Quart Nr. 31

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Quart Heft für Kultur Tirol Nr. 31 /18 E 16,–

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Foto: GĂźnter Richard Wett


* Der Auftrag zur Gestaltung der linken Seiten in dieser Ausgabe ging an Aglaia Haritz. Hier ein paar Sätze zu ihrer Arbeitsweise: „Ich arbeite mit Textilien und Fäden und möchte damit die mir wichtigen Geschichten erzählen. Für Quart habe ich versucht, die Stimmung, ein besonderes Wort oder die Bedeutung der Texte aus meiner Sicht abzubilden. Deutsch ist nicht meine Muttersprache, und ich habe gespürt, dass schon beim Lesen eine erste, fast materialistische Transformation passiert; das fand ich sehr interessant, und bei jeder weiteren Lektüre kam eine andere Transformation in meine visuelle Darstellung. Als ich beispielsweise den Text von Marko Dinić las, saß ich im Wald und erst nach einigen Seiten bemerkte ich, dass ich mit einem Fuß in einen Ameisenhaufen getreten war. Jeder Text hat mir ein besonderes Universum gezeigt, und ich habe versucht, dies in jedem Punkt und zwischen den Stoffen festzuhalten.“

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Inhalt

Herbert Hinteregger Untitled

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Halotech Lichtfabrik

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Aglaia Haritz* Inhalt

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Fließtext Von Radek Knapp

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Einatmen, Staunen Ein berühmter Schnapsbrenner hört auf. Und redet über die Ungewissheit. Von Christoph Keller Zeichnung und Installation Martin Prinzhorn über den Künstler Herbert Hinteregger Herbert Hinteregger Untitled Visuelle Konzeption, Grafik-Design: Alexander Rendi

Gerhard Demetz: Landschaften Fotografie: Egon Dejori

65–71

moki Originalbeilage Nr. 31

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Lediglich der kleine Buchladen an der Ecke bot Augenhalt. Landvermessung No. 5, Sequenz 4 Von Toblach nach Cortina Marko Dinić mag gar nicht weg, kann aber nicht anders

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Irgendwer Leopold Federmair blickt unter die virtuelle Tarnkappe

91–99

9–15

17–19 An alle Bühnen der Welt Silke Otto-Knapp denkt die von Kurt Schwitters radikal gedachte Normalbühne weiter

101–109

Marginaltexte (5) Standhalten Fragment aus einem unabgeschlossenen Roman des 1982 verstorbenen Autors Gerold Foidl

111–119

Eigenwerbung

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Besetzung, Impressum

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20–35

„Music is my only means of self-expression.“ Franz Gratl erzählt von der außergewöhnlichen Karriere der Geigerin Guila Bustabo 37–43 Licht und Limonade (Bilder vom Meer und vom Verschwinden) Thomas Stangl schaut zum Horizont

Der Tirolerhut des Liebhabers Anaïs Nin war wahrscheinlich nicht nur auf der Venus, sondern sogar in Tirol. Eine Recherche von Martin Fritz

45–51

53–63


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Fließtext*

Von Radek Knapp

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— Text, der in einem Stück und ohne Unterbrechungen durch Absätze, Überschriften, Abbildungen, Fußnoten u. Ä. gesetzt wird. — Aufforderung, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und dabei nicht zurückzuschauen; freihändig draufloszulegen, ohne zu korrigieren; die Buchstaben zu Papier zu bringen und bedenkenlos aus der Hand zu geben.

Das Universum ist schon da — Ach, was bereitet die heutige Welt mir für eine Freude. Man weiß nicht wo zuerst hinschauen. Nehmen wir das Internet, da gibt es heute wieder mal allerhand Nachrichten, zuerst mal wie immer aus Japan. Dortige Wissenschaftler haben ein eminentes Problem gelöst, das japanische Frauen jeden Alters plagt. Sie erfanden eine Pille, die den unangenehmen Geruch des menschlichen Kots neutralisiert. Mehr noch, durch einen bestimmten Zusatz riecht der eigene Kot sogar nach Vanille, Lavendel oder einer anderen Duftsorte. Diese Pillen finden reißenden Absatz bei jungen Frauen, weil das Schamgefühl in Japan offenbar größer ist als sonst wo. Nachdem die Frau ihre Notdurft verrichtet hat, verbreitet sich in der ganzen Toilette der verführerische Duft von Lavendel. Glücklich der Mann, der eine Angetraute hat, die ihren Darmtrakt so unter Kontrolle hat. Aber das ist nicht alles, Japan, so buddhistisch es auch ist, versteht auch Weihnachten zu feiern. Auf Youtube stoße ich gleich neben der Videonachricht, dass Neil Diamond von uns gegangen ist, auf ein Filmchen aus einem Tokyoer Kaufhaus, wo in einem Wasserbecken ein Zitteraal schwimmt. Da gerade Weihnachtszeit ist, ist das Becken an einen Weihnachtsbaum angeschlossen. Sobald der Zitteraal einen Stromstoß generiert, erleuchtet der Weihnachtsbaum. Die ringsum stehende Menschenmenge applaudiert. Es ist unwahrscheinlich, dass der Zitteraal diesen Applaus hört, aber die japanischen Wissenschaftler arbeiten bestimmt schon daran. Da kriegt man gleich Sehnsucht nach Europa, und schon bin ich mit zwei Klicks mitten im europäischen Genius, denn unsere Wissenschaft schläft im Gegensatz zu unserer Kunst aber auch so gar nicht. ¶ Europa hat zwar keine mit Zitteraalen betriebenen Weihnachtsbäume und Duftpillen vorzuweisen, aber dafür haben unsere Jungs in Weiß herausgefunden, dass das direkte Schauen in die Augen eines anderen Menschen deshalb heutzutage kaum noch praktiziert wird, weil es für das Gehirn eine große stressbedingte Belastung darstellt. Beim direkten Augenkontakt werden bestimmte Gehirnregionen stärker aktiviert als bei einem Blick auf die Wand oder gar einem Blick auf ein Plakat mit der FPÖ. So weit so gut, diese Entdeckung ist ein Meilenstein in der Stressbewältigung unserer ohnehin schon so überspannten Mitmenschen und niemand ist froher darüber als solche Leute wie ich, die noch zu der Zeit auf die Welt gekommen sind, als man dem eigenen Gehirn den Stress zumutete, der ihm zustand. ¶ Ausgestattet mit diesen Neuheiten geht es sich viel leichter spazieren, also warum es nicht selber tun? Kaum bin ich auf der Straße, stelle ich fest, dass alles, was die Nachrichten sagen, stimmt. Niemand schaut einem heute tatsächlich in die Augen, aber dafür wird überall geduftet. Die Geschäfte riechen gut, die Lebensmittel noch besser und sogar die Jogger, die ständig heute an einem vorbeilaufen, duften nach Waschmittel, egal wie lange sie schwitzen. Um den Tag abzurunden, und, um ehrlich zu sein, insbesondere nicht ganz das „innere Gleichgewicht“, wie Schopenhauer zu sagen pflegte, zu verlieren, schaue ich vorbei bei meiner Lieblingsverkäuferin am Obststand. Sie heißt Geraldine, ist nymphoman und folglich erfreulich bodenständig. Sie strickt gerade einen Schal für einen Mann, den sie neulich kennengelernt hat. Sie gehört auf Facebook zu der Gruppe: „Frauen, die mit einem Flüchtling Sex haben“. Sie strahlt über das ganze Gesicht, als sie mich sieht, und schaut mir in die Augen, ohne mit dem Stricken aufzuhören. Wir reden über die Blödheit der Kunden und über die Schlechtigkeit der Welt. Und von Minute zu Minute wird es besser. Und als es nicht mehr besser werden kann, zieht Geraldine ein Buch heraus und sagt: „Schau was ich gerade lese“, und zeigt mir den Titel: „Das Universum steckt in dir“, lese ich laut vor und staune erfreut. „Wo soll es sonst stecken?“, nickt Geraldine und fragt: „Soll ich dir auch einen Schal stricken?“ ¶ „Warum nicht?“, sage ich, „Der nächste Winter ist praktisch schon da.“


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Einatmen, Staunen Christoph Keller ist bekannt als Schnapsbrenner, der mit seiner Destillerie „Stählemühle“ die Spitzengastronomie eroberte. In Kürze hört er damit auf. Hier seine Rede über die Ungewissheit:

Wenn ein Schnapsbrenner von einem kleinen Bauernhof am Bodensee die Eröffnungsrede für renommierte Festspiele zum Thema „Ins Offene, ins Ungewisse“ halten soll, muss etwas gründlich schiefgelaufen sein. Es kann sich nur um einen Systemfehler handeln. Der Fehler muss wohl bei mir selbst liegen, und zwar womöglich darin, dass ich es nicht verhindert habe, dass mich die Medien in den letzten Jahren regelrecht als „Experten für das Ungewisse“ dargestellt haben, als gnadenlosen Hasardeur und Abenteurer, der gerne alles aufs Spiel setzt, um Neues, Überraschendes, Anderes an sich und in der Welt zu entdecken – und das alles nur, weil ich mehr oder weniger zufällig einoder zweimal meinen Beruf gewechselt habe und dabei auch tatsächlich eher die kleinen Trampelpfade eingeschlagen habe, die etwas verschlungener durchs Dickicht führen, als den bequemen, asphaltierten Weg geradeaus. Aber ich kann Ihnen versichern, ich bin genauso wenig wie Sie ein „Fachmann für das Ungewisse“ – ganz im Gegenteil. Wir alle sind Teil einer Zivilisation, deren grundlegendes Bestreben ganz offenbar darin besteht, das Ungewisse, das Unsichere, die Fragezeichen so weit als nur irgend möglich aus unserem Leben zu verdrängen. Wir gehören einer Generation unserer Spezies an, die vor allem darin Experte ist, all jenes, das wir nicht wissen, das uns auf dem falschen Fuß erwischen könnte, das uns überraschen könnte, durch Wissen, Gewissheit und größtmögliche Sicherheit zu ersetzen. Vermutlich ist dieses Streben nach Absehbarkeit und Planbarkeit ein menschliches Grundbedürfnis, das uns instinktiv seit Jahrtausenden nur in eine Richtung vorwärts treibt: Nämlich weg von jeglicher Ungewissheit. Stellen Sie sich einen Jäger und Sammler vor, der in unseren Breiten vor vielleicht 20.000 Jahren gelebt hat und morgens eben nicht wusste, ob er an diesem Tag genug Nahrung finden würde, um zu überleben, ob ihm wilde Tiere oder feindliche Clans den Garaus machen würden, und ob am Abend noch alle Mitglieder der Sippe vollzählig um das Höhlenfeuer sitzen würden. Oder stellen Sie sich einen Menschen der Antike vor, dessen Geworfenheit auf den absoluten Willen der

Götter nur eine einzige Gewissheit zuließ, nämlich die, ein „Spielball des Schicksals“ zu sein. Stellen Sie sich einen Menschen der Renaissance vor, dessen Weltkarte noch mit allerlei weißen Flecken gespickt war, und dem nicht klar war, was diese unbekannte Welt, die „Terra incognita“, wohl bereithalten würde – und: wo diese Welt überhaupt zu Ende wäre. Und stellen Sie sich eine Frau im 18. Jahrhundert vor, die bei jeder Niederkunft davon ausgehen musste, dass entweder das Kind – oder gar die Mutter selbst – die Geburt nicht überleben würde. Man könnte meinen, wir sind weit gekommen. Schließlich bezeichnen wir unsere biologische Gattung als Homo sapiens – als wissenden Menschen, also als jenes Tier, dessen natürlicher Feind eben genau das „Ungewusste“ ist. Und so leben wir heute munter in relativer Gewissheit. Wir wissen genau, wo wir heute Abend schlafen werden, wie wir das Wochenende verbringen, wie und wann wir von A nach B kommen. Wir wissen genau, wie das Wetter in Leonberg in sechs Tagen sein wird, wo wir die Sommerferien verbringen und auch wie, wo und mit wem wir Weihnachten feiern werden. Diese Gewissheiten geben uns offensichtlich ein gutes, sicheres Gefühl von Kontrolle. Und wir erscheinen als Menschheit daher heute ganz weit entfernt von Norman Mailers naiver Aufforderung, das „kleine bisschen Ungewissheit, das uns im Leben noch bleibt“, doch bitteschön zu genießen. Als Amerikaner müsste Mailer doch eigentlich die Aussichtslosigkeit seiner illusorischen Hoffnung auf den „Genuss von Ungewissheit“ begriffen haben. Im amerikanischen Sprachgebrauch existieren sogar gleich zwei (!) Begriffe für den Gegenspieler des Ungewissen, jenem vermeintlich so anstrebenswerten Gefühl der „Sicherheit“. Nämlich „Safety“, die Sicherheit, die uns vor aller Unbill des Lebens und der Naturgewalten schützen soll, und „Security“, also jene Sicherheit, die uns vor uns selbst schützen will. Wenn Sie sich in Manhattan von einem Taxi vor einem Restaurant absetzen lassen, dann ruft Ihnen der Taxifahrer nach: „Take Care“ – „Passen Sie auf sich


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auf“. Na klar, so ein Restaurantbesuch kann verdammt gefährlich sein. Vor allem in einem Land, das erst vor ein paar hundert Jahren der quasisteinzeitlichen Wildnis entrissen wurde, und in dem die „Frontier“, die Grenze zwischen dem bekannten, sicheren Terrain und der Ungewissheit noch in den Köpfen der Menschen lebt – und dies nicht erst seit der letzten Präsidentschaftswahl. Vielleicht seither aber wieder etwas lebendiger. In der russischen Sprache hingegen existiert überhaupt kein Wort für Sicherheit. In Russland wird Sicherheit mit безопасность (bez-opasnost‘) wörtlich transferiert als „Un-Gefahr“ übersetzt. Hier herrscht also grundsätzlich erst einmal die Gefahr, hier ist es potentiell überall für den Menschen gefährlich und die wenigen Bereiche, in denen diese grundlegende Gefahr ausgeblendet werden kann, bilden – semantisch gesehen – eher die Ausnahme. Vielleicht kann uns dies verdeutlichen, dass wir als Homo sapiens doch immer noch um unser biologisches Wesen wissen, um unsere tierische Herkunft, die uns folgerichtig auch zu einem Teil der Natur macht. Wir bestehen aus Atomen, Molekülen, Zellen – reine Biologie, oder besser, reine Chemie. Und: Alles vergänglich. Vielleicht will uns der amerikanische Taxifahrer mit seinem „Take Care“ auch genau daran erinnern – dass wir nämlich Teil der Natur sind und nur eine einzige, wirkliche Gewissheit in unserem Leben haben, nämlich die, dass wir sterben werden. Dass das Leben in jedem Fall endlich ist, auch wenn wir uns noch so bemühen, es voll und ganz zu begreifen. Und damit uns diese finale Gewissheit der Endlichkeit nicht permanent die Laune verdirbt, hat der Mensch durch seine kognitiven Fähigkeiten eine so umfassende Fiktion entworfen, die unser Hirn mit anderen Dingen zu beschäftigen vermag, als nur mit lebenserhaltenden Stoffwechselprozessen, Fortpflanzung und der Verlangsamung des Dahinscheidens. Wir haben Sprachen erfunden, Schriftsysteme, Hierarchien, Geld, Gesetze, Religionen und sogar etwas so Verrücktes wie die Menschenrechte. Alles reine Erfindungen, bar jeder biologischen, faktischen Grundlage. Erfindungen, die wir als tierische Wesen, als Säugetiere, auch überhaupt nicht zum Leben und Überleben benötigen. Diese unsere Erfindungen – Schrift, Geld, Gesetze – helfen der Gattung Mensch jedoch sehr effektiv, sich

beständig zu vergrößern, die Erde immer weiter zu beherrschen und jegliche Ungewissheit nach und nach durch Gewissheit, Sicherheit und Ordnung zu ersetzen. Unsere Kultur, auch das, was wir als Kunst bezeichnen, dient zum allergrößten Teil leider ebenfalls genau dazu, dieses „phantasievolle“ Organisationssystem frei erfundener Konventionen zu stützen, zu festigen, zu kommunizieren, oder gar zu verherrlichen. Literatur, Theater, bildende Kunst funktionieren fast ausschließlich im Rahmen dieser Erfindungen, im Rahmen und zu Diensten dieser Fiktion, die uns ordnen und organisieren soll. Wer die Errungenschaften dieser künstlerischen Sparten genießen oder gar verstehen will, der muss wissen, der muss seine Fiktionen kennen, deren Geschichte, den Überbau, die Meta-Ebene. Auch die Musik kann ein solcher Sklave des fiktionalen Ordnungsgebäudes der Menschheit sein, ich glaube aber – und daran können Sie vielleicht meine Naivität und die mangelnde Fachkompetenz erkennen – ich glaube fest daran, dass die Musik mehr kann und mehr ist als nur eine Erfindung des Menschen. Ich glaube tatsächlich, dass Musik Natur ist, dass Musik uns unserem biologischen Wesen als Mensch näherbringt. Ich glaube, dass wir überhaupt nichts wissen müssen, um Musik zu erkennen und zu genießen. Ich glaube, dass ein noch unentdeckter Volksstamm im AmazonasDschungel eine Bach’sche Fuge genauso fühlen kann, wie wir archaische Volksmusik oder Gregorianische Gesänge erleben können. Ohne Kenntnis, ohne Wissen, unmittelbar, durch unsere primären Sinne. Nehmen wir das Stück, das wir gerade gehört haben, das den meisten von Ihnen vermutlich genauso unbekannt war wie mir. (Vielleicht haben Sie aber auch dieses „einatmende Staunen“ erlebt, das uns die Musik schenken kann.) Ich will ehrlich sein: Ich hatte einen kleinen zeitlichen Vorsprung, da ich vor einigen Wochen eine unbeschriftete CD von der Festspielleitung bekommen habe, sodass ich mich schon vorab ein wenig einfühlen konnte – wenn auch ohne zu wissen, um was für ein Werk es sich da handelt. Ich habe mich beim Hören der CD – und auch jetzt gerade wieder – zunächst ganz betäubt gefühlt, eingelullt in pentatonische Harmonien, in einen geradezu träumerischen Schleier, um dann aber brachial und ohne Vorwarnung vom Stuhl gerissen zu werden – von einem donnernden Gewitter


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mit Windstärke Zwölf, einem gewaltigen Luftangriff mit vielerlei Einschlägen. Doch der Spuk geht vorüber, die Atmosphäre beruhigt sich so schnell wie die Turbulenzen aufbrausten – die Luft steht wieder still, flimmert noch ein wenig, hallt nach. Bei diesem Stück handelt es sich um „Les Offrandes oubliées“ („Die vergessenen Gaben Gottes“) von Olivier Messiaen, 1930 in Frankreich als orchestrales Triptychon komponiert. Mit meiner musikalischen, historischen und geografischen Einordnung lag ich beim ersten Hören völlig falsch – aber: Das spielt eben überhaupt keine Rolle. Die Musik – das individuelle Erlebnis, der Eindruck, das Gefühl und die Bilder – sind einfach da. Auch ohne jede Vorkenntnis, ohne Wissen, unmittelbar. Ich glaube, dass das Erleben von Musik genauso direkt und instinktiv funktioniert, wie das Schmecken und Riechen. Und was diese parallelen Sinneseindrücke des Schmeckens und Riechens angeht, bin ich nun endlich auf etwas festerem Terrain angekommen, hier bin ich als Schnapsbrenner tatsächlich nun etwas kompetenter, fast gar „Experte“, und gestatte mir daher auch die Arroganz, den Destillateur einmal mit dem Musiker zu vergleichen. Denn obwohl die Destillation als eine der sieben alchemistischen Künste aus dem in der Renaissance erwachenden Streben nach umfassendem Wissen über das Wesen der Dinge stammt – Alkohol ist als zugleich brennendes und flüssiges Element die „Quinta Essentia“, das fünfte Element, und damit universelles Heilsversprechen für die Menschheit – trotz dieses Ursprungs also im ernsten wissenschaftlichen Ringen um den Fortschritt, basiert die Destillation fast ausschließlich auf der spielerischen Methodik von Experiment und Empirie. Und so versucht der moderne Destillateur, die in der Natur enthaltenen „Klänge“ – also Aromen und Gerüche, die letztlich auch nur auf langkettigen Fettsäuren und Terpenen basieren, also auch nur „reine Chemie“ sind – im Alkohol festzuhalten, zu transferieren, zu kommunizieren und schließlich – quasi als eine Art „Poesie der Moleküle“ – sinnlich erlebbar zu machen. Kunstvoll ist dabei die Methode, die Reinheit oder gar die Komposition. So ähnlich stelle ich mir auch die Arbeit eines Instrumentenbauers, Musikers, Dirigenten oder Komponisten vor. Der Klang ist reine Physik, reine Natur, Schwingung – seine Transformation in Sinneslust ist

die Musik. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Sprache der Destillation (wie übrigens auch die der Parfümeure) fast ausschließlich der Sprache der Musik entlehnt ist: Wir sprechen in der Aromen-Beschreibung etwa von Tönen, Basis- und Kopfnoten, Klängen oder Kontrapunkten und in der Beschreibung von komplexen Destillaten von Harmonien, Komposition, Dreiklang etc. Im Rahmen dieses Kontexts der direkten, sinnlichen Wahrnehmung unternimmt der Destillateur – wie auch der Musiker – eine Reise in die Ungewissheit der sensorischen Möglichkeiten, eine Expedition in die UnOrdnung, in die Un-Sicherheit, in eine unmittelbar erfahrbare Ästhetik, die eben nicht durch den fiktionalen Überbau, sondern durch den direkten biologisch-physikalisch-chemischen Sinneseindruck wahrnehmbar ist. Kontextfrei und zeitlos. Schwingungen eben. Ich hoffe, dass ich hier jetzt nicht den Eindruck des Esoterikers erwecke, gemeint ist nämlich das genaue Gegenteil, die Rückkehr zum Boden der Tatsachen – zur menschlichen Natur. „Ins Offene, ins Ungewisse“ ist für mich mehr als nur ein gängiger Slogan, der so gut in die liberale Meinungslandschaft passt und sich so einfach in die allgegenwärtige „Political Correctness“ der kapitalistischen Welt integrieren lässt. Für mich geht es hier eben nicht um jene vermeintliche Offenheit, die alles und jeden spannend finden möchte, und eben auch nicht um jenes „Zulassen von Ungewissheit“, das in jedem zweiten Selbstfindungskurs zur Sprache kommt. Hier geht es nicht um nebulöse Abenteuerlust, sondern um die wahrhaftige Bereitschaft, sich auf das reelle Menschsein einzulassen, die eigene biologische Molekularstruktur wirklich einmal ernst zu nehmen und sich nicht durch die kognitiven Fiktionen des Bewusstseins limitieren zu lassen. Einfach mal zuhören, riechen, schmecken, fühlen. Denn nur im Rückbezug auf unseren biologischen „Primaten-Kern“ lässt sich die feige Angst vor dem Ungewissen tatsächlich besiegen – und indem wir uns das Tier, das in unserem Erbgut steckt, bewusst machen, gewinnen wir an echter Offenheit für den Zufall, für die Unordnung, für die Überraschung. Bitte glauben Sie nicht, ich würde meine Rolle als „clownesker Fremdkörper“ hier zu ernst nehmen und jetzt unreflektiert zum unvermeidlichen Stilmittel der


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„Publikumsbeschimpfung“ greifen, indem ich Sie an unsere Abstammung vom Affen erinnere. Aber manchmal tut die Erinnerung an unsere tierische Herkunft ganz gut. Denn das Tier kennt nur das „Ungewisse“ und schert sich überhaupt nicht um Gewissheit, Sicherheit, Planung, Ordnung. Es ist eben tatsächlich ein bisschen wie beim Essen: Wer immer nur das isst, was er kennt, oder das, was er als Kind gemocht hat, und bei Wiener Schnitzel und Spaghetti bleibt, der wird nie erwachsen und wird nie verstehen, was diese Welt im Innersten zusammenhält. Probieren geht tatsächlich über Studieren – in diesem Sinne hoffe ich, dass Sie dazu bereit sind, nach den Überraschungsmomenten von Olivier Messiaen auch bei der hoffnungsvollen Leichtigkeit von Maurice Ravel und der verzweifelten Demut Anton Bruckners genau zuzuhören und das „kleine bisschen Ungewissheit“ zuzulassen, das uns das Leben noch schenkt – zumindest in Form von Musik. Apropos Leben und Sterben. Gestatten Sie mir, dass ich zum Abschluss doch noch einmal kurz auf diese einzige, ultimative Gewissheit zurückkomme, die das Leben für uns bereithält – die aber ironischerweise auch mit jener umfassendsten, absoluten Ungewissheit verknüpft ist, die überhaupt vorstellbar ist: Ja, wir wissen alle, dass wir irgendwann gehen müssen. Aber wohin? Was kommt danach? Das weiß noch keiner. Und auch, wenn so manchen die Erfindung der Religion über diese elementare Ungewissheit hinwegzutrösten vermag, bleiben doch gehörige Zweifel am Übergang ins Paradies, die übrigens auch Anton Bruckner in den letzten Jahren seines Lebens plagten – neben der permanenten und begründeten Furcht vor der drohenden Nichtvollendung seiner neunten Symphonie. Ich muss Ihnen gestehen, dass ich, was Bruckner angeht, „vorbelastet“ bin. Ich wurde meine gesamte Kindheit hindurch sozusagen „zwangsbeschallt“. Mein Vater war von Beruf zwar Jurist, seine eigentliche Leidenschaft galt aber der Musik. Als passabler Pianist und Organist hat er früh erkannt, dass das Talent nicht zum Berufsmusiker reichen würde, und hat daher eine „ordentliche“ berufliche Laufbahn eingeschlagen, allerdings fast seine gesamte Freizeit der musikalischen Forschung gewidmet – Spezialgebiet, Sie ahnen es: Anton Bruckner. Unsere Familienurlaube führten daher regelmäßig

nach Österreich – Stift St. Florian, Linz, Wien – angereichert mit vielen Begegnungen mit den Damen und Herren Hofräten und Magistern der internationalen Brucknergesellschaft, bei denen man fachliche Gespräche zum Wirken Bruckners führte – ein großartiges Ferienprogramm für einen Zwölfjährigen mit NenaPoster im Kinderzimmer. Ich kann aber heute sagen, dass mich die fanatische Verehrung meines Vaters für Anton Bruckner nicht völlig für die Musik verdorben hat und ich anlässlich des heutigen Abends sogar ganz froh war, im Nachlass noch einige seiner wissenschaftlichen Schriften zu Bruckner zu finden. Ein Beitrag, geschrieben für das Bruckner-Jahrbuch 1982, hat dabei meine besondere Aufmerksamkeit geweckt. Es handelt sich um eine juristische Deutung der verschiedenen Testamentsfassungen Bruckners. Diesem extrem religiösen, tiefgläubigen, fast schon bigotten Menschen war der Übergang ins Jenseits und die diesseitige Fortexistenz von Leib und Werk nämlich überhaupt nicht geheuer und musste deshalb in diversen, notariell bestätigten Testamentsversionen penibelst und bis aufs kleinste Detail geplant werden. Von wegen Gottvertrauen! Eine Bestattung als „Leiche erster Classe“ in der Krypta von St. Florian, direkt unter der Orgel, ließ sich Bruckner mehrfach vom zuständigen Abt bestätigen. Das „Injizieren“, also die Mumifizierung seines Leichnams durch einen renommierten Wiener Arzt, wurde genauso gewissenhaft geplant wie der doppelte Zinnsarg mit gläsernem Fenster, durch dessen Luke man auch noch nach Jahrzehnten das Antlitz des Meisters erblicken können sollte. Bruckner wollte hier offensichtlich nichts dem Zufall überlassen, die Ungewissheit kategorisch ausschließen – und ganz sicher sein, bis über den Tod hinaus. Die meisten seiner letzten Verfügungen und Wünsche konnten auch tatsächlich erfüllt werden, darüber hinaus spendierte die k. k.-Monarchie sogar ein sogenanntes „Prachtbegräbnis“. Was Bruckner aber danach erwartete, bleibt genauso rätselhaft und ungewiss wie der Ausgang der neunten Symphonie. Gekürzte Fassung der Rede zur Eröffnung der Ludwigsburger Schlossfestspiele am 3. Mai 2018


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Zeichnung und Installation

Herbert Hinteregger hat für diese Ausgabe von Quart das Cover entworfen und zeigt außerdem eine Bildstrecke auf den folgenden Doppelseiten. Vorab ein Text von Martin Prinzhorn:

Die Arbeiten, für die Herbert Hinteregger bekannt ist, sind einerseits Bilder mit Streifen oder Raster, oft aus Kugelschreibern angefertigt. Im Laufe der Zeit gehen sie auch immer weiter weg vom Tafelbild und von der Idee des autonomen Kunstwerks und werden immer installativer. Andererseits sind es Wandinstallationen aus leeren, blauen Kugelschreibern, die in einem interessanten Verhältnis zu den Bildern und deren Installationscharakter stehen. Die Arbeit des Künstlers beginnt also irgendwann bei der Idee des Tafelbilds und arbeitet sich dann schnell in Richtung Installation vor. Wir haben hier also keinen Künstler, der sich von Anfang an fest in die eine oder andere Richtung bewegt, sondern einen, der sich im Laufe seiner Karriere verändert. Irgendwann besetzen die Kugelschreiberinstallationen die Wände und die Kugelschreiberbilder nehmen den Boden ein – eine verkehrte Welt. Hinteregger hätte ja auch die Bilder als autonome Dinge weitermachen können und die übrig gebliebenen leeren Hüllen als Installation verwenden können. Hat er aber nicht. Von Anfang an gibt es bei ihm eine sehr merkwürdige Mischung von Arbeiten, die sich nicht eindeutig hinsichtlich ihres Verhältnisses zum Raum zuordnen lassen. Einerseits gibt es Gemälde, die sich ohne große Probleme nach der alten Greenberg’schen Idee eines autonomen Kunstwerks interpretieren lassen, das sich ohne Referenz auf seinen Raum etablieren kann. Der Raum selbst soll dann neutral sein und jenseits des Bildes oder der Skulptur stehen. Das glänzende Material und die Abstraktion geben genau diese Richtung vor. Wie sollen wir aber die Entscheidung verstehen, die Bilder aus der Tinte eines viel benutzten Schreibwerkzeugs herzustellen? Das Verfahren ist für die Betrachter ja auch immer nachvollziehbar. Ohne viel Phantasie können wir sofort entscheiden, wie die monochromen Flächen entstanden sind. Die Tinte des Kugelschreibers kriegt dann eine neue Bedeutung. Die Flächen und ihre Umrisse werden zur Schrift, die wiederum ganz klar einen Text schreibt, etwas Verankertes, etwas Performatives. In der Wahl des Materials steckt also

schon ein ganz entscheidender Verweis auf den Installationscharakter der Bilder. Obwohl die Bilder als monochrome Kompositionen leicht in das Greenberg’sche Paradigma einordenbar sind, ist es doch die Tinte, die wir mit Schrift verbinden und die dem ganzen Werk einen anderen Anstrich gibt. In den neueren Bildern wird die Wirkung der Tinte nochmals verstärkt, da hier Rahmen und Hintergründe im Bild nochmals sichtbar werden und so den Charakter einer Installation wiederum verstärken. Die Entscheidung, aus den leeren Kugelschreibern Arbeiten herzustellen, mag aus der Produktion der Bilder und ihren Resten gekommen sein. Aber der Anlass darf in diesem Fall nicht mit dem Konzept gleichgesetzt werden. Auch hier gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Verfahren, der Malerei und der Wandskulptur. Nicht nur, dass die beiden Techniken oft miteinander ausgestellt werden, sie sprechen auch oft dieselben Probleme an. In diesen Arbeiten adressiert Hinteregger oft die Farbdichte durch die unterschiedliche Nähe der Hüllen oder über die Frage, ob er die Hüllen auf Wänden oder Glas anbringt. Abgesehen davon, dass es sich hier ausschließlich um die Farbe blau handelt, ist die Behandlung von Farblichkeit also sehr ähnlich wie bei den Bildern. Der Unterschied liegt in der räumlichen Organisation. Bei den Arbeiten mit den Kugelschreiberhüllen gibt es keine bildnerische Option, das Werk kann nicht mehr oder weniger installativ sein, es ist installativ. Die in Quart abgebildeten Arbeiten tragen verschiedene Eigenschaften in sich. Durch die Verwendung von Fotografie und Zeichnung tragen sie etwas Collagenhaftes in sich. Von ihrer Größe her scheinen sie Zeichnungen zu sein. Durch den Gegensatz von bäuerlicher Landschaft und Szenerie in den Fotos und strenger geometrischer Zeichnung werden die Arbeiten zu einer Auseinandersetzung zwischen alter Darstellung und moderner Form. Die schwarz-weißen Fotos und die leicht eingefärbten Formen verstärken diesen Eindruck


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nochmals. Nur manchmal wird die Fotografie nicht als eindeutiges Bild gesehen, sondern durch Verdrehung in die Komposition eingearbeitet. Die Balken, Kreise, Kurven und Quadrate schließen sich nicht wirklich an die Fotos an und nehmen eher eine übermalende Funktion ein. Gleichzeitig ist dieses Übermalen aber nicht wirklich aggressiv, es will keine alten Formen übertrumpfen. Es scheint sich parallel auf dem Papier zu befinden, nur manchmal sehen wir so etwas wie einen kurzen Zusammenhang aufleuchten. Was wir aber eigentlich sehen, ist der Gegensatz zwischen einer weichen Zeichnung aus der Fotografie und einer starren Geometrie im Vordergrund. Wir sehen auch die für frühe Schwarzweißfotografie typische weichzeichnerische Technik, die mit einer klaren Linienführung im Vordergrund alterniert. Die Ebenen versuchen miteinander zu sprechen und wir sind unentschlossen, ob sie das wirklich können. Immer wieder kommt man auf den Konflikt zurück, den das Abfeiern einer Vergangenheit und die Moderne einer künstlerischen Sprache auslösen. Auch hier glaube ich, dass die installative Technik aus Hintereggers anderen Werken eine sehr große Rolle spielt. Heutzutage ist die Kunst in einem Stadium, das den Gedanken an das reine Kunstwerk, das jenseits seiner Umwelt existiert, als lächerlich erscheinen lässt. Die Verortung in verschiedenen institutionellen Räumen scheint eine ganz klare Geschichte zu sein, sodass man die Idee einer puren Kunst ohne Rahmen oft in die Nähe einer Verklärung rückt. Umgekehrt ist die Aufgabe des autonomen Kunstwerks auch eine Sache, die nicht völlig unproblematisch ist. Wenn etwas nur in einer Performance, durch eine Form der Theatralität erfassbar ist, kann die künstlerische Entscheidung dann wirklich eine so große Rolle spielen, dass das Bild völlig verändert und die Kunst wirklich neu beurteilt werden kann? Hier spielt die radikale Herangehensweise Hintereggers eine große Rolle. Er lässt das Bild nicht nur formal in den Raum wachsen, er baut seine Kunst so um, dass er die Frage seiner Definition von Kunst immer wieder in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung führt. Das Bild wird sozusagen auf dem Weg von der autonomen Größe hin zur Raumgröße begleitet. Die verschiedenen Arbeitsstrategien machen das nochmals deutlich – es geht hier um eine

Kunst, die diese Problematik immer in den Mittelpunkt stellt. In den zeichnerischen Arbeiten ist es keine Erweiterung oder Entgrenzung des Bildes, die zu einer Raumbezogenheit führen. Es sind die beiden im Bild enthaltenen Pole, die nur selten und auch sehr schwer zusammenführbar sind, die eine ganz ähnliche Wirkung haben. Die Diskussion wird ins Bild getragen und nimmt dort mit dem Betrachter Kontakt auf. Der Betrachter wird so zum Teil des Prozesses und versucht, sich zwischen der einen und der anderen Lesart zu entscheiden. Das Theater wird hier ganz direkt in die Psyche der Zuseher transportiert. Die Beteiligung ist also auf die inhaltliche Frage reduziert, auf das, was den Widerspruch im Bild ausmacht. Sonnende Schifahrer, Täler, tanzende Leute, Kirchenbesucher nach dem Gottesdienst oder ein Kruzifix stehen in einem Gegensatz zur klaren Form der geometrischen Figuren. Wichtig für Hintereggers Strategie ist es auch, dass er die Bildunterschriften aus dem Buch nicht ausblendet, sondern als solche im Gegenüber der Abstraktion stehen lässt. Diese Abstraktion ist aber auch nicht wirklich begrenzt und scheint immer wieder aus dem Bildrand weiter nach außen zu gehen. Hier variiert der Künstler nochmals das Erweiterungsmotiv der installativen Malerei: Während das Foto ganz klar in seinem ursprünglichen Sinne begrenzt ist, ist dies bei der Zeichnung nicht so klar. Man kann sich natürlich fragen, welche Rolle diese Konzentration auf künstlerische Fragen, die ja schon bei Stella eine wichtige Rolle gespielt hat, bei den neueren Arbeiten von Herbert Hinteregger spielt. Die vergangenen Jahrzehnte wurden immer wieder von der Frage bestimmt, was die Bedingungen für die Existenz eines Kunstwerks seien, die Bereiche zwischen Autonomie und Performanz wurden immer wieder neu vermessen. Dennoch ist die Position Hintereggers eine sehr wichtige. Er entscheidet sich nicht eindeutig für die eine oder andere Seite, er spielt immer mit beiden Positionen. Es geht bei ihm also gar nicht mehr um eine Grundsatzfrage, an der sich die weitere Karriere entscheidet. Seine gesamte Kunst lässt ein lockeres und entspanntes Verhältnis zur Frage vermuten, mit der er die Wichtigkeit des Ganzen auch in eine historische Ecke stellt.


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„Music is my only means of self-expression.“ Von der „Primadonna assoluta der Violine“ zur Tutti-Geigerin im Innsbrucker Städtischen Orchester: Die außergewöhnliche Karriere der Guila Bustabo. Von Franz Gratl

Sie wurde in einem Atemzug mit Heifetz und Menuhin genannt. Toscanini und Fritz Kreisler gehörten zu ihren Mentoren. Sie arbeitete mit den führenden Dirigenten ihrer Zeit zusammen, zum Beispiel mit Furtwängler und Mengelberg. Sie rührte Jean Sibelius zu Tränen, als sie dessen Violinkonzert in Anwesenheit des Komponisten spielte. Der Finne zollte ihr für ihre Interpretation höchsten Respekt: Niemand sei seinen Intentionen näher gekommen als sie. Die Künstlerin, von der hier die Rede ist, ist die amerikanische Geigerin Guila Bustabo1. Dass heute selbst in Fachkreisen kaum mehr jemand diesen Namen kennt, hat mit einem markanten Bruch in ihrer internationalen Karriere zu tun. Dass sich auch in Innsbruck nur mehr wenige an sie erinnern, ist Teil ihrer persönlichen Tragik, denn Guila Bustabo verbrachte in der Tiroler Landeshauptstadt mehrere Jahre: Sie unterrichtete am Konservatorium und spielte im Städtischen Symphonieorchester. Dieser Beitrag ist der Lebensgeschichte dieser außergewöhnlichen Musikerin gewidmet: Einer Geschichte, die exemplarisch zeigt, wie sehr Weltpolitik eine Künstlerinnenkarriere prägen kann – und wie fatal politische Naivität ist. Alles beginnt eigentlich wie ein amerikanischer Traum: Das Mädchen vom Lande erweist sich als musikalisches Wunderkind, erregt Aufsehen und wird in die Welt geschickt, um sie mit ihrer Kunst zu erobern. So märchenhaft und einfach liest sich – oberflächlich betrachtet – der Beginn des musikalischen Werdeganges der Bustabo. Aber das reale Leben ist eben kein Märchen. Guila Bustabos Mutter Blanche (1895–1986) ist sehr dominant und ehrgeizig. Sie ist die graue Eminenz hinter der Geigerin – und bleibt es, bis die Tochter siebzig Jahre alt ist. Sie begleitet ihre Tochter auf ihre Tourneen, bleibt an ihrer Seite; selbst als Guila Bustabo selbst schon keine junge Frau mehr ist, sieht man sie nie ohne Blanche. Das musikalische Talent verdankt 1 Dieser Beitrag fußt auf Recherchen zu Guila Bustabo in Zusammenhang mit der Ausstellung „Stereo-Typen. Gegen eine musikalische Monokultur“, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, 27. April – 28. Oktober 2018. Siehe Franz Gratl, „‚Ich habe in meinem Leben nie Takte gezählt, ich habe immer nur Musik

Guila freilich beiden Eltern: Ihr Vater Alexander James Bustabo (1888–1950), der italienische Wurzeln hat und in Luzern geboren wird, ist ein exzellenter Geiger, die Mutter Blanche beherrscht ebenfalls das Violinspiel. Im Alter erzählt Guila Bustabo eine Geschichte, die gewissermaßen ihren geigerischen Initiationsritus beschreibt: Ihr Vater bastelt ihr eine Spielzeuggeige aus einer Zigarrenschachtel. Sie wirft sie wutentbrannt zu Boden und verlangt so lange und intensiv nach einem echten Instrument, bis ihre Eltern nachgeben und der Zweijährigen eine Geige kaufen. Bald zeigt sich ihr herausragendes Talent. Die Bustabos übersiedeln von ihrer Heimatstadt Manitowoc (Wisconsin) ins nahe Chicago, damit Guila dort am Musical College studieren kann. Unter der Obhut des Ysaÿe-Schülers Leon Sametini (Rotterdam 1886 – Chicago 1944) reift sie zur Virtuosin heran. Mit Neun debütiert sie mit dem Chicago Symphony Orchestra. Sie kommt an die Juilliard School in New York, wo sich Louis Persinger (Rochester / Illinois 1887 – New York 1966), ein weiterer Schüler des belgischen Geigenstars Eugène Ysaÿe, ihrer annimmt. Persinger ist einer der renommiertesten Violinpädagogen; zu seinen Schülern zählen neben Guila Bustabo unter anderem Isaac Stern und Yehudi Menuhin. Ob Guila Bustabos geigerische Eigenart, ihr intensiver, von einem schnellen, niemals überbordenden Vibrato geprägter Ton unter Persingers Ägide gereift ist? Jedenfalls sind die Charakteristika ihres Spiels in allen, auch den frühesten bekannten Aufnahmen voll ausgeprägt. Mit ihrer Virtuosität, ihrem unverwechselbaren Ton und ihrer interpretatorischen Reife erregt Guila Bustabo bald Aufsehen in den höchsten musikalischen Kreisen New Yorks. Der Dirigent, Pianist und Komponist Ernest Schelling, der die „Young Peopole’s Concerts“ des New York Philharmonic Orchestra leitet, ermöglicht 1929 Guila Bustabos Carnegie-Hall-Debüt. In der Folge setzt er sich mit einem illustren, klingende Namen wie Arturo Toscanini, Fritz Kreisler und Ignagemacht‘: Auf den Spuren der Stargeigerin Guila Bustabo“, in: Stereo-Typen. Gegen eine musikalische Mono-Kultur, Katalog zur Ausstellung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, 27. April – 28. Oktober 2018, Innsbruck 2018, S. 120–131.


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cy Jan Paderewski umfassenden Kreis von Förderern dafür ein, dass der aufsehenerregenden jungen Geigerin eine Europatournee ermöglicht wird. 1934 ist es so weit: Guila Bustabo erobert die Konzertpodien Europas. In London begeistert die junge Musikerin mit ihrem Spiel die Mäzenin Lady Ravensdale (Mary Irene Curzon, 2. Baroness Ravensdale, 1896–1966), eine schillernde Zentralfigur des Kulturlebens der britischen Metropole (und eine Schwägerin des englischen Faschistenführers und Hitler-Sympathisanten Oswald Mosley). Die Gönnerin macht Guila Bustabo ein besonders kostbares Instrument zum Geschenk, eine Geige von Guarneri del Gesù, die nach einem Vorbesitzer den Beinamen „Muntz“ trägt (H. M. Muntz war ein bekannter Instrumentensammler des 19. Jahrhunderts mit Wohnsitz Birmingham). Die Guarneri von 1736 begleitet die Bustabo durch ihre gesamte musikalische Karriere. Das Instrument steht immer unter der besonderen Obhut von Blanche Bustabo, die ihrer Tochter die Geige nachträgt und sie mit Argusaugen bewacht. Heute (seit 1995) befindet sich die kostbare Violine in der Meistergeigen-Sammlung der Nippon Music Foundation in Tokyo, Japan2. 1938 tourt Guila Bustabo durch die Vereinigten Staaten und Australien. Beim Australien-Debüt der Bustabo am 25. August 1938 ist auch der 21-jährige Kunststudent Gough Withlam (Melbourne 1916 – Sydney 2014) anwesend, der später australischer Premierminister werden sollte und als einer der umstrittensten und schillerndsten Politiker seines Landes gilt3. Withlam ist nicht nur von Guila Bustabos Geigenspiel angetan, sondern noch mehr von ihrer mädchenhaften Erscheinung: Er besucht auch die folgenden Konzerte in Sydney und sucht den Kontakt mit der Amerikanerin – immer unter den strengen Augen der Mutter Blanche. Hätte deren dominantes Auftreten nicht den näheren Kontakt verhindert, so wären Guila Bustabo und Gough Withlam vielleicht ein Paar geworden. So aber wird aus der Romanze nichts und der Kontakt bricht ab, als die Stargeigerin Australien wieder in Richtung Amerika verlässt. Diese Episode aus dem Leben der Bustabo ist durch Withlam überliefert; Ähnliches hat sich auf den Tourneen der Bustabo vielleicht öfters abgespielt, aber nie konnte sich Guila aus der

Umklammerung ihrer Mutter befreien. Später wird sie einen amerikanischen Militärmusiker heiraten, aber die Ehe wird geschieden. 1938 gehen Mutter und Tochter auf Anraten ihres Tourmanagers Marks Levine und des Mentors Ernest Schelling wieder auf Europatournee – eine fatale Entscheidung, wie sich zeigen soll. Sie erobern gerade die Konzertsäle Nazideutschlands, als der Zweite Weltkrieg ausbricht. Noch ist Guila Bustabo der Jubel des Publikums sicher; noch glauben Mutter und Tochter an eine nahtlose Fortsetzung des fulminanten Siegeszuges der jungen Virtuosin. Sie werden von renommierten Förderern bestärkt: Einer von ihnen ist der Komponist Hans Pfitzner, ein fanatischer Antisemit und Parteigänger der Nationalsozialisten. Er öffnet den Amerikanerinnen in Deutschland Tür und Tor – und sorgt wohl auch für gute Kontakte mit führenden Repräsentanten von Partei und Staat4. Pfitzner bearbeitet für die Bustabo einige seiner Lieder, lässt sie in Fassungen für Violine und Klavier in Druck erscheinen; Guila bewundert den schon hochbetagten Komponisten, der von den Nazis hofiert wird und sich gerne hofieren lässt. 1939 nimmt Guila Bustabo Kontakt mit einem weiteren arrivierten Komponisten auf: Sie schreibt an Ermanno Wolf-Ferrari in München, weil sie dessen Oper „La Dama Boba“ gehört hat und tief beeindruckt ist, insbesondere von einer bestimmten Melodie, von der sie eine Violintranskription erbittet. Es kommt zum persönlichen Kontakt zwischen dem 63-jährigen Komponisten, der übrigens kein Nazi-Sympathisant ist und trotzdem in Deutschland bleibt, und der 23-jährigen Geigerin. Wolf-Ferrari wird zum väterlichen Freund und Förderer; vielleicht entspinnt sich sogar – trotz des eklatanten Altersunterschiedes – eine Liebesbeziehung. Jedenfalls lädt der deutsch-italienische Komponist Blanche und Guila Bustabo ein, bei ihm in München zu wohnen; die amerikanischen Gönner unterstützen die Tournee längst nicht mehr und die Bustabos sind inzwischen ganz auf sich gestellt; umso bereitwilliger nehmen sie das Angebot des neuen Förderers und Bewunderers an, zumal Ermanno Wolf-Ferrari vor allem durch seine viel gespielten Bühnenwerke einer der renommiertesten Komponisten Deutschlands ist. Guila nimmt bei Wolf-Ferrari Unterricht und beide beschlie-

2 www.nmf.or.jp/instruments/eng.html (Zugriff 16.5.2018). 3 Jenny Hocking, Gough Withlam, the Biograpy. A Moment in History, vol. 1, Carlton (Victoria) 2008, S. 68–69. 4 „Für Deutschland entdeckte sie gleichsam Hans Pfitzner, der

als ihr Partner mehrere Soloabende in deutschen Großstädten durchführte“; Zitat aus: Ehrentraut Straffner, Ankündigung des Konzertes von Guila Bustabo am 2. Dezember 1942, Innsbrucker Nachrichten, 26.11.1942, S. 4.


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ßen, in engster Zusammenarbeit ein Violinkonzert zu schreiben – mit dem Anspruch, dass es das „schönste Konzert der Violinliteratur“ werden soll. Das Ergebnis, das Konzert für Violine und Orchester in D-Dur op. 26, ist 1943 fertig. Guila Bustabo tourt in diesen Jahren durch die Städte des Deutschen Reiches und der besetzten Gebiete; 1942 ist sie in einem von der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ veranstalteten, umjubelten Konzert erstmals in Innsbruck zu Gast5. Sie lässt sich schließlich im November 1943 in Paris nieder. Noch 1944, als der „totale Krieg“ schon mit grauenhafter Konsequenz voranschreitet, ist die Geigerin noch immer auf Konzertreise, um das Wolf-FerrariKonzert in Paris, Wien, Berlin und anderen Städten des taumelnden „Dritten Reiches“ mit großem Erfolg zu präsentieren. Erst im Sommer 1944 kommt das deutsche Kulturleben kriegsbedingt völlig zum Erliegen, die Theater und Konzertsäle werden geschlossen. Ihre „politische Zuverlässigkeit“ ermöglicht Guila Bustabo bis zuletzt eine intensive Konzerttätigkeit – und führt dazu, dass sie in Deutschland gleichsam gefangen ist, wie sie später schreibt. Sie wird vom US-Konsulat mehrfach aufgefordert, in die USA zurückzukehren, ignoriert diese Aufforderungen aber grundsätzlich. Später wird sie sich damit rechtfertigen, dass eine Überfahrt über den Atlantik kriegsbedingt zu gefährlich gewesen wäre. Zudem habe sie ja „ihr“ Violinkonzert in Deutschland und den unter deutscher Okkupation stehenden Ländern präsentieren müssen, denn „How could I let another violinist play the premieres of MY concerto?“ Bei der Befreiung von Paris 1944 sind die Bustabos gerade in der französischen Hauptstadt, ihrem Wohnsitz. Im August 1945 stellt ein führender Kommandant der amerikanischen Streitkräfte, Colonel Henry C. Ahalt, Guila Bustabo eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus und sie spielt fortan zur Unterhaltung der Besatzungssoldaten. Dann aber gerät sie ins Visier der Information Control Division (ICD), einer Organisation zur Redemokratisierung der amerikanischen Besatzungszone in Deutschland mit Mitteln der Propa-

ganda und Zensur6. Nach einem Verhör wird sie auf die Schwarze Liste der ICD gesetzt, erhält also striktes Aufführungsverbot für Deutschland. Es wird ihr vorgeworfen, dass sie der mehrfachen Aufforderung, Nazideutschland zu verlassen, nicht nachgekommen sei; weiters werden ihr enge Kontakte zu Nazi-Größen und zu Wehrmachts-Funktionären attestiert. Schließlich habe sie sogar noch nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor (7.12.1941) mit den Berliner Philharmonikern konzertiert7 und sei mit Sondererlaubnis des Reichspropagandaministeriums aufgetreten. Dass die Gestapo ihr politische Zuverlässigkeit attestiert habe, wird ebenso negativ vermerkt. In einem Artikel in der New York Times wird der Fall Bustabo öffentlich gemacht. Nun ist die Karriere der jungen Geigerin an einem tragischen Wendepunkt angelangt. An eine Fortsetzung ist nicht zu denken, solange ihr Name auf der Schwarzen Liste der ICD aufscheint. Guila Bustabo will sich damit nicht abfinden. Sie schreibt an die ICD eine seitenlange Rechtfertigung, ein hochinteressantes Dokument, in dem sich die Geigerin ausführlich verteidigt8. Bezeichnend für ihre Verteidigungsstrategie sind folgende Passagen aus diesem Schreiben: Music is my only means of self-expression. I followed this ‘one silver thread’ and now at the end of it I find that Chaos has broken loose around me, condemnin[g] that, which in another century and under other circumstances, would be hailed with laurels. I have never had anything to do with politics in my life. My United States citizenship was always openly advertised and acknowledged at every concert. I have never signed membership with any musical organization. When it was suggested to Finneman that I become a member of the Reichsmusickkammer [!], we refused, which refusal endangered our presence in Germany. […] Sir, in view of all these extenuating circumstances, I beg your consent to clear me, to take my name off the Black List. Otherwise my career, my dearly bought hard-earned career is ruined forever. My mother sacrificed her whole life for it. I worked every moment of my childhood and girlhood for it.

5 Vgl. Karl Senn: [Besprechung des Konzertes von Guila Bustabo in Innsbruck am 2. Dezember 1942], in: Innsbrucker Nachrichten, 5.12.1942, S. 5. 6 Vgl. Erwin Wartenkin, The History of U. S. Information Control in Post-War Germany: The Past Imperfect, Cambridge 2016, S. 177–180. 7 Am 11. / 12. / 13. Jänner 1942 spielt sie unter Wilhelm Furt-

wängler das Bruch-Konzert und am 9. April 1943 unter Eugen Jochum das Sibelius-Konzert. Franziska Gulde-Druet von der Stiftung Berliner Philharmoniker an Karlheinz Siessl, Innsbruck. 8 Brief von Guila Bustabo an George S. Patton, den kommandierenden General der dritten US-Armee, aus Paris, 12. April 1946, zitiert nach einer Abschrift im Archiv des New York Philharmonic Orchestra.


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Ihre Rechtfertigung bringt nicht den erhofften Erfolg; ihr Name bleibt auf der Schwarzen Liste. In der Folge sieht sich Guila Bustabo gewungen, in ihre Heimat zurückzukehren, wo sie zunächst freundlich empfangen wird und wieder öffentlich auftritt, zunächst aber nur in ihrer Heimatstadt Manitowoc und in der Umgebung. Am 10. Jänner 1948 folgte sie einer Einladung zu einem Auftritt bei den Young People’s Concerts der New Yorker Philharmoniker. Dieses Konzert wird zum Skandal: Das American Veterans Committee interveniert beim Veranstalter und verweist auf die Schwarze Liste des ICD, auf der immer noch der Name Guila Bustabo zu finden ist. Auch der Artikel in der New York Times vom November 1945 wird zitiert. Wieder wird der Fall Guila Bustabo in der Öffentlichkeit diskutiert – und wieder ist an eine Fortsetzung der geigerischen Weltkarriere nicht zu denken. Guila Bustabo bleibt offenbar zunächst in Amerika. Sie heiratet 1949 den Militärmusiker Edison C. Stieg (1916–2001), der aber schon in den 1960er Jahren nicht mehr an ihrer Seite ist; 1976 wird die Ehe geschieden. In den 1950er Jahren nimmt sie ihre internationale Konzerttätigkeit wieder auf, aber sie kann nie mehr wirklich an die Erfolge vor 1944 anschließen.

ihren Schülern viel zu schwere Stücke in die Hand und kann nicht verstehen, dass man sie nicht auf Anhieb spielen kann. Ihre Unterrichtsmethode beruht auf dem Prinzip, dass sie vorspielt und der Schüler das nachzumachen hat – ohne dass er Hinweise dazu erhält, wie er das technisch oder interpretatorisch bewältigen kann. Obwohl sie ihren Geigenlehrerkollegen (Roland Wisata, Franz Bruckbauer und André Gredler) künstlerisch weit überlegen ist, muss sie zur Fortsetzung ihrer Unterrichtstätigkeit eine Prüfung bei ihrem Kollegen Roland Wisata, dem zweiten Konzertmeister des Innsbrucker Städtischen Orchesters, ablegen. Sie weigert sich, gewisse theoretische Fächer zu absolvieren, und erhält nur ein „Gut“. Als sie 1976 in Innsbruck „ihr“ Wolf-Ferrari-Konzert spielt, nimmt der Rezensent darauf Bezug: Man vergaß auf die Spekulationen, ob die Bustabo noch auf ihrer kostbaren Violine spielt oder mit einer anderen vorliebnehmen muß, sie würde auch auf einem Zigarrenkistel mit vier Saiten bespannt, wie es ein Musikerkollege sehr treffend ausdrückte, wie ein Engerl spielen. Dabei erhielt sie bei der Reifeprüfung für Geige in unserem Konservatorium nur ein „Gut“. Glückliches Innsbruck, wie müssen erst jene Virtuosen spielen, die mit einem „Sehr Gut“ abschlossen! 10

In Innsbruck tritt sie – erstmals nach dem bereits erwähnten Debütkonzert von 1942 – im Jahr 1961 gleich zweimal auf (mit den Konzerten von Beethoven und Sibelius). 1964 spielt sie hier das erste Schostakowitsch-Violinkonzert. Das Innsbrucker Publikum feiert die Geigerin; angeblich ist es die „Sympathie, die ihr entgegenschlug“, die Guila Bustabo dazu bewegt, sich 1964 in Innsbruck niederzulassen – mit Blanche selbstverständlich an ihrer Seite. Vielleicht ist es aber auch die kulturelle Atmosphäre in der Tiroler Landeshauptstadt, die für eine öffentlich als NS-Sympathisantin gebrandmarkte Künstlerin günstig ist? In den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts sind noch viele Ex-Nazis an führenden Stellen zu finden. Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, übernimmt Guila Bustabo am Konservatorium der Stadt Innsbruck eine Violinklasse. Als Lehrerin ist sie nach übereinstimmenden Berichten ihrer Schüler denkbar ungeeignet9. Sie verfügt über keinerlei methodisches Instrumentarium, gibt

Guila Bustabo spielt auch im Innsbrucker Symphonieorchester, als Stimmführerin der Zweiten Geigen. Dabei ist sie es seit Jahrzehnten gewohnt, als Solistin zu brillieren. Als Tutti-Geigerin ist sie ebenso ungeeignet und überfordert wie als Lehrerin. Sie ist nicht darauf trainiert, Takte zu zählen, will sich nicht unterordnen und sorgt regelmäßig bei den Proben für komische, für sie aber höchst demütigende Situationen. 1970 beendet sie ihre Unterrichtstätigkeit aus Krankheitsgründen: Eine bipolare Störung, die schon 1946 erstmals aktenkundig ist, zwingt sie dazu. Sie tritt zwar noch 1970, 1974 und 1976 als Solistin in Innsbruck auf und wird gefeiert, aber 1976 geht sie endgültig nach Amerika zurück, lässt sich in Birmingham / Alabama nieder und lebt dort zurückgezogen. Sie spielt dort im Alabama Symphony Orchestra. 1986 stirbt ihre „Über-Mutter“ Blanche. Guila Bustabo selbst stirbt 2001 verarmt und vereinsamt in Birmingham.

9 Diese Angaben beruhen auf Interviews mit den BustaboSchülern Mag. Siegfried Singer und D. Magnus Roth sowie Dr. Heinz Kofler, der in dieser Zeit am Städtischen Konservatori-

um Geigenunterricht erhielt. 10 N. C., Rezension in der Tiroler Tageszeitung, Nr. 287, 11.12.1976, S. 25.


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Licht und Limonade (Bilder vom Meer und vom Verschwinden) Betrachtung von Thomas Stangl

Es gibt Meere aus Licht. Auf manchen Seestücken ist sozusagen nichts zu sehen: Außer einer Art von Beunruhigung, einer leichten Bewegung auf der Leinwand; die Farbe oder das Licht geraten in eine Schwingung, ins Schwanken. Ein Streifen Licht (zwischen Himmel und Wasser) beginnt zu glühen. Die Stille der Leinwand, der Stillstand ist ungewiss geworden. Es ist, als ob man etwas sehen sollte – etwas über das Bild hinaus – das aber weder gezeigt noch benannt wird. Der chinesische Maler Qiu Shihua (dessen Ausstellung in Museum Hamburger Bahnhof in Berlin vor ein paar Jahren ich zufällig sah) malt auf den ersten Blick nichts als Weiß auf weißer Leinwand. Schaut man etwas genauer hin, sind ein paar Schatten auf der Leinwand wahrzunehmen, fast zufällig, fast wie Schmutz wirkend. Ohne dass man genau sagen könnte, weshalb, findet der Blick nach einer gewissen Zeit immer besser ins Bild, ins Weiß hinein, man erkennt die Konturen einer Landschaft, Baumreihen, Felsen, Klippen, vielleicht Figuren, aber so zart, dass sie gleich wieder verschwinden können, nicht reproduzierbar sind. Immer wieder Gewässer, aber kaum unterschieden vom festen Land; es gibt nicht Festes, keine Mitte, kein Oben und Unten, keinen Vordergrund und Hintergrund, keine Achsen, keinen Halt für den Blick, außer dem Weiß selbst, den Schatten, dem Schmutz (aber dieses Wort verwende nur ich), der zarten, lebendigen Unruhe. Zum ersten Mal das Meer sehen: Ich war fünf, und der Ort hieß Lignano Sabbiadoro. Ich erinnere mich an die Autofahrt dorthin, nachts und frühmorgens, an das Gewecktwerden um drei Uhr früh, die Schläfrigkeit, das Hingekuscheltsein auf den Rücksitz des VWKäfers, den Grenzübergang, die weiten Kiesbetten der fast ausgetrockneten Flüsse im friulischen Kanaltal. Ich erinnere mich an den Sand und das Vergrabenwerden im Sand, bis zum Hals, ich erinnere mich, dass meine Mutter einmal in der österreichischen Zeitung, die es (immer mit einem Tag Verspätung) in diesem Badeort zu kaufen gab, vom Tod Louis Armstrongs las; ein paar Tage davor oder danach starb auch, siebenundzwan-

zigjährig, ein Cousin von mir: das hat sicherlich erst gleich nach der Rückkehr meine weinende Tante am Telefon erzählt, zugleich scheint diese Todesnachricht im Nachhinein in der Todesnachricht aus der einen Tag alten, im Liegestuhl am Strand gelesenen Zeitung enthalten. Es sind die ersten Todesnachrichten, an die ich mich erinnere. Ich kann nicht an Louis Armstrong denken, ohne an meinen Cousin zu denken, und kann nicht an meinen Cousin denken, ohne an Louis Armstrong zu denken. Es gibt Fotos, auf denen das fünfjährige Kind, das ich war, mit dem Strahlen eines fünfjährigen Kindes, Schwimmflügel an den Armen, auf dem Rücken im Meer treibt. Schwarzweißfotos, mit einer schon damals alten Kamera aufgenommen, das vage Leuchten von Grautönen, der Himmel, meine Haut, mein Lächeln. Dort, wo dieses Kind ist, muss auch das Meer sein, ich erinnere mich nicht. Ich erinnere mich allerdings genau an den Unwillen zu duschen, so als hätte ich das Wasser – eine kalte Gewalt – gehasst. Mit achtzehn oder neunzehn brachte ich von irgendeiner Reise – nicht ans Meer – eine Platte mit einer Aufnahme von Debussys La Mer mit. Ungefähr zehn Jahre lang habe ich ab und zu diese Platte aufgelegt, aber ich habe nie etwas gehört, sie hat nie irgendeinen Eindruck hinterlassen. Ich glaube deshalb, weil ich von Anfang an etwas anderes erwartet hatte: eine andere Gewalt oder Gegenwart. Und zwar eine ganz stille Gewalt, ein Fastnichts, wie auf den Bildern Qin Shihuas, eine Musik ohne Dramatik, ohne Dramaturgie, ohne Bewegung; eine Musik, die kaum Musik ist, aber von einer besonderen Notwendigkeit, und deshalb präsent und mehr als präsent und imstande, mich als Ganzes zu ersetzen. Wenn ich Fuß vor Fuß setze, den ersten Kälteschauer überwinde, dann mit dem Bauch, mit der Brust im Wasser bin, sanfte Wellen, stärkere Wellen, dann untertauche, nicht mehr da bin, sondern dort, in diesem Dort, das sich – mehr als präsent – über den Horizont


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hinaus ausdehnt, wenn ich keine Kleider mehr am Körper habe und auch kein Gesicht (dafür gibt es keine Bilder), kann ich dann alles vergessen? Sag nicht, dass du das willst. Ich versuchte immer wieder, das Meer zu fotografieren. Meere aus Metall unter einem gelben Himmel, weiche endlose einladende Meere, Gischt an den Felsen, Wasserzungen, die sich in den Sand vorschieben. Eine Frau, ein Kind am Wasser, Molen, Boote; Häuser, deren Fundamente in die Klippen verankert sind, ins Meer hinein- oder aus ihm herauswachsende Städte. Je weniger auf dem Foto vom Meer zu sehen ist, desto mehr zeigt es sich, zeigt es etwas von sich. Das Meer allein ist kaum sichtbar. Was erwartete ich mir denn vom Fotografieren: dass das Foto selbst zur Landschaft wird? Und dass nicht mehr klar ist: Jetzt, ist das der Moment, in dem ich das Foto anschaue oder irgendjemand das Foto anschaut, oder ist das der Moment, in dem das Meer da war und etwas um das Meer oder im Meer; oder ist Jetzt noch etwas ganz anderes, etwas Drittes, dazwischen? Und nur darin würde die Notwendigkeit sich zeigen, eine äußerste Notwendigkeit? Doch was heißt das? Dieses Äußerste ist im Zuviel, im Dramatischen kaum zu finden. Einmal schrieb ich eine Geschichte, oder nicht eigentlich eine Geschichte, sondern einen Text, einen misslungenen Text, in dem ein alter Beamter mit tabaksgelben Fingern von einem Tod im Meer phantasierte. Ich sehe diesen Mann an einem Tisch sitzen, unter feindlichen Menschen, immer in Anzug und Krawatte – ein gewollt unauffälliger, eine Spur zu großer Anzug –, schweigend, die Zigarette zwischen den Fingern, sein faltiges Hundegesicht, den trostlosen Blick, den er nicht mehr aus seinen Augen bekommt, seit er wie ausgeschabt aus dem Krieg gekommen ist, er raucht, schweigt und träumt sich auf die andere Seite des Spiegels, hinein in einen Tod, der noch etwas anderes wäre als Tod. Dort, am Meeresgrund, außerhalb der Zeit, wird er nackt, die Arme und Beine gespreizt, festgebunden. Die Fische mit ihren sanften Mäulern stupsen ihn an und knabbern vorsichtig an ihm. Es ist hell, die silb-

rigen Schuppenhäute schillern in allen Farben. Einer der kleinen Fische schwimmt zwischen seine Beine, es ist eine zarte Liebkosung, als er die Hoden, augapfelglatte Kugeln, in seinen Mund nimmt. Dann eine Verzögerung, ein Aufbäumen, sein ganzer Körper streckt sich (wer erzählt hier?), bevor der kleine Fisch endlich zubeißt. Von den Fischen zerteilt werden: Nach und nach färbt sich das Wasser rot, es ist ein Schweben zwischen Schleiern von Blut, nur winzige Fetzen Gewebe noch an den Knochen usw. Das ist die Geschichte des Auges in einer einsamen und trostlosen Variante. Der Mann wäre am Ende fast nur noch ein Farbton im Wasser, könnte fortgerissen werden von Meeresströmungen, in unverbundenen, gestaltlosen Fasern und Fetzchen, schwerelose Lust ist noch übrig, eine Trauer ohne Druck. Räume, Fluchten von Räumen würden sich öffnen. An dieser Stelle erfolgt im Text der Umschlag in die Panik und den Ekel. Die kratzendnassen Kleider, die im Meer treiben, das Knistern seines weißen Hemdes, die Kiefer der Hummer und Krebse, die Knorpel und Knochen des Toten. Sein Gesicht, an das man sich immer noch erinnert. Die Räume öffnen sich nicht; es gibt keine Umarmung, keine Rückkehr in den Schoß der Welt. Dramatik, das heißt nur Töten und Zerstörung, Fortsetzung des Krieges. Das Motto, das über dem Text vom Beamten und dem Meer stand, stammte von Lautréamont: „Den Fischen … ihnen ist es gestattet: den Menschen nicht.“ Was den Menschen nicht gestattet sein soll, schien mir damals so evident, dass ich gar nicht darüber nachdenken wollte; vielleicht war es die Gleichgültigkeit, das Schweigen, die Spurlosigkeit ihres Verschwindens. Es wäre den Fischen gestattet, zu leben und dabei niemand zu sein: keinem anderen eine besondere Bedeutung zu geben, für keinen anderen eine besondere Bedeutung zu haben. Sich im Meer zu verlieren. Der utopische Sozialist Charles Fourier (der im Unterschied zu den anderen utopischen Sozialisten die Freiheit liebte, bis hin zu den seltsamsten und ausgefallensten Perversionen, und dessen Grab auf dem Cimetière de Montmartre einem Käfig ähnelt) war überzeugt, die Menschen würden im Verlauf eines weitgespannten kosmischen Zyklus ei-


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nes Tages ins Meer zurückkehren, die Fische hingegen ans Land kommen. Er war überzeugt, die Sonne wäre kein Feuerball, sondern ein Meer aus Licht. Er war überzeugt, für Menschen mit einer Leidenschaft für Limonade müsse es auch Meere aus Limonade geben und für jede Verzweiflung und jedes Unrecht eine Wiedergutmachung. In seinen letzten Lebensjahren ging Fourier, der sich mit allen seinen Freunden und Anhängern zerstritten hatte, kaum noch aus dem Haus, er lebte allein in seiner Wohnung voller Pflanzen und Manuskripte, sah stundenlang aus dem Fenster, starb allein, seine Leiche wurde erst nach Tagen gefunden. Ein Zimmer voller Pflanzen, in dem ein toter Mann liegt, und Meere von Licht, Meere von Limonade. Ein Mann mit grauem Gesicht, in einem kragenlosen Hemd, einem Anzug aus grobem Stoff, wie wir ihn aus Filmen kennen, die im neunzehnten Jahrhundert spielen, in Strümpfen. Seine Pantoffeln neben ihm. Die Pfeife ist ihm aus der Hand gefallen. Auf dem Schreibtisch stapelt sich das Papier. Tintenfässer, Federn, Staub, graues Herbstlicht, das durch die Fenster sickert. Ich versuchte immer wieder, das Meer zu fotografieren, doch dann erschien das Meer im Foto mitten in der Großstadt: In einer beinah vollständig von Bankpalästen umzingelten Kathedrale war schräg vor dem Altar eine große weiße, mit dicken Pinselstrichen bemalte Leinwand aufgestellt; ein paar schwarze Striche im unteren Drittel. Auf dem Foto, das ich machte (mit der automatischen Kameraeinstellung Aquarium, die ich für Innenaufnahmen verwendete), war dank des Sonnenlichts, das durch die bunten Kirchenfenster drang, und von mir als mittelmäßigem Fotografen unkontrollierbarer Spiegelungen und Reflexe das Schwarz zu einer Schicht von Algen zwischen Strand und Wasser geworden; das Weiß flüssig und gleich auch schon zu Licht, Meer und Himmel gingen darin ineinander über. Ich stelle mir Möbiusbänder vor, sich umstülpende Räume, Außenräume verwandeln sich in Innenräume und umgekehrt; die Grenze lässt das Endlose erscheinen. Im Bild verwandelt sich der Raum; stülpt sich nach außen, weitet sich, wird erst zur Landschaft. Ein Raum,

der in einen Raum geschoben ist und sich öffnet wie ein Fächer, das ist Weite. Ich träumte von einem Überschwappen des Meeres, Welle für Welle, über die Badenden am Strand hinweg, die wie betrunken torkeln, staunend und benommen, aber ohne Furcht, so wie auch ich, am Eingang der Kirche stehend, mich nicht fürchte und kaum nass werde, obwohl manche Wellen über meinen Kopf hinwegschwappen, ins Innere des Kirchenraumes hinein. Der Boden unter meinen Füßen besteht aus großen glattgeschliffenen Granitplatten. Das Kircheninnere gleicht einem Labyrinth: Die Seitenschiffe und die in verschiedene Kammern und Ebenen gestaffelte Krypta gehen ineinander über und verschränken sich ineinander. Ich bleibe an der Tür stehen, schaue auf den Strand, die Körper der Menschen, die Wellen. Wenn ich vom Ende einer Mole aus, von der Sonne geblendet, zurückschaue auf die bewohnte Welt, verschwindet sie auf ähnliche Art im Schwarz. Ich bin weit draußen, bin allein und frei, in Sicherheit, schaue ins klare, grüne, leuchtende, sanft bewegte Wasser. Jetzt sich fallen lassen, auf die eine oder auf die andere Seite (dort wo die Gischt gegen die steinerne Befestigung schwappt, sodass sich auf der Mole kleine Lachen, kleine Seen bilden). Im zentralen Trakt des Berliner Museums Hamburger Bahnhof beschriftete Cy Twombly (so schien mir) von fern die Gemälde von Qiu Shihua. Eigentlich antwortete er mit seinen Bildern auf Bilder der Schule von Fontainebleau (und dieser Zusammenhang machte sie beide mir zum ersten Mal sichtbar), er reduzierte sie aufs Wesentliche und ließ dadurch zugleich noch etwas anderes erscheinen, wie von selbst aus der Leinwand hervorkommen. Ganz wenig, wie mit linker Hand gemalt, ohne Behauptung (mehr als gegenwärtig, mehr als gewaltig). Das Meer ist eine Leinwand und die Leinwand ein Meer. Die Farbe Weiß, die Farbe Blau, die Farbe Grün. Bleistiftgekritzel, Sternchen, Buchstaben auf dem Meer, Umrisse, die nackten Umrisse. Worum geht es, darum: „In einem einzigen Zustand das Erscheinende und das Verschwindende zu verknüpfen.“ „Die Farbe ist wie ein Augenlid, das sich schließt.“ (Roland Barthes über Twombly).


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Auf der anderen Seite der Grenze sein. Das erste Kältegefühl überwinden, dann auf dem Rücken liegen, Arme und Beine gespreizt: ein hingekritzeltes Sternchen. Sich treiben lassen, fünf Jahre alt, mit Schwimmflügeln, Salzgeschmack im Mund, zwanzig Jahre alt, älter, nackt, Salzgeschmack in Mund und Nase, außerhalb der Zeit, wie ungeboren. Den Kopf untertauchen, eine Rolle versuchen (finde ich zurück?) Es gibt nicht Festes, keine Mitte, kein Oben und Unten, keine Achsen. Es bin ich und es ist zugleich jemand anstelle von mir; es bin ich anstelle von niemand Bestimmtem, jedem. Das Innere meiner Lider ist rot und leuchtet. Das Ufer entfernt sich. (Willst du das? Oder soll genau in diesem Moment die Perspektive wechseln?) Ich erinnere mich, dass mein Cousin, der mit siebenundzwanzig Jahren starb, in einem Wellblechhaus in Straßhof an der Nordbahn wohnte, mit Frau und Tochter, sicherlich voller Zukunftspläne, fast alle Menschen haben Zukunftspläne. Er war ein schlanker und stiller Mann mit dunklem Haar, von Beruf Tischler, litt an Bauchspeicheldrüsenkrebs und wohnte in einem grünen Wellblechhaus (man könnte auch sagen, einer Hütte, aber natürlich war er voller Zukunftspläne, wollte ein richtiges Haus bauen, für seine Frau, seine Tochter, seine ungeborenen Töchter und Söhne). Ich erinnere mich, dass mich das als Kind faszinierte und erstaunte, diese ganz andere Art zu wohnen, diese ganz andere, leichtere, provisorischere Art von Behausung: es gab ein Grundstück, einen Garten und in diesem Garten eine Hütte aus Wellblech, in der jemand wohnte; ich erinnere mich, wie die Wände sich an den Fingern anfühlten, meine Hand an der Wellblechwand, erinnere mich an die Wellen, das Auf und Ab, an das satte dunkle Grün, an den Sommer rundum, das Sonnenlicht, was die Erwachsenen, diese Österreicher und Menschen, redeten, interessierte mich nicht. Am Ende von Godards Film Pierrot le Fou versucht auch der müde Held Pierrot noch zurückzustrampeln. Er ist gerade dabei, der Frau in den Tod zu folgen, die er, nachlässig den Notwendigkeiten des Handlungsverlaufs folgend, eben getötet hat, sitzt in einer Bootshütte auf einer kleinen Insel vor der Côte d’Azur, im Euka-

lyptusduft, neben seiner toten Geliebten, bindet sich rote und gelbe Dynamitstangen um den Kopf, zündet die Lunte an; dann merkt er plötzlich, was er getan hat. – Verflixt, verflixt, sagt er, nach der Lunte tappend. Man sieht die Explosion, dann hört man die Stimmen der Frau und des Mannes: Wir haben sie gefunden. Was denn? Die Ewigkeit. Die Ewigkeit ist das Meer, mit der Sonne verwoben. Das sind Gedichtzeilen von Rimbaud: Die Toten – die den ganzen Film über, durch lichtdurchflutete Landschaften ziehend, aneinander vorbeigeredet haben – zitieren sie, während im Bild der Himmel zu sehen ist, das flirrende Licht, das Nichts des Himmels, blau oder grau, dort (da), auf der Leinwand. Die Stimmen der beiden Toten greifen harmonisch ineinander; so als hätten sie nicht nur die Ewigkeit und das Meer gefunden, sondern auch das Wir. Ich weiß nicht, ob sie es im Satz gefunden haben oder im Bild; vielleicht haben sie auch nur den Anschein eines Wir gefunden, weil sie fremde Sätze nachsprechen, Sätze, die ein anderer geschrieben hat; vielleicht folgt daraus die Selbstverständlichkeit, die Leichtigkeit. Nur aus dem Anschein. Es geht nur um eine Serie von Es, die wie Wellen aufeinander folgen: Elle est retrouvée. Quoi? – L’Éternité. C’est la mer melée au soleil. Im Original kommt das Wir gar nicht vor. Ich schaue auf die Leinwand, meine Hände auf der Armlehne, stehe nicht gleich auf, das Kino leert sich. Meine Hand auf einer Wellblechwand, meine langsam einsinkende, untertauchende Hand, eine Unruhe, auf die Ruhe folgt; oder eine Ruhe, die die Unruhe, die Beunruhigung in sich hält. Es gibt Meere aus Licht. Es gibt Meere aus Limonade, für alle, die Limonade lieben. Das Leichteste genügt, sagt Undine.


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Landschaften

Der Grödner Bildhauer Gerhard Demetz hat für Quart die Tür zu einer mysteriösen Welt geöffnet (zu sehen auf den nächsten fünf Doppelseiten) und dazu ein paar Zeilen geschrieben: „Ich bin ‚im Tale‘ aufgewachsen, mit einer bestimmten Vorstellung von Kunst und Skulptur, geprägt von der Verehrung für die Arbeit der Bildhauermeister aus der Gegend. Im Laufe der Zeit wurde mir aber ein gewisser Stillstand bewusst, eine ständige Wiederholung des Gekannten – technisches Können als Stagnation. Altbekannte Grödner Skulpturen pervertierten zur Massenware. Die ‚Landschaften‘ für Quart sind Details zweier meiner Arbeiten. Ein Readymade jener Skulpturen, die mich von Kindesjahren an begleiten. Ich verlängere auf diese Weise nicht die Grödner Tradition, ich versuche sie zu verdichten.“












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Der Tirolerhut des Liebhabers

War die Schriftstellerin Anaïs Nin jemals in Tirol? Und sagt uns das was? Von Martin Fritz

Der US-amerikanische Schriftsteller und Maler Henry Miller, Autor des bei seiner Erstveröffentlichung in den Vereinigten Staaten wegen Obszönität verbotenen Buchs „Wendekreis des Krebses“, notiert am Neujahrstag 1933 im kleinen, nahe Paris gelegenen Städtchen Louveciennes in einem Tagebuch seine Eindrücke von der Landvilla, in der er zu Gast war. Dabei erwähnt er dort herumliegende lose Seiten, Umschläge und Notizen aus Tirol, und als ich diese Stelle zum ersten Mal las, dachte ich natürlich, es müsste sich um seine selbst nach Louveciennes mitgebrachten Notizen aus Tirol handeln, und er selbst, Henry Miller, sei also vorher in Tirol gewesen und habe seine Eindrücke dort schriftlich festgehalten, um sie eventuell später noch literarisch zu verarbeiten. Und wie wir aus seinem postum veröffentlichten, zu Lebzeiten Entwurf gebliebenen autobiographischen Werk „Paris 1928 (Nexus II)“ wissen, hat Miller Tirol auch tatsächlich bereist – und Tirols Schönheit hat demzufolge übrigens dazu geführt, dass sein erster Eindruck von Wien im direkten Vergleich dazu eine Enttäuschung war. Aber bei genauerem Hinsehen ist weit weniger klar, ob wir hier von Millers Tirol-Notizen erfahren. Henry Miller schrieb nämlich mitnichten in sein eigenes Tagebuch, sondern in das seiner Kollegin, Freundin und damaligen Liebhaberin Angela Anaïs Juana Antolina Rosa Edelmira Nin y Culmell (auch und besser bekannt als: Anaïs Nin), das sie ihm genau zu diesem Zweck (nebst Lektüre darin), wie in dieser Zeit häufig, anvertraut hatte. Und er beschreibt, wie – während er schreibt – Anaïs schläft, um bei der Rückkehr ihres Ehemanns Hugh Parker Guiler, genannt Hugo, ausgeruht zu sein und dabei ihr Haar über seine losen Blätter und die Notizen aus Tirol fällt. Sind es also vielleicht Nins Notizen? Und geht es hier vielleicht gar nicht um Henry Millers Bezug zu Tirol, sondern um den jener Person, in deren Tagebuch er in ihrer Villa neben einer Flasche Anjou sitzend schreibt? War Nin eigentlich jemals in Tirol? Oder ist Tirol doch nur einer jener Orte, über die sie in ihren postum veröffentlich-

ten Tagebüchern schreibt, dass Henry ihr davon erzählt hat? Welche anderen Bezüge könnte sie haben? Was verbindet Nin mit Tirol? Ginge es um die Schweiz, wäre es leicht: Die Schriftstellerin Anaïs Nin ist bekanntlich neben ihren Tagebüchern (und dem darin geschilderten aufregenden Privatleben mit ihren zahlreichen Liebesbeziehungen zu – neben Henry und Hugo – u. a. auch Rupert Pole und Henrys Ehefrau June Miller) und Romanen auch und vor allem für und mit ihren fiktionalen erotischen Kurzgeschichten berühmt geworden. Die in der Sammlung „Delta of Venus“ erschienene Kurzgeschichte „Elena“ spielt bekanntermaßen in den Schweizer Alpen, im Bergdorf Caux über dem Genfer See – sicherlich eine der ersten Assoziationen, die beiläufige Nin-Fans haben, wenn sie über Nin und Landschaften nachdenken, wie sie hierzulande eben herumstehen. Und wie wiederum in den publizierten Fassungen von Nins Tagebüchern nachzulesen ist, in denen sie ausführlich und wohlwollend über die jungen, hochgewachsenen, kräftigen Silhouetten der dortigen Skiläufer berichtet, hat sich die Phantasie der spanisch-kubanisch-stämmigen Autorin hier vielleicht durchaus bei ihren tatsächlich stattgefunden habenden Erlebnissen vor Ort bedient. Aber um die Schweiz geht es hier eben trotz aller landschaftlichen Ähnlichkeit und Schönheit der skifahrenden Bevölkerung leider auch nicht. Bei meiner Suche nach Nins (zu meinem damaligen Wissensstand noch hypothetischen) Tirolaufenthalt oder -bezug konsultierte ich natürlich sofort eine Internet-Suchmaschine, die mir immerhin die Information verschaffte, dass Nins zweiter Ehemann Rupert Pole einen Tirolerhut getragen haben soll. Das Verfolgen dieser Spur führt zu den Memoiren Tristine Rainers, die als Vertraute Nins seit den 1960ern Rupert Pole als den Träger von Tirolerhut, dunkelblauem Wollmantel und Wollschal vorstellt: dapper, also elegant und gediegen soll er so ausgesehen haben, als die nach wie vor mit Hugo verheiratete Nin ihn 1947 in New York kennenlern-


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te. Es ist schon interessant, dass ausgerechnet das von heutigem und hiesigem Geschmack aus gesehen denkbar unsexyeste Kleidungsstück schlechthin in einem anderen Jahrhundert und Kontinent mit so viel Exotik aufgeladen werden kann, dass es seinen Träger zu einer geheimnisvollen, begehrenswerten Figur macht. Folgerichtig wird Rupert Pole dann ja auch zuerst Nins Liebhaber (wie viel hölzerner das Wort übrigens klingt als: Lover), Ehemann (übrigens gleichzeitig mit der Ehe mit Hugo, bis dies aus Steuergründen aufzufliegen droht) und liebender Lebensgefährte bis zu Nins Tod (der dann nach Nins und Hugos Tod neue Fassungen von Nins lebenslang geführten Tagebüchern herausgibt, mit Passagen, die zu Lebzeiten der Beteiligten aus Rücksicht auf diese nicht veröffentlicht werden konnten). Natürlich will ich jetzt mehr über Rupert „Tirolerhut“ Pole wissen. Den einschlägigen Biographien und dem Internet ist neben dem oben Gesagten zu entnehmen, Nin habe sich nach ihrem ersten Treffen in ihrem Tagebuch selbst davor gewarnt, sich in ihn zu verlieben: Dieser attraktive junge Mann, der sich so gesucht kleidet, sei möglicherweise homosexuell. Diese Sorge war, so schreibt etwa ihre Biographin Linde Salber, bekanntlich so unberechtigt wie die Warnung unfruchtbar – die weitere Geschichte des Salber zufolge noch nie eine Zeile von Nin gelesen habenden Zufallsbekannten Pole kennen wir ja bereits. Wie es nun der Zufall will, ist zu diesem Zeitpunkt meiner Recherche nur Nins zu Lebzeiten veröffentlichte Tagebuch-Fassung in der Leihbibliothek verfügbar, in der die Liebe zu Pole komplett verschwiegen wird. Dennoch lese ich dort nach und finde schnell die Stelle, wo Nin schreibt: „Vielleicht ist er homosexuell.“ Aber nichts über einen Tirolerhut! Und noch schlimmer: Der Mann, über den sie dies schreibt, heißt Pablo, und sie hat ihn kennengelernt, nachdem er sie angerufen hat, weil ihn ihre Kurzgeschichtensammlung „Under a Glass Bell“ so begeistert, so betrunken gemacht hat. Aber immerhin beschreibt sie die Fahrt mit Poles Ford, Modell A, mit offenem Verdeck (ratsam, darin Hut zu tragen!), genau wie es die Biographinnen beschreiben, quer durch Amerika, nach Kalifornien, wo Nin und Pole später

auch zeitweise gemeinsam leben werden. Ist also Pablo nun Pole oder ist er es nicht? Im Personenregister steht nach Pablo süffisant in Klammern: „Pseudonym“. Einmal ganz abgesehen vom literaturwissenschaftlichen Allgemeinplatz, dass in einem Text vorkommende Personen nun eben literarische Figuren und keine Menschen sind, verläuft sich beim Verfolgen dieser Spur ebendiese doch immer mehr und mehr. Ein einmal und nur von einer Dritten erwähnter Tirolerhut – soll das alles sein, was Nin und Tirol verbindet? Aber vielleicht geht es hier auch gar nicht um Rupert Poles Tirolerhut? Oder vielleicht geht es gerade darum, dass Pole samt Kopfbedeckung mir bei meiner Suche immer wieder entschlüpft? Dass er vielleicht gerade durch sein Vages, seine Abwesenheit interessant wird? Ob das Gras auf der anderen Seite (des Kontinents!) wirklich immer grüner ist, wie es das Sprichwort wissen will, wusste Nin, denn sie war dort gewesen. Aber Nin wusste auch noch etwas anderes: Das Abwesende (das grünere Gras auf der anderen Seite) ist genau durch seine Abwesenheit (und unsere Sehnsucht danach) stets auch anwesend und umgekehrt, und genau in diesem Spiel liegt der Reiz der Dinge, des Lebens, ihrer Männer. Nin lebte ja lange Jahre, wie es in den USA heißt, bicoastal, mit einem Ehemann in New York und einem in Los Angeles. Und diese Leben hielt sie strikt getrennt. Um ihr Doppelleben nicht auffliegen zu lassen, hat Nin angeblich sogar eigene Lügentagebücher angelegt, in denen sie, um nicht selbst durcheinander zu kommen, penibel Buch darüber führte, welche Versionen ihrer Erlebnisse sie wem wie erzählt hat – welche Wahrheit von Kalifornien sie also in New York kreiert hat und umgekehrt. Und genau diese Konzentration auf die konsistente Konstruktion ihrer Alibis hat häufig dazu geführt, dass Nin ihre erfundenen Versionen glaubhafter und realer erschienen als die tatsächlichen Geschehnisse. Über die gefinkelt verschränkten Verhältnisse von Realität und Erleben sowie von Erzählen und Erinnerung wusste sie also ebenfalls sehr, sehr gut Bescheid. Oder wie sie es ausdrückt: „Die besten Lügen sind die Halbwahrheit. Nach der Wahrheit sollten wir in einem Tagebuch nicht suchen, wir sollten es als Ausdruck des Kampfes um Freiheit und einer zwingen-


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den Suche nach Wahrheit sehen. Nun werde ich noch schneller, noch irreführender sein.“ Vielleicht kam daher mein Gefühl im fortgeschrittenen Stadium meiner Recherche, dass ich eigentlich paradoxerweise noch mehr über Nin gewusst hatte und besser über sie schreiben konnte, als ich noch weniger tatsächlich über sie wusste? Dass ich ihr gerechter würde, indem ich mich weniger auf Fakten und Wissen, sondern mehr auf Vorstellungen und Geschichten konzentrierte? Dass „meine“ Nin, die ich mir in einer Mischung aus Halbwissen, Informationen aus zweifelhaften Quellen, aus zweiter und dritter Hand und ihren selbststilisierten, um Träume und Lügen bereicherten Autofiktionen in meiner Vorstellung selbst schuf, der „historischen“ Nin näher kam, als eine möglichst genaue Annäherung dazu? Plötzlich wurde mir die Schönheit des Abwesenden, des Nichtwissens überall bewusst: Eine in einer Biographie wahrscheinlich relativ achtlos hingeschriebene Zeile wie die, dass Jose Alemany von Anaïs Nin 1941 in Provincetown sehr schöne Fotos angefertigt habe, führte nicht mehr wie früher wie selbstverständlich dazu, dass ich mir die Fotos sofort von einer Internetsuchmaschine aufstöbern und anzeigen ließ. Ich genoss es, die Fotos nicht zu kennen, nur zu erahnen. Was wir von Nin (neben so vielem anderen) lernen können, ist, dass es zwischen Fiktion und Fakten noch ein Drittes und weitaus Reizvolleres gibt: ein Dazwischen, ein Anderes, die Andeutungen. Und dieses dem Übergang, dem Uneindeutigen, dem Unklaren verpflichtete Schreiben zeigt sich auch in der Form, in Nins bevorzugten Genres und Schreibweisen, ihren Texten, die häufig alles immer wieder hinauszögern, die scheinbar nirgends hinlaufen, die ausufern, versanden und stets falsche Spuren auslegen, die nirgends hinführen (die nach klassischen Maßstäben von Literatur also misslungen sind). Nins Literatur ist an ihren besten Stellen mit anderen Worten: ein ewiger Tease. Ein Tease, der – und dies ist entscheidend – auf keinen Höhepunkt hinauswill, weil er eben bestenfalls niemals endet, die Aufmerksamkeit immer weiter auf das Abwesende verschiebt und so hält. Es geht Nin nicht

ums Ankommen, sondern ums Immer-weiter-Hinauszögern. Und dies gilt wohl insbesondere für die Texte, die sie mit berühmt gemacht haben: ihre pornographischen. Es ist zwar eine Binsenweisheit, dass Erotik in der Andeutung liegt, aber nichtsdestotrotz ist es halt auch wahr und wird häufig trotzdem nicht gewusst. Auch das wusste Nin, so schreibt sie über Henry Miller: „Er übersieht die Wollust des Halbwissens, des Halbbesitzens, des sich gefährlich weit über den Abgrund Beugens, die auf keinen spezifischen Höhepunkt zielt.“ Dass Anaïs Nins erotische Texte von so vielen Frauen und Menschen, die an Frauen und deren Sicht interessiert sind, gelesen werden, liegt sicher zu keinem geringen Anteil daran, dass sie jahrzehntelang fast die einzige bekannte Autorin war, die solche publizierte. Aber ich glaube doch auch, es liegt an Nins (wenn es so etwas gibt) spezifisch weiblichem Schreiben. Was Theoretikerinnen wie Hélène Cixous Jahrzehnte später beschreiben, schreibt Nin wie selbstverständlich: Ein Schreiben, das die Vorstellung ablehnt, Literatur sei die Erfindung von zusammenhängenden Geschichten mit Anfang, Höhepunkt und Schluss. Ein Schreiben, das alle unsere hergebrachten Vorstellungen von Normalität und Realität ablehnt, das gänzlich anderen Pfaden folgt. Ein zärtliches Schreiben, das andeutet, statt behauptet. Und Nin führt auch gleich vor, wie unfassbar sexy sich dies liest. Nins berühmte Pornogeschichtensammlung „Delta of Venus“ besteht ja aus ursprünglich für einen männlichen Auftraggeber verfassten Auftragstexten. Dieser augenscheinlich nicht eben sehr helle Geist bestellte seine Geschichten stets aufs Wesentliche, die Beschreibung des Akts, konzentriert – keine davon ablenkende Poesie oder Gedanken und Empfindungen der Figuren wollte er lesen. Statt Phantasie wollte der arme reiche Mäzen Penetration. Nin reagierte, wie sie schreibt „mit heimlicher Ironie, exotisch, erfindungsreich“, mit anderen Worten: Nin versteckte die Erotik in ihren Texten, weil sie es musste. Weil sie in einer durch eine männliche Sichtweise geprägten (und dadurch ziemlich armen, kargen) Welt schrieb, können wir in „Delta of Venus“ so ironischer- wie passenderweise nur eine Andeutung, eine Ahnung, einen Tease


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davon lesen, wie einfallsreich, bunt, wie anders Nin über Sex hätte schreiben können. Und wie viel können wir (und wenn ich wir sage, meine ich damit auch gerade Männer) trotzdem davon lernen? Wie viel wäre gewonnen, würden auch Männer in diesem Sinn immer weiblicher (nämlich: anders als die Norm) schreiben und denken, weiblicher über Sex schreiben und lesen, weiblicher über Sex denken, weiblicheren Sex kennen? Das laut Anaïs Nin „Lächerliche, Exaltierte, Verrückte, Phantastische, das Verzehrende, das Feuer, die Ekstase“ von unstandardisiertem Sex? Was geht nicht alles verloren in einer auf Normalität, Präsenz, Wahrheit und Höhepunkte fixierten Welt, wo doch so viel mehr und anderes denkbar ist? Denn auch wenn Nin eine weltbekannte und kanonisierte Autorin ist, so ist ihr weibliches Schreiben doch nach wie vor marginalisiert. Schon allein ihre Konzentration auf sonst in der literarischen Wertung weniger hochstehende Genres macht dies deutlich: Nin schreibt vor allem und am liebsten Tagebücher statt den einen großen Roman, und interessiert sich mehr für die Verzahnung von Schreiben und Leben statt für das abgeschlossene Werk. Und auch ihre Themen, ihre Konzentration auf Intimes und Inneres (statt Weltgeschichte und Politik), wird unter den bestehenden normalen, misogynen Maßstäben als unwesentlich abgewertet. Dabei machte Nin schlicht und einfach nur lange, bevor es den Begriff Postmoderne gab und es Mainstream und normal wurde, erschütternd konsequent Ernst mit der Aufsplitterung von Identität, der Zerstörung von Normalität und dem literarischen Experiment, das für Realismus nur ein müdes Lächeln übrig hat: „Immer wieder habe ich die Regionen des Realismus durchmessen und sie unfruchtbar gefunden.“ Dazu hat Nin mit ihrem so gut dokumentierten oder erfundenen Privatleben, in dem sie auf gesellschaftliche Konventionen, auf Stereotypen von Weiblichkeit und Männlichkeit, von Homo- und Heterosexualität ebensowenig gab, wie in ihrem Schreiben auf literarische, vorgelebt, dass und wie wir auch anders zusammenleben können. Übrigens habe ich später in Nins unzensierter Tagebuchfassung noch den Bericht ihrer Tirolreise im Som-

mer 1932 gefunden. Sie reist mit ihren Ehemann Hugo, den sie offenbar sehr liebt, von Paris aus, wo Henry Miller vor sich hin säuft und ihr sehnsüchtige Briefe schreibt (das Geld, das sie ihm aus Österreich schickt, verwendet er, um Schallplatten für sie zu kaufen), nach Innsbruck und weiter zum Achensee. Die beiden führen sich auf wie in den Flitterwochen: Sie fluchen auf die zwei Einzelbetten im Hotel Achenseehof und schlafen höchst beengt zu zweit in einem zu kleinen Bett, halten über den Esstisch herüber Händchen, küssen einander im Boot. Anaïs bewundert Hugos schöne Beine in seiner kurzen Tirolerhose, später wird ihr vom Pfeifenrauch in einer Berghütte ganz schwummerig. Von einem Tirolerhut ist nicht die Rede. Wir wissen also, von wem die Notizen in Louveciennes, bei denen unsere Reise begonnen hat, stammen, und was daraus für Literatur geworden ist. Aber hätte ich es eigentlich nicht lieber nicht gewusst? Hätten Sie es nicht lieber nicht gewusst? Oder geht es darum gar nicht? Material / Quellen: Sara Corbett: The Lover Who Always Stays. The New York Times Magazine, 31.12.2006, online unter: https://www.nytimes. com/2006/12/31/magazine/31pole.t.html (zuletzt überprüft am 31.05.2018) Hélène Cixous: The Laugh of the Medusa. Translated by Keith Cohen and Paula Cohen. Signs, Vol. 1, No. 4 (Summer, 1976), pp. 875–893. Henry Miller: Paris 1928 (Nexus II), Bloomington, Indiana University Press, 2012. Anaïs Nin: Die Tagebücher der Anaïs Nin 1944–1947. Herausgegeben von Gunther Stuhlmann. Aus dem Amerikanischen von Manfred Ohl und Hans Sartorius. Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch Verlag, 1979. Anaïs Nin: Henry, June und ich. Intimes Tagebuch. Herausgegeben von Rupert Pole. Aus dem Amerikanischen von Gisela Stege. München, Knaur, 1991. Anaïs Nin: Delta of Venus. London u. a., Penguin Books, 1995. Tristine Rainer: Apprenticed to Venus: My Secret Life with Anaïs Nin. New York (NY), Arcade Publishing, 2017. Linde Salber: Anaïs Nin. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. rowohlts monographien. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1992. Sky Blue Press: New Year’s Day, 1933: Henry Miller on Louveciennes. Online unter: http://anaisninblog.skybluepress.com/ 2010/12/new-years-day-1933-henry-miller-on-louveciennes (zuletzt überprüft am 31.05.2018).


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moki Originalbeilage Nr. 31

Im Jahr 2017 hat die Künstlerin moki Plastikmüll an europäischen Stränden gesammelt und aus einem Teil der rundgewaschenen Stücke Schmuck hergestellt, dessen Verkaufserlös der Naturschutzorganisation NABU zugutekam. Einen weiteren Teil der kleinen Kunststoffstücke finden nun hier die Quart-Leserinnen und -Leser – begleitet von einer Malerei und dem folgenden Text der Autorin und Künstlerin Lily Wittenburg:

Wir wandern auf den Fundhorizonten einer gemeinsamen Gegenwart, sie sind die Schicht, die uns verbindet. Wieder und wieder auftauchende Gegenstände. Wind und Wellen verwischen die Beweise, indem sie mit Sand bedecken, was eben noch war. In diesem Reservoir schwimmend, wird es zunehmend schwieriger, Unterscheidungen zu treffen – zwischen sich und dem Herzzerreißenden der Dinge. Maschinen vermögen es, Massen und Massen von Splittern im Ozean zu berechnen, aber Empathie kalkulieren, das können sie nicht. Abenddämmerung. Ein älterer Mann ordnet Pappkartons in einem Hinterhof, wir sehen ihn aus der Erhöhung eines Hotelzimmers. Täglich zwischen sieben und acht ist das Quadrat des Hofes sein Spielfeld. Eine Traurigkeit aus hundert oder tausend Jahren Wiederholung schwebt über ihm. Seither gibt es für ihn nur noch zwei mögliche Beleuchtungen: Zigaretten und Neonlicht-Leuchtreklamen. Von der Schrift strahlt ein stumpfer Glanz ab. Gesichter ins Licht gesunken – wie in eine Flüssigkeit – gehen vorüber. Wäre da nicht die Spur von dem Lastwagen, der die Kartons anliefert, man könnte glauben, es seien immer dieselben Kartons, die er zu Stapeln aufeinanderlegt. Im Minutentakt von Wellenbewegungen trifft der

Wasserschlag den Untergrund, zieht sich das Meer zurück, um eine Grenzlinie zu ziehen aus Fragmenten. Als Scherben deuten sie noch auf etwas Ganzes hin, das sich nicht mehr entziffern lässt. Von Salzen zerfressen, an den Rändern rund geschliffen und durch die Witterung in ihrer matten Farbigkeit einander gleich geworden, zeichnen sie einen Pfad, der sich aus tausenden Orten zusammensetzt. Auf einigen Scherben findet die Betrachterin noch eingeprägt die Aufschrift ihrer Herkunft. China, Taiwan, Bangladesh, France, Germany. Das große Zirkulieren von Minutenwaren, Jahrtausende des Driftens. Wenn sie auf das Wasser schaut, sieht sie eine virtuelle Wüste vor sich, für die diese Dinge in ihren Händen zerbrechliche Zeugen sind. An Uferböschungen, im Gras sich zerreibende Überreste. Die vom Wind Verlassenen in ihren Booten. Sie fragt sich, ob es überhaupt noch möglich sei, von diesem Strand als einem bestimmten Strand zu sprechen. Besteht er doch aus Mischungen, die von so feiner Körnung sind, dass sie ins Unendliche gehen könnten. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, welcher Partikel von woher stammte oder wer zu welcher Welt gehört. Alles ist überall, immer, zur selben Zeit.



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Lediglich der kleine Buchladen an der Ecke bot Augenhalt. Landvermessung No. 5, Sequenz 4 Von Toblach nach Cortina

Geschichten kann man auch durch geometrische Operationen auf der Landkarte generieren: In Quart folgen unterschiedliche Autoren mit unterschiedlicher Kondition unterschiedlichen Linien (s. Übersichtskarte). Wir befinden uns derzeit auf der Geraden, die von Obermauern im Osttiroler Virgental Richtung Südtirol und weiter ins Trentino führt. Marko Dinić schleppt sich krank durch fremde Gefilde, folgt den nebulösen Anweisungen einer Unbekannten, fast wie James Bond und sehr alleine.

I Als Erstes kam ein Anruf. Die Stimme am Telefon stellte sich als Heidrun vor, Hannah oder Helga. So genau konnte ich es nicht hören – das angehauchte H ließ meinen Hörer rückkoppeln. Wir begegneten uns im Zuge meines dreimonatigen Aufenthaltes in einem Tiroler Dorf Anfang letzten Jahres zum ersten Mal. Eine Vernissage im lokalen ethnographischen Museum, wobei es auch hätte sein können, dass es beim Abendessen mit einer gemeinsamen Bekannten gewesen war – so genau konnte auch sie sich nicht mehr erinnern. Zusätzlich erschwerte ein tiefes, gleichmäßiges Rauschen, das wie auf Abruf alle halben Minuten unser Gespräch unterbrach, das seltsame Telefonat: als hätte jemand absichtlich die Leitung gekapert, um alltäglichen Nichtigkeiten zu lauschen. Obwohl ich mir der Einzelheiten im Vollen nicht bewusst war, ging es dennoch – so versicherte mir die Stimme am Telefon – um bereits Abgemachtes: detaillierte Messungen, die ich entlang einer durch halb Südtirol und Trentino gezogenen Linie für ihre Zeitschrift anstellen sollte. Dieselbe Linie schnitt ein Kreis, der wiederum ein Areal umriss, das andere vor mir in minutiöser Kleinstarbeit abgesteckt hatten und an dessen unterem Ende meine überaus großzügig honorierte Arbeit ihren Anfang nehmen sollte – bezahlte Spesen verstünden sich von selbst. Welchen Umfang der Kreis hatte und wo genau dieser die Gerade schnitt,

konnte sie mir freilich nicht verraten. Zunächst galt es, Vorbereitungsmaßnahmen bezüglich meiner Reise zu treffen. Vier ganze Tage in unzulänglichem Gelände würden mir ein hohes Maß an Konzentration abverlangen. Zudem pochte meine Auftraggeberin auf einen wohlüberlegten Abschlussbericht, in dem meine Messungen einer breiten Anzahl an Abonnenten, die ihre Zeitschrift besaß, ein ehrliches Lächeln auf die Lippen zaubern sollte. Sie würde sich, so Hilde, in Kürze mit weiteren Details bei mir melden. Dass ich bei unserer ersten Begegnung möglicherweise einen falschen Eindruck erweckt haben mochte, mit Landvermessung im Allgemeinen und mit derartigen Anmaßungen im Speziellen nie wirklich was am Hut hatte, und überhaupt stadtfernen Gebieten mit größter Abscheu begegnete – es drang nicht bis ans andere Ende des Hörers, was einerseits sicherlich mit den unsäglichen Unterbrechungen zu tun hatte, andererseits mit der Tatsache, dass sie schon längst aufgelegt hatte. II Nun lebte ich seit kurzer Zeit erst in Wien, und mein neuer Mitbewohner – ein abgebrühter Allrounder mit einem Hang zu garstigem Rock ’n’ Roll – wies mich dezent darauf hin, dass nun endlich die Gelegenheit gekommen war, uns wieder mehr zuzutrauen, gekonnt nach außen zu treten, wie schlechte Scherze


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es manchmal vermochten. Ich hatte ihm von der an mich herangetragenen Aufgabe erzählt, von meinem Unbehagen, als Großstadtverwahrloster von einer mir zutiefst widersinnigen Wildnis getötet zu werden. Er aber entkräftete meine Argumentation gekonnt mit dem jähen Ausbruch des Frühlings, der den Baumkronen Knospen in die Äste trieb. Sein Drei-Mann-Zelt würde uns zudem vor jeglicher Witterung schützen, versicherte er mir mit einem genugtuenden Lächeln im Gesicht. Somit war ein gemeinsamer Ausritt bereits beschlossene Sache, während ich im Inneren noch um die Form rang, mit der ich die Ereignisse, die sich jetzt schon überschlugen, aufarbeiten würde. Die Aussicht auf so viel Geld in so kurzer Zeit, auf Miete, Fressen und ein wenig gekaufte Freizeit kam uns schließlich beiden gelegen. Sowohl bei ihm als auch bei mir lief es in letzter Zeit nur schleppend. Als einst aussichtsreicher Kandidat für den Posten des neuen Quotenjugo im Literaturbetrieb verdiente ich nach einer ruhmlosen, von den Kritikern nur mit Schmunzeln und Ratlosigkeit bedachten Romanserie nur mehr so viel, dass es für die alibimäßige Verlängerung meines Visums reichte. Und auch meine Aussichten, auf längere Zeit in Österreich bleiben zu dürfen, trübten sich mit jedem weiteren verstrichenen türkisblauen Tag etwas mehr. Bei meinem Mitbewohner sah es nicht anders aus: ein arbeitsloser Exildeutscher und glühender Anhänger der alten Sowjetunion, der sich unter seiner beinahe schon marxschen Bartpracht lediglich weniger anmerken ließ als ich. Diese Unsituation zwang uns, immerzu auf Gelegenheiten des jeweils anderen wie lausige Aasfresser zu lauern. Wir waren nicht stolz auf uns, schämten uns aber auch für unsere Armut nicht. Trotzdem hielt ich mich nach wie vor für keinen Vermesser oder Vermaßer – und Messer, Maßgeber, Messdiener schon gar nicht. Ich konnte nicht einfach so irgendwelchen Linien nachgehen. Helmi, die Stimme am Telefon, wollte mich in eine Falle locken, dessen

war ich mir beinahe sicher. Und obwohl es sich um eine Aufgabe handelte, der ich allein schon durch meine hünenhafte Statur und meine zwei linken Füße nicht gewachsen war, stimmte mich die Aussicht, nicht alleine reisen zu müssen, mittlerweile gnädiger. Aus der knarzenden Audiobox in der Küche tönte indessen Jesus von Lou Reed – uns konnte nichts geschehen. III Drei Tage später erhielt ich Post. Die Landkarte offenbarte nicht viel mehr, als Hildegund (HHH!) am Telefon verraten hatte: Die Gerade glich genaugenommen einer wie von Kinderhand gezeichneten Schleife und verlor sich im dichten Gedränge der Dolomiten. Der Kreis, der den Ausgangspunkt markieren sollte, war einem formlosen braunen Fleck gewichen, der auch beim Abgleich mit irgendwelchen Mappen im Internet keinen Augenhalt bot. Unterdessen waren alle Leitungen tot. Jegliche Kontaktaufnahme zu meiner Auftraggeberin war in den Untiefen eines gleichmäßigen Pieptons versandet. Ich war auf mich alleine gestellt. Zudem bestätigte ein Blick auf mein Konto meine Befürchtungen, denen nach ich es nur durch äußerste finanzielle Entbehrungen in den Süden schaffen würde: Ein der Landkarte beigefügtes Blanko-Zugticket galt nur für die Rückfahrt von _______ nach Wien. Das Gefühl, nach so vielen Jahren des Schreibens und der mühevollen, aber dennoch süßherben Arbeit an Text und Vers endlich im Prekariat angekommen zu sein, breitete sich wie ein Virus in unserem Haushalt aus. Mein Mitbewohner hielt die Stimmung kaum aus. Er hüllte sich während meiner wohlfeilen und doch hilflos sich ins Bodenlose schleppenden Vorbereitungen immer mehr in Schweigen. Und auch seine anfängliche Lust, mich auf der Reise begleiten zu wollen, schwand mit jeder fortschreitenden Minute, die ich, halb am Verzweifeln, über der Landkarte verbrachte. Ich musste eine andere Strategie verfolgen, einen etwaigen Absprung seiner-


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seits ums Verrecken verhindern. Schließlich waren wir kaum voneinander zu unterscheiden, Brüder im weitesten Sinne, derart dicht beieinander gebaut, dass nur eine Reise zu zweit die Verwandlung, nach der wir uns beide so sehr sehnten, hervorbrächte. Als letzte Konsequenz musste ich die Linie selber ziehen, die eigene Mitte als Mitte des Kreises verstehen, von dem aus sich die Menge der einzelnen Punkte bündelte, die vielen Geschichten, die Straßen und Pfade, die Täler, die Dörfer, über denen feuchte Bergluft hing, die Berge, über denen ein gnadenloser Himmel sich ins Unermessliche streckte, all die Dinge, für die ich noch eine Sprache zimmern musste – und überhaupt das Maß, das Wiegen, Pausen und Vermessen, die Maßung! Wo sollte ich beginnen, wenn nicht gerade hier: zwischen T und lach mein Finger, die wehrlose Mitte, C…tina als Ziel, ein paar Fingerbreit weiter. Das Prekariat Ein mehr als nur verabscheuungswürdiger, vom Künstler nicht wegzudenkender Teil des Schaffensprozesses. Er zwingt zum Umdenken und Improvisieren innerhalb meist finanziell prekärer Lebenslagen. Nehmen wir beispielsweise den hiesigen Text als Ausgangspunkt dieser intermezzohaften Überlegung: Obwohl der Autor die Aufgabe vonseiten der Tiroler Kulturzeitschrift QUART, einen ganz bestimmten Wanderweg entlang einer ganz bestimmten Linie im Pustertal, Südtirol, zu gehen und darüber einen Bericht zu verfassen, bekam, zwang ihn ein finanzieller Engpass (der Autor ist selbstständig, nur als Gast im Lande Österreich und allein auf seine künstlerische Arbeit angewiesen), ganze zwei Mal seine Reise zu verschieben, da er das Geld, das er für Züge und Unterkunft benötigte und erst später im Jahr vonseiten der Zeitschrift rückerstattet bekäme, nicht vorstrecken konnte. Dass er am Ende doch noch ins besagte Tal gelangte, verdankte er dem Verständnis der Redaktion, die ihm einen Vorschuss auf die Reise-

kosten gewährte, und der Güte eines Freundes, der ihm Unterkunft und Fressen zahlte. Gleich zu Beginn seiner fünftägigen Reise wurde der Autor krank, lag drei Tage im Bett, was angesichts des anhaltenden Regenwetters, der Kälte und des immer noch umherliegenden Schnees im Pustertal nicht verwunderlich war. Keinen einzigen Meter ist er gewandert! Lediglich am letzten Tag die von ihm geplante Wanderroute nach Cortina d’Ampezzo ist er mit dem Bus abgefahren, wobei der Bus wegen dichtem Nebel und Schneeregen zwei Mal ins Schleudern kam. Sowohl in Toblach, dem Ausgangspunkt der ‚Wanderung‘, als auch in Cortina war die Ski-Saison bereits aus, die Wandersaison noch am Kommen. Beide Gemeinden waren wie ausgestorben, kaum Menschen auf den Straßen. Lediglich ein wohlsortierter Buchladen in Cortina erregte Aufsehen, der klägliche Rest ersoff in Nebel, Regen und Krankheit. Aus Verzweiflung oder aus Boshaftigkeit gegenüber der missglückten Reise heraus wählte der Autor für die Auserzählung der vorhergehenden und nun nachfolgenden Ereignisse eine Form der äußersten Fiktionalisierung, die konträr zum eigentlichen Konzept der Landvermessung steht, jedoch in einer Art Nabelschau den Leserinnen und Lesern des Magazins die prekäre Lage eines auf sich allein gestellten, naturfernen, kunstschaffenden Individuums vor Augen führen soll. Alles, was in dieser Erzählung geschrieben steht, entspricht der Wahrheit, so wie alles, was innerhalb des Gefildes Literatur oszillatorisch zwischen Lug und Lüge hin- und herschwankt, nur Wahrheit sein kann (vom ü ganz abgesehen). Der klägliche Rest ist dem Leben unzumutbar. Die Straßen und Pfade und Berge und Täler und Dörfer und Himmel sind töricht. IIII Ich konnte mir nicht erklären, wie es dazu kam, dass mein Mitbewohner mich am Ende nicht begleitete. Kaum war das nötige Geld für die Reise beisammen,


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verblasste auch schon sein Antlitz vor meinen Augen. Dass er Besseres zu tun hatte, als ganze drei Wochen auf mich zu warten, schließlich war beim Frühling schon gefühlte Halbzeit und er zu zart für die Strapazen der sich bis tief in die Nächte gezogenen Vorbereitungen – die Suche nach üblen Wohltätern und Mikrokrediten für eine Reise, von der ich selber nicht wusste, ob sie mich überhaupt dazu befähigte, einen oder mehrere Schritte vor die Tür zu setzen, geschweige denn darüber zu schreiben. Und nun stand ich plötzlich da, jeden Cent in meiner Tasche zehn Mal wendend, da er mir schamlos seinen Rücken kehrte, die Zelttasche in der Hand, ein leises Abschiedswort um die Lippen säuselnd, dreist, gesichtslos, wie im Vorübergehen, noch bevor die Tür ins Schloss fallen konnte und ich alleine mit nichts als einer lausigen Landkarte in der Hand und der Ungewissheit eines noch abzugehenden Weges zurückgelassen wurde. Dumme Mistsau! Nichts machte mehr einen Sinn, indes mir zwei Dinge klar wurden: Ich konnte nicht zurück. Ich war nicht bereit! IIIII Inzwischen glitt der Zug nach einer überwiegend im Schlaf verbrachten, beinahe fünfstündigen Fahrt behände meinem Ziel entgegen – – – eine dünenhaft sich anschmiegende Landschaft zu beiden Seiten, die, je näher wir der Südtiroler Grenze entgegenschienten, bissiger in ihren Konturen wurde. Das Gnadenlose dieser Landstriche stimmte mich milder: Die mit Altschnee bedeckten Abhänge hatten Ohren, so viel war sicher, der Wind pfiff nicht, er dröhnte gegen das Zugfenster, die Berge, hinter sattem Nebel verhüllt, verhießen kein warmes Willkommen. Darüber hinaus sorgte der Verlust meiner Zunge für zu erwartende Verwunderung. Die Menschen um mich sprachen mit einer Un(ein)deutigkeit, die sich vor meinen Augen zