schenkel und streichelte sie, während sie fuhr, und er wollte sie gleich wieder haben, hörte aber „später“ und um dieses süße „später“ drehten sich von da an seine Gedanken. Wie im Traum parkte sie vor einer Bank, ließ den Motor laufen, gab ihm einen Sack und einen Revolver und sagte: „Geh und hol mir das Geld, Tiger.“ Wie im Traum lief er in die Bank hinein, sah erschrockene Gesichter, trieb sie alle zusammen, wunderte sich, wie es möglich war, an so einem herrlichen Tag so vielen schlecht gelaunten Menschen zu begegnen, befahl allen zu lächeln, bat eine Kassiererin, den Sack zu halten, während er ihn mit Geld füllte, wunderte sich, dass so viel Geld herumlag, erfuhr, dass es irgendwelche Löhne waren, lief wieder hinaus, warf den Sack und die Waffe auf den Rücksitz und sah wie das Auto losfuhr und hinter der ersten Kurve verschwand. Wie im Traum warfen sich zwei Typen auf ihn und drückten ihn zu Boden. Er roch ihren Schweiß, hörte sie schimpfen und die Polizeisirenen heulen. „Was wollt ihr von mir. Der Teufel ist schuld. Geht und jagt lieber ihn“, schrie er. Aber es war kein beschissener Traum. Ein Feuervogel breitete seine Flügel über ihn und seine Gedanken wurden zu Rauch, wurden zu Asche.



Leopold Kessler Originalbeilage Nr. 9

Schwaz / Tirol

Erweiterung der Intervention „Opferstock“ (2006)


Tom m c do n o u g h, Städte und Zeichen: Gedächtniskarten, Visualität und Blindheit, In: Nina Möntmann (Hg.), 04131 – town projects, Frankfurt 2002, S. 11. Oxford English dictionary, 2nd ed.,Vol. XV, Oxford 1989, S. 5. www.astro.psu.edu / users / niel / freidmann / freidmann.html, 7. 11. 06.

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Der Plan, vom Plan abzugehen

Gunter Schneider im Gespräch mit Erich Urbanner: über Abstürze beim Komponieren, das Pochen des Herzens und die Frage, inwieweit Melodien beruhigend sind. Erich Urbanner, am 26. März 1935 in Innsbruck geboren, in Kramsach in einem musikalischen Elternhaus aufgewachsen, studierte von 1955 bis 1961 an der Wiener Musikakademie Komposition, Klavier und Dirigieren und hatte dort von 1969 bis zu seiner Emeritierung 2004 eine Professur für Komposition inne. Durch seine Schule gingen so unterschiedliche Köpfe wie Thomas Larcher, Olga Neuwirth, Herbert Lauermann, Gerhard Schedl, Bernd Richard Deutsch, Johanna Doderer oder Zdzislaw Wysocki. Was sie verbindet, ist etwas Grundsätzliches: die Souveränität des Handwerks und die Präzision der Formulierung. Urbanner ist einer der wichtigsten Tiroler Komponisten des späten 20. Jahrhunderts und hat sich daneben auch als sorgfältiger Dirigent mit einfühlsamem Gestaltungsvermögen und als unerbittlicher, weil alles hörender Aufnahmeleiter einen Namen gemacht. Ich traf Erich Urbanner am 26. September 2006, am Tag seines Konzerts bei den diesjährigen Klangspuren Schwaz, wo er sich als Komponist, Lehrer, Dirigent und als bewusst reflektierender Beobachter seiner selbst, namentlich seines Musikhörens präsentierte. Gunter Schneider: Viele Musikhörer wissen, dass sie ganz anders an Musik herangehen, als das Komponisten tun. Wie hört der Komponist? Erich Urbanner: Erstens höre ich, was ich hören muss, zweitens, was ich hören will. Und drittens gibt es etwas, was ich nicht unbedingt hören möchte. Das Muss-Hören ist ein ganz einfacher Vorgang. Alles, was ich mir als Komponist vorstelle – nicht nur Erlebnisse aus dem musikalischen oder dem erweiterten künstlerischen Bereich, sondern auch Einflüsse verschiedenster Art, Stimmungen und eigene Befindlichkeiten – alles das sind Dinge, die ich hören muss, um

davon etwas abzuleiten, etwas, was letztlich in die musikalische Sphäre transformiert wird. S.: Eine Voraussetzung für’s Komponieren? U.: Ja, aber mit einer kompositorischen Perspektive hat das noch wenig zu tun. Diese setzt erst dann ein, wenn mir diese Positionen des Muss-Hörens bekannt sind und ich diese für mich sogar auswendig gelernt habe, sodass ich sie jederzeit parat habe. Und dann komme ich zu dem, was ich hören will. Ich wage mich in Situationen vor, in denen eine Alternative zu dem, was vorher für mich klar war, auftauchen kann und realisiert wird. Das ist immer damit verbunden, dass ich eine gewisse Balance des Klanges suche, und zwar als Balanceakt auf einem sehr schmalen Grat, wo man ein gewisses Glücksgefühl hat, wenn es einem gelingt, das Gleichgewicht zu halten. S.: Und dieser Schritt ist mit einem Risiko verbunden? U.: Der Balanceakt ist immer mit der Gefahr des Absturzes verbunden. Das meine ich, wenn ich davon spreche, dass ich Bestimmtes nicht unbedingt hören möchte. Es gibt natürlich viele Möglichkeiten, wie ich den Absturz für mich deute und vor allem wie weit ich gehe. Da komme ich an einen Punkt, wo es nicht mehr so sicher ist, ist das, was ich jetzt höre, wirklich das, was ich mir vorgenommen habe, oder entstehen hier auch Klänge, die in den Bereich des Ungehörten gehen. Und das kann kompositorisch, wenn es dann zur Umsetzung in der Praxis kommt, zu sehr überraschenden Ergebnissen führen. Dazu fällt mir eine interessante Situation ein: Ein Komponistenkollege hat in einem Bläserquintett angeblich durch die Verwechslung von A- und B-Klari-


Alan M. t u r in g , Intelligente Maschinen. Eine häretische Theorie, In: Alan M. Turing, Intelligence Service. Schriften, Berlin 1987, S. 9 f. André b r eto n , Erstes Manifest des Surrealismus, In: André Breton, Die Manifeste des Sur realismus, Hamburg 1968, S. 15 .

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nette ganz neue Schönheiten des Klanges entdeckt.1 Ich habe dieses Experiment einmal in einem eigenen Stück gemacht und es mit anders transponierenden Instrumenten besetzt. Es ist ganz erstaunlich, dass hier Aspekte des Klanges entstehen, die an einigen Stellen eine unglaubliche Bereicherung sind. Mitunter ist es eben wichtig – und das war immer mein Bestreben –, aus streng organisierten Situationen durch Manipulation auszubrechen. Es ist ein eigener kompositorischer Vorgang, diese unvorhergesehenen Dinge mit einzubeziehen. Für mich ergeben sich da Möglichkeiten einer weiteren Auseinandersetzung mit einem Material, Wege in ganz andere Dimensionen.

sikalische Vorgänge so rasend schnell machen, dass beim Hören nicht mehr kontrollierbar ist, was hier in einer irrsinnigen Geschwindigkeit passiert. Und dann kommt es zum Versuch, durch beruhigende Strategien diesen rasenden Prozess aufzuhalten. In meinen Kompositionen ist dieses Aufhalten immer damit verbunden, mich für Gegenstimmungen melodischer Art zu entscheiden. Die melodischen Dinge, die ich hier schreibe, bedeuten für mich eine Überlebensstrategie. Ich verpasse mir selber die Therapie der Beruhigung.

S.: Es gibt ja die beiden gegensätzlichen Ansichten, dass entweder der Komponist hört und hören muss, was er (beziehungsweise bevor er es) niederschreibt, oder umgekehrt, wie John Cage ganz nonchalant sagte: Ich schreibe etwas auf, von dem ich noch nicht weiß, wie es klingen wird. Gibt es bei Ihnen die Sehnsucht nach dem Unerhörten, noch nicht Kontrollierbaren …

U.: Für mich ist Melodie natürlich beruhigend. Aber es kann durchaus sein, dass eine aufwühlende Emotionalität durchkommt, die in der Grundstruktur einer Melodie drinnen ist. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die melodischen Darstellungen die komplexesten und die verfeinerungsfähigsten Möglichkeiten des musikalischen Ausdrucks sind.

U.: … ja, ja … S.: … oder gerät es bei Ihnen doch wieder unter Kontrolle, indem Sie es bewusst einbauen, in das, was Sie schreiben oder tun? U.: Das geht auch in eine menschliche Dimension hinein. Ich habe einmal im Zusammenhang mit meinem 5. Streichquartett – es hat ja doch etwas Schicksalhaftes an sich, wenn man die Zahl 5 erreicht – die Bemerkung fallen lassen: In einem gewissen Alter und zu gewissen Zeiten hört man das Herz pochen. Und dieses Pochen kann mitunter schneller werden. Man treibt in eine Stimmung hinein, in der einem auch bewusst wird, wie die Zeit eigentlich rennt, wie sie davon rennt. Genau so kann man mu-

S.: Ist Melodie beruhigend?

S.: Eine Melodie ist auch in dem Sinn beruhigend, dass sie beim Zuhören einen meist leicht erfassbaren Zusammenhang herstellt. U.: Die Melodie birgt die Chance, mich wieder zu fangen. Vielleicht komme ich wieder auf sicheres Terrain zurück, aber vielleicht ist der Absturz auch so gewaltig, dass ich resignieren muss und das Stück beenden. Da kommt auch vor, dass ich mich herumquäle mit einer fortschreitenden Entwicklung, durchaus auch mit einer gewissen Form von Verkrampfung, die ich aber nicht unbedingt als negativ empfinde. Und dann kommt der Punkt, wo man sagt, was soll ich noch herausfinden, was soll ich noch heraushören aus dieser Sache, ich komme nicht mehr weiter. Ich mache zwar weiter, aber es stellt sich eine derartige Leere ein, nicht nur eine kreative, sondern auch

1 Die Klarinetten sind – wie auch Hörner und Trompeten – so genannte transponierende Instrumente, d. h. sie klingen tiefer oder höher als notiert. Wenn ein B-Klarinettenpart mit einer A-Klarinette gespielt wird, klingt er einen Halbton tiefer bzw. zu tief.


Christopher del l , Soziale Praxis und Improvisation, In: b&k+, Bergische Universität GH Wuppertal, Akademie der Stadt Sindelfingen (Hrsg.), Political Landscape. Köln 2001, S. 36. Carl weissner, Das Burroughs-Experiment. In: Michael Köhler (Hg.), Burroughs. Eine Bild-Biographie, Berlin 1994, S. 62.

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eine geistige. Natürlich hofft man, am nächsten Morgen anders zu empfinden. Aber meistens ist es dann so, dass im Bereich dieser Resignation irgendwo schon der Schluss liegt. S.: Sie könnten sich aber auch denken: Moment, den Absturz will ich aber gar nicht! Ich geh zurück und geh in eine andere Richtung. U.: (lacht) Das hab ich ja vorhin gemeint mit den Möglichkeiten eines Absturzes, dass ich für mich selber zum richtigen Zeitpunkt die Chance in der Struktur erkenne. Ich kann wieder dorthin zurückzugehen, wovon ich ausgegangen bin, oder die Chance nützen … S.: … die Material und Entwicklung einem bieten, um von einem vorgefertigten Plan ... U.: ... abzugehen. Das ist wichtig! S.: Und das ist dann spannender, als einen Plan durchzuziehen? U.: Meinen Schülern habe ich immer Folgendes zu bedenken gegeben: Es ist klar, jeder glänzt mit wahnsinnigen Ideen, von A bis Z ist alles durchorganisiert, manchmal sogar unter genauer Angaben von Takten, Metronomzahlen und was da so dazukommt. Das ist sehr schön, aber man wird dann doch sehr leicht ein Erfüllungsgehilfe, ein Hilfsarbeiter, der diesen Plan durchführt. Ich kann Ihnen fast sicher sagen, dass Sie das nicht durchhalten werden! Und die Möglichkeit, schon zu sehen, was am Schluss ist, das macht mir Angst. Weil ich da, krass ausgedrückt, schon sehe,

wann ich sterbe. Da unterzeichne ich mein Todesurteil. Nur – Leben heißt ja auch, einen gewissen Optimismus zu haben und schon vorauszublicken, aber nie das Ende abzusehen, sondern immer etwas offen zu lassen. S.: Das ist ja das Problem der seriellen Musik2: Hat man den Plan einmal festgelegt, wird man zum gleichsam willenlosen Exekutor, der jeder kreativen Entscheidung enthoben ist. U.: Drum ist ja die serielle Musik eigentlich schon frühzeitig, zumindest in dieser strengen Form, zum Untergang verurteilt gewesen. S.: Und Komponisten wie Pierre Boulez haben sich davon, zumindest teilweise, abgewendet. U.: Ich war ja viele Jahre Darmstadt-Besucher3 und habe all diese Entwicklungen – auch was durch Cage passiert ist – miterlebt. Ich habe bei dieser Anhäufung von seriellen Stücken direkt Zustände bekommen wie Magenschmerzen und alles Mögliche. Aber eines hat mich noch mehr erschüttert: Die Musik von Komponisten unterschiedlichster Nationalitäten hat durch die Bank gleich geklungen und ich dachte mir, das kann doch nicht möglich sein! Der Auftritt von Cage war darum für mich eine unglaubliche Erlösung, obwohl ich das lächerlich gefunden habe.4 S.: Es gibt diesen Briefwechsel zwischen Cage und Boulez, in dem diese beiden so gegensätzlichen Komponisten einander bestätigen, wie verblüffend ähnlich ihre Musik ist, obwohl sie auf ganz unterschiedliche Art entsteht: bei Cage durch Zufallsoperationen, bei

