Quart Nr. 32

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Quart Heft für Kultur Tirol Nr. 32 /18 E 16,–


LICHTFABRIK

HALOTECH


Foto: Günter Richard Wett

BAUSTILLE

Baustelle Haus Be, Igls; Architekt: Christian Höller



Inhalt

Susanne Kircher-Liner Halotech Lichtfabrik Inhalt Vorwort Linke Seite: Susanne Kircher-Liner

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Esther Stocker

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Fließtext von Esther Kinsky Linke Seiten: Benjamin Zanon

56–59

Martin Walde

60 / 61

Sowas gibt’s. Von Heinrich Steinfest Linke Seiten: C2F

62–73

4–7

8/9

Satan und Madonna – ein Plot Von Michael Köhlmeier Linke Seiten: Susanne Kircher-Liner

10–27

Edgar Martins

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Quart Nr. 17–31 Titelbilder

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Quart Nr. 17–31 Originalbeilagen

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In der Heimatfalle Von Jan Peter Tripp Linke Seiten: Michael Thalheimer

76–81

Andreas Fogarasi

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Herbert Hinteregger

82 / 83

Heimo Zobernig

34 / 35

Verabredete Farben Von Sven Meyer Linke Seiten: Michael Riedel

84–93 94 / 95

Zucker und Blut Von Philipp Blom Linke Seiten: Constantin Luser

36–43

Peter Sandbichler

Gehard Demetz

44 / 45

Ferienhaus für Tanja oder: Das Schweigen des Galeristen Von Jochen Jung Linke Seiten: Wolfgang Lehrner

„Wir haben die Dinge im Griff.“ Anton Zeilinger im Gespräch mit Michael Kerbler Linke Seiten: Line Hoven

46–53

Gregor Schneider

96–105 106 / 107



Fließtext von Brigitte Kronauer Linke Seiten: Sascha Hommer

108–111

Anna-Maria Bogner

112 / 113

Kaspar Hausers Powerbook Von Mirko Bonné Linke Seiten: Heinz Gappmayr

158–163

Marc Dion

164 / 165

Innsbrucker Rede Von Michael Krüger Linke Seiten: Johannes Porsch

114–125

Nullsätze, Stummelsätze und Gesprächskiller Von Hans Magnus Enzensberger Linke Seiten: Karl-Markus Gauß 166–169

Walter Niedermayr Linke Seite: Teresa Präauer

126 / 127

Judith Fegerl

170 / 171

Fließtext von Jan Wagner

172 / 173

Axel Hütte

174 / 175

Frozen Movie Von Daniel Grohn Linke Seiten: Text ohne Reiter

176–183

Peter Kogler

184 / 185

Notabene, ein Remake Erich Kästner in Tirol Von Christoph W. Bauer Linke Seiten: Teresa Präauer

128–135

Florian Pumhösl

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Brenner-Gespräch (6): „Wer hat das geschrieben? Ich?“ Salvatore Sciarrino im Gespräch mit Otto Katzameier Linke Seiten: Bureau Mirco Borsche

138–143

Fließtext von Marcel Beyer Linke Seiten: Constantin Luser

186–189

Bruno Walpoth

144 / 145

Wolfgang Wirth

190 / 191

Lanarepro

192 / 193

Marginaltexte (4): Wortkammer Von Paul Fröhlich Linke Seiten: Karl-Markus Gauß

146–155

www.quart.at

194

Marc Beckmann

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Impressum

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Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser! Schon einmal – vor genau 7 Jahren – erschien eine sogenannte Quartessenz, eine Auswahl von Beiträgen aus den ersten 16 Heften. Dies hier ist die Quartessenz Nr. 2, ein Querschnitt der Ausgaben 17 bis 31 (und zugleich die reguläre Nr. 32). Die Auswahl für ein solches Kompendium zu treffen, ist alles andere als leicht – exakt 2004 Seiten wurden seit 2011 eigens für Quart gestaltet. Grundsätzlich finden nur Auftragswerke, Ersterscheinungen und Uraufführungen hier Platz; unser Zeitschriftennamen ist vom Format abgeleitet und will keinerlei ideologische Festlegung bereits in der Titelzeile anklingen lassen. Großartige Künstlerinnen und Künstler aus nah und fern haben den Landstrich mit Namen Tirol aus der Nähe und der Ferne in Augenschein genommen. Dabei entstand die einzigartige Anthologie einer bestimmten Region, die auch überregional betrachtet da und dort den Denkhorizont weiten könnte. Folgerichtig ist Quart im guten Buchhandel erhältlich und im Internet unter www.quart.at abrufbar. Bei aller Weltaufgeschlossenheit bleibt Quart aber vorrangig ein analoges Medium. In der linearen Erzählweise einer Zeitschrift können Zusammenhänge entstehen, die in der digitalen Welt nur schwer zu finden sind. Ganz besonders trifft das auf die „Originalbeilage“ zu, ein exklusives Kunstwerk, das in der Vergangenheit so manches Heft zum Sammlerstück werden ließ. Und das von Grafikdesign-Theoretiker und Typograph Walter Pamminger erdachte visuelle Basiskonzept katapultiert das Medium „Kulturzeitschrift“ ohnehin ins 21. Jahrhundert: Alle linken Seiten einer Ausgabe dienen als Echokammer für die auf den rechten Seiten präsentierten Inhalte, immer neu bespielt von Bildenden Künstlern, Designern, Illustratoren, Schrift-

stellern, Theaterleuten – „simultanes Magazin“ nennt Pamminger dieses Prinzip. Diese einzigartige Jubiläumsausgabe wird vervollkommnet durch einen exklusiv in Quart erscheinenden Essay des Schriftstellers Michael Köhlmeier über die Nähe von Gut und Böse im Märchen. Auf zwölf linken Seiten vis-à-vis und auf den Umschlagseiten testet die Malerin Susanne Kircher-Liner mittels „innerkörperlicher Drehung die Aufnahmekapazität von Probanden“. Und so möchte man angesichts all dessen wie Autor und Verlegerlegende Michael Krüger bei der Präsentation von Quart Nr. 27 den Leuten zurufen: „Sie sollen Zeitschriften wie Quart lesen! Was denn sonst! Hier haben Sie sehr Vieles auf kleinstem Raum. In jedem Bus, in jeder U-Bahn wird man doch schauen, was der oder die da liest – nicht die öden Zeitungen, nicht die öden Liebes- oder Kriminalromane, nein, er oder sie liest etwas, was ihr ästhetisches Empfinden verändert, nämlich Quart.“ (Die ganze Rede ist nachzulesen auf den S. 115–125 in diesem Heft.) Das mit „in jedem Bus, in jeder U-Bahn“ ist natürlich irreführend. Selbst die wohl bedeutendste Literaturzeitschrift der Welt, Gallimards „Nouvelle Revue Française“, hatte nie mehr als 1.500 Exemplare Auflage, sagte Michael Krüger auch. Und endete mit einem bemerkenswerten Satz: „Das Verschwinden von Zeitschriften ist ein hundertprozentiges Indiz für die Anfälligkeit einer Kultur.“ Dazu abschließend eine gute Nachricht: Soeben ist uns ein Vertrag ins Haus geflattert, der zumindest weitere zehn Ausgaben Quart garantiert. Vertragspartner ist die Kulturabteilung des Landes Tirol – seit Beginn Hauptfinanzier dieses einzigartigen Zeitschriftenprojekts. Dafür einmal mehr herzlichen Dank! Heidi Hackl, Markus Hatzer, Andreas Schett


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Satan und Madonna – ein Plot

Über die Nähe von Gut und Böse im Märchen – ein Essay exklusiv für diese Ausgabe von Quart. Von Michael Köhlmeier

1 Das Märchen vom Mädchen ohne Hände ist eines der schrecklichsten, das wir kennen. Dabei begegnet es uns in der Fassung der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm in einer bereits überarbeiteten Form. Wilhelm Grimm, der ab der dritten Auflage allein für die Redaktion der Märchensammlung verantwortlich zeichnete, urteilte wohl, dass die ursprüngliche Geschichte Kindern nicht zuzumuten sei. Das „ursprüngliche“ Märchen eben, wie es tatsächlich in norddeutscher Gegend zu Lebzeiten der Grimms noch erzählt wurde, war eine nur wenig verschlüsselte Missbrauchsgeschichte: Der Vater schneidet seiner Tochter die Zunge heraus und hackt ihr die Hände ab und jagt sie davon, nachdem er ihr so viel Leid angetan hat; sie soll nicht darüber sprechen und soll auch nicht aufschreiben können, was ihr widerfahren ist. Ohne Zweifel war diese Geschichte nicht für Kinder gedacht. Wilhelm machte aus dem Vater den Teufel, und er ließ es mit dem Abhacken der Hände genug sein. Der Teufel ist böse, das weiß jeder, es ist nachgerade seine Aufgabe, böse zu sein, vom Teufel ist nur Böses zu erwarten; auch Kinder wundern sich nicht, wenn der Teufel böse ist, und seine bösen Taten erschrecken sie wenig, denn was sollte er anderes tun als Böses. Dass es auch Väter gibt, die sich wie Teufel benehmen, das wissen Erwachsene; Kindern mögen sie bitte diesen Einblick ins Leben ersparen. Die Familie mit dem Vater als Vorstand darf nicht in Verruf gebracht werden. Wo hingegen der Teufel auftritt, hat das Böse eine außermenschliche Ursache, damit wird ihm das Unheimliche sicher nicht ganz genommen, aber es ist draußen, man kann mit dem Finger – weg von uns – darauf zeigen, und der Finger wird auch nicht gleich abgebissen; das Böse als Teufel erscheint ein bisschen harmloser. Mephisto ist im Vergleich zu dem wirklichen Menschen Adolf Eichmann ein netter Zyniker ... Der Müller trifft im Wald ein Männlein, das fragt ihn, warum er so unglücklich dreinschaut. Der Müller jammert ihm von seiner Armut vor; das Männlein sagt,

wenn er ihm gebe, was hinter seinem Haus ist, mache er ihn zu einem reichen Mann. Hinter meinem Haus, denkt der Müller, ist ein alter Apfelbaum, der nichts mehr trägt, den kann er gern haben; und er schlägt ein. Zu Hause läuft ihm die Frau entgegen; alle Schubladen seien voller Gold, die Kästen voll feinem Linnen und Seide. Der Müller erzählt, die Frau ist bestürzt. „Das war der Teufel! Und hinter dem Haus war unsere kleine Tochter und hat dort gespielt!“ Als das Kind in ein reifes Alter kommt, taucht der Teufel auf und will es holen. Aber das Mädchen wäscht sich die Hände, und der Teufel kann es nicht packen. Er solle seine Tochter daran hindern, die Hände zu waschen, befiehlt er dem Müller, sonst nehme er ihn mit in die Hölle. Da hackt der Vater seiner Tochter die Hände ab. Das Mädchen weint über die Stümpfe, und die Tränen machen sie rein, und der Teufel hat das Nachsehen. Der Vater fällt vor seiner Tochter auf die Knie, sie möge ihm verzeihen, und das tut sie, aber sie will nicht zu Hause bleiben, sie bittet den Vater, ihr die Stümpfe auf den Rücken zu binden. So geht sie in die Welt hinaus. Sie trifft einen König, der heiratet sie, macht sie zur Königin und lässt ihr silberne Hände anlegen. Der Krieg bricht aus, der König zieht ins Feld. Die Königin bringt einen Sohn zur Welt. Ihre Schwiegermutter, ausnahmsweise eine gute, schreibt an ihren Sohn einen Brief, er dürfe sich freuen, er sei Vater eines Knaben geworden. Sie schickt einen Boten, der legt sich unterwegs nieder, um zu ruhen, da kommt der Teufel und schreibt den Brief um: Die Königin habe einen Bastard geboren, sie habe ihn, den König, betrogen. Der König liest den Brief, kann es nicht glauben, schreibt dagegen, man solle die Königin ehren und das Kind behüten, bis er zurückkomme. Wieder schläft der Bote ein, wieder kommt der Teufel und fälscht auch diesen Brief: Die Königin und ihr Bastard sollen getötet, zum Beweis solle der Königin die Zunge herausgeschnitten werden. Die gute Schwiegermutter warnt die Königin, bindet ihr das Kind auf den Rücken und schickt sie in den Wald, auf dass sie der König nicht finde. Sie lässt ein Reh töten, schneidet ihm die Zunge heraus und weist sie dem König vor, als er aus dem Krieg zurückkommt. Die List des Teufels


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fliegt auf, der König macht sich auf die Suche nach seiner Frau und seinem Sohn. Schließlich findet er die beiden. Gott und sein Engel greifen ein, sie lassen der Königin neue Hände nachwachsen. Alles ist gut. Soweit das Märchen Das Mädchen ohne Hände. Das Märchen Marienkind steht in der Grimmschen Sammlung an dritter Stelle, Wilhelm und Jacob Grimm zählten es also zu den wichtigen Stücken ihrer Sammlung. Nach ihren Angaben hat ihnen Gretchen Wild die Geschichte erzählt, eine der Töchter der befreundeten Apothekerfamilie aus Kassel und Schwester von Dorothea, „Dortchen“, der späteren Frau von Wilhelm Grimm. Wahrscheinlich haben sich die Brüder obendrein von einem Märchen aus dem Pentamerone des Neapolitaners Giambattista Basile inspirieren lassen. Die Geschichte ist für sich schon haarsträubend genug, parallel zu Das Mädchen ohne Hände gelesen, tut sich uns eine Welt der Hoffnungslosigkeit und des Ausgeliefertseins auf, ein Vorwurf geistiger und seelischer Apokalypse – nämlich weil sich Gut und Böse kaum noch voneinander unterscheiden. Wieder geht ein Mann in den Wald und klagt über seine Armut; da erscheint ihm die himmlische Madonna, und auch sie sagt, sie werde ihn reich machen, wenn er ihr dafür gibt, was verborgen in seinem Haus ist. Der Mann verspricht es. Verborgen in seinem Haus aber ist das Kind im Bauch seiner Frau. Nach der Geburt erscheint die Madonna und nimmt das Kind mit sich. Sie zieht es oben im Himmel groß, und als es herangewachsen ist, gibt sie ihm dreizehn Schlüssel, die passen in die dreizehn Türen des Himmels. Sie sagt, sie gehe und lasse das Kind allein, hinter zwölf Türen dürfe es schauen, hinter die dreizehnte aber nicht. In den zwölf Kammern knien die Apostel und beten, und schließlich kann das Kind seine Neugierde nicht mehr bändigen und öffnet die dreizehnte Tür. Dort wohnt die Dreifaltigkeit, das Kind berührt sie mit dem Finger, und der Finger wird zu Gold. Als die Muttergottes zurückkommt, sieht sie den goldenen Finger und weiß, was geschehen ist. Sie fragt das Kind, ob es die dreizehnte Tür geöffnet habe, das Kind sagt: „Nein.“ Sie fragt ein zweites Mal und ein drittes Mal. Das Kind leugnet wieder. Da schickt es die Muttergottes auf die Erde zurück. Das Mädchen heiratet einen König und bringt ein Kind zur Welt. In der Nacht nach der Geburt erscheint

die Madonna und fragt wieder: „Hast du die dreizehnte Tür geöffnet?“ Die Königin leugnet. Da nimmt ihr die Madonna das Kind. Erste Gerüchte kommen auf – die Königin habe ihr Kind getötet. Sie wird wieder schwanger, bringt wieder ein Mädchen zur Welt, und wieder erscheint ihr in der Nacht die Madonna. Ob sie es nun zugibt. „Nein.“ Auch dieses Kind wird ihr genommen. Empörung im Volk, die Königin sei eine Menschenfresserin. Der König verteidigt sie – noch. Das dritte Kind wird geboren, die Madonna erscheint, wieder sagt die Königin, sie habe die dreizehnte Tür im Himmel nicht geöffnet. Auch das dritte Kind wird ihr genommen. Da verlangt das Volk, die Königin auf dem Scheiterhaufen hinzurichten. Erst als die Flammen hochschlagen, ruft die Königin in den Himmel hinauf: „Ich geb’s zu! Ich geb’s zu, ich habe die dreizehnte Tür geöffnet!“ Da wird ihr verziehen, und sie wird zu ihren Kindern in den Himmel aufgenommen. 2 Es fällt schwer zu entscheiden, welche der beiden Geschichten „teuflischer“ ist. Die Empörung trifft die Madonna mehr als den Teufel, aber Empörung ist bekanntlich billig. Und sie verstellt den Blick. Wir wollen den Kern der beiden Märchen herausschälen, um unserem Thema Kontur zu verschaffen – selbstverständlich mit dem Ziel zu ergründen, warum diese merkwürdigen, geheimnisvollen, zugleich geheimnislosen Gebilde uns seit – wie die Märchenforschung herausgefunden hat – tausenden Jahren faszinieren. Ich schlage deshalb vor, das Böse in Das Mädchen ohne Hände und in Marienkind vorerst nicht unter moralischen, sondern unter ästhetischen Gesichtspunkten zu betrachten. Was, zugegeben, widersinnig erscheint, beziehen sich diese beiden Begriffe ja gerade auf moralische Kategorien und sind so ohne weiteres nicht als ästhetische zu denken. Aber aus solcher Widersinnigkeit, meine ich, besteht das Wesen der Märchen und auch das Wesen mancher Mythen. Dass Grausamkeit schön sein kann, führen uns unzählige Märchen, Legenden und Mythen vor – wie die über den Satyr Marsyas, der von Apoll gehäutet wird, oder viele Heiligengeschichten, in denen Martyrien bis zur Verzückung geschildert werden, denken wir an die Qualen des heiligen Laurentius, der auf dem Grill geröstet wurde und der, laut Legende, seine Peiniger


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verspottete, indem er bat, man möge ihn umdrehen, auf der einen Seite sei er gar – hier wird das Böse, die Grausamkeit, in einen Witz verkehrt, also ästhetisiert. Fragen wir nicht nach den Ähnlichkeiten der Handlung in unseren beiden Märchen, sondern nach einem gemeinsamen Motiv, von dem die jeweilige Handlung ihren Ausgang nimmt. Da ist einmal der im Wald allein vor sich hin jammernde arme Mann, den Gut und Böse nicht scheren, der nur endlich auch einmal haben möchte – haben, nicht darben. Dann, als der erste Plot Point in der Geschichte, der Punkt, an dem die Handlung in Gang gesetzt wird: der Tausch. Das Männlein und die Madonna bieten an, etwas scheinbar Wertloses gegen Reichtum zu tauschen. Einmal meint der Müller, es handelt sich um den alten, unfruchtbaren Apfelbaum, und wir unterstellen dem Teufel, dass er genau auf diesen Irrtum spekuliert; im anderen Märchen sieht es aus, als habe der Mann gar keine Vermutung, was für eine Sache es sein könnte, die sich im Haus verborgen befindet, nur dass er sich denkt, wertvoll könne die Sache auf jeden Fall nicht sein, denn etwas Wertvolles besitzt er nicht, sonst würde er ja nicht jammern. Beide werden also im Unklaren gelassen, wofür sie den Reichtum eintauschen; und wir, die wir die Geschichte erzählt bekommen, sind davon überzeugt, hätten sie es gewusst – nämlich dass sie ihr Kind opfern sollen –, wären sie den Handel nicht eingegangen. Das ist nicht fair. Gut, vom Teufel kann man Fairness nicht erwarten, und der Müller wusste ja nicht einmal, dass in dem Männchen der Gottseibeiuns steckt, also gab es für ihn keinen Grund, ihm zu misstrauen. Die Muttergottes aber, das meine ich doch glauben zu dürfen, führt – so wie sie uns bisher gepriesen wurde – einen Ahnungslosen nicht hinters Licht, nein, das tut sie nicht. In dem Märchen Marienkind tut sie es aber; hier präsentiert sich die Gnadenreiche als Gnadenlose. – Aber ich wollte ja nicht moralisch werden ... Im weiteren Verlauf zweigen die Handlungen der beiden Märchen auseinander, und sie finden auch nicht mehr zusammen. Das Motiv, das die schließlich sehr verschiedenen Handlungen auslöst, ist also der Tausch, und zwar ein unfairer Tausch, in beiden Fällen. Den Prinzipien der bürgerlichen Ökonomie folgend, ist ein unfairer

Tausch aber eigentlich gar kein Tausch, sondern ein Betrug; Tausch setzt nämlich Gleichheit voraus, auch Gleichheit des Wissenstandes; was jemand auf die beschriebene unfaire Weise erworben hat, hat er eigentlich gestohlen. – Und wieder kommt die Moral daher ... Und es ist kein Wunder, dass sie daherkommt, denn wir haben bisher unser Augenmerk nur auf die Handlungen und ihre Motive gelenkt. Gut und Böse, so haben wir unterstellt, entstehen erst im Tun, im Handeln. Erich Kästners „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ fasst diese Einsicht in ein schönes Bonmot. Der Katholik aber beichtet, er habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken – also nicht nur in Werken, nicht erst, als er Böses getan hat. Und auf dem Gebiet der Sünde ist die katholische Kirche kompetent, folglich sollten wir die Beichtformel ernst nehmen. Dass die den Taten vorgesetzten Worte zum Bösen gezählt werden, ist zwar nicht unbedingt korrekt und logisch widerspruchsfrei durchdacht, aber praktisch sinnvoll, weil uns nicht nur die Historie, sondern auch unser tagtägliches Leben immer wieder vorführen, wie aus bösen Worten böse Taten folgen, weswegen Verhetzung nach dem bürgerlichen Gesetzbuch ja auch bestraft wird, unter Umständen sogar empfindlich. Was aber tatsächlich unter der „Sünde des Wortes“ zu verstehen ist, lässt sich so einfach nicht definieren. Wenn zum Beispiel in einem Roman eine Figur auftritt, die rassistische Reden hält, und wenn diese Figur auch noch die denkbar übelsten Worte verwendet, wird in einem freien Land wohl kein Gericht den Autor dafür verurteilen. Wenn allerdings derselbe Autor bei einer politischen Versammlung wortwörtlich die gleiche Rede hält, bekommt er wahrscheinlich Schwierigkeiten. Und was wird daraus, wenn sich der Autor in der Öffentlichkeit zwar zurückhält, aber seinen Lesern doch klar ist, dass er die Meinungen seiner Figur teilt? Also wenn er Verhetzung mithilfe eines Romans betreibt? Und wie soll das festgestellt werden? Oder umgekehrt – kann sich einer, der wegen Verhetzung vor Gericht steht, weil er vor einer überschaubaren Gruppe von Menschen womöglich auch noch in plumpen Phrasen seine Bösartigkeiten abgesondert hat, nicht mit Recht beschweren, wenn ein Schriftsteller, der eine seiner Figuren zu einem womöglich tausendmal größerem Publikum viel Schlimmeres, in viel verführerischen Worten reden lässt, das aber ungestraft? Oder was, wenn jemand eine Gefahr darin sieht, dass ein Roman, unabhängig


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davon, welche Meinungen der Autor vertritt, auf die Leser verhetzend wirkt, weil die darin auftretende böse Figur besonders gut gezeichnet wurde – wird dann eine Anzeige wegen Verhetzung vielleicht doch eine Chance haben? Wenn aber ja, sollte man Autoren dann raten, böse Figuren nicht ganz so überzeugend, also von einem literarischen Standpunkt aus betrachtet, weniger gut zu zeichnen? Dass also Shakespeare wegen seines Richard III. oder wegen seines Jago oder seines Edmund oder seines Macbeth auch heute noch eventuell verurteilt würde? Oder was ist mit der Satire? Jonathan Swifts Bescheidener Vorschlag im Sinne von Nationalökonomen, wie Kinder armer Leute zum Wohle des Staates am Besten benutzt werden können ist ein leidenschaftlicher Apell, die Unbarmherzigkeit einer Gesellschaft nicht zu dulden, gekleidet allerdings in die Form einer unbarmherzigen, bürokratisch-sachlichen Analyse, die zum Schluss kommt, der Bettelei könne am besten begegnet werden, indem man die Kinder armer Leute den Reichen zum Verzehr anbietet. An keiner Stelle des Textes wird darauf hingewiesen, dass es der Autor nicht ernst meint, dass es sich also um eine Satire handelt. Was, wenn jemand, der diese Art von Spaß nicht versteht, und solche Menschen gibt es, daraus eine grausige praktische Konsequenz zieht? Oder: Jemanden zum Selbstmord anzustiften, ist zwar nicht strafbar, moralisch aber doch bedenklich – ist Goethe wegen des Verfassens seines Werther verfemt worden? Immerhin hat das Buch eine Selbstmordserie ausgelöst. Im Unterschied zur bösen Tat ist das böse Wort nicht so leicht zu identifizieren. 3 Allerdings: Bereits die Gedanken als Sünde zu bezeichnen, muss einen aufgeklärten, sein Leben mündig selbst bestimmenden Menschen doch ärgerlich verwundern. Wir alle wissen, aus bösen Gedanken folgen bei einer halbwegs gesitteten Erziehung nur selten böse Worte und noch seltener böse Taten. Und wir wissen weiters, dass unsere Vernunft unsere Gedanken selten lenkt. Denken gleicht einem Strom, und der fließt in jedem Augenblick durch uns hindurch, die wenigsten Gedanken sind sprachlich ausformuliert; wir können nicht einmal genau sagen, wie wir denken; die einen meinen, wir denken in Bildern, die anderen behaupten, Sprache und Denken sind aneinander gekoppelt. In seinem

17. Aphorismus in Jenseits von Gut und Böse schreibt Nietzsche: ... ein Gedanke kommt, wenn „er“ will, und nicht, wenn „ich“ will; so dass es eine Fälschung des Tatbestandes ist, zu sagen: das Subjekt „ich“ ist die Bedingung des Prädikats „denke“. Es denkt: aber dass dies „es“ gerade jenes alte berühmte „Ich“ sei, ist, milde geredet, nur eine Annahme, eine Behauptung, vor allem keine „unmittelbare Gewissheit“. Ein mit mir befreundeter Psychiater hat mir von einem Patienten erzählt, den er vor vielen Jahren behandelt hatte. Der Mann litt unter dem Tourette-Syndrom, und er litt wirklich darunter; so sehr litt er, dass er sich kaum mehr traute, das Haus zu verlassen. Der Mann war rechtschaffen, freundlich, entgegenkommend, sogar schüchtern, er war gebildet und hatte eine gute Erziehung genossen, und lange hatte er ein ganz normales Leben geführt – und dann war es auf einmal da, es: Wenn er unter Menschen war, besonders wenn er den Eindruck hatte, er werde beobachtet, konnte es vorkommen, dass eine Schimpftirade aus ihm herausbrach, so heftig, dass alle, die um ihn herum waren, vor Entsetzen erstarrten, vor allem, weil er die schmutzigsten, versautesten, niederträchtigsten Worte gebrauchte. Als ihn mein Freund fragte, ob er sich bei seinen Anfällen all dieser Worte überhaupt bewusst gewesen sei, antwortete ihm der Mann, natürlich sei er sich der Worte bewusst, und er stellte meinem Freund gleich die Gegenfrage: Ob er denn mit absoluter Gewissheit behaupten könne, dass solche Worte in seinen Gedanken noch nie aufgetaucht seien. Da musste ihm mein Freund zugeben, dass auch er nicht frei von solchen Gedanken und auch solchen Ausdrücken sei. Und der Patient belehrte den Arzt: Der Unterschied zwischen ihnen liege nur darin, dass er, der Arzt, es zu verhindern wisse, dass sich diese Gedanken zu Worten formen, die dann auch ausgesprochen werden, und dass er, der Patient, das eben nicht könne. Ihre Gedanken aber, ihre nicht ausgesprochenen Worte würden sich nicht oder nur wenig von einander unterscheiden. Die Krankheit bestehe darin, dass die Worte über die Lippen kommen. Wenn der Mensch schon wegen seiner bösen Gedanken verurteilt würde, wäre – anders als Martin Luther glaubte – der Himmel leer und die Hölle voll. Viel-


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leicht hat Augustinus, als er die menschenfeindliche Gnadenlehre seiner späten Jahre formulierte, in der er uns darüber unterrichtet, dass die allermeisten verdammt sind, daran gedacht, dass eben die allermeisten im Lauf ihres Lebens verdammenswürdige Gedanken haben, gehabt haben und weiter haben werden, so dass die Seele der allermeisten nie und nimmer rein sein wird und es folglich von Anfang an einer besonderen Gnade bedurfte, wenn einem ein Leben lang kein böser Gedanke kommt. Hamlet (in der Übersetzung von August Wilhelm von Schlegel) spricht es aus, wenn er Ophelia zurechtweist: Ich bin selbst leidlich tugendhaft, dennoch könnte ich mich solcher Dinge anklagen, daß es besser wäre, meine Mutter hätte mich nicht geboren. Ich bin sehr stolz, rachsüchtig, ehrgeizig; mir stehn mehr Vergehungen zu Dienst, als ich Gedanken habe, sie zu hegen, Einbildungskraft, ihnen Gestalt zu geben, oder Zeit, sie auszuführen. Wozu sollen solche Gesellen wie ich zwischen Himmel und Erde herumkriechen? Wir sind ausgemachte Schurken, alle: trau keinem von uns! Geh deines Wegs zum Kloster! Was sind die Dinge, derer Hamlet sich anklagen könnte, anderes als Gedanken? Die Gedanken bieten ihm sogar mehr Vergehen an, als sie selbst fassen können. Wir brauchen keine Bestätigung von einem Psychologen, um zu wissen, dass wir uns manchmal erst beruhigen können und zu klaren, das heißt, zivilisierten Gedanken fähig sind, wenn wir uns zuvor – in Gedanken – abreagiert haben; und nicht selten sind diese „Abreaktionen“ von einer Grausamkeit, die uns, würden sie laut ausgesprochen, in die Psychiatrie, in Handlungen umgesetzt, lebenslang ins Gefängnis bringen würden. „Die Gedanken sind frei!“ ist mehr als ein politischer Slogan; die Gedanken sind gemäß ihrer Natur frei, sie sind der einzige von der Natur uns zugestandene Ort der Freiheit, alle anderen Orte müssen wir uns erobern. Wer die Idee der Sünde auf unsere Gedanken ausdehnen möchte, will Zugriff auf diesen Ort; er ist ein Okkupant, und zwar der gefährlichste Okkupant, der sich denken lässt. Manès Sperber schreibt in seinem berühmten Essay über den Tyrannen, selbst wenn seine Untertanen vor ihm im Staub liegen und sein Lob singen und seine Worte und seine Taten bejubeln, nie wird er sich sicher sein können, ob sie ebenso denken, immer

wird ihn die bange Frage quälen: Was geht in ihren Köpfen vor? Und manchmal lässt er die Köpfe aufschlagen, um nachzusehen. Aber dort findet er nichts. Wenn der Marquis von Posa in Schillers Don Karlos sein berühmtes „Geben Sie Gedankenfreiheit!“ ausstößt, folgt im Text, getrennt nur durch einen Bindestrich, noch in derselben Zeile die Regieanweisung Sich ihm zu Füßen werfend. – Was soll man davon halten? Wirft sich einer dem Tyrannen zu Füßen und bittet: „Darf ich denken, was ich will.“ Hat man je einen jämmerlicheren Lakaien gesehen? Schillers Leidenschaft für die Freiheit war mir nie geheuer. Ich hatte immer den Verdacht, er meint mit Freiheit des Denkens eben nicht die Freiheit, dass jeder denken darf, was er will, auch einen hanebüchenen Blödsinn, sondern nur das, was vernünftig ist – also denken wie Friedrich Schiller. Gegen sein Freiheitsdrama ist unser bürgerliches Gesetzbuch ein Bollwerk an Liberalität. Darin wird die Freiheit der Gedanken nicht einmal erwähnt, sie wird als selbstverständlich vorausgesetzt. 4 Kehren wir zu unseren beiden Märchen zurück. – Wir müssen uns also von der Handlung lösen, aber auch von dem Motiv, das die jeweilige Handlung in Gang setzte, wollen wir die Moral aus unseren Überlegungen heraushalten und Gut und Böse als allein ästhetische Kategorien sehen. Nur: Was bleibt dann noch übrig, worüber sich die eine Geschichte mit der anderen vergleichen ließe? Je ein Bild. Eine Chiffre. In Das Mädchen ohne Hände sind es die silbernen Handprothesen, in Marienkind ist es der goldene Finger, der das Mädchen verrät, nachdem sie die verbotene dreizehnte Tür geöffnet hat. Dabei stellen wir etwas Verblüffendes fest: Weder die silbernen Hände noch der goldene Finger sind für die Handlung notwendig. Beides sind Bilder, die wie in einem Traum vor uns stehen, man möchte sagen, nackt, in einem Zustand vor den Worten, ja, in einem Zustand vor den Gedanken, bevor die Koordinaten Gut und Böse aufgespannt wurden, in einem Zustand vor der Moral. In vielen Märchen und auch in Mythen begegnen wir solchen Bildern, die sich zwar mehr oder weniger in die Handlung einfügen, die aber weder für die Handlung noch zur Charakterisierung einer Person notwen-


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dig sind. Jeder kennt das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten. Wenn ich Sie frage, welches Bild fällt Ihnen spontan dazu ein, werden Sie antworten: die Tiere, die übereinander stehen. Vielleicht ist es schon lange her, seit Ihnen das Märchen erzählt wurde, oder seit Sie es gelesen haben. Wissen Sie noch, um was für Tiere es sich handelt? Und wissen Sie noch, warum die Tiere übereinander stehen? Ich habe in der Vorbereitung zu diesem Beitrag in meinem Bekanntenkreis herumtelefoniert. Alle haben beim Stichwort Bremer Stadtmusikanten die übereinander gestapelten Tiere assoziiert. Keiner wusste genau zu sagen, um welche Tiere es sich handelt, und keiner, warum der Hund auf den Esel, die Katze auf den Hund und der Hahn auf die Katze steigt. Sie tun es übrigens, um die Räuber zu erschrecken, die nachts im Wald in einem Haus sitzen. Es hätte viele andere Möglichkeiten gegeben, sie zu erschrecken, sich übereinander zu stellen, ist sicher die ausgefallenste. Ich vermute, das Bild hatte ursprünglich mit der Geschichte gar nichts zu tun. Oder denken wir an den Kyklopen Polyphem in der Odyssee des Homer. Er ist eine märchenhafte Figur, er tritt in einer der Geschichten auf, die Odysseus am Hof der Phäaken erzählt. Polyphem hat nur ein Auge, das kennzeichnet ihn. Aber dass er nur ein Auge hat, spielt für die Handlung nicht die geringste Rolle, Odysseus hätte ihm gewiss auch zwei Augen ausgestochen. Wieder vermute ich, das Bild des einäugigen Riesen war da, längst bevor darum herum eine Handlung, eine Geschichte gewoben wurde. Auch in dem Märchen Einäuglein, Zweiäuglein, Dreiäuglein hat die Anzahl der Augen auf die Handlung keinen Einfluss, die drei Schwestern könnten ebenso vier oder fünf Augen haben oder nur je zwei wie wir. In unseren beiden Märchen, Das Mädchen ohne Hände und Marienkind, haben wir es mit aus ihrer Art und ihrer Funktion geratenen Gliedmaßen zu tun, einmal mit silbernen Händen, einmal mit einem goldenen Finger. Trotz der edlen Materialien haben die Bilder etwas Bedrohliches an sich. Hände und Finger sind zwar veredelt, Silber und Gold sind mehr wert als Sehnen, Fleisch und Knochen, aber als Hände und als Finger sind sie nun unbrauchbar. In dem Bild von den silbernen Händen und dem Bild von dem goldenen Finger wird ein Eingriff in unsere Souveränität dokumentiert, ein Eingriff allerdings, der von einer transzendenten Welt aus vorgenommen wurde. Ob diese transzendente

Welt der Himmel oder die Hölle ist, davon kündet das Bild nicht. Auch ob es gut oder schlecht ist, dass von außen auf jemanden von uns zugegriffen wurde, sagt uns das Bild nicht. Auch nicht, ob es vielleicht gar eine Bevorzugung ist, wenn ein Glied zwar unbrauchbar gemacht, aber veredelt worden ist. Das Bild sagt uns gar nichts. Es zeigt. Es ist. Und alles darüber hinaus ist Kommentar – unser Kommentar. Wir sehen: Eine Veredelung von Gliedmaßen hat stattgefunden auf Kosten ihrer Brauchbarkeit. Und wir sehen auch, es gelingt uns nicht oder nur mit größter Mühe, dieses Bild nicht zu kommentieren; schon seine bloße Beschreibung läuft Gefahr, von Wort zu Wort in einen Kommentar hinüberzugleiten. Worte bewerten; und das muss mit Moral noch längst nichts zu tun haben. Worte schaffen ein Netz, eines verweist auf viele andere, und was darin eingespannt ist, nimmt an der Bedeutung teil und wird zu einem Teil dessen, was wir Sinn nennen. Geschichten sind aus Worten gebaut. In der Geschichte vom Mädchen ohne Hände wurde der Eingriff in unsere Welt von der Hölle aus vorgenommen, in Marienkind vom Himmel. Die Silberhände und der Goldfinger sind Spuren, die ein Wesen aus einer anderen Welt hinterlassen hat, einmal kam es aus der Hölle, einmal aus dem Himmel; die Geschichten dazu haben sie nicht geliefert, die haben wir uns ausgedacht, mit Hilfe unseres Verstandes. Und nie sind wir uns sicher, verwenden wir die beiden Worte Himmel und Hölle als Metaphern, sind Hölle und Himmel poetische Begriffe oder doch knallhart theologische – wir neigen heute zu Ersterem. Schon dass wir die Silberhände dem Satan, den Goldfinger aber der Madonna zuordnen, ist eine Interpretation; Hände und Finger ließen sich gegeneinander austauschen. Die Bilder, die Chiffren, stehen nackt und rein vor uns – und: Sie sind unerträglich. Das Unerträgliche besteht darin, dass sie schweigen. Rohware sind sie, die noch keine Bedeutung haben – mag sich der denken, der sich eine Welt ohne Bedeutung nicht vorstellen kann. Wir bringen die Bilder zum Sprechen, indem wir eine Geschichte um sie herum spinnen, und oft drängen wir sie dadurch ins Nebenbei. Silberhände und Goldfinger als pure Chiffren unterscheiden sich voneinander nur wenig; eingebaut in ihre Geschichten werden sie einmal Bestandteil des Plots des Teufels, einmal des Plots der Madonna.


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5 Nachdem Jacob und Wilhelm Grimm die erste Fassung der Kinder- und Hausmärchen herausgegeben hatten, meinte Clemens Brentano, der ehemalige Freund der Brüder, darüber urteilen zu müssen – und in seinem Urteil kommt alle Verachtung zum Ausdruck, die er in Wahrheit für diese Gattung empfand: Ich finde die Erzählung äußerst liederlich und versudelt und in manchem dadurch sehr langweilig. (...) Will man ein Kinderkleid zeigen, so kann man es mit aller Treue, (...) an dem alle Knöpfe heruntergerissen, das mit Dreck beschmiert ist, und wo das Hemd den Hosen heraushängt. (...) dergleichen Treue, wie hier in den Kindermärchen macht sich sehr lumpig. Abgesehen davon, dass ich den Brentano nicht leiden kann und für einen weniger als mittelmäßigen Dichter halte, der, wenn er dem Wilhelm Grimm auf der Schulter säße, ihm nicht bis zum Kinn reichte; abgesehen davon, kann man doch nur den Kopf schütteln, wie jemand, der sich in der Sammlung Des Knaben Wunderhorn, die er zusammen mit Achim von Arnim herausgegeben hat, so intensiv nicht nur mit Volksliedern, sondern auch mit Märchen auseinandergesetzt hat, wie so einer nicht den geringsten Tau davon hat, was das Wesen dieser Gattung ausmacht. Es verwundert deshalb auch nicht, dass er einer der Ersten war, die ein Thema aufbrachten, das dann später, vor allem ab den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, immer wieder wie eine Standarte in den Diskussionen aufgestellt wurde, nämlich: die Gewalt in den Märchen. Mein Leben lang habe ich mich mit Märchen beschäftigt, und immer wieder habe ich sie gegen den Vorwurf verteidigen müssen, sie seien grausam, sie seien oft amoralisch, sie erschrecken die Kinder, pflanzen ihnen Alpträume in den Kopf, lassen sie schlecht schlafen, verderben sie. Irgendwann habe ich festgestellt, dass meine Verteidigung nichts anderes ist als die Spiegelverkehrung der Vorwürfe. Dass es in manchen Märchen nahezu kataklysmische Gewaltszenen gibt, das lässt sich nicht leugnen, und diese schön zu reden, hieße, sich argumentativ auf die Angreifer einzustellen und ihre Vorwürfe anzuerkennen. Märchen kann man nicht verteidigen; reine, von allem anderen abgelöste

Schönheit benötigt keinen Anwalt, und kein Anwalt könnte sie verteidigen. Am Phänomen der Gewalt im Märchen lässt sich veranschaulichen, was ich anfangs meinte, als ich vorschlug, Gut und Böse als ästhetische und nicht als moralische Kategorien zu fassen. Wir alle kennen das Märchen vom Rumpelstilzchen, und die meisten von Ihnen werden sich an den Schluss erinnern, als der böse Zwerg – der übrigens auch das Kind der Königin / Müllerstochter mit sich nehmen will – sein Spiel verliert und vor Zorn erst mit dem einen Bein so fest aufstampft, dass er bis zum Knie im Boden versinkt, sich dann am anderen Bein packt und sich selbst in der Mitte auseinanderreißt. Ich habe diese Geschichte oft meinen Kindern vorgelesen und auch nacherzählt und habe sie auch vor Erwachsenen erzählt, und immer war am Ende ein erleichtertes, heiteres Lachen gewesen und auch eine durchaus moralische Befriedigung, weil es dem ordentlich gegeben worden ist, der den Frauen die Kinder wegnehmen will. Rumpelstilzchen ist ein Musterbeispiel für die Ästhetisierung von Gut und Böse. Moralisch gesehen berichtet das Märchen nur Schlechtes. Ein Müller – ja, es sind immer die Müller! – prahlt, seine Tochter könne Stroh zu Gold spinnen; der König hört es und will den Beweis, sprich: das Gold; anstatt dass die Tochter den Unsinn aufklärt, lässt sie sich darauf ein, weil ihr der König verspricht, sie zu heiraten, wenn ihr das Unmögliche gelingt; in der Nacht kommt ein Männlein und schlägt ihr einen Tausch vor – wieder das Motiv des Tausches! –, es spinnt das Stroh zu Gold, wenn sie ihm dafür ihr erstgeborenes Kind gibt; sie ist einverstanden. Der Handel verstößt zweifellos gegen die guten Sitten, aber betrügerisch wie der Handel in unseren beiden Märchen, Das Mädchen ohne Hände und Marienkind, ist er nicht. Die Betrügerin ist hier die Müllerstochter/ Königin, sie hält sich nicht an die Regeln des Tauschs, sie entdeckt den Namen des Zwergs, und der geht leer aus. – Lauter miese Sachen. Und am Ende dann noch ein Blutbad wie aus einem Splattermovie, und zwar aus einem ganz schlimmen. Und das für Kinder? – Haben also Brentano und die Kinderpsychologen seit den Sechzigerjahren, die Pädagogen und Soziologen, die Helikoptereltern und die Überkorrekten, die Lehrplanersteller und sanften Theologen recht? Sollen die Märchen ent-brutalisiert oder überhaupt aus den Kinderzimmern verbannt


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werden? Dass kritisch in der Geschichte darauf hingewiesen werden soll, auch das böse Männchen ist betrogen worden? Dass sich das böse Männchen am Ende, anstatt sich selbst in Fetzen zu reißen, mit einem bedauernden Schulterzucken verabschiedet? – Kann man machen. Aber man soll dann nicht mehr von Märchen sprechen. 6 Die Welt des Märchens, übertragen auf die Wirklichkeit, zeigt in der Tat oftmals ein Schlachtfeld, von dem man die Augen abwenden möchte, dessen Anblick wir auf jeden Fall einem Kind ersparen sollten. Aber Märchen und Wirklichkeit sind nicht in eins zu setzen; im Märchen begegnet uns die Wirklichkeit in einem noch larvenhaften Zustand; der Träumer mag die Relevanz anders gewichten und sagen, die Wirklichkeit sei die Maske des Märchens; die Surrealisten haben nach dieser Wertung ihre Ästhetik ausgerichtet: das Primat des Traums. Was wir Wirklichkeit nennen, ist für den einzelnen Menschen wie für die Menschheit ohne moralische Richtlinien nicht zu überstehen, und die Moral teilt nun einmal Handlungen in Gut und Böse ein. Die Entdeckung der Moral diente dem Überleben, dem Überleben des Einzelnen, dem Überleben der Gattung. Im Märchen gelten aber andere Lebens- und Überlebensgesetze. Das Märchen wird vom Zauber gesteuert und nicht von der Vernunft und auch nur bedingt von den Gefühlen. Darum geschehen im Märchen Dinge, die nicht begründet sind, die sich nicht in die zwingende Kette der Kausalität eingliedern lassen. In einem der kürzesten Geschichten der Grimmschen Sammlung, betitelt mit Herr Korbes, tun sich die Dinge mit den Tieren zusammen, um gezielt und strategisch ausgeklügelt einen Menschen erst zu quälen und endlich zu töten, und sie tun es fröhlich singend. Und wir wissen nicht warum. Es ist böse, was sie tun, und dennoch ist, was sie tun, mit moralischen Kategorien weder zu erklären noch zu verurteilen. In der letzten Fassung der Kinder- und Hausmärchen hielt Wilhelm Grimm diese Ungeheuerlichkeit nicht mehr aus, und er fügte dem Märchen einen Satz hinzu: „Der Herr Korbes muss ein böser Mann gewesen sein.“ Damit waren Kausalität und Moral wieder hergestellt.

Die viel zitierte „Moral aus der Geschicht“, wenn sie denn am Ende eines Märchens auftaucht, ist immer angeklebt – nämlich, weil man sich nicht damit abfinden konnte, dass uns Märchen keine Botschaft senden, dass sie vielleicht allein schön sind und keine Bedeutung haben; dass sie sich zwar als Gleichnisse verwenden lassen, aber nur, wenn man ihnen Gewalt antut – als Gleichnisse, mit deren Hilfe vor allem Kindern etwas eingebeult werden soll. In den meisten Fällen haben sich die Brüder Grimm diesen Moralaufkleber verboten, beim Herr Korbes machten sie eine Ausnahme. Die Geschichte vom Marienkind ist ihnen wohl als eine bereits „moralische Geschichte“ zugetragen worden, weshalb ich vermute, wir haben es bei diesem Märchen nicht eigentlich mit einem solchen zu tun, sondern mit dem Endprodukt einer Umwandlung in ein Gleichnis im Interesse einer vermeintlich christlichen Ethik – „wenn du bereust, wird dir vergeben“. Es ist höchst interessant, dem Kern dieses Märchens nachzuforschen und die verschiedenen Varianten zu rekonstruieren. Die Literaturwissenschaftler, Volkskundler und Erzählforscher Johannes Bolte und Georg Polívka haben in ihrem monumentalen, fünf dicke, engst beschriebene Bände umfassenden Kommentarwerk zu den Märchen der Brüder Grimm jeder einzelnen Geschichte nachgeforscht und ihr Rhizom ausgegraben. Gleich zu Beginn ihres Kommentars weisen sie auf eine zeitgleich mit dem Marienkind in Deutschland erzählte Version, in der statt der Muttergottes eine schwarz gekleidete Jungfrau auftritt, die das Mädchen nicht in den Himmel, sondern in ein schwarzes Schloss führt. Hinter der verbotenen dreizehnten Tür sitzen anstatt der heiligen Dreifaltigkeit vier schwarze Jungfrauen, in „Bücherlesen vertieft“, wie es heißt. Als Strafe muss das Mädchen „etwas verlieren“, und es entscheidet sich für die Sprache. Von nun an kann sie nicht mehr sprechen. Sie heiratet einen König, bringt ein Kind zur Welt, die böse Schwiegermutter ertränkt das Kind und bespritzt die Wiege mit Blut; auch hier wird die Königin verdächtigt, ihr eigenes Kind aufgefressen zu haben. Schließlich kommt die Sache auf, und die Schwiegermutter wird zusammen mit giftigen Schlangen in ein Fass gesperrt. In einer flämisch-französischen Variante wird von einer „grünen Jungfrau“ erzählt; bei Giambattista Basile nimmt die Rolle der Madonna eine grüne Eidechse ein, die Handlung ist ähnlich; in einem tschechischen Märchen sitzt hinter der dreizehnten Tür ein nickendes Ge-


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rippe, und das Märchen verliert vor Schreck die Sprache. Es gibt eine Version, in der nimmt die Rolle der Madonna ein Wesen halb Frau halb Fisch ein; in einer anderen wiederum hängt im dreizehnten Zimmer ein Kruzifix, und Christus spricht vom Kreuz herab, das Mädchen dürfe unter gar keinen Umständen verraten, dass es hinter diese Tür geschaut habe. Die Reihe ließe sich noch lange fortsetzen. In den meisten Fassungen, nicht in allen, aber doch in den meisten, berührt das Mädchen mit dem Finger, was sich hinter der dreizehnten Tür befindet, und der Finger wird vergoldet. Und in keiner Variante wird auf den goldenen Finger weiter eingegangen, er wird nicht einmal mehr erwähnt. Wilhelm Grimm hatte von allem Anfang an ihre Sammlung als für Kinder geeignet erachtet und sie deshalb auch Kinder- und Hausmärchen genannt. Er wusste, die Bilder, die in Märchen wie aus einem Nebeltal aufsteigen, haben mit unserer wachen Wirklichkeit nichts gemein, und die grausamsten Dinge, die sich aus diesen Bildern heraus erzählen lassen, verweisen nicht auf diese wache Wirklichkeit, sondern auf Traumbilder, die der Schläfer nicht deutet und an denen er nichts moralisch Verwerfliches findet, eben weil sie noch nicht gedeutet wurden. Die Traumwelt und die Märchenwelt sind Zauberwelten, und in einer Zauberwelt ist es nicht so schlimm, wenn einer seinem eigenen Bruder den Kopf abschneidet wie in dem Märchen Die zwei Brüder, denn schon läuft der Hase los und besorgt ein Kraut, das bewirkt, dass der Kopf wieder anwächst. Die abgehackte Ferse der Schwester von Aschenputtel ist Teil eines missglückten Glückszaubers, von Blut wird zwar erzählt, nicht aber vom Schmerz; und wenn sich die Schwester in Die sieben Raben einen Finger abhackt und ihn als Schlüssel zum Glasberg gebraucht, in dem ihre verzauberten Brüder leben, dann gibt es wieder keinen Schmerz, dann fließt nicht einmal Blut, dann ist mit einem Satz alles gesagt: Das gute Schwesterchen nahm ein Messer, schnitt sich ein kleines Fingerchen ab, steckte es in das Tor und schloss glücklich auf. 7 Woher aber kommen diese stummen Bilder? Wie haben sich diese Chiffren gebildet? Und wie haben sie es ge-

schafft, sich über so lange Zeit in den Geschichten zu halten, wo sie doch zur Handlung und zur Personencharakterisierung nichts oder nur wenig beitragen? Oft sind sie Nebensächlichkeiten. Oder sie tarnen sich als solche. Oder sie sind zu Nebensächlichkeiten erzählt worden. Goldfinger und Silberarme sind Bilder, und sie bereiten uns Unbehagen, weil uns die Deutung nicht zufriedenstellt; wir beziehen das Bild auf die Geschichte und sehen oder spüren doch, dass es in der Handlung und den handelnden Personen keinen Niederschlag findet. Wir übersetzen das Bild in Worte, und wissen dann doch nicht mehr, aus welchem Bild das Wort entstand. Und dennoch ist das Bild da – es ist da als Nukleus, sein Rätsel überstrahlt das Märchen, färbt es ein, gibt ihm seinen spezifischen Klang. Märchen sind die Primzahlen der Literatur, und das Rätsel dieser letzten, einfachsten Form ist ein Bild. Sigmund Freud fand solche Bilder an seiner Via regia, als wären es Wegmarken am Königsweg ins Unbewusste, hinunter zu den Träumen. Tatsächlich wurden Märchen und Träume als Geschwister gesehen – es gibt Analysen des Märchens Brüderchen und Schwesterchen, in denen das Mädchen zur Traummetapher, der Bub zur Märchenmetapher erklärt wird. Freud hat darauf hingewiesen, dass die Traumsymbolik keine Erfindung der Psychoanalyse sei, sondern sich in Märchen und Mythen finden lässt. Aber auch er hat die stummen Schönheiten zu gering geschätzt, er hat sie über die Deutung rationalisiert und ihnen dadurch Bedeutung gegeben. C. G. Jung war behutsamer, er war sich bewusst, dass etwas, das nichts bedeutet, doch Bedeutung haben kann; er hat … – Aber das würde für heute zu weit führen.


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Quart Nr. 17–31 Titelbilder

Nr. 17

Nr. 18

Nr. 19

Nr. 20

Edgar Martins

Florian Pumhösl

Peter Sandbichler

Jan Peter Tripp

Nr. 21

Nr. 22

Nr. 23

Nr. 24

Martin Walde

Heimo Zobernig

Walter Niedermayr

Peter Kogler

Nr. 25

Nr. 26

Nr. 27

Nr. 28

Axel Hütte

Gregor Schneider

Mark Dion

Esther Stocker

Nr. 29

Nr. 30

Nr. 31

Andreas Fogarasi

Bruno Walpoth

Herbert Hinteregger


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Quart Nr. 17–31 Originalbeilagen

Nr. 17

Nr. 18

Nr. 19

Nr. 20

Ernst Trawöger:

Florian Hafele:

Anja Krautgasser:

Brigitte Kowanz:

Unikat aus neun Punkten

„Determination“,

Eigenverantwortung auf

„Cut a long story short“,

Miniskulptur aus dem

Finnpappe

Morsecodes in Blau

3D-Drucker

Nr. 21

Nr. 22

Nr. 23

Nr. 24

Markus Bstieler:

Constantin Luser:

Michael Kienzer:

Philipp Messner:

mit dem Daumenkino

„Impulsstück für eine

„Folder“ , Aufforderung

„2000 Rubbellose und ein

im Zug von Berlin nach

Wandzeichnung“,

zum Papierfalten

Hauptgewinn“, Beilage

Palermo

Messingdraht als Beginn

mit der sprichwörtlichen

einer Raumzeichnung

Karotte vor des Esels Nase

Nr. 25

Nr. 26

Nr. 27

Hubert Kostner:

Nicole Weniger:

Christopher Grüner:

Holzrußpulver zur

Schatzkarte für die Suche

„quadrillen auf spalier“,

Spurensicherung

nach dem Genius Loci

Bildräume durch Löcher verbunden

Nr. 28

Nr. 29

Nr. 30

Nr. 31

Roland Maurmair:

Thomas Feuerstein:

Hans Kupelwieser:

moki:

„After the flood“,

„Brunze aus Bronze“,

„Pignon de bicyclette“,

Plastikmüll von

Tauben-Fußabdrücke auf

erstarrtes Volumen einer

Fahrrad-Zahnkranz als

europäischen Stränden

Büttenkarton

menschlichen Blase

Schablone






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Zucker und Blut

Ohne Zweifel: Die Werte der Aufklärung erleben eine Renaissance. Aber sind wir aufgeklärt? Zwischenruf von Philipp Blom

Es ist vorbei. Mehr als ein Jahrzehnt verkündigten Politiker und Intellektuelle die Neue Welt, eine Welt der Freiheit und der Demokratie, der liberalen Ideale und der freien Märkte. 1989 war der letzte diktatorische Block zusammengebrochen, der Kommunismus hatte seinen historischen Bankrott erlitten und die Entwicklung der Welt schien überall auf dem Globus unaufhaltsam auf liberale Gesellschaften westlichen Zuschnitts zuzueilen. Dass es nicht so kommen wird, ist spätestens seit 2008 klar. Das siegreiche System des Westens taumelte plötzlich von innen heraus, seine eigene Dynamik brachte es an den Rand des Zusammenbruchs. Mitten in einer Periode von beispiellosem Frieden und Wohlstand in der westlichen Welt wurde plötzlich deutlich, dass der fessellose Markt die Saat seiner eigenen Zerstörung in sich trägt. Ein neuer Riss zieht sich seitdem um den Globus, zwischen Gesellschaften und mitten durch sie durch. Wenn früher rechts und links, Kapitalismus und Kommunismus gegeneinander kämpften, so bildet sich jetzt immer deutlicher ein Bruch zwischen liberalen und autoritären Ideen heraus. Auf der einen Seite stehen westliche Gesellschaften, auf der anderen eine amorphe und fließende Koalition, die von Pegida bis Putin reicht, von Marine Le Pens Front National zum Vlaams Belang, von den Evangelikalen in den USA bis zu von ihnen missionierten Schwulenhassern in Kenia, von Boko Haram bis ISIS. Was diese neuen Feinde der westlichen Welt gemeinsam haben, ist ihr Hass auf die Aufklärung und ihre Werte. Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit, Säkularismus und Wissenschaftlichkeit sind ihre erklärten Feinde. Boko Haram, das hauptsächlich in Nigeria die Bevölkerung tyrannisiert, hat seinen Bildungshass

zum eigenen Namen erhoben: Bücher sind unrein. ISIS zerstört Kulturdenkmäler und inspiriert terroristische Einzeltäter, die auf Karikaturisten, Filmemacher und Autoren schießen oder sie auf offener Straße zerhacken. Rechte Ausländerhasser bedrohen ostdeutsche Politiker mit dem Tod, weil sie Flüchtlingen Asyl gewähren wollen. Besonders Mädchen werden bedroht und angegriffen, wenn sie in die Schule gehen wollen, sei es in Pakistan, Afghanistan oder Nigeria. Je suis Charlie? Bei so viel Hass auf die Aufklärung und so viel Angst vor ihrer Wirkung ist es nur verständlich, dass sich westliche Gesellschaften stärker auf ihr Erbe besinnen. Jahrzehntelang galten die Philosophen der Aufklärung bestenfalls als naiv und schlimmstenfalls als geistige Väter von Massenmord und Unterdrückung, jetzt perlen ihre Gedanken und ihre Namen wieder von den Lippen der Politiker in ganz Europa, als beste Waffe gegen die Barbarei. Wir sind die Aufklärung, je suis Charlie. In einer konsumgetriebenen und ideenarmen Gesellschaft hat das Attentat auf Charlie Hebdo die Aufklärung wieder sexy gemacht. Freie Meinungsäußerung, Toleranz und Menschenrechte sind keine Selbstverständlichkeit, sondern die Resultate eines über viele Generationen andauernden Kampfes, der in der Aufklärung gipfelte. Ihr Leitgestirn ist Voltaire, der Autor von Candide und dem Traité sur la tolérance, das in den letzten Wochen in Frankreich zum Bestseller wurde. Gleich neben Voltaire steht Kant im Regal, der Vordenker der Gerechtigkeit. Der Königsberger ist weniger sexy (ein Philosoph, nach dessen Spaziergang man seine Uhr stellen konnte, ein Mann, der abends lachte,


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nur weil es gut für seine Verdauung war), aber genau darin liegt seine Stärke. Einerseits sind seine langen Texte so unerbittlich wie undurchdringlich, sodass man als Leser versucht ist, seine Schlussfolgerungen einfach zu übernehmen und von da ab als Wahrheiten zu behaupten. Andererseits kann er, selten, wunderbar anschaulich formulieren, wie in seiner Antwort auf die Frage „Was ist Aufklärung?“, die vielleicht kürzeste und beste, die je gegeben wurde: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“ Ohne Zweifel: Die Werte der Aufklärung erleben eine Renaissance. Gegen die religiösen und antidemokratischen Dunkelmänner, deren Botschaft immer neue, begeisterte Konvertiten findet, erscheint das Licht der aufgeklärten Vernunft (Enlightenment auf Englisch, Lumières auf Französisch) als natürliche Antipode. Aufklärung steht für die Freiheit, Entscheidungen über das eigene Leben (und Denken) zu treffen, für die Gleichheit aller vor dem Gesetz und vor dem Anspruch, des eigenen Glückes Schmied zu sein, Brüderlichkeit, die inzwischen auch und sehr dezidiert Schwestern mit einschließt, ist immer noch ein Aufruf zur Solidarität mit Frauen, mit Minderheiten, mit Schwulen, mit Flüchtlingen. Wie sagt man in Frankreich? On connait la chanson. Leider haben sowohl Geschichte als auch Politik die Angewohnheit, sich nur sehr bedingt nach unseren Idealbildern zu richten. Die Aufklärung hat tatsächlich die Welt revolutioniert und bei Weitem nicht nur die westliche. Sie bestimmt auch heute noch unser Denken. Aber wissen wir auch wie? Die dunkle Seite der Aufklärung Denken und Leben der Aufklärungsphilosophen bieten nicht nur Lösungen für heutige politische Probleme an, sie sind immer auch Teil des Problems. Nehmen wir Voltaire. Seine Verteidigung der Freiheit hielt sich in gewissen Grenzen, die vor allem durch eines markiert wurden: durch Geld. Denn dieser moderne Sokrates

war reich, so reich, dass er auf Schlössern lebte, sein Vermögen im großen Stil an Aristokraten verlieh und im Überseehandel investierte. Der alte Herr in Ferney machte sich von vorneherein keine Illusionen. Er schrieb darüber, dass an jedem Sack Zucker, der aus den Kolonien kam, Blut klebte, aber er investierte in Plantagen und wusste, wie sein Geld sich vermehrte. Er war sich bewusst, dass die Compagnie des Indes, in der er erhebliche Investitionen hatte, ihre enormen Profite auf dem Rücken von afrikanischen Sklaven erwirtschaftete, und er hatte Argumente parat, diese Praxis zu rechtfertigen: „Wir kaufen ausschließlich Neger als Haussklaven. Man wirft uns diesen Handel vor. Ein Volk, das seine eigenen Kinder verkauft, ist noch verdammenswerter als der Käufer. Dieser Handel zeigt auch unsere Überlegenheit; derjenige, der einen Meister akzeptiert, wurde geboren, ihn zu haben.“ Selbst schuld, befand der Philosophenkönig bei Durchsicht seiner Dividenden. Sklaverei war ein Unglück, gewiss. Er selbst hatte in seinen Romanen Zadig und Candide bewegend darüber geschrieben. Wirklich tragisch aber war es eigentlich, wenn es Weiße betraf, denn: „Ich sehe Menschen, die mir den Negern weit überlegen scheinen, wie diese Neger es den Affen gegenüber sind, und die Affen gegenüber den Austern …“ Voltaire, der Rassist? Es war im achtzehnten Jahrhundert durchaus nicht ungewöhnlich, an eine Hierarchie der Menschenrassen zu glauben und daraus moralische Berechtigungen abzuleiten. Enttäuschend ist nur, dass sich der Schutzpatron der Menschlichkeit nicht darüber hinwegsetzte. Nicht anders als Kant und Hegel nach ihm schrieb er mit dem größten Selbstvertrauen über Kontinente, die er noch nie, elegant beschuht, betreten hatte und deren Sprachen und Kulturen er nicht kannte. Europäische Kolonialisten hatten diese Argumente in ihrem geistigen Gepäck, als sie sich mit den „primiti-


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ven“ Indigenen auseinandersetzten und sie kurzerhand der westlichen mission civilisatrice unterwarfen, von der man in Frankreich so gerne sprach. Alle Menschen seien Brüder, schrieb Voltaire, Kinder desselben Gottes. Nur waren eben nicht alle Kinder ebenbürtig. Die Natur mochte sie gleich gemacht haben, die Gesellschaft aber machte sie ungleich: „Auf unserem armseligen Globus ist es unmöglich, dass Menschen, die in Gesellschaften leben, nicht in zwei Klassen geteilt sind: eine der Reichen, die kommandiert, und die andere der Armen, die dient.“ Säubern, Homogenisieren, Beherrschen Die Aufklärung ist unentwirrbar verstrickt in die Geschichte der kolonialen Unterdrückung und damit in die Geschichte der Länder, die jetzt unter dem Gewicht einer als religiöse Bewegung getarnten antimodernen Rebellion zusammenbrechen. Aufgeklärte Verwalter implementierten, was sie in Europa gelernt hatten: den Aufbau von Nationalstaaten mit einem Volk, einer Sprache, einer Geschichte. Schon in Europa waren im Zuge dieser Entwicklung Randgruppen ausgegrenzt, Dialekte verboten und verfolgt, Erinnerungskulturen ausgelöscht worden. Jetzt zogen aufgeklärte Männer Grenzen mit dem Lineal durch Stammesgebiete und jahrhundertealte Traditionen. Sie erfanden stabile Stämme, wo früher nur fluide Traditionen gewesen waren, sie designierten Herrscher, offizielle Sprachen, Gesetze und Machtstrukturen. Heute bringen die Menschen besonders in Afrika und im Nahen Osten die blutige Ernte dieser aufgeklärten Neuordnung ein. Aber auch innerhalb von Europa ist das Erbe des aufgeklärten Denkens ambivalent. Bevölkerungen wurden „gesäubert“ und homogenisiert (von der Sprachpolitik der französischen Revolution, die Dialekte bekämpfte, um aus Bauern, von denen weniger als die Hälfte Französisch sprachen, „Franzosen zu machen“, führt eine direkte Linie zum Holocaust und zur bis heute reichenden Ausgrenzung von Roma etc.). Voltaires robuste Rechtfertigung der Unterdrückung ließ sich ebenso auf Frauen, Kinderarbeiter, die Arbeiterklasse

und auf Außenseiter wie Homosexuelle anwenden und Kant steuerte die Einsicht bei, dass es niemals gerechtfertigt werden kann, gegen eine bestehende Herrschaft zu rebellieren. Tugend war Gehorsam. Die Realität der Aufklärung war die Herrschaft einer gebildeten und wirtschaftlich abgesicherten Elite, deren ökonomische Interessen mit Kolonialismus und kapitalistischer Ausbeutung zusammenfielen und die sich auf Kant und Voltaire berufen konnten. Nicht erst Marx erfand die Idee von Religion als Opium fürs Volk. „Das Christentum ist sicherlich die lächerlichste, absurdeste und blutigste Religion, die jemals die Welt infiziert hat“, schrieb Voltaire an Friedrich den Großen und fügte hinzu: „Ich sage das nicht zum Gesindel, das es nicht wert ist, aufgeklärt zu werden und dem jedes Joch passt, ich sage es unter Ehrenmännern, unter Männern, die nachdenken.“ Das gemeine Volk, so Voltaire, sei einfach moralisch zu schwach und zu dumm, um ohne Religion zu leben: „Der Mensch braucht immer eine Bindung und auch wenn es lächerlich ist, Faunen, Waldgöttern und Najaden zu opfern, ist es doch vernünftiger, diese fantastischen Bilder anzubeten, als in den Atheismus abzusinken.“ Ecrasez l’infâme? Später vielleicht. Als junger Mann hatte Voltaire drei Jahre in England verbracht. Dieser Aufenthalt war schlüsselhaft für ihn. Auch wenn die englische Küche ihn kalt ließ, war er tief beeindruckt von der herrschenden relativen Meinungsfreiheit, von der konstitutionellen Monarchie, von der Börse, die er als den eigentlichen Tempel des Landes beschrieb, von der oft durch Pessimismus gekennzeichneten Pragmatik der Engländer. Nur Wirtschaftswachstum konnte eine Gesellschaft offener, toleranter, liberaler und friedlicher machen, war er überzeugt. So konnte materielle Gier zum Motor des Wohlstands werden, der Markt funktionierte auch als soziales Korrektiv und belohnte die Tüchtigen. Kaufleute, nicht die Adeligen, waren die eigentlichen Helden der Gesellschaft.


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Der erste Neoliberale Es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie solche Ansichten im absolutistischen und standesverliebten Frankreich gelesen wurden. Für heutige Leser allerdings ergibt sich eine bemerkenswerte Parallele zur neoliberalen Wirtschaftstheorie, die zwar an den Universitäten inzwischen aus der Mode gekommen, auf politischer und kultureller Ebene aber noch immer sehr stark spürbar ist. Wie sich die Bilder gleichen. Voltaire, der erste Neoliberale? Die Ähnlichkeit ist kein Zufall, denn die Ideologie des freien Marktes ist ein Echo der rationalistischen, deistischen Aufklärung nach dem Zuschnitt Voltaires. Beide teilen Grundannahmen wie die Rationalität des Individuums, die individuelle Freiheit, die Toleranz des Marktplatzes, die selbstregulierende Kraft des rationalen Handelns und die meritokratische Elite, die politische und wirtschaftliche Geschicke ganzer Kontinente lenkt. Allerdings wird durch den Markt jeder dieser Werte ökonomisch interpretiert. Die Rationalität wird zur Rationalisierung, die Freiheit zur Deregulierung, die Elite zum Boardroom und Tugend zu wirtschaftlichem Erfolg – eine Parodie der Aufklärung. Voltaire hat diese Entwicklung nicht vorausgesehen und er würde die Banker von heute wohl heimlich verachten, was ihn allerdings nicht daran hindern würde, Geschäfte mit ihnen zu machen. Vielleicht würde er heute diskret im Waffengeschäft investieren, solange die Produkte in obskure Bürgerkriege weit von Europa verschwänden. Als großer Stilist bleibt Voltaire immens zitierbar und sein Genie dafür, Dummheiten aufzuspießen, hat nichts von seiner Aktualität verloren. Seine Philosophie taugt aber nicht dazu, gegen die gesellschaftlichen Verwerfungen der Gegenwart anzudenken. Eine Toleranz, die nur die Gleichgültigkeit des Marktplatzes ist, eine Aufklärung, die einer Elite vorbehalten bleibt, ein Freiheitsbegriff, der die Schwachen für ihr Los verantwortlich macht, und eine Vernunft, die durch Aberglaube

regiert, können weder im ideellen Kampf gegen religiöse Fundamentalismen noch für das Hinterfragen einer durchökonomisierten Gesellschaftsvision nützen. Neue Aufklärung Was ist geworden aus der Aufklärung als „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“? Nicht viel, in einer Gesellschaft, in der Entertainment immer attraktiver ist als Verständnis und in der Konsum das erste Mittel ist, sich eine Identität zu basteln, einer Gesellschaft, die ihren Wohlstand noch immer auf Ausbeutung gründet, auch wenn die meisten Ausgebeuteten heute fast unsichtbar geworden sind und auf anderen Kontinenten leben, in einem Markt, der statt Freiheit Unsicherheit geschaffen hat, die nicht nur ihn selbst als System, sondern besonders auch die Marktakteure bedroht, die früher Bürger hießen und jetzt Konsumenten genannt werden, Konsumenten, die nur ein Existenzrecht haben, solange sie noch Kredit bekommen. Wir haben die Unmündigkeit nicht nur als Imperialisten in fernen Ländern durchgesetzt, wir haben sie auch in unsere eigenen Gesellschaften integriert. Wer kann sich noch leisten, wirklich grundlegende Entscheidungen über das eigene Leben zu treffen, ohne den Anschluss an die Transzendenz der Konsumwelt zu verlieren, die einzige Transzendenz, die wir noch haben? Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Wir müssen tiefer graben, wenn wir die Aufklärung retten wollen. Wir brauchen nicht weniger als eine neue Aufklärung, um diese großen Ideale, den schönsten Traum, den die Menschheit je geträumt hat, vor sich selbst zu retten.




Dies ist keine Pfeife 46 / 47


„Wir haben die Dinge im Griff.“ Fahrradfahren ist eigentlich Physik und Beamen funktioniert anders als im Science-Fiction-Film. Wer sich solche Dinge erklären lassen will, fragt am besten den österreichischen Quantenphysiker Anton Zeilinger. Im Gespräch mit Michael Kerbler beklagt Zeilinger, der bahnbrechende Beiträge zu den Grundlagen der Quantenphysik lieferte, den Verlust von Religion in unserem Kulturkreis, geißelt den abendländischen Kulturpessimismus und hofft auf Kontakt zu außerirdischem Leben – als beste Medizin gegen Arroganz.

Michael Kerbler: Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar, hat der Maler Paul Klee gesagt. Wenn ich diesen Satz abwandle, und sage: Die Quantenphysik gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar – ist diese Aussage gültig? Anton Zeilinger: Ja. Es kommt natürlich darauf an, was ich mit sichtbar meine. Paul Klee hat es sicher so verstanden, dass ein neuer Blick eröffnet wird – und dann stimmt diese Analogie. M. K.: Welche Parallelen bestehen Ihrer Meinung nach zwischen der Bildenden Kunst und der Quantenphysik? René Magritte zum Beispiel hat in einer Reihe von Bildern auf die Unterschiede zwischen Abbildung und Realität hingewiesen. Ich denke an das berühmte Bild mit der Pfeife, wo darunter steht: Dies ist keine Pfeife. Selbst die realistischste Abbildung eines Objekts ist nicht mit dem Objekt ident. Gilt dieser Denkansatz auch für die Quantenphysik – die Realität ist nicht die Wirklichkeit? A. Z.: Da sind wir in der Physik, glaube ich, weiter. Die meisten Analysen der Art, wie Sie es gerade formuliert haben, fokussieren darauf, dass es eine Realität gibt. Und das Problem ist, diese Art von Realität abzubilden, in einen Kontext zu bringen. In der Quantenphysik ist die Situation abstrakter. Da spricht man im Letzten nur noch von Wahrscheinlichkeitsfeldern, von Wahrscheinlichkeiten dafür, dass etwas Realität, nämlich Beobachtetes – und das ist jetzt sehr wichtig – sein kann. Das heißt aber nicht, dass es vor der Beobachtung existiert. Die Beobachtung ist konstitutiv für das, was wirklich sein kann. Es ist also nicht nur ein Herausziehen von Information aus dem, was schon existiert. M. K.: Die Realität ist nicht die Wirklichkeit – da möchte ich doch nachfragen: Was ist dann die Wirklichkeit?

A. Z.: Für mich in meiner Arbeit sind zwei Dinge Wirklichkeit: erstens der Apparat, den ich aufbaue. Das sind massive Stücke aus Stahl, Glas, Laser usw. – das ist die Wirklichkeit und steht außer Diskussion. Das Zweite, was wirklich ist, sind die Messergebnisse. Wenn ich dann jedoch von einem Quantensystem spreche, dann steckt da sehr viel theoretische Konstruktion dahinter. Und da wäre ich vorsichtiger mit dem Wirklichkeitsbegriff. M. K.: Da wir über die Parallelen zwischen Kunst und Naturwissenschaft sprechen – traut sich der Naturwissenschaftler zuzugeben, dass Kategorien wie Kreativität oder Intuition für seine Arbeit wichtig sind? A. Z.: Ja, selbstverständlich. Ich verstehe nicht, warum Sie die Formulierung traut sich verwenden. Es ist jedem Wissenschaftler klar, dass Kreativität und Intuition absolut wichtig sind. Das Interessante an der Wissenschaft spielt sich dort ab, wo man eben nicht alle Dinge eindeutig logisch herleiten kann, sondern nur mit der Intuition weiterkommt. M. K.: In der Naturwissenschaft – insbesondere in der Mathematik – ist etwas, was nicht messbar ist, nicht gültig und wird daher nicht akzeptiert. Trotzdem sind die Intuition, oder das sogenannte Bauchgefühl also für einen Forscher auch in diesen Disziplinen extrem wichtig? A. Z.: Ich finde den Ausdruck Bauchgefühl einfach dumm. Das hat mit dem Bauch überhaupt nichts zu tun. Das ist Intuition und Intuition ist in meinen Augen ein Background Processing, das im Gehirn abläuft, zum Teil nach logischen Grundsätzen, aber zum Teil rein assoziativ. Also nicht, aus A folgt B, aus B folgt C usw., sondern C und Q könnten vielleicht was miteinander zu tun haben.


Der quantenmechanische Zustand 48 / 49


M. K.: Die Gemeinsamkeit von Quantenphysik und Kunst ist – jetzt zitiere ich Sie –, „dass man versucht, die Welt zu verstehen. Das neue philosophische Weltbild muss noch ausgearbeitet werden und ich sage immer, uns fehlt ein Immanuel Kant der Quantenphysik“. Es gab Philosophen, die zu Ihnen ans Institut gekommen sind und den Physikern in den Labors über die Schulter geschaut haben. Welches Ergebnis hatte die Begegnung zwischen Quantenphysikern und Philosophen eigentlich? A. Z.: Wir haben ein paar Kollegen überzeugen können – indem sie die Experimente selber gesehen haben –, dass man nicht zu einem gewissen Realismus zurückkehren kann. Sie müssen wissen, es gibt eher realistische Interpretationen der Quantenmechanik, sie versuchen – ich sag’ immer: verzweifelt – den Begriff einer Wirklichkeit zu retten, die unabhängig von unserer Beobachtung existiert. Und wir haben doch ein paar Kollegen überzeugen können, dass das eigentlich kein fruchtbarer Weg ist, sondern vielmehr auf der Kopenhagener Interpretation aufgebaut werden sollte. M. K.: Die Kopenhagener Interpretation von Niels Bohr und Werner Heisenberg in zwei Sätzen zusammengefasst lautet? A. Z.: Die Kopenhagener Interpretation à la Bohr und Heisenberg besagt, dass der quantenmechanische Zustand unser Wissen über die Situation repräsentiert und nicht die Wirklichkeit. Eigentlich repräsentiert es das Wissen über die Situation und die Wahrscheinlichkeit für künftige Messresultate – und nicht mehr. Es macht keine Aussage über das, was wirklich an sich existiert. M. K.: Ich möchte noch bei der Beziehung zwischen Philosophie und Naturwissenschaften bleiben. Arthur Schopenhauer hat einmal gesagt: „Empirische Wissenschaften, rein ihrer selbst wegen und ohne philosophische Tendenz betrieben, gleichen einem Antlitz ohne Augen.“ Haben Sie eine Erklärung dafür, warum sich die Naturwissenschaft und die Philosophie auseinanderentwickelt haben? War der Druck der Ökonomisierung auf die Naturwissenschaften, auf die Forschung so stark, wirtschaftlich verwertbare Ergebnisse zu liefern? A. Z.: Das ist sicher so. Es hat bestimmt damit zu tun, dass sich der Schwerpunkt der Wissenschaft vom konti-

nentaleuropäischen Raum in den angloamerikanischen Raum verschoben hat. Der Niedergang der Kontinentalphilosophie ist ja auch eine Tragödie. Das ist schade. Ich bedaure den Sieg der sogenannten analytischen Philosophie, weil das letztlich eine unfruchtbare Richtung der Philosophie ist. Ein Grund dafür ist dieser amerikanische hemdsärmelig-produktive Zugang, let’s do something, Ärmel hochkrempeln und los. Was mir am meisten gefehlt hat, als ich nach Amerika ans MIT (Massachusetts Institute of Technology) kam, war dieses gewisse fundamentale Interesse an grundsätzlichen Fragen, die schon fast philosophischer Natur sind. Und da ist Wien ein spezieller Platz – nach wie vor. M. K.: Also das, wofür Wien vor 100 Jahren in Wissenschaft und Forschung stand. A. Z.: Richtig, ja. Das gibt’s sonst nirgendwo in dem Maß. Und wir sollten das stärker pflegen, denn wirkliche Durchbrüche kommen sehr oft von einer sorgfältigen Analyse der Grundbegriffe, die man verwendet. Ein berühmtes Beispiel dafür ist die Relativitätstheorie. Für die Relativitätstheorie, hat Einstein einmal gesagt, war die Kritik der Konzepte von Raum und Zeit durch Ernst Mach ganz wichtig. Heute wird es oft so dargestellt, als ob die Experimente wichtig waren. Aber die Experimente, die man gemacht hat, waren für Einstein gar nicht so relevant, denn die Natur hatte keine Chance, sich anders zu verhalten. M. K.: Sie haben vor einiger Zeit in einem Gespräch mit mir gemeint, die wichtigste Erkenntnis des 20. Jahrhunderts für Sie sei, dass es quantenmechanische Einzelprozesse gibt … A. Z.: … dass es diese quantenmechanischen Einzelprozesse gibt und dass sie zufällig sind. M. K.: Zufällig? A. Z.: Dass der quantenmechanische Einzelprozess zufällig und nicht einer kausalen Erklärung zugänglich ist. M. K.: Das gilt immer noch? A. Z.: Das gilt immer noch und das wird wahrscheinlich auch – wie Wolfgang Pauli gesagt hat – noch lange so bleiben.


Materie und Geist 50 / 51


M. K.: Aber warum ist das so wichtig? Weil nicht alles vorherbestimmt ist? A. Z.: Erstens ist es ein Ende des naturwissenschaftlichen Programms in einem ganz spezifischen Punkt: nämlich für alles die Ursache zu finden. Wir wissen, es gibt Dinge – nämlich das quantenmechanische Einzelereignis –, für die es eben keine Ursache gibt, und ich würde sagen, das widerspricht nicht nur diesem Programm, sondern auch dem sogenannten gesunden Menschenverstand. Jeder Mensch versucht, für alles, was passiert, eine Ursache zu finden, dabei sollte er einfach akzeptieren, dass Dinge eben passieren. M. K.: Ist die positive Seite dieser Medaille, dass der freie Wille existiert? A. Z.: Es hat nur dann etwas mit freiem Willen zu tun, wenn ich annehme, dass unser heutiges materialistisches Weltbild falsch ist. Denn wenn ich sage, dass der freie Wille Einfluss nimmt auf das Einzelereignis, dann muss ich annehmen, dass der freie Wille in einer Welt lebt, die nicht die materialistische Welt ist. Dann muss ich annehmen, dass es so etwas gibt wie einen Dualismus, eine Welt des Geistes und eine Welt der Materie. M. K.: Nach der Aufklärung, jener Zeit, in der Materie und Geist voneinander geschieden wurden, waren die Wissenschaften für die Materie zuständig und die Kirchen für den Geist. Würde es sich lohnen, diese beiden – Materie und Geist – wieder zusammenzuführen? A. Z.: Nein, derzeit gibt es nichts zum Zusammenführen, weil das vorherrschende Weltbild ein materialistisches ist, zumindest für die meisten. M. K.: Sie haben als Nicht-Tiroler Tiroler im Jahr 2013 eine der höchsten Auszeichnungen des Landes Tirol bekommen, den Großen Tiroler Adler-Orden. Damals haben Sie sich besorgt über die Entspiritualisierung der Gesellschaft geäußert. Ich zitiere: „Tragisch ist die Entspiritualisierung beziehungsweise der Verlust von Religion in unserem Kulturkreis. Da geht etwas Wichtiges verloren, und das ist auch gefährlich. Natürlich haben dazu auch die Kirchen das Ihre beigetragen, aber es geht tiefer, und das ist ein Problem. Letztlich geht es darum, ob es neben der materiellen Existenz noch etwas anderes gibt in der Welt.“ – Gibt es Ihrer Ansicht nach etwas anderes in der Welt?

A. Z.: Ich persönlich bin dieser Meinung. Aber das ist die persönliche Meinung des Anton Zeilinger als Mensch und nicht des Physikers Anton Zeilinger. M. K.: Ludwig Feuerbach hat gesagt, ein Eskimo stellt sich den lieben Gott als Eskimo vor und ein Indianer stellt sich Gott als Rothaut vor und natürlich ein Europäer ein weißgesichtiges Wesen. Der Physiker Zeilinger stellt sich Gott als – A. Z.: Entschuldigung, das ist mir eine zu flache Argumentation. Ich glaube nämlich nicht einmal, dass das so stimmt, dass sich der Eskimo Gott als Eskimo vorstellt. Das ist eine Projektion einer gewissen europäischen Sichtweise nach außen. M. K.: Vom Physiker David Bohm stammt der Satz: „Jeder Erscheinung in der expliziten Ordnung – das heißt in der sinnlich wahrnehmbaren Welt – liegt eine unmanifestierte Essenz im Urgrund der impliziten Ordnung zugrunde.“ Das ist doch eigentlich eine Überzeugung, die man im Taoismus oder im Hinduismus, auch im Buddhismus finden kann? A. Z.: Erstens einmal weiß ich nicht, ob der Bohm hier recht gehabt hat. Und zweitens: es gibt immer wieder Behauptungen, dass das, was man in der Quantenphysik gefunden hat, auch in der Version A, B oder C eines östlichen Mystizismus vorkommt. Das ist in meinen Augen alles an den Haaren herbeigezogen. M. K.: Aber ebenso unwahrscheinlich ist es doch – so es ihn gibt –, dass man Gott beweisen kann. A. Z.: Gott kann man nie beweisen. Gott beweisen wollen und an Gott glauben sind inhärente Widersprüche. In dem Moment, wo jemand Gott beweisen möchte, ist er am falschen Dampfer. Das hat keinen Sinn. M. K.: Walter Thirring, der österreichische Physiker, hat aber von so etwas wie einer geistigen Architektur des Universums gesprochen und gemeint, man könne eine Brücke zwischen der Physik und dem Glauben schlagen. A. Z.: Das kann man schon. Das heißt aber noch nicht, dass man damit irgendwas beweisen kann. Für sich selber kann man sehr wohl eine Brücke schlagen – das ist klar.


Abendländische Untergangsstimmung 52 / 53


M. K.: Die wesentliche Erkenntnis der Quantenphysik für mich ist die Aussage, dass alles mit allem zusammenhängt.

noch – sofern wir uns nicht selber auslöschen – eine große Wegstrecke vor uns, Erkenntnisse über unser Woher und Wohin zu sammeln.

A. Z.: Nein, so ist das nicht. Alles kann mit allem zusammenhängen – kann! Ob es wirklich der Fall ist, das wissen wir nicht. Das ist schon wieder eine fast esoterische Interpretation, die ich als einer, der im Labor arbeitet und forscht, nicht nachvollziehen kann, weil es nicht beweisbar ist. Könnte sein, könnte auch nicht sein. That’s outside science!

A. Z.: Ich muss einmal zuerst sagen, wenn Leute von Auslöschen der Menschheit reden, diesen Kulturpessimismus teile ich überhaupt nicht. Ich verstehe diese abendländische Untergangsstimmung nicht. Es gibt keinen Grund dafür – uns geht es so gut, wie noch nie. Wir haben die Dinge im Griff. Selbst die Umweltprobleme haben wir heute in einer Weise im Griff, wie es vor 20 Jahren noch undenkbar war.

M. K.: Ihre Forschungserfolge in der Teleportation haben Ihnen zum Spitznamen Mister Beam verholfen und für Aufmerksamkeit gesorgt. Beamen ist Ihrer Meinung nach nur für nicht große Teile möglich. Auch der Begriff ist nicht wirklich richtig, weil es wird ja Information und nicht Materie teleportiert. A. Z.: Das ist aber beim Beamen in dem Science-Fiction-Film auch nicht klar. Es ist nicht gesagt, dass da Materie übertragen wird. Es wird die ganze Information aus einer Person herausgezogen, übertragen und derjenige wird neu konstituiert. Ob das aus den ursprünglichen Atomen besteht oder nicht, dazu wird keine Aussage getroffen. Ich rekonstituiere ein Objekt, das alle Eigenschaften des Originals hat, aber das bedingt nicht, dass es die gleichen Atome hat. M. K.: Das würde ja heißen, dass Anton Zeilinger sagt, es gibt doch eine Wahrscheinlichkeit, dass eines Tages auch Menschen gebeamt werden … A. Z.: Das ist eine Diskussion, die ich nicht mag. Das hat nichts mit Physik zu tun. Die Teleportation ist an sich eine extrem elegante Methode, Information zu übertragen, weil in dem Moment, wo ich die Information übertrage, keine Verbindung zwischen Empfänger und Sender bestehen muss. Das ist an sich wirklich super. Und die Quantenteleportation wird von vielen Leuten als die ideale Methode zur Übertragung von Information zwischen künftigen Quantencomputern gesehen, aber dass es eine Reisemöglichkeit werden wird, das glaube ich nicht. M. K.: Wenn wir uns anschauen, seit wann das Universum existiert und seit wann es Wissenschaft und Forschung im heutigen Sinn gibt, dann entspricht das im Vergleich einem Fingerschnippen.Wir haben also

M. K.: Wir könnten aber wohl längere Zeit über die Klimaerwärmung, das Bevölkerungswachstum oder die Ressourcenausbeutung und vieles andere debattieren. A. Z.: Ja, aber auch das werden wir alles in den Griff kriegen. Das sind zwar Riesenherausforderungen, aber die werden nicht zu einer Auslöschung der Menschheit führen. M. K.: Was interessiert Anton Zeilinger bei seiner Arbeit mehr: woher wir gekommen sind oder wohin wir uns entwickeln können? A. Z.: Muss ich das reihen? Ich bin überzeugt, es gibt Zivilisationen im Universum, die Jahrmillionen älter sind als wir. Ich bin gespannt, was passiert, wenn wir aufeinandertreffen, mit denen kommunizieren können. Das wird eine revolutionäre Änderung unserer Weltsicht bedeuten, die alles in den Schatten stellt, was wir bisher gesehen haben. Wenn es eine zweite Spezies Mensch gäbe, die neben uns lebt, dann wären wir viel weniger arrogant. Schauen Sie sich die Entdeckung der Planeten näher an. Die ersten waren riesige Gasplaneten in der Nähe von Sternen. Und dann hat es geheißen, vielleicht gibt es keine erdähnlichen Planeten. Aber immer dann, wenn die astronomischen Methoden so weit waren, dass man die nächste Stufe entdecken konnte, hat man sie entdeckt. Daraus schließe ich, irgendwann wird man Planeten entdecken, auf denen Leben möglich ist. Irgendwann wird man das Leben auf Planeten entdecken und irgendwann wird man Signaturen von intelligentem Leben auf Planeten entdecken. Und irgendwann wird der Tag kommen, da werden wir auch mit diesen Zivilisationen kommunizieren. Das wird gewaltig!





Fließtext*

Von Esther Kinsky

Nachts über den höfen die flachen rufe der vögel im zug – schwärme zwischen wild- und zahmflug, randsiedler mit flüchtigen botschaften an amseln finken krähen – dieser laut, der immer erinnert, immer ein weißnichtwas, immer ein zerren an diesem und jenem im vielleicht-herz über die jahre, ein grübeln nach diesem ersten hören dem wieder- und wider-erinnerten, das sich nicht mehr auffinden lässt, begraben unter, verwachsen mit den jahresdecken beginnender frühlinge halbfrühlinge und ihrem lauschen auf diesen laut, der wachhält bis in den morgen grauend zum halbfrühlingstag berlinsüdost – das unentschlossene licht, das mal hierhin kippt – niesel – mal dahin – brise – am straßenrand sammelt sich unterdessen der abfall unentschlossener nächte, abgelegtes, abgestreiftes, womöglich voll von sauer gewordenen tränen deren salziger rückstand jetzt hier in winzigen schuppen die gossenkante des gehsteigs beflockt – nachlass der unstetigkeit der welt angebotenes willnichtmehr aus händen gegeben, die sich jetzt der gegend entzogen haben – stolpergut für spätheimkehrer und fundgrube für witterungsaufnahmen der hunde, die sich als streuner *

— Text, der in einem Stück und ohne Unterbrechungen durch Absätze, Überschriften, Abbildungen, Fußnoten u. Ä. gesetzt wird. — Aufforderung, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und dabei nicht zurückzuschauen; freihändig draufloszulegen, ohne zu korrigieren; die Buchstaben zu Papier zu bringen und bedenkenlos aus der Hand zu geben.

geben, während ihnen halbschlaftrunkene ausführer hinterher- oder vorausfluchen, doch keinem pfiff mehr wollen sie folgen, die trübäugigen hunde, nur den düften nachschnüffeln, die unbekannt hinterlassen hat, unterdessen die krähen, krähen in allen bäumen, wie üblich willige zeugen jeglicher hinterlassenschaft und in gewisser entfernung die vom krähenrevier verbannten tauben auf dachrändern, in rinnen gekrallt nach fluglücken spähend um in gossen hinabzustoßen, ihr dumpfes gurren fällt flach unter den krähenrufen und später werden sich elstern zeigen. Der chinese am jenseitsende des hinterhofs lehnt sich schon hemdlos aus dem fenster in den märztag, zweiter stock, der himmel spiegelt sich wie schmutzige watte in der scheibe, der chinese raucht und hält sein telefon wie einen kompass in den morgen hinaus, weder der amseln achtend noch der buchfinken unter seinem fenster, was wird er bringen der tag, was wird er nehmen, was soll ihm prophet sein, während sich kohlmeisen in der hecke unerschrocken stellen und das kind des chinesen in der tiefe des raumes am anderen ende des hinterhofs jenseits der meisenbesiedelten hecke schreit. Ein zufallsblick im blassen tageslicht auf john constable wolken in digitaler schraffur über verdunkeltem land, alles textur, unerwartete enthüllung der unzähligkeit der schichten, farbaufträge wie erinnerungen am immer wieder aufgesuchten ort in der vergangenheit, so muss man sich die erinnerung vorstellen: wie diese grenze von wolken himmel land auf einem gemälde 56 / 57



von john constable – alles lebt vom himmel auf den bildern, da ist die schwerkraft, die die erde hält und jedes ding und jeder schatten ist dem himmel untertan. Später ein weißes gleichmäßiges gewölk über hof und straße, helle bleiche eckstücke zwischen den dächern, ein weiß, das sich verdichtend in die höhe bewegt und den regen zurückgezogen hat, bis fast hochnebellicht herrscht und sich über die leiernde stimme der frau im hocksitz breitet, an der straßenecke hat sie ihren platz, das ist der ort ihres tagwerks und sie hat das bettellied immer schon auf den lippen, als lose zugabe ist es ihr da gewachsen und sie wird es nicht los – jetzt sitzt sie am boden, als wär es nicht halber winter, und hält einen becher hin, schütteres scheppern von kupfer, hier bettelfrau, geb ich dir was für dein kurzes lied vom jammertal zwischen zwei groschen – not ist das gebot unter den wachsamen drosseln, die im lindenbaum wippen, gefährten von dazumal. Am nachmittag weiß das licht nicht wohin mit sich, soll es zum dunklen, soll es zum hellen, im langsamen vorbeiradeln sehe ich auf einer baumscheibe gneisenaustraße ein totes eichhörnchen auf einer baumscheibe liegen zwischen dem ersten sprießenden krautgrün, ein rotes eichhörnchen – ein eichkatzerl, ein eichkatzerl! riefen vor jahren mal kinder an einem fenster mit blick auf den park in wien und die frage stellte sich mir fremder, was daran katzerlhaft war – solch ein eichkatzerlhörnchen liegt hier nun entlebt, flach wie ein bild auf der dunklen baumscheibenerde, der buschige schweif

schon stumpf und die seite von einem großen grauen fleck gezeichnet, ein unförmiges mal dieses grau, ist es räude ist es ansteckung am grau der überhandnehmenden eindringlinge, der einmarschierten revierübernehmer, die mit ratten im bund sein sollen, den stets übelgesprochenen ratten? Spät erscheint die sonne zwischen wolken, hinter wolken, die s-bahn seufzt und stöhnt zur abfahrt um den friedhof, der kleiber pfeift unterdessen in den kahlen kastanien und der trauerschnäpper kirrt fragend und kann nicht aufhören, denn es kommt keine antwort, ein pastor trägt die letzte urne dieses tages zum seufzklang der s-bahn und zu tschirrendem buchfinkenruf, ihm folgt eine kindsgroße frau im frommen tuch und hinter ihr zwei barnabashafte gesellen im gleichschritt und gleichgrober tracht, als hätte die kleine trauernde sie aus einer anderen geschichte gepflückt und sie zu ihren spätnachmittäglichen trauergehilfen ernannt, womöglich gegen ein entgelt, berliner klageburschen, die sich schwertun mit dem gemessenen schritt. Auf den umschnüffelten und vom tag besudelten hinterlassenschaften lässt sich zum abend, kühl, früher dämmer in berlin südost, ein fremder nieder, nem szólt senki, sagt er immer immer wieder, nem szólt senki, wie groß ist seine fremde, wie schwer dieses nichtssagen von niemand, fremder, ember, ungarisch: mensch, embers, englisch: erlöschende glut.

58 / 59




2.1

DEVIATION I

Z1

VERKEHRSSOZIOLOGIE

EXPERIMENT NR. 3

Z2

P(Z1) = P({Z1, Z2, Z3, Z4}) = 0.0089436542

DATUM 2016−10−31

ZEIT 13.21 UHR

Z3

Z = ZUSTAND

P = EINTRITTS-WAHRSCHEINLICHKEIT

LAB C2F

Z4


Sowas gibt’s. Eigentlich wollte Heinrich Steinfest erzählen, wie es dazu kam, dass das Schmirntal und das Valsertal zu Schauplätzen in seinem erfolgreichen Roman „Der Allesforscher“ wurden. Aber dann kam er wieder einmal vom Weg ab.

Das passierte mir ständig, daß ich auf dem Weg nach Wien oder Innsbruck – und nachdem ich, von Stuttgart kommend, in München umgestiegen war – einnickte und in einen tiefen Schlaf verfiel, aus dem ich erst kurz vor Innsbruck oder kurz nach Linz aufwachte. Ich muß also sagen, daß ich die Existenz von Salzburg und Rosenheim, obgleich ich in den letzten zwanzig Jahren sicher mehr als fünfzig Mal durch diese Städte hindurchgefahren bin, nicht aus eigener Anschauung bestätigen kann. Salzburg und Rosenheim sind auf eine gewisse Weise die „Städte meiner Träume“, wobei mir gerade die Träume, in die ich auf diesen „Schlaffahrten“ gerate, oft horribel oder zumindest aufreibend erscheinen (daß Salzburg und Rosenheim in einer ähnlichen Weise wie die Stadt Bielefeld eine Erfindung darstellen oder in charmanter Weise der Theorie von einem bloß erfundenen Mittelalter verwandt sind – und darum in Anlehnung an den Begriff „Dunkles Jahrhundert“ als „Dunkle Städte“ gelten können –, soll hier nicht behauptet werden, umso mehr, als ich zahlreiche Menschen persönlich kenne, die mir versichern, sowohl in Salzburg als auch in Rosenheim gewesen zu sein und zumindest teilweise eine Übereinstimmung mit den Bildern und Berichten über diese Städte festgestellt zu haben; allerdings kenne ich auch erstaunlich viele Personen, die mir erzählt haben, beim Durchfahren durch Salzburg oder Rosenheim stets von einer schlafbringenden, fast märchenhaft anmutenden Müdigkeit überfallen zu werden). Ich schreckte jetzt also hoch und erkannte durch das Fenster hindurch einen Bahnsteig, auf dem der Zug soeben zum Stehen gekommen war. Ich war überzeugt, es müsse sich um Innsbruck handeln, auch wenn ich kein Schild erkennen konnte. Rasch katapultierte ich mich in die Höhe und griff nach meiner Tasche, in die ich meinen Laptop mit jener Behändigkeit fügte, mit der man kleine Kinder in Schlafanzüge rutschen läßt. Ich zog meinen Koffer vom Gepäckfach herunter und lief los, um in aller Eile aus dem Zug und auf den Bahnsteig zu springen. Und war glücklich, es gerade noch geschafft zu haben. Allerdings nicht mehr

ganz so glücklich, als der Zug nun losfuhr und mir endlich der Blick auf ein Stationsschild verriet, mich nicht in Innsbruck, sondern in Kufstein zu befinden. Ein Ort, an dem ich in der Regel ebenfalls schlafend durchzufahren pflege. Dessen Existenz mir allerdings durch ein Erlebnis meiner Jugend als „hundertprozentig“ gesichert erscheint. Mit vierzehn Jahren nahm ich an den Schüler-Staatsmeisterschaften im Judo teil, die eben dort, in einer Kufsteiner Sporthalle stattfanden. Ich kann mich kaum an etwas erinnern, freilich daran, gewonnen zu haben, und zwar in der Gewichtsklasse bis 40 Kilogramm, was mir wiederum ins Gedächtnis ruft, was für ein „Hendl“ ich damals gewesen bin und warum ich von meiner Mutter überhaupt erst zu dieser Sportart gedrängt worden war. Sie wollte mich ein wenig kräftiger haben, weil sie glaubte, ich sei krankhaft dünn. Wobei sie in keiner Weise damit gerechnet hatte, ich könnte den Sport so ernst nehmen, im Zuge derartiger Kräftigung Turniere gewinnen und hernach mit gewonnenen Pokalen das Bord über dem Fernseher vollstellen. Jedenfalls hatte ich im Zuge dieser erfolgreichen Staatsmeisterschaftserringung das letzte Mal meine Füße auf Kufsteiner Boden gehabt, nackte Füße, wie beim Judo üblich. Jetzt hingegen, als der aktuell Fünfundfünfzigjährige, stand ich da mit leichten, dünnen Sommerschuhen, verärgert ob meines dummen Fehlers, Kufstein für Innsbruck gehalten zu haben. Ich begab mich in die Ankunftshalle und schaute hinauf zur Anzeigetafel, um nach dem nächsten Zug nach Innsbruck zu schauen, jene Stadt, die mir weniger durch die dramatisch schöne Nähe der Berge so lieb ist, sondern weil ich an keinem anderen Ort der Welt Flugzeuge so gut beobachten kann. Maschinen, die dort in rascher Folge knapp über die Stadt fliegen, um dann knapp hinter der Stadt zu landen, weshalb ich mich extra ganz oben im höchsten Hotel der Stadt, dem aDLERS, einzuquartieren pflege, um die ansteigenden und absteigenden fliegenden Kisten, die das Hoteldach körpernah queren, besser sehen zu können. Es ist eine Form von Birdwatching, die ich dort betreibe. 62 / 63


2.2

DEVIATION II

Z5

Z6

Z7

P(Z5) = P({Z5, Z6, Z7 ... Z14}) = 0.000000000000000000000000092852365678128095

VERKEHRSSOZIOLOGIE

EXPERIMENT NR. 4

Z8

Z11

Z9 Z10

Z = ZUSTAND

DATUM 2016−10−31

Z12

ZEIT 13.43 UHR

Z13

P = EINTRITTS-WAHRSCHEINLICHKEIT

LAB C2F

Z14


Jetzt aber … Während ich da vor der Anzeigetafel stand, ging mein Blick nach draußen, hinüber zu den Haltestellen, wo soeben ein Bus vorfuhr, auf dessen „Stirn“ Hinterthiersee Grub als Endstation aufschien. Hinterthiersee? Davon hatte ich als literarisch wie touristisch interessierter Mensch schon einmal gehört. Lag dort nicht dieses Hotel, wo sie die Teppiche auf den Gängen mit Texten von Raoul Schrott ausgestattet hatten und kein noch so potenter Staubsauger in der Lage gewesen wäre, diese Wörter und Sätze zu beseitigen? Und wo die Leidenschaft für Bücher so weit ging, den Gästen selbst noch im Spa-Bereich mit einer Bibliothek liebevoll zu Leibe zu rücken? Oder verwechselte ich schon wieder mal zwei Orte miteinander, wie mir das leider des öfteren passiert, etwa eine Straße in Meidling suchend, die allein in Mödling zu finden ist, oder nach einer Therme in Alterlaa schauend, die ich viel besser in Oberlaa entdeckt hätte? Ich weiß auch nicht, wieso ich so ein Händchen dafür habe, mich zu verirren. Und wieso ich dennoch so gerne auf Pläne und Karten und neutechnische Orientierungshilfen verzichte und auf meinen Instinkt vertraue. Er betrügt mich und ich nenne ihn untrüglich. Aber Instinkt ist möglicherweise eine seelenhafte Intervention, deren Sinn tiefer geht als das Erraten von zumindest drei richtigen Zahlen im Lotto. Jedenfalls sah ich mich verführt, nach draußen zu gehen, in den Bus zu steigen und ein Ticket nach Hinterthiersee zu lösen, um mich zu überzeugen, ob ich recht hatte oder nicht. Das würde ja keine Weltreise werden, sondern mich kurz in eine Gegend bringen, in der ich nie zuvor gewesen war. (Ich bin manchmal allen Ernstes zu träge und gehemmt, mein Handy herauszuholen und etwas nachzuschauen. Ganz abgesehen davon, daß meine Angst vor Spinnen so weit geht, jede Art von Netz zu fürchten.) Der Ausflug lohnte sich, wie ich bald feststellen durfte, als der Bus – chauffiert von einem für Tiroler Verhältnisse unglaublich freundlichen Fahrer, so daß ich fast meinte, in eine dieser Sendungen mit versteckter Kamera geraten zu sein – nun hochfuhr in ein Tal, das wie ein breiter, langer, feuchtgrüner Faltenwurf der ganzen Landschaft eine klassische Eleganz verlieh. Und als wir nun das am Thiersee gelegene Vorderthiersee erreichten … Nun, der Busfahrer war mitnichten schuld, er hatte Vorfahrt, im Gegensatz zu dem geradezu blind eine Ausfahrt rückwärts verlassenden Fahrer mit Münch-

ner Kennzeichen, der genau dieses Kennzeichen seitlich in den Bus schraubte. Bayern lag ja gleich um die Ecke, weshalb es kaum als eine Kollision zwischen einem einheimischen Bus und einem ausländischen PKW zu bezeichnen war, eher als ein Unfall unter Nachbarn. Ich war nicht gesessen, sondern neben meinem Koffer gestanden, hatte den Halt verloren und war ein Stück nach vorn geflogen, um aber von einer älteren Dame – nein, eigentlich war es eine wunderschön verwuzelte Greisin, die ihre Hand gleich einer Kelle ausgestreckt hatte – am Stürzen gehindert zu werden. Ich weiß, es hätte sich eigentlich umgekehrt gehört. Doch man kann sich das nicht immer aussuchen (es wird viel von Haiangriffen gesprochen, aber niemals davon, daß Haie Menschen retten, derartiges will man nur den Delphinen zugestehen; die Wahrheit würde uns verblüffen, schockieren und unsere Angst zunichte machen). Faktum ist, daß es im Moment nicht weiterging und alle Gäste den Bus verlassen mußten. Aus der Ferne tönten bereits Sirenen. Der Busfahrer vergewisserte sich, daß niemand verletzt war. Und als gleich darauf Polizei und Rettung vorfuhren, wurde ein weiteres Mal die Unversehrtheit aller Beteiligten festgestellt. Weiter ging es trotzdem nicht, der Verkehr an dieser Stelle wurde für eine Weile zur toten Zone. Weil der See in Sichtweite war, der Tag so heiß wie schön, eine Badehose in meinem Gepäck lagerte und ich unter allergrößten diätetischen Mühen im Frühjahr fünf Kilo ab- und eine halbwegs ansehnliche Badefigur angenommen hatte, begab ich mich mit Sack und Pack auf einem Weg hinunter zum See, wo ein kleines, gut besuchtes Strandbad lag. (Natürlich, es ist kein Verbrechen, auch mit etwas Übergewicht ins Wasser zu gehen, aber man sollte vielleicht bedenken, daß nicht nur gegenüber anderen Menschen so etwas wie eine Scham besteht, sondern auch gegenüber der Natur; wenn man sich manche Leute ansieht, wie sie in hautengen, in Giftfarben gehaltenen Radfahrertrikots die Berge hinauftreten, und wie da ihre Bäuche das Gewebe fast zum Zerreißen bringen und dabei im Takt wippen, und wie ihre breiten Schenkel feucht und fleischig glänzen, meint man, sie wollten genau diesen herrlichen Bergen ein ästhetisches Grauen entgegensetzen; die Erfindung des E-Bikes ist darum ein Verbrechen, weil es Leute auf ein Rad bringt, die auf diesem nichts verloren haben). Es war herrlich, dieses Thierseewasser, nicht kalt, dennoch erfrischend, und ich war dankbar, im Zuge zweier 64 / 65


2.3

DEVIATION III

VERKEHRSSOZIOLOGIE

EXPERIMENT NR. 5

DATUM 2016−10−31

ZEIT 14.02 UHR

LAB C2F

Z2

Z15

P(Z15) = P({Z15, Z16}) = 0.00000000000916247235745542178

Z16

Z = ZUSTAND

P = EINTRITTS-WAHRSCHEINLICHKEIT


„Unfälle“ an diesen Ort und in dieses Gewässer geraten zu sein. Das Geplärr der Kinder stand wie eine kleine Wolke über dem See und schattete die Geräusche der Natur ein. Ich bewegte mich zügig ins Wasser und durchschwamm fast den gesamten See, kehrte wieder an den Strand zurück und setzte mich auf eine der Bänke, um meinen so mühevoll gebauten Körper im warmen Mittagslicht trocknen zu lassen. Das Merkwürdige war, daß ich gleich im ersten Moment, als ich den See erblickt hatte, also noch vom Bus aus, mir dachte: „Den kenne ich doch.“ Den See, die sanft ihn umgebende Landschaft, das Schilf am Rande, den Blick hinauf zum Berg, welcher gegen das Inntal hin als ein hochgestreckter, sicherlich weit über tausend Meter hinausragender Daumen die Gegend mit dem Himmel verband. Und selbst noch das ausgelassene Kindergeschrei an genau diesem See weckte eine Erinnerung. – Klar, eine derartige Landschaftsbeschreibung war auf eine Vielzahl von Orten zu übertragen und das Geschnatter kleiner bis mittelgroßer Kinder im Bereich von Badeanstalten so wenig ein Alleinstellungsmerkmal wie hohe Berge in Gegenden ausgeprägter Faltenbildung. Und dennoch meinte ich, etwas wiederzuerkennen, auch wenn ich mit Sicherheit sagen konnte, niemals an diesem Ort gewesen zu sein, ihn auch nicht etwa schlafend durchfahren zu haben wie das gute Salzburg. Neben mir auf der Bank saß ein älterer Herr in einem Bademantel und rauchte eine Zigarette. Bademantel wie Zigarette sahen aus, als stammten sie aus dem vorletzten Jahrhundert. Ich fragte ihn, ob er mir sagen könne, wie der Berg heiße, auf den wir da sahen. Er erklärte mir, er wohne drüben im Hotel, auf der anderen Uferseite. – Stimmt, das langgestreckte, massive Gebäude war mir natürlich aufgefallen, ein Bau wie aus einem James-Bond-Film, aber bereits nach er-

folgter Explosion. Ja, dieses Luxushotel aus viel schickem Holz machte in der Entfernung auf mich einen postapokalyptischen Eindruck, allerdings war es nicht Teil meiner dubiosen Erinnerung. Es wirkte fremd auf mich. Ein Designer-Hotel mit orthopädischer Spezialklinik, wie mir der Bademantelträger jetzt erklärte. Dabei hatte ich ja nach dem Namen des Bergs gefragt. Den erfuhr ich erst, als ich mir ein Mountainbike mietete, um eben genau jenen Berg hochzufahren: den Pendling, wie er heißt, in der Tat über 1500 Meter hoch und von dem jemand einmal gemeint hatte, er wirke wie ein „unbefahrbarer steiler Zahn“. Aha! – Wäre ich bloß um den See herumgefahren, ich hätte dank der Installationen entlang des sogenannten Themenwegs das Thema eben dieses Wegs erfahren und dabei rasch begriffen, warum mir dieser See auf eine verschwommene Weise vertraut war. Aber nein, ich mußte ja auf den Berg! Ich mußte unbedingt „körperlich“ werden und die mühsam steile Strecke bewältigen.

* „Ein tieferes Wort als Affen, wie oft vermutet, ist nie gefallen“, erklärt Sigi Lützow in seinem Artikel in der Zeitung Der Standard mit dem Titel Als der König die Contenance verlor (April 2012). Doch darüber kann man streiten, immerhin spricht Mitteregger am Ende seiner Wutrede auch von „Trotteln“, was man durchaus als tieferstehend empfinden kann als die Existenz von Affen. Vor allem jedoch wird allgemein darauf verzichtet, Mittereggers Kruzifix-noamal!-Ausspruch zu zitieren, bei dem der Rudi wie ein Kind aufstampft. Auch die betreffende Wikipedia-Seite läßt dies unerwähnt. Dort ist allein von „Aff’n“ und „deppat“ die Rede. – Übrigens kann man sich diese Szene als historisches Dokument auf youtube ansehen, und weil die Kombination „steirisch“ und

„verzweifelt“ eine schwer verständliche Kombination ist und es mir unmöglich war, herauszuhören, was genau Mitteregger sagt, als er von den „Trotteln“ spricht (und auch die Macher der Dokumentation bleiben ausgerechnet diese Stelle bei den eingeblendeten Untertiteln schuldig), habe ich unter Auslobung einer Flasche Zirbenschnaps mehrere Personen, die des steirischen Idioms mächtig sind, um Vorschläge gebeten. Und möchte auch die Leser dieses Textes darum ersuchen, Interpretationen zu liefern (siehe Österreichrundfahrt 1974 – Rudolf Mitteregger, auf youtube, ab 0:32). Die bisher überzeugendste „Übersetzung“, die mir angeboten wurde, lautet: „De Trottln kennt ma beagln, heast!“, wobei unsicher bleibt, ob hier von „bügeln“ oder „prügeln“ die Rede ist.

Es ist immer das gleiche, sobald ich einen Berg nach oben radle, fällt mir eine Fernseh-Episode meiner Kindheit ein, eine Episode der Wirklichkeit, als 1974 bei der Österreich-Radrundfahrt der Nationalheld und „Glocknerkönig“ Rudi Mitteregger bei der Abfahrt vom Gaberl-Paß, und zwar in Führung liegend, einen Defekt am hinteren Rad erlitt. Obwohl glücklicherweise ein Kamerateam in diesem Moment vor Ort war, um das Geschehen festzuhalten, fehlte jeglicher Service-Wagen, keiner nirgends, drei Minuten lang. Drei Minuten Ewigkeit. So mußten wir also erleben, wie unser Rudi mit heiserer, wütender, kindhaft verzweifelter und von Tränen gleichsam punzierter Stimme rief und schrie und heulte: „Wo san denn de, sagst amal?! Jo des gibt’s jo net, heast! Jo san de deppert oder was, heast?! Jo wo san denn die Aff’n, heast?! Kruzifix noamal, heast!“*

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2.4

DEVIATION IV

Z17

Z18

Z19

P(Z17) = P({Z17, Z18, Z19 ... Z25}) = 0.00000000543275391624

VERKEHRSSOZIOLOGIE

EXPERIMENT NR. 6

Z20

Z22

Z21

Z = ZUSTAND

DATUM 2016−10−31

Z23

ZEIT 14.18 UHR

Z24

P = EINTRITTS-WAHRSCHEINLICHKEIT

LAB C2F

Z25


Mitteregger war gezwungen – das luftleere Rad in der Hand –, zuzusehen, wie ein Konkurrent nach dem anderem an ihm vorbeifuhr. So verlor er die Etappe, gewann aber trotzdem die Rundfahrt. Doch es war dieser Moment tiefster Verzweiflung, der sich bei allen eingeprägt hat: ein ungemein sympathischer Zorn als unmittelbarer Ausdruck österreichischer Sportlichkeit. Eine zutiefst katholische Ausformung so gänzlicher wie leidenschaftlicher Hoffnungslosigkeit. Jedenfalls mußte ich an diese Geschichte denken, als nach vielen Höhenmetern zwar mein Rad keinerlei Defekt aufwies, sich jedoch meine Beine so schlapp anfühlten, wie Mittereggers damaliger Radschlauch gewesen sein mußte. Nachdem ich die Kreuzung Kaltwasser erreicht hatte, ging es endlich ein wenig bergab, dann aber gleich wieder steil bergauf zur Kala-Alm. Das war wirklich der Punkt, wo ich eine kleine Pause einlegen wollte. Der Punkt war eine Wirtschaft. Während ich inmitten der Menschenmassen eine kräftigende Kaspreßknödelsuppe zu mir nahm, blickte ich hinüber nach Hinterthiersee, dort, wo immerhin jenes Literaturhotel lag, dessentwegen ich überhaupt erst in Kufstein in den Bus gestiegen war (es erscheint mir mitunter als ein Muster in meinem Leben, auf der Suche nach bestimmten Orten an völlig andere zu geraten – und das ist sicher ein Aspekt, der mich zur Gläubigkeit verführt hat, denn wenn sich Gott im Leben der Menschen manifestiert, dann in den Fehlern, die sie begehen, darin besteht seine paradoxe Gnade). Nach der Kala-Alm ging es vergleichsweise moderat hinauf zum Pendlinghaus, auch Kufsteiner Haus genannt, wohl, weil man von dort gar so einen guten Blick hinunter aufs Inntal und Kufstein hat – Kufstein, die Stadt, von der es in einem Lied heißt, sie sei die Perle Tirols, die aber aus dieser Höhe die Wirkung eines riesigen Geschirrtuchs besaß, über das jemand einen graugrünen Strich gezogen hatte. Ich ließ mein Rad stehen und stellte mich eine Weile in den für eine solche Höhe ausgesprochen warmen Wind. Mir kam vor, meine Schweißperlen knistern zu hören. Wie bei so einer Luftpolsterfolie, wo nicht nur Kinder immer die Noppen eindrücken. Etwas abgekühlt ging ich zu Fuß Richtung des nahen Gipfelkreuzes. Wege sind natürlich dafür gedacht, auf ihnen zu verbleiben. Aber was mich antrieb, war es nicht, eins der beiden Kreuze zu erreichen, sondern einen guten Blick hinunter auf den See zu finden, den Thiersee. Ich sagte

es schon, ich besitze ein Händchen fürs Verirren. Und auch wenn ich im ersten Moment meinte, mich weiterhin auf einem Weg zu befinden, zumindest einem kleinen, einem Pfad, war dieser angebliche Pfad nach einiger Zeit vom Erdreich wie aufgesogen. Es war mir also gelungen, auf einem von Wanderern und Radfahrern geradezu gespickten Berg – als hätte der Berg Masern, Menschenmasern – quasi ins Leere, ins Menschenleere zu laufen. Keine Frage, ich hätte umkehren müssen. Es wurde jetzt wirklich steil und rutschig und zwischen meinen Lippen brach ein Mittereggersches „Kruzifix noamal!“ hervor. Aber ich bewegte mich weiter, gezwungenermaßen auf allen Vieren, verbissen wie alle, die nach vorne marschieren, weil sie hinter sich keinen Trost zu finden meinen. Und in der Tat … Ich glitt ab, ein paar Meter nur, mich an einem Stamm festhaltend, gerade so, daß ich links von mir zwischen den Bäumen einen kleinen Felsvorsprung erkennen konnte. Darüber das Blau des Himmels gleich einem gedrückten Spitzbogen. Einem Bogen, der deutlich anwuchs, als ich jetzt auf gerader Linie näherrobbte und schließlich die winzige Kanzel erreichte, ein paar Quadratmeter, die aus der dichten Bewaldung herausragten und einen weiten Blick hinunter ins Tal und auf den See boten. Wunderbar! Der See wirkte von hier oben sehr viel mächtiger, viel mehr die Landschaft bestimmend, als wenn man sich an seinem Ufer befand und eher den Berg als das dominante Element wahrnahm. Der Thiersee lag so glatt da, als könnte man darauf Schlittschuhfahren. Dahinter die Ortschaft, eine Anfügung von Häusern, die im Vergleich zur Geschirrtuchanmutung Kufsteins improvisiert anmutete. Eine Verklumpung hingewehter Blüten. Ich hatte die Beine ausgestreckt, sodaß meine sonnenbeschienenen Füße ein Stück in der Luft hingen. Oberkörper und Kopf befanden sich im Schatten. Ich legte mich zurück, die gesamte Länge der ebenen Fläche ausfüllend, und schloß die Augen. Natürlich, ich war erschöpft und außerdem am Ziel, beziehungsweise hinter dem Ziel, dort, wo auch Olympiasieger mitunter zusammenbrechen. Ich spürte die Wärme von meinen Zehen aufwärts ziehen. Die Heizdecke des Schlafes machte ein Angebot. Ich nahm es an. Und zwar in einer Weise, als würde ich tief in den Berg rutschen, in sein Inneres hinein, nahe an Lunge oder Leber. Und verblieb dort eine ganze Weile, mich an die Innereien schmiegend. 68 / 69


2.5

DEVIATION V

Z26

P(Z26) = P({Z26 ... Z27, Z28, Z29}) = 0.0000000000000000000327143753742521

VERKEHRSSOZIOLOGIE

EXPERIMENT NR. 7

Z27

Z28

Z = ZUSTAND

DATUM 2016−10−31

ZEIT 14.29 UHR

LAB C2F

Z29

P = EINTRITTS-WAHRSCHEINLICHKEIT


Viel zu lange. Denn als ich erwachte, war die Dämmerung bereits in ihre letzte Phase eingetreten, von rechts strahlte noch ein rötlicher Schimmer, aber ich selbst befand mich in Schichten von Schwarz eingehüllt, konnte nur mehr schwer zwischen Baumstämmen und den Lücken zwischen ihnen unterscheiden. Ich hätte mich jetzt, wie man so sagt, in den Arsch beißen können, auf diese Weise verschlafen zu haben, an solcher Stelle. Gut, es war nicht Winter, es ging kein Sturm, es begann nicht zu regnen, der Himmel war klar. Freilich wurde es jetzt deutlich kühler. Immerhin, ich besaß die Jacke, auf der ich gelegen hatte und in die ich nun hineinschlüpfte. Trotz meines Bedürfnisses nach Arschbeißerei spürte ich auch eine gewisse Zufriedenheit, im Zuge meines Bergschlafes in diese Situation geraten zu sein. Im Grunde war es ein Kindheitstraum. Eine Mischung aus Indianerromantik und einer biedermeierlichen Naturbetrachtung. Nämlich an solch exponierter Stelle, mit einem solchen Blick auf die Welt und den Himmel und die aufkeimenden Sterne in der Dunkelheit wie in einem Fernrohr zu sitzen. Und überlegte dabei gar nicht, irgend jemandem abzugehen, etwa dem Fahrradverleih. Oder dem aDLERS Hotel in Innsbruck, wo ich nicht wie angekündigt erschienen war. Oder den Leuten, die mich auf elektronischem Wege zu erreichen versuchten. Keine Frage, ich besaß ein Smartphone, es steckte gut und sicher und warm gepolstert in der Laptoptasche, die ich zusammen mit meinem Koffer bei dem freundlichen Herrn vom Fahrradverleih gelassen hatte. Ohnehin hätte ich von hier kaum einen Empfang gehabt, jedoch immerhin über eine Taschenlampe verfügt, dank derer ich hätte versuchen können, einen Rückweg zu beschreiten. So war es allein das Licht des Mondes, welches nach und nach dem Dunkel um mich einige Konturen verlieh. Die Schatten des Tages erschienen nun wie Gespenster ihrerselbst, als spielten sie Fasching und schwärmten für Gothic. Und weil da oben die zu Dreiviertel volle Scheibe des Monds stand, spiegelte sie sich im See. Aus der Eisfläche war glatter Beton geworden. Mehr Rollschuh als Schlittschuh. Es war in der Folge der Eindruck, die ganze Landschaft wie auf einem Schwarzweißfoto zu betrachten, der mir endlich bewußt machte, wo ich diesen See schon einmal gesehen hatte. Diesen See, auf den ich von meiner Kanzel schaute (ich glaube, der alte Spitzweg hätte eine Freude gehabt, mich in solcher Stellung zu malen).

Es war im Film gewesen. Einem frühen, schwarzweißen. Im Film heißt dieser See nicht Thiersee, sondern Bühlsee, ein – wie der Sprecher einleitend berichtet – „kühler, freundlicher See“ (der im übrigen zu den wärmsten Tirols zählt). Der Erzähler ist niemand geringerer als Erich Kästner und der Film heißt Das doppelte Lottchen. Ich hatte den Film immer gerne gehabt, sogar schon als Kind, auch wenn darin einzig und allein Mädchen eine Rolle spielen. Aber als Scheidungskind, das ich war – und das den Sinn der Scheidung als eine Bösartigkeit der menschlichen Natur empfand, und wie alle Natur eben auch überwindbar – war mir die humorige und gefinkelte Weise einer Elternwiedervereinigung durch das Zwillingspaar Lotte und Luise in höchstem Maße sympathisch gewesen. Wenngleich mir der Vater in dieser Geschichte zuwider war, ein eitler Komponist und Dirigent von größenwahnsinnig-karajanschem Duktus, der eigentlich viel besser zu seiner von Senta Wengraf mit grandios aufreizender Präpotenz gespielten Geliebten paßt. So unsympathisch wie mein eigener Vater. Aber als Kind wünscht man Versöhnung und Einheit, und eben die Überwindung der menschlichen Natur. Nicht, daß ich irgendwann auf die Idee gekommen wäre, mich darum zu kümmern, welcher reale Ort hinter dem fiktiven Ort Seebühl und welcher reale See hinter dem fiktiven Bühlsee steht, obgleich ich gerade den Anfang von Geschichte und Film stets als besonders faszinierend empfand, wenn Kästner von seinem eigenen Manuskript hochsieht und den Zuseher anblickt und fragt: „Kennen Sie eigentlich Seebühl, das Gebirgsdorf Seebühl? Nein? Seebühl am Bühlsee, wirklich nicht? Sonderbar, höchst sonderbar, wen man auch fragt, keiner kennt Seebühl. Womöglich gehört Seebühl am Bühlsee zu den merkwürdigen Ortschaften, die ausgerechnet nur jene Leute kennen, die man nicht fragt. Wundern würde es mich nicht. So etwas gibt’s.“ Ja, sowas gibt’s. Und das gibt’s eben auch, nämlich an einen Ort zu geraten, der einem sogleich vertraut scheint, man dann aber einen verdammten Berg hochradeln muß, um zu begreifen, daß die Erinnerung aus einem Film stammt – vergleichbar jenen Replikanten aus Blade Runner, die Fotos aus ihrer Kindheit mit sich tragen, einer Kindheit, die sie nie erlebt haben und die dennoch Teil ihres Bewusstseins ist, vor allem aber Ausdruck einer wehmütigen Stimmung, die zu emp70 / 71


2.6

DEVIATION VI

Z30

P(Z30) = P({Z31, Z32, Z33}) = 0.0089436542

VERKEHRSSOZIOLOGIE

EXPERIMENT NR. 8

Z31

Z32

Z = ZUSTAND

DATUM 2016−10−31

ZEIT 14.41 UHR

LAB C2F

Z33

P = EINTRITTS-WAHRSCHEINLICHKEIT


finden es nicht der Fähigkeit bedarf, echte Tränen zu vergießen. Manchmal sind theoretische Tränen echter als echte. Ich konnte das jetzt noch nicht wissen, würde aber später erfahren, daß die Gemeinde Thiersee in der Nachkriegszeit Ort zahlreicher Verfilmungen geworden war, eben nicht nur von Kästners doppeltem Lottchen, sondern etwa auch von der 1949 gedrehten Beethovenverfilmung Eroica mit Ewald Balser und Oskar Werner, oder von Blaubart mit Hans Albers und Nacht am Mont Blanc (auch Fegefeuer der Liebe genannt) mit Dietmar Schönherr – ja, genau der Mann, der uns mit einer Familienshow Ende der Sechzigerjahre die Möglichkeit gab, durch das Einschalten von Elektrogeräten (später dann durch das Ausschalten derselben) oder mittels Betätigung der Klospülung den Sieger zu ermitteln und uns auf diese Weise das Gefühl zu vermitteln, direkte Demokratie zu leben (man mag sich aber nicht vorstellen, wofür und für wen und wogegen sich die Österreicher heutzutage entscheiden würden, könnten sie die Abstimmung über ihre Toilettenanlagen bewerkstelligen). Doch wie gesagt, es war mir im Moment nicht bewußt, daß die Gemeinde Thiersee einstmals der wichtigste Ort des österreichischen Films gewesen war und man zu dieser Zeit das nahe dem Ufer stehende Passionsspielhaus in ein Filmstudio verwandelt hatte. Ein Haus, das noch immer stand – ich konnte es ja sehen, den schwarzen Brocken – und das zwischenzeitlich wieder dazu diente, alle sechs Jahre die Passion Christi auf die Bühne zu bringen (es bedeutet eine unheimliche Stimmigkeit, daß dieses Gebäude während des Kriegs als Gefangenenlager diente, bevor die SS in Vorbereitung auf die geplante sogenannte Alpenfestung hier ein Materiallager anlegte). Ich aber dachte, unbehelligt von diesem Wissen, an Kästners doppeltes Lottchen, an die beiden Mädchen, die ihre Rollen vertauschen, wie die Münchnerin nach Wien geht, die Wienerin nach München, wie das brave, sorgsame, ordentliche Kind die Postion des wilden, ungestümen einnimmt und umgekehrt. Und wie sich hier aus der Komödie des Vertauschens wie auch aus der Dramatik der Krankheit (das hohe Fieber eines der Mädchen, ein Fieber als Ausdruck der Verzweiflung, welches die Eltern gemeinsam ans Krankenbett zwingt) eine Utopie der Versöhnung entwickelt. Kästners Geschichte ist ein Märchen, in dem die Wahrheit eines Wunsches feste Form erlangt.

Ich hätte – an diese Geschichte, diese Utopie denkend, vor mir das Land in silbrigem Schein, die Sterne von geradezu zählbarer Klarheit –, die ganze Nacht zubringen können. Aber es gibt auch Leute, die mitdenken. Vor allem der Mann, der mir das Mountainbike vermietet hatte und der sich nicht mit dem Gedanken zufrieden gab, ich könnte es erst einen Tag später als vereinbart zurückbringen. Die Bergrettung war alarmiert worden. Gut möglich, daß man das verwaiste Rad entdeckt hatte. Bald vernahm ich die Rufe der Helfer. Ich schwieg eine Weile, derart war nun die Scham in mir. Was sollte ich denen erzählen? Einen besonders schönen Blick auf den See gesucht zu haben? Mondsüchtig zu sein? Schlafsüchtig dazu? Aber es ging natürlich nicht an, daß diese Leute mitten in der Nacht ihr eigenes Leben für ein fremdes aufs Spiel setzten, und ich mich dann taub und stumm stellte. Ich mich vor den Rettern versteckte, um mich nicht genieren zu müssen. „Hier!“ rief ich. Sie fanden mich, bargen mich, brachten mich zurück. Zack, zack. Ungemein professionell. Man war froh, daß ich ohne einen Kratzer war. Bei der Fahrt hinunter konnte ich nicht an mich halten und fragte einen der Helfer, ob es sich bei diesem See tatsächlich um jenen bekannten Bühlsee handeln würde. „Bühlsee?“ Stimmt, es war ein junger Mann, der wahrscheinlich den Film gar nicht kannte, ich hätte anders fragen müssen. Doch ich sagte ausweichend: „Ach wissen Sie, ein See aus meiner Kindheit, der diesem sehr ähnlich sieht.“ „Ach ja“, meinte er und sah mich so an, wie man Leute aus der Stadt ansieht, die dort, in der Stadt, ein wenig komisch geworden sind. * Ich weiß, es hat mit dieser Geschichte nichts zu tun, aber ich möchte doch noch erwähnt haben, daß Rudolf Mitteregger, der Held von 1974, heute als Pensionist in seiner Heimatgemeinde lebt, und zwar an einem Ort, der den Namen „Rudolf-Mitteregger-Siedlung“ trägt. Das ist etwas, was ich wirklich jedem Menschen vergönnen würde, letztlich an einem Platz zur Ruhe zu kommen, der wie man selbst heißt.

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In der Heimatfalle Von Jan Peter Tripp

„Das Gefühl, dass morgen alles so sein wird wie gestern, kann man Heimat nennen.“ Franz Josef Wagner

Dochdoch, es gibt sie noch, diese wilden Gesellen, die ernsthaft glauben, in unseren heutigen Zeiten auch ohne Internet & Computer & SMS & ständiger Erreichbarkeit leben zu können. Sie wissen allerdings, dass die Luft langsam dünn geworden ist und dass sie selbst längst den Ruf eines verschrobenen & rückwärtsgewandten Sonderlings haben. Auch kostet es zunehmend Kraft, diese Haltung im banalen Alltag zu vertreten und auch durchzustehen. In gewisser Weise fühlt man sich vom aktuellen Leben abgenabelt, die bisherigen Informationsquellen versiegen und selbst die guten Tageszeitungen sind schon bei Drucklegung hoffnungslos veraltet. Ein Buch zur Hand zu nehmen hat schon die Attitüde des Elfenbeinturms und eines zu schreiben, womöglich mit Füller oder Bleistift, ruft rührende Anteilnahme hervor, wie die berühmten Zettelkästen Arno Schmidts. Warum also insistieren diese Schwerfälligsten unter den Schwerfälligen auf ihrer antiquierten Methode, diese himmelschreienden Ignoranten? Sicher ist, dass man mit dem Mäuschen blitzschnell einige tausend weiterführende Klicks angeboten bekommt, die Tür nach Tür in den Begriff Heimat führen. Sicher ist, dass man bei deren Verfolgung mit zwei Wochen Bearbeitung rechnen muss, ohne den geringsten eigenen Gedanken zu Papier (!) gebracht zu haben. Doch vielleicht ist es gerade das, diese von und zu Guttenberg’sche Methode –, seliger Gutenberg verzeih’ – die dann diese halblebige Brillanz ohne eigenständige Winkelzüge gebiert. Keine selbstverschuldeten Sackgassen mehr, keine gedanklichen Irrtümer – stattdessen eine windschnittige Analyse auf Basis allgemein zugänglicher Wissensspeicherung ohne die notwendige Reibungsfläche versprengter eigener Gedankenspielerei. Keine Philosophenbibliothek mehr, die Landesbibliotheken schließen reihum und die letzten Bücherleser werden von Staats wegen verfolgt wie in Truffauts frühem Meisterwerk Fahrenheit 451.

Hier aber schwören wir dem Satan ab: Wir verschlanken den kosmischen Begriff Heimat zugunsten radikal subjektiver Sehweise und werden dadurch regional und in gewisser Weise pover. Wir verlassen das große Allgemeine und begeben uns in die kleineren Sümpfe, die individuellen Erfahrungen mit Heimat. So wie die Empfindung von Wirklichkeit stets durch den Filter eigener Kriterien läuft und es nicht nur eine Wahrheit gibt, ist auch der Begriff Heimat oszillierend und wird von jedem Individuum anders gedeutet. Auf der Höhe seines Ruhms wollte sich der große Chaplin einen Spaß machen. Seinerzeit existierten schon, wie später Wettbewerbe für die besten Elvisoder Michael Jackson-Kopien, Veranstaltungen für die besten Charly Chaplin-Imitatoren. Er selbst war verblüfft von der Qualität der Kandidaten und als es schließlich um die Demonstration seines berühmten Watschelgangs ging, machte er es kurzerhand so wie hundertmal zuvor am Filmset geprobt. Niemand beherrschte das natürlich besser als er, das Original. Doch er fiel durch. Die Mitbewerber nämlich watschelten allesamt in doppelter Geschwindigkeit. So entsprach die Wiedererkennbarkeit exakt dem Film, der ja ebenfalls doppelt so schnell lief. Soviel zur Wirklichkeit, soviel zum subjektiven Empfinden. Nun ist aber Heimat kein Watschelgang und auch nicht das Stück Wiese hinterm Haus oder das Matterhorn im letzten Sonnenglanz. Viel eher schon liegt unser Gespür von Heimat im Gefühlsbereich, also im Immateriellen, im Reich unserer fünf Sinne: Riechen, Schmecken, Fühlen, Hören und Sehen. Die Proust’sche Madeleine ist so zur Ikone einer präzisen und individuellen Heimat-Konnotation geworden wie die Joyce’sche Schilderung Dubliner Pubs mit rauchgeschwängerter Luft, dem Geruch verschütteten Bieres und dem Boden voller Sägespäne. Möglicherweise kann man sagen, dass die Poeten aller Länder uns den Begriff näher bringen als alle Maler und Musiker zusammen. Natürlich zeigen uns die Maler der Romantik und des Biedermeier, Waldmüllerspitzweg & Konsorten, Heimat, natürlich vermögen uns die Schumanns & Debussys tönend in weite Gefilde zu versetzen, doch die Faszination der


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Tschechows, Gogols & Puschkins reißt noch weitere Himmel auf, sie schildern uns Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Innenleben und gleichzeitig auch das hinter den Bergen und hinter den Meeren, wo sich selbst die kleine, überschaubare Heimat im Kosmischen verliert. Riechen: der absolut unverwechselbare Geruch einer soeben aus dem Wildbach gezogenen Forelle im Moment des Trocknens ihrer Haut Fühlen: das ledrige und prall gefüllte Euter der Kühe vor dem Melken Schmecken: der Geschmack gekauten Sauerampfers auf der kindlichen Zunge Hören: das archaische Geröhre brünstiger Hirsche im Spätherbst bei Dunkelheit Sehen: der Wind, der in unvergleichlich sanften Wellen über die Hügel noch ungemähter Spätfrühlingswiesen gleitet Anhand dieser wenigen sinnlichen Aussagen können wir wohl ausschließen, dass der Autor seine Kindheit im Ruhrpott oder in der Sahara verbracht hat. Man kann sich fragen, ob diese Empfindung, die wie die Proust’schen Madeleines der Kindheit entspringt, fundamental für Heimat steht oder ob sich lebenslang Material ähnlicher Dichte ansammelt, ob also Heimat in der ersten kindlichen Wahrnehmung verdichtet wird und dann nie wieder so. Oder erneuert sich dieses Reservoir ständig je nach verschiedenen Gegebenheiten und Umständen? Gibt es also in einem Leben mehrere Heimaten? Existiert er überhaupt in der Sprache, der Plural von Heimat? Die armen Franzosen zum Beispiel kennen weder Singular noch Plural, sie sind gänzlich heimatlos. Von Napoleon hatte man nicht erwarten können, dass er sich auch noch um solche Lappalien kümmert, aber die Rousseaus, Voltaires & Montaignes hätten doch genügend Zeit gehabt, um diese Lücke zu schließen. Oder vielleicht Gott selbst, der ja, glauben wir den Franzosen, dort zu Hause ist und sich’s gut gehen lässt. Wenn wir Heimat geographisch festmachen und den Ort meinen, in den wir hineingeboren wurden, in den vielleicht, in Zeiten weniger beschleunigten & extensiven Lebens, sogar schon unsere Eltern und auch deren Eltern gesetzt wurden, so wird dies dem allgemeinen Verständnis entsprechen. Man wuchs in einer Gegend und einer Gesellschaft auf und diese hinterließen ihre Spuren. Dauerte dies schon

Generationen an, so haben wir bereits einen Phänotypus vor uns: den Isländer oder den Allgäuer. In der Literatur waren meine Hochgeschätzten immer jene gewesen, die mir unverwechselbare Geschichten von Menschen in unaustauschbaren Regionen erzählten. Sie sprechen von den Verhältnissen, die sie wie Muttermilch aufgesogen hatten und über die sie alles wussten. Das Dublin von Joyce ist uns näher als Dinkelsbühl (außer wir stammten zufällig eben aus dieser Stadt), Musils Wien zu Ende der Donaumonarchie ist bis zum Menschenbild seiner Bewohner so intensiv beschrieben, weil hier Dichter tätig sind, die mit Bauch & Empfindung ihr Eigentlichstes hervortreten lassen – ihre Heimat. Der Bauch von Paris ist Zolas Heimat, Italo Svevo und Alfred Döblin wissen mehr über Triest und Berlin wie wir alle, Charles Ferdinand Ramuz kennt die Dörfer & Leute um den Genfer See und in den Bergen drumherum besser, Faulkners Mississippi und Upton Sinclairs Louisiana haben erst in ihren Erzählungen für uns eine sinnlich erfahrbare Existenz angenommen. Und auch ganz nah bei uns – einen Steinwurf nur – was haben uns die Gottfried Kellers, Robert Walsers, die Johann Peter Hebels und Eduard Mörikes an Verdichtung von Land, Zeit und Mensch zum Geschenk gemacht. Heute jedoch, wo jedem von uns die Unrast und Unersättlichkeit schon aus den Augen springt, wo wir die Orte wechseln wie der Heiratsschwindler seine Anzüge & Opfer – heute haben wir leichtes Wurzelwerk und gedeihen an jedem neuen Ort. Heimweh ist nur noch ein Relikt aus den Ganghofer-Filmen der 50er Jahre und dass uns Gegend prägt ist undenkbar geworden. Meine wechselnden mehrjährigen Aufenthalte könnte ich aber mit ganz unterschiedlichen emotionalen Zuordnungen versehen. Und natürlich kommen neben Riechen, Schmecken, Fühlen, Hören und Sehen noch Hintergrundkulissen dazu, wie uralte Dialekte, Kulturlandschaften und all die Dinge, die man dem kollektiven Gedächtnis zuschreibt. Nehmen wir nur zwei Beispiele: Wien und Straßburg. Beide ganz unterschiedlichen Städte prägten mich auf ihre Art. – Das sogenannte goldne Wienerherz, Schmäh & Kapuzinergruft, die große Zeit der k.u.k.-Glorie, Kaiser


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& Sandler, Sacher & Semmering, Heuriger & Burgtheater, Zein & Zilk … – Die Straßburger Kathedrale ist nicht überall zu finden und der Elsässer Dialekt erzählt mehr als jede Geschichtsstunde. Rote Gesichter und der Geruch von Sauerkraut & Schlachtplatte in den Weinstuben des wuseligen Gerberviertels, eine futuristische Trambahn verbindet die Vororte mit Gutenbergs Denkmal und den Bateaux-mouches der Kanalarterien. Allzu touristische Impressionen, könnte man meinen, doch hinter der Fassade sind sie beide zur Heimat geworden, Wien wie Straßburg. Am stärksten habe ich Heimat immer gespürt bei Menschen, die diese verloren oder geflohen hatten. Ostpreußen, Sudetenland etc. In diesem Falle setzt sich ein Verklärungsprozess in Gang, der unmittelbar in Rührseligkeit & feuchte Augen mündet. Dann glänzt das Vergangene in allen Farben des Regenbogens wie der Devotionalienmarkt am Rande eines Papstbesuches. Heimat, deine Sterne! Mir persönlich schwebt da eher eine matte Sache vor. Also, nicht im Sinne von schlapp, sondern von nicht glänzend. In einer ausgewogenen Grauskala und jenseits von Klischeebegriffen. Etwas irgendwie Unspektakuläres wie der Duft geschnittener & getrockneter Frühlingswiese, der feuchte Maischegeruch ausgepresster Trauben, der anhaltenden Wärme auf den Steinen nach Sonnenuntergang, der wachsigen Glätte polierten Holzes, der Geschmack frisch gefallenen Schnees auf der Zunge, der allererste Kukucksruf des Jahres, das behutsame Aufglühen der Farben an einem Sommermorgen zur blauen Stunde. Na ja, Sie wissen schon. Bildlich gesprochen sehe ich eine Nische vor mir, die, in weiches Licht getaucht, mit allerlei seltsamem Mobiliar bevölkert ist, einem Stillleben ähnlich. Ich sehe einen Aufbau verschiedenartigster Gerätschaften, die vor meinem inneren Auge wie bei einer Kettenreaktion ständig neue Bilder evozieren. Wie eine Wunderbox könnte das sein, die beim Nähertreten eine Vielzahl von unterschiedlichsten Geruchsnuancen offenbart, die eingefärbten Nebelbänken gleich auch sichtbar wären. Aus den Wänden sickerte wie ein Stimmengemisch Un-

erhörtes, nie vernommene Kompositionen zwischen Nono und Stockhausen. Alle Teile des gesamten Stilllebens gäben Töne von sich, wie sie nie zuvor unser Ohr erreichten. Über die Zeit veränderte sich das Licht, es gäbe helle Mondnächte und sonnendurchflutete Nachmittage. Trockene Hitze strahlte aus von der Nische und irgendwann rieselte, wie in den gläsernen Iglus mit dem Eiffelturm drin, feiner pudriger Schnee über die Szenerie, bis alles seltsam erstarrte und in eisiger Monochromie dem Innern unserer Kühlboxen gliche. Erst dann wären die unterschiedlichen Heimaten zu einem Bild verschmolzen, weiß in weiß und gleichgewichtig und nun auch absolut lautlos. In diesem Moment kommt dann ein Maler vorbei mit seiner Klappstaffelei und seiner Leinwand und seinen Farben & Tinkturen. „Na, wen oder was haben wir denn da?“, sagt er. Und da er noch einer der fast schon ausgestorbenen Raucher ist, steckt er sich erst mal eine Gauloise ins Gesicht und denkt nach. Da dies nicht gerade oft vorkommt, wirkt die Szene ein wenig angestrengt. „Könnte man genauso übernehmen“, meint er und macht sich ans Werk. Viele Einzelheiten enthält das Bild, bei aller Monochromie, doch ist das nicht neu für ihn. Erst die groben Strukturen, die großen Komplexe und dann immer feiner & feiner & feiner gemalt. Sei es nun, dass er zu lange am Stück und ohne Pause sich ins Gesehene schraubte oder war es Übermüdung: zunehmend schwand die Klarsicht, die Einzelheiten verschwammen, wie ein Eiskubus rauchte die Wunderbox. Und der Maler malte immer schneller und schneller im Dienst an möglichst getreuer Wiedergabe, bis die Details verschwanden und nur noch der polare Eisnebel übrig blieb und sein Bild nach 45 Schichten übereinander in frappanter Weise dem glich, was man eine gut grundierte Leinwand nennt.


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I ist die Markierung von 1287 Is im Text „Verabredete Farben“ von Sven Meyer.

I (Verabredete Farben)

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Verabredete Farben

Der große Schriftsteller W. G. Sebald auf Tirolfahrt. Von Sven Meyer

I. „tausend matte Bilder“ Henri Beyle alias Stendhal nahm 1800 als Siebzehnjähriger an Napoleons legendärer Alpenüberquerung teil. Beyle oder das merckwürdige Faktum der Liebe, die erste Erzählung in W. G. Sebalds 1990 erschienenem Prosaband Schwindel. Gefühle., zitiert aus Beyles Aufzeichnungen, der sich Jahrzehnte später eingestehen muss, dass auf seine Erinnerungen an die Zeit seiner Jugend, obwohl sie so reich an Erlebnissen war, kein Verlass ist. Die entsetzlichen Eindrücke – traumatische Erfahrungen – sind weitgehend ausgelöscht: „Die Gewalt des Eindrucks hätte diesen selber, so käme es ihm vor, zunichte gemacht.“ Aber auch die schönen Erinnerungsbilder sind trügerisch. Sebald berichtet, Beyle habe lange Zeit in dem Glauben gelebt, sich in allen Einzelheiten an den Ritt in die erste italienische Stadt nach dem Abstieg aus dem Gebirge erinnern zu können und besonders „an das Bild, in dem sich, bei schon abnehmendem Licht, die Stadt Ivrea aus einer Entfernung von etwa einer dreiviertel Meile ihm zum ersten Mal dargeboten habe.“ Doch ist die vermeintliche Erinnerung keine. „Es sei, schreibt Beyle, für ihn eine schwere Enttäuschung gewesen, als er vor einigen Jahren bei der Durchsicht alter Papiere auf eine Prospetto d’Ivrea untertitelte Gravure gestoßen sei und sich habe eingestehen müssen, daß sein Erinnerungsbild von der im Abendschein liegenden Stadt nichts anderes vorstellte als eine Kopie von ebendieser Gravure.“ Beyle rät darum, man solle „keine Gravuren von schönen Ausund Ansichten kaufen, die man auf Reisen sehe. Denn eine Gravure besetze bald schon den ganzen Platz der Erinnerung, die wir von etwas hätten, ja, man könne sogar sagen, sie zerstöre diese.“ Der Siegeszug der Fotografie, der Anfang des 20. Jahrhunderts einsetzt, hat Beyles frühen Verdacht bestätigt, dass Abbildungen, wenn man sich mit ihrer Hilfe etwa an Landschaften zu erinnern erhofft, nicht nur von sehr begrenztem Nutzen sein, sondern dass sie sogar

das Gegenteil bewirken, die Erinnerungen tilgen und deren Platz einnehmen könnten. Siegfried Kracauer erkennt 1927 in Die Photographie die „vollständige Wiedergabe der dem photographischen Apparat zugänglichen Welt“ als Absicht illustrierter Zeitungen. 1930 klagt Ernst Bloch in Alpen ohne Photographie über die Unmöglichkeit, angesichts der immer wieder reproduzierten, immergleichen Motive noch eine originäre Ansicht der Alpen abzubilden. „Ansichtskarten aus der schlechten Zeit decken eine Landschaft zu, indem sie unausrottbar abbilden. Es ist dieselbe Landschaft aus Wildwasser, steilen Matten, gezackten Alpen, die vor hundert Jahren noch Schrecken erregt hatte und seitdem aus den Kartengrüßen nicht herauskommt.“ Über die Abgeschmacktheit dieser Fotografien lässt Bloch keinen Zweifel aufkommen: „Das Gebirgswasser hat eine verabredete Farbe, sie kommt nicht von sich los. Die Tannen hängen aus dem neunzehnten Jahrhundert herein, aus tausend matten Bildern.“ Die Fotografien nehmen den Sujets ihre Originalität. Susan Sontag schließlich konstatiert 1977 in On Photography einen dem Fotografieren eigenen „raubgierigen Zug“, der „sich in dem Bündnis zwischen Fotografie und Tourismus“ zeige. Sebald nimmt diesen Gedanken auf und kennzeichnet in dem Essay Helle Bilder und dunkle, der 1984 erscheint, zu einer Zeit, in der er sich mehr und mehr der literarischen Arbeit zuwendet, das Reisen als eine „Strategie zur Akkumulation von Photographien“ und zieht daraus Schlüsse, die für sein eigenes Schreiben bestimmend werden. „Die entscheidende Differenz zwischen der schriftstellerischen Methode und der ebenso erfahrungsgierigen wie erfahrungsscheuen Technik des Photographierens“ besteht Sebald zufolge darin, „daß das Beschreiben das Eingedenken, das Photographieren jedoch das Vergessen befördert. Photographien sind die Mementos einer im Zerstörungsprozess und im Verschwinden begriffenen Welt, gemalte und geschriebene Bilder hingegen haben 84 / 85


und e ne Sandler n. S e b ldeten e ne bewegte Gruppe um e nen Kasten Gösser-B er, der wundersamerwe se, gew ssermaßen aus dem N chts hervorgezaubert, auf

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i in der er sich mehr und mehr der literarischen Arbeit zuwendet, das Reisen als eine „Strategie zur Akkumulation von Photographien“ und

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ein Leben in die Zukunft hinein und verstehen sich als Dokumente eines Bewußtseins, dem etwas an der Fortführung des Lebens gelegen ist.“ Sebalds schriftstellerische Methode wird sich deshalb nicht am fotografischen Bild und seinem Anspruch auf Objektivität ausrichten, der letztlich, bestenfalls, in eine Tautologie führt, sondern eher an der Malerei. II. „ins Tirol gegangen“ Eine Alpenüberquerung steht auch am Beginn von Il ritorno in patria, der letzten Erzählung in Schwindel. Gefühle. Deren Erzähler, der dem Autor des Buchs so sehr ähnelt, dass man die beiden, um nicht kleinlich zu sein, getrost in eins setzen darf, macht sich im November 1987 auf den Weg von Verona in Norditalien in seine Allgäuer Heimat, nach Wertach. Die Nacht muss er in Innsbruck verbringen, wo er am Morgen den Bus Richtung Schattwald bis nach Oberjoch, zur Grenze, nehmen will. Das Wetter und die Menschen bestätigen seine Befürchtungen. „In Innsbruck herrschte wie jedes Mal, wenn ich dort, gleich zu welcher Jahreszeit, anlange, das grauenvollste Wetter. Mehr als fünf oder sechs Grad hat es gewiß nicht gehabt, und die Wolken hingen so tief herunter, dass die Häuser in ihnen verschwanden und die Morgendämmerung nicht aufkommen konnte“, schreibt Sebald, der die nächtliche Wartezeit zunächst in der Schalterhalle des Bahnhofs verbringt, die „bis auf einen kleinen kropfigen Menschen mit Wetterfleck“ leer ist und erst gegen Morgen von einigen Sandlern aufgesucht wird. „Ein Dutzend Sandler waren es zuletzt insgesamt und eine Sandlerin. Sie bildeten eine bewegte Gruppe um einen Kasten Gösser-Bier, der wundersamerweise, gewissermaßen aus dem Nichts hervorgezaubert, auf einmal in ihrer Mitte stand.“ Das Verhalten der Obdachlosen scheint Sebald zwar übersteigert, doch typisch tirolerisch: „Verbunden durch die weit über die Landesgrenzen hinaus für ihren Extremismus bekannte Tiroler Trunksucht, verbreiteten sich diese teils kaum erst aus dem bürgerlichen Leben ausgeschiedenen, teils ganz und gar zerrütteten Innsbrucker Sandler, die durch

die Bank einen Zug ins Philosophische, ja sogar ins Theologische hatten, über das Tagesgeschehen sowohl als über den Grund aller Dinge, wobei es regelmäßig gerade denjenigen, die besonders lauthals das Wort ergriffen, mitten im Satz die Rede verschlug.“ Sebald betrachtet das Treiben wie eine Theateraufführung, in der die Gedanken nicht mehr zur Sprache kommen und die Sprache ihre Begriffe nicht mehr findet: „Mit der größtmöglichen Theatralik und Endgültigkeit unterstrichen die Sandler ihre jeweiligen Ausführungen zu dem, was grad zur Debatte stand, und auch wenn einer von ihnen voller Verachtung abwinkte, weil er den Gedanken, den er doch eben noch im Kopf gehabt hatte, nicht mehr in Worte fassen konnte, kam es mir vor, als entstammten diese Gesten dem Repertoire einer besonderen, auf unseren Bühnen völlig unbekannten Schauspielkunst.“ Wie es das großstädtische Theaterpublikum nach der abendlichen Aufführung in die umliegenden Restaurants und Bars zieht, so sucht auch Sebald nach der Darbietung der Sandler Zuflucht in der Gastronomie. „Um Punkt sechs Uhr sperrten die sogenannten Tiroler Stuben auf. Ich setzte mich hinein in diese alle anderen mir bekannten Bahnhofswirtschaften an Trostlosigkeit bei weitem übertreffende Restauration, bestellte mir einen Morgenkaffee und blätterte in den Tiroler Nachrichten. Beide, der Tiroler Morgenkaffee und die Tiroler Nachrichten, wirkten sich auf meine Verfassung eher ungünstig aus.“ Damit nicht genug – zu allem Überfluss gerät Sebald noch mit der gehässigen Bedienung aneinander, die ihn, offenbar absichtlich, missversteht und ihm „auf die bösartigste Weise, die man sich denken kann, das Maul anhängte.“ Sebald, der am Vortag noch in Italien aufgewacht war und sich nun in Tirol am denkbar ungastlichsten Ort befindet, hätte seine Lage in Friedrich Nietzsches Aphorismus „Die Schurkerei mit gutem Gewissen“ aus der Morgenröte angemessen beschrieben gefunden: „Im kleinen Handel übervorteilt zu werden, – das ist in manchen Gegenden, zum Beispiel in Tirol, so unangenehm, weil man das böse Gesicht und die grobe Begierde darin, 86 / 87


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rar sch nutzen lässt,chfeldern macht Sebald von Jacob n Schw van ndel. Ru sdael: Gefühle. „Danschaul e gegen ch: Haarlem „ ch saß s ch anhe nz nemehende T sch Ebene nahe derstoffenen aus der Terrassentür, Höhe heHaarlem m t Ble h nwandert.“ mer Tal Desto bl ckt, höher „das dere Beschre nen n edergedrückten, bende h naufstel chtlosen gt, desto und größer gottverlassenen st das Feld Eundndruck desto we machte“, ter s und nd dallee Räume, n se nedWanderung e er überTannhe st mmen der T roler nnen; vor

jeneese Se hm d te des „schon Lebensnzuder sehen, K ndhe t, als w r m t dem 170er D esel des Schofförs Göhl den ersten Ausflug

in den nassen, verlassenen Feldern vollends ausgelöscht wurde“, in die Dunkelheit.

Schönhe „d e dunkeltürk t der Natur, s-grünen d e s Flächen e überwölbt, des Fernste n-Sees und des Samaranger Sees“, und Sebald er nnert s ch be

drunten Scherenschn tt nFahrgast der Se das tenans cht von zw Oberjoch schen tanzenden Mohrend e Schönhe und Perlmuttfaltern t der T rolersachte Natur über h nter dens beblümten ch lässt, Hang n das aus, und als wenn Sebald als letzter Zollamt erre cht,

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tel wenn war“, er s und derzuvor jenenerfahren synopt hat e selbst schen und eBl necke we geneter Er ste nnerung gern daran möchte: bes „Berückend tzt, d e vonund Sebalds mBeschre besten Sbungen, nne des m Wortes t denen dtraumeser

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Ambroser se n we we tes Geb ß man et nur, […] dass er verkündet hat: „

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und Dochlernt alle langsam an der W nzT gke n m t dem düsteren rol t st es n cht getan. Denn l egt

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nebst dem schlechten Gewissen und der plumpen Feindseligkeit, welche im betrügerischen Verkäufer gegen uns entsteht, noch obendrein in den schlechten Kauf bekommt. In Venedig dagegen ist der Prellende von Herzen über das gelungene Schelmenstück vergnügt und gar nicht feindselig gegen den Geprellten gestimmt, ja geneigt, ihm eine Artigkeit zu erweisen und namentlich mit ihm zu lachen, falls er dazu Lust haben sollte. – Kurz, man muss zur Schurkerei auch den Geist und das gute Gewissen haben: das versöhnt den Betrogenen beinahe mit dem Betruge.“ Aber das geistvolle Italien liegt hinter ihm, und so nimmt Sebald morgens um sieben Uhr den Bus nach Oberjoch, in den nach und nach „Tiroler Weiber“ einsteigen, die „unter ihren schwarzen Regendächern“ an den Haltestellen entlang der Straße gewartet hatten. „Es kam auf diese Weise bald eine ganze Anzahl solcher Tiroler Weiber zusammen. Sie unterhielten sich in ihrem mir aus der Kindheit vertrauten, hinten im Hals wie eine Vogelsprache artikulierten Dialekt vornehmlich, ja ausschließlich von dem nicht mehr enden wollenden Regen, der an vielen Orten schon ganze Berghänge in Bewegung gebracht hatte.“ Alles ist Klage. Das Heu und die Kartoffeln verfault, die Johannisbeeren wieder nichts geworden, der Holder verregnet, und weit und breit kein einziger essbarer Apfel. Bis hierhin folgt man Sebalds böser Erzählung mit einem ähnlichen Vergnügen wie den Tiraden des von ihm verehrten Thomas Bernhard. Sebald schlägt einen ähnlichen Ton an, der ihm bei der Beschreibung der unguten Stimmung, der schlimmen Tiroler und des verheerenden Tiroler Wetters gelegen kommt. Überhaupt ist Tirol eine Gegend, die nichts Gutes verheißt. Später wird Sebald bei seinen Wertacher Recherchen noch erfahren, dass einst der Jäger Schlag „eine gute Stunde außerhalb seines Reviers, auf der Tiroler Seite, auf dem Grund eines Tobels“ tot aufgefunden wurde, und niemand zu sagen gewusst hätte, was der Jäger „ausgerechnet in dieser Jahreszeit und bei diesem Wetter im Österreichischen drüben zu suchen gehabt habe“, und von Peter Ambroser weiß man nur, dass er

verkündet hat: „Ich bin ins Tirol gegangen“, und für immer spurlos verschwunden geblieben ist. Doch allein mit dem düsteren Tirol ist es nicht getan. Denn liegt Innsbruck erst einmal hinter dem verdrossenen Reisenden, tritt im Laufe der Busfahrt die Schönheit der Tiroler Landschaft zutage – und verlangt danach, beschrieben zu werden: In der Tiefe liegen „die dunkeltürkis-grünen Flächen des Fernstein-Sees und des Samaranger Sees“, und Sebald erinnert sich bei deren Anblick, dass diese ihm „schon in der Kindheit, als wir mit dem 170er Diesel des Schofförs Göhl den ersten Ausflug ins Tirol machten, wie der Inbegriff aller nur erdenklichen Schönheit vorgekommen waren.“ Vor dieser Naturschönheit aber verstummen nicht nur die Vogelstimmen der Tirolerinnen; vor ihr wird auch Sebalds Sprache klanglos: „durch weite Steinfelder mäandernde Wasser“ und „schöne grüne Wiesen“ zählt Sebald auf sowie eine „frisch gefirnisste Gegend“ und „die dampfenden Wälder, das blaue Himmelgewölbe“. Das alles erscheint ihm zwar „wie eine Offenbarung“, und doch offenbart sich seinem Leser die behauptete Schönheit nur dann, wenn er sie selbst zuvor erfahren hat und eine eigene Erinnerung daran besitzt, die von Sebalds Beschreibungen, mit denen dieser wiederum seine Kindheitserinnerungen zu fassen versucht, bloß evoziert wird. Die Beschreibungen bleiben schal. Die Tirolerinnen steigen schließlich eine nach der anderen, „in Reutte, in Weißenbach in Haller, Tannheim und Schattwald“, aus dem Bus aus, und wenn Sebald als letzter Fahrgast das Zollamt von Oberjoch erreicht, die Schönheit der Tiroler Natur hinter sich lässt, in das Tannheimer Tal blickt, „das einen niedergedrückten, lichtlosen und gottverlassenen Eindruck machte“, und allein seine Wanderung beginnt, dann begleitet man ihn fast erleichtert, weil das unzulänglich beschriebene, vielleicht unbeschreibbar Schöne nun hinter ihm und die bedrohliche Heimat noch vor ihm liegt, „durch die ans Niemandsland grenzenden Moorwiesen“, an „blattlosen Buchen“ vorbei, bis „die wenige fahle Farbe in den nassen, verlassenen Feldern vollends ausgelöscht wurde“, in die Dunkelheit. 88 / 89


Schr ften und sogar erst zur Entschlüsselung der H eroglyphenschr ft be getragen hat. D e Gesch chte des Ste ns von Rosette mag Sebald früh e ne

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in Altgriechisch, Demotisch und Hieroglyphenschrift bietet und so zum besseren Verständnis jener beiden

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III. „mit dem Aug eines Kranichs“ Wie aus diesen Tiefen wieder herauskommen, wie in die Höhe, ans Licht? Wie auch das Schöne angemessen beschreiben? Die Malerei kennt einen Weg. In Sebalds Die Ringe des Saturn (1995) betrachtet der Erzähler das Gemälde Ansicht von Haarlem mit Bleichfeldern von Jacob van Ruisdael: „Die gegen Haarlem sich hinziehende Ebene ist aus der Höhe herunter gesehen, von den Dünen aus, wie im allgemeinen behauptet wird, doch ist der Eindruck einer Schau aus der Vogelperspektive so stark, daß diese Seedünen ein richtiges Hügelland hätten sein müssen, wenn nicht gar ein kleines Gebirge.“ Sebald weiß: „In Wahrheit ist van Ruisdael beim Malen natürlich nicht auf den Dünen gestanden, sondern auf einem künstlichen, ein Stück über der Welt imaginierten Punkt. Nur so konnte er alles zugleich sehen, den riesigen, zwei Drittel des Bildes einnehmenden Wolkenhimmel, die Stadt, die bis auf die alle Häuser überragende St. Bavokathedrale kaum mehr ist als eine Art Ausfransung des Horizonts, die dunklen Buschen und Gehölze, das Anwesen im Vordergrund und das lichte Feld, auf welchem die Bahnen der weißen Leinwand auf der Bleiche liegen und wo, soviel ich zählen konnte, sieben oder acht kaum einen halben Zentimeter große Figuren bei ihrer Arbeit sind.“ Diese Technik, die Betrachtung und Darstellung der Welt von einem imaginierten, überhöhten Punkt aus, hat ein Echo in einem Essay Sebalds zur Literatur. Zu den wichtigsten erzähltechnischen Mitteln Vladimir Nabokovs, des von ihm bewunderten Gedächtniskünstlers, zählt Sebald das Verfahren, das „durch kaum wahrnehmbare Nuancierungen und Verschiebungen der Perspektive, einen unsichtbaren Beobachter ins Spiel bringt, der einen besseren Überblick zu haben scheint nicht nur als die Figuren der Erzählung, sondern auch als der Erzähler und der Autor, der diesem die Feder führt, ein Kunstgriff, der es Nabokov erlaubt, die Welt und sich selber in ihr von oben zu sehen. Tatsächlich enthält sein Werk zahlreiche Passagen, die aus einer Art Vogelperspektive geschrieben sind.“ Doch auch die Perspektive des Vogels lässt sich

noch erhöhen: „Von noch weiter oben, aus dem blauen Staub des Himmels heraus, sieht ein Flugzeugpilot den gesamten Verlauf der Straße und zwei zwölf Meilen auseinanderliegende Dörfer. Und wenn wir noch weiter hinauf könnten in die dünner und dünner werdende Luft, dann sähen wir vielleicht, so der Erzähler an dieser Stelle, das Gebirge in seiner ganzen Ausdehnung und eine ferne Stadt in einem anderen Land – zum Beispiel Berlin. Die Welt im Auge des Kranichs, mit dem manchmal die holländischen Maler, wenn sie etwa die Flucht nach Ägypten malten, sich über das flache Panorama erhoben, das sie drunten auf der Erde umgab. Analog wird das Schreiben, wie es Nabokov betreibt, in die Höhe getragen von der Hoffnung, daß sich, bei genügender Konzentration, die hinter dem Horizont schon hinabgesunkenen Landschaften der Zeit in einem synoptischen Blick noch einmal könnte erfassen lassen.“ So könnte schließlich selbst die Schönheit der Natur erfasst und beschrieben werden. Bereits in Nach der Natur, Sebalds literarischem Debüt, lesen wir: „[…] wie mit dem Aug eines Kranichs überblickt man sein weites Gebiet […] und lernt langsam an der Winzigkeit der Figuren und der unbegreiflichen Schönheit der Natur, die sie überwölbt, jene Seite des Lebens zu sehen, die man vorher nicht sah.“ Wie sehr diese Perspektive freilich ein Hilfsmittel bei der Kunst der Repräsentation der Geschichte bleibt, zeigt ein Wunschtraum Nabokovs, dem, so Sebald, „die Seilbahn, insbesondere der Sessellift, das liebste Beförderungsmittel war“, und der jenen synoptischen Blick weiter steigern möchte: „Berückend und im besten Sinne des Wortes traumhaft finde ich es, in der Morgensonne auf diesem Zaubersitz zwischen Tal und Baumgrenze zu schweben und aus der Höhe meinen Schatten zu beobachten, wie er in Sitzhaltung – ein geisterhaftes Schmetterlingsnetz in der Geisterfaust – 90 / 91


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<font color=“#00AAEF“><img src=“pfeilchenblukl.jpg“ alt=““ border=“0“> Weitere Infos: </font><a href=“http://www.artipool.de/ansicht.cfm?museumsID=1302“ style=“text-decoration: none;“><font color=“#00AAEF“> Schirn Kunsthalle</font></a> <br> </div>

<font color=“00AAEF“><img src=“pfeilchenblukl.jpg“ border=“0“><font color=“#00AAEF“> Weitere Infos zur Ausstellung:<br> <div style=“padding: 0px 0px 0px 12px;“> </td>

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<a href=“ausstellungansicht.cfm?ausstellungsid=23119“ style=“text-decoration: none;“><font color=“00AAEF“> <font color=“#00AAEF“> Ausstellung <font color=“#00AAEF“>JEFF KOONS in Frankfurt/Main</font></font></font></a><font color=“00AAEF“><font color=“#00AAEF“><font color=“#00AAEF“> </font> </font></font></div><font color=“00AAEF“><font color=“#00AAEF“>

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<br> <br> Im Sommer 2012 widmen sich die Schirn und die Liebieghaus Skulpturensammlung dem Werk des 1955 geborenen US-amerikanischen Künstlers Jeff Koons. Bewusst trennen die parallel stattfindenden Ausstellungen zur Arbeit dieses seit den 1980er-Jahren richtu... <a href=“http:// www.artipool.de/ausstellungansicht.cfm?ausstellungsid=23119“ style=“text-decoration: none;“><font color=“#00AAEF“> [mehr]</font></a><br>

<br><br><br> <b><font color=“black“>Frankfurt/Main/ Schirn Kunsthalle </font></b>

Zeitraum: 21.06.2012 bis 23.09.2012

<font color=“#00AAEF“ face=“arial“ size=“3“> Ausstellung </font> <font style=“line-height: 20px;“ color=“#00AAEF“ face=“arial“ size=“4“> „JEFF KOONS“ in Frankfurt/Main</font><br>

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<a href=“ausstellungansicht.cfm?ausstellungsid=23118“ style=“text-decoration: none;“><font color=“00AAEF“> <font color=“#00AAEF“> Ausstellung <font color=“#00AAEF“>MICHAEL RIEDEL.

<font color=“00AAEF“><img src=“pfeilchenblukl.jpg“ border=“0“><font color=“#00AAEF“> Weitere Infos zur Ausstellung:<br> <div style=“padding: 0px 0px 0px 12px;“>

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<br> <br> Aufnehmen - Labeln - Abspielen. Mit dem Aspekt der Reproduktion und Wiederholung beschäftigt sich der in Frankfurt lebende Künstler Michael Riedel seit seinen ersten Aktionen im Rahmen des legendären Kunstprojekts „Oskar-von-Miller-Straße 16“, das er 2000 initiierte und welches in gleichnamiger Straße in Frankfurt seinen Anfang nahm. Dort fanden Riedels sogenannte „Clubbed Clubs“ und „Filmed Films“ sowie die bis heute inmitten von Kunst und Leben angesiedelte „Freitagsküche“ statt. Riedel arbeitet mit aufgezeichneten Gesprächen, Filmen und Performances oder Ausstellungen anderer Künstler. Das System seines Schaffens beruht auf der Kombination dieser Elemente zu immer neuen Variationen und der Transformation eines Mediums in ein anderes. Sprachaufnahmen überträgt Riedel zum Beispiel durch Transkription in den Bereich des Visuellen, verfremdet und erweitert sie mithilfe technischer Möglichkeiten, um sie schließlich in neuer Lesart zu reproduzieren oder erneut abzuspielen. Unter dem Titel „Kunste zur Text“ präsentiert die Schirn Kunsthalle eine erste Retrospektive seines Werks. artipool. de/ausstellungansicht.cfm?ausstellungsid=23118“ style=“text-decoration: none;“><font color=“#00AAEF“> [mehr]</font></a><br>

<br><br><br> <b><font color=“black“>Frankfurt/Main/ Schirn Kunsthalle </font></b>

Zeitraum: 15.06.2012 bis 09.09.2012

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<br><br><br> <b><font color=“black“>Frankfurt/Main/ Schirn Kunsthalle </font></b>

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© Michael Riedel, 2012

< b r > < b r > Aufnehmen - Labeln - Abspielen. Mit dem Aspekt der Reproduktion und Wiederholung beschäftigt sich der in Frankfurt lebende Künstler Michael Riedel seit seinen ersten Aktionen im Rahmen des legendären Kunstprojekts „Oskar-von-Miller-Straße 16“, das er 2000 initiierte und welches in gleichnamiger Straße in Frankfurt seinen Anfang nahm. Dort fanden Riedels sogenannte „Clubbed Clubs“ und „Filmed Films“ sowie die bis heute inmitten von Kunst und Leben angesiedelte „Freitagsküche“ statt. Riedel arbeitet mit aufgezeichneten Gesprächen, Filmen und Performances oder Ausstellungen anderer Künstler. Das System seines Schaffens beruht Zeitraum: 15.06.2012 bis 09.09.2012

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Kunstezur

<br><br><br> <b><font color=“black“>Frankfurt/Main/ Schirn Kunsthalle </font></b>

auf der Kombination dieser Elemente zu immer neuen Variationen und der Transformation eines Mediums in ein anderes. Sprachaufnahmen überträgt Riedel zum Beispiel durch Transkription in den Bereich des Visuellen, verfremdet und erweitert sie mithilfe technischer Möglichkeiten, um sie schließlich in neuer Lesart zu reproduzieren oder erneut abzuspielen. Unter dem Titel „Kunste zur Text“ präsentiert die Schirn Kunsthalle eine erste Retrospektive seines Werks.

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Zeitraum: 15.06.2012 bis 09.09.2012

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© Michael Riedel, 2012

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Bemerkenswert ist der Verweis auf den „Stein von Rosette“, jene berühmte, während Napoleons Expedition nach Ägypten 1799 aufgefundene, 2000 Jahre alte Stele, die eine synoptische Gegenüberstellung des gleichen Texts in Altgriechisch, Demotisch und Hieroglyphenschrift bietet und so zum besseren Verständnis jener beiden Schriften und sogar erst zur Entschlüsselung der Hieroglyphenschrift beigetragen hat. Die Geschichte des Steins von Rosette mag Sebald früh eine Idee davon vermittelt haben, welche Korrespondenzen zwischen den Dingen bestehen und, so Sebald in Logis in einem Landhaus, dem Essayband zur Schweizer Literatur, „wie über den Raum und die Zeit hinweg alles miteinander verbunden ist, das Leben des preußischen Schriftstellers Kleist mit dem eines Schweizer Prosadichters, der behauptet, Aktienbrauereiangestellter gewesen zu sein in Thun, das Echo eines Pistolenschusses über den Wannsee mit dem Blick aus dem Fenster der Heilanstalt Herisau, die Spaziergänge Walsers mit meinen eigenen Ausflügen, die Geburtsdaten mit denen des Todes, das Glück mit dem Unglück, die Geschichte der Natur mit der unserer Industrie, die der Heimat mit der des Exils.“ <br><br><br> <b><font color=“black“>Frankfurt/Main/ Schirn Kunsthalle </font></b>

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Ausstellung </font> <font style=“line-height: 20px;“ color=“#00AAEF“ face=“arial“ size=“4“> „MICHAEL RIEDEL. font><br>

Zeitraum: 15.06.2012 bis 09.09.2012

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Ausstellung </font> <font style=“line-height: 20px;“ color=“#00AAEF“ face=“arial“ size=“4“> „MICHAEL RIEDEL.

Zeitraum: 15.06.2012 bis 09.09.2012

<br><br><br> <b><font color=“black“>Frankfurt/Main/ Schirn Kunsthalle </font></b>

< b r < b r Aufnehmen - Labeln - Abspielen. Mit dem Aspekt der Reproduktion und Wiederholung beschäftigt sich der in Frankfurt lebende Künstler Michael Riedel seit seinen ersten Aktionen im Rahmen des legendären Kunstprojekts „Oskar-von-Miller-Straße 16“, das er 2000 initiierte und welches in gleichnamiger Straße in Frankfurt seinen Anfang nahm. Dort fanden Riedels sogenannte „Clubbed Clubs“ und „Filmed Films“ sowie die bis heute inmitten von Kunst und Leben angesiedelte „Freitagsküche“ statt. Riedel arbeitet mit aufgezeichneten Gesprächen, Filmen und Performa <tr> <td valign=“top“ width=“64%“>

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Kunste

<br> <br> Aufnehmen - Labeln - Abspielen. Mit dem Aspekt der Reproduktion und Wiederholung beschäftigt sich der in Frankfurt lebende Künstler Michael Riedel seit seinen ersten Aktionen im Rahmen des legendären Kunstprojekts „Oskar-von-Miller-Straße 16“, das er 2000 initiierte und welches in gleichnamiger Straße in Frankfurt seinen Anfang nahm. Dort fanden Riedels sogenannte „Clubbed Clubs“ und „Filmed Films“ sowie die bis heute inmitten von Kunst und Leben angesiedelte „Freitagsküche“ statt. Riedel arbeitet mit aufgezeichneten Gesprächen, Filmen und Performances oder Ausstellungen anderer Künstler. Das System seines Schaffens beruht auf der Kombination dieser Elemente zu immer neuen Variationen und der Transformation eines Mediums in ein anderes. Sprachaufnahmen überträgt Riedel zum Beispiel durch Transkription in den Bereich des Visuellen, verfremdet und erweitert sie mithilfe technischer Möglichkeiten, um sie schließlich in neuer Lesart zu reproduzieren oder erneut abzuspielen. Unter dem Titel „Kunste zur Text“ präsentiert die Schirn Kunsthalle eine erste Retrospektive seines Werks. artipool. de/ausstellungansicht.cfm?ausstellungsid=23118“ style=“text-decoration: none;“><font color=“#00AAEF“> [mehr]</font></a><br>

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<font color=“00AAEF“><img src=“pfeilchenblukl.jpg“ border=“0“><font color=“#00AAEF“> Weitere Infos zur Ausstellung:<br> <div style=“padding: 0px 0px 0px 12px;“>

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<font color=“#00AAEF“><img src=“pfeilchenblukl.jpg“ alt=““ border=“0“> Weitere Infos: </font><a href=“http://www.artipool.de/ansicht.cfm?museumsID=1302“ style=“text-decoration: none;“><font color=“#00AAEF“> Schirn Kunsthalle</font></a> <br>

<a href=“ausstellungansicht.cfm?ausstellungsid=23119“ style=“text-decoration: none;“><font color=“00AAEF“> <font color=“#00AAEF“> Ausstellung <font color=“#00AAEF“>JEFF KOONS in Frankfurt/Main</font></font></font></a><font color=“00AAEF“><font color=“#00AAEF“><font color=“#00AAEF“> </font> </font></font></div><font color=“00AAEF“><font color=“#00AAEF“>

Weißdorn am Hag entlang einer Strecke Wegs schwarz auf dem Papyrus des Winters der Stein von Rosette

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<font color=“00AAEF“><img src=“pfeilchenblukl.jpg“ border=“0“><font color=“#00AAEF“> Weitere Infos zur Ausstellung:<br> <div style=“padding: 0px 0px 0px 12px;“>

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<font color=“#00AAEF“ face=“arial“ size=“3“> Ausstellung </font> <font style=“line-height: 20px;“ color=“#00AAEF“ face=“arial“ size=“4“> „JEFF KOONS“ in Frankfurt/Main</font><br>

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<div style=“padding: 4px 12px 30px 32px;“> <a href=“http://www.artipool.de/ausstellungansicht.cfm?ausstellungsid=23118“ style=“text-decoration: none;“></a>

<font color=“#00AAEF“><img src=“pfeilchenblukl.jpg“ alt=““ border=“0“> Weitere Infos: </font><a href=“http://www.artipool.de/ansicht.cfm?museumsID=1302“ style=“text-decoration: none;“><font color=“#00AAEF“> Schirn Kunsthalle</font></a> <br>

</font></font></div><font color=“00AAEF“><font color=“#00AAEF“>

zur Text

<a href=“ausstellungansicht.cfm?ausstellungsid=23118“ style=“text-decoration: none;“><font color=“00AAEF“> <font color=“#00AAEF“> Ausstellung <font color=“#00AAEF“>MICHAEL RIEDEL.

Die Zeichen sind versammelt seßhaft am Rand der Dämmerung ins Holz geschnitten geharzt und gerußt gedruckt an den Berg

<br> <br> Im Sommer 2012 widmen sich die Schirn und die Liebieghaus Skulpturensammlung dem Werk des 1955 geborenen US-amerikanischen Künstlers Jeff Koons. Bewusst trennen die parallel stattfindenden Ausstellungen zur Arbeit dieses seit den 1980er-Jahren richtu... <a href=“http:// www.artipool.de/ausstellungansicht.cfm?ausstellungsid=23119“ style=“text-decoration: none;“><font color=“#00AAEF“> [mehr]</font></a><br>

<br><br><br> <b><font color=“black“>Frankfurt/Main/ Schirn Kunsthalle </font></b>

Zeitraum: 21.06.2012 bis 23.09.2012

Schattwald im Tirol

“ in Frankfurt/Main</font><br>

auf der Kombination dieser Elemente zu immer neuen Variationen und der Transformation eines Mediums in ein anderes. Sprachaufnahmen überträgt Riedel zum Beispiel durch Transkription in den Bereich des Visuellen, verfremdet und erweitert sie mithilfe technischer Möglichkeiten, um sie schließlich in neuer Lesart zu reproduzieren oder erneut abzuspielen. Unter dem Titel „Kunste zur Text“ präsentiert die Schirn Kunsthalle eine erste Retrospektive seines Werks.

Text

Kunste zur

Ausstellung </font> <font style=“line-height: 20px;“ color=“#00AAEF“ face=“arial“ size=“4“> „MICHAEL RIEDEL.

Aussteu l ng</fon< t>fonstye l =“n il e-heg i h2t:0pxc;“oo l r=“#00AAEFfa“ce=“ara is“lzie=“4“>„MICHAELRIEDEL.

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Zeitraum: 15.06.2012 bis 09.09.2012

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<a href=“ausstellungansicht.cfm?ausstellungsid=23118“ style=“text-decoration: none;“><font color=“00AAEF“> <font color=“#00AAEF“> Ausstellung <font color=“#00AAEF“>MICHAEL RIEDEL. </font></font></div><font color=“00AAEF“><font color=“#00AAEF“> <br> <br>

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IV. „der Stein von Rosette“ Dem synoptischen Blick, der räumliche und zeitliche Verbindungen ermöglicht, entspricht in Sebalds Schreiben die Analogie, die Ordnungen nicht durch Begründungs-, sondern Verwandtschaftszusammenhänge schafft. Wie sich dieses Verfahren literarisch nutzen lässt, macht Sebald in Schwindel. Gefühle. anschaulich: „Ich saß an einem Tisch nahe der offenen Terrassentür, hatte meine Papiere und Aufzeichnungen um mich her ausgebreitet und zog Verbindungslinien zwischen weit auseinanderliegenden Ereignissen, die mir derselben Ordnung anzugehören schienen. Das Schreiben ging mir mit erstaunlicher Leichtigkeit von der Hand. Zeile und Zeile füllte ich die Bogen des linierten Schreibblocks“. Einen frühen Hinweis auf eine synoptische Darstellung enthält Sebalds bereits 1965, im Alter von 21 Jahren, veröffentlichtes Gedicht Schattwald im Tirol. <br>

Im Haus aus Schatten am Anfang der Legende beginnt das Entziffern Die Dinge sind verschieden von ihrem Anschein Die Verwechslung unter den Mitreisenden fand immer statt

“ in Frankfurt/Main</font><br>

drunten als Scherenschnitt in der Seitenansicht zwischen tanzenden Mohren- und Perlmuttfaltern sachte über den beblümten Hang hinwandert.“ Desto höher der Beschreibende hinaufsteigt, desto größer ist das Feld und desto weiter sind die Räume, die er überblicken kann, und so sehnt sich Nabokov nach einer Levitation oder einem Vogelflug und er träumt davon, dass er einmal „aufrecht über Gebirge hinweggleitet, getragen von einer auf seinem Rücken festgeschnallten Kleinstrakete.“

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<font color=“#00AAEF“ face=“arial“ size=“3“> Ausstellung </font> <font style=“line-height: 20px;“ color=“#00AAEF“ face=“arial“ size=“4“> „JEFF KOONS“ in Frankfurt/Main</font><br>

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<font color=“#00AAEF“><img src=“pfeilchenblukl.jpg“ alt=““ border=“0“> Weitere Infos: </font><a href=“http://www.artipool.de/ansicht.cfm?museumsID=1302“ style=“text-decoration: none;“><font color=“#00AAEF“> Schirn Kunsthalle</font></a> <br> in Frankfurt/Main</font></font></font></a><font color=“00AAEF“><font color=“#00AAEF“><font color=“#00AAEF“> </font>

<font color=“00AAEF“><img src=“pfeilchenblukl.jpg“ border=“0“><font color=“#00AAEF“> Weitere Infos zur Ausstellung:<br> <div style=“padding: 0px 0px 0px 12px;“>

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der ursprüngliche Titel 1034

Das „Ferienhaus“ 7907

96 / 97


Ferienhaus für Tanja oder: Das Schweigen des Galeristen In der Tiroler Gemeinde Mösern wachte bis vor kurzem die gewaltige „Friedensglocke“ über die Gegend. Dieser Frieden scheint nun in Gefahr zu sein, steht doch seit ein paar Monaten mitten in der Bergwelt das „Ferienhaus für Terroristen“ – so der ursprüngliche Titel der Kunstinstallation des deutschen Bildhauers Thomas Schütte. Bauherr dieser 100 Quadratmeter großen, begehbaren Skulptur ist der international tätige Galerist Rafael Jablonka, der Interessierten nach Terminvereinbarung Zugang zum „Nachdenkraum“ gewährt. Eigentlich. – Ein Hausbesuch von Jochen Jung

1 Jablonka, bitte melden! 12.02.2013, 13:20 Sehr geehrter Herr Jung, für die kommende Ausgabe von Quart hätten wir gerne einen Text von Ihnen. Es gibt auch eine konkrete Idee: Sicher haben Sie schon etwas vom „Ferienhaus für Terroristen“ gehört. Würden Sie für uns dorthin fahren und einen Text darüber schreiben? Wir wollen keine Kunstrezeption, sondern einen literarischen Beitrag, inspiriert von der Installation Schüttes und dem Ort. Würde Sie so etwas interessieren? Herzliche Grüße, die Redaktion 14.02.2013, 16:12 Liebe Quart-Redaktion, zunächst einmal danke für die Einladung, verbunden mit einem leichten Staunen darüber, dass Sie dafür an mich gedacht haben. Interesse hätte ich. Thomas Schütte ist mir als systematischem Feuilletonleser durchaus bekannt, ohne dass ich mich näher mit ihm beschäftigt hätte (seine Aquarelle gefielen mir allerdings immer sehr, aber das ist ja auch „kein Kunststück“.) Das „Ferienhaus“, so simpel es aussieht, ist natürlich eine vertrackte Sache, aber ein Nicht-Spezialist wie ich muss da vor gewissen Bezügen sowieso kapitulieren. Frage: Gibt es ein Honorar? Und vor allem: Kann man in dem Haus eine Nacht verbringen? Herzlich, Jochen Jung

15.02.2013, 9:45 Lieber Herr Jung, einen Termin für die Öffnung des Hauses – und die Antwort auf die Übernachtungsfrage – bekommt man bei den zuständigen Leuten vor Ort, da können wir helfen. Und, ja – es gibt ein Honorar. Noch Fragen? Herzlich, die Redaktion 18.02.2013, 10:15 Also, liebe Redaktion, ich nehme Ihre Einladung gern an. Ich würde Sie aber bitten, den Kontakt mit den „Zuständigen“ herzustellen, wg. Besichtigung und Übernachtung. Herzlich, Ihr Jochen Jung 18.02.2013, 13:59 Lieber Herr Jung, es freut uns wirklich sehr, dass Sie zusagen. Am besten schicken wir Ihnen einfach die Kontaktdaten desjenigen, der Sie ins Haus lässt. Herzlich, die Redaktion 19.02.2013, 12:48 Sehr geehrte Redaktion, geht es im März 9. oder 10.? Beste Grüße, Rafael Jablonka 19.02.2013, 12:56 Lieber Herr Jung,


an einem Wochentag 5489

TourismusbĂźro 1829

Einlass 1891

98 / 99


melden Sie sich bei Herrn Jablonka? Schöne Grüße, die Redaktion 20.02.2013, 07:01 Guten Morgen lieber Herr Jung, steht die Verbindung zwischen Herrn Jablonka und Ihnen? Gibt es einen Termin? Herzlich, die Redaktion 21.02.2013, 09:57 Sehr geehrter Herr Jablonka, wie Sie gehört haben, hat die Redaktion von „Quart“ mich gebeten, etwas über das Ferienhaus für T. von Thomas Schütte zu schreiben, was ich auch sehr gern machen würde. Wie ich höre, haben Sie das Wochenende 9. / 10. März vorgeschlagen, an dem man mir das Haus öffnen könnte. Meine Fragen dazu sind: Kann ich im Haus übernachten? (Das schiene mir wichtig.) Und ginge es auch in der Nacht vom 8. auf den 9. März? Ich würde mich freuen, wenn ich auch Sie bei der Gelegenheit kennenlernen könnte, und grüße einstweilen herzlich, Jochen Jung

im Haus, am Wochenende drauf auf der Leipziger Buchmesse, am nächsten habe ich Vertretertagung, dann ist Ostern, dann Rauriser Literaturtage, dann ein Handke-Symposium im Theatermuseum – Sie sehen: Nicht nur Herr Jablonka hat so seine Termine. Herzlich, Jochen Jung 05.03.2013,16:55 Lieber Herr Jung, es wäre sehr schade, wenn die ganze Sache scheitern würde … was schlagen Sie vor? Herzlich, die Redaktion 05.03.2013, 17:22 Liebe Redaktion, das Problem liegt ja offenbar bei Herrn Jablonka. Wissen Sie, ob er der einzige mit einem Schlüssel für das Haus ist? Da ich ja eh nicht im Haus übernachten kann, ginge es eventuell auch an einem Wochentag, aber auch da sind meine Möglichkeiten beschränkt. Es ginge im März nur am 11., 18. und 27. Könnten Sie ihm einen Stups geben? JJ

02.02.2013, 16:27 Sehr geehrter Herr Jung, leider kann ich den Termin noch nicht bestätigen. Ich werde mich kurzfristig melden. Eine Übernachtung in dem Ferienhaus ist nicht möglich. Mit freundlichen Grüßen, Rafael Jablonka

05.03.2013, 17:36 Lieber Jochen Jung, im Tourismusbüro Telfs sagte man uns eben, dass wir uns an Herr Jablonka wenden sollten – wir werden ihm noch einmal schreiben und informieren Sie, sobald wir etwas Zweckdienliches herausfinden konnten. Schöne Grüße, die Redaktion

02.03.2013, 14:29 Sehr geehrter Herr Jablonka, können Sie mir inzwischen sagen, wann ich das Haus besichtigen kann? Mit freundlichen Grüßen, Jochen Jung

07.03.2013, 08:55 Lieber Jochen Jung, Zu Ihrer Information – Gleich nach unserem Mailaustausch haben wir an Herrn Jablonka geschrieben und erneut bei ihm in Telfs um Einlass gebeten – bis jetzt ist noch keine Antwort bei uns eingelangt. Wir halten Sie auf dem Laufenden und grüßen einstweilen herzlich, die Redaktion

05.03.2013, 16:48 Liebe Quart-Redaktion, es sieht ein bisschen wackelig aus: Ich bin Do / Fr nicht


der Alltag 1142

Modelle von Menschen 4354

100 / 101

Modelle von Bauten 4354


12.03.2013, 08:58 Betreff: das Schweigen des Galeristen Lieber Jochen Jung, Herr Jablonka meldet sich einfach nicht bei uns. Jetzt hoffen wir leise, dass er sich bei Ihnen gerührt hat … ja? Wir würden unter diesen schleppenden Umständen auch den Redaktionsschluss etwas hinauszögern. Haben Sie einen guten Tag! Die Redaktion 12.03.2013, 09:30 Liebe Redaktion, Ich kommentiere das besser nicht, aber ich staune. Jedenfalls hat er sich bei mir auch nicht gemeldet. Aber Ihr Betreff ist ja ein sehr schöner Titel – darüber ließe sich doch auch was Hübsches schreiben … Whatsoever, herzlich, JJ 12.03.2013, 14:35 Wissen Sie was – das sollten wir / Sie machen! Schreiben Sie doch darüber, wie Sie um das Haus streunen und keinen Einlass bekommen …

II Thomas Schütte, 59, Düsseldorf Natürlich habe ich, noch während die Mails hin und her gingen, versucht, mich über Thomas Schütte halbwegs schlau zu machen, um wenigstens ungefähr zu wissen, mit wem ich es da zu tun bekommen würde. Hübsche Falle, zu sagen, man will nichts Kunsthistorisches, und einen dann zu einem Kunstwerk zu schicken, das bloß so tut wie ein Haus. Sah von Weitem so aus, als gäb’s da drei Werkgruppen: die Aquarelle, die Figuren, die architektonischen Gebilde. Schwer zu glauben, dass die alle denselben Urheber haben – waren aber alle unter demselben Namen zwischen zwei Buchdeckeln. Die Aquarelle sind reines Glück, um nicht zu sagen: entzückend. Es reißt einen vor Vergnügen, wenn man in ihnen blättert. Man sieht das Wasser und die im Wasser explodierenden Farbpartikel, man hört, wie

sie lachen, und man schaut dabei zu, wie sich in ihnen der Alltag (z. B. ein Ei mit Eierlöffel) wiedererkennt und gleichzeitig verwandelt. Die Farben machen ihn präsent und besonders, proletarisch und karibisch, und so ist auch der leichtfüßige Witz, der da überall um die Ecken kichert. Dann die Figuren. Erst kleine, puppenhaft gequetschte Modellchen, die unversehens wachsen und Modelle werden und am Ende riesig sind, überlebensgroß, und auf einmal und endlich hat dieses Wort auch etwas mit dem Überleben zu tun. Der Mann im Matsch etwa, der da als Riese mit Wünschelrute vor der Sparkassenzentrale in Oldenburg steht, Schüttes Oma wohnt da gleich um die Ecke: Rettet der sich? Findet er was, wovon auch andre was haben? Wird er überleben? Sowas kann jedenfalls nur einer erfinden, der nicht leicht lebt. Und seine Geister, immerhin so und so oft lebensgroß, die aussehen, als wär der Michelin-Mann unter die Räder gekommen, huu, wie die da damals in Wien herumstanden und aussahen wie Wiener … Und schließlich das Architektonische. Seltsam. Das ist Architektur, die aussieht wie Architektur, die nie Architektur werden wird, weil der Architekt durch alle Prüfungen gefallen ist und anschließend zwei Flaschen Riesling getrunken hat, um die Welt zu trösten. Denkt man. Zunächst. Es sind Modelle in allen Größen und aus preiswertestem Material, um nicht zu sagen: aus billigstem. Es sind Modelle, aber Modelle von was? Man muss immer wieder hinschauen, um herauszufinden, warum man immer wieder hinschauen muss, und eine Weile denkt man: weil da irgendwas fehlt, aber was? Oder weil da irgendwas zu viel ist, aber was nur? Es sind Modelle von Bauten, die es vielleicht irgendwann mal geben wird, so wie die Geister Modelle von Menschen sind, die irgendwann mal gelebt haben. Aber dann erfährt man, dass Schütte bereits drei Häuser gebaut hat, oder hat bauen lassen, und dann ahnt man, dass die Geister vielleicht doch noch nicht ausgestorben sind. Nun ist Thomas Schütte ja nicht der erste Künstler, der auf die Idee mit den Häusern gekommen ist, und in Österreich schon gar nicht, denn in Österreich gab es Walter Pichler, Tiroler übrigens, wenn auch aus dem Süden. Auch er fing eines Tages an zu bauen, in St. Martin an der Raab, im tiefen Burgenland. Jedes Auto hat seine Garage, hat er gedacht, nur meine Plastiken sollen ir-


kein Kommentar zur Landschaft 7564

auf Sockeln 4527 auch Sockel 7491

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gendwo herumstehen? Und dann hat er ihnen eben Häuser gebaut, rundherum um das alte Bauernhaus, in dem er selber wohnte. Jetzt hatten alle ein Zuhause. Es hatte Sinn, und es machte Freude. Und also blieb es nicht dabei, er baute die Häuser für seine Stelen, das Haus auf Syros für die Steine, die ein Freund gesammelt hatte, das Haus neben der Schmiede seines Großvaters, die Passage, und derzeit entsteht posthum ein unterirdisches Museum für einen Sammler in Innsbruck. (Nur das Haus im See ist nie gebaut worden.) Es sind Wohnhäuser für Kunst, die selber kunstvoll sind, aber nicht selber Kunst. Nicht direkt jedenfalls, denn ein bisschen ist ja alles, was ein Künstler macht, Kunst. Alle Häuser von Walter Pichler stehen in der Landschaft, in der sie gebaut sind, wie dafür erfunden. Als wären sie ein Teil davon. Die drei Häuser von Thomas Schütte, die es schon gibt, sind dagegen kein Kommentar zur Landschaft, sondern eine Behauptung: Hier stehe ich; ich könnte zwar auch anders, aber so gefällt es mir. Hinzu kommt, dass Schüttes Häuser eine ganz andere Mimik haben als die von Pichler. Es steckt eine seltsame Ironie dahinter, was ja nicht dasselbe ist, als wenn sich jemand lustig machen wollte über die Gegend, in die das Haus geraten ist. Oder doch? Man glaubt zu spüren, dass irgendetwas an all dem nicht stimmt. Jedenfalls nicht übereinstimmt. Mit den Erwartungen, die offenbar auch nicht stimmen. Und dann steht auch noch alles auf Sockeln. Auf Tischen, die Sockel sind, oder auf Plätzen, Wiesen oder Plateaus, die auch Sockel sind. Und auch die Titel sind so etwas wie Sockel, und außerdem sind sie eine Art Materialapplikation aus Sprache. Und alles sieht so unfassbar anfassbar aus, so sachlich, stofflich, zeugmäßig. In der Welt.

III Das Haus im Wald Es geschah in diesem sagenumwobenen Frühjahr 2013, das jeden Winter des neuen und wahrscheinlich auch des alten Jahrtausends in seinen eisigen Schatten stellte, dass ich mich mitten in der Karwoche bei grauer Kälte auf den Weg von Salzburg nach Mösern in Tirol machte, um dort Thomas Schüttes Ferienhaus für T. eben nicht zu besichtigen, sondern nur anzuschauen

und anschließend den Text zu verfertigen, den Sie gerade lesen. Herr Jablonka hatte sich bis zuletzt nicht gemeldet. Ferienhaus für Terroristen hieß das Haus ursprünglich, aber wie ich erfahren hatte, fanden die Ferienhausvermieter von Mösern das gar nicht komisch, denn die Ferienhausvermieter von Mösern kennen ihre Mieter. Die suchen Fewos oder eben ganze Häuser mit netter, friedlicher Nachbarschaft. Darum heißt es jetzt nur noch Ferienhaus für T., und während ich auf der Autobahn durch den Schneematsch fuhr, versuchte ich das T. zu entschlüsseln, und natürlich fiel mir als erstes ein: Touristen. Das war allerdings sehr naheliegend, also überlegte ich weiter und kam dann endlich auf: Thomas. Natürlich, der Meister hatte das Haus für sich gebaut, für wen denn sonst, er war der Terrorist, und er war gerade dabei, mich in die Falle zu locken. Auch Jablonka war natürlich niemand anderer als Thomas Schütte, 59, geb. in Düsseldorf, und das Ganze war nichts anderes als ein abgekartetes Spiel, bei dem auch die Redaktion von Quart – – – Eigentlich unfassbar, was einem so durch den Kopf gehen kann, wenn man auf der Autobahn durch Schneematsch fährt. Mann im Matsch, ach Schütte, du hast mich. Ich entschied mich für: Ferienhaus für Tanja. Zweimal über die Grenze, dann Tirol, auf Innsbruck zu, an Innsbruck vorbei und hinauf nach Telfs. Und da inzwischen die Sonne sich mehr als durchgesetzt hatte und über der nassen Straße Dunstschwaden wie kleine Geister tanzten und der Himmel blau war wie das Mittelmeer und jenseits des Inns die riesigen weißen Berge ein unfassbares Panorama boten, klopfte mein Herz aufs Heiterste, als ich in Mösern ausstieg. Da war auch die Architektur, die ich zu sehen bekam, so weit so gut, denn ich würde ja gleich ganz was anderes zu sehen bekommen. Der erste, den ich nach dem Ferienhaus für T. fragte, war ein ungarischer Gastarbeiter, aber schon der zweite, der Chef des Imbiss’, rief, nachdem er erst nichts davon wusste, ich ihm dann aber sagte, dass das ein Künstlerhaus sei, hocherfreut aus „ah, das Terrorischtenhaus“ und wies mir den „Dorfkrug“ und von da gehe es links die Straße hinauf, dann sei ich gleich da. Links die Straße hinauf war ein monströses Apartment-


neben dem Parkplatz 4225

mitten im Wald 0123

Frieden und Unfrieden 7906

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haus, bei dem ich immerhin mein Auto abstellen konnte und wo neben dem Parkplatz ein kleines Holzhaus stand, in dem gebrauchte Bücher und allerlei Nippes waren, für einen Euro durfte man sich etwas nehmen. Natürlich muss ein Buchmensch nach den Büchern schauen, und siehe da, zwischen all dem, bei dem es mir um jeden Euro leid gewesen wäre, fand sich auch eine Bibel, die ich, dort stehend, sofort aufschlug, um folgende Stelle zu lesen, Nehemia 3,35: „Tobija, der Ammoniter, stand neben ihm und fügte hinzu: Sie sollen nur bauen! Wenn ein Fuchs an ihre Mauer springt, dann stürzt die ganze Herrlichkeit zusammen!“ Ich warf den Euro in die kleine Spardose und dachte: Jedes Hotelzimmer hat eine Bibel, und dein Auto soll keine haben? Und nahm sie mit. Die nächsten anderthalb Stunden kürze ich ab. Noch sechs Menschen habe ich nach dem Weg gefragt und bin dabei steile Wege durch den Wald gegangen, was auf 1200 m Höhe meine kurzatmige Lunge mitnahm wie zuletzt vor Jahren der Anstieg auf die Stufenpyramide von Tenochtitlan. Eine Dame meinte, es im Fernsehen gesehen zu haben, war sich aber nicht sicher, die anderen hingegen waren sich sicher, es nie gesehen zu haben, und einer rief mir zu „ein Terrorischtenhaus, das kann überall stehen“. Ich gab ihm recht und fing schon an, mir den Text zurecht zu legen zu dem Thema „Wie ich einmal das … suchte und nicht fand“. Dann ging ich noch einmal zum Dorfkrug, und die liebenswürdige Bedienerin nahm mich geradezu an der Hand, und zwei Minuten später stand ich vor der ganzen Herrlichkeit. Wieder musste ich tief Luft holen, diesmal aber, weil ich etwas sah, was ich seltsamerweise nicht erwartet hatte: Schönheit. Ich sah mitten im Wald ein nicht sehr großes Haus mit flachem Dach auf einem Grundstück, das nur wenig größer war als das Haus selbst. Und dieses Haus stand auf einem in drei Stufen vorspringenden Kupfersockel, und auch das Dach war aus blinkendem Kupfer, und auf dem Dach war ein schräger Kupferschornstein mit ausgeklügelten Applikationen, und unter dem mittelmeerblauen Himmel sah es aus wie ein kleines Kreuzfahrtschiff. Auch die Stämme der Fichten um das Haus sahen aus, als wären sie aus Kupfer, da, wo die Sonne sie beschien, und auch das sah sehr schön aus. Und obwohl man das eine oder andere Auto hörte, war es

still, das Lauteste war der tauende Schnee, der von den Ästen fiel. Und kein Fuchs in der Nähe. Ich ging um das Haus herum, das zwischen Dach und Sockel ganz aus Glas war und das einen Grundriss wie ein Flügel hatte, einer, auf dem die Musik der Stille gespielt wurde. Hinter dem Glas war es fast ganz verhängt mit gefältelten pastellfarbenen Vorhängen, aber eben nur fast, denn im hinteren Bereich, da, wo sich der Grundriss verjüngt, gab es keine Vorhänge, sondern das Glas war knapp mannshoch Milchglas, und auf Zehenspitzen konnte ich einen Blick in den sanitären Bereich werfen und also auch auf das gegen jede Kunstbemühung so rührend resistente Klo. Und: an einem der drei Glastüreingänge waren die Vorhänge aufgezogen, und ich konnte in den Raum hineinschauen. Da war rechts der Kamin, auch schräg, wie sein Schornstein, und davor lagen Filzpantoffeln, links sah ich, wenn ich mich vorbeugte, ein Waschbecken, und geradeaus, in der Mitte des kleinen Raumes, stand nichts als ein Holzstuhl mit kurzen Lehnen, und der sah mich an. Und weil ich nicht hineinkonnte in das Haus, weil Jablonka sich nicht gemeldet hatte, setzte ich mich auf ein sonnenheißes Stück des Kupfersockels und dachte, dass mir die Fotos von diesem Haus, die ich gesehen hatte, gar nichts gezeigt hatten und dass an dieser Stelle jeder Terrorist seinen Frieden finden würde. Ja, dieses Haus ist Thomas Schüttes Friedensangebot an sich selbst, dachte ich. Ich schlug noch einmal in meiner neuen alten Bibel die Stelle bei Nehemia auf und sah, dass es da um den Wiederaufbau der Stadtmauer von Jerusalem geht und dass sie anschließend das Laubhüttenfest feiern, zum ersten Mal wieder seit langem. „Und alle waren glücklich und voller Freude.“ Als ich dann zu dem Parkplatz zurückging, auf dem mein Auto stand, und mir die Sonne ins Gesicht schien, jetzt, kurz vor Ostern, ging mir noch durch den Kopf, dass die Welt wirklich ein seltsames Gemisch ist aus Berg und Tal, Frieden und Unfrieden, Kunst und Unkunst, und grad, als ich in mein Auto steigen wollte, schaute ich auf und sah auf einem der obersten Balkons des riesigen Apartmenthauses einen splitternackten Mann, der sich seinen Liegestuhl zur Sonne richtete, und es schien mir, dass er mir von oben zublinzelte. Jablonka?




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Fließtext*

Von Brigitte Kronauer

*

— Text, der in einem Stück und ohne Unterbrechungen durch Absätze, Überschriften, Abbildungen, Fußnoten u. Ä. gesetzt wird. — Aufforderung, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und dabei nicht zurückzuschauen; freihändig draufloszulegen, ohne zu korrigieren; die Buchstaben zu Papier zu bringen und bedenkenlos aus der Hand zu geben.

Gewäsch – Es sei ja so, meine sie, Herta, daß man sich zwar immer wieder vornehme, nichts Schlechtes über andere zu reden. Nur: Was denn dann noch übrig bleibe, über das man angeregt sprechen könne? Solle man stattdessen pfeifen oder vorlesen? In Schweigen verdummen? Bloß das Gute herausstellen? Ihr, Herta, komme das nach kurzer Zeit vor wie eine Heuchelei, eine Beschönigung, ja, wie eine Verdämlichung, nicht Verbesserung der Welt. Rolf Zenker zum Beispiel, sagt Ruth, sei völlig ohne Ironie, er empfinde sie geradezu als Verrat. Seine Frau Ute sei dagegen in einer Familienironie aufgewachsen und von klein auf daran gewöhnt. Ihm, Rolf, ziehe Ironie den Boden unter den Füßen weg, sie, Ute, ersticke an dem Dauerernst. Sie hätten sich einander angeglichen, um glücklich zu sein. Aber zweimal habe es in Gesellschaft für sie, Ruth, ein Erkennen und Erschrecken gegeben. Als nämlich Ute ganz wunderbar aufgeblüht sei unter den Ironischen, Rolf unter den Einfältigen. Sie, Ruth, hege seitdem den Verdacht, daß zwischen diesem Ehepaar, genausogut möglich wie ihr offensichtliches Glück, ein unversöhnlicher, unpersönlicher Haß jederzeit ausbrechen könne. Da könne sie, Herta, auch was beisteuern. Ihre Tochter, die gerade aufgrund eines Castings beim Fernsehen kahlgeschoren sei und wegen der Kälte auch im Zimmer mit einer Mütze rumlaufe, habe es von der anderen Großmutter, seitens ihres, Hertas, Exmannes, erzählt. Die sei immer so perplex gewesen, wie Freunde von ihr im hohen Alter nach langem bürgerlichem Leben statt friedlich nebeneinander auf dem Sofa zu sitzen, täglich aufeinander eingedroschen hätten. Aber dann sei dieser Großmutter, weil sie, wie öfter in letzter Zeit, ein Wort nicht parat hatte, in der Nervosität selbst die Hand gegenüber ihrem Ehemann ausgerutscht. Sie habe danach furchtbar geweint aus Angst vor der eigenen Zukunft. Sie, Herta, habe vor circa einem Jahr bei einer alten Frau erlebt, daß sie beim Dessert die Spritzdose mit der Sahne versehentlich aufs Gesicht eines Gastes richtete und herzlich über den mehrfach peinlichen Schaden lachte, verantwortungslos wie ein kleines Kind. Gut, nichts Besonderes. Aber genau dasselbe habe sie acht Jahre vorher mit ihrer eigenen Mutter erlebt, genau diesen Unfall mit der Sahnespritzdose, auch das Lachen über den bekleckerten Gast! Und beide Frauen habe sie danach nicht mehr lebend wiedergesehen! Zufall? Fügung? „Aber uns geht es gut, wir freuen uns unseres Lebens!“ ruft da Ruth und schwenkt kämpferisch das Trockentuch. Köstlich, ein reines Vergnügen sei nämlich ein anderes Paar. Wie wohl diese beiden, Manuel und Ilona, zusammengekommen seien? Er ein gesprächiger Mann von mächtigster Körperfülle und strudelndster Lebenslust, sie eine kleine, stumme Person, immer im selben Pullover, eine wortkarge Himbeere, die am Busch langsam eintrockne, da niemand sie ernten wolle. Nur manchmal breche ein kindlicher Aufschrei aus dem ältlichen Mund. Offenbar liebe oder wenigstens lobe Manuel sie gerade wegen dieses


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Wichtelhaften. Das habe sich die Gute gemerkt und behalte es für immer bei. Ob in Wahrheit sexuelle Dämonie dahinter stecke? Ja, manchmal frage auch sie, Ruth, sich, wie die geheimnisvollen erotischen Ströme verliefen zwischen den Paaren und Einzelfiguren, von einer zur anderen, wie es sich beispielsweise erkläre, daß Feodora, diese glanzlose Gestalt, bestimmte Männer für sich begeistere. Ob die ein verborgen in ihr lauerndes Feuer witterten? Und, Moment, damit sie es nicht vergesse: Das Paar Meyer-Weber! Ein Mann und eine Frau, die bestimmt nur unter größten Kompromissen einigermaßen miteinander auskämen und sich, bei ihnen eine Frage der Höflichkeit, des Stils, der Öffentlichkeit, nur dann gemeinsam zeigten, wenn sie es mit Grazie und souveräner Eleganz schafften. Vielleicht sei es aber eher noch eine Frage der Vorsicht, damit die Welt nicht zerstörerisch in das poröse Gestein ihrer Ehe eindringen könne. Keine Schwächen bieten! Ein feiner Riß sei da eine gefährliche Lebensmarkierung, wie der erste Besuch des Notarztes in der Nacht. „Aber uns geht es gut, wir haben ein warmes Bett, Kleidung, zu essen und zu trinken und ein fröhliches Herz!“ ruft Herta so leidenschaftlich, daß das Spülwasser aufspritzt. „Wir halten durch und singen dabei“, sagt Ruth. Wie es nun aber damit, frage sie, Herta, stehe: nämlich mit dem Ehepaar Schliff! Was Schliff nicht mal ahne, aber sie, Frau Schliff, umso mehr: Das gewisse Etwas, das er an ihr so liebe, habe sie für ihn dann, und nur dann, wenn sie in einen anderen verliebt sei! Ob sie, Ruth, frage sie, Herta, einmal zwischendurch und außerhalb des Zusammenhangs die Neigung vieler Menschen beobachtet habe, die Sensationen, die ein anderer erzählt, insofern einzuebnen, als sie sofort etwas Ähnliches berichten, um die Macht des ersten einzudämmen? „Aber wir beiden, wir halten zusammen, wir heitern uns gegenseitig auf, wir sind glücklich“, ruft Ruth blitzschnell mit geröteten Wangen. „Top!“ kommt von Herta postwendend zurück, „Wenn man sich die Dinge schön ordnet, dann ist man auch selbst in seinem Inneren so.“ „Wir sind froh und gesund, uns geht es gut! Tralala“, singt Ruth und läßt das Geschirrtuch in der Luft kreisen. Vielleicht, meine sie, Ruth, würde ihnen beiden, Herta und Ruth, eines Tages das passieren, was sie bei zwei Männern festgestellt habe: Der eine sei stets redefroh gewesen, der andere habe nur gestammelt, zwei Freunde, die viel unternommen hätten. Nach einiger Zeit habe der mit dem Redefluß begonnen, den Stotterer nachzuahmen und umgekehrt. Ohne sich dessen bewußt zu sein, hätten sie die Rollen getauscht. Aber wer von ihnen beiden, Ruth und Herta, sei nun wer? Dann wolle sie auch gestehen, daß sie als Kind, sobald jemand von einem frischen Tod erzählte, sofort geglaubt habe, nun müsse auch sie sterben, pariert Herta, die nicht richtig zugehört hat. Man stelle sich das vor: Sie habe den Tod für ansteckend gehalten! Und so geht es fort mit Herta und Ruth, eine ganze, glückliche Woche lang.




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Langjähriger Verleger Michael Krüger hielt zum Erscheinen Quart hriger Verleger und Autor Michael Krügerund hieltAutor zum Erscheinen von Quart Nr. 26 eine ganzvon und gar Nr. 26 eine ganz und gar

Rede: über aus der Modeeinen gekommene Denkmoden, einen leeren Himmel, die Vulgarisierung enswerte Rede: übernachlesenswerte aus der Mode gekommene Denkmoden, leeren Himmel, die Vulgarisierung

Verlagsprogramme und Kulturzeitschriften lagsprogramme undder Kulturzeitschriften als Gradmesser einer Kultur.als Gradmesser einer Kultur.

sechziger Jahren, als In ichden zaghaft sechziger selber Jahren, zu denals ich zaghaft selber zu dengann, beherrschten, noch ken vor begann, den revolutionären beherrschten, noch vor den revolutionären ben um 1968, einigeUmtrieben Themen und um Motive 1968, einige die Themen und Motive die sche Diskussion, später: ästhetische den Diskurs, Diskussion, die heute, später: den Diskurs, die heute, Jahre später, bereits wie fünfzig nach Jahre Steinzeit später, klingen: bereits wie nach Steinzeit klingen: Wiederentdeckung der z. B.Psychoanalyse die Wiederentdeckung als kul- der Psychoanalyse als kulsche Methode, heute turkritische so total vergessen, Methode,dass heute so total vergessen, dass radezu erschrickt, wenn maningeradezu der Rezension erschrickt, eineswenn in der Rezension eines schen Buches auf Freud literarischen oder JungBuches hingewiesen auf Freud oder Jung hingewiesen der die Frage nach der wird; gesellschaftlichen oder die Frage Relenach der gesellschaftlichen Releon Kunst, heute einevanz Lachnummer; von Kunst,brauchen heute eine Lachnummer; brauchen esellschaften überhaupt freie Kunst, Gesellschaften und wenn überhaupt ja: Kunst, und wenn ja: eigentlich und welche? warum Odereigentlich die Frage, und ob welche? der Oder die Frage, ob der ische Materialismusdialektische die ExistenzMaterialismus und Bedeu- die Existenz und Bedeuon Kunst besser erklären tung könne von Kunst als der besser Idealiserklären könne als der Idealisa lachen heute die Hühner; mus, daeslachen wird gemalt heute die undHühner; es wird gemalt und eben und komponiert, geschrieben was das Zeug und komponiert, hält, und was das Zeug hält, und ch wird erwartet, dass natürlich diese Produktion wird erwartet, gefördass diese Produktion geförrd, an der Begründung dert wird wird, nicht anmehr der Begründung gearbei- wird nicht mehr gearbeinst ist Kunst, und damit tet; Kunst basta.ist Ökonomie Kunst, und desdamit basta. Ökonomie des markts, ein Dauerthema Kulturmarkts, der frühenein sechziger Dauerthema der frühen sechziger längst passé. Jahre – längst passé. at die Romantik mitOder ihrerhat Vergegenwärtigung die Romantik mit ihrer Vergegenwärtigung ersunkenen Welt, oder einerdie versunkenen Gegenaufklärung Welt, oder die Gegenaufklärung e Nachtseite der Vernunft, oder diehaben Nachtseite uns in der einer Vernunft, haben uns in einer ationalisierten Welt durchrationalisierten diese Begriffe noch etwas Welt diese Begriffe noch etwas n? Die damalige Antwort: zu sagen? nein, Diealles damalige falscher Antwort: nein, alles falscher heute sind große Teile Schein; der kulturellen heute sindProdukgroße Teile der kulturellen Produko-romantisch und dietion Frage neo-romantisch nach der Tradition und die Frage nach der Tradition obsolet. Referenzpunkt gilt ist alsimmer obsolet. das Referenzpunkt letzte Erist immer das letzte Erdas Jetzt, alles was früher eignis, war, das istJetzt, vergessen. alles was Auch früher war, ist vergessen. Auch önste Sonntagsrede kann die schönste daran nichts Sonntagsrede ändern. kann daran nichts ändern.

age nach dem Ende der DieKunst Frageim nach Anschluss dem Ende an der Kunst im Anschluss an wohl eine der wichtigsten Hegel,Fragen, wohl eine die der manwichtigsten sich Fragen, die man sich r nicht mehr zu stellen aber traut, gar die nicht nichtsdesto mehr zu stellen traut, die nichtsdesto-

trotz wichtig bleibt für den, der heute produziert: Warum bin ich der Ansicht, dass ausgerechnet MEIN Werk, mein Musikstück, mein Roman, meine Videoinstallation dem schon Vorhandenen noch etwas hinzufügt? Oder die Frage der Ethno-Poesie, von Hubert Fichte wortgewaltig vertreten, also die Frage danach, was die ehemals sogenannten primitiven Kulturen mit ihren synkretistischen religiösen Praktiken zu unserem Kunstverständnis beitragen können, eine Frage, die die Wissenschaft nach wie vor umtreibt, die aber praktisch als erledigt gilt – oder interessieren wir uns tatsächlich für afrikanische Literatur und Kunst? Und so weiter, und so fort, ich könnte lange Listen aufstellen. Wer einmal in die Literatur- und Kulturzeitschriften jener Zeit schaut, der kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mit welcher Emphase wurde ein Werk wie das von Walter Benjamin entdeckt und produktiv gemacht, mit welchem Ernst das Werk von Claude Lévi-Strauss diskutiert oder die Schriften von Roland Barthes und Michel Foucault und Hans Blumenberg! Und man fragt sich natürlich, wo dieser Schwung geblieben ist. Es ist merkwürdig, wie schnell Probleme, Werke und Autoren, die einer Generation als die wichtigsten erscheinen, der nächsten oder übernächsten Generation bereits wie Spinnweben vorkommen. Weil sie sich von selbst erledigt haben? Nein, ganz gewiss nicht. Weil sie zu radikal waren? Nein, nicht wirklich. Weil die postideologische Moderne einfach neue Probleme braucht, um sich nicht mit den alten zu langweilen? Da könnte was dran sein. Wer zehnmal in seinem Leben mit einer neuen Bildungsreform sich auseinanderzusetzen hatte, will partout von einer elften nichts mehr hören. Das ist verständlich. Man braucht neue Reize. Aber ist das eine anthropologisch nachvollziehbare Antwort? Sind


Sie, die Mensch So kam Religion mehr be wöhnt, physik n irgendw überprü ärmlich leeren H springen füllen k wollte a die Kun hen, geh gibt un lichkeit ein durc Gesellsc und der Und do Wort ga Kunstm hat, eine undzwa

Und wa mal her religiöse zum tau keit der währen Kinkerl lichen G sen, von ristische durch u unserer kennen. dieser Is der hells tigen Kr 116 / 117


ja alle jünger sind als Sie,ich, dievöllig ja alleverschiedene jünger sind als ich, völlig verschiedene hen? Menschen? zum Beispiel – mit einem So kam neuen zumPapst Beispiel – die – mit alteeinem neuen Papst – die alte n wieder auf den Tisch, Religion die so wieder richtig tief auf keinen den Tisch, die so richtig tief keinen erührte. Man hatte mehr sich irgendwie berührte. Man daranhatte ge- sich irgendwie daran gedass der Himmel leer wöhnt, war und dassauch der Himmel die Meta-leer war und auch die Metanichts anderes ist als physik eine Kopfgeburt. nichts anderes Aberist aus als eine Kopfgeburt. Aber aus welchen Gründen wollte irgendwelchen man das noch Gründen einmal wollte man das noch einmal üfen, weil die Welt ohne überprüfen, Religion offenbar weil die Welt als zuohne Religion offenbar als zu h empfunden wurde. ärmlich Offenbarempfunden konnte man wurde. den Offenbar konnte man den Himmel nicht aushalten, leeren und Himmel die Kunst, nicht die aushalten, einund die Kunst, die einn wollte, um die Lücke springen zu füllen, wollte, hatum sie die nicht Lücke zu füllen, hat sie nicht können. Sie ist gescheitert, füllen können. wenn sieSie mehr ist gescheitert, sein wenn sie mehr sein als Kunst. Nietzsches wollte Bemerkung: als Kunst. Wir Nietzsches brauchen Bemerkung: Wir brauchen nst, um nicht an der Wahrheit die Kunst,zuum Grunde nicht an zu der ge- Wahrheit zu Grunde zu geht ins Leere, wenn eshen, DIEgeht Wahrheit ins Leere, nichtwenn mehres DIE Wahrheit nicht mehr nd die tausend Wahrheiten gibt undjeglicher die tausend VerbindWahrheiten jeglicher Verbindt ermangeln. Und auch lichkeit das ermangeln. alberne Ranking, Und auch das alberne Ranking, ch und durch abgeschmacktes ein durch und kapitalistisches durch abgeschmacktes kapitalistisches chaftsspiel, kann die Gesellschaftsspiel, Frage nach der Bedeutung kann die Frage nach der Bedeutung r Künstlichkeit der Kunst und der nicht Künstlichkeit beantworten. der Kunst nicht beantworten. och entstehen so Bedeutungen, Und doch entstehen wenn wirsodas Bedeutungen, wenn wir das anz neutral betrachten, Wortzum ganzBeispiel neutralfür betrachten, den zum Beispiel für den markt. So wie einer, Kunstmarkt. der fünftausend So wie Follower einer, der fünftausend Follower e andere Bedeutung hat, hat als eineeiner andere mitBedeutung nur fünf- hat als einer mit nur fünfanzig. undzwanzig.

as die Religion betrifft, Unddie was plötzlich die Religion noch einbetrifft, die plötzlich noch einrvorgeholt wurde, so mal wurden hervorgeholt natürlich wurde, keine so wurden natürlich keine en Glaubensfragen diskutiert, religiösensondern Glaubensfragen es wurdediskutiert, sondern es wurde usendsten Mal die Frage zum nach tausendsten der EnthaltsamMal die Frage nach der EnthaltsamPriester gestellt – und keit natürlich der Priester wieder gestellt vertagt, – und natürlich wieder vertagt, nd eine andere Religion während sich nicht eine mit andere solchen Religion sich nicht mit solchen litzchen herumschlägt, Kinkerlitzchen weil sie zum herumschlägt, unumstößweil sie zum unumstößGesetz wurde: Sie, von lichen der Gesetz wir fastwurde: nichts Sie, wis-von der wir fast nichts wisn der wir aber jedensen, Tagvon reden, dersoll wirmit aberterrojeden Tag reden, soll mit terroen Mitteln durchgesetzt ristischen werden, Mitteln also mit durchgesetzt einer werden, also mit einer und durch gewalttätigen durch Methode, und durch diegewalttätigen wir aus Methode, die wir aus christlichen Kirchengeschichte unserer christlichen nur gut genug Kirchengeschichte nur gut genug . Wer nicht an mich glaubt, kennen. soll Wer verdorren. nicht an mich Dass glaubt, soll verdorren. Dass slam Hunderte von Jahren dieser Islam als eminente Hunderte Quelle von Jahren als eminente Quelle sten Inspiration gedient der hellsten hat, gehtInspiration im gegenwärgedient hat, geht im gegenwärrieg mit einer islamistischen tigen Krieg Minderheit mit einerunter. islamistischen Minderheit unter.

Kann man sich eine Situation vorstellen, in der wir unsere Religion noch einmal zum Gesetz erheben? Wir brauchen also neue Kontexte, um unsere alten, ungelösten Probleme überhaupt noch einmal zur Sprache bringen zu können. Aber kann man Kontexte herstellen? Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang einer neuen Kontextualisierung an die Begeisterung, mit der der alte Robert Jungk in Salzburg von seinen Zukunftswerkstätten sprach, winzigen Einrichtungen in Afrika oder Asien, wo zwei oder drei sich zusammengetan hatten, um eine alte Technik der Töpferei zu pflegen oder ein frühmittelalterlich-jemenitisches System der Wasserversorgung. Dieses Recycling alter Methoden war für ihn die modernste Art, über Zukunft nachzudenken. Wo andere mit großen Theorien aufwarteten, empfahl er diese minimalen Revitalisierungen einmal gewusster Handwerkskünste zur Überwindung globaler Krisen. Wer heute über Zukunft nachdenkt, schaut zur Weltbank oder der Fed oder zum Entwicklungsministerium und kann sich dann, wenn er unbedingt will, zusammenreimen, warum der afrikanische Bauer, der mit dem jemenitischen Wassersystem seine Tomaten wässert, sich niemals einen Traktor anschaffen kann. Nie! Der Bauer war dann plötzlich nicht mehr interessant genug, um unser Interesse zu provozieren, wir interessierten uns für strukturelle Probleme. Solange die Tomate in der Auslage liegt und noch bezahlbar ist, so lange denken wir nicht mehr darüber nach, unter welchen Umständen sie dorthin gekommen ist. Der Bauer wurde erst dann wieder interessant, als er plötzlich vor unserer Tür stand, zusammen mit einer Million anderer Habenichtse, die ihre Hacken und altmodischen Bewässerungssysteme zurückgelassen haben und nun hier leben wollen. Sie wollen ihre Tomaten bei uns kaufen und verspeisen. Der neue Beruf der Bauern aus der dritten Welt lautet Flüchtling. Er will nicht mehr Teil eines strukturellen Problems sein, sondern ein konkretes. Er will nicht noch einmal zwanzig Jahre auf die Antwort auf seine Frage warten, warum er seine Märkte für die Waren


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stens öffnen soll, während des Westens der Westen öffnen auf soll, seine während der Westen auf seine en verzichtet. Tomaten verzichtet. amatische Kontextveränderung Eine dramatische hat den Kontextveränderung Tomahat den Tomaer wieder interessanttenbauer gemacht.wieder Wenn nicht interessant alles gemacht. Wenn nicht alles Luft geht, wird dieserin Bauer die Luft odergeht, das Kind wird dieser oder Bauer oder das Kind oder kind dieses Bauern eines Kindeskind Tages auch dieses in die Bauern Opereines Tages auch in die Oper wollen, um Nabucco zu gehen hören wollen, oder die umAida Nabucco und zu hören oder die Aida und ltverbesserer oder dieden Neunte. Weltverbesserer Er will es, weil odererdie Neunte. Er will es, weil er will, warum wir diesewissen Dingewill, schätzen, warum und wirweil diese Dinge schätzen, und weil anpassen will. Und was er sich siehtanpassen und hörtwill. er dann? Und was sieht und hört er dann? e lange dauert es, bisUnd er wollen wie lange will? dauert es, bis er wollen will?

och einmal zurück: Aber noch einmal zurück: ginnenden sechziger Jahre Die beginnenden waren für uns, sechziger nach Jahre waren für uns, nach menden, stickigen Adenauerzeit, der lähmenden, die stickigen eigentlichAdenauerzeit, die eigentlich ermachen wollte wiesovordem, weitermachen ein Experimenwollte wie vordem, ein Experimen: Jeden Tag ging, ohne tierfeld: dass Jeden man selber Tag ging, einenohne dass man selber einen riff tun musste, ein Fenster Handgriff auf tun undmusste, ließ frische ein Fenster auf und ließ frische die Zimmer ein, dieLuft voninden diedichten ZimmerRauchein, die von den dichten Rauchen des Existentialismus, schwaden des Geworfenseins des Existentialismus, und des Geworfenseins und geblichkeit besetzt waren. der Vergeblichkeit Hatte uns alsbesetzt Schülerwaren. Hatte uns als Schüler e Allegorie des armennoch Sisyphos die Allegorie in Bann des geschlaarmen Sisyphos in Bann geschlar immer wieder vongen, Neuem der immer seinen wieder Stein den von Neuem seinen Stein den naufrollen musste, damit Berger, hinaufrollen oben angekommen, musste, damit er, oben angekommen, hinunterpolterte, so belebte wieder hinunterpolterte, uns nun der gerade so belebte uns nun der gerade ederentdeckte Paul Valéry erst wiederentdeckte mit seiner süffisanten Paul Valéry mit seiner süffisanten kung, immerhin habe Bemerkung, der Sisyphosimmerhin dadurch feste habe der Sisyphos dadurch feste ln erhalten, er soll also Muskeln bitte nicht erhalten, jammern. er soll also bitte nicht jammern. l also auch nicht jammern, Ich willobwohl also auch diese nicht schöjammern, obwohl diese schöiten von Aranjuez nun nenweiß Zeiten Gott von lange Aranjuez vorbeinun weiß Gott lange vorbei as Entdeckerische wurde sind. abgelöst Das Entdeckerische vom Besser-wurde abgelöst vom Besserschen, aus der eruptiven wisserischen, Revolte, aus die der als Voreruptiven Revolte, die als Vorder Freiheit gefeiert wurde, schein wurde der Freiheit entweder gefeiert ein wurde, wurde entweder ein tischer Rundumschlag terroristischer gegen DIE Gesellschaft Rundumschlag gegen DIE Gesellschaft n doktrinärer Marxismus, oder ein dem doktrinärer folgte einMarxismus, landem folgte ein lanht besonders produktiver ger, nicht Katzenjammer, besonders produktiver der als Katzenjammer, der als ubjektivität verklärt wurde, Neue Subjektivität die an ihrer eigenen verklärt wurde, die an ihrer eigenen weile erstickte. Die frei Langeweile werdendeerstickte. Diskursfläche Die frei werdende Diskursfläche besetzt von einer sogenannten wurde besetzt Postmoderne, von einerdie sogenannten Postmoderne, die Schattierungen und Potentialitäten in allen Schattierungen auftrat, mal und Potentialitäten auftrat, mal tümiert, mal asketisch toll gewandet, kostümiert, abermal so asketisch richtig gewandet, aber so richtig wurde die Kultur nicht ernst mehr wurde genommen. die Kultur Alles nicht mehr genommen. Alles und alles war möglich, war fürdajeden und alles Charakter war möglich, und für jeden Charakter und

für jeden Geldbeutel war ein Sitz reserviert, die Theorie der Kultur wurde von der Sonntagsrede abgelöst, und wem irgendwas nicht passte, der sollte halt an der nächsten Tür anklopfen. Auf jeden Fall gab es für alles eine offene Tür. Natürlich gab es Unterschiede zwischen den deutschsprachigen Ländern. In der Schweiz wurde durch Frisch und Dürrenmatt, Muschg und Bichsel die politische Geschichte des Landes unter einem dicken Teppich aus Verdrängung und Vergessen hervorgeholt und die dabei zum Vorschein gekommenen Konten der Diktatoren aller Länder für die Öffentlichkeit geöffnet; ästhetische Probleme waren zweitrangig. In Österreich dagegen hielt man es weniger mit der Theorie der Ästhetik als vielmehr mit der ästhetischen Praxis: Wenn unsereiner, von endlosen Debatten ermattet, nach Graz zum Steirischen Herbst oder nach Wien fuhr, staunten wir nicht schlecht über die enorme Breite, die ästhetische Differenz und die überraschende Widerborstigkeit der österreichischen Literatur, mit einem Wort: Wir staunten über ihre Lebendigkeit. Während bei uns die anhaltende Diskussion um die gesellschaftliche Relevanz der Literatur zu einer Verödung der literarischen Produktion geführt hatte, die dann zu Recht von Peter Handke in Princeton eins hinter die Ohren kriegte, hatte man in Österreich noch eine lebhafte und unspießige Vorstellung von Literatur. Ich weiß noch, wie Nicolas Born und ich in meinem Deux-Chevaux eigens nach Klagenfurt gefahren sind, um den Autor des Geometrischen Heimatromans aufzusuchen, Gert Jonke, der allerdings am selben Vormittag – ob Sie es glauben oder nicht – nach Afghanistan aufgebrochen war; ich hatte sein Buch in der FAZ besprochen, wo ich übrigens viele österreichische Bücher besprach, von dem handfesten Michael Scharang bis zu Dominik Steiger. Ich erinnere mich mit wohligem Schauder an die vollkommen verrückten Begegnungen mit Wolfi Bauer oder Helmut Eisendle, der damals den Kleinen Grazer Suizidkasten geschrieben hatte; ich kann mich gut an die Gespräche mit Alfred Kolleritsch in Graz über Heidegger erinnern, ein Gespräch, das damals in Deutschland mehr oder weniger unmöglich war; an Konrad Bayer, der mit meinem Bruder in Berlin


Hörspie Artman eine Fra senes Fe lottenbu Gesicht in einem vor Lac die öste traf, um vorzube ten wir Ich sehe Buch in Lockvö men ich habe. G Bachma Ernst Ja Wenn e ler-Kün so mein Österre Wie stol Zeitschr „Text un sage da gabe ein Zeitsch Kultur, auf ihre Français Auflage raturzei rion“ o Paz. Für lichte, er Dollar, d symboli Das Ver prozent rade in Verlagsw 120 / 121


ele produzierte; ich sehe Hörspiele noch vor produzierte; mir, wie H.ich C.sehe noch vor mir, wie H. C. Artmann in großer Erregung – es ging natürlich um nn in großer Erregung – es ging natürlich um au – seine Schreibmaschine eine Frau durch – seine ein geschlosSchreibmaschine durch ein geschlosenster hindurch aufsenes die Kleiststraße Fenster hindurch in Charauf die Kleiststraße in Charurg warf. Wie Gerhard lottenburg Rühm mit warf. todernstem Wie Gerhard Rühm mit todernstem t sein Gedicht Die Gute Gesicht Hausfrau sein Gedicht Stickt vorlas Die Gute Hausfrau Stickt vorlas m Berliner Theater, und in einem wie wirBerliner danach,Theater, schlappund wie wir danach, schlapp chen, alle ins Exil gingen, vor Lachen, zu Ossialle Wiener, ins Exil wogingen, zu Ossi Wiener, wo erreichische Koloniedie in österreichische Berlin sich am Abend Kolonie in Berlin sich am Abend m mit herrlichen Mehlspeisen traf, um sich mit herrlichen auf die Nacht Mehlspeisen sich auf die Nacht ereiten. Aber sogar später vorzubereiten. in München Aber profitiersogar später in München profitiervon diesem österreichischen ten wir von Literaturwunder: diesem österreichischen Literaturwunder: e noch Elfriede Jelinek Ich sehe vor mir, nochdieElfriede ihr erstes Jelinek vor mir, die ihr erstes n der Autorenbuchhandlung Buch invorstellte: der Autorenbuchhandlung Wir sind vorstellte: Wir sind ögel, Baby, oder PeterLockvögel, Handke, mit Baby, demoder zusamPeter Handke, mit dem zusamh dreißig Jahre lang den men Petrarca-Preis ich dreißig Jahre vergeben lang den Petrarca-Preis vergeben Gar nicht zu reden von habe. Ilse Gar Aichinger, nicht zu Ingeborg reden von Ilse Aichinger, Ingeborg ann, Friederike Mayröcker, Bachmann, Elfriede Friederike Gerstl oder Mayröcker, Elfriede Gerstl oder andl, Christoph Ransmayr Ernst Jandl, oder Gerhard Christoph Roth. Ransmayr oder Gerhard Roth. es irgendwo wirkliche Wenn authentische es irgendwo Schriftstelwirkliche authentische Schriftstelnstler gab, die diesenler-Künstler Namen noch gab, verdienten, die diesen Namen noch verdienten, ne damals vielleicht naive so meine Vorstellung, damals vielleicht dann in naive Vorstellung, dann in eich. Österreich. lz war man, wenn man Wie instolz einerwar österreichischen man, wenn man in einer österreichischen rift gedruckt wurde, Zeitschrift in den „manuskripten“, gedruckt wurde, in in den „manuskripten“, in nd Kritik“, in Otto Breichas „Text und „Protokollen“! Kritik“, in Otto Ich Breichas „Protokollen“! Ich as mit Bedacht, weil sage wir hier das mit ja die Bedacht, neue Ausweil wir hier ja die neue Ausner Zeitschrift feiern.gabe Literarisch-künstlerische einer Zeitschrift feiern. Literarisch-künstlerische hriften waren und sind Zeitschriften der Gradmesser waren einer und sind der Gradmesser einer das gilt für alle europäischen Kultur, das Länder, gilt fürdie allestolz europäischen Länder, die stolz e Kultur sind, von Gallimards auf ihre Kultur „Nouvelle sind,Revue von Gallimards „Nouvelle Revue se“, die übrigens nie Française“, mehr als 1.500 die übrigens Exemplare nie mehr als 1.500 Exemplare e hatte und wohl dennoch Auflage die hatte bedeutendste und wohl Litedennoch die bedeutendste Liteitschrift der Welt ist,raturzeitschrift bis zu T. S. Eliots der „CriteWelt ist, bis zu T. S. Eliots „Criteoder die mexikanische rion“ „Vuelta“ oder die von mexikanische Octavio „Vuelta“ von Octavio r einen langen Aufsatz, Paz.den Fürich einen dortlangen veröffentAufsatz, den ich dort veröffentrhielt ich nach Wochen lichte, einen erhielt Scheck ichüber nacheinen Wochen einen Scheck über einen der allerdings von PazDollar, selberder gezeichnet allerdings war, von einPaz selber gezeichnet war, ein isches Kapital! symbolisches Kapital! rschwinden von Zeitschriften Das Verschwinden ist ein hundertvon Zeitschriften ist ein hunderttiges Indiz für die Anfälligkeit prozentiges einer Indiz Kultur. für die GeAnfälligkeit einer Kultur. Geeiner Zeit der extremen rade inKonzernbildung einer Zeit der extremen im Konzernbildung im wesen und im Buchhandel, Verlagswesen die ja und zu einer im Buchhandel, exdie ja zu einer ex-

tremen Vulgarisierung und Banalisierung der Verlagsprogramme führt, zu einem dramatischen Innovationsstopp, sind Zeitschriften auf höchstem ästhetischen Niveau, ganz gleich, in welcher Auflage sie gedruckt werden, das einzige Antidot. Kürzlich wurde mir von einem vollkommen erschöpften Postbeamten das gesammelte Frühjahrsprogramm der Bertelsmann-Verlage, des Bertelsmann-Konzerns, vor die Tür geworfen, 46 oder 64 Programme, auf Hochglanz gedruckt, ich schätze ca. zweitausend Bücher zusammen, eine einzige ästhetische Katastrophe, ein Offenbarungseid der Literatur, des Sachbuchs und der Erbauung. Es ist mir unbegreiflich, warum keiner darüber so schreibt, wie Hans Magnus Enzensberger im letzten Jahrhundert über Die Sprache des Spiegel in seinem Buch Einzelheiten geschrieben hat: Auch dieser Konzern, das ist das deprimierende Fazit, möchte, und nicht nur aus steuerlichen Gründen, als Kulturproduzent gelten. Aber was ist Kultur, wenn dieses fürchterliche Gemisch aus amerikanischen Bestsellern, zusammengeschusterten Ratgebern und zum Himmel schreiender Esoterik Kultur genannt werden darf? Müsste einer, und noch der einfältigste Leser, diese Bücher hintereinander lesen, würde er tot umfallen. Begründet wird diese Ansammlung tödlichen Ramschs mit der Behauptung, der gestresste Leser wolle halt leichte Unterhaltung, um sich von den Strapazen des Alltags zu erholen. Ist es nicht das selbe Argument, mit dem uns unser Fernsehen, zumindest in Deutschland, abspeist, obwohl es doch seiner Verfassung nach einen Kulturauftrag hat? Ist es nicht vielmehr so, dass der Zuschauer, wenn er ununterbrochen mit diesem Ramsch bedient wird, am Ende glaubt, es gäbe nichts anderes? Ich habe vor wenigen Jahren, nach dem Tod des bedeutenden Schriftstellers W. G. Sebald, dem Fernsehsender arte den Vorschlag gemacht, einen Film über den großartigen, auf der ganzen Welt der Literatur gelesenen Schriftsteller W. G. Sebald zu produzieren, der, nebenbei gesagt, einer der besten Kenner der österreichischen Literatur der letzten hundert Jahre war, und wurde beschieden, der Autor sei zu unbekannt, um ihm dem großen Publikum vorzustellen.


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, Besucher einer Buchhandlung, Da Sie, Besucher wissen, einer was Buchhandlung, wissen, was ich meine, ich hier abbrechen. Wir haben vergesne, will ich hier abbrechen. Wirwill haben vergessen, könnte. was Literatur oder sein könnte. Botho Strauß, s Literatur ist oder sein Botho ist Strauß, iner der besten, obwohl auch einer er keine der besten, Romaneobwohl er keine Romane chreibt, hat einmal eine mehrvon schreibt, dem Ethnologen hat einmal eine von dem Ethnologen aw Malinowski notierte Bronisław Beobachtung Malinowski zur Benotierte Beobachtung zur Beung unserer kulturellen schreibung Lage zitiert. unserer Malinowkulturellen Lage zitiert. Malinowchtet von der Sitte eines ski berichtet Buschvolkes, von der dasSitte sich eines Buschvolkes, das sich m bestimmten Tag imanJahr einem Butter bestimmten auf den Kopf Tag im Jahr Butter auf den Kopf rt, Jahr für Jahr undschmiert, mit großem JahrErnst, für Jahr es war und mit großem Ernst, es war uelle Tätigkeit, die eng einemit rituelle der Identität Tätigkeit, dieses die eng mit der Identität dieses es zusammenhing. Auf Stammes die wiederholte zusammenhing. Frage,Auf die wiederholte Frage, sie das täten, wurdewarum ihm nach sie das langem täten, Nachwurde ihm nach langem Nachmitgeteilt: Man habe denken es leider mitgeteilt: vergessen. Man habe es leider vergessen.

Sie mich noch einmal Lassen an den Sie Anfang mich noch meiner einmal an den Anfang meiner , vielleicht aber auchkurzen, schon zu vielleicht langen Rede aber auch zu- schon zu langen Rede zuhren: In den sechzigerrückkehren: Jahren wurde In den mit sechziger großer Jahren wurde mit großer schaft ein Problem diskutiert, Leidenschaft das man ein Problem vielleichtdiskutiert, das man vielleicht beleben sollte, nämlich wiederbeleben die Unterscheidung sollte, nämlich von die Unterscheidung von U, von ernster KunstEund undUnterhaltungskunst. U, von ernster Kunst und Unterhaltungskunst. ieses Problem wurde nicht Auch in dieses der damaligen Problem wurde Zeit nicht in der damaligen Zeit hon gar nicht von uns und erfunden, schon gar aber nicht es erhielt von uns erfunden, aber es erhielt eine neue Aktualität.damals Es wareine der neue aus dem Aktualität. ame- Es war der aus dem amechen Exil zurückgekehrte rikanischen Philosoph Exil Theodor zurückgekehrte Philosoph Theodor rno, der es mit strenger W. Adorno, Geste auf der unseren es mit Stustrenger Geste auf unseren Stuh legte. „Zur Selbstverständlichkeit diertisch legte. „Zur wurde, Selbstverständlichkeit dass wurde, dass was die Kunst betrifft, nichts, mehrwas selbstverständlich die Kunst betrifft, mehr selbstverständlich der in ihr, noch in ihrem ist,Verhältnis weder in ihr, zum noch Ganzen, in ihrem Verhältnis zum Ganzen, nmal ihr Existenzrecht nicht …“, einmal schrieb ihrer,Existenzrecht und wei…“, schrieb er, und weingewiss, ob Kunst überhaupt ter: „Ungewiss, noch möglich ob Kunst sei;überhaupt noch möglich sei; nach ihrer vollkommenen ob sie,Emanzipation, nach ihrer vollkommenen nicht Emanzipation, nicht oraussetzungen sich ihre abgegraben Voraussetzungen und verloren sich abgegraben und verloren Die Frage entzündet sich habe. anDie dem, Frage was entzündet sie einmal sich an dem, was sie einmal heißt es in Adornoswar“ Ästhetischer – heißt es Theorie. in Adornos Für Ästhetischer Theorie. Für r jede affirmative Kunst ihnTeil warder jede Kulturindustrie, affirmative Kunst Teil der Kulturindustrie, n gelegentlich zu harschen was ihnund gelegentlich oft auch nicht zu harschen und oft auch nicht llziehbaren Urteilen nachvollziehbaren führte. Urteilen führte. dorno war so durchdrungen Aber Adorno von der war Vorstelso durchdrungen von der Vorstelass die bloße Existenzlung, vondass schlechter die bloße Kunst Existenz die von schlechter Kunst die Kunst, mit h, als Adjektiv, wahre zerstören Kunst, mit würde, h, alsdass Adjektiv, zerstören würde, dass e Missverständnisse in er Kauf diese nahm. Missverständnisse Und hat er in Kauf nahm. Und hat er rosso modo recht behalten? nicht grosso modo recht behalten?

Die Unterhaltungskunst hat auf allen Ebenen gesiegt und sich, verbrüdert mit ihrer Stiefschwester, der eitlen Repräsentationskunst, zur Diskursverwalterin entwickelt. Wie das geschehen konnte, und zwar total, von dem genannten Beispiel Bertelsmann über das Fernsehen bis zu einem Kunstmarkt, der jegliche Kriterien verloren und sich vollständig in die Arme des Kapitals geworfen hat, ist meines Wissens noch nicht untersucht worden. Wenn heute, um ein paar Beispiele zu nennen, ein neues Buch von Charlotte Roche erscheint, dann erscheinen noch vor den zu erwartenden Verrissen, am besten noch einen Tag vor Erscheinen des Buches, in allen seriösen und auch weniger seriösen Zeitungen ganzseitige Interviews mit der Autorin, die den Diskurs und damit auch den Verkauf lenken wollen; da man diese Huldigung nicht kritiklos stehen lassen kann, erscheint dann am nächsten Tag die Rezension, und das bei immer weniger Platz für Kultur in den Zeitungen. Oder wir lesen bis zum Überdruss auf den Medienseiten, wie toll und großartig die amerikanischen Serien sind, die als Narrativ angeblich schon lange den Roman abgelöst haben, während gleichzeitig im Fernsehen selber stundenlang die Verleihung der unansehnlichen deutschen Fernsehpreise gefeiert wird, was Millionen an Kosten verschlingt, während das Fernsehen in Bayern z. B. gleichzeitig seine beiden Büchersendungen kippt. Am Fernsehpreis nimmt natürlich der Ministerpräsident teil, weil er auf diese Weise einmal sich ungeschoren im Fernsehen zeigen darf. Das ist Repräsentationskultur, wie Bayreuth. Auch wenn die Inszenierung noch so schlecht ist, aus Repräsentationsgründen muss man die vier Stunden absitzen, damit das Kleid und der Smoking davor und danach im Fernsehen gezeigt werden dürfen. Auf die Frage des Reporters, wie denn die Aufführung gefallen habe, kommt dann wie aus der Pistole geschossen: Sehr gut! Aber auch sehr lang. Man möchte die Herrschaften mal in ein fünfstündiges Stück von Morton Feldman schicken, am besten im Schlafanzug. Was mit der Bildenden Kunst geschehen ist, ist in Kürze nicht darzustellen: Wie aus dem Quartett aus Künstler, Galerist, Sammler und Kritiker oder Begutachter ein mafiöses Abzockermodell entstanden ist, das einen ge-


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n Markt zwischen New waltigen York, Markt Abu Dhabi, zwischen KiewNew York, Abu Dhabi, Kiew undmit Peking Tanzendie bringt, mit dem verglichen die king zum Tanzen bringt, demzum verglichen sance mit ihren Päpsten Renaissance und Dynastien mit ihren ein spiePäpsten und Dynastien ein spieinderspielchen ist, das ßiges braucht Kinderspielchen den Atem eines ist, das braucht den Atem eines um alle Details wirklich Proust, auszumalen. um alle Details Unnötig wirklich auszumalen. Unnötig n, dass der Künstler der zu sagen, Unwichtigste dass derinKünstler diesem der Unwichtigste in diesem spiel ist, das wir alle natürlich Trauerspiel finanzieren ist, das wir sollen. alle natürlich finanzieren sollen.

e hier auf, obwohl esIch endlich höre spannend hier auf, obwohl zu wer-es endlich spannend zu werrspricht. Deshalb nur dennoch verspricht. ein Wort Deshalb zu demnur noch ein Wort zu dem der uns hier zusammengeführt Anlass, der uns hat,hier das zusammengeführt neue hat, das neue er Zeitschrift „Quart“. Heft der Zeitschrift „Quart“. schreiben kann heute Bücher jeder,schreiben der so einigermakann heute jeder, der so einigermas ABC beherrscht, und ßen wenn das ABC er oder beherrscht, sie keinenund wenn er oder sie keinen r findet, dann gibt esVerleger für wenig findet, Gelddann Möglichgibt es für wenig Geld Möglichdas Buch drucken und keiten, über das Netz Buch vertreiben drucken und über das Netz vertreiben en. Auch Fifty shades zuof lassen. grey stand Auch Fifty zuerstshades im of grey stand zuerst im nd hat der Autorin Netz immerhin und hat rund der 100 Autorin Mil- immerhin rund 100 MilDollar eingebracht, lionen Bertelsmann Dollar weltweit eingebracht, sei Bertelsmann weltweit sei Dank. eitschriften machen Aber können Zeitschriften nur wenige, machen noch können nur wenige, noch olche, die nicht nur Texte dazu solche, hintereinander die nichtdrunur Texte hintereinander druondern auch eine spezielle cken, Vorstellung sondern auch von eine Text spezielle Vorstellung von Text d entwickeln, von optischer und BildÜberraschung entwickeln, von undoptischer Überraschung und tueller Herausforderung. intellektueller Ich gebe Herausforderung. zu, ich bin Ich gebe zu, ich bin tschriftenfreak, ich muss ein Zeitschriftenfreak, Zeitschriften um mich ich muss Zeitschriften um mich sie sind meine tägliche haben, Nahrung. sie sind Ichmeine kennetägliche die Nahrung. Ich kenne die ichischen Zahlen nicht, österreichischen aber in Deutschland Zahlen nicht, aber in Deutschland r Erwachsene im Jahrliest doch derimmerhin Erwachsene zwischen im Jahr doch immerhin zwischen d sechs Bücher, wennvier er überhaupt und sechs Bücher, lesen kann wenn er überhaupt lesen kann einer Überraschung –gibt zu meiner es immer Überraschung noch viele gibt es immer noch viele abeten, die nur zur Tarnung Analphabeten, sich eindie Buch nur vor zur Tarnung sich ein Buch vor se halten, und wenndie dasNase Buchhalten, auf dem undKopf wenn das Buch auf dem Kopf weiß man, dass er wirklich steht, weiß lesen man, kann.dass er wirklich lesen kann. s sechs Bücher! Mein Vier Gott, bis bei sechs derBücher! täglichen Mein Gott, bei der täglichen an Informationen ausMasse Kultur anund Informationen Wissenschaftaus Kultur und Wissenschaft sellschaft vier Bücher! und Woher Gesellschaft kriegt ervier oder Bücher! sie Woher kriegt er oder sie lichen Informationen, dieum restlichen in dieserInformationen, sich schnell um in dieser sich schnell den Welt mithalten zudrehenden können? Wie Weltkann mithalten er seinzu können? Wie kann er sein ches Niveau verbessern? ästhetisches Wie seinen Niveau Geschmack verbessern? Wie seinen Geschmack en? Mit vier bis sechs ausbilden? Büchern?Mit Niemals. vier bisEin sechs Büchern? Niemals. Ein buch, ein Sportlerbuch, Gartenbuch, ein Memoirenbuch ein Sportlerbuch, und ein Memoirenbuch und tischer Roman, damitein kommt erotischer man Roman, nicht weiter. damit kommt man nicht weiter.

Damit kann man sich einsargen lassen! Aber nicht jeder, sagen dann die der Aufklärung verpflichteten Kulturapostel, kann wie Sie dreihundert Bücher im Jahr lesen. Nein, natürlich nicht, sage ich dann, Sie sollen Zeitschriften wie „Quart“ lesen! Was denn sonst! Hier haben Sie sehr Vieles auf kleinstem Raum. In jedem Bus, in jeder U-Bahn wird man doch schauen, was der oder die da liest – nicht die öden Zeitungen, nicht die öden Liebes- oder Kriminalromane, nein, er oder sie liest etwas, was ihr ästhetisches Empfinden verändert, nämlich „Quart“. Und plötzlich hat der Typ gegenüber keine Chance mehr, weil er nur die Bild-Zeitung kennt oder wie das Pendant in Österreich heißt, er ist hoffnungslos verloren, er kann auch noch den vierten Knopf seines Hemdes aufknöpfen und sich noch so lässig hinflegeln – Er. Hat. Keine. Chance. Also sollte die Kulturpolitik alles tun, um dem unglücklichen Angeber, der keine Chance hat, eine Chance zu geben. Er soll auch „Quart“ lesen! Er soll auch teilhaben an der ästhetischen Erziehung des Menschengeschlechts, er soll freier werden, mutiger im Geiste, anspruchsvoller in seinem Geschmack. Und schließlich lernt man, wenn man „Quart“ liest, auch, dass der alte Antagonismus zwischen Zentrum und Peripherie ein Relikt aus dem neunzehnten Jahrhundert ist, als alles in die Städte strömte und eine städtisch geprägte Kultur entwickelte, die sich sehr wohl von der ländlichen unterschied. Es ist der alte Antagonismus zwischen Athen und Jerusalem, der nun ein für allemal verschwunden ist. Kultur kann nur dort existieren, wo Athen und Jerusalem aufeinandertreffen, also zum Beispiel hier in Tirol, wie es sich in „Quart“ spiegelt.


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Notabene, ein Remake

Erich Kästner in Tirol. Von Christoph W. Bauer

Ein Remake bescherte mir den ersten Kinobesuch meines Lebens. Ich war sechs, sieben Jahre alt, Joachim Fuchsberger lächelte von der Leinwand, sein Name sagte mir nichts. Auch vom Schriftsteller, auf dessen Romanvorlage der Streifen basierte, hatte ich noch nie gehört. Aber der Titel des Films übte außerordentliche Strahlkraft auf mich aus: Das fliegende Klassenzimmer. Wenige Szenen sind mir in Erinnerung geblieben, und ich weiß heute nicht, was mich mehr beeindruckte, die Filmhandlung oder der Umstand, dass ich ihr im mittlerweile aufgelassenen Kinosaal einer Tiroler Landgemeinde beiwohnen konnte. Einige Jahre später las ich Das fliegende Klassenzimmer. Wieder verbündete ich mich mit Jonathan „Johnny“ Trotz, diese Figur hatte es mir schon im Film angetan. Der Außenseiter und Träumer, der Schriftsteller werden wollte, wurde zu meinem Wegbegleiter – und Erich Kästner avancierte zu einem meiner Lieblingsautoren früher Lesejahre. Emil und die Detektive, Pünktchen und Anton – wie die Generationen vor mir, verschlang ich diese Bücher. Dass mich ihr schnoddriger Tonfall an meine Verwandtschaft in Norddeutschland erinnerte, tat ein Übriges. Mein Vater Hannoveraner, den es in die Tiroler Berge verschlagen hatte, dort war jeder Deutsche ein Piefke von vornherein. Das ließ man mich spüren, Johnny kam also wie gerufen. Kurzum, ich fühlte mich von Kästner verstanden und glaubte nicht zuletzt daher, ihn zu verstehen. Ich rieb mich nicht an wiederkehrenden Stereotypen und moralisierenden Fingerzeigen – hätte ein Kind diese denn erkannt? In einem von Tourismus und sportlichen Aktivitäten dominierten Umfeld floh ich aus Mangel an Alternativen in Bücher, machte Erich Kästner mich zum Leser. Dass der 1899 in Dresden geborene Kästner zu den verfemten Autoren des Dritten Reichs gehörte, lernte ich in der Schule, wenig hingegen erfuhr ich über den Nationalsozialismus. Ich bin mir sicher, dass der Name des Tiroler Gauleiters Franz Hofer kein einziges Mal fiel. Die Morde und Übergriffe beim Innsbrucker Novemberpogrom 1938 wurden völlig ausgespart. Das war in den 1980er-Jahren, noch vor der Waldheim-Affäre, in deren Windschatten der damalige

Bundeskanzler Franz Vranitzky nicht nur die bis dahin hochgehaltene Opferthese relativierte, sondern von einer Mitschuld der Österreicher am Zweiten Weltkrieg sprach. Somit wurde offiziell, was ohnehin bekannt war, das geistige Klima im Land änderte sich kaum. Umso wichtiger wurde für mich ein Werk, das ich kurz nach Schulabschluss in die Hände bekam, Erich Kästners Notabene 45. In diesem 1961 veröffentlichten Tagebuch beschreibt er detailliert seine Lebensumstände vom 7. Februar bis zum 2. August 1945, die ihn als Mitglied eines sechzigköpfigen UFA-Teams nach Tirol führen, wo angeblich ein Film gedreht werden soll. Man habe eben „ein paar konsequente Lügner beim Wort genommen, nichts weiter. Da der Endsieg feststehe, müssten deutsche Filme gedreht werden. Es sei ein Teilbeweis für die unerschütterliche Zuversicht der obersten Führung. Und weil das Produktionsrisiko in den Filmateliers bei Berlin täglich wachse, müsse man Stoffe mit Außenaufnahmen bevorzugen.“ Dieserart werden ungläubige Zeitzeugen abgespeist, bemerkt Kästner in typischem Sarkasmus. Klar, das ganze Unternehmen ist Posse, ist gewagtes Spiel zugleich, auf das aber auch Goebbels hereingefallen sei. Also macht sich der Tross auf den Weg nach Tirol, um dort das absehbare Kriegsende abzuwarten. In die Rolle als Produktionsleiter schlüpft Kästners Freund Eberhard Schmidt. Der produzierte schon 1942 den wohl ambitioniertesten Film der Nazi-Ära, Münchhausen. Für die vermeintlichen Hauptrollen sind Ullrich Haupt und Hannelore Schroth vorgesehen, Herbert Witt wird neben Kästner als Drehbuchautor ausgewiesen. Abreise in Berlin, Eberhard Schmidt in einem zweisitzigen DKW neben Kästner, „hinter Potsdam wurden wir zum ersten Mal von der Feldgendarmerie kontrolliert.“ Durchs Fränkische Jura Richtung München, von dort mit dem Zug über Garmisch nach Innsbruck. Die Wartezeit am Bahnhof wird von einer Luftwarnung unterbrochen, Kästner notiert: „Die Sirene wirkte wie das Megaphon eines Regisseurs, der einen Monsterfilm inszeniert.“ Auf ihr Kommando seien „von allen Seiten Komparsen mit Klappstühlen, Kindern, Kissen und


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Koffern“ herbeigeströmt und „in langer Polonaise“ im gegenüberliegenden Berg verschwunden. Abends geht’s weiter ins Tiroler Unterland und von Jenbach „mit der Zillertaler Lokalbahn nach Mayrhofen hinauf. Der Fahrplan lässt sich leicht behalten. Der Zug fährt einmal täglich von Jenbach nach Mayrhofen und ebenso häufig von Mayrhofen nach Jenbach. Mayrhofen ist die Endstation, hat etwa zweitausend Einwohner und lebt, sei nun Krieg oder Frieden, nicht zuletzt vom Fremdenverkehr.“ Etwas später trifft auch Kästners Lebensgefährtin Luiselotte Enderle als UFA-Dramaturgin in Mayrhofen ein. Von Mitte März bis Anfang Juni beziehen die beiden ein Zimmer in der Pension Steiner, bei „sehr freundlichen Leuten. Er hält Vieh. Sie ist die Hebamme des Ortes. Viktoria, die Tochter, hilft im Haus.“ Ein Sohn der Familie Steiner ist gefallen, der andere steht noch an der Front. Gemeinsam mit den „Berlinern“ sitzen sie in der „warmen Stube“ vor dem Volksempfänger, hören die Wehrmachtsberichte. „Die Fotografie des Gefallenen ist nicht der einzige Zimmerschmuck. An den Wänden hängen, einander gegenüber, ein geschnitztes Kruzifix und ein buntes Hitlerbild.“ Wiederholt geht Kästner auf die Einheimischen ein, deren Ablehnung mitunter „in ohnmächtigen Hass“ umgeschlagen sei. Dies erklärt er mit dem Wesen des Fremdenverkehrs, wenn die Gäste, „statt selber zu erscheinen, die Gelder per Post überwiesen, wäre Eintracht möglich.“ Und: „Nicht sie sind schuld, dass sie den Krieg mitverlieren und dass ihre Söhne mitfallen, sondern wir.“ Gestört fühlt sich auch die Leiterin eines evakuierten Lehrerinnenseminars, dessen Schülerinnen in diversen Hotels untergebracht sind. Ihre Direktorin ist befreundet mit Gauleiter Hofer und federführend beim Versuch, die unliebsamen Fremden für den Volkssturm heranzuziehen, wozu es letztlich nicht kommt. Kästner und das Filmteam bemühen sich also, die Einheimischen bei Laune zu halten, und so bekommen die Mayrhofener die Welturaufführung Josef von Bákys Via Mala zu sehen (der Film, 1944 fertiggestellt, wird erst 1948 in deutschen Kinos gezeigt). Die Tage vertreibt sich Kästner mit Spaziergängen und Beobachtungen. Täglich treffen Lastwägen und Busse mit Flüchtlingen im Zillertal ein, die Gemeinde erteilt keine Aufenthaltsgenehmigungen mehr, „es sei denn man zöge zehntausend Reichsmark aus der Tasche.“

Oft besucht er das Waldkaffee, seit Ende der 1920erJahre ein beliebter Treffpunkt im Dorf und bekannt für seine Tanzveranstaltungen. In den letzten Kriegswochen jedoch wird das Lokal zum Zufluchtsort für Vertriebene, „die nicht wissen, wohin sie gehören und was sie anfangen sollen.“ Auch die Nahrungsmittel werden immer knapper, Kästner beschreibt das Feilschen um Brot, Butter und Käse. Unterbrochen wird der Handel von Bomberverbänden, die über den Bergen auftauchen, ihr Ziel sind die Bahnknotenpunkte im Inntal. Am 25. März überbringen der Bürgermeister und der Ortsgruppenleiter den Steiners die Nachricht, dass auch ihr zweiter, erst achtzehnjähriger Sohn gefallen ist. „Der Vater erlitt einen Herzanfall. Die Mutter riss das Hitlerbild von der Wand. Sie wollte es zertreten … Heute früh hing das Hitlerbild wieder an der Wand. Und vor Hansl Steiners schwarzumrahmter Fotografie, nicht weit von der des Bruders, stand ein Teller mit Gebackenem.“ Wenige Wochen später ist der Krieg vorbei, Kästner notiert am 4. Mai 1945: „Die Ostmark heißt wieder Österreich.“ Noch gut ein Monat lang hält er sich in Mayrhofen auf und hält fest, wie rasch sich die Heimischen der Vergangenheit entledigen. „Farbsatte Rechtecke an den Wänden erzählten uns, wie leicht Tapeten zu verschießen pflegen und wie groß die Hitlerbilder gewesen waren.“ Aus den Hakenkreuzfahnen nähen die Bäuerinnen mithilfe von Betttüchern österreichische Fahnen, vor den Spiegeln stehen „Hausväter“ und schaben, „ohne rechten Sinn für Pietät, ihr tertiäres Geschlechtsmerkmal, das Führerbärtchen, von der Oberlippe.“ Solche und ähnliche Passagen beeindruckten mich bei der ersten Lektüre von Notabene 45 vor mehr als zwanzig Jahren sehr. Nach Kriegsende begründet Kästner sein Verbleiben in Deutschland mit der Absicht, er habe Augen- und Ohrenzeuge bleiben wollen, um alsbald den großen Roman des Dritten Reichs schreiben zu können. Es ist eine Zeit der Stimmungsmache gegen geflohene Emigranten, Thomas Manns Weigerung, nach Deutschland zurückzukehren, löst Kontroversen aus. Und Manns Ablehnung scheint auch Kästner übel aufzustoßen, er verfasst einen boshaft-ironischen Text, in dem er sich an die „lieben Kinder“ wendet, ein dankbares Publi-


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kum, mit anderen Worten, er weicht der Debatte aus. Ungeachtet dessen setzt bei ihm nach 1945 noch einmal eine enorme Produktionstätigkeit ein. Er ist populär wie in jenen Tagen, als er mit dem Roman Fabian Erfolge feierte. Nun wird er Feuilletonchef der von der amerikanischen Militärregierung in München herausgegebenen Neuen Zeitung, er schreibt Reportagen, Rezensionen, Kinderbücher und zahlreiche KabarettTexte für die Schaubude. Bereits 1946 erscheint Bei Durchsicht meiner Bücher, eine vom Autor selbst vorgenommene Zusammenstellung aus vier bis 1932 erschienenen Gedichtbänden. Die Gedichte „sollen zeigen, wie ein junger Mann durch Ironie, Kritik, Anklage, Hohn und Gelächter zu warnen versuchte“, heißt es im Vorwort, das Kästner so eröffnet: „Mein erstes Buch, der Gedichtband Herz auf Taille, erschien 1927. Und im Jahre 1933 wurden meine Bücher in Berlin, auf dem großen Platz neben der Staatsoper, von einem gewissen Herren Goebbels mit düster feierlichem Pomp verbrannt. Vierundzwanzig deutsche Schriftsteller, die symbolisch für immer ausgetilgt werden sollten, rief er triumphierend bei Namen. Ich war der einzige der vierundzwanzig, der persönlich erschienen war, um dieser theatralischen Frechheit beizuwohnen.“ In der Neuen Zeitung hatte er sich wie folgt vorgestellt: „Nun, E. K. war im Lauf der letzten zwölf Jahre elfeinhalb Jahre verboten. Das klingt lustiger, als es war. Trotzdem blieb er während der ganzen Zeit in der Heimat … und fühlte Deutschland den Puls. Eines Tages wird er versuchen, die Krankengeschichte niederzuschreiben.“ Was klingt daran lustig, möchte man fragen. Gleichwohl, Kästner hält bis an sein Lebensende an dieser Selbststilisierung fest. In den von ihm verfassten KurzViten entsteht der Eindruck, er habe zwölf Jahre nichts publiziert, nicht einmal im Ausland. Zweimal wurde er von der Gestapo verhaftet, seine Anträge um Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer wurden abgelehnt, vom Rückgang seiner Produktivität kann indes nicht die Rede sein. Gerade in den ersten Jahren nach Hitlers Machtergreifung erscheinen einige seiner bis heute beliebtesten Bücher, Das fliegende Klassenzimmer kann sogar noch in Deutschland verlegt werden, alle übrigen Werke im Ausland. Darunter das Kinderbuch Emil und die drei Zwillinge, die Unterhaltungsromane

Drei Männer im Schnee und Der kleine Grenzverkehr sowie die Sammlung unpolitischer Gedichte mit dem Titel Dr. Erich Kästners Lyrische Hausapotheke. Ferner erscheinen während der zwölf Jahre Diktatur insgesamt 26 Übersetzungen von Kästner-Büchern. Als er tatsächlich mit Schreibverbot belegt wird, liefert er unter Pseudonym Theatertexte und Filmdrehbücher für die Unterhaltungsindustrie des Dritten Reichs. 1942 schreibt er als „Berthold Bürger“ das Skript zu Münchhausen, Goebbels persönlich hatte dies genehmigt. An Kästners Regime-Gegnerschaft gibt es keinen Zweifel. Er hing an einer Kette von Fehleinschätzungen, das wurde ihm früh bewusst. Auch die enge Bindung zu seiner Mutter dürfte ihn zum Bleiben veranlasst haben. Aber nicht zu Unrecht nennt ihn Paul Flora in seinen Erinnerungen eine ambivalente Persönlichkeit. Andere gehen härter mit ihm ins Gericht, werfen Kästner Opportunismus vor, heißen ihn einen Moralisten mit doppeltem Boden. Walter Benjamin will in ihm schon in den frühen 1930er-Jahren einen Satiriker erkennen, der sich vor „wirklichen Problemen“ gedrückt habe, Ruth Klüger folgert: „Daß Kästner in Kinderbücher auswich und sich dann gewissermaßen zum Präzeptor eines jungen Deutschland stilisierte, war wohl kein Zufall.“ Dreharbeiten in Mayrhofen: „Die Kamera surrte, die Silberblenden glänzten, der Regisseur befahl, die Schauspieler agierten, der Aufnahmeleiter tummelte sich, der Friseur überpuderte die Schminkgesichter, die Dorfjugend staunte. Wie erstaunt wäre sie erst gewesen, wenn sie gewusst hätte, dass die Filmkassette der Kamera leer war. Rohfilm ist kostbar. Bluff genügt. Der Titel des Meisterwerks, Das verlorene Gesicht, ist noch hintergründiger, als ich dachte.“ Hinter das Gesicht ließ sich Erich Kästner nie blicken. Auch in Notabene 45 nicht. Einmal mehr erweist er sich als begnadeter Selbstdarsteller: „Ich war eine Ameise, die Tagebuch führte. Ich notierte, was ich im Laufen sah und hörte. Ich ignorierte, was ich hoffte und befürchtete, während ich mich tot stellte“, heißt es im Vorwort. Seine Arbeitsmethode erklärt er so: „Meine Aufgabe war, die Notizen behutsam auseinanderzufalten. Ich musste nicht nur die Stenographie, sondern auch die unsichtbare Schrift leserlich machen … Ich musste das Original angreifen, ohne dessen Au-


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thentizität anzutasten.“ Wie soll das gehen? „Ich habe den Text geändert, doch am Inhalt kein Jota.“ Und an anderer Stelle: „Ich habe nicht daran gerührt. Denn ich bin nicht vom Verschönerungsverein. Vom Selbstverschönerungsverein schon gar nicht.“ Notabene 45 widerspricht, die gedruckte Fassung weicht mitunter deutlich vom Original-Tagebuch ab, das Kästner ab 1941 führte, es wurde erst Jahre nach seinem Tod im Nachlass entdeckt. „Kunstgriffe wären verbotene Eingriffe“, postuliert er im Vorwort und wendet sie sonder Zahl an. Die letzte Eintragung in Berlin: „Ich klebe hier fest wie eine Fliege an der Leimtüte“, die erste in Mayrhofen: „Die Fliege klebt nicht mehr an der Tüte. Es hat ihr jemand aus dem Leim geholfen. Eine Art Tierfreund? Der Vergleich hinkt.“ Auf diese Art baut er immer wieder an der Dramaturgie des Buchs – und wenn ein Vergleich hinkt, warum ihn bemühen? Zudem zieht Kästner eine Kommentarebene ein, die mit Sicherheit erst vor Abdruck von Notabene 45 entstanden ist. Im Original: „Hitler ist in Berlin gefallen.“ In der gedruckten Version: „Hitler liegt, nach neuester Version, nicht im Sterben, sondern ist ,in Berlin gefallen‘! Da man auf vielerlei Art sterben, aber nur fallen kann, wenn man kämpft, will man also zum Ausdruck bringen, dass er gekämpft hat. Das ist nicht wahrscheinlich. Ich kann mir die entsprechende Szene nicht vorstellen. Er hätte dabei mit Ärgerem rechnen müssen … und dieses Spektakel konnte er nicht wollen. Ergo: er ist nicht ,gefallen‘.“ Nicht nur in dieser Passage unterläuft Kästner die im Vorwort behauptete Authentizität. Manche Eintragungen lässt er in der gedruckten Fassung vorsorglich weg, etwa: „Am besten hat sich noch Goebbels aus der Affäre gezogen, der Intellektuelle, als er mit seiner Familie gemeinsam Schluss machte.“ Andere aber fügt er beflissen hinzu, wie: „Gestern warnte mich jemand. Die SS, das wisse er aus zuverlässiger Quelle, plane, bevor die Russen einzögen, eine blutige Abschiedsfeier, eine ,Nacht der langen Messer‘. Auch mein Name stünde auf der Liste. Das ist kein erhebender Gedanke.“ Ist es wahrlich nicht, aber Kästners Selbsteinschätzung wird offenbar. Auch dass er die „Achillesferse“ in Mayrhofen gewesen sei, ist unglaubhaft. „Wir können nur hoffen, dass die örtlichen Amts- und Würdenträger meinen Namen nie gehört oder längst vergessen ha-

ben.“ Die Enttarnung der Dreharbeiten als Posse hätte Gauleiter Hofer als Grund gereicht, Maßnahmen zu ergreifen. Ob ihm an solchen noch gelegen sein konnte, bleibt fraglich, er paktierte längst mit den Alliierten. Zweifelsohne will Kästner mit Notabene 45 zumindest in Anflügen jenen Zeitroman ersetzen, mit dem er seine innere Emigration legitimierte. Aber die Rückblenden auf die zwölf Jahre der Diktatur wirken an vielen Stellen übermotiviert, Kästners Pointen-Jagd bricht mancher Peinlichkeit Bahn. Beispielsweise wenn er die Geschehnisse in Deutschland und während des Krieges in Film- und Theatermetaphorik einwebt, Hitler spiele Dramen nach, „die Österreicher haben eben Theaterblut.“ Unter dem Aspekt der Überzeichnung auch seine Darstellung der „Ostmärker“. Stets hat Kästner ein Aperçu parat, das den nüchternen Duktus des Originals erschlägt, ein Bonmot jagt das andere. Beispielhaft dafür die mich einst packende Passage von der Überbringung der Todesnachricht: Die Mutter reißt das Hitlerbild von der Wand, hängt es am nächsten Tag wieder auf, vor der schwarzumrahmten Fotografie des Gefallenen ein Teller mit Gebackenem. Dass Kästner ein Gedicht für die Sterbeanzeige des Johann Steiner verfasste, findet weder im Tagebuch noch in anderen Ausgaben Erwähnung. Kein besonders gutes Gedicht, aber es zeigt einen unmittelbaren Autor. „Tagebücher präsentieren gewesenes Präsens“, offensichtlich misstraut er seinem Diktum, will mehr aus dem Erlebten machen. Das ist ihm gelungen. Schmälert es den Wert von Notabene 45? In der Zillertaler Heimatstimme aus dem Jahr 2005 die Überschrift: Dr. Erich Kästner fand eine schützende Bleibe in Mayrhofen. Der Artikel beginnt mit Kästners sprichwörtlicher Moral: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Es folgt eine frisierte Kurz-Vita in Kästner’schem Sinn, dann die Beschreibung seines Aufenthalts „an der Schwelle vom Krieg zum Frieden“. Wie Österreich über diese „Schwelle“ tritt, erfahren die Leser mit keinem Wort. Nicht nur ihnen sei Kästners Journal anempfohlen. Es ist ein ambitioniertes Buch, ein früher Schritt, den Alltag im Dritten Reich zu dokumentieren. Freilich, wie beim Film, der mir den ersten Kinobesuch meines Lebens bescherte, handelt es sich auch bei Notabene 45 um ein Remake.




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Brenner-Gespräch (6): „Wer hat das geschrieben? Ich?“

So viele Leute fahren über die Alpen nach Italien. Quart bittet herausragende Persönlichkeiten an den Straßenrand zu einer Jause und einem Gespräch. Folge 6: der Komponist Salvatore Sciarrino im Gespräch mit dem Bariton Otto Katzameier.

Otto Katzameier: Was ich dich immer schon fragen wollte: Wieso gibt es ein Zitat aus Don Giovanni in deiner Oper Macbeth? Salvatore Sciarrino: Jedes neue Werk gibt auch Auskunft darüber, was uns jeden Tag zustößt, wenn wir mit unseren Vätern kämpfen, oder wenn wir sie bestätigen … Ich zum Beispiel töte Mozart und Verdi jeden Tag! K.: Du tötest jeden Tag Mozart und Verdi? S.: Nicht nur Mozart und Verdi, jeden Komponisten … K.: Du tötest täglich jeden Komponisten? S.: Nein, nicht jeden, nur die besten! K.: Warum? S.: Weil wir das müssen! Wenn wir es nicht tun, dann bleibt der Vater. K.: Aber warum können wir nicht unseren Vätern folgen? S.: Weil es das nicht gibt, das existiert ganz einfach nicht! Wenn du glaubst, deinem Vater zu folgen, dann tust du das in Wirklichkeit nicht. K.: Du findest deinen eigenen Weg nicht? S.: Ja, du musst frei sein. Und das heißt: Du musst deine eigene Freiheit erobern! K.: Verdi und Mozart sind also deine Väter. S.: Nicht nur meine! K.: Ich habe die Musiker vom Klangforum Wien gebeten, mir ein paar Fragen an dich mitzugeben, eine davon lautet: Wie sehr beziehst du dich auf überlieferte, klassische, niedergeschriebene Musik? Oder würdest du dir wünschen, dass bis jetzt keine Musik existiert hätte, dass du absolut frei wärst und alles neu wäre? S.: Es gibt den folgenden Widerspruch: Einerseits unterrichte ich die klassische Tradition, andererseits bin ich in meiner eigenen Musik archaisch, überhaupt nicht

klassisch! Ich beginne beim ersten Moment, in dem wir geboren werden, in dem es keine anderen Klänge gibt, als die, die uns umgeben, und die in unserem Körper sind. Es ist sehr schwierig, das auszudrücken, es hat etwas von einem Anfang … Vor vielen Jahren, bei einer Präsentation einer sehr frühen Aufnahme mit meiner Musik, waren wichtige Leute da, ein Radio-Direktor und einer, der später Intendant der Scala wurde, ein guter Kritiker, alles sehr gute Freunde. Sie versuchten, eine Einführung zu meiner Musik geben, aber keiner von ihnen war fähig, die richtigen Worte zu finden. Und dann war da einer, der sagte, er wolle etwas fragen. Er sagte: ‚Entschuldigen Sie, ich glaube, Sie erzeugen eine seltsame Übertragung oder Erinnerung an jene Klänge, die wir fühlen, erfahren, wenn wir noch nicht geboren sind … im Uterus …‘ – Er sprach nur sehr wenige Worte. Was er vorbrachte, war natürlich keine Frage, aber als er geendet hatte, waren die Leute ganz erstaunt. K.: Ist deine Musik eigentlich italienisch? S.: Ich weiß es nicht. Jedenfalls ist sie mehr sizilianisch als italienisch. Es ist eine Art von archaisch sizilianischer, mediterraner Musik. K.: Also eine Musik, die in die Zeit vor all die berühmten italienischen Komponisten zurückreicht, eine Musik vor Monteverdi sozusagen? S.: Ja, das ist sehr eigenartig, denn meine Musik ist streng, absolut monodisch, nicht gregorianisch. Es herrscht absolute Einstimmigkeit. K.: Nicht immer! S.: Doch, immer. K.: Aber in der ersten Hexenszene von Macbeth zum Beispiel, da ist deine Musik doch ziemlich polyphon! S.: Ja, aber es ist eine Polyphonie, die immer wie ein einziger organischer Klang ist!


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K.: Als du mit dem Komponieren angefangen hast, wie war das genau? S.: Als ich begann, waren mir nur schlechte Kopien von Musik zugänglich und innerhalb eines einzigen Jahres kam ich bei der zeitgenössischen Musik an. Man kann sagen, ich begann in ein- und derselben Partitur bei Strawinsky und landete schnell bei Bartók, Schönberg, dann Stockhausen … K.: Als Kompositionsstudent? S.: Oh nein, mit zwölf oder dreizehn! Ich bekam eine sehr gute Gelegenheit: Da gab es einen Komponisten, der auch die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik besuchte. Er organisierte ein ‚Sitting-in‘ bei den Settimane Internazionale di Nuova Musica in Palermo, das sich nach Darmstadt zum zweitgrößten Festival für zeitgenössische Musik entwickelt hatte. Ich zeigte ihm meine Partituren und er gab sie mir immer mit guten Ratschlägen zurück. Er sagte nie: ‚Tu das nicht!‘ oder: ‚Das musst du tun!‘, sondern er sagte: ‚Sei vorsichtig, weil die Trompeten, die können so nicht gut funktionieren, schau dir mal dieses Stück von Debussy an …‘ – Für jedes einzelne Problem gab er mir solch einen Ratschlag und so ergab sich für mich die Möglichkeit der Imitation und der Emulation! Ich studierte die Tradition, die beste Tradition, ohne den Zwang einer bestimmten Vorstellung von Technik. Und das Wissen um die Modelle bedeutet schlussendlich ihre Überwindung! Immer stritt ich mich mit meinen Studienkollegen über Mahler, weil der damals von allen Leuten als ein dekadenter Musiker gehasst wurde. Ich sagte: Wie kannst du Orchestrieren lernen, wenn du Mahler nicht kennst? K.: Also war Mahler für dich wichtiger als Verdi, Puccini oder … S.: … ja, in Fragen der modernen Orchestration! K.: Und stilistisch? S.: Mahler ist stilistisch sehr wichtig, weil er Dinge benützen kann, die sehr einfach und musikalisch sind, und er fähig ist, sie zu verwandeln. Orchestrieren kannst du meiner Meinung nach bei Puccini, Mahler und Richard Strauss lernen, aber mehr bei Puccini und Mahler!

K.: Du hast drei Komponisten genannt und zwei davon sind Deutsche! S.: Naja, Beethoven dürfen wir natürlich nicht vergessen! Und Mozart. Als Kind sah ich in den ‚Don Giovanni‘. Mozart richtig entdeckt aber habe ich, als ich ‚Le Nozze di Figaro‘ sah, da war ich bereits achtzehn, mindestens. Ausgehend von einem tiefen musikalischen Denken wie es unter anderem in den späten Quartetten und Sonaten von Beethoven zu erfahren ist, kam ich zu dieser unmittelbaren, unglaublich bestechenden Einfachheit bei Mozart! Deshalb sage ich immer, dass meine Entwicklung als Komponist mit neunzehn begonnen hat, nicht früher! K.: Ich sah ein Interview mit Louise Bourgois, dieser fantastischen Künstlerin, sie war eine sehr zarte, alte Frau und sagte: ‚Ich bin viel zu klein und viel zu schwach für meine Emotionen. Ich muss große Skulpturen machen, sonst würde ich explodieren!‘ – Schreibst du deine Musik für Hörer oder schreibst du Musik, weil du den Klang in dir hast und ihn irgendwie herausbringen musst? S.: Das Problem vieler Komponisten ist, glaube ich, dass sie meinen, mit ihrer Musik ihre Ideen und Gefühle transportieren zu können. Die persönliche Erfahrung des Hörers bringt aber ganz andere Gedanken und Gefühle mit sich, trotzdem ist dann vielleicht am Ende etwas Gemeinsames entstanden, aber eben auch der Unterschied. Wir müssen emotional sein für die Musik, aber es gibt keine Möglichkeit, meine Emotionen zu dir zu transportieren, du kannst meine Emotionen nicht fühlen, niemals! Und ich frage mich auch: Wozu? Weil deine Augen, dein Hirn sind anders als meine! Das ist großartig. Jedes Wesen kann diese Individualität haben, muss sie haben, auch eine einfache Zelle. Und das ist Kreativität, das ist die Kreativität der Welt! Von dieser Basis gehe ich aus – eine völlig andere Grundlage als die der meisten anderen Komponisten. Und noch etwas möchte ich dazu sagen: Für gewöhnlich sagen wir: ‚Das ist ein guter Komponist, das ist kein guter Komponist …‘ Aber ich bin mir dessen sicher, dass Kreativität in jeder Person steckt, auch wenn sie


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manchmal nicht zur Entwicklung gelangt, sie nicht von anderen entdeckt wird, nicht einmal von der betreffenden Person selbst. Es gibt keine menschliche Existenz, kein menschliches Wesen, das nicht kreativ ist. K.: Aber es gibt trotzdem gute und schlechte Musik, oder? S.: Ja, aber das ist eine andere Sichtweise, ein anderer Blickwinkel. Du kannst mich fantastisch verführen mit einem schlechten Lied. K.: Das ist wahr! S.: Das ist Kreativität! Also können wir sagen, dass es keine Objektivität gibt, dass jede Musik durch die Interpretation gehen muss. Das ist das Leben der Musik. Urteilen zerstört. Wenn wir sagen: ‚Dieser Baum ist gut. Der hingegen ist weniger gut, weil er krank ist! Jener wiederum ist besser, weil seine Form schön ist!‘ – Dann ist das Rassismus! Wir zerstören uns selbst, benützen unseren Kopf schlecht! Jede Sache hat ihren Platz und ihre Funktion. Wenn wir diesen Baum umschneiden, geht die Welt unter. K.: Wenn Kreativität überall ist und wir nicht urteilen sollten – würde das auch bedeuten, dass jeder, der eine Note Musik schreibt, bei den Salzburger Festspielen aufgeführt werden sollte? S.: Nein! K.: Also müssen wir urteilen, oder? S.: Nein. K.: Jemand muss urteilen. S.: Wir müssen auswählen … K.: Auswählen, ja … S.: Wir selber, wir müssen auswählen, aber das heißt nicht zerstören, da wir den richtigen Ort auch für die anderen Dinge finden können! Abgesehen davon haben die meisten jungen Komponisten das Problem, dass sie viel zu schnell in den Kreislauf der Aufträge geraten. Wenn ich im jungen Alter solche Aufträge gehabt hätte, wäre ich zerstört worden. Man darf nicht von Beginn an in kommerzielle Produktivität eingebunden sein. Ich sagte immer zu meinen Studenten: ‚Entschuldigt, Schubert schrieb neun Sinfonien. Welche davon konnte er hören? Keine. Aber das war kein so

großes Problem.‘ Ich hatte Schüler, die viel besser waren als ich. Aber sie wurden zerstört. Wenn ich nach Donaueschingen* komme, sehe ich es wie einen großen Altar, auf dem so viele junge Komponisten ermordet worden sind und all das Blut sieht man noch … Ich finde das sehr traurig und schrecklich! K.: Aber was ist die Lösung für junge Komponisten? Entweder sind sie erfolgreich und müssen dann ein Stück nach dem anderen liefern, oder sie bekommen keine Aufträge. S.: Ich sage nicht, dass sie keine Aufträge haben dürfen. Sie müssen sie nur zum richtigen Zeitpunkt haben! Ich hab mit dem Komponieren angefangen, spielerisch wie ein Kind, aber es war sehr ernst. Ich habe zuerst einmal für mich geschrieben. Ich brauchte es ganz einfach, um überhaupt einmal alles zu realisieren. Ich komme wie in eine Trance, wenn ich etwas schreibe, und wenn ich zum Ende komme, zum Beispiel bei meinen großen Partituren, dann weiß ich nicht: Wer hat das geschrieben? Ich? Ich bin nicht sicher! K.: Gott? S.: Nein. Das glaube ich nicht, entschuldige bitte. K.: Du bist kein Christ? S.: Ich bin als Christ geboren, aber … K.: … du glaubst nicht an Gott. S.: Ich denke, dass das Universum so perfekt und so schön ist. Es ist Gott, das Universum … vor ein paar Jahrhunderten hätte man gesagt, ich bin Pantheist, wie Beethoven. K.: Ja, deine Musik kann so spirituell sein, ich finde deine Musik sehr spirituell. S.: Ja, ich denke, wir müssen spirituell sein! Das ist die Funktion von uns Menschen. Und wir dürfen nicht von Gott wie von einer menschlichen Person denken! Redaktion: Milena Meller (Übersetzung aus dem Italienischen: Katharina Meller)

* Die Donaueschinger Musiktage, 1921 gegründet, gelten als eines der wichtigsten Festivals für Gegenwartsmusik.




Wenn man schon so heißt: Muss man dann das Unglück nicht anziehen? Vor dreißig Jahren saß ich einmal einen Abend mit der damals bereits betagten, aber quirligen und schlagfertigen Autorin Elisabeth Freundlich zusammen. Sie war, wie es ihr Name sagt: freundlich, sehr sogar; aber hat fast nur düstere oder in ihrer sachlichen Genauigkeit deprimierende Bücher geschrieben, schreiben müssen. Etwa „Die Ermordung einer Stadt namens Stanislau“, die exakt recherchierte Geschichte der galizischen Stadt, deren Bewohnerschaft von den Nationalsozialisten vernichtet wurde. Ihre Autobiographie nannte sie „Die fahrenden Jahre“, sie ist 1992 im Otto Müller Verlag erschienen, herausgegeben von der Vorarlberger Autorin Susanne Alge. Damals lernte ich sie kennen, eine kleine, 86-jährige Frau, die von den Bitternissen des Exils erzählte, die nichts waren gegen die Bitternisse, die auf sie warteten, als sie heimkehrte in ein Österreich, in dem niemand an ihr und den Remigranten interessiert war.

Ich habe noch nie etwas von Paul Fröhlich gehört, nichts von ihm gelesen. Dieser Text genügt, mich davon zu überzeugen, dass das ein großes Versäumnis ist.

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Marginaltexte (4): Wortkammer Mit dem Wort Marginalie wird gewöhnlich Nebensächliches bezeichnet, etwas am Rande oder an der Grenze einer Sache Liegendes. In Quart werden unter diesem Titel zentrale Texte über das Leben an der Peripherie neu veröffentlicht, die längst vergriffen oder nur schwer zugänglich sind, an entlegenen Orten aufbewahrt oder gar in Archiven verschwunden. Folge 4: Kindheitserinnerungen des in Gries am Brenner aufgewachsenen und 1975 mit 25 Jahren an einer Herzkrankheit verstorbenen Paul Fröhlich.

Almabtrieb, Autobahn, Fichtennadeln, Senkgrube, Karfiol, Abschürfungen, gebrochene Finger, violett angeschwollen. Regenglitsch, Bachstaub. Zwiebelund Schnittlauchgeruch an den Händen der Mutter. Zerklüftete Hände. Im Winter kamen die Jäger vorbei, zogen Taschenmesser und tranken Branntwein. In der Nacht träumte ich von blutigen Hasenpfoten, von Rucksäcken mit Hirschknopfaugen. Wir stellten Limonadeflaschen ins Bachwasser; ertränkten Ameisen mit Spucke; klebriger Tod. Das verlassene Bahnhaus: dämmrig, kühl. Die Mädchen legten sich zum Schmusen auf den schweren Tisch, waren zwölf oder jünger, die Burschen alle über vierzehn. Nach dem Regen dampfte der Waldboden, roch wie Honigsud. Wir spießten Insekten an Baumstämme, ließen sie in der Sonne dörren. Eine Mutprobe bestand darin, Schmeißfliegen und kleine Falter in Brot einzukneten und zu schlucken. Die Stube roch nach Geranien und gebügelter Wäsche. Auf dem Uhrkasten stand die Branntweinflasche, mit Weihwasser gefüllt, ofenwarm. Daneben: Arnikaschnaps, Johannisöl, daneben: der Spucknapf des Großvaters. Der Großvater rauchte Virginier, nahm Farnkrautbäder gegen die vereiterten Füße. Das Vieh. Der niedere, schwitzende Stall. Geruch von Sägemehl und dampfendem Urin. Gurren und Flattern der Hennen. Hennen mit Schicksal, in dem ein Marder, eine Kuhklaue oder eine kalte Winternacht eine Rolle spielten. Ich sehe Mutter mit einem blutigen zuckenden Federbalg in der Hand traurig zum Brunnen gehen: die Hennen waren ihr Volk, genauso wie die Kinder und Kochtöpfe. Die Kühe waren sein Volk. Er schlug sie mit dem Melkfuß oder tätschelte sie mit dem Striegel, er heilte sie von Euterentzündungen, Blähungen und eingetretenen Nägeln. Diese wogenden geduldigen Bäuche mit trensenden Mäulern und Augen so sanft wie Seegras! Der Vater. Sein Griff nach dem Teller befahl die Familie an den Tisch. Sein Griff nach der Zeitung brachte die Familie zum Schweigen. Die Hände des

Vaters waren verlängerte Instrumente des Schweigens. Wenn sie mich an den Ohren packten, fühlte ich keinen Schmerz, sondern Angst, in einen Abgrund gehoben zu werden. Meine Sprache ist eine Gewohnheit aus Landschaft und Kindsein. Eine Gewohnheit aus Abschauen und Auswendiglernen. Die ersten Sätze, die ich lernte: das Abendgebet; der schmerzhafte Rosenkranz. Gebte für Verstorbene und Sterbende. Zu Hause wurde nur über Dinge gesprochen, die mit Arbeit, Essen oder Schicksalsschlägen zu tun hatten. Die Sätze, die im Laufe eines Tages fielen, waren mehr Bestandteile des allgemeinen Hausrates als des Einzelnen, der sie im Munde führte. Gefühle zeigte man durch Weinen, Lachen oder Unwillen, es war nicht üblich, etwas, das zum Weinen oder Lachen war, über die Geste hinaus zu beschreiben. Wenn von der Erinnerung die Rede war, erzählten Hände und Augen mit; das Zuhören war immer auch ein Zuschauen und Mitgestikulieren. Dieser einheimische Mundbetrieb: ein vorgeburtlicher, fleischdunkler Zustand. Das Wollen regiert über das Können, das innere Gefälle wird ohne Umschweife in Laute umgesetzt. Tagesnöte und Todesahnungen vermischen sich mit dem Hausverstand, Handgriff und Unheil sind unzertrennlich miteinander verschwistert. Die Wörter sind mit Gegenständen vollgesogen, Landschaft, Hausrat, Geschlecht … Die Wortkammer gehört zum erblichen Inventar dieser Gegend: verfertigte Redensarten und Bittformeln, die dem Einzelnen das Nachgrübeln ersparen helfen. Das Wörtchen „ich“ steht für Beruf, Krankheit und Adresse und in den meisten Fällen auch für die besondere Neigung zum Alkohol. Der Alkohol verschafft vorübergehend eine Art Lebensgefühl, eine Art Weitblick, aber auch nur in den Grenzen der bewährten Übermuts- und Verdrußformeln, mit denen der Volksmund übereinstimmt. Der Volksmund: ein Sammelgut verjährter Lebensregeln, mit dessen Hilfe die Temperamente neuer Generatio-


Wie die Muttersprache, die Sicherheit gewährt, von der Vatersprache in Besitz genommen wird und nach und nach zur Sprache der Autoritäten verhärtet, von der Sprache der Familie und des Vertrauten also zu der des Staates und der Obrigkeit wird: Das hat Fröhlich leidgenau erfasst und großartig beschrieben.

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nen abgekühlt und zurechtgestutzt werden. Der Volksmund: der Mythos der handwerklichen Berufsstände, die keine andere Bedrohung kennen als die tägliche Forderung, überleben zu müssen. Überleben heißt: essen, schlafen, wieder essen, wieder schlafen. Rund um diese Naturbedürfnisse wird noch der Hausfriede als seelischer Anspruch angemeldet, allenfalls der Friede mit Gott, aber hier beginnt sich dieser Anspruch schon in Bilderbuchvorstellungen aufzulösen. Gott trägt die Gesichtszüge des – nur vom Hörensagen bekannten – Urgroßvaters, eine nachsichtige, schlichtende Figur, die aus Altersgründen und Ruhebedürfnis über die größten Gemeinheiten beide Augen zudrückt. Der einzelne, der sich immer nur in den allgemeinen Begriffen erlebt und empfindet, handelt in seiner Triebhaftigkeit im Einverständnis mit der allgemeinen Triebhaftigkeit. Jedes Vergehen in diese Richtung wird von der schweigenden Mehrheit abgedeckt, so gilt das gemeinschaftliche Verständnis zugleich auch als himmlische Lossprechung, denn das Recht ist immer auf der Seite des Außergewöhnlichen. „Jemand“ ist in dieser Gegend männlichen Geschlechts. Das Leben der Frau spielt eine rein tagwerkliche Rolle. Alles, was die Frau über den Tag hinaus fühlt oder sagen möchte, wird vom Mann mit einer Handbewegung vom Tisch gewischt: Beruf und Kirche haben ihm seit Jahrhunderten die Rolle des stellvertretenden Herrgotts und Familienrichters zugesprochen, und dieser Zuspruch duldet – was die Frau betrifft – nur den demütigen Augenaufschlag der jungferlichen Maria und später den bitteren, in den Ärmel geweinten Lebensschmerz der Muttergottes. Die Muttersprache ist in Wirklichkeit eine Vatersprache, die das Kind durch die Mutter lernt. Die Vatersprache trägt die Seufzer der Mutter, die entsagenden Blicke, die heimlichen Tränen: das Kleinkind wird für diese Randtöne hellhörig. Das Kind spürt die verschwiegenen Nöte dieser Sprache auf und reimt sich später seine eigenen Vokabeln zum Gesagten dazu. Der Vater wird als hart, mürrisch, unberechenbar verinnerlicht, seinen unbegreiflichen Anweisungen wird ein kritischer Trotz entgegengestellt. Später verwischt sich diese Vaterfigur mit den Begriffen Öffentlichkeit, Gesellschaft, Staat: die Empfindsamkeit des Heranwachsenden richtet sich mit derselben unnachgiebigen Haltung auf diese übertragenen Autoritäten. Der leise, aussichtslose Kampf der Mutter wird zum unerschöpflichen Impuls, sich in der Gemeinschaft Gerechtigkeit zu verschaffen und ihren mundlosen Schmerz, an dem ich jahrelang mit-

gelitten habe, in Wörtern aufzulösen. Die Erzählungen des Großvaters waren beladen mit Gegenständen, Uhrzeiten, Wetterverhältnissen und Handgriffen. Die Menschen in seinen Geschichten waren eine Versammlung landläufiger Gewohnheiten, aber jeder von ihnen hatte eine besondere Art damit umzugehen. Wenn die Mutter nach dem Abspülen in den Küchenstuhl sank und mit dem Zeigefinger die Brotkrumen von der Tischplatte pickte, so war die Müdigkeit, von der sie seufzte, zugleich auch die erledigte Arbeit oder der in sich zusammengesunkene Tag. Die Finsternis, die schneidende Kälte in dieser Gegend; oft noch im Juni, oft noch bei der Heuarbeit mit rotgefrorenen Fingern … Herbst brachte Schneeregen, die Felder dunkelten rasch zu; manchmal verspätete, trügerische Sonnentage nach Allerheiligen. Auf dem abschüssigen Gelände Wegzäune, Küchenschellen, Moosquellen, darüber die Hochspannungsleitung, darüber der Himmel, in allen Grauschattierungen vor und nach Gewittern. Die Bahn, wie in den Fels hineingerostet; ein flimmernder Luftofen, der an gewissen Augusttagen bis in die Dämmerung hinein glühte. Auf der anderen Talseite nasse, überhängende Schrofen, von Lawinen, Muren und Bränden zerschunden, darunter der Bach, ein silberner Lidstrich, ganz eingeschlossen in die Silbernis des Abendvergehens. Mulden, Steilhänge, Wald: ein windiger Talkessel, mit einer Kopfdrehung zu überschauen. Nach Sommergewittern tauchen auf dem Feldbuckel italienische Schneckensucher auf. Wir beobachten aus der Ferne, wie sie in ihren schwarzen Gummimänteln und tief in die Stirn gezogenen Tschakos durchs Gras waten. Der Großvater steht mit fauchendem Gehstock an der Hausecke und schleudert ihnen die gemeinsten Schimpfwörter entgegen, die er seinerzeit an der italienischen Front gehört hat. Die Schneckensucher schwenken ihre prallen Rupfensäcke und verschwinden so lautlos, wie sie gekommen sind. Die Paßstraße, eine steile Serpentine, die den Talkessel von Bergvorsprung zu Bergvorsprung einspannt. Im Winter eine Eisfalle für die Fernlaster, die nacheinander abrutschten, umkippten, ausbrannten. Die Schneeketten der Fernlaster scharren tiefe Narben in den Asphalt. Die Fahrer brechen kleine Fichten und schlagen sie unter die funkensprühenden Räder, bis die Stämme zerfransen. Sie stehen frierend und fluchend herum und reiben sich die tätowierten Arme mit Schnee warm. In der Nacht huschen Taschenlampenkegel über die Aufschrift der Plachen, und immer wieder diese langge-


Wäre es eine Erzählung, nicht eine Kindheitserinnerung, würde ich dem Autor, wenn er mich denn hörte, leise zurufen: Lass nicht alle Kinder sterben! Aber er stirbt am Ende ja auch selbst.

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zogenen ausländischen Flüche, ein verzweifeltes Gebell … Ich stand am vereisten Fenster und fürchtete mich; fürchtete mich vor etwas, das keinen Namen hatte, von dem ich nur wußte: es war irgendwo dort draußen und bedrohte. In den ersten Schuljahren, als der Winterverkehr noch keine Rolle spielte, jagten wir auf Rodeln über diese Eisplanke ins Dorf. Die Kleinsten klammerten sich an den Windblusen und Zöpfen der Größeren fest, ellbogenlange Fäustlinge übergestülpt, die Kappen tief in die Augen gezogen, – und noch immer weinten sie vor Kälte leise in sich hinein, wenn alles Stille, alles Sternenfunkeln war, – nur das eisige Pfeifen des Fahrtwindes und das knöcherne Gleiten der Kufen. Aus den Tälern der Kindheit weht ein scharfer Geruch: Erde, Weihrauch, Schnee … Der Tod der mageren Schwester hat den Juli siebenundfünfzig ein für allemal vereinsamt: ein spanischer Sommer der Erinnerung, von Bienen und schwarzen Trikoloren beweint. Die Mutter geht still hinüber in die Jahre. Ihre versteinerte Hand zieht auf den Scheiteln der Buben bittere Furchen. Der Achtjährige wirft sich in die gemähte Wiese, von Schnecken und Salamandern bekränzt. Die Kühe sprechen in der Nacht mit den Toten. Särge werden durchs Haus getragen. Dunkles Gepolter der Knechte, denen unsichtbare Hunde den Schweiß von den Stirnen lecken. Und immer wieder die winzigen, spitzen Schreie der Aufgebahrten. Das Kind atmet schweißgebadet in der einsamen Kammer. Sie war schon seit Jahren bettlägrig gewesen. Ich durfte immer nur für Minuten in ihr Zimmer. Dann schnupperte ich am Nagellack oder sah mir die Münzensammlung an, die sie im Nachtkästchen aufbewahrte. Manchmal erzählte sie mir vom Himmel. Dort glänzt alles, sagt sie. Alles glänzt. Ich habe keine Angst vor dem Sterben. Ich weiß, daß ich in den Himmel komme. Alle Kinder, die sterben müssen, kommen in den Himmel und werden heilig und glänzen. Als die Mutter in der Tür des Schuppens stand und kein Wort sagte, da wußte ich: die Schwester ist in den Himmel geflogen. Auch das hatte sie mir erzählt: ich werde dann Flügel haben und durch die Luft fliegen. Ganz weit hinauf. Alle standen um das Bett herum und weinten. Der Großvater, die Nachbarin, der Bruder, Vater, Mutter. Die Tränen rannen ihnen. Die Stube wurde mit schwarzen Tüchern verhängt. Die Nachbarn kamen mit Schnittblumen und Kerzen und beteten Rosenkränze bis spät in die Nacht. Es roch nach Weihrauch und Kranznadeln. Eine Verwandte sorgte für die Mahlzeiten, während die Mut-

ter den ganzen Tag mit ausgeweinten, verschwollenen Augenlidern vor der Aufgebahrten kniete. Einmal gab es einen Aufruhr, weil sie gesehen haben wollte, daß sich die Tote bewegte. Wir suchten in den dürren, verstaubten Böschungen nach weggeworfenen Flaschen. Jeder von uns hatte einen Stock, mit dem er im Gras stocherte und Flaschenhälse aufspießte. Der eine oder andere hatte sich schon an einer rostigen Konserve geschnitten oder war mit den Fingern in eine übelriechende Flüssigkeit getappt. Wir schleppten die Flaschen in einem Rupfensack zum Bach und spülten die Würmer und Schnecken heraus. Dann versteckten wir sie im Holzschuppen. Jeder hatte sein eigenes Lager nach Limonade-, Bier- und Weinflaschen sortiert. Nachmittags trugen wir einige davon zum Krämer und tauschten sie gegen Kaugummi oder Stollwerck ein. Mein Schulweg führte durch ein Stück Wald, in dem ich immer laut betete, aus Angst vor ungeheuerlichen Erscheinungen. Eine Sage aus dieser Gegend erzählt von einer Zigeunerin, die aus Liebeskummer in den Tod gesprungen sei. Einheimische hätten sie später noch oft zu Gesicht bekommen oder ihr Schluchzen gehört. Früher hatte die Mutter während der Arbeit manchmal Kirchenlieder gesungen oder der Vater hatte sich die Ziehharmonika umgeschnallt und den Schneewalzer gespielt. Jetzt fuhrwerkten sie einsilbig in Küche und Stall herum. Der Vater schlägt die Türen hinter sich zu, die Mutter wischt sich heimlich mit dem Geschirrtuch die Tränen aus den Mundwinkeln. In einem Haus, wo zwei Kinder aufgebahrt und weggetragen worden sind, gibt es nicht mehr viel zu musizieren. Die Fotografie im Herrgottswinkel: das durchsichtige Gesichtchen der Toten mit dem unvergeßlichen Herzkrankenlächeln. Daneben, wie ein zweiter Altarflügel: der herzkranke Bruder im Norwegerpullover. Als mich der Vater im Lehrlingsheim Graz-Eggenberg vom Unglück benachrichtigte, sah ich das blasse, von einem nässenden Ausschlag übersäte Gesicht vor mir, das ich zum letzten Mal auf dem Balkon der Innsbrucker Medizinischen lachen gesehen habe. Das Fehlen des Bruders am Mittagstisch war eine bedrückt hingenommene Leere, die durch das Besteckgeräusch zur Beklemmung anschwoll. Während ich den Löffel zum Mund führte, starrte ich auf den Fleck der Tischplatte, wo er immer seinen Ellbogen aufgestützt hatte. Nach dem Begräbnis wartete ich, bis alle Menschen – auch die Mutter – gegangen waren. Dann bückte ich mich


Weil ich gar nichts über den Autor weiß, habe ich dort nachgeschaut, wo fast alle Autoren genannt und besprochen werden, die sonst keiner nennt und die nirgendwo besprochen werden: beim Schönauer. In den fünf voluminösen Bänden, zu denen seine Besprechungen und Kritiken gesammelt sind, stoße ich natürlich auch auf eine Notiz über Fröhlich, und zwar zu einem Buch, das 13 Jahre nach dem Tod des Verfassers erschienen ist: „Vermischte Erinnerungen“, herausgegeben von Walter Klier. In der ihm eigenen Originalität, die literarischen Dinge anzupacken, schrieb Schönauer, der Verfasser einer wachsenden subjektiven Literaturgeschichte der Gegenwart, 1988 über diesen Band aus dem Nachlass: „Der Höhepunkt jeder Dornröschendarstellung ist jene Stelle, wo plötzlich alles stehenbleibt. Der Koch, der den Lehrling ohrfeigen will und auf halbem Weg erstarrt, der Soldat, der salutieren will und in ein hundertjähriges Habtacht verfällt, der Gärtner, der die Gartenschere nicht mehr zubringt. Die Literatur, die Paul Fröhlich bei seinem Tod 1975 hinterlassen hat, wirkt wie ein Standbild aus jener Zeit.“ Das ist sehr gut gesagt, aber ein prekäres Urteil. Obwohl, es müssen ja nicht alle Bilder laufen lernen.

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nach einer Handvoll Schnee und warf ihn auf die pyramidenförmig geschichteten Kränze. Das Rascheln der Kranzschleifen brachte mich zum Weinen. Nach dem Tod des Bruders schrumpfte das Zuhause zum Schauplatz stummer Bedrückungen. Der Großvater wurde in das Altenzimmer abgeschoben. Dort stand er gebeugt und zitternd am Fenster und starrte auf die andere Talseite, als würde er von dort jemanden erwarten. Er war in den letzten Jahren so schwerhörig geworden, daß jede Unterhaltung nach zwei, drei Sätzen ins Stocken kam und in Handzeichen ausartete. Die notwendigsten Wörter wurden ihm ins Ohr geschrien. Im Frühjahr begann die Autobahn AG mit den Vorarbeiten für den Brückenbau. Die Mutter zeigte den Ingenieuren und dem Küchenpersonal die eingerahmten Bildchen der Toten. Diese fremden, an solche Zeremonien gewöhnten Gesichter beugten sich tief über die Aufnahmen, als wollten sie ihr Mitgefühl mit diesem Elend noch deutlicher zur Schau stellen. Ich fühlte mich unter ihren harten, unruhigen Augen als lebendes Kind dieser Familie irgendwie schuldig. In der Nähe des Hauses wurden Sprengarbeiten durchgeführt. Die Erschütterungen waren so gewaltig, daß das Geschirr in der Kredenz jedesmal eine Weile nachzitterte. Ich beobachtete vom Stubenfenster aus, wie zwei Arbeiter das Feldkreuz umsägten. Es war ein ganz einfaches Feldkreuz mit einem verwitterten Dach und einem bemalten Heiland, dem vor langer Zeit ein Fuß abgesplittert war. Jedesmal, wenn ich daran vorbeikam, flüsterte ich: Heilig’s Kreuz! Das war so eine Gewohnheit, die mir noch die Schwester beigebracht hatte. Vergaß ich es einmal, dann lief ich zurück und sagte das nächste Mal zweimal laut: Heilig’s Kreuz! Heilig’s Kreuz! Während die Männer den Herrgott auf einen Handwagen luden, grub in der Nähe ein Caterpillar einen übermoosten Feldhügel ab und kippte die fettschwarze Erde auf ein Schotterauto. Mit einem Schlag hatte das Feld seine Würde verloren. Dort, wo das Kreuz gestanden hatte, gähnte eine winzige Narbe, und rund um diese Narbe war die Landschaft entseelt, als hätte man ihr das Auge ausgestochen. Die Gegend schrumpfte zur Baustelle. Eines Tages klopfte dieser Mann an unser Küchenfenster. Ein junger, kräftiger Mensch mit einem kantigen Schädel. Er trug einen grauen Lodenmantel und schwarze Gummistiefel. Die Mutter winkte ihn herein und bot ihm ein Glas Wein an. Er wehrte mit einer knappen Handbewegung ab: Bin mit der Vespa un-

terwegs! Aber dann trank er das Glas doch in einem Zug leer. Unser Hund, ein Spaniel, hatte sich bei seinem Eintreten winselnd unter dem Herd verkrochen. Der Vater versuchte, ihn herauszulocken; zuerst mit schönen Worten, dann mit Speck, schließlich brüllte er: Sauvieh! Der Hund robbte zitternd hervor und vergrub die Schnauze zwischen den nassen Stiefeln des Mannes. Der packte ihn unterm Arm und trug ihn hinaus. Der Vater setzte seinen Hut zurecht und ging den beiden nach. Die Mutter schloß die Tür. Auf dem Herd sotten die Kartoffeln über. Bevor die Tropfen verzischten, rasten sie in einem wilden Tanz um die Herdplatte. In dieses Zischen hinein fiel der Schuß. Die Mutter riß den Topf vom Feuer, daß eine Handvoll Wasser überschwappte. Der Dampf schoß wie ein Pilz zur Decke und breitete sich über alle Gegenstände. Kurz darauf hörte ich das Knattern der Vespa, das sich immer weiter entfernte. Im Kleinbauern- und Wirtshausklima unserer Gegend galt Innsbruck als Podium für den beruflichen Erfolg. Wenn es einem jungen Menschen gelungen war, einen Arbeitsplatz in der Stadt zu ergattern, dann blickten die Zurückgebliebenen neidisch auf diese erfolgreich gesicherte Existenz. Es kam vor, daß so ein junger Mensch scheiterte und sich als Tankwart oder Sägewerkarbeiter mit einer Dorflaufbahn begnügen mußte; das war dann für die Familien tüchtiger Kinder immer Anlaß für Mitleid und Spott. Im Winter kam die Sechsuhrfrühgarnitur ungeheizt über den Brenner. Wir zeigten mit steifgefrorenen Fingern unsere Monatsausweise her, gruben die Fäuste in die Anoraktaschen und nickten vor Übermüdung wieder ein. Auf der Heimfahrt wurde geschmust, gerauft oder geschnapst. Auf eine Bierwette hin sprang ein Hilfsarbeiter aus dem fahrenden Zug. Ein Mechanikerlehrling versuchte den Stöckelschuh einer Wurstverkäuferin aus dem Fenster zu werfen und wurde von einem Eisenbahner unter Gelächter bei den Ohren gepackt und durch den Waggon gezerrt. Die Atmosphäre aus Roheit, Schadenfreude und Tageserschöpfung verschweißte die Pendler zu einer dumpfen, unberechenbaren Leidensgenossenschaft. Es gibt – nach außen hin – ein untrügliches Zeichen für das Ende der Kindheit: das erste Monatsgehalt. Der Vater schneidet die Frage des Kostgeldes an, die Mutter durchsucht die Rocktaschen nach versteckten Scheinen, es kommt zum Wortwechsel über vermutete Beträge, schließlich der erste Streit und von Seiten des


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Vaters die erste Drohung mit dem Hinauswurf: schau wie du weiterkommst, Rotzbub! Ich erinnere mich an eine Szene, in der mein Vater nach einer solchen Auseinandersetzung die verriegelte Schlafzimmertür aufgetreten hat, während die Mutter händeringend im Hintergrund stand. Es ging um zwanzig Schilling, die ich mir erlaubt hatte, aus meiner Sparschatulle zu nehmen, um ins Kino zu gehen. Es war natürlich nicht der lächerliche Betrag, – es war der Widerstand gewesen, den ich gewagt hatte: der erste Widerstand, der nicht vom Kind, sondern vom Mitverdiener gekommen war: das ist mein Leben und mein Leben ist meine Sache! Man lebte nicht für seine Sache. Man lebte für den Hof, für die Familie und dürftigstenfalls für den Glauben. Das Geistige wurde durch kurze Geschichten veranschaulicht, sodaß auch der schwerfälligste Kopf das Gute vom Bösen unterscheiden konnte. Das genügte für den Umgang mit Angehörigen und Nachbarn. Alles andere war eine Angelegenheit von Handgriffen. Fleiß zählte mehr als Klugheit. Die Ausdauer war angesehener als der Einfall. Nur Kleinkindern war es erlaubt, aus der Seele zu reden. Schon in der Volksschule wurde dem Kind das Eigenleben abgewöhnt. Die Neugierde war plötzlich nicht mehr belustigend, sondern vorlaut. Wünsche waren Zeichen für Undankbarkeit. Der eigene Wille wurde als Trotz beschimpft und jeder Versuch, sich zu erklären, als Aufmucksen bestraft. Geduldet wurden nur ein paar harmlose Ausfälligkeiten, aber auch nur als Unterhaltung am Mittagstisch: der Bub durfte den Teller des Vaters vertauschen, den Löffel ausnahmsweise einmal mit der linken Hand halten oder den Radiosprecher nachäffen. Die Schuldgefühle wurden einmal im Monat in den Beichtstuhl getragen; das verschaffte eine vorübergehende Erleichterung, aber auch die Scham, vor der Gemeinde als Büßer dazustehen. Das sechste Gebot war das kritischste. Während bei allen übrigen Punkten eingelernte Sätzchen heruntergesagt werden durften, mußte die Unkeuschheit in allen Einzelheiten beschrieben werden: wann, wo, wie oft und mit wem. Einmal überraschte mich die Mutter bei einer Unkeuschheit. Ich hatte einem Nachbarmädchen die Unterhose abgestreift und mit einem Stück Holz, das mir als Operationsmesser diente, am Geschlecht herumgefupselt. Die Mutter gab aber nicht mir, sondern dem verschreckten Mädchen die Ohrfeige. Zu mir sagte sie nur: wasch dir sofort die Hände, du Schweinigl! In geschlechtlichen Dingen trug immer das Mädchen, auch wenn es noch so klein war, die letzte Schuld.

Der Schritt vom Feldweg auf den Gehsteig: zwischen mir und den geräumten Schauplätzen der Kindheit einen Graben ziehen. Das Verdrußgesicht der Mutter, die abgearbeitete Gestalt des Vaters, die wehrlose Genügsamkeit des zitternden Mannes im Altenzimmer hinter diesem Graben zurücklassen. Als Gepäck nur die Erinnerung und das unbestimmte Gefühl, daß alles anders werden wird. Der kurze Abschied: die Mutter wischt sich die Hand in die Schürze und macht mir mit dem bebenden Daumen ein Kreuzzeichen auf die Stirn. Der Vater steht mit aufgekrempelten Hemdsärmeln in der Tür und wartet, bis ich an ihm vorbei muß. Er streckt mir die Hand hin, schweigend, mit einem festen, endgültigen Druck. Der Großvater schläft. Es würde auch schwerfallen, ihm diesen Augenblick zu erklären. Auf der Höhe des Feldbuckels, von dem aus der letzte Blick auf das Haus möglich ist, befällt mich der ganze Jammer. Die Kindheit, die sich auf dem letzten, steilen Wegstück so verzweifelt ans Herz geklammert hat – plötzlich rutscht sie ab. Die Tränen schießen mir in die Augen und ohne Übergang beginne ich zu singen: unzusammenhängende Lied- und Wortfetzen, aus Liedern und Wörtern, die ich in diesem Talkessel gelernt und die es mir nun aus Mund und Augen spült. Vermischte Erinnerung … Ich sitze unterm Tisch und wische mir mit dem Ärmel die Katzenhaare von der Zunge; die Mutter geht in Schafwollsocken über den frischgespülten Küchenboden … Das Haus: wie eine Wurzel in die Landschaft eingewachsen. Von der Dachrinne tropfte das Schneewasser auf die roten Geranien des Stubenerkers … Die Felder rund ums Haus, der Garten, die Bretterstöße, der nahe Wald: das war die Weite. Heute sitze ich hinterm Tisch, das Kinn auf die Handballen gestützt und schaue in eine seltsam erstarrte Gegend: als wären die Dinge in das Fenster eingefroren … Die Handgelenke der Schwester dufteten nach Lavendel, als sie mir über die Wange strich und kein Wort herausbrachte vor Atemnot … Das Blitzlicht des Gemeindefotografen zeigte ihre violettgesprenkelten Wangen überirdisch. Auf dem Dachboden stehen Schachteln voll Krimskrams. Schulhefte, Kommunionkerzen, Bilderbücher. Eines Tages, so habe ich mir vorgenommen, werde ich alles genau durchsehen. Eines Tages, so habe ich es mir vorgenommen, werde ich mich an alles genau erinnern.




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Kaspar Hausers Powerbook

Kunst braucht den Ausnahmezustand – Mirko Bonné polemisiert über einen ausgiebig kolportierten Gedanken.

Ich will ein Reiter werden. Georg Trakl Nur indem ich schreibe, bin ich hellwach und auf eine auch mich verblüffende Weise unterwegs. Dann bin ich ein Reiter. Was mich tagtäglich zum Schreiben bewegt, ist eine Gelassenheit, die stets auf etwas zuhält. „Wide awake“, der englische Ausdruck ist ein herrliches Bild dafür. Wenn ich schreibe, fühle ich mich wach, weil es mich mitten hineinzieht in die offene Welt des Gestern, Heute, Morgen. Weit wacher als bei so vielen anderen Beschäftigungen bin ich, wenn ich dichte, erzähle oder übersetze, und bin eigentlich gar nicht beschäftigt. Ich bin bloß da, aber ganz und gar, ja, in meinem Element, und empfinde ja wirklich das Glück, in einem Wasser zu schwimmen, das mich nicht nur trägt, sondern mir auch alles übermittelt. Als wertvoll und zugleich wehrlos empfinde ich mich, wenn ich schreibe – denn das muss so sein. Was wertvoll ist, das ist auch wehrlos. Und umgekehrt. Marie Luise Kaschnitz nennt diesen Zustand Langeweile, „eine lange Weile des Entlassenseins aus der Beschleunigung, dem Getriebenwerden, Gepeitschtwerden, einem persönlichen Lebensende, einem unpersönlichen, unter Umständen katastrophalen Weltende zu.“ Allerdings hinterfragt sie zugleich den Sinn. Wieso in dieser ganzen Hetzerei überhaupt schreiben, fragt sie, „doch nur um Ruhe zu finden, um entlassen zu werden aus der furchtbaren Beschleunigung, aber man wird nicht entlassen“. Brauche ich den Ausnahmezustand, um schreiben zu können? Welchen? Die Droge, die Fremde, die Stille? Bietet das Fremde, das Stille oder der Rausch die dem Schreiben angemessene Bewusstseinserweiterung? Und wovon wäre sie eigentlich Ausnahme? Ist es nicht eher so, dass ich von einem Ausnahmezustand in den nächsten stürze und mich vor Impulsen, Ansätzen, Möglichkeiten, neuen, wiederentdeckten, zurückerkämpften gar nicht mehr zu retten weiß? Getrieben, gepeitscht, beschleunigt – Bilder für das Unwesen einer Leistungsgesellschaft, die sich alles leistet, solange es sie kein Involviertsein kostet, und die von den sehr

wohl überlieferten Aufgaben der Kunst, der Musik, des Tanzes, des Schauspiels und der Literatur so wenig eine Ahnung hat, wie diese dem seichten Vor-sich-hinDümpeln noch etwas entgegenzusetzen wissen. Hilflos wie ausgediente Gespenster fliegen die Künste hin über ein plastikverseuchtes Meer, in dem Kadaver und Leichen treiben, und stellen bestenfalls die um sich greifende Panik vor der Sinnleere dar. Alternative? Keine. Wie die alte Utopie ist die postmoderne Alternative ein kontaminierter Begriff. Vier Dinge braucht man, um ein Gedicht zu schreiben: einen Zettel, einen Stift, eine Tasche und den wachen Sinn. Immer wünschte ich, letzterer würde genügen, das Gedicht, das mir durch den Kopf geht und das mich wach bleiben lässt, bräuchte weder Niederschrift noch Speicher. Doch der Schwarm Kapsturmvögel, den ich beobachtete, als ich in der Antarktis war, und bei dessen Blinken in Form eines changierenden Schachbretts mir augenblicklich ein Gedicht vorschwebte – einfach deshalb, weil ich so ein vorbeischwirrendes lebendiges Blinken noch nie gesehen hatte –, er bleibt ein Pulk Vögel, in dem vieles vorkommt, nicht aber ich, solange ich mich an dem Gedicht nicht versuche. Die Kapsturmvögel und ich: Oft scheint mir, nur wegen diesem „und“ schreibe ich noch Gedichte. Wäre ich auf einer Insel gestrandet, auf der nichts ist, und hätte bloß Zettel und Stift sowie, um beides zu schützen, eine Tasche, es käme mir nicht in den Sinn, eine Erzählung oder gar einen Roman zu schreiben. Ich würde Gedichte schreiben, vielleicht wie John Keats seine Briefe schrieb: Jede Seite doppelt beschrieben, diagonal und über Kreuz, erst von rechts oben nach links unten, dann von oben links nach unten rechts. Gedichte schreibe ich seit jeher von Hand, auf Blätter und Seiten, die bald kryptische Kritzelanordnungen sind, bevor ich sie zum ersten Mal abtippe, wenn auch nur um zu sehen, welche graphische Gestalt das Gedicht auf dem Bildschirm hat. Dann drucke ich die Vorstufe aus, aber bloß um auch sie mit schnell nur noch mir leserlichen Kürzeln, Pfeilen, Streichungen, Zeichen und immer winzigeren Wörtern zu überkritzeln. Ich


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will damit sagen: So wichtig der Inspirationsraum, der einen neuen Text bedingt oder vorgibt oder sogar eingibt (die Antarktis, die Fremde – die überall ist), und so wichtig darin die Bewegung, die dem Gedankengang, dem Lauf der Wörter, der Verse und Sätze zum Vorbild wird (die Kapsturmvögel, das Irritierende – das überall ist), genauso wichtig ist der Schreibprozess selbst, die Auseinandersetzung mit dem Vorgegebenen und Vorgefundenen („Material?“ – „Nein.“) und das Spüren des eigenen Körpers beim Schreiben – denn nur dann bin ich da, spüre was auf der Haut (und das macht Sinn), und bin nicht in jedem Augenblick bloß meine eigene Erinnerung. Und daher geht es wirklich um das Und, um den Zusammenhang, der zugleich Unterschied und die Membran ist, die zwischen den Erscheinungen („Erscheinungen?“ – „Ja.“) schwingt … und … und … daher geht es um die schwingenden Räume zwischen dem „wahrhaft“ und dem „wahrlich“ und dem „ernsthaft“. „Er wahrlich liebte die Sonne …“ und „Er ernsthaft liebte die Sonne …“ und „Wahrhaft war sein Wohnen im Schatten des Baums …“ Oder war es „ernsthaft“? In der Fahne des erst nach seinem Tod erschienenen Gedichtbands „Sebastian im Traum“ änderte Georg Trakl die beiden Verse in seinem „Kaspar Hauser Lied“ hin und her, her und hin, wieder zurück und doch noch einmal neu. Wie liebt man die Sonne? Wie liebte Kaspar Hauser sie? Wie wohnte er, der die ganze Kindheit hindurch in ein lichtloses Verlies gesperrt gewesen sein soll? Ernsthaft, wahrhaft, wahrlich? Und in diesem Dunkel, wenn man da zum Spielen nur dieses eine kleine Holzpferd hatte, wer würde kein Reiter sein wollen? Von meinen Erzählungen und Romanen gibt es dagegen so gut wie keine handschriftlichen Vorstufen, allenfalls einzelne Notizen zu Figuren, Orten oder Dialogen. Als ich vor einiger Zeit eine Neuübersetzung von F. Scott Fitzgeralds Roman „The Beautiful and Damned“ las, notierte ich mir für ein eigenes neues Manuskript: „Drei Buchteile wie bei Fitzg.: 1. Eine Frage des … 2. Eine Frage der … 3. Keine Fragen mehr“. Die folgenden Notizbuchseiten sind dagegen vollgekliert mit Entwürfen von Versen und Strophen eines Gedichts über einen Nachmittagsspaziergang durch das sommerliche Buenos Aires.

Merkwürdig auch, dass jedes meiner längeren Prosamanuskripte mit einem anderen Gerät entstand. „Die Stunden des Flugbootes“, ein 600-Seiten-Roman, den ich mit 21 aufgab, schrieb ich noch mit Bleistift – wobei selbstgestecktes Ziel war, täglich zumindest ein Wort zu Papier zu bringen. Den Roman „Salomond“ tippte ich auf einer schwarzen Adler-Reiseschreibmaschine, deren „e“ nicht funktionierte, weshalb ich auf 220 Seiten ein jedes handschriftlich nachtrug. Die mit einiger Verspätung dem jungen Peter Handke nacheifernde Erzählung „Blaufuß“ (beendet mit 25, veröffentlicht nie), entstand auf meiner Großmutters olivgrünen Olivetti aus der Konkursmasse ihres Kolonialwarenladens, eine so schwere Maschine, dass man sie nur zu zweit tragen konnte – was immer schön war und heiter stimmte. Sie und die Adler standen später jahrelang einträchtig in ihren Kästen unter der Treppe, um erst vergessen und schließlich auf den Müll geworfen zu werden. Als eine Art digitalen Manuskripteschrank erstand ich meinen ersten Computer, einen Apple Performa mit 4 MB Festplatte, und schrieb darauf mit geröteten Augen und entnervt von seinem Brummen meinen Debütroman „Der junge Fordt“. „Ein langsamer Sturz“ war der erste Roman, den ich auf einem Laptop schrieb, einem Notebook 1500, das mir chronische Schulterbeschwerden eintrug und dessen morgennebelgrauer Bildschirm bald für immer erlosch. Geliebt habe ich das 1800er Powerbook, auf dem ich fünf Jahre lang „Der eiskalte Himmel“ schrieb. Denn als mein Bruder, der Elektroniker ist, es durchgecheckt hatte, vertraute ich dem kleinen grauen Klappapparat blind und begann auch außerhalb meines Schreibzimmers zu schreiben, in Zügen, Hotels, auf Balkonen und in einem Wäschezimmer von der Größe eines Ballonkorbs. Leider gehörte das Gerät meiner damaligen Frau, und mit ihr verließ mich auch dieser treue Begleiter. Wäre es anders gekommen, hätte ich dann weitere Romane auf dem Powerbook geschrieben? Wären sie die Bücher, die es heute gibt, oder sähen sie anders aus? Wer kann es sagen. Im Internet fand ich seinerzeit ein gebrauchtes iBook und nahm es wenig später in die Antarktis mit, um an Bord der „Bremen“ an „Wie wir verschwinden“ weiterzuschreiben. Nur schrieb ich dort in meiner Kabine mit Blick auf Weddellrobben, Kapsturmvögel und Schwarzbrauenalbatrosse kein


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Wort an dem Roman, der im heutigen Versailles spielt, aber zurückführt in das Dorf, in dem Albert Camus tödlich verunglückte. Stattdessen schrieb ich mit der Hand eine Handvoll Gedichte und tippte ansonsten einen Monat lang Beobachtungen in eine Datei namens „Antarktis.doc“, aus der sich mein Reisejournal „Antarktika, Antarktika“ entwickelte. Ob Kaspar Hauser wirklich der um die Thronfolge gebrachte Erbprinz von Baden war oder doch bloß irgendein armer Mensch, spielte vielleicht für ihn und seine vermeintlichen Peiniger eine Rolle. Für die Wissenschaft ist er wieder zu einem Niemand geworden. Nur ist heute jeder ja Kaspar Hauser, tastet sich durch seine Unwirklichkeit und steht leicht wankend und stotternd da auf einem digitalen Marktplatz, um traurig staunend zu verkünden: „A söchtener Reuter möcht i wern, wie mein Voater gwen is!“ Noch Jahre nach der Flucht oder Freilassung aus dem unbekannten Kindheitskerker und dem Aufgegriffenwerden auf dem Nürnberger Unschlittplatz konnte Hauser bei tiefster Dunkelheit lesen, wird behauptet. Er soll botanische Zeichnungen von Pflanzen aus seinen Träumen angefertigt haben, „Blumen, die es auf derer Welt gar net gibt“, nannte sie seine Wirtin Klara Biberbach, die ihn am liebsten erdrosselt hätte für seine Sanftmut, sein Anstaunen noch der kleinsten Dinge und seine geliebten schimmernden Westen, mit denen er draußen umherschritt wie in einem Garten Eden, den nur er sah. Beim Blick aus dem Fenster soll Kaspar Hauser gemeint haben, die Welt komme ihm wie auf Glasscheiben gemalt vor, ein Eindruck, den ich schlagartig nachfühlen konnte, als ich die Stirn an die Sicherheitsfenster des Abenteuerkreuzfahrtschiffes presste und zwischen Tafeleisbergen hindurchfuhr, die größer waren als Hamburg oder Wien. Sicher, durch den Computer hat sich mein Schreiben verändert, aber doch nicht stärker, als es immer aufs Neue geprägt wird von Menschen, Orten, Reisen, Geschichten, neuen Einflüssen und alten, vor allem aber vom Lesen und Betrachten. Mein Laptop ist Zettel, Stift und Tasche in einem, für Konvolute, die mir ansonsten die Nähte sprengen würden und in deren Papierflut ich Notizen für ein Gedicht nicht wiederfände. Von den vier Dingen, die ich brauche, um auf meine Weise mit der Welt in Kontakt zu bleiben, stellt er drei

dar. Das vierte ist ein unerfüllbarer, aber gerade deshalb lebendiger Wunsch: Könnte der wache Sinn doch genügen. Was mag Schiller wohl empfunden haben, wenn er den Duft der alten Äpfel roch, die er nur aus diesem Grund in sein Schreibpult legte? Eine armselige Vorstellung, dass der süßliche Geruch des beginnenden Vermoderns eine erhöhte Synapsentätigkeit in Friedrich Schillers Gehirn auslöste. Ich frage mich, welchen Obstgarten er vor sich sah, und in welchem Herbst er durch welche Felder lief. Wie jung ließ ihn der Apfelduft wieder sein? Wahrscheinlich stand ihm ein bestimmtes Licht vor Augen, ein Gold, ein Grün, ein Wind, ein Gras, ein Kleid. Es ist nicht immer leicht, diese Öffnung der Welt in alle Richtungen und Zeiten auszuhalten, wie sie das Schreiben im besten Fall bereithält. Wenn Trakl einem Freund mitteilt, er habe seine Zuflucht wieder zum Chloroform genommen, so spricht er damit aus, was so viele Künstler nach ihm wortlos mitmachten (ja, mit-), auch deshalb, weil es sie selber verstummen ließ, nämlich hineinzurennen in eine anfangs beseligende, später nur noch fürchterliche Illusion. Wobei ich es für einen ebenso großen Trugschluss halte, Trakls Dichtung wesenhaft mit seinem Rauschmittelkonsum in Verbindung zu bringen. Jeder, der Drogen nimmt, um schreiben zu können, merkt schneller als ihm lieb ist, dass er lediglich einen immer gefräßigeren Automatismus füttert. So ist es nichts als ein Trinkerklischee, wenn man Fitzgerald nachsagt, er hätte „Tender is the Night“ ohne Rotwein gar nicht schreiben können. Denn die Frage ist nicht, welchen Zustand der Dichter herstellt, damit er schreiben kann, sondern wie er dem ihn um den Verstand bringenden Reichtum tagtäglich standhält – und das mit einem Sensorium, das immer einsamer macht. Wer sich ans Schreiben macht, sagt Marie Luise Kaschnitz, versucht den Blick zu lenken auf die wunderbaren Möglichkeiten des Menschen, auf seine tödlichen Gefahren und auf die bestürzende Fülle der Welt.




Der Unterschied zwischen gebundener und ungebundener Sprache ist der zwischen Vers und Prosa. Die wissenschaftliche Beschreibung der Lyrik kennt eine Fülle von Begriffen, mit denen verschiedene teils alte, teils neuere Formen lyrischen Sprechens gefasst werden. Das fängt schon bei einer Sache mit dem wenig eleganten Wort „Versfüße“ an, von denen hier nur Jambus, Trochäus und Daktylus erwähnt seien, und führt zu komplex gebauten Strophen, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Interessant ist jedoch, dass die Stummelsätze, vorurteilsfrei betrachtet und in die richtige inhaltliche Anordnung gebracht, in ihrer Rhythmik und Verknappung unverkennbar eine Tendenz zum lyrischen Welterleben ausdrücken, wie man an den folgenden Beispielen unschwer erkennen kann.

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Nullsätze, Stummelsätze und Gesprächskiller

Es gibt Hunderte von Wendungen, die in ganz gewöhnlichen Unterhaltungen vorkommen. Jeder nimmt sie in den Mund, ohne darüber nachzudenken. Gleichwohl geben sie Rätsel auf, schon weil sie ohne Kontext so gut wie unverständlich sind. Von Hans Magnus Enzensberger

Sie gehören eher der mündlichen Rede als der schriftlichen Verständigung an. Ein außergewöhnlicher Reichtum an Tonfällen sorgt dafür, daß keine Mißverständnisse auftreten, obwohl ihre Semantik gewissermaßen in der Luft hängt. Sie setzen ein intimes Hintergrundwissen voraus und sind durchaus von der Situation abhängig, in der sie geäußert werden. Oft ist weder ihr Subjekt noch ihr Prädikat leicht zu bestimmen; auch syntaktisch gehen sie eigene Wege. „Es tut sich was“ oder „Damit hat sich’s“: es ist unklar, wer da etwas tut oder hat, noch dazu in reflexiver Gestalt. „Sei dem, wie ihm wolle“ verleitet insofern zum Grübeln, als weder deutlich wird, wer da will, noch wem gewollt wird oder wem da etwas sei. Auffällig ist, nicht nur bei den Interjektionen, die Vorliebe für die Ellipse. Das Repertoire an Intonationen ist, wie gesagt, reichhaltig. Sie sind es, in denen die soziale Funktion der Nullsätze und Gesprächskiller zu ihrem Recht kommt. Zwar signalisieren nicht wenige dieser Wendungen Überraschung, Erstaunen, gutmütiges Zureden oder schiere Ahnungslosigkeit. Doch die aggressiven Töne überwiegen bei weitem: Ablehnung, Hohn, Überheblichkeit, Rechthaberei, Grobheit und Ironie. Verblüffend vielen Nullsätzen hört man an, daß es ihnen darauf ankommt, das letzte Wort zu behalten. Sie dienen dazu, den Gesprächspartner förmlich niederzubügeln und mundtot zu machen. Dabei wimmelt es von performativen Widersprüchen, die solche destruktiven

Absichten verleugnen möchten: „Ich bin sprachlos“, „Das ist nicht gesagt“ oder „Ich denke nicht daran“ sind Sätze, die sich, ohne mit der Wimper zu zucken, selbst widerlegen. Gelegentlich werfen Nullsätze, gewissermaßen hinter dem Rücken des Sprechers, metaphysische Probleme auf. „Da hört sich ja alles auf“ ließe sich als Ankündigung des Weltendes verstehen, wobei auch in diesem Fall das Passiv irritiert. „Sei doch nicht so“ oder „Du bist mir einer“ – diese Sätze rütteln an der Frage der Identität. „Dem ist nicht so“: wem ist hier anders? Der benefaktive Dativ bezieht sich auf ein unbekanntes Es, dem ein anderes Es nicht so ist – ein ontologisches Mysterium. In aller Unschuld lassen sich manche Nullsätze auf ein Match mit dem Nichts ein, das in Formulierungen wie den folgenden nichtet: „Ich mache mir nichts daraus“, was auf die Umkehrung einer creatio ex nihilo hinausläuft, wenngleich offen bleibt, was hier zunichte gemacht wird. Immerhin ist ein Subjekt der Vernichtung erkennbar. Hingegen gerät man ins Taumeln bei der Frage, welches Das und welches Es gemeint sein könnte, von dem es heißt: „Da fehlt sich nichts“, „Das macht nichts“ oder gar „Das nimmt sich nichts“. Viele solcher Nullsätze kommen in der mündlichen Sprache derart häufig vor, daß man den Eindruck hat, sie seien unentbehrlich für den Dialog. Warum interessieren sie die Linguistik nicht? Vielleicht gerade


Ich für meinen Teil Wenn man mich fragt Ich würde sagen Quasi Nichts für ungut Aber ein bisschen pronto Nicht mein Ding Aber wirklich nicht Eigentlich In keinster Weise Gewissermaßen Unter uns gesagt Prost, Mahlzeit Jetzt mal ganz ehrlich So schaut’s aus Im Endeffekt Schlicht und ergreifend Passt schon Gar keine Frage Im grünen Bereich

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deshalb, weil sie buchstäblich nichts besagen. Sie fungieren einerseits als Gleitmittel, Pausezeichen, Mittel zur Überbrückung von Verlegenheit – andererseits als Stopper, Bremse und Puffer. Hinter ihrer Banalität verbirgt sich eine eigentümliche Metaphysik des Nichts. Eine kleine Auswahl dieser Irrwische muß sich begnügen, weil sonst eine seitenlange Kette den Leser ermüden würde. Wir lassen es lieber bei denen, die mit dem Buchstaben A anfangen: Aber aber Aber dalli! Aber erlauben Sie mal! Aber es kommt noch viel dicker! Aber hallo! Aber immer! Aber jetzt mal im Ernst. Aber klar doch! Aber wie! Aber woher denn! Abwegig! Ach du grüne Neune! Ach du lieber Gott. Ach du liebes bißchen! Ach herrje! Ach ja? Ach komm! Ach nee! Ach so läuft das! Ach so! Ach was! Ach? Aha! Alle Wetter! Allemal!

Allerdings. Alles der Reihe nach! Alles für die Katz! Alles halb so wild. Alles im Eimer! Alles Kacke! Alles Kokolores! Alles nicht so heiß! Alles nur das nicht. Alles nur Wischiwaschi! Alles paletti! Alles Quack! Alles Schamott! Alles was recht ist! Alles wie gehabt. Alles, nur das nicht! Allmächt! Also doch! Also gut! Also sei so lieb! Also so was! Also wirklich! Amen. Ätsch! Au Backe! Au weia! Auch das noch! Auch gut. Auch wieder wahr. Auf keinen Fall! Auf so eine Idee kannst auch nur du kommen. Augenwischerei! Aus der Traum! Ausgerechnet! Auweh!




Fließtext*

Von Jan Wagner

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— Text, der in einem Stück und ohne Unterbrechungen durch Absätze, Überschriften, Abbildungen, Fußnoten u. Ä. gesetzt wird. — Aufforderung, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und dabei nicht zurückzuschauen; freihändig draufloszulegen, ohne zu korrigieren; die Buchstaben zu Papier zu bringen und bedenkenlos aus der Hand zu geben. 172 / 173

Sobald ich die Augen schließe, stehe ich unter Wasser, dürfen die Fische sich nähern: Schwimmende Schönheiten des Pazifiks sind es gelegentlich, edler in ihrem Muster als Schlafzimmertapeten aus Versailles, schillernde Barockschwärme mit einem verschwenderischen Flirren und Funkeln, mit einem Leichtsinn von Farben; hier und da wagen sich die bizarren Gestalten aus der dunklen Experimentierkammer der Tiefsee hervor, weit öfter noch aber sind es die seit Kindertagen vertrauten Formen von Flunder, Forelle, Hecht und Dorsch – sie schweben heran, schauen fragend, schauen stumm, verschwinden mit einem leichten Schlag ihrer Flossen, tauchen ab, als wären sie mit einem Mal misstrauisch geworden, müssten den Zweibeiner meiden. Und tatsächlich fällt mir jetzt, da ich die Augen geschlossen habe, auch wieder ein, was Forrest vor einigen Jahren erzählte, als wir gemeinsam am Strand von Rhode Island spazierengingen, den wir ganz für uns allein hatten, als wir in einer späten Nachmittagssonne plaudernd an den verlassenen Rüstungen und den leeren Helmen einiger Pfeilschwanzkrebse vorbeiliefen: Wie die riesigen Schwärme der bluefish, der Blaubarsche, wie sie im Deutschen heißen, einmal im Herbst der Wärme des Golfstroms nach Norden folgen und vor der Küste bei Providence vorüberziehen, erzählte Forrest also; wie sie die wimmelden Schwärme kleinerer Fische vor sich her treiben, hinein in die Buchten von Rhode Island, aus denen es für ihre Opfer, das wissen die Blaubarsche, kein Entkommen gibt, allerdings, und dies wissen sie nicht, obwohl sich das blutige Ritual Jahr für Jahr wiederholt, auch für sie selbst nicht; wie sodann hunderte, ja abertausende von Heringen oder Makrelen auf ihrer Flucht die nasse Heimat verlassen, erzählte Forrest (und ich sah es vor mir), wie sie angsterfüllt aus dem Meer schnellen, sich in ihrer Panik aus den Wellen hinauskatapultieren, lieber an der fremden, feindseligen Luft verenden als Beute ihrer blauen Jäger zu werden; wie all diese Heringe und Makrelen also nunmehr aufs tödliche Land klatschen, in den Sand prasseln wie silberne Münzen, als würden sie ausgeworfen aus den Tiefen der Meeresmaschinerie, eine gewaltige Münzausschüttung, ein glitzernder, blinkender Jackpot – und eine Tragödie, die schon früh ankündigt wird: Von den Möwen nämlich, ihrem unmissverständlichen Zeichen, das sie am Vormittag schon aus weiter Ferne senden und das die Schuljungen in ihren Baseballmützen beobachten, das Zeichen, das sodann alle, Erwachsene und Kinder, Jung und Alt, zum Ufer hinuntereilen lässt, jener gefiederte Tornado aus Seevögeln also, der zunächst als winzige Fahne am Horizont zu sehen ist, dann als eine weiß leuchtende Säule übers offene Meer heranzieht, sich langsam und zuverlässig Richtung Bucht bewegt, wo man sie erwartet, der gierige Kreisel, der die Schwärme der Jäger und die Schwärme der Gejagten in sicherer Erwartung eines überreichen Mahls begleitet, dieses brodelnde Stück Meer, das erst von der Küste gestoppt


wird, wo es auf die Phalanx der Männer prallt. Und wie die Fischer, erzählte Forrest (und ich sah sie vor mir im Wasser), ihrerseits in langen Reihen in der Bucht auf das unabwendbare und herbeigesehnte Herbstspektakel warten, das die Truhen für den Winter und die Bäuche der Familie füllen soll, wie die hochgewachsenen und schweigsamen Männer von Providence, Richmond und Newport also konzentriert in die Bucht starren, das flache Wasser mit ihren Blicken durchdringen, in hohen schwarzen Gummistiefeln und Wachstuchjacken, mit hochgekrempelten Ärmeln knietief in der seichten Bläue stehen, im weichen Untergrund Halt suchen, sich ganz im Wasser verhaken und gar nicht erst auf die Heringe achten, das armselig glitzernde Kroppzeug, das hinter ihnen auf dem Sand schlägt und zuckt, weil die Männer einzig Augen für den wahren Hauptgewinn haben, für den fetten Fang, die Septemberbeute; denn die Blaubarsche selbst sind es, ihre kalte Meute, der Hunger und Jagdgeschick zum Verhängnis werden, wenn die Männer von Rhode Island sie zu dutzenden mit bloßen Händen, mit Stangen und Netzen aus dem Wasser zerren, sie herausreißen, aufs Land schleudern mit sicherem Griff, um die glatten, sich wehrenden Körper noch bei lebendigem Leib aufzuschneiden, sie sogleich auszunehmen, zu zerlegen; wie ihre groben und geübten Hände diese Atlantikgeschenke aufreißen, sie hastig zu verarbeiten suchen, um ja nicht die nächste Gabe zu versäumen, denn ein blinder Griff genügt, um einen weiteren Blaubarsch zu ergreifen. Ganze Stücke und Brocken sind an die Umstehenden zu verteilen, Arme werden gestreckt, hier, ruft man, hier, während der weiße Sand der Bucht sich einfärbt, dunkler und dunkler wird von dem Blut und von dem Gekröse, während der Wind ein paar Flocken von rötlichem Schaum hinauf in die Dünen treibt und die Düfte von Schlachtfest und Tod die kreischende Vogelwolke über den Köpfen noch wahnsinniger werden, noch irrwitziger sich in die Luft von Rhode Island schrauben lässt; kilo- und klumpenweise Fisch an die Familien, sogar an die Fremden, die sich zuverlässig eingefunden haben, keiner soll leer ausgehen bei diesem Septembermassaker, jeder wird heute bedacht und satt, darf sein blutiges und tropfendes Paket mit nach Hause tragen, mit beiden Händen sein kaltes Meerespräsent umfasst halten, berauscht vom Lärm, dem Salz auf den Lippen, benebelt vom Zucken und Tanzen der Körper, ein bisschen taub vom Schlachtenlärm, mag sein, von dem Gelächter der Jäger, dem kochenden Wasser der Bucht. Doch nichts von all dem an diesem Tag, an dem wir auf Sohlen aus feinem weißen Sand spazierengingen in einer Bucht, die ganz ruhig und ganz klar vor uns lag, an dem die Sonne hinter Providence verschwand und Forrest mir mit ausgestrecktem Arm den winzigen weißen Leuchtturm zeigte, der von der anderen Seite der Bucht friedlich zu uns herübergrüßte, sich langsam warm zu glühen begann für die Nacht.




Frozen Movie

Aufgetauter Text

Schneehuhnküken, die sichwiram Kopf einwieRotgesichtsmakake, demdas, derwarum Atem gefriert; Eichhörnchen, Es ist ja, und das vergessen jedes Malkratzen; aufs Neue leicht ist es gerade sich irgendwelche Leute der, zuallererst und in erster Linie seltsam und paradox: Da

eine Text wird seiner eigentdie Zigaretten Der Tierpräparator Morass ist Lesebühne ein Meisteranschauen: seines Faches. Der hier Schriftsteller und denken wir uns rauchen: zuerst irgendwelche Wörter in Peter zeitlicher Abfolge aus, achten vielleicht auch noch auf den Klang,

Arzt Daniel Grohn hat ihn besucht.

auf den Flow, auf die Zeit, in der diese durch ihre Abfolge

lich schönsten Eigenschaft, des Stillstands, beraubt und

zu Worten gemachten Wörter hintereinander erklingen, und

hat plötzlich einen Körper, eine Stimme, oder in unserem

dann schreiben wir diese Worte auf Papier, Im Taxidermy, einer jener Szenebars Telgenauer Avivs, gesagt in der

Spannungsfeld Fall jeweils vier.

auf elektromagnetische oder die irgendwelche andejunge KreativmenschenSpeicher und solche, es gerne wären, ren Halbleiter und seltenen Erden, von denen aus wir sie unter präparierten Hirschköpfen Cocktails schlürfen

undPapier zu elektronischer Füßen wippen, auf drucken, und Musik bringenmit sie den damit also an einem sehe ich ersten ein Tierpräparat des Innsbrufesten Ort,zum auf dem sieMal alle zugleich nebeneinander stehen,

ckers Peter Morass. Eigentlich ist es eine Fotografie zum Stillstand, frieren sie sozusagen ein, nur um schlusseines seiner Präparate, vorne auf einem Ausstellungsendlich, und das war ja auch irgendwie der Sinn (und bei katalog, den André, einer der Barbetreiber, vor mich diesem Wort schreit ein Schlaumeier in der letzten Reihe: auf den Tresen gelegt hat. Ein Eisvogel, der knapp über „Derrida!“, worauf wir ihm entgegnen: „Träfen dich in der Wasserfläche schwebend, einen Fisch imwir Schnabel einer würden wir sagen: Fehleinhält, Diskussionsrunde, den er kurz zuvor erbeutet haben‚Fatale muss. „Just schätzung mit dem Logozentrismus, wir entziehen incredible“, sagt André, der aus einerdenn ungarischen Präparatorenfamilie stammt und die Ausstellung während uns dem alten Poststrukturalismus‘, doch auf der Bühne einer Europareise gesehen hat. „Like a frozen movie.“ und im Quart-Heft sagen wir ohne Firlefanz: ‚Es geht hier Den Katalog hat er mir gezeigt, nachdem er erfahren nicht um Kunst, du Rotgesichtsmakake, es geht uns um die hat, dass ich aus München komme, „That’s not far Performanz.‘“) der ganzen Veranstaltung, auf einer Bühne from Innsbruck, is it?“ vor irgendwelchen Leuten diese zum Stillstand gebrachAls Taxidermie, griechisch für „Anordnung der Haut“, ten wieder zu lebendigen Worten zu machen, den wirdWorte die Wissenschaft der Tierpräparation vornehmgefrorenen Text wieder zum Leben zu erwecken, auftauen lich im angelsächsischen Sprachraum bezeichnet. Man mit einer Stimme. Dieser Vorgang wirderklärt ergänztmir mit Peter einer könne auch Dermoplastiker sagen, Morass, als ich denZufall Tierpräparator einige Monate ordentlichen Portion (so hängt bei uns seit Jahrenspäein ter am Bergisel in seiner Heimatstadt Innsbruck trefFoto vom Thomas Bernhard auf der Bühne, ohne dass noch fe. Obwohl ein starker Wind pfeift, hat sich zur Neuirgendwer weiß, warum das da hängt) und Publikumsreakeröffnung des Tirol-Panorama-Museums eine lange tion und Tagesverfassung, die aus dem stillstehenden PaSchlange von Besuchern gebildet. Morass hat für die piertext ein Kunstwerk macht, das nur an diesem Abend für Ausstellung zahlreiche Präparate von Tieren des Tiroeine Abfolge von Momenten in seinem natürlichen Habitat, ler Alpenraums angefertigt. einer Bar eben, beobachtet werden kann. Eine Lesebühne lässt sich also Die Tierpräparation

lässt sich als ein auf mehreren Ebenen paradoxer Vorgang beschreiben, derUnd sichvielim beschreiben. 176 / 177

von Leben und Tod, Natur und Kunst, Natürlichkeit und Künstlichkeit bewegt, und der wie Dieses auch nicht unbedingt kaum Grundparadoxon ein anderer daswird Grundparadoxon jedesdadurch abbildenden, naturalistischen Realismus veranschaulicht, aufgelöst, dass eine Lesebühne linke Seiten beschreibt und welches sich nicht zuletzt darin widerspiegelt, dass wir ein besonders gelungenes Präparat eines toten Tieres so ergibt hier nicht alles sofort Sinn, zumindest nicht nur als „lebendig“ oder „natürlich“ bezeichnen. „Aus Naturgeschöpfen“, einen. Denn wie gesagt (sic!),schreibt auch wirThomas sind nichtBernhard nur einer, im Roman Korrektur, in welchem sich der Erzähler wir sind beim Tierpräparator Höller einquartiert, „machte der Q ett und was dieser Höller Kunstgeschöpfe Kunstgeschöpfe Text dabei irgendwie seinund will,diese ist eine Art Spielregel,sind ein in jedem Fall rätselhafter alsStimmen, die reinen NaturgeschöpSchlüssel zu sein zu den vier denen Sie hier auf fe.“ linken Für Bernhard handelt es sich Text dabei den Seiten begegnen, dieser istum alsonichts weniger als eine Abbildung des künstlerischen Schaffensprozesses an an sich. sich, doch wenn Sie die Regeln unseres Der Bär, den Peter Morass für die Ausstellung im neu eröffneten Museum präpariert hat, sitzt auf dem Hinterteil, hat dabei ein Bein locker von sich gestreckt, wirkt auf eigenartige Weise entspannt. Morass hört das Spiels wissen wollen, dann ziehen Sie jetzt mal brav über oft, dass seine Präparate entspannt aussehen würden. Woher kommt dieser Eindruck, frage ich ihn, sind das menschliche Eigenschaften, mit denen er seine Präparate versieht, ist das eine anthropomorphische Entspanntheit, die da zu uns spricht? Morass schüttelt Los und 20.000.– ein und lesen Sie auf der nächsten Seite den Kopf, jegliche Vermenschlichung des Tiers beim Präparieren lehnt er ab, meistens jedenfalls. Die Entspanntheit, sagt Morass, entstehe aus der Genauigkeit bei der Beobachtung des Tieres. Der Gesichtsausdruck sei dabei das Allerschwierigste, hier lauerten die Fallen weiter. der Vermenschlichung in besonderer Weise.


Frozen Movie

Schneehuhnküken, die sich am Kopf kratzen; ein Rotgesichtsmakake, dem der Atem gefriert; Eichhörnchen, die Zigaretten rauchen: Der Tierpräparator Peter Morass ist ein Meister seines Faches. Der Schriftsteller und Arzt Daniel Grohn hat ihn besucht.

Im Taxidermy, einer jener Szenebars Tel Avivs, in der junge Kreativmenschen und solche, die es gerne wären, unter präparierten Hirschköpfen Cocktails schlürfen und zu elektronischer Musik mit den Füßen wippen, sehe ich zum ersten Mal ein Tierpräparat des Innsbruckers Peter Morass. Eigentlich ist es eine Fotografie eines seiner Präparate, vorne auf einem Ausstellungskatalog, den André, einer der Barbetreiber, vor mich auf den Tresen gelegt hat. Ein Eisvogel, der knapp über der Wasserfläche schwebend, einen Fisch im Schnabel hält, den er kurz zuvor erbeutet haben muss. „Just incredible“, sagt André, der aus einer ungarischen Präparatorenfamilie stammt und die Ausstellung während einer Europareise gesehen hat. „Like a frozen movie.“ Den Katalog hat er mir gezeigt, nachdem er erfahren hat, dass ich aus München komme, „That’s not far from Innsbruck, is it?“ Als Taxidermie, griechisch für „Anordnung der Haut“, wird die Wissenschaft der Tierpräparation vornehmlich im angelsächsischen Sprachraum bezeichnet. Man könne auch Dermoplastiker sagen, erklärt mir Peter Morass, als ich den Tierpräparator einige Monate später am Bergisel in seiner Heimatstadt Innsbruck treffe. Obwohl ein starker Wind pfeift, hat sich zur Neueröffnung des Tirol-Panorama-Museums eine lange Schlange von Besuchern gebildet. Morass hat für die Ausstellung zahlreiche Präparate von Tieren des Tiroler Alpenraums angefertigt. Die Tierpräparation lässt sich als ein auf mehreren Ebenen paradoxer Vorgang beschreiben, der sich im

Spannungsfeld von Leben und Tod, Natur und Kunst, Natürlichkeit und Künstlichkeit bewegt, und der wie kaum ein anderer das Grundparadoxon jedes abbildenden, naturalistischen Realismus veranschaulicht, welches sich nicht zuletzt darin widerspiegelt, dass wir ein besonders gelungenes Präparat eines toten Tieres als „lebendig“ oder „natürlich“ bezeichnen. „Aus Naturgeschöpfen“, schreibt Thomas Bernhard im Roman Korrektur, in welchem sich der Erzähler beim Tierpräparator Höller einquartiert, „machte der Höller Kunstgeschöpfe und diese Kunstgeschöpfe sind in jedem Fall rätselhafter als die reinen Naturgeschöpfe.“ Für Bernhard handelt es sich dabei um nichts weniger als eine Abbildung des künstlerischen Schaffensprozesses an sich. Der Bär, den Peter Morass für die Ausstellung im neu eröffneten Museum präpariert hat, sitzt auf dem Hinterteil, hat dabei ein Bein locker von sich gestreckt, wirkt auf eigenartige Weise entspannt. Morass hört das oft, dass seine Präparate entspannt aussehen würden. Woher kommt dieser Eindruck, frage ich ihn, sind das menschliche Eigenschaften, mit denen er seine Präparate versieht, ist das eine anthropomorphische Entspanntheit, die da zu uns spricht? Morass schüttelt den Kopf, jegliche Vermenschlichung des Tiers beim Präparieren lehnt er ab, meistens jedenfalls. Die Entspanntheit, sagt Morass, entstehe aus der Genauigkeit bei der Beobachtung des Tieres. Der Gesichtsausdruck sei dabei das Allerschwierigste, hier lauerten die Fallen der Vermenschlichung in besonderer Weise.


Morass’ Präparate Was für einen

mögen entspannt wirken, ihr Präparator selbst ist ein Getriebener. Ein Fanatiker sei er, es macht, wie und das meine er im positiven Sinn. In den vergangenendie acht Monaten bis zur Eröffnung des neuen Musees schöne Lehnübersetzung aus dem Englischen sagt, ums hat einStimmen, Besessener hatzukein wenn vierMorass (sind eswie vier?) diegearbeitet, sich nie klar erfreies Wochenende gehabt, ist oftmals nach der Arbeit kennen geben (wer spricht denn da schon?), sich von Wort amWort Präparat abends noch auf Seite den Berg, in melden, die Natur zu hangelnd auf der linken zu Wort ist gegangen, denn das sei bei der Präparation nun das vielleicht schon einmal die falsche Frage. Also bittemal zurück Wichtigste: Tierbeobachtung, Tierbeobachtung, Tierauf Start und dort mal nachgefragt bei Roman Jakobson, beobachtung, im Laufe unseres Gesprächs wird er das der ist immerhin Linguist, auch dafür braucht man eine dioftmals wiederholen, das Morass’sche Mantra. cke Haut: „Die poetische Funktion überträgt das Prinzip der Äquivalenz von der Achse der Selektion auf die Achse der

Peter Morass wurde 1955 in Innsbruck geboren, hier Kombination.“ Ja vielen Dank auch der Herr und alles klar hat ihn sein Großvater mit in den Wald genommen, damit, wir selektieren, kombinieren, kommentieren, assozum Pilze sammeln und zur Tierbeobachtung. Seitdem ziieren, nehmen einen großen Schluck, treten vors Mikroer als junges Kind einen präparierten Vogel zum Gephon und freuen uns, dass die Signifikanten krachen. burtstag geschenkt bekam, wuchs in ihm die Faszination für diesen geheimnisvollen Umwandlungsprozess. Das hilft Ihnen natürlich an dieser Stelle auch In der örtlichen Bibliothek entdeckte er einnicht Buchweiter, über wenn Sie wissen wollen, was denn hier, bitteschön, das die Präparation von Vögeln und Säugetieren. NachKonzept ist, das ja wohl mal bitte explizit zeigen wird, mittage habe ersich in der Bibliothek verbracht, sich Seite aber das können sie leider nicht aus für Seite einzuprägen versucht, auch wenn es schwierig sei, die Präparation aus Büchern zu erfahren. erlernen.Überhaupt, Früh habe das sei Ihnen auch an dieser Stelle in zu aller Klarheit geer deswegen schon den einmal Kontakt Präparatoren sagt, wenn Sie inin Poesie suchen nach aufgenommen, der Absicht aus erster Hand Infor, sind Sie falsch, da die zu Technik der Dichtung mationen zu Präpariertechniken bekommen, aber darin nichts über etwas sondern darüber, wannliegt, immer er einen Blickzu insagen, eine Präparatorwerkwie etwas gesagtsei wird. Sie eine also Zeitung jetzt erst stattetwas habeüber werfen können, wieWenn zufällig über das fragen, wogegenwärtige Sie die Spielfiguren Projektaufstellen gebreitetmüssen, worden, bleibt die Präparatoren das ein hüteten ihre Geheimnisse, ein der bisschen , denn Assosei das noch immer so. Im Alter von 17 Jahren fertigte ziationsstrang ist schon weitergezogen, wahrscheinlich hat er sein erstes Präparat, einen Grünfinken. Vögel sind eines seiner Spezialgebiete geblieben, erklärt Morass, er einen Pasch gewürfelt oder alle vier Schläge gehabt, der inzwischen auch Ornithologe ist, neben den Katzen denn krit(t)isches Metrum ist Trumpf. Die nächste und seinen persönlichen Lieblingen, den Affen.Lektion Nach dem Abitur studierte er zunächst Humanmedigibt es demzufolge erst in der nächsten Spalte, Sie können zin, nebenher arbeitete er als Krankenpfleger. Eigentgehen, oder er sich’s anschauen. werden, somit den ärztlilich wollte Unfallchirurg 178 / 179

chen Beruf ergreifen, in dem das ärztliche Heilen, der Erfolg der Behandlung, am unmittelbarsten greifbar wird. Man kann sich diesen Mann mit den wachen Augen und seinem „positiven Fanatismus“ gut als Chirurgen vorstellen, aber die zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitssystems, das immer stärkere Eindringen finanzieller Überlegungen und Zwänge in die Medizin hinein, wie er es im Krankenhaus miterlebt hat, habe ihn letztendlich abgeschreckt. Stattdessen machte Morass sein Hobby zum Beruf, arbeitete zunächst als Präparator am Anatomischen Institut der Universität, legte währenddessen die Meisterprüfung zum Präparator ab. Vom erworbenen medizinischen und anatomischen Wissen profitiert er dabei bis heute. Wie bei Mit derjeder landläufigen Vorstellung des von„Ausstopfens“ „Text ohne Reihat der Prozess der modernen Tierpräparation nichts ter“ gilt eine weitere Frage dem seltsamen Namen, die aber mehr gemein. Den Schulklassen, die Morass, der aus eischnell beantwortet werden kann, denn ein Pferd ohne Reiner Lehrerfamilie stammt, mit Begeisterung unterrichter immer ein Pferd,meist aber was ist schon ein Reitet,ist erklärt ernoch den Vorgang folgendermaßen: Die Haut des toten Tieres wird zunächst aufgeschnitten ter ohne Pferd? Nur ein Mensch (der zugegebenermaßen und abgezogen, so, als würde man die Kleidung ablesich ein Pferd ausstopfen könnte, wenn er kann). Ist das gen. Anschließend wird die Tierhaut gegerbt und dann also geklärt, kann es wie bei jeder Vorstellung vorbereitet anhand des verbliebenen Fleischkörpers ein Modell des Tierkörpers hergestellt, wofürschreiben inzwischen werden, auf einen Bierdeckel wirvornehmlich ein Konzept: Kunststoffe wie Polyurethan zum Einsatz kommen, für Wir nehmen es uns raus, die unterstrichenen Wörter mal kleinere Präparate wird noch Holzwolle verwendet. aus den rechten Seiten rauszunehmen nach semantischer Auf das Modell wird die Tierhaut wieder aufgebracht Brauchbarkeit, mal eine nachSchaufensterpuppe formalen Konzepten und mal nach – als würde man ankleiden –, bis schließlich die Haut wieder zusammengenäht wird, reiner Willkür, und der Text, der daraus entsteht, sich wie was je nach Größe des Präparats beträchtliche Zeit in eine Haut um seine Innereien stülpt, ist eigentlich viele Anspruch nehmen kann. Texte, mindestens sind es vier, denn 4 gewinnt und auch

Ende Sie dernicht 80eralles Jahre kehrte Peter Morass seiner Heiwenn verstehen, bitte ärgern Sie sich nicht, mat Tirol den Rücken und zog nach Japan. Obgleich auch wir sind nur vier Menschen, die auf der nächsten Seite er das Land zuvor schon mehrfach besucht hatte und unser Vorgehen mal anhand eines Beispiels Bekannte vor Ort ihm versicherten, dass er anschaulich als Tierpräerklären: parator dort gute Berufsaussichten haben würde, seien


Morass’ Präparate mögen entspannt wirken, ihr Präparator selbst ist ein Getriebener. Ein Fanatiker sei er, und das meine er im positiven Sinn. In den vergangenen acht Monaten bis zur Eröffnung des neuen Museums hat Morass wie ein Besessener gearbeitet, hat kein freies Wochenende gehabt, ist oftmals nach der Arbeit am Präparat abends noch auf den Berg, in die Natur gegangen, denn das sei bei der Präparation nun mal das Wichtigste: Tierbeobachtung, Tierbeobachtung, Tierbeobachtung, im Laufe unseres Gesprächs wird er das oftmals wiederholen, das Morass’sche Mantra. Peter Morass wurde 1955 in Innsbruck geboren, hier hat ihn sein Großvater mit in den Wald genommen, zum Pilze sammeln und zur Tierbeobachtung. Seitdem er als junges Kind einen präparierten Vogel zum Geburtstag geschenkt bekam, wuchs in ihm die Faszination für diesen geheimnisvollen Umwandlungsprozess. In der örtlichen Bibliothek entdeckte er ein Buch über die Präparation von Vögeln und Säugetieren. Nachmittage habe er in der Bibliothek verbracht, sich Seite für Seite einzuprägen versucht, auch wenn es schwierig sei, die Präparation aus Büchern zu erlernen. Früh habe er deswegen auch schon den Kontakt zu Präparatoren aufgenommen, in der Absicht aus erster Hand Informationen zu Präpariertechniken zu bekommen, aber wann immer er einen Blick in eine Präparatorwerkstatt habe werfen können, sei wie zufällig eine Zeitung über das gegenwärtige Projekt gebreitet worden, die Präparatoren hüteten ihre Geheimnisse, ein bisschen sei das noch immer so. Im Alter von 17 Jahren fertigte er sein erstes Präparat, einen Grünfinken. Vögel sind eines seiner Spezialgebiete geblieben, erklärt Morass, der inzwischen auch Ornithologe ist, neben den Katzen und seinen persönlichen Lieblingen, den Affen. Nach dem Abitur studierte er zunächst Humanmedizin, nebenher arbeitete er als Krankenpfleger. Eigentlich wollte er Unfallchirurg werden, somit den ärztli-

chen Beruf ergreifen, in dem das ärztliche Heilen, der Erfolg der Behandlung, am unmittelbarsten greifbar wird. Man kann sich diesen Mann mit den wachen Augen und seinem „positiven Fanatismus“ gut als Chirurgen vorstellen, aber die zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitssystems, das immer stärkere Eindringen finanzieller Überlegungen und Zwänge in die Medizin hinein, wie er es im Krankenhaus miterlebt hat, habe ihn letztendlich abgeschreckt. Stattdessen machte Morass sein Hobby zum Beruf, arbeitete zunächst als Präparator am Anatomischen Institut der Universität, legte währenddessen die Meisterprüfung zum Präparator ab. Vom erworbenen medizinischen und anatomischen Wissen profitiert er dabei bis heute. Mit der landläufigen Vorstellung des „Ausstopfens“ hat der Prozess der modernen Tierpräparation nichts mehr gemein. Den Schulklassen, die Morass, der aus einer Lehrerfamilie stammt, mit Begeisterung unterrichtet, erklärt er den Vorgang meist folgendermaßen: Die Haut des toten Tieres wird zunächst aufgeschnitten und abgezogen, so, als würde man die Kleidung ablegen. Anschließend wird die Tierhaut gegerbt und dann anhand des verbliebenen Fleischkörpers ein Modell des Tierkörpers hergestellt, wofür inzwischen vornehmlich Kunststoffe wie Polyurethan zum Einsatz kommen, für kleinere Präparate wird noch Holzwolle verwendet. Auf das Modell wird die Tierhaut wieder aufgebracht – als würde man eine Schaufensterpuppe ankleiden –, bis schließlich die Haut wieder zusammengenäht wird, was je nach Größe des Präparats beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen kann. Ende der 80er Jahre kehrte Peter Morass seiner Heimat Tirol den Rücken und zog nach Japan. Obgleich er das Land zuvor schon mehrfach besucht hatte und Bekannte vor Ort ihm versicherten, dass er als Tierpräparator dort gute Berufsaussichten haben würde, seien


denn wir haben Freude damit, zwischen die ersten Jahreunsre sehrschneehelle schwierig gewesen. In Japan sei

aber benennen es, denn Namen geben bedeutet, auf Grund derwir Konjunkturverschlechterung auchzeigt die

solitären hin undkaum her zuangesehen, weisen, aufModie der BerufQuartettposten des Tierpräparators

Aufträge zurückgegangen seien,die kehrte Peter Morass hin, streichelt, verrät jene Melodie, ich in diesen Augen-

Frosttextbeulen ab Zeile 6 folgenhie rass führt das auf die starke rarchische Traditionen, in der Gesellschaft zurück, uralt in welcher derWortausbrüche Umgang mit schippern im Schlepptau tradierter Blut und toten Tierkörpern traditionell den Oralekstasen hinterher, von Wellenkämmen wieuntersten BühnenSchichten vorbehalten gewesen sei. Nach einigen Jahrändern erkennbar metaphorisch banal an morsches Holz ren gelang an ihmdie dann aber doch der Durchbruch, mit gebunden, Variablen: Stimmband Alkohol diePräparaten von Schneehuhnküken im Morass-Stil, die Nacht-zuvor, doch dafür unter der Zunge den Obulus aller kleinen Vögel allesamt in Bewegung begriffen, umherGeschlechter, zwischen zwei Zungen dipolar ein Dschunlaufend, sich am Kopf kratzend. In Japan, wo traditigel, Steppe, Wüsteneien und schollenweis uns ein Großonell sehr statisch präpariert werde, habe diese Arbeit maul schichten, türmen, was auch immer zwischen Lippen ziemliches Aufsehen erregt, die kaiserliche Gesellschaft passt, denn mit Äxten müssen wir das Eismeer zerschlagen, für Vogelkunde wurde auf ihn aufmerksam, Morass zerdeppern, ja wir steuern gradewegs auf Eisberge zu, das erhielt zahlreiche Aufträge und Anstellungen an verScheinwerferlicht blendet, und um das Publikum zwischenschiedenen Museen. drin Bewegung zu unterhalten, ließe sich beispielsweise fragen, auf Die ist sein Markenzeichen geblieben. Man welchen sagen, Autor gerade wurde, zwar plakativ, aber könnte dass angespielt er durch sie seine Präparate mit manchmal mussEbene man die Schneeflocken flach halten,über imeiner weiteren der Paradoxie anreichert, merhin die Bewegung die Dimension der Zeit, das Koordinatensystem des lebenden Tiers, ins Präparat zurück Performers umfasst mehr bringt, und so den Eindruck des eingefrorenen Films als stilles Poetendasein à la Spitzweg, dessen Zeitgenoserzeugt, derals André aus Tel AvivRettungsanker so fasziniert DAS hat und se Friedrich dramaturgischen EISder jeden Betrachter eines in seinen MEER überschwappen lässt,Morass-Präparats laut Kunsthistorie gegliedert Bann zieht. in zweischichtigem Bildraum, Untertitel: die gescheiterte Statische seien noch niemals seinekeine SacheAhnung geweHoffnung. Dinge Ohne irgendeinen Anhaltspunkt sen, erklärt Morass lachend, ein Satz, der aus dem von Richtungen, die den Himmel zur Ordnung zwingen und Munde eines Tierpräparators paradox klingt. Für die Orientierung schenken, dafür aber genug labyrythmisierBewegung in seinen Präparaten gelte aber erst recht: tes Wissen, um alle Möglichkeiten, die sich als Horizont Tierbeobachtung … Hierfür ist Morass von Japan aus verraten, vom Scheitelpunkt des Nordens zu den neckisch viel gereist, in jeder Stadt, die er besucht habe, hätten Wechsel spielenden West- wie Ostkräften über Venusihn zunächst zwei Fragen interessiert, wo ist der Zoo, kuppen nach Süden hin auszurufen, denn diese Art des wo das naturhistorische Museum? Wegesuchens vielmehr den Momenten, Insgesamt hatähnelt er 16 Jahre in Japan verbracht,wenn aberman mit zwischen Muttermalen, Tätowierungen, Härchen, ausgemanchen Dingen sei er dort nie wirklich gut zurechtbleichten Narben des indirekte Körpers eines geliebten Menschen gekommen. An die Kommunikation habe mit eignem Speichel Linien zieht, Phantasie auf Leiber mit er sich nur sehr schwer gewöhnen können, „an den Zungensäftenzwischen als zärtliches Berühren nennen wirJaes Unterschied einem Tirolermalt, Ja und einem Poesie, nennen wirAls es bei Namen, die nur wir dafür haben, panischen Jein.“ dann um die Jahrtausendwende 180 / 181

nach Tirol zurück. Er sei bei seiner Rückkehr ungeblicken zu hören denke, die durch meinen Mund andauert heuer neugierig gewesen, denn während seiner Zeit und ein Draußen fern der in Japan war er erfährt, von den Entwicklungen der europäischen Präparatorenwelt weitgehend abgeschnitten. Als mit abgestanden und vorgekaut er hörte, dass den kurzKonserveninhalten darauf in Dortmund die EuropaAusgekotztem, verheizter Leerhülmeisterschaft der Tierpräparation ausgerichtet werden senträger-Literatur à la Daniel Kehlmann, Daniel Glattauer würde, reichte er dort 14 seiner Präparate ein. Er sei und ein andrer Daniel würde sich sicherlich auch noch finregelrecht hungrig auf eine Medaille gewesen, sagt Moden, aber warum hat sich Kaser zu Tode gesoffen, warum rass. Tatsächlich wurde jedes einzelne seiner Präparate labert jeder und jedeausgezeichnet, über Infinite Jest, liest mit einer Medaille undaber mitniemand dem schneees, warum kommen aus der Saaltiefe Ausrufe vondem wegen bedeckten Gesicht eines Rotgesichtsmakaken, in der Kälte der Atem wurde Morass im Nancy Jahre Derrida, obwohl schongefriert, längst Mersch, Serres und 2004 Europameister. ihre Gedanken druck- und spuckreif ausformuliert haben? Und zwar etwa so: man muss also ausgehend von diesem

Die menschliche Sehnsucht nach der Überwindung des Körper schreiben, den wir weder haben noch der wir sind: Realismus macht auch vor der Tierpräparation nicht aber dem das Sein ist. – Wunderkammern Wenn ich schreibe, Halt.inIm Anklang anentschrieben die Kunst- und ist fremde Hand und bereits meine schreibende Hand derdiese Spätrenaissance desin Barock mit ihren Kuriositäten entstanden im Viktorianischen Zeitalter zugeglitten / Corpus, S. 22 / denn vertrauen in letzter Konnehmend Präparate vonStimme aus mehreren Tieren zusamsequenz auf die Faktoren und Liveaction, um den mengesetzten Fabelwesen, sodass sogar die ersten nach eignen Texten Äxte, Archen zu verschaffen, je nach Laune, Europa gelangten Felle des in Australien entdeckten aber unbedingt, um einen Gegenpol zu bilden, der sich Schnabeltiers zunächst für das Werk eines geschickten nach vorn drängt, nichtwurden. von irrelevanten gemartert Präparators gehalten Auch inFragen der zeitgenössivielmehr Laut zu Aussage willTierpräparate kurz vorm Auftritt den schen Kunstszene haben malt, kuriose wieder Einzug gehalten erzielen teilweise Rekordsummen, Kopf nach hintenund auf die Sofalehne legen, und das Adrein denspüren, Werken Damien Hirstsimetwa, oder den Arbeiten nalin wie es der Hitze Raum widerspricht und Polly Morgans, die beispielsweise präparierte Küken noch ein Scheit nachlegt, will mich selbst mit dem Vortrag aus einem Sarkophag schlüpfen lässt. überraschen und Raum ergreifen, will präsent sein, ehrPeter Morass zuckt angesichts dieser Entwicklungen lich den Mund entgegen den alltäglichen Inszenierungen mit den Schultern. Wenn jemand damit viel Geld veraufreißen, selbst wenn Er dieselbst Hoffnung dann kein als letztes diene, sei denn das wunderbar. sei aber Prästirbt, hinterlässt dochverfälschen ein Bild undwolle, ein bisschen parator, der die sie Natur Seite wieder klingt es so, als seiauf dasderfürnächsten ihn auch eineschon moralische Frage. ganz anders, Dennoch woraus leuchten der/die aufmerksame kurz daraufLeserIn seine schließt: Augen, als er Wir haben von das den Beispiel eigenenerledigt Ausflügen undin sind diezurück Welt jenseits auf der


die ersten Jahre sehr schwierig gewesen. In Japan sei der Beruf des Tierpräparators kaum angesehen, Morass führt das auf die starke hierarchische Tradition in der Gesellschaft zurück, in welcher der Umgang mit Blut und toten Tierkörpern traditionell den untersten Schichten vorbehalten gewesen sei. Nach einigen Jahren gelang ihm dann aber doch der Durchbruch, mit Präparaten von Schneehuhnküken im Morass-Stil, die kleinen Vögel allesamt in Bewegung begriffen, umherlaufend, sich am Kopf kratzend. In Japan, wo traditionell sehr statisch präpariert werde, habe diese Arbeit ziemliches Aufsehen erregt, die kaiserliche Gesellschaft für Vogelkunde wurde auf ihn aufmerksam, Morass erhielt zahlreiche Aufträge und Anstellungen an verschiedenen Museen. Die Bewegung ist sein Markenzeichen geblieben. Man könnte sagen, dass er durch sie seine Präparate mit einer weiteren Ebene der Paradoxie anreichert, über die Bewegung die Dimension der Zeit, das Koordinatensystem des lebenden Tiers, ins Präparat zurück bringt, und so den Eindruck des eingefrorenen Films erzeugt, der André aus Tel Aviv so fasziniert hat und der jeden Betrachter eines Morass-Präparats in seinen Bann zieht. Statische Dinge seien noch niemals seine Sache gewesen, erklärt Morass lachend, ein Satz, der aus dem Munde eines Tierpräparators paradox klingt. Für die Bewegung in seinen Präparaten gelte aber erst recht: Tierbeobachtung … Hierfür ist Morass von Japan aus viel gereist, in jeder Stadt, die er besucht habe, hätten ihn zunächst zwei Fragen interessiert, wo ist der Zoo, wo das naturhistorische Museum? Insgesamt hat er 16 Jahre in Japan verbracht, aber mit manchen Dingen sei er dort nie wirklich gut zurechtgekommen. An die indirekte Kommunikation habe er sich nur sehr schwer gewöhnen können, „an den Unterschied zwischen einem Tiroler Ja und einem Japanischen Jein.“ Als dann um die Jahrtausendwende

auf Grund der Konjunkturverschlechterung auch die Aufträge zurückgegangen seien, kehrte Peter Morass nach Tirol zurück. Er sei bei seiner Rückkehr ungeheuer neugierig gewesen, denn während seiner Zeit in Japan war er von den Entwicklungen der europäischen Präparatorenwelt weitgehend abgeschnitten. Als er hörte, dass kurz darauf in Dortmund die Europameisterschaft der Tierpräparation ausgerichtet werden würde, reichte er dort 14 seiner Präparate ein. Er sei regelrecht hungrig auf eine Medaille gewesen, sagt Morass. Tatsächlich wurde jedes einzelne seiner Präparate mit einer Medaille ausgezeichnet, und mit dem schneebedeckten Gesicht eines Rotgesichtsmakaken, dem in der Kälte der Atem gefriert, wurde Morass im Jahre 2004 Europameister. Die menschliche Sehnsucht nach der Überwindung des Realismus macht auch vor der Tierpräparation nicht Halt. Im Anklang an die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance und des Barock mit ihren Kuriositäten entstanden im Viktorianischen Zeitalter zunehmend Präparate von aus mehreren Tieren zusammengesetzten Fabelwesen, sodass sogar die ersten nach Europa gelangten Felle des in Australien entdeckten Schnabeltiers zunächst für das Werk eines geschickten Präparators gehalten wurden. Auch in der zeitgenössischen Kunstszene haben kuriose Tierpräparate wieder Einzug gehalten und erzielen teilweise Rekordsummen, in den Werken Damien Hirsts etwa, oder den Arbeiten Polly Morgans, die beispielsweise präparierte Küken aus einem Sarkophag schlüpfen lässt. Peter Morass zuckt angesichts dieser Entwicklungen mit den Schultern. Wenn jemand damit viel Geld verdiene, sei das wunderbar. Er selbst sei aber kein Präparator, der die Natur verfälschen wolle, ein bisschen klingt es so, als sei das für ihn auch eine moralische Frage. Dennoch leuchten kurz darauf seine Augen, als er von den eigenen Ausflügen in die Welt jenseits des


hat S die ja nicht er einmal ein Igelpaar beimLiebes spielregeln, präpariert. Der immer in der Form von David Lynch daweibliche Igel hateines sich Interviews das Stachelkleid ausgezogen herkommen muss.kleinen Darum sei hier einmal ganz klar gesagt: und über einen Kleiderbügel gehängt. Auch Wenn wir nicht in Texten über Gespräche Zügen Präparate einesgerade übergewichtigen Schwans, derinim LieFährten die sich wie durch einen Tunnel über gestuhl auslegen, einen Hamburger verspeist, und eines Bibers, der auf Grund mehrere Texte und derSeiten Klimaerwärmung ziehen, schreiben einewir Sonnenbrille am liebsten trägt, hat Morass angefertigt. Mit Eichhörnchen,. Das über die ist ausnahmsweise mal wirklich wahr, Eichhörnchen ergeZigaretten rauchen, habe er den Naturalismus nicht ben ein verlassen, prächtigessagt Hobby, worüber einer von uns eine seiTrieinmal Morass grinsend, tatsächlich logie verfasst hat, die es zu glokaler Bekanntheit gebracht en Eichhörnchen bekannt, die an Autobahnraststätten hat. Zigarettenstummel einsammelten.

Fragen, es geht Kontinuum aus nicht um die sauber Erhebung trennbaren der Todesursache und unbestimmt und

Aber wir schwiffen ab, zurück zur Erklärung dieses

Am Ende Ausstellungzukommen wir anwenn einem Namen undder Anspielungen entschlüsseln, Sieweidas teren ungewöhnlichen Präparat vorbei, dem eines Biwollen oder müssen. bers, welcher im Autotunnel, der unter dem Museum hindurch führt, überfahren wurde. Ein untypisches Am Ende dieser verschwurbelten Vorstellung unseres SchafMorass-Präparat insofern, als es weder besonders entfens der paradoxen Gesetze des Schreibens und Vorlesens spannt aussieht noch in Bewegung begriffen scheint, durchbrechen einmal die Form probieren als sondern, nunwir ja,noch in erster Linie einenund ziemlich toten kleines explizites noch einmal eine andere Eindruck macht,Beispiel somit gewissermaßen dieganz paradoxen Form dieses Gesetze des literarischen präparatorischen Umwandlungsprozesses überraschend durchbricht. aus: Viele der Tiere, aus denen seine Präparate entstehen, sind solche sogenannten „roadkills“, dazu kommen Tiere, die in Zoos versterben. Eigens für die Präparatie on erlegte Tiere nehme er nicht an, betont Morass und berichtet, dass immer wieder Menschen. an ihn heranträten mit Satz, der Bitte, ihraus Haustier präparieren Und dieser der nur fremdenzuWörtern von der(was aner entschieden ablehnt). Oft werde ihm von denselben Leuten die Frage gestellt, ob er denn keine lebenden deren Seite zusammengeklaut ist, ist vielleicht der wahrste, Tiere möge, was eine absurde Frage sei, denn wer sich als Tierpräparator nicht für Tiere begeistern könne, solle sich einen anderen hätte der auf allen linken SeitenBeruf steht. suchen. Und dasAber bestewas daran ist: er mit einem Hund machen sollen, in den letzten acht Monaten, in denen es für ihn kein freies Wochenende Er stimmt nicht nur für Tiere, sondern auch für den Gegengab? Für einen „positiven Fanatiker“ der Tierpräparation wie Peter Morass bleibt für ein Haustier schlichtweg Zeit. standkeine unseres Geschäfts: für Texte. (M. F. & R. P.)

Metaebene und wieder bei der Für Erklärung unserer des Naturalismus berichtet. eine Ausstellung

Gegenwärtig arbeitet Morass an einm Auftragswerks: für weiterer Ein den Innsbrucker ErklärungsAlpenzoo, und/oder einem Arbeitsansatz Wolpertinger, könnte demGanze bayerischen oftmals gehörndas formalerFabelwesen, angehen. Sodas beträgt zum als Beispiel der Abstand denwird beiden voneiner rechtsTheorie übernommenen ter Hasezwischen dargestellt (und zufolge Wörtern in vorigen Absatz 232 Zeichen, eine zurückgehen Zahl also, bei auf mit Papilloma-Viren infizierte Hasen soll,die der denen mittlere erkrankungsbedingt Ziffer 1 größer isthörnerartige als die Äußeren, Tumoren wäham Kopf wachsen). Der Wolpertinger vondenen Morass ist rend der Abstand zwischen den Worten, aus dieser Absatz ist, ein Potpourri der Tiroler Fauna, zusammengesetzt aus Steinbock, 343 ZeichenReh, beträgt, Wildschwein, also schon wieder Wildkatze, so eine Fuchs, fast-schonLuchs, Gämse, Biber undSolche eine-Schnapszahl. Steinadler. Spiele Nach mit Zahlen einem und Zoobesuch Zeichen sind immer Anlass zu großen Körperteile Weltverschwörungstheorien sollen Kinder die einzelnen den soeben im und Ergebnis ist dann meistens Zooähnlichem gesehenenMumpitz. Tieren Das zuordnen. Das Viech, das da wir vier, und entstehe, sei ziemlich unheimlich,, sagen sagt Morass, die trotzdem gebe es so etwas wie eine innere Logik, , mit diese ganzen Zeichen und die daraus bestehenden Tiere Texte der die einzelnen Körperteile der verschiedenen zusammenhält. zueinander passten und sich gleichzeitig widersprächen. Außerdem diene das Ganze letztendlich ja einem didaktischen Zweck. Wieder klingt essich einnatürlich bisscheneine so, Apropos Zeichen: An dieser Stelle macht als erneute habeMedienreflexion er den Eindruck, ganzsich gut wie rechtfertigen oben die zum zu durch müsden Vortrag wieder aufgetauten Literatur sen, und vielleicht klingt hierSchrifttext. das EthosDenn des Wissenwar ja informationstheoretisch gesehen schon immer und schaftlers durch. Denn das sei der Tierpräparator am auch am Papier digitalLinie, im Sinn von Morass, „aus distinkten EleMuseum ja in erster betont der schon menten zusammengesetzt“, bestehtLandesmuseen sie ja doch aus nichts seit vielen Jahren bei den Tiroler angeanderem als der einer endlichen Anzahl verschiedener stellt ist. Bei wissenschaftlichen Präparation iststets die gleicheram Buchstaben, während die analoge stets ein Arbeit Präparat immer begleitet von Welt analytischen 182 / 183

die Identifizierung vielen Einheiten ist. Die von Welt Nahrungsketten ist eben ein unübersichtlicher genauso wie Haufen das Gedärm überfahrenen Bibers und so um daswie Entnehmen voneines Knochen und Gewebeproben

fürauch ist DNA-Analysen. die Zeit, in der Eswir istdiese dieses Literatur Sammeln überund die Welt Zuordnen dann vortragen. von Belegen, Denn bestünde durch das die Zeit der aus Präparator distinktenvom EleAnatomen menten wiezum Texte, Naturhistoriker könnte Achilleswird, die Schildkröte und nicht ohne nicht Stolz verweist einholen und derMorass fliegende darauf, Pfeil würde eine gefundene bewegungslos Feder zu dem zugehörigen Boden fallen, und bestünde Vogel zuordnen Literaturzu nicht können, aus distinkten und beElementen, hier gar nichtdas lesen, was wir ohne geistert sichkönnten für dieSie Möglichkeit, Verbreitungsge-

biet jenes Vogels mit Hilfe von Computerprogrammen dokumentieren zu können. gar nicht schreiben hätten können und ebendiese könnten Sie auch benutzen, um mit Suchmaschinen die obigen


Naturalismus berichtet. Für eine Ausstellung hat er einmal ein Igelpaar beim Liebesspiel präpariert. Der weibliche Igel hat sich das Stachelkleid ausgezogen und über einen kleinen Kleiderbügel gehängt. Auch Präparate eines übergewichtigen Schwans, der im Liegestuhl einen Hamburger verspeist, und eines Bibers, der auf Grund der Klimaerwärmung eine Sonnenbrille trägt, hat Morass angefertigt. Mit Eichhörnchen, die Zigaretten rauchen, habe er den Naturalismus nicht einmal verlassen, sagt Morass grinsend, tatsächlich seien Eichhörnchen bekannt, die an Autobahnraststätten Zigarettenstummel einsammelten. Gegenwärtig arbeitet Morass an einem Auftragswerk für den Innsbrucker Alpenzoo, einem Wolpertinger, dem bayerischen Fabelwesen, das oftmals als gehörnter Hase dargestellt wird (und einer Theorie zufolge auf mit Papilloma-Viren infizierte Hasen zurückgehen soll, denen erkrankungsbedingt hörnerartige Tumoren am Kopf wachsen). Der Wolpertinger von Morass ist ein Potpourri der Tiroler Fauna, zusammengesetzt aus Steinbock, Reh, Wildschwein, Wildkatze, Fuchs, Luchs, Gämse, Biber und Steinadler. Nach einem Zoobesuch sollen Kinder die einzelnen Körperteile den soeben im Zoo gesehenen Tieren zuordnen. Das Viech, das da entstehe, sei ziemlich unheimlich, sagt Morass, und trotzdem gebe es so etwas wie eine innere Logik, mit der die einzelnen Körperteile der verschiedenen Tiere zueinander passten und sich gleichzeitig widersprächen. Außerdem diene das Ganze letztendlich ja einem didaktischen Zweck. Wieder klingt es ein bisschen so, als habe er den Eindruck, sich rechtfertigen zu müssen, und vielleicht klingt hier das Ethos des Wissenschaftlers durch. Denn das sei der Tierpräparator am Museum ja in erster Linie, betont Morass, der schon seit vielen Jahren bei den Tiroler Landesmuseen angestellt ist. Bei der wissenschaftlichen Präparation ist die Arbeit am Präparat immer begleitet von analytischen

Fragen, es geht um die Erhebung der Todesursache und die Identifizierung von Nahrungsketten genauso wie um das Entnehmen von Knochen und Gewebeproben für DNA-Analysen. Es ist dieses Sammeln und Zuordnen von Belegen, durch das der Präparator vom Anatomen zum Naturhistoriker wird, und nicht ohne Stolz verweist Morass darauf, eine gefundene Feder dem zugehörigen Vogel zuordnen zu können, und begeistert sich für die Möglichkeit, das Verbreitungsgebiet jenes Vogels mit Hilfe von Computerprogrammen dokumentieren zu können. Am Ende der Ausstellung kommen wir an einem weiteren ungewöhnlichen Präparat vorbei, dem eines Bibers, welcher im Autotunnel, der unter dem Museum hindurch führt, überfahren wurde. Ein untypisches Morass-Präparat insofern, als es weder besonders entspannt aussieht noch in Bewegung begriffen scheint, sondern, nun ja, in erster Linie einen ziemlich toten Eindruck macht, somit gewissermaßen die paradoxen Gesetze des präparatorischen Umwandlungsprozesses überraschend durchbricht. Viele der Tiere, aus denen seine Präparate entstehen, sind solche sogenannten „roadkills“, dazu kommen Tiere, die in Zoos versterben. Eigens für die Präparation erlegte Tiere nehme er nicht an, betont Morass und berichtet, dass immer wieder Menschen an ihn heranträten mit der Bitte, ihr Haustier zu präparieren (was er entschieden ablehnt). Oft werde ihm von denselben Leuten die Frage gestellt, ob er denn keine lebenden Tiere möge, was eine absurde Frage sei, denn wer sich als Tierpräparator nicht für Tiere begeistern könne, solle sich einen anderen Beruf suchen. Aber was hätte er mit einem Hund machen sollen, in den letzten acht Monaten, in denen es für ihn kein freies Wochenende gab? Für einen „positiven Fanatiker“ der Tierpräparation wie Peter Morass bleibt für ein Haustier schlichtweg keine Zeit.




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Fließtext*

Von Marcel Beyer

*

— Text, der in einem Stück und ohne Unterbrechungen durch Absätze, Überschriften, Abbildungen, Fußnoten u. Ä. gesetzt wird. — Aufforderung, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und dabei nicht zurückzuschauen; freihändig draufloszulegen, ohne zu korrigieren; die Buchstaben zu Papier zu bringen und bedenkenlos aus der Hand zu geben.

Zehn vor acht, ich bin gerade in den Zug eingestiegen, schon steht der Rechner vor mir – auch darum freuen wir uns wohl auf den Monat in Belgrad: Man wird nicht permanent im Turbomodus laufen, laufen müssen. Gestern habe ich versucht, unsere Belgrader Adresse auf dem Stadtplan zu finden, nichts, völlig „hilflos“, ich weiß nicht einmal, was ‚Straße‘ auf Serbisch heißt, erkenne nur ‚dom‘, Haus der sportlichen Jugend oder so ähnlich, schon die Funktion des nächsten ‚dom‘ bleibt mir verschlossen – das ist gut, das macht langsam. Sonne, leichte weiße Schleier am Himmel, angenehm frische Luft – die beschlagenen Autoscheiben, die beschlagenen Glasflächen der Wartehäuschen: Man will unwillkürlich mit dem Finger über diese milchige Schicht streichen, um zu prüfen, ob es nicht den ersten Nachtfrost gegeben hat. Der könnte bald kommen. Und wie schmal die Vögel im Flug sind, hier am Bahnhof, die Taube, die zwei Nebelkrähen – sei es, dass sie sich schmal machen in der Kühle, sei es, dass ihre Silhouetten zusammenschnurren im Licht der über die Stadt steigenden Sonne. Jedesmal, wenn ich hier auf dem Bahnsteig stehe und noch eine Zigarette rauche, bevor der Zug einfährt, der Blick hinüber zur – verkehrstechnischen?, nach sechs Jahren habe ich das wieder vergessen – Hochschule, um zu prüfen, ob auf ihrer Dachkante Krähen aufgereiht hocken. Nein. Um sechs Uhr bin ich aufgestanden, es war noch dunkel, nach einer Viertelstunde kam, mit einemmal, im Küchenbalkontürenfensterausschnitt ein Lichtschimmer, eigentlich nur eine Blaugrauabstufung, im Winkel zwischen linker Eiche und Frölichstraßendächern zum – Vorschein. Dann eine Taube, und dann hockte, ganz still, eine junge Kohlmeise (eine der jüngsten Drillinge oder Vierlinge) auf dem Futterhausdach und schaute herein. Es ist zu kühl, um die Balkontür offen zu halten, und gestern Abend haben wir in der Küche ein bisschen geheizt. Jetzt setzt sich der Zug in Bewegung, drei Minuten nach acht, und außer mir sitzt noch eine einzige Reisende in diesem Waggon – die morgendliche Stunde bis Leipzig, ich kenne sie. Dunstschimmer über den seltsam vor sich hin verrottenden Werkhöfen und Fabrikresten Richtung Elbe (seltsam, weil diese Stimmung mittlerweile anachronistisch wirkt: Erst tat sich fast ein Jahrzehnt nichts, nachdem sich jahrzehntelang ohnehin nichts getan hatte, doch in den vergangenen zwei Jahren wird am Rand der Friedrichstadt renoviert, gebaut), noch immer riesige Pfützen nach den starken Regenfällen bis vorgestern („Über den Lidls / Über den Lidl-Baracken“). Cotta, gleich Kemnitz, dann Cossebaude, bald muss der Katzenfriedhof kommen, den ich allerdings in meinem Leben nur einmal und dann nie wieder gesehen habe. Die Vegetation überall noch, wie sagt man: sehr üppig, Sträucher, Gräser, Kräuter, Baumkronen. Tau. Ein Wegweiser zum Tierheim. Ein Reitplatz. Dresden Stetzsch, nie gehört. Ein flacher Haufen roter Äpfel auf dem Boden. Junge Birken auf den Dächern von Wohn-, Arbeitscontainereinheiten, das habe ich lange nicht gesehen. Als ich nach Dresden, als ich in den Osten kam, gehörten Birken auf den Dächern zum Stadtbild so selbstverständlich wie die Satellitenschüsseln und die bläuliche Beleuchtung der Fenster bei Nacht, deren Sinn ich nie begriffen habe: für die Kakteenzucht auf der Fensterbank? Jetzt haben


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wir die Elbe überquert und fahren auf Radebeul zu und der optische Reiz schwindet. Ein ganzes Buch, das ausschließlich aus Beschreibungen von Landschaftsabschnitten, Geländedraufsichten bestünde – wäre es reizvoll zu lesen, zu schreiben? Die Kunst würde zum einen darin bestehen, zu wiederholen, ohne sich zu wiederholen, und zum anderen darin, sich nicht den zahllosen Ablenkungsmöglichkeiten hinzugeben: Tiere, Menschen. Aber: Man kann kein Gerald Manley Hopkins sein. Bücher solcher Art kennen wir, kommt mir wegen Hopkins in den Sinn, nur in Form von Diarien, Forschungs- und Beobachtungstagebüchern. Das stille Bild, die Folge von stillen Bildern wird in einen Verlauf gebracht, und dieser Verlauf besteht aus der Abfolge von Daten: Morgens stehe ich auf und schaue. Am folgenden Morgen stehe ich wieder auf und schaue. Aha, Friederike Mayröcker und die Erzählformen: „Lection“ – Roland Barthes: „Lection“, seine Antrittsvorlesung von 1977; „cahier“ – Paul Valéry: „Cahiers“. „etudes“ – dazu fällt mir nur Chopin ein? Das deutschsprachige Pendant – auch das Pendant in der Klavierliteratur? – zu den „etudes“: „Vorschule“ und „Schule der Geläufigkeit“: Das ist ja schon eine irre Behauptung, wenn man auf ein so viele Jahrzehnte zurückreichendes Schreibleben schaut. Doch genau hier liegt das Moment („momentum“, äh): Den Blick NICHT zurückzuwerfen – Orpheusbildlichkeit. Wende dich um, und jemand wird sterben. Aus dem – an sich doch lächerlichen – Grund, dass du dich umgewandt hast. Aber unsere Schrift läuft eben nun einmal von links nach rechts, reicht in das Kommende (das zu Sehende, das zu Hörende: das zu Schreibende) hinein, in die Zukunft, unsere Schrift hört und sieht: den noch leeren Teil des Blattes, die kommenden, die zu füllenden, die weißen Seiten des Hefts. (Hier auch: Derrida, wie er einen volle zwei Tage dauernden, vom Papier abzulesenden Vortrag vor Augen hat, wenn er die Seiten mit Wörtern füllt – aber eben ja: nicht mit Wörtern, sondern mit einer Bewegung.) Wie lange dauert „cahier“? Vor Riesa, bevor wir die Elbe erneut überqueren, der Blick nach rechts, in die sonnenbeschienene Landschaft: Dort hinten war Claude Simon (und er hat keine Spuren hinterlassen, und niemand hier weiß davon, und die Landschaft weiß nichts davon, und die Landschaft kümmert es nicht). Immer noch, immer wieder unglaublich. Fünf nach halb neun. Jetzt Peter Handke lesen, „Am Rand der Erschöpfung reden wir alle in Hauptsätzen.“ Leipzig. Derzeit – um Leipzig herum wird das Schienennetz erneuert oder so – nimmt der Zug auf Leipzig, in sehr langsamer Fahrt, eine andere Route: optisch schöne, „ansprechende“ Gegenden der Stadt, eben weil ich sie nicht kenne, wohingegen ich auf der gewohnten Route nichts mehr „sehe“, wenn ich aus dem Fenster sehe. Wir hielten kurz auf einer Überführung, mit Blick auf ein Eckhaus unten, das mich anzog: wie aus einem französischen oder belgischen Comic, das in der Zwischenkriegszeit oder der Zeit des Zweiten Weltkriegs spielt (Tardi), roter Ziegel, schmale Fenster, niedrige Etagen, vom Erdgeschoß mit seinem – leeren – Ladenlokal abgesehen, Blick aus dem dritten Stock über Gartensparten und eben diese Bahnbrücke. Ich sah mich aus dem Fenster sehen.


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mar Barth, Christoph W. Bauer, Ruedi Baur, Wolfgang Sebastian Baur, Xaver Bayer, Gottfried Bechtold, Sven-Eric Bechtolf, Marc Beckmann, Michael Beismann, Birke J. Bertelsmaier, Marcel Beyer, Friedrich Biedermann, Matthias Bildstein, Philipp Blom, Johanna Bodenstab, Anna-Maria Bogner, Mirko Bonné, Sonia Bonné, Rudolf Borchardt, Julia Bornefeld, Bureau Mirko Borsche, Kurt Bracharz, Carmen Brucic, Maria E. Brunner, Markus Bstieler, Daniel Buren C C2F, Georg Cadeggianini, Ferdinand Cap, Ernst Caramelle, Michael Cede, Circus, Othmar Costa D Giulia Dallapiccola, Emanuel Danesch, Günther Dankl, Hans Danner, Eleonore de Felip, Egon Dejori, Delugan-Meissl, Gehard Demetz, Carola Dertnig, Marco Dessi, Georg Diez, Dimitré Dinev, Marko Dinic, Mark Dion, Klaus Doblhammer, Sabine Dreher, Elmar Drexel E Thomas-Roman Eder, Moritz Eggert, Theresa Eipeldauer, Olafur Eliasson, Tomas Eller, William Engelen, Hans Magnus Enzensberger, EOOS, Beate Ermacora F Carsten Fastner, Leopold Federmair, Martin Feiersinger, Werner Feiersinger, Friederike Feldmann, Thomas Feuerstein, Christian Flatz, Bernhard Flieher, Stefan Flunger, Andreas Fogarasi, Gerold Foidl, Franzobel, René Freund, Barbara Frischmuth, Martin Fritz, Raffael Fritz, Raffael Fritz, Paul Fröhlich, Tatjana Frumkis, Daniel Fügenschuh, Marta Fütterer G Thomas Gansch, Heinz Gappmayr, Florian Gasser, Karl-Markus Gauß, gelitin, Yvonne Gesler, Rolf Glittenberg, Christian Gögger, Peter Gorschlüter, Martin Gostner, Friederike Gösweiner, Barbara Gräftner, Franz Gratl, Konstantin Grcic, Andrea Grill, Daniel Grohn, Marlene Groihofer, Georg Gröller, Walter Grond, Walter Groschup, Sabine Gruber, Gebhard Grübl, Christopher Grüner, Harald Gsaller, Egyd Gstättner, Sofia Gubaidulina, William Guerrieri, Susanne Gurschler H Carla Haas, Ernst Haas, Georg Friedrich Haas, Heidi Hackl, Josef Hader, Florian Hafele, Katja Hagedorn, Klaus Händl, Ralf Hanselle, Andreas Hapkemeyer, Marlene Haring, Aglaia Haritz, Jens Harzer, Michael Hausenblas, Krista Hauser, Sigrid Hauser, Florentina Hausknotz, Clementina Hegewisch, Werner Heinrichmöller, Heinz D. Heisl, Irene Heisz, Monika Helfer, Peter Henisch, Dietrich Henschel, Peter Herbert, Wolfgang Hermann, Ralf Herms / Rosebud, Margarethe Heubacher-Sentobe, Stefan Heyne, Klasse Hickmann, Ernst Hiesmayr, Stephan Hilpold, Herbert Hinteregger, Christoph Hinterhuber, Achim Hochdörfer, Paulus Hochgatterer, Richard Hoeck, Candida Höfer, Siggi Hofer, Johanna Hofleitner, Georgia Holz, Anton Holzer, Stefanie Holzer, Heidrun Holzfeind, Johann Holzner, Sascha Hommer, Michael Höpfner, Albert Hosp, Line Hoven, Johannes Huber, Sebastian Huber, Stephan Huber, Barbara Hundegger, Stefan Hunstein, Axel Hütte J Helmut Jasbar, Ivona Jelcic, Thomas Jonigk, Tamás Jovanovics, Jochen Jung, Peter Stephan Jungk, Andreas Jungwirth K Ulrike Kadi, Fabian Kanz, Walter Kappacher, Bernhard Kathan, Iris Kathan, Otto Katzameier, Christoph Keller, Michael Kerbler, Manuela Kerer, Leopold Kessler, Michael Kienzer, Esther Kinsky, Susanne Kircher-Liner, Kurt Kladler, Walter Klier, Gerhard Klocker, Radek Knapp, Martin Kofler, Peter Kogler, Michael Köhlmeier, Alfred Komarek, Moussa Kone, Alexandra Kontriner, Hubert Kostner, Alexander Kratzer, Annja Krautgasser, Petra M. Kraxner, Andreas Kriwak, Brigitte Kronauer, Florian Kronbichler, Michael Krüger, Gustav Kuhn, Hans Kupelwieser, Martin Kusej, Nadja Kwapil L Brigitte Labs-Ehlert, Ulrich Ladurner, Bernhard Lang, Katja Lange-Müller, Wolfgang Lehrner, Sonia Leimer, Konrad Paul Liessmann, Fiona Liewehr, Fiona Liewehr, Clemens Lindner, Christine Ljubanovic, Ulrich Loock, Joachim Lottmann, Ove Lucas, Constantin Luser, Dörte Lyssewski M Brigitte Mahlknecht, Andreas Maier, Sepp Mall, Urs Mannhart, Dorit Margreiter, Raimund Margreiter, Edgar Martins, Barbara Matuszczak, Dóra Maurer, Roland Maurmair, Manfred Alois Mayr, Friederike Mayröcker, Milena Meller, Bernhard Mertelseder, Klaus Merz, Philipp Messner, Philipp Messner, Sven Meyer, Thomas Mießgang, Lydia Mischkulnig, Wolfgang Mitterer, moki, Elisabeth Mortimer, Jeannie Moser, Architekten Moser Kleon, Philipp Mosetter, Bernhard Moshammer, Walter Müller N Olga Neuwirth, architects the NEXTenterprise, Walter Niedermayr, Michaela Nolte, NORM, Thomas Nußbaumer O Peter Oberdorfer, Nick Oberthaler, Walter Obholzer, José F. A. Oliver, Albert Ostermaier, Fritz Ostermayer, Matthias Osterwold, Ulrich Ott, Silke Otto-Knapp P Walter Pamminger, Frida Parmeggiani, Thomas Parth, Architekten Pauhof, Georg Payr, Karin Pernegger, Hans Karl Peterlini, Christoph Peters, Robert Pfaller, Eva Pfanzelter, Matthias Pfisterer, Barbara Pflanzner, Anita Pichler, Hans Platzgumer, Katrin Plavcak, Jorge Reynoso Pohlenz, Helmut Pokornig, Johannes Porsch, Wolfgang Pöschl, Teresa Präauer, Wolfgang Praxmarer, Gerald Preinfalk, Othmar Prenner, Martin Prinz, Martin Prinzhorn, Robert Prosser, Irene Prugger, Carl Pruscha, Florian Pumhösl Q Quart Heft für Kultur / circus R Thomas Radigk, Florian Raditsch, Gottfried Rainer, Bernhard Rathmayr, Milo Rau, Arne Rautenberg, Simon Rees, Helmut Reinalter, Gabriele Reiterer, The Remingtons, Alexander Rendi, Robert Renk, Maria Rennhofer, Architekten riccione, Michael Riedel, Franz Riedl, Alice Riegler, Arno Ritter, Ursula Timea Rossel, Anna Rottensteiner, Gerhard Ruiss, Ingrid Runggaldier, Corinne L. Rusch, Katharina Rutschky, David Rych S Michael E. Sallinger, Georg Salner, Heidrun Sandbichler, Peter Sandbichler, Benedikt Sauer, Susanne Schaber, Hans Schabus, David Schalko, Peter Scheer, Simon Schennach, Andreas Schett, Markus Schinwald, Elisabeth Schlebrügge, Eva Schlegel, Nikolaus Schletterer, Fridolin Schley, Birgit Schlieps, Hanno Schlögl, Ferdinand Schmatz, August Schmidhofer, Wendelin Schmidt-Dengler, Olaf A. Schmitt, Ivo Schneider, Gregor Schneider, Gunter Schneider, Verena Schoepf, Roland Schöny, Nora Schöpfer, Fred Schreiber, Raoul Schrott, Christian Schubert, Bernd Schuchter, Bernd Schuchter, Franz Schuh, Stephan Schulmeister, Matthias Schulz, Carolina Schutti, W. G. Sebald, Christian Seiler, Walter Seitter, Peter Senoner, Q. S. Serafijn, Sergison Bates architects, Cyrus Shahrad, Robbie Shone, Martin Sieberer, Christoph Simon, Jens Soentgen, Alessandro Solbiati, Gertrud Spat, cut+paste spector, Götz Spielmann, Clarissa Stadler, Eva Maria Stadler, Thomas Stangl, Johannes Maria Staud, Martina Steckholzer, Heinrich Steinfest, Linda Stift, Esther Stocker, Karl Stockreiter, Esther Strauß, Simon Strauß, Bernhard Studlar, Michael Sturminger T Sylvia Taraba, Ina Tartler, Rudolf Taschner, Text ohne Reiter, Elisabeth Thaler, Michael Thalheimer, Paul Thuile, Sophie Tiller, Johanna Tinzl, Susanne Titz, Ernst Trawöger, Heinz Trenczak, Jan Peter Tripp, Lisa Trockner, Ilija Trojanow, Thomas Trummer, Thomas D. Trummer, Wolfgang Tschapeller U Harald Uhr, Erwin Uhrmann, Karl Unterfrauner, Sandra Unterweger, Roman Urbaner, Helga Utz V Katrien Van der Eerden, Andrea van der Straeten, Rens Veltman, Helmut Völter, Julie von Kessel, Joseph von Westphalen W Jan Wagner, Martin Walde, Bruno Walpoth, Peter Warum, Peter Waterhouse, Vitus H. Weh, Hans Weigand, Lois Weinberger, Oliver Welter, Wendy & Jim, Nicole Weniger, Gabriele Werner, Margret Wibmer, Roman Widholm, Martin Widschwendter, Monika Willi, Erika Wimmer, Robert Winkel, Heinz Winkler, Andrea Winkler, Franz Winter, Wolfgang Wirth, Robert Woelfl, Thomas Wördehoff, Bert Wrede, Erich Wucherer, Erwin Wurm, Anton Würth Z Christoph Zanon, Dorothea Zanon, Benjamin Zanon, Andrea Zanzotto, Anton Zeilinger, Jörg Zielinski, Heimo Zobernig, Christa Zöchling, Stefan Zweifel Auf einer Quartseite finden sie fast nicht mehr Platz – alle Autorinnen und Autoren seit 2003. Jetzt alle Hefte, alle Beiträge lesen, anschauen, bestellen:

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Quart Heft für Kultur Tirol

Kulturzeitschrift des Landes Tirol

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Herausgeber: Markus Hatzer, Andreas Schett Chefredaktion: Heidi Hackl, Andreas Schett Anschrift der Redaktion: Circus, Kochstraße 10, 6020 Innsbruck (A), office@circus.at Anschrift des Verlags: Haymon Verlag, Erlerstraße 10, 6020 Innsbruck (A) T 0043 (0)512 576300, order@haymonverlag.at, www.haymonverlag.at Geschäftsführer / Verleger: Markus Hatzer Aboservice: T 0043 (0)512 576300, aboservice@haymonverlag.at

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Bezugsbedingungen: Quart Heft für Kultur Tirol erscheint zweimal jährlich. Jahresabonnement: € 22,– · Einzelheft: € 16,– · Preise inkl. MwSt., zzgl. Versand Die Bezugspreise unterliegen der Preisbindung. Abonnement-Abbestellungen müssen spätestens 3 Monate vor Ende des Kalenderjahres schriftlich erfolgen.

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Mitarbeiter dieser Ausgabe: Susanne Kircher-Liner, Michael Köhlmeier, Christoph W. Bauer, Marc Beckmann, Marcel Beyer, Philipp Blom, Anna-Maria Bogner, Mirko Bonné, Bureau Mirco Borsche, C2F, Gehard Demetz, Marc Dion, Hans Magnus Enzensberger, Judith Fegerl, Andreas Fogarasi, Paul Fröhlich, Heinz Gappmayr, Karl-Markus Gauß, Daniel Grohn, Herbert Hinteregger, Sascha Hommer, Line Hoven, Axel Hütte, Jochen Jung, Otto Katzameier, Michael Kerbler, Esther Kinsky, Peter Kogler, Brigitte Kronauer, Michael Krüger, Wolfgang Lehrner, Constantin Luser, Edgar Martins, Sven Meyer, Jan Wagner, Walter Niedermayr, Johannes Porsch, Teresa Präauer, Florian Pumhösl, Michael Riedel, Peter Sandbichler, Gregor Schneider, Heinrich Steinfest, Esther Stocker, Text ohne Reiter, Michael Thalheimer, Jan Peter Tripp, Jan Wagner, Martin Walde, Bruno Walpoth, Wolfgang Wirth, Benjamin Zanon, Heimo Zobernig Kuratoren: Ruedi Baur, Othmar Costa, Karin Dalla Torre, Eduard Demetz, Georg Diez, William Engelen, Martin Gostner, Helmut Groschup, Franz Hackl, Hans Heiss, Stefanie Holzer, Sebastian Huber, Gabriele Kaiser, Otto Kapfinger, Walter Klier, Martin Kofler, Gustav Kuhn, Christoph Mayr-Fingerle, Milena Meller, Walter Methlagl, Wolfgang Mitterer, Walter Niedermayr, Thomas Nußbaumer, Dominique Perrault, Wolfgang Pöschl, Helmut Reinalter, Robert Renk, Arno Ritter, Benedikt Sauer, Benno Simma, Gerhard Steixner, Vitus H. Weh, Lois Weinberger, Maria Welzig u. a. Visuell-editorisches Basiskonzept: Walter Pamminger Farbkonzept: Peter Sandbichler Grafische Realisation: Circus, Büro für Kommunikation und Gestaltung, Innsbruck / Wien, www.circus.at Druck: Lanarepro, Lana, Italien Papier: Luxo Samt 135 g/m2 Schriften: Sabon LT Std, Gill Sans Std, Neutral BP Sämtliche inhaltlichen Beiträge dieses Heftes sind Ersterscheinungen, Auftragswerke, Uraufführungen. ISBN 978-3-7099-3461-6 · © Haymon Verlag, Innsbruck-Wien 2018 · Alle Rechte vorbehalten. Die Drucklegung erfolgte mit freundlicher Unterstützung der Abteilung Kultur der Tiroler Landesregierung und der Abteilung Deutsche Kultur der Südtiroler Landesregierung.



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