2 Unter serieller Musik versteht man Musik, die in (möglichst) allen klanglichen Aspekten – Tonhöhe, Tondauer, Lautstärke, Klangfarbe, Artikulation, Position im Raum etc. – in vorherbestimmten Folgen (Reihen) organisiert ist. Sie ist eine Weiterentwicklung der Zwölftonmusik, der Begriff wurde vom französischen Komponisten und Musiktheoretiker René Leibowitz 1947 geprägt. 3 Die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt, 1949 von Wolfgang Steinecke gegründet, waren vor allem in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts Forum und Zentrum der Avantgarde-Musik in Europa. 4 John Cage hat 1958 mit Vorträgen über Unbestimmtheit und Zufallsoperationen sowie Aufführungen seiner Musik bei den Darmstädter Ferienkursen die dem seriellen Denken verpflichtete Szene aufgemischt und verunsichert.


Heinrich z a n kl, Die Launen des Zufalls. Wissenschaftliche Entdeckungen von Archimedes bis heute, Darmstadt 2002, S. 142. André breto n , Erstes Manifest des Surrealismus, In: André Breton, Die Manifeste des Surrealismus, Hamburg 1968, S.40. Ulrich g u t ma ir, Verschwinden. Wegsehen. Ignorieren. Vergessen. William S. Burroughs’ subversive Strategien des Cut-up und die Gesellschaft der Kontrolle, In: b&k+, Bergische Universität GH Wuppertal, Akademie der Stadt Sindelfingen (Hrsg.), Political Landscape. Köln 2001, S. 46.

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Boulez durch serielle Konzepte. Und das hat die Musikwelt damals geradezu schockiert. U.: Serielle Musik hat oft auch wie eine Improvisation gewirkt. Zumindest ist ab einem bestimmten Zeitpunkt der Grundstein gelegt worden, dass bei allem Determinismus auch gewisse Freiheiten möglich wurden. Was meine Entwicklung angeht, so habe ich nach dieser strengen seriellen Periode in meinen Stücken gewisse Zeitabschnitte im Ablauf und in ihren Inhalten zwar organisiert, in ihrer Formulierung aber spontan realisiert. Die Improvisationen klingen teilweise wie serielle Stücke5, was sie aber doch unterscheidet, sind die Flexibilität und die Freiheit, die Zeitdimensionen ganz spontan zu lösen und eine im Moment empfundene Entwicklung zu versuchen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Improvisation III. Das strukturelle Denken habe ich trotz alledem beibehalten, das war noch zu sehr vom Studium bei Karl Schiske6 beeinflusst. S.: Die Darmstädter Situation Anfang der 50er Jahre war ja im Sinn von Adornos Verdikt „nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“7 von einem starken Misstrauen der Emotionalität gegenüber geprägt und, daraus folgend, von einer Überbewertung der Struktur gegenüber der Emotion. So hat man auch die hochemotionale und expressive Musik Anton von Weberns vor allem in Bezug auf ihre strukturellen Aspekte, auf die Organisation der 12 Töne, verstanden. 5

U.: Da haben Sie völlig Recht! Ich erinnere mich an einen Klavierwettbewerb, den Kranichsteiner Musikpreis8, da waren die Webernvariationen9 das Pflichtstück. Und alle haben diese Musik Weberns mit einer intellektuellen Eiseskälte gespielt. Alles war genau und völlig emotionslos. Ich dachte mir, das kann doch nicht sein, dass diese Musik so klingen muss! Daraufhin habe ich mich mit den Variationen, die ich schon gekannt habe, pianistisch auseinandergesetzt, habe sie auch mehrmals öffentlich gespielt. Und in einem Buch von Robert Schollum10 über neue Musik habe ich zufällig gelesen, dass das erste Stück dieser Variationen so zu verstehen sei wie Brahms. Der Zugang hat mir gefallen, wiewohl für mich weniger Brahms der Schlüssel zum Verständnis war als der Reichtum der Farben. Es ging einfach darum, sich vor allem einmal im Klaren darüber zu sein, wie das eigentlich formal gebaut ist. Diese Stücke sind doch aus dem traditionellen Formenschatz heraus gestaltet! S.: Die Begriffe Emotion und Form gehören nicht für jeden von vornherein zusammen. Ihrer Meinung nach sind die beiden offensichtlich sehr eng verbunden. Die Emotion stellt sich in der Form dar. Für viele bringt allerdings erst die Überwindung der Form die Befreiung der Emotion … U.: (lacht) … Da hab ich zu viel von Beethoven gelernt! Der zeigt, wie das geht. Die Form als Grundgerüst ist ja nicht das Interessante, sondern der Inhalt. Er ist ein Meister der Coda-Gestaltung. Was da

Zwischen 1961 und 1969 komponierte Urbanner vier Improvisationen (I für Orgel, II für 2 Klaviere, III für Kammerensemble und IV für Bläserquintett). In der dritten (1969) nützte er zum ersten Mal eine freiere Schreibweise und fügte durch eine eigens entwickelte „Streckennotation“ Elemente mit improvisatorischen Aspekten in den komponierten Zusammenhang ein. 6 Karl Schiske, 1916 – 1969, Komponist und Professor für Komposition an der Akademie (heute Universität) für Musik und darstellende Kunst in Wien, bei ihm studierte Urbanner von 1955 – 1961 Komposition. Schiske nahm seine Studenten auch mit zu den Darmstädter Ferienkursen. 7 Theodor W. Adorno, Kulturkritik und Gesellschaft, 1949 8 Im Jagdschloss Kranichstein in der Nähe Darmstadts, nahmen die „Ferienkurse für internationale neue Musik“ 1946 ihren Anfang. Bald übersiedelten sie nach Darmstadt. Der 1952 gegründete Kranichsteiner Musikpreis wird für besondere Leistung auf dem Gebiet der Interpretation Neuer Musik und seit einiger Zeit auch der Komposition vergeben. 9 Anton Webern, Variationen für Klavier, op. 27 (1935 / 36) 10 Robert Schollum, 1913 – 1987, österreichischer Komponist und Musikschriftsteller


Filmstill aus: Guy d ebo rd , Über den Durchgang einiger Personen durch eine ziemlich kurze Zeiteinheit, 1959, [ Im Laufe der Bewegung und folglich durch ihre vergängliche Seite ], In: Der Beginn einer Epoche.Texte der Situationisten, Hamburg 1995, S. 247. Peter c unn ingham (Hg.), The Letters of Horace Walpole, Earl of Oxford, Vol. 2. 1749–1759, London 1880.

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für emotionelle Gebäude entstehen! Vorher läuft das Stück gefällig, im guten klassischen Sinn fantastisch ab, und jetzt kommt plötzlich eine emotionelle Romantik hinein, die ungeheuer ist, finde ich. Und da hat man oft das Gefühl, jetzt beginnt eigentlich erst das Stück, wenn da noch ein unglaublicher Inhalt dazu kommt – aus kompositorischer Perspektive ist es die Suche nach einer sich steigernden Alternative. S.: In einer Befreiung von verbindlichen Strukturen. U.: Das ist auch etwas, was ich immer anstrebe. S.: Tonalität und Nichttonalität – zwei Bereiche, die ganz bewusst gegenübergestellt werden. Gibt es überhaupt Atonalität? U.: Nein, das gibt es nicht. Unser Hören sucht immer Fixpositionen. Das muss nicht ein Ton oder ein einfacher Akkord sein, das kann auch mit Clustern11, um ein extremes Beispiel zu nennen, vermittelt werden. Es geht immer um die Strategie. Was fange ich mit einem Cluster an? Ein ganz einfaches Beispiel: Ich beginne mit einem Cluster, lichte ihn aus und gehe wieder zum Cluster zurück. Oder: Ich mache ein Stück vom Erscheinungsbild her dicht – so, dass alle Instrumente immer spielen. Damit aber der Zuhörer das Gefühl eines Fortschreitens der Musik bekommt und eine gewisse Pulsation entsteht, muss ich die Instrumente differenziert behandeln, um Unterschiede im Klangbild zu erreichen. Da kommen die unterschiedlichen, mitunter auch experimentelle Spielarten der Instrumente zum Tragen. Immer ist alles in Bewegung. Und das interessiert mich sehr. Da hört man schon fast so wie in der Tonalität auf einen Ausgangspunkt oder ein Zentrum hin. Nur kann man diese Wirkung hier mit Mitteln erzeugen, die keinen tonalen Bezug haben.

S.: Wenn ich Ihnen so zuhöre, habe ich das Gefühl, im Hintergrund gibt es eine Instanz oder eine Gewissheit, die letztlich sagt, das ist gut, das klingt gut oder das geht gerade noch. Wer oder was ist das? Sind das Sie als Einzelner oder ist das etwas Absolutes? U.: Da war natürlich eine Instanz, die mich aufmerksam gemacht hat, so geht das, so läuft das, so gestaltet man. Der Lehrer, den man hat, ist schon eine Instanz. Inwieweit man sich dann aus der Obhut dieser väterlichen Figur löst, ist eine andere Frage, aber irgendwo bleibt sie immer prägend und im Hintergrund vorhanden. Wenn ich gewisse Dinge argumentiere, ist das ja nicht aus der Luft gegriffen. Es gibt immer eine Entwicklung; sie ist dadurch bestimmt, dass ich mich entschlossen habe, kompositorisch etwas zu lernen. S.: Ich meine ja nicht unbedingt die väterliche Instanz, mir geht es um die Gewissheit Ihrer Ansichten. Darum die Frage: Ist diese Gewissheit allgemein verständlich und verbindlich, ist sie unter Umständen sogar eine gemeinsame Basis für Sie und die Hörer Ihrer Musik? U.: In Bezug auf die Hörer spielt das eigentlich keine Rolle, würde ich sagen. Ich bin nun einmal in meiner Art so, ich war auch ein braver Schüler (lacht), über gewisse Dinge kann ich nicht hinweg springen. Ich fühle mich sofort selber verraten, wenn ich einen Einstieg versuche, wo ich alles, was ich bisher gelernt habe, negiere. Ich schaffe so was nicht. Da bin ich einfach so erzogen worden. Ich bin von Natur aus sicher einer, der innerhalb des Möglichen an die Grenzen geht, aber ich bin kein Berufsverweigerer.

11 In der Musik sind Cluster Akkorde, deren Töne eng – z. B. in kleinen Sekunden – beieinander liegen und die darum nicht oder kaum funktionsharmonisch klingen, sondern eher wie verschieden farbige Flächen wirken.


Eigenwerbung Quart Nr. 01–08

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Nachrichten vom Tod

Kaiser Maximilian ließ den folgenden Spruch an seinem Bett anbringen: „Leb, weiss net wie lang / Stirb, weiss net wann / Muss fahren, weiss net wohin / mich wundert, dass ich so fröhlich bin.“ Welchen Begriff haben Menschen heute von ihrem Ende? Eine ethnografische Reportage von Peter Oberdorfer Ich hatte gerade einen Zug versäumt und stand ratlos in der großen Halle des Innsbrucker Hauptbahnhofs. Am frühen Abend herrschte dichtes Gewimmel. Ich ließ mich von der Rolltreppe auf die ebenerdige Etage bringen, von wo es nach draußen geht, und schaute hinunter, ins Feierabendgedränge: zu den Zügen, von den Zügen, zu den Geschäften, von den Geschäften, hurtig, gleichmäßig und nichtendenwollend. Einerseits schienen da bestimte Gesetze am Werk, etwa solche, die dafür sorgten, dass sich die Passanten schön auf die Hallenfläche verteilten und selten zusammenstießen, andererseits wies das Bild, das sich bot, nicht über sich selbst hinaus. Es war ein Durcheinander von Punkten, wie auf einem Fernseher ohne Programm. Als ich das Interesse am Hinunterschauen verlor, gewahrte ich einen Mann neben mir, den ich vom Sehen her schon kannte. Er stand immer irgendwo in Bahnhofsnähe herum. Er war alleine, gehörte weder zu den klassischen Sandlern mit Bierdose oder Doppler, noch zu denen, die auf irgendwelchen Drogen waren. Er lehnte kaum zwei Meter neben mir an der Brüstung, und obwohl jeder andere irgendwann den fremden Blick gespürt hätte, schaute er nur geradeaus hinunter, als sähe er dort etwas. „Hast du einen Moment Zeit?“ Als hätte er genau diese Frage erwartet, sagte er, ohne sich zu rühren: „Nein.“ Ich sagte, dass ich mit ihm reden wolle. Jetzt schaute er erstaunt zu mir. Er war schon alt, sicher über 60, das Gesicht so verwittert und verbrannt, als sei er den ganzen Sommer draußen unterwegs gewesen. „Reden? Worüber?“ „Über den Tod.“

„Den Tod?“ Als wir dann an einem Tisch saßen, war Moritz, so hieß der Obdachlose, gesprächiger. „Das sag ich dir natürlich erst jetzt, wo das Bier schon bestellt ist, dass ich dir da gar nix sagen kann. Ich glaub ja an nix. Der Tod kommt, das ist sicher … Die Leute wollen etwas wissen, es wird geforscht über den Tod. Es gibt viele Bücher, und du hast sie sicher gelesen, oder? Und doch weiß man nix, weil noch keiner zurück gekommen ist. Mir gefällt das.“ Er lachte und hustete, dann kam das Bier. „Wenn du die Nachrichten schaust, im Fernsehen, die Leute haben Angst vor irgendwelchen Katastrophen oder Krankheiten, als hätten sie ein Leben, das ihnen sonst nicht genommen wird. Aber es wird ihnen doch genommen. Das ist absolut sicher, das weiß sogar ich! … Und doch, davon findest du da draußen keine Spur. Komisch, oder? Ich bin dafür, weißt du, dass der Tod mehr ins Leben eingreift. Nicht als Krieg oder als Katastrophe, sondern als Tod, einfach als Tatsache, als Maßstab. Als ein Zeichen, das den Leuten den Kopf gerade richtet, nach dem Ende hin ausrichtet. Ich hab’s da leichter, vielleicht“, er lachte, „das wundert dich! Ich hab kein schönes Leben gehabt. Dafür tut mir der Gedanke an den Tod nicht weh, überhaupt nicht, weil ich nix zu verlieren hab … Ich hab auch nix zu tun und hab Zeit über ihn nachzudenken. Man kann gar nicht genug Zeit haben dafür. Ein langes Leben reicht da wahrscheinlich nicht.“ Ein paar hundert Meter weiter Richtung Westbahnhof in der Speckbacherstraße hat ein neues Bestattungsunternehmen aufgemacht. Der Mann, der es führt, Erik Neumair, ist schon lange im Geschäft. „Einmal Bestatter, immer Bestatter“, sagt er. „Wenn ich ins nächste Gasthaus geh auf ein Bier, dann heißt’s,


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schau, der Bestatter geht ein Bier trinken. Das bleibt dir, da kannst du nichts machen.“ Er wollte allerdings das Bestattungsunternehmen seiner Eltern, in dem er schon als Bub aushalf, nicht weiterführen, sondern ein eigenes gründen. Nicht zuletzt, um besser auf Veränderungen reagieren zu können. „Soll ich vielleicht da sitzen mit dem schwarzen Zylinder und dem Geier auf der Schulter? Was sich in den letzten Jahren abspielt, ist der komplette Umbruch.“ Früher sei alles immer gleich abgelaufen. Nach dem Tod kam die Aufbahrung mit Totengebet, dann gab es den Sterbegottesdienst und schließlich die Beerdigung. All das war öffentlich, damit sich nicht nur die Familie vom Toten verabschieden konnte, sondern alle, mit denen der Tote je in Verbindung gestanden war. „Wissen Sie, früher – und zum Teil auch noch heute – war es so, dass die Angehörigen geglaubt haben, sie müssen das so machen, das sei alles gesetzlich so vorgeschrieben. Aber das ist es natürlich nicht. Und wenn man ihnen sagt, dass sie es so machen können, wie sie wollen, dass sie vollkommen frei sind, dann greifen sie das dankbar auf. Oft führt das halt dazu, dass sie dann überhaupt keine Feierlichkeiten mehr wollen. Nur dass die Leiche verschwindet. Von 40 Begräbnissen, würd ich sagen, gibt es nur mehr drei Aufbahrungen. Was extrem zunimmt sind die Begräbnisse ‚in aller Stille‘, wie es immer in den Sterbeanzeigen heißt. Das ist dann nur im engsten Familienkreis, teilweise wollen sie nicht einmal mehr den Pfarrer dabei haben. Als Bestatter komm ich mir da manchmal wie ein Mullmandl vor. Eigentlich geht da eine ganze Kultur verloren.“ Hauptleidtragende dieser Entwicklung sei die Kirche. „Die sind fix und fertig.“ Im Mai dieses Jahres erging ein Rundschreiben der vier Pfarren von Innsbruck an die Bestatter. Darin werden die Grundzüge der christlichen Begräbniskultur in Erinnerung gerufen. Es endet „mit der Bitte um konstruktive Zusammenarbeit“. „Man will, dass wir den Leuten sagen: Macht es so, wie es immer gewesen ist.“ In dem Schreiben etwa heißt es: „Zur Erdbestattung gehört das Absen­

ken des Sarges in das Grab während des kirchlichen Begräbnisses … Dazu gehört auch das Einwerfen der Erde.“ Neumair: „Mir sagen die Leute dann oft: Das steh ich nicht durch, das ist so traurig. Müssen wir da dabei sein?“ Der Philosoph Peter Sloterdijk hat in seiner „Sphären-Trilogie“ einen interessanten Begriff geprägt, den der „Levitation“. Mit Levitation („Erleichterung“) ist die Veränderung der Lebensumstände gemeint, die der Mensch im Zuge des 20. Jahrhunderts durchgemacht hat. Während Wohlstand in vormoderner Zeit immer nur einer dünnen Oberschicht gesichert war und die Masse in bitterer Armut lebte, ist es heute in den entwickelten Ländern umgekehrt. Armut ist eine Randerscheinung geworden, von ihr sind nur mehr Außenseiter betroffen. Der Mensch, dessen Leben erleichtert worden ist, lebt in einer vom Menschen beherrschten Welt, in der Unvorhersehbares, Katastrophales, Lebensbedrohliches nur mehr selten geschieht. Ein vom Staat organisiertes Gesundheitssystem sorgt dafür, dass Leiden kuriert werden; gestorben wird nur mehr ausnahmsweise und an wenigen schweren Krankheiten. Gewalt gibt es nur mehr im Fernsehen. Der Staat hat auf seinem Territorium ein Gewaltmonopol errichtet, das er mit Polizei und Armee unangefochten ausübt. Wer heute von einer Stadt in die andere fährt, braucht keine Waffe mitzunehmen, um sich in einem rechtsfreien Raum gegen Angriffe zu verteidigen. Im Mittelalter dagegen war die Bewaffnung geradezu das Kennzeichen des „Freien“. Damals war das Leben gefährlicher, unsicherer, in jeder Hinsicht. Der Tod schlug viel öfter zu und gehörte damit viel selbstverständlicher zum Leben. Für uns heute ist der Tod unzweifelhaft in die Ferne gerückt und wird damit folgerichtig ganz anders erlebt. Es kommt gar nicht so häufig vor, dass in unserem Umkreis jemand stirbt. Oft erfährt man davon lange, nachdem es passiert ist. Die Mehrheit der heute in unseren Breiten Lebenden hat wahrscheinlich nie einen Leichnam zu Gesicht bekommen, geschweige denn: berührt. Aus dem allgemeinen Erfahrungs-


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schatz ist verschwunden, wie ein toter Mensch riecht, wenn er schon ein paar Tage aufgebahrt war. Wir werden mittlerweile statistisch gesehen so alt, dass wir den Gedanken an den Tod immer länger von uns wegschieben können (im Regelfall denkt man bis zur Pension voraus). Marcel Duchamp ließ auf seinen Grabstein schreiben: „Es sind immer die anderen, die sterben.“ Es ist da natürlich verlockend, in konservativ-kulturpessimistischer Manier gegen die Heutigen vom Leder zu ziehen und zu sagen (was oft gesagt wird), dass man heute den Tod verdränge. Tatsächlich aber ist die objektive Entfernung des Todes aus unserem Alltagsleben ein Aspekt dessen, was man sonst insgesamt als Fortschritt betrachtet (und erlebt), nämlich, dass die menschliche Existenz in den zeitgenössischen westlichen Demokratien so sicher, gewaltfrei und lange an Jahren geworden ist wie noch nie in der Geschichte zuvor.

und Trinken geben, stellt vielleicht auch einen Schnaps auf den Tisch. Alle, mit denen man sozialen Kontakt hat, kommen da auf einmal. Ich hab das selbst erlebt, als mein Vater gestorben ist. Ruhe hast du da natürlich keine, aber das ist vielleicht auch der Zweck, dass man zuerst einmal abgelenkt wird. Die Ruhe kommt dann später. Mit dem Geruch gibt es normalerweise kein Problem, eine sehr feine Nase merkt vielleicht schon was nach drei Tagen, aber in einem Bauernhaus, da steht die Luft ja nicht. Man muss natürlich schon schauen, dass aus der Leiche keine Flüssigkeit austritt mit der Zeit. Am dritten Tag der Aufbahrung wird der Sarg zur Kirche getragen, von den Leuten aus der Nachbarschaft. Für die ist das eine Ehrensache, die man nie ausschlägt. Früher haben sogar die Nachbarn das Grab geschaufelt. Das macht man heute nicht mehr selber, sondern eine Firma, bei uns ist das die Firma ‚Schatzgräber‘.“

In Tirol sind Gegenwart und Vergangenheit oft noch nah beieinander. Wie manche Schneeflecken in schattigen Gebirgssenken bis in den Frühsommer liegen bleiben, so hat sich mancherorts auch die Vergangenheit mit ihren kulturellen Ausdrucksformen gehalten – und zwar in unreflektierter Selbstverständlichkeit, nicht als komatös am Leben erhaltene Folklore. Das betrifft auch den von Todesnähe und Todesselbstverständlichkeit geprägten Umgang mit dem Sterben. Der in der Innsbrucker Klinikseelsorge tätige Alfons Lanser sitzt im dortigen Pausenraum und erzählt davon, wie bei ihm daheim, im Osttiroler Villgratental, gestorben wird: „Dass der Bestatter die Leiche holt und dann als Dienstleistungsunternehmer alles abwickelt, das gibt es bei uns eigentlich nicht, nur im Ausnahmefall, wenn zum Beispiel ein Tourist stirbt oder sonst ein Auswärtiger, der nicht zu einem Haus gehört. Sonst wird das noch in der Familie gemacht. Der Tote wird in der Stube aufgebahrt, feierlich, mit Kerzen und allem Drum und Dran. Im Haus herrscht Hochbetrieb. Es kommen die Leute aus dem Dorf, um sich von dem Verstorbenen zu verabschieden. Es wird mittags und abends gebetet, wobei die Nachbarn vorbeten. Man muss den Leuten was zum Essen

Lanser denkt nach. „Das Trauern ist da so selbstverständlich wie nur was. Ich kann mich erinnern, als Kinder haben wir in der Stube, wenn da ein Toter aufgebahrt lag, auch gespielt und sind herumgerannt und wenn einer den Ball in den Sarg geschossen hat, mein Gott, dann hat man den halt wieder herausgeholt und weitergespielt. Aber man darf das auch nicht idealisieren und sagen: Sterben am Land, nach der alten Weise ist gut, und Sterben in der Stadt ist schlecht. Das ist falsch. Da hat sich einfach so viel geändert, es sind ganz verschiedene Sachen.“ Andreas Krzyzan, Leiter der Klinikseelsorge: „Man muss sagen, dass sich der Umgang mit dem Tod in der Stadt in den letzten Jahren verbessert hat. Früher, so bis in die 80er Jahre, hat man sich etwa in den Krankenhäusern nicht für den Tod zuständig gefühlt. Da wurde der Tod einfach als Versagen der Medizin gesehen. Es gab keine Sterbebegleitung.“ Herbert Neurauter, langjähriger Bestatter in Zirl: „Sie müssen sich vorstellen, da haben sich in den Krankenhäusern die Leute beschwert, wenn sie mit einem Sterbenden im Zimmer gelegen sind. Man hat das als Belästigung empfunden, nicht dass die Angehörigen ein und aus


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gehen, da ist ja niemand gekommen, weil oft niemand etwas gewusst hat. Es hat die anderen Patienten gestört, dass einer am Sterben war. Und dann hat man den manchmal in die Besenkammer gelegt und dort alleine sterben lassen. Medzinisch war der Fall ja erledigt. Man hat aus diesem Grund auch eigene Sterbekammern in den Krankenhäusern eingerichtet. In den Altersheimen hat man das eine Zeit lang auch so gemacht, oft waren diese Kammern im Keller drunten. Wenn es ans Sterben ging, wurden die Leute da hinunter gebracht. Das alles gibt es heute nicht mehr, Gott sei Dank. In den Altersheimen sterben die Leute heute wieder in ihren Zimmern.“ Neurauter erinnert sich an die Zeit, als er vor gut 40 Jahren anfing. „Man sagt ja gern: Früher war alles besser, aber das stimmt ja nicht. Früher wurde der Tod vielmehr totgeschwiegen als heute. Da hat sich keiner drüber zu reden getraut. Die Bestatter haben sich ja aus den Tischlereien entwickelt. Früher haben die Tischler die Särge hergestellt und irgendwann ist es dem Tischler, bei dem ich gelernt habe, zuviel geworden und er hat zu mir gesagt: ,Magst nicht du das übernehmen?‘ Ich hab ‚ja‘ gesagt und bin Bestatter geworden. Daraufhin hat sich ein gutes Drittel meiner Freunde und Bekannten von mir abgewendet und wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Weil ich Bestatter wurde und mit dem Tod zu tun hatte. Und ich kann mich erinnern, als ich als ganz junger Bestatter zum ersten Mal in ein Haus kam, in dem es einen Toten gab. Da haben die Leute so“ – Neurauter hält sein Wasserglas in die Luft – „ein Glas voller Schnaps vor mich hingestellt und gesagt, ich soll das trinken. Warum denn, hab ich gefragt. Und die Leute haben gesagt: ‚Du musst einen Toten angreifen‘. So sind viele dem Alkohol verfallen in unserem Geschäft, weil man ihnen überall, wo sie hin gekommen sind, Schnaps hingestellt hat. Man hat geglaubt, die können sonst nicht arbeiten. Aber ich hab kein Problem, ich brauch keinen Schnaps. Der Tod ist ganz natürlich.“ In seinem Buch „Über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen“ zitiert der deutsche Soziologe Nor-

bert Elias einen Brief Friedrichs II. von Preußen an seine im Sterben liegende Schwester, die Markgräfin von Bayreuth vom 20. Oktober 1758. Darin stehen Sätze wie: „Ich bin von dir, von deiner Gefar und von meiner Erkenntlichkeit so angefüllet, das dein Bild immer in meiner Seele herrsche und alle meine Gedanken bestimmt.“ Und später: „Wollte doch der Himmel die Wünsche erhören, die ich täglich für deine Genesung zu ihm schicke!“ Es gilt als gesichert, dass Friedrich wenige Menschen so nah standen wie diese Schwester; auch dass er den Brief auf Deutsch schrieb, das er sonst höchst selten gebrauchte, unterstreicht die Intimität des Briefs. Und doch, so analysiert Elias, beschleicht den heutigen Leser dieser Zeilen ein Gefühl der Künstlichkeit, das damals bestimmt weder Friedrich noch seine Schwester hatten. Dieses Unbehagen hat nach Elias damit zu tun, dass Friedrich „konventionelle Floskeln als Ausdruck der Gefühle gebraucht“ habe und dass wir misstrauisch geworden seien „gegenüber den festgeprägten Ritualen und Floskeln früherer Generationen“. Denn: „Viele gesellschaftlich vorgeschriebene Formeln tragen die Aura vergangener Herrschaftssysteme mit sich.“ Wenig später stellt er fest: „Aber zugleich erzeugt die zivilisatorische Veränderung bei vielen Menschen erhebliche Scheu und oft genug ein Unvermögen, starken Emotionen Ausdruck zu geben, sei es in der Öffentlichkeit, sei es auch im Privatleben.“ Er meint: Emotionen angesichts des Todes – und damit scheint die zeitgenössische, noch vor allem städtische Problematik angesichts des Todes scharf umrissen: Man fühlt sich von den tradierten Ritualen nicht mehr angesprochen, bleibt teilnahmslos bei ihrem Vollzug und ist doch als einzelnes Individuum überfordert, wenn es darum geht, sein eigenes Verhältnis zum Tod zu finden und zu artikulieren. Der Tiroler Maler Anton Christian, der sich in seinem Werk viel mit dem Tod beschäftigte, sagte zu mir: „Das Sterben ist eine undefinierbare Tätigkeit geworden. An kulturellen Ausdrucksformen rund um den Tod sehe ich nichts nachkommen.“ Angesichts dieser Verlegenheit lassen sich dann im allerletzten


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Moment viele in die alten Formen zurückfallen. Der Klinikseelsorger Lanser: „Ich war schon bei Sterbenden oder deren Angehörigen, die mir gesagt haben, dass sie sich von der Religion abgewendet haben. Dann fange ich halt trotzdem irgendwann an, ein Vaterunser zu beten, leise, für mich. Und wissen Sie, was dann passiert? Dann beten sie mit. Nicht weil sie bekehrt wären, sondern weil es befreit, überhaupt etwas zu tun und weil das so drinnen ist in ihnen.“ Wittgenstein schrieb einmal: „Der Mensch ist ein zeremonielles Tier.“ In den frühen 90er Jahren hat sich die Tiroler Hospizgemeinschaft formiert. Seit 1992 ist sie als Verein der Caritas organisiert, der sich die Begleitung Sterbender und Schwerkranker zur Aufgabe gemacht hat. Sowohl der Bestatter Neurauter als auch der Klinikseelsorger Krzyzan und viele andere erwähnen das Hospiz, wenn sie davon reden, dass die Hochblüte positivistischer Diesseitigkeit und Todesverleugnung schon wieder vorbei sei, dass eine Suche in Gang sei und in den letzten Jahren vielerorts an einer zeitgenössischen Begegnung mit dem Tod gearbeitet werde. Wer das stationäre Hospiz aufsucht, das in den oberen Etagen des Innsbrucker Sanatoriums Kettenbrücke untergebracht ist, wird in der Tat überrascht. Ich erwartete mir eine Atmosphäre der stehen gebliebenen, oder besser – der verlorenen Zeit, die man von Altersheimen her kennt und dachte mir: So wird es wahrscheinlich sein, nur ein bisschen schlimmer. Statistisch gesehen stirbt ein Patient im Hospiz 13 Wochen nach seiner Einlieferung und doch betritt man kein schwermütiges Durchhaus des Todes, sondern einen eigentümlich hellen Ort. „Wir bieten katholische Seelsorge an, aber auch einfach nur menschlichen Beistand. Es gibt natürlich auch solche, die angesichts des Todes eine depressive Verweigerungshaltung einnehmen, da kann man dann nichts machen. Und es gibt auch Angehörige, die so tun, als sei nichts. Aber das ist eher die Ausnahme. Im Regelfall bemühen sich Sterbende und Familienangehörige, so

schwierig es auch ist, irgendwie damit zurecht zu kommen, und sind froh, wenn man ihnen dabei hilft,“ erzählt Helene Mair-Kogler, die als Psychotherapeutin im Hospiz arbeitet. „Die Leute haben heute eine Scheu vor dem Tod. Aber man kann ihnen dabei helfen, sie zu überwinden. Wenn ein Mensch gerade gestorben ist und die Angehörigen im Raum sind, herrscht oft tiefe Verlegenheit. Man braucht aber zum Beispiel nur den Toten, den man geliebt hat, anzugreifen. Seine Hand auf den Leichnam zu legen. Das kostet die Leute Überwindung, aber jeder, der das gemacht hat, sagt im Nachhinein, dass ihm das viel gegeben hat. So kann man nämlich den Tod begreifen. Je emotionsloser der Umgang mit dem Sterben der anderen ist, desto größer ist die Angst vor dem eigenen Tod. Indem die Rituale, die es früher bei uns gegeben hat, an Bedeutung verlieren, wird die Trauer über den Tod anderer nicht mehr richtig verarbeitet. Der Bestatter erledigt das schnellschnell und den Angehörigen wird der Tod gar nicht mehr richtig bewusst. Und das ist nicht gesund, denn eine Trauer, die nicht gelebt wird, kommt dann halt irgendwie anders daher, meistens als Depression. Auch Sterbende ermutige ich, ihre eigenen Rituale zu finden. Einmal war da eine todkranke Frau, für die hab ich immer auf dem Monochord (ein obertonreiches Saiteninstrument, bei dem alle Saiten auf den gleichen Ton gestimmt sind, Anm.) gespielt. Und irgendwann sagte sie: ‚Dieses Instrument ist auf das Wesentliche reduziert, ich habe mich auch auf das Wesentliche reduziert.‘ Und das ist der Grund, warum der Tod nicht nur traurig ist. Es erlöschen alle landläufigen Sicherheiten und es bleibt etwas Dichtes und Wesentliches übrig. Wenn man das miterlebt, als Freund, als Angehöriger, kann einem das auch sehr viel geben.“ Und wer stirbt am Ende leichter, der Gläubige oder der Ungläubige? Seelsorger Krzyzan: „Also der Glaube bietet überhaupt keine Garantie, dass man angesichts des Todes nicht verzweifelt. Wer weiß, vielleicht verzweifle ich selbst, wenn es soweit ist, und rufe wie Jesus: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“


Roland ra i n e r, Institut für Städtebau der Akademie der bildenden Künste Wien (Hg.), Anonymes Bauen Nordburgenland, Salzburg 1961, 118 Seiten — — — — — —

TU Wien Inst. 253; Sig. 771898; 780286 UBI Baufakultätsbibliothek; Sig. T51515 UBS Hauptbibliothek; Sig. 107413 II UBW FB Europ. Ethnologie; Aufstellung A-8 UBW Hauptbibliothek; Sig. II-868476 Univ. f. angewandte Kunst Wien; Sig. 07770

Roland ra i n e r, Institut für Städtebau der Akademie der bildenden Künste Wien (Hg.), Anonymes Bauen Nordburgenland, 2. Aufl., unveränd. Nachdr. d. Ausg. Salzburg 1961, Wien / Köln / Weimar 1995, 118 Seiten, ISBN 3-205-98356-4

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Akad. d. bildenden Künste Wien; Sig. 61448-D MAK-Bibliothek; Sig. MAK-II-209 OeNB Hauptabt. Heldenplatz; Sig. 1438176-D TU Wien Hauptbibl.; Sig. 550399 II TU Wien Inst. 253; Sig. 748385; 732368 A TUG Hauptbibliothek; Sig. II 210988 TUG I. f. Arch.theorie / Baukunst;

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TUG I. f. Arch. u. Landschaft; Sig. II 210988 UB Klagenfurt; Sig. II 278295 UBBW Hauptbibl.; Sig. II-68564 UBG Hauptbibliothek; Sig. III 446927 UBG I. f. Volkskunde u. Kult. Ant.;

Sig. II 210988

Aufstellung 070:R155

— UBI Baufakultätsbibliothek; Sig. T251291 — UBW Hauptbibliothek; Sig. II 1172464 — Univ.-Bibl. d. Kunstuniv. Linz; Sig. 26648-B

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Architektur o. T.

Was kann uns Architektur, die ohne Architekt entstanden ist, mitteilen? Der Architekt Carl Pruscha veranschaulicht auf den folgenden drei Seiten, welchen Stellenwert das so genannte „anonyme“ Bauen künftig haben wird. Auf den Seiten 96 – 119 folgt eine „fotografische Odyssee in 24 Bildern“ von Gerhard Klocker. Auch wenn wir uns als zukunftsorientierte Architekten im Allgemeinen scheuen, in die Vergangenheit zurückzublicken, so benützen wir doch immer wieder Bausteine aus der Geschichte, um unsere individuelle Zukunft zu basteln. Die im Zeichen künftiger Urbanisierung stehende diesjährige Architekturbiennale beschränkt sich größtenteils auf geschichtliche und statistische Rückblicke: Sogar der österreichische Beitrag (als wohl der einzige mit visionärem Anliegen) bezieht sich mit Friedrich Kieslers Raumstadt auf den Anfang des vergangenen Jahrhunderts und mit dem Hollein’schen Flugzeugträger als Epitom des technischen Geistes auf die Mitte desselben. Dies war die Epoche, die mir zur Zeit meines Architekturstudiums in den USA eine perfekte Technologie offerierte; sie verleitete uns, an eine fast unbegrenzte Möglichkeit ihrer Anwendung zu glauben. Meine Bewunderung (und die vieler Kollegen meiner Generation) galt damals den Visionen eines Yona Friedman oder den Ideen der japanischen Metabolisten. Mit meinen eigenen Vorstellungen von globalen Netzwerken interkommunikativer Infrastrukturen als Trägern künftiger Raumstädte stieß ich sehr bald auf Grenzen des real Möglichen und kam in Anbetracht der gesichtslosen und menschenverachtenden Architektur, wie ich sie am schier unbegrenzten Wachstum der großen Städte der westlichen Welt kennen lernte, zu einem nüchternen Erwachen. Es war für mich eine Zeit völliger Orientierungslosigkeit. Wie zu Beginn des Industriekapitalismus setzte sich allmählich wieder eine eklektizistische Ästhetik durch, die schließlich als die „Postmoderne“ zu grotesken Auswüchsen führte, vorderhand auf Einzelobjekte beschränkt. In meinen Augen umfasst Architektur jedoch die gesamte äußere Umwelt des menschlichen Daseins – weil sie Gestaltung und Umgestaltung des gesamten Antlitzes der Erde entsprechend den menschlichen Bedürfnissen bedeutet. Die Tätigkeit des Architekten kann sich nicht auf Einzel-

objekte beschränken, sie muss vielmehr Stadt-, Siedlungs- und Raumplanung des Landes bzw. der Region einschließen. Die Errungenschaften dezentraler Energie- und Informationsversorgung könnten doch das Entstehen neuer Siedlungstypen, ja einer neuen Mentalität, erlauben. In solcherlei Gedanken verstrickt, führte mich eine gute Vorsehung anfangs der 60er Jahre ins New Yorker Museum of Modern Art (unweit meines damaligen Arbeitsplatzes im Rockefeller Center): Zu sehen war eine Ausstellung des österreichischen Architekten Bernhard Rudofsky mit dem provokativen Titel „Architecture without Architects“. Hier wurde ich mit Bildern konfrontiert, die weltweit Beispiele einer harmonischen Verbindung charakteristischer Elemente der Architektur mit ihrer natürlichen Umwelt vorstellten. Beispiele, die weder an eine Zeit noch an eine bestimmte Form von Brauchtum oder Folklore ihrer Bewohner gebunden schienen, die vielmehr die immer wiederkehrenden Elemente der Architektur in zeitloser Ordnung wiedergaben. Bauten, die aus dem Boden gewachsen schienen und aus den Rohstoffen eben dieses Bodens gemacht worden waren. Ich erinnerte mich wieder an die Zeit meines Studiums bei Roland Rainer und an die Studienreisen, auf denen er uns in die nähere und weitere Umgebung von Wien geführt und uns mit den dörflichen und kleinstädtischen Siedlungsanlagen bekannt gemacht hatte. Die Bedeutung dieser Arbeiten sollte uns gerade heute wieder interessieren, könnten sie doch für die weitere Entwicklung dezentralen Siedlungsbaues vorbildhaft sein. Das von Rainer damals als Veröffentlichung seines neuen Instituts für Städtebau herausgegebene Werk „Anonymes Bauen im Nordburgenland“ zeigt sehr eindrucksvoll die damals noch vorhandenen, mit einfachsten Mitteln und auf einfachste Weise überraschend gleichartig gebauten Orte, die dennoch ihre nachhaltige Wirkung nicht eingebüßt haben. Freilich galt damals unser Interesse


Bernard ru do f s ky , Architecture Without Architects. A Short Introduction to NonPedigreed Architecture, New York 1964, 124 Seiten, ISBN 0-385-07487-5 — Akad. d. bildenden Künste Wien; Sig. 38131-E — UBG I. f. Kunstgeschichte; Sig. GEN0825: A673

— UBI Baufakultätsbibliothek; Sig. T 50430 — Univ. f. angewandte Kunst Wien; Sig. 09479 — TU Wien Inst. 253; Sig. 771425 Bernard ru do f s ky , Architecture Without Architects. A Short Introduction to NonPedigreed Architecture. London 1973, 156 Seiten, ISBN 0-902620-73-8; 0-902620-78-9 — TU Wien Inst. 264; Sig. 787497 — Akad. d. bildenden Künste Wien; Sig. 14536-E — UBMS Hauptbibliothek; Aufstellung k5E Bernard ru do f s ky , Architecture Without Architects. A Short Introduction to NonPedigreed Architecture. Albuquerque, New Mexico 1987, 156 Seiten, ISBN 0-8263-1004-4

— FH Joanneum – Graz; Aufstellung FHJ-LH 67020 R917

— Oberösterr. Landesbibliothek; Sig. I-288223 Bernard ru do f s ky , Architektur ohne Architekten. Eine Einführung in die anonyme Architektur, Salzburg / Wien 1989, 156 Seiten, ISBN 3-7017-0565-8 — — — — — — —

AK-Wien Sozialwiss.Bibliothek; Sig. B80643 Akad. d. bildenden Künste Wien; Sig. 47014-E Oberösterr. Landesbibliothek; Sig. I-239936 PÄDAK Kärnten Hauptbibl.; Sig. A 16989 PÄDAK Sbg. Hauptbibl.; Sig. B 5323 PÄDAK Vbg. Hauptbibl.; Sig. B580 TU Wien Hauptbibl.; Sig. 189987; 520675;

— — — — — — — — — —

TU Wien Inst. 251; Sig. 729527 TU Wien Inst. 280; Sig. 725224 TU Wien Inst. f. Städtebau, 260; Sig. 416718 UBI Architektur-Inst.-Bibl.; Sig. T47884 UBI Baufakultätsbibliothek; Sig. T39475 UBS FB Rechtswissenschaften; Sig. 3402*KA UBS Kunstgeschichte; Sig. Theo Kun 200 7 Univ. f. angewandte Kunst Wien; Sig. 25383 Univ.-Bibl. d. Kunstuniv. Linz; Sig. 16211 - A UBBW FB Landschaftsplanung;

520674

Sig. LAP – 4189/135.01.40

— UBG Hauptbibliothek; Sig. II 562010 — UBG I. f. Volkskunde u. Kult. Ant.; Aufstellung 000:R917

— UBI Architektur-Inst.-Bibl.; Sig. T141596; T154696

— UBS Hauptbibliothek; Sig. 677230 — UBW Hauptbibliothek; Sig. II-1149427

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vor allem der städtebaulich bemerkenswert strengen Ordnung, weniger der architektonischen Qualität. Diese wurde jedoch schon sehr früh von Raimund Abraham erkannt, der sich unmittelbar nach seinem Studium in Graz mit seinem Fotografen-Freund Josef Dapra auf eine Reise durchs Alpenland begab, um dort einem anderen Aspekt der anonymen Architektur auf die Spur zu kommen. Sein Interesse galt nicht dem Siedlungsbau des Roland Rainer, vielmehr studierte er Bauten, die nicht dem Bewohnen durch Menschen dienten, sondern – wie Scheunen und Ställe – einfachste Funktionen erfüllten, um die bauliche Konzeption am reinsten verwirklicht zu sehen. Er wies anhand unterschiedlichster Beispiele in verschiedenen Regionen nach, dass dasselbe Ordnungsprinzip die Bauten der Gegenwart wie die primitiven Holz- und Steinkonstruktionen der Anfänge durchdringt. Sein Bestreben war es, die Wurzeln des anonymen Bauens zu ergründen, nicht das Verlangen nach dem Urtümlichen. Er drückt dies sehr klar aus, wenn er sagt: „Mich interessiert Geschichte nur dann, wenn man auf Wurzeln stößt, die noch nicht formal infiziert sind.“ Für Abraham machen die gefundenen Beispiele eine Ordnung im Bauwerk sichtbar: Ihr liegt das unerlässlich Körperhafte zugrunde und niemals die Fiktion einer Fassade. Sein damals entstandenes Buch „Elementare Architektur“ ist gleich dem Roland Rainers über „Anonymes Bauen“ längst vergriffen, wurde jedoch kürzlich als Zeichen ungebrochener Aktualität neu aufgelegt. Zurück zu Bernhard Rudofsky, dessen Interpretation anonymen Bauens mich so stark beeindruckt hatte. Der Gedanke, selbst loszuziehen und in den entfernten Winkeln der Welt Spuren zu entdecken, wo solche Beispiele noch unverändert erlebt werden können, hatte mich immer wieder beschäftigt. Als ich dann die Möglichkeit erhielt, als Berater der Regierung von Nepal in Raum- und Siedlungsplanung meinen Wohn- und Arbeitsplatz von New York nach Kathmandu zu verlegen, gab es keine lange Überlegung, diese Chance zu nützen. Freilich hatte ich damals nicht daran gedacht, dass sich aus diesem Ausflug ein fast 10-jähriger Aufenthalt entwickeln würde. Meine offizielle Tätigkeit füllte mich ganz aus: Ich konnte nach Gründung eines Departements für Housing, Building and Planning die Grundlagen für Landes- und Raumplanung und vor allem ein Kon-

zept für die Entwicklung des Kathmandu-Tales erstellen, welches dann Grundlage für die Weltkulturerbe-Erklärung durch die UNESCO war. Dennoch machte sich der Architekt in mir langsam aber sicher wieder bemerkbar, als ich kennen lernen musste, dass auch hier die traditionellen Bauten allmählich globalen Einflüssen gegenüber scheinbar machtlos ausgeliefert waren und durch Objekte ersetzt wurden, die weder dem Maßstab nach, noch in ihrem Material oder ihrer Typologie dem vorhandenen städtebaulichen Prinzip gerecht werden. Ich bemühte mich daher, in Kenntnis der vorhandenen Strukturen neue Wege zu suchen: Sie sollten zu einer Architektur führen, die beiden Welten gerecht wird. Anhand von einigen Demonstrationsbauvorhaben konnte ich aufzeigen, wie traditionelle Baumaterialien sinnvoll zur Anwendung kommen: der handgeschlagene, gebrannte bzw. sonnengetrocknete Ziegel etwa, bei kleineren Bauvorhaben gepaart mit Holzkonstruktionen, bei größeren mit in situ verarbeiteten Betonfertigteilen (als Ersatz für das im Himalaya-Gebiet immer rarere Bauholz). Dabei ging es mir niemals darum, Kopien traditioneller Bauten herzustellen, vielmehr lag mir an einer Weiterentwicklung des Vorhandenen – verbunden mit neuer Technik und in Bezug auf die neuen Erfordernisse und Bedürfnisse. Ferner hatte ich mich auch hierbei um bestehende kulturelle Einbindungen bemüht, wenn ich etwa an dem Demokratiebildungsinstitut CEPA die symbolträchtigen Geometrien der uralten Shilpa ShastraTradition wieder zum Einsatz brachte. Die Bauten gliederte ich immer in die meist vom Menschen terrassierte Landschaft derart ein, dass sie mit dieser gleichsam verwachsen schienen. Trotz ihrer Neuartigkeit kamen diese Bauten den Menschen irgendwie bekannt vor und wurden sogleich als zu ihnen gehörig angenommen. Eigenartigerweise jedoch erfuhren sie nicht nur keine Nachahmung, sondern riefen vielmehr ein Revival der Ziegelarchitektur hervor, allerdings mit ornamentalen Details versehen, die ich als der Vergangenheit angehörig natürlich weggelassen hatte. Ich wollte beweisen, dass eine regionale Architektur auch ohne diese Zugaben nicht bloß denkbar wäre, sie könnte sogar ein neues Selbstbewusstsein fördern. Erst in den letzten Monaten erfuhr ich von jungen nepalesischen Architekten, die meine Bauten


Raimund a b r a h a m , Josef da p r a [Fotografien], Elementare Architektur, Salzburg 1963, 74 Seiten — TU Wien Hauptbibl.; Sig. 104823 II — TUG I. f. Raumgestaltung; Sig. II 350783 — Univ. f. angewandte Kunst Wien; Sig. 08479 Raimund a b r a h a m , Josef da p r a [Fotografien], Elementare Architektur, Salzburg 1964, 74 Seiten — — — — — —

Akad. d. bildenden Künste Wien; Sig. 26558-D Oberösterr. Landesbibliothek; Sig. II-25079 UBG Hauptbibliothek; Sig. II 274323 UBI Architektur-Inst.-Bibl.; Sig. T 56230 UBS Hauptbibliothek; Sig. 107792 II UBW Hauptbibliothek; Sig. II-869292

Raimund a b r a h a m , Josef da p r a [Fotografien], Elementare Architektur, Salzburg 2001, 74 Seiten, ISBN 3-7025-0439-7 — Akad. d. bildenden Künste Wien; Sig. 82015-D — FH Kärnten Spittal; Aufstellung FHK-ZH 4820 Abr/ea

— MAK-Bibliothek; Aufstellung MAK-II 1874 — OeNB Hauptabt. Heldenplatz; Sig. 1636130-C; 1636129-C

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PÄDAK Sbg. Hauptbibl.; Sig. C 4802 TU Wien Hauptbibl.; Sig. 598753 II TU Wien Inst. 253; Sig. 782379; 760907 TU Wien Inst. 264; Sig. 760907 TUG Hauptbibliothek; Sig. II 211472 TUG I. f. Architekturtechnologie; Sig. II 211472

— UB Klagenfurt; Sig. II 346947 — UBI Architektur-Inst.-Bibl.; Sig. T 155953; T 253189

— UBL FB Soziologie; Aufstellung XIII/373 — UBS Hauptbibliothek; Sig. 816319 II — UBS Kunstgeschichte; Sig. Eu Ar 00097

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studierten, dass sie ihre Bedeutung allmählich zu schätzen beginnen. Gesichtslose Allerweltsarchitektur hat sich in den vergangenen Jahren in Kathmandu (wie auch in Lhasa) dermaßen rasch verbreitet, dass die UNESCO bereits erwägt, der Hauptstadt den WeltkulturerbeStatus wieder zu entziehen. Daneben pflegt das bislang von westlich-globalen Einflüssen (einige Entwicklungshilfebeiträge ausgenommen) noch wenig geplagte buddhistische Bhutan seine traditionelle Architektur in Disney-ländischer Weise zu kopieren und hat dies – wie auch das Tragen der traditionellen Trachten – zur staatsbürgerlichen Verpflichtung erklärt. Es gibt seither auch buddhistische Tankstellen. Seit meiner Rückkehr nach Österreich und meiner Bestellung zum Architekturlehrer an der Akademie der Bildenden Künste in Wien habe ich immer wieder Studierende mit Beispielen autochtoner Architektur in hautnahem Erfahren konfrontiert und ihnen – wie ich glaube – bleibende Eindrücke und Anregungen für ihre weitere Arbeit als Architekt vermittelt. Ist es doch faszinierend, heute noch Bauten und Siedlungsformen zu begegnen, deren Ursprünge zum Beginn menschlichen Behausungsschaffens zurückführen und die in ihrer unglaublichen Vielfalt auf die Fähigkeit des Menschen zur Interaktion mit der Umwelt, der Topographie und dem Klima verweisen. Diese Fähigkeit erlaubte es den Bewohnern, sich soziale Normen und Rahmenbedingungen für ihre Bautätigkeit zu schaffen. Erst jüngst, insbesondere seit der Begriff Ökologie in aller Munde ist, hat – was unseren natürlichen Habitat betrifft – Umfang wie auch Größe des Missmanagements in alarmierender Weise zugenommen. In besonderem Maße wurden die Kulturregionen des Ostens mit ihrer bislang vornehmlich nach innen gerichteten Weltsicht in Mitleidenschaft gezogen.

spiele, wie sie in Roland Rainers eindrucksvollen Bildbänden („Anonymes Bauen im Iran“, „China, die Welt als Garten“) dokumentiert wurden. Heute können wir solche Schöpfungen traditioneller Habitats wohl nur mehr in von der globalen Einheitsentwicklung noch unberührten Randgebieten der Welt begegnen – wie in Wüsten oder entlegenen Gebirgsregionen (und dazu zählt im Besonderen die von mir so geliebte Region des Himalaya). Obschon mir bewusst ist, dass auch auf diese Weise den soeben beschriebenen Trends nicht wirklich zu begegnen ist, war es mir ein Anliegen, meine Gedanken und Vorschläge hierzu aufzuzeichnen. So entstand das Buch „Himalayan Vernacular“ (Schlebrügge, Wien 2004).

Auf den folgenden 12 Doppelseiten Gerhard Klo­ ckers Hommage an das 1963 zum ersten Mal publi­ zierte Buch „Elementare Architektur“ von Raimund Abraham und Josef Dapra. Klockers Weg durch die Alpentäler war ebenso wie die ursprüngliche Expe­ dition „ohne Landkartenstrategie.“ Aus dem Beipackzettel des Fotografen zu seiner Ar­ beit „Revisited: Elementare Architektur“: „revisited: Es macht keinen Sinn, die Holzkonstruk­ tionen der originalen Publikation ein zweites Mal zu fotografieren; die haben sich ja kein bisschen verän­ dert, werden auch in 20 Jahren noch genauso in der Gegend herumstehen. Und besser fotografieren kann man sie ja nicht. elementar: übersetzt als notwendig (lebens­)

Zwei Beispiele mögen diese Entwicklung verdeutlichen: Da sind einmal die großartigen Konzepte islamischen Städtebaues mit dem für weite Teile des Orients typischen Hofhaus; dabei ist insbesondere der Iran von zentraler Bedeutung. Und dann gibt es das System des traditionellen chinesischen Wohnhauses, welches noch vor Jahrzehnten als Wohnstätte für Millionen Einwohner gedient hat. Von beiden Haustypen existieren nur mehr wenige intakte Bei-

Architektur: eingeschränkt auf Nutzbauten im wei­ testen Sinn; Einfamilienschutzbauten ausgeschlossen, Schutzbauten inkludiert (wie Lawinenverbauungen oder Tunnels), Heustadeln oder Massenhotels eben­ falls im alpinen Raum: alle Sujets befinden sich zwischen 800 und 2.500 m ü.d.M.“


























[1]

bund , Konrad; pf e i ffe rrupp, Rüdiger; poet tge n , Jörg (Hg.): Jahrbuch für Glockenkunde. Bände 1 (1989) bis 16 (2004); Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt,

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Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen (Hg.): Beiträge zur Glockenkunde 1986–1992, 52 S., Karlsruhe 1992 Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen (Hg.), kramer, Kurt (Bearb.): Glocken in Geschichte und Gegenwart. Band 2. Beiträge zur Glockenkunde; 622 S., Badenia-Verlag, Karlsruhe 1997,

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300 Jahre Petit & Gebr. Edelbrock 1690–1990. Über 200 Jahre Glockenguß in Gescher; 35 S., Gescher 1990 66 Taler Gießerlohn für die Haustenbecker Glocke; in: Schlänger Bote 236 (2000), S. 10-11 a dam, Manfred Karl: Die Glocke von Buphever im Klang der Heimatgeschichte. Ein kleiner Beitrag zur großen Geschichte AltNordstrands; in: De Pellwormer 9 (2004 ), H. 2, S. 2-5 Älteste Glocke von Mainz entdeckt. »LumpenGlöckchen von St. Quintin« soll bald wieder läuten; in: Mainzer Bistumsnachrichten Nr. 43 (27. 11. 1996 )

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Schall und einiger Rauch

Kleine Glockenkunde von Gabriele Werner Glocken gehören dazu, Glocken in allen Größen und Varianten, solche, die von Kirchtürmen herunter die Zeit verkünden, Messen, Hochzeiten, Taufen und Begräbnisse begleiten, die Sonn- und Feiertage sowie das Neue Jahr einläuten, die Alarm schlagen oder deren Schall dräuende Unwetter auflösen soll, solche, die um Kuh-, Schaf- und Ziegenhälse gebunden und somit ebenso wenig wie die Kirchenglocken aus unserer alpinen Umgebung wegzudenken sind, und noch andere, wie etwa das winzige Glöckchen am weihnachtlichen Lichterbaum, dessen helles Klingeling bedeutet, dass es nun endlich losgeht. Südtirol hat mehr Kirchenglocken gelten hierzulande als Sinnbild ländlicher Idylle und aufrechter katholischer Gesinnung. Immerhin finden sich mehr als 800 davon an den Kirchen und Kapellen Nord-, Ost- und Südtirols. Um das Jahr 2000 wurden sie allesamt vom Österreichischen Rundfunk in Stereo aufgezeichnet, ein sowohl technisch als auch kulturhistorisch gesehen aufwändiges Unterfangen*. Täglich zur Mittagszeit ist seither nördlich wie südlich des Brenners eine dieser Glocken im Radio zu hören, Klangbild einer zumindest für die staatlichen Rundfunkanstalten ungebrochenen Tiroler Identität. Übrigens bestätigen auch die Glocken eine von Nordtirolern schon lange gehegte Vermutung bezüglich der Südtiroler Wohlstandsverhältnisse: Im Schnitt besitzen Südtiroler Pfarrkirchen 5 Glocken, während es Nordtiroler Gemeinden – bis auf wenige Ausnahmen, zum Beispiel Inzing – nur auf 4 Glocken für ihre Pfarrkirchen bringen. Der Innsbrucker Dom St. Jakob wartet allerdings nicht nur mit 8 Glocken auf – darunter der 1846 von

Johann Grassmayr gegossenen, 7168 kg schweren Mariahilfglocke, sondern auch mit einem aus 48 Glocken bestehenden Friedensglockenspiel, dem einzigen vieroktavigen Carillon in Österreich, das seit 1982 im Nordturm untergebracht ist. Außer an Feiertagen oder in unmittelbarer Kirchennähe verlaufen sich die Glockentöne sowohl der großen Glocken als auch des Glockenspiels zwar im Geräusch der Stadt, doch am Domplatz selbst kommt täglich nach 12 Uhr mittags durchaus besinnliche Stimmung auf, wenn nach den großen Turmglocken das Carillon ertönt. Der Begriff leitet sich von „quatrillionem“ ab, dem rhythmischen Anschlag von vier Glocken, wie ihn die Turmwächter des 14. Jahrhunderts verwendeten. Gemeint ist damit ein Turmglockenspiel, das mittels Klaviatur oder mechanisch, beispielsweise durch eine Walze, betrieben wird und per definitionem mindestens 23 gegossene Bronzeglocken aufweisen muss, um als solches bezeichnet werden zu dürfen. Bim-Bam-Bum Für manche ist das Läuten von Glocken eine Zumutung, lärmig vor allem, während andere Glockenläuten als etwas Freudiges erleben, von Frieden und Freiheit kündend, oder, je nach Gemütslage, auch als etwas Trauriges, Schicksalsvolles. Diese unterschiedlichen Wahrnehmungen gelingen jedoch nur bei qualitativ hochwertigen Bronze-Glocken. Die einfachen und relativ kleinen Glocken der unzähligen Kirchen und Kapellen Griechenlands zum Beispiel lassen typischerweise beim besten Willen nicht viel mehr als ein ziemlich monotones, wenn auch aufgeregt schnelles Schlagen erkennen, unmittelbar vom Singsang des Popen gefolgt, der gleich einem Muezzin per Lautsprecher bis zu zweieinhalb Stunden die Umgebung

* An dieser Stelle möchte ich Friedl Gundolf, dem Tontechniker, der die Glockenaufnahmen für den ORF durchgeführt hat, herzlich für sein Entgegenkommen und die vielen Informationen zum Thema Glocken danken. Weitere Fakten wurden folgenden Unterlagen entnommen: Broschüre „Vom Erz zur Glocke“, Glockenmuseum der Glocken- und Kunstgießerei Grassmayr; Johanna Felmayer, in: Österreichische Kunsttopographie Band LII / 1, Die Sakralen Kunstdenkmäler der Stadt Innsbruck, Innere Stadtteile, Verlag Anton Schroll & Co, Wien; Klangaufbau von Glocken: Vienna Symphonic Library, www.vsl.co.at; www.probell.org; Volker Tarnow, Monumente einer neuen Einfachheit, Estlands großer Komponist Arvo Pärt wird 70, Die Welt, 10. September 2005, www.welt.de; Geschichte und Bedeutung von Glocken auf www.glocken-online.de; zur Heidin, der Glocke vom Thierberg: www.sagen.at; Die Turmwächterinnen: www.theaterverbandtirol.at/files/publications/spiel1_2006.54.pdf#search=%22Stockach%20Glocken%20The ater%23; zur Berliner Friedensglocke: Eric von Grawert-May, Politisches Feuilleton, DeutschlandRadio Berlin, 3. 1. 2005: www. dradio.de/dlr/sendungen/feuilleton/335161/


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töne sind unharmonische Reihen, sie variieren den Grundton also abweichend vom ganzzahligen Verhältnis, weswegen es schwierig ist, die eigentliche Tonhöhe zu erkennen. Da die Intensität der Obertöne jene des Grundtons bei weitem übersteigen kann, wird dies weiter erschwert. Zudem wird die Tonhöhe (also der akustisch hörbare Schlagton, auch als Nominalton bezeichnet, der bei den am häufigsten hergestellten Oktav-Glocken eine Oktave höher als der Grundton liegt) noch durch verschiedene dominante Töne des Nachklangs, etwa Moll- oder Durterz, den Grundton selbst, sowie Prime und Quinte ergänzt. Während früher Einzelglocken von klar unterschiedlicher Tonhöhe und mit eindeutig zugeordneter Funktion dominierten, wurde ab dem 13. Jahrhundert das aufeinander abgestimmte Geläute mehrerer Glocken entwickelt, dessen präzise Einstellung und Wartung heute fixe Aufgabe von Glockengießereien ist. Glocken werden nach charakteristischen Tonfolgen disponiert, etwa dem Gloria-Motiv bei dreistimmigen Geläuten oder dem Parsifal-Motiv bei vier- und fünfstimmigen Geläuten. Nur selten werden heute Geläute noch händisch bedient, so etwa durch den in Elvas bei Brixen ansässigen Läuteverein, der bei besonderen Anlässen dem Glockenläuten jene würzige Prise Unvorhersehbarkeit beimengt, die das Händische vom Maschinellen unterscheidet. Der Verein veranstaltet auch Konzerte, zum Beispiel „mit der Natzner Böhmischen im Kastanienhain beim Moar“, wie dem Pfarrblatt der Gemeinde Natz / Schabs vom Juni 2006 zu entnehmen ist. Erstaunlich ist, dass Glockenklänge häufig als schön und berührend empfunden werden. Bei dieser Wahrnehmung von Glockenklängen, die gerne als das Wunderbare, Himmlische interpretiert werden, geht es vermutlich weniger um die Einzeltöne, deren mangelnde harmonische Exaktheit eigentlich unangenehm auffallen müsste, für viele Ohren aber wohl gar nicht wahrnehmbar ist, als vielmehr um die Polyphonie, die Mehrstimmigkeit, charakterisiert durch unterschiedliche Rhythmik und Tonhöhenverläufe. Über viele Jahrhunderte, vor allem in der europäischen Vokalmusik des Spätmittelalters, beherrschte die Polyphonie die musikalische Tradition und hatte dabei durchaus Symbolgehalt, stand sie doch für das Verhältnis des Besonderen zum Allgemeinen, also etwa des einzelnen Menschen zur Welt. Das Bewusst-


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sein dafür mag mit der Polyphonie verschütt gegangen sein. Doch möglicherweise sprechen uns Glocken gerade über diese archaische Symbolik an. Der estnische Komponist Arvo Pärt jedenfalls hat sein reduktionistisches, auf der Reinheit klar definierter Töne beruhendes Werk an eben dieser Polyphonie der Kirchenglocken und ihrer vokalen Entsprechung, den gregorianischen Chorälen orientiert und damit wohl nicht von ungefähr ein relativ großes Publikum erreicht. Zwischen Himmel und Erde Hinzu kommt, dass Glocken, wenn auch vielleicht nicht in der technischen Vollendung heutiger europäischer Kirchenglocken, seit alters her und in weiten Teilen der Erde von Bedeutung für den Menschen waren, sei es bei kultischen Handlungen oder als eine Möglichkeit der Nachrichtenübermittlung. Glockenläuten ist daher immer auch bis zu einem gewissen Grad eine Erinnerung an unsere teils weit hinabreichenden kulturellen Wurzeln, die uns in dieser Welt und im Menschsein verankern. China gilt als Ursprungsland der Glocke, wo ihre Verwendung bereits 3000 Jahre vor Christus nachgewiesen ist. Glocken waren auch dort offenbar allgegenwärtig, denn ihr Hohlraum war die Maßeinheit für Getreide und ihr Durchmesser wurde als Längenmaß verwendet. Ihr Ton, als Bindeglied zwischen Himmel und Erde interpretiert, vereint nach buddhistischer Auffassung die Klänge aller bekannten Musikinstrumente. Auch in Indien, Mesopotamien, Vorderasien, Ägypten und dem Rom der Antike waren Glocken für rituelle Handlungen ebenso gebräuchlich wie etwa als Behang von Kleidern oder als Tierglocken, die nicht nur als Erkennungszeichen und Schmuck fungierten, sondern auch zur Abwehr von Unheil dienen sollten. Die Verwendung von Glocken für Reittiere lässt sich bis ins zweite vorchristliche Jahrtausend zurückverfolgen. Glocken werden im Alten Testament erwähnt und erlangten in den frühen nachchristlichen Jahrhunderten den Status, ein eindeutig christliches Symbol zu sein, wenn dies auch einige Zeit in Anspruch nahm, denn einerseits galten den Christen Glocken zunächst als typisch heidnisch, weswegen sie sie der Überlieferung nach eigentlich nicht mochten, andererseits wurden christliche Gemeinden bis ins vierte Jahrhundert verfolgt und konnten Glocken deshalb nicht verwen-

den. Es ist daher verständlich, dass von christlichen Glaubensgemeinschaften Glockenläuten immer auch als Symbol der Freiheit empfunden wurde. Alle Wetter weiß i Die Sage von der Glocke am Thierberg bei Alpbach ist übrigens ein beredtes Beispiel für den Wandel der Glocke vom heidnischen zum christlichen Symbol: Die um eine Zwingburg am Thierberg lebenden christlichen Bauern wurden vom heidnischen Burgherrn stets per Glocke zur Fronarbeit gerufen, vornehmlich dann, wenn sie sich gerade zum geheimen Gebet getroffen hatten. Als der Burgherr einmal anordnete, die Bauern, die nicht sofort dem Glockenton zur Burg gefolgt waren, auszupeitschen, brach ein Unwetter los, das die Burg samt Burgherrn vernichtete, die Bauern jedoch verschonte, die zum Dank eine kleine Kirche an der Stelle der heutigen Pfarrkirche St. Oswald erbauten. Etliche hundert Jahre später verursachte ein weiteres Unwetter Überschwemmungen. Bei den Aufräumarbeiten fanden die Bauern die Glocke aus der Burg. Sie wurde in die Kirche gebracht, geweiht, erhielt den Namen Heidin und wurde als Wetterglocke eingesetzt. Wie „heidnisch“, also althergebracht und daher passend gerade diese Funktion war, geht wohl auch daraus hervor, dass der Einsatz von Glocken zum Vertreiben von Unwettern sowohl von Josef II. als auch von Napoleon mehrmals verboten wurde, freilich ohne Erfolg. „Annemarie heiß i, alle Wetter weiß i, alle Wetter vertreib i und zu St. Krain bleib i“ vermeldet trotzig etwa die Glockeninschrift auf der Wetterglocke in St. Quirin im Sellrain. Glocken, Kanonen Die Entwicklung von Glocken zu einem Symbol für Frieden und Freiheit erfuhr durch die im 15. Jahrhundert eingeführte Herstellung von Kanonen und in der Folge anderem Kriegsgerät einen besonderen Stimulus. Während dies in Kriegszeiten für die Bevölkerung neben den damit einhergehenden Schrecknissen auch stets den Verlust der Glocken bedeutete, die zu Kanonen umgegossen wurden, verdienten die Glockengießer, die sich dann dem Geschützguss verschrieben, bestens daran. Wer sich den Film im Grassmayr’schen Glockenmuseum in Innsbruck ansieht, bekommt erzählt, dass, wie sich aus den Porträts der seit 1599 der Glockengießerei verschrie-


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benen Familie ersehen lässt, die in Kriegszeiten lebenden Grassmayrs stets beleibter waren als ihre dünnen Vor- und Nachfahren aus Friedenszeiten. Die in Büchsenhausen in Innsbruck ansässige Glockengießerei Löffler profilierte sich in besonderem Maß in diesem Metier und trug damit zur militärischen Überlegenheit der Habsburger bei. Durch Adam Dreyling, einen Neffen Hans Christoph Löfflers, geriet dieses Wissen auch an die Engländer und ermöglichte ihnen 1588 den Sieg über die Spanische Armada. Wie schon während des Dreißigjährigen Kriegs und der Französischen Revolution wurden dann vor allem während der beiden Weltkriege Glocken im großen Stil eingeschmolzen.

bardements zerstört, so etwa die 1711 gegossene Pummerin im Wiener Stephansdom, die im April 1945 zerschellte. Die heutige Pummerin, die mit 20.000 kg größte Glocke Österreichs, wurde 1950 gegossen und schaffte es 1957 in den wieder hergestellten Nordturm. Wie kaum eine andere Glocke ist die Pummerin zu einem nationalen Symbol für Wiederaufbau und Neuanfang geworden und in zahlreichen vom ORF versorgten Haushalten knallen auch mehr als sechzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch die Sektkorken zu den sonoren Schlägen der Pummerin, die das Neue Jahr einläuten.

Während des Ersten Weltkriegs gelang es in etlichen Gemeinden immerhin, Glocken zu verstecken und so zu retten. In Stockach im Außerfern etwa vergruben sieben Frauen, die Vorbild für das heuer auf der Geierwally Freilichtbühne im Lechtal aufgeführte Theaterstück „Die Turmwächterinnen“ von Claudia Lang waren, die große, bereits zum Abtransport bereit gestellte Glocke im Sennhaus. Die Glocke wurde im November 1918 wieder aus dem Versteck geholt und erstmals am Weihnachtsabend wieder geläutet. Zum Dank für die Rettung der großen Glocke wurde diese beim Tod jeder dieser Turmwächterinnen anstelle des Sterbeglöckleins geläutet. Andernorts wurde mit Misthaufen als Glockenversteck oder Wein zum Zweck der Vernebelung derer, die die Glocken holen sollten, erfolgreich gearbeitet.

Angesichts der Erfahrungen gerade der Neueren Geschichte entsteht in Zusammenhang mit Glocken als Sinnbild für Frieden und Freiheit immer wieder auch das Monumentale. Die Berliner Freiheitsglocke, geziert mit der Inschrift „That this world under God shall have a new birth of freedom“ (Möge diese Welt mit Gottes Hilfe eine Wiedergeburt der Freiheit erleben) beispielsweise wurde 1950 mit Hilfe der Spenden von 17 Millionen US-Amerikanern realisiert, die auch gleich noch alle den Schöneberger „Freiheitsschwur“ unterzeichneten, der das Recht auf Widerstand gegen staatliche Tyrannei, übernommen aus der Amerikanischen Verfassung, für die ganze Welt fordert. Unsere lokale Friedensglocke bei Mösern, gegossen 1997 und mit 10.180 kg eine der größten Glocken Österreichs, bleibt mit ihrer Botschaft „Ich läute für die gute Nachbarschaft und den Frieden der Alpenländer“ dagegen vergleichsweise bescheiden.

Das neue Jahr Die sattsam bekannte Vernichtungs-Effizienz des nationalsozialistischen Regimes erwies sich dann im Zweiten Weltkrieg auch bei Glocken. Ziel dieser Aktion war nicht nur die Metallgewinnung zur Herstellung von Munition und anderem, sondern auch die vollständige Tilgung dieser kirchlichen Symbole. Nur noch die 12 Glocken über dem Berliner Reichstag sollten erhalten bleiben. 90.000 Glocken aus dem gesamten Deutschen Reich landeten auf dem Glockenfriedhof in Hamburg-Veddel in der Nähe des Hamburger Hafens. Zu Kriegsende fanden sich dort noch schätzungsweise zehn- bis sechzehntausend Glocken, die, soweit möglich, an ihre Heimatgemeinden zurückgegeben wurden. Zahlreiche Glocken wurden überdies im Zweiten Weltkrieg auch durch die Bom-

Trotzdem, es sind große Wünsche, große Hoffnungen, die die Glockentöne transportieren, mitunter verschallend, verrauchend im ewigen Auf und Ab der Welt, weswegen das Schweigen der Glocken stets viel sagendes Zeichen schlechter Zeiten war und ist. Doch zum Glück ist nicht immer ein Krieg am Schweigen von Glocken Schuld. Wird der Papst gewählt, dann schweigen die Glocken, solange Unklarheit herrscht. Selbst wenn weißer Rauch aus dem Kamin der Sixtinischen Kapelle aufsteigt, bedeutet dies noch kein Ergebnis. Erst wenn dazu die Glocken von St. Peter läuten, steht das Wahlergebnis fest. Und in den Tagen vor dem Osterfest ist es landauf, landab still, denn in der Nacht zum Karfreitag fliegen bekanntlich alle Glocken nach Rom, jedes Jahr, und kehren erst in der Osternacht wieder.




Besetzung

Dimitré Dinev, Plovdiv (Bulgarien) w Wien: Schriftsteller. Bisher veröffentlicht: Roman „Engelszungen“ (2003), Erzählband „Ein Licht über dem Kopf“ (2005). Zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Im April 2007 wird sein Stück „Das Haus des Richters“ am Wiener Burgtheater uraufgeführt. Wolfgang Sebastian Baur, Toblach w Berlin: Autor, Schauspieler, Rezitator, Übersetzer, Lehrbeauftragter. Studium der Linguistik, Romanistik, Anglistik und Philosophie in Salzburg, Paris, Berlin. Schauspielausbildung in Wien und New York. Darsteller in zahlreichen, z.T. internationalen Fernseh- und Theaterproduktionen. Übersetzer aus dem Italienischen, Englischen, Französischen und Jiddischen. Autor von Zeitschriftenbeiträgen, Kurzprosa und Gedichten („Puschtra Mund Art. Gedichte und Nachdichtungen in Pustertaler Mundart“, Folio Verlag 2003). Lehrbeauftragter an der TU Berlin, an der FU Berlin und an der Freien Universität Bozen. www.sebastianbaur.de Markus Dreßen, Münster w Leipzig: Grafik-Designer. Seit 2001 Mitherausgeber der Zeitschrift „spector cut+paste“. Seit 2004 Member of AGI. Seit 2006 Professor für Grafik-Design an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Gestaltung zahlreicher Bücher im Bereich zeitgenössischer Kunst u. a. für Ilya Kabakov, Jenny Holzer, Olaf Nicolai, Neo Rauch, Ramon Haze und Matthias Weischer. Leopold Kessler, München w Wien: Bildender Künstler. Einzelausstellungen (Auswahl): „GRAZ“, Studio / Neue Galerie Graz (2006); „Interventionen 02– 05“, Galerie der Stadt Schwaz (2005); „transportable works“, Gallery Lombard & Freid, New York City (2004); „O“ kunstbuero, Wien (2004); „privatisiert“, Galerie Corentin Hamel, Paris (2003). Gruppenausstellungen (Auswahl): Trafo Budapest; Kunsthalle Wien; Galerie Claus Andersen, Kopenhagen; Swiss Institute, New York City; Royal College, London; „Manifesta 05“, San Sebastian; Galleria Zero, Mailand („Beuys don’t cry“); Biennale di Venezia.

bereits in der 6. Auflage vor. Zahlreiche Auszeichnungen (u. a. Hermann-Hesse-Literaturpreis 1997, Gottfried-Keller-Preis 2004, Werkpreis der schweizerischen Schillerstiftung 2005). Friederike Mayröcker, Wien w Wien: Schriftstellerin. Seit 1939 literarische Arbeiten, 1956 erste Buchveröffentlichung. Seit 1954 Lebenspartnerschaft und enge literarische Zusammenarbeit mit Ernst Jandl (gest. 2000). Zahlreiche Buchpublikationen: Lyrik, Prosa, Hörspiele, Kinderbücher, Bühnentexte. Zahlreiche Literaturpreise und Auszeichnungen, u. a. Georg-Büchner-Preis 2001. Peter Oberdorfer, Innsbruck w Tirol und Thailand: freier Schriftsteller. Carl Pruscha, Innsbruckw Wien: Architekt. Architekturprofessor und Leiter des Instituts für Planungsgrundlagen an der Akademie der bildenden Künste Wien (1976 – 1988), Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien (1988 – 2001). Forschungsstipendium am Getty-Institut Los Angeles (2003). Bauten: Neubau der durch den Tsunami zerstörten Schulbauten der One World Foundation auf Sri Lanka (2006), Mehrzweckgebäude am Museumsquartier Wien (2004), Revitalisierung des ehem. K. u. K. Kulissendepots von Gottfried Semper (1992) u. a. Gunter Schneider, Bludenz w Sistrans: Gitarrist, Komponist. Studierte Gitarre und Musikwissenschaft (Dr. phil.) in Innsbruck und unterrichtet an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien (Univ. Prof.). Als Gitarrist hat er in ganz Europa, in den USA und in Japan konzertiert und sich im weiten Feld der Neuen Musik als Interpret und als Improvisator einen Namen gemacht. Als Komponist hat er neben Stücken für Gitarre Kammer- und Orchestermusik geschrieben, daneben betreibt er eigene und kollektive Projekte, v. a. das Duo mit seiner Ehefrau Barbara Romen-Schneider. Aktuelle CD: Tracking Stones’ Voices (Musik für Klangskulpturen von Kassian Erhart mit 5 Musikern), ORF-SACD 2006.

Anne König, Erfurt w Leipzig: Autorin. Seit 2001 Mitherausgeberin der Zeitschrift „spector cut+paste“. Hörspiele für den Stadtraum, Radiofeatures, Forschungen zur Zugänglichkeit von Radioarchiven. 2006 „Soundatlas Leipzig“ ein Projekt mit Jugendlichen zur Kartierung der akustischen Umwelt: www.soundatlas.de

Martina Steckholzer, Sterzing w Wien und Klagenfurt: Malerin. 2004 erste Einzelausstellung in der Wiener Galerie Meyer Kainer, kurz nach dem Diplom in Malerei an der Akademie der bildenden Künste. Weitere Soloshows bei der AR/GE Kunst, Galerie Museum, Bozen (2005) und in der Wilkinsongallery London. Verschiedene Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland: u. a. Biennale Prag, Atelier Augarten Wien, Sammlung Essl. Laufende Ausstellung: „Erzählungen“ (bis 14. 1. 2007) im Kunsthaus Graz. Demnächst: „Noise“ im Mahlersaal der Wiener Staatsoper (kuratiert von Agnes Husslein).

Florian Kronbichler, Bruneck w Bozen: Freier Journalist und Autor. In den 90er-Jahren Chefredakteur der Wochenzeitung ff, Kolumnist der Neuen Südtiroler Tageszeitung, Leitartikler des Corriere dell’Alto Adige. Beratung und Drehbücher für heimatkundliche TV-Beiträge. Autor von „Was gut war – ein Alexander-Langer-Abc“ (Edition Raetia), „Südtirol im Gegenlicht“ (Folio-Verlag), „Libretto“ (Edition Raetia). Dozent an der Fakultät für Kommunikationswissenschaften der Freien Universität Bozen.

Bernhard Studlar, Wien w Wien: Schriftsteller. Studium an der Universität der Künste (UdK) Berlin. Schreibt hauptsächlich Theaterstücke. Entweder alleine (z. B. „Transdanubia Dreaming“, „Mariedl Kantine“) oder mit dem Schweizer Andreas Sauter (z.B. „A. ist eine Andere“, „Rote Kometen“). Aktuelle Arbeit: Leitung des Autorentheaterprojekts wiener wortstaetten (www.wortstaetten.at) Aktuelle Uraufführungen: „Me and You and The EU“, Schauspielhaus Hamburg, November 2006; „Sonne, Wolke, Amerika“, Schauspielhaus Graz, März 2007.

Sepp Mall, Graun/Vinschgau w Meran: Autor, Herausgeber und Lehrer. Letzte Buchveröffentlichung: Wundränder (Roman, Haymon 2004).

Thomas Trummer geb. 1967 in Bruck/Mur, Stmk. Kurator für moderne und zeitgenössische Kunst an der Österreichischen Galerie Belvedere. 2006/07: First Hall Curatorial Fellow, The Aldrich Contemporary Art Museum, Ridgefield, CT. Zahlreiche Publikationen zur Kunst der Gegenwart, zuletzt: „Valie Export: Serien“, Frankfurt: revolver archiv für aktuelle kunst 2004; „StimmenBilder“, Frankfurt: revolver archiv für aktuelle kunst 2004; „22 Interviews“, Frankfurt: revolver archiv für aktuelle kunst 2005; „Déjà-vu“, Wien: Edition Schlebrügge 2005; „Kurt Kren. Das Unbehagen am Film“, Wien: Verlag Sonderzahl 2006;

Gerhard Klocker, Hard am Bodenseew Paris (dzt.): Fotograf und Filmemacher, verschiedene Ausstellungen und Projekte, siehe www.gerhardklocker.com

Klaus Merz, Aarau w Unterkulm (Schweiz): Schriftsteller. Bisher neun Bücher bei Haymon, zuletzt: „Das Turnier der Bleistiftritter“. Achtzehn Begegnungen (2003), „Löwen Löwen“. Venezianische Spiegelungen (2004), „Los“. Eine Erzählung (2005). „Priskas Miniaturen“ (2005). Sein 1997 erschienenes, vielfach preisgekröntes Buch „Jakob schläft. Eigentlich ein Roman“ liegt


„Die Tafelrunde. Egon Schiele und sein Kreis“, (gemeinsam mit Tobias G. Natter) Köln: DuMont 2006; „Nach Schiele“, (gemeinsam mit Tobias G. Natter) Köln: DuMont 2006. Helmut Völter, Berlin w Leipzig: Grafik-Designer. 2006 Förderpreis des Walter-Tiemann-Preises für „Handbuch der wildwachsenden Großstadtpflanzen“ (Verlag Institut für Buchkunst, Leipzig). Jan Wenzel, Bautzenw Leipzig: Publizist, Künstler. Seit 2001 Mitherausgeber der Zeitschrift „spector cut+paste“. Veröffentlichungen 2006 u. a.: zusammen mit Axel Doßmann und Kai Wenzel „Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container“

(Verlag b_books Berlin); zusammen mit Katja Heinecke Herausgeber von „Heimat Moderne“ (jovis Verlag Berlin). Gabriele Werner, Innsbruck w Zürich w Innsbruck: forscht am Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck und lehrt dort Medizinische Biochemie und Wissenschaftsethik. Neben kontinuierlicher wissenschaftlicher Publikationstätigkeit literarische Essays und Buchbesprechungen (Gegenwart, 1993–1997) sowie verschiedene Buchbeiträge zu kulturellen Themen, zuletzt Mitherausgeberin des kunsthistorischen Buches „Hubert Gerhard in Innsbruck und das Grabmal Maximilians des Deutschmeisters“ aus dem Nachlass von Johanna Felmayer (Studienverlag 2005).

Quart Heft für Kultur Tirol

Herausgeber: Kulturabteilung des Landes Tirol Anschrift der Redaktion: Circus, Kochstraße 10, A-6020 Innsbruck, office@circus.at Abobestellungen und Anzeigen: Haymon Verlag, Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck T 0043 (0) 512 / 576300, order@haymonverlag.at, www.haymonverlag.at Chefredaktion: Heidi Hackl, Andreas Schett Geschäftsführer / Verleger: Markus Hatzer Mitarbeiter dieser Ausgabe: Dimitré Dinev, Wolfgang Sebastian Baur, Leopold Kessler, Gerhard Klocker, Florian Kronbichler, Sepp Mall, Klaus Merz, Friederike Mayröcker, Peter Oberdorfer, Carl Pruscha, Gunter Schneider, Martina Steckholzer, Bernhard Studlar, Thomas Trummer, Gabriele Werner Kuratoren: Ruedi Baur, Othmar Costa, Karin Dalla Torre, Eduard Demetz, Georg Diez, William Engelen, Martin Gostner, Helmut Groschup, Franz Hackl, Hans Heiss, Stefanie Holzer, Sebastian Huber, Gabriele Kaiser, Otto Kapfinger, Walter Klier, Martin Kofler, Gustav Kuhn, Christoph Mayr-Fingerle, Milena Meller, Walter Methlagl, Wolfgang Mitterer, Walter Niedermayr, Thomas Nußbaumer, Dominique Perrault, Wolfgang Pöschl, Robert Renk, Arno Ritter, Helmut Reinalter, Benedikt Sauer, Benno Simma, Gerhard Steixner, Vitus H. Weh, Lois Weinberger, Maria Welzig u. a. Konzeption /Gestaltung der linken Seiten: spector cut+paste (Markus Dreßen, Anne König, Jan Wenzel) zusammen mit Helmut Völter Visuell-editorisches Basiskonzept: Walter Pamminger Farbkonzept: Peter Sandbichler Grafische Realisation: Circus. Büro für Kommunikation und Gestaltung – Michaela Wurzer, Klaus Mayr Druckvorstufe und Druck: Alpina Druck GmbH, Innsbruck Verwendung der Karte „Tirol–Vorarlberg 1:200.000“ auf den Seiten 52 / 53 mit freundlicher Genehmigung von Freytag-Berndt u. Artaria KG, Kartografische Anstalt. Martina Steckholzer – courtesy Galerie Meyer Kainer, Wien Dank an Walter Pamminger für die Vermittlung von spector cut+paste – damit entstand die einzigartige Versuchsanordnung, dass eine Zeitschrift die Hälfte einer anderen Zeitschrift gestaltet. Sämtliche inhaltlichen Beiträge dieses Heftes sind Ersterscheinungen, Auftragswerke, Uraufführungen. ISBN-10: 3-85218-531-9, ISBN-13: 978-3-85218-531-6 © Haymon Verlag, Innsbruck–Wien 2007 Alle Rechte vorbehalten.


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Architektur: Rainer Kรถberl

Fotografie: fotowerk nusser aichner



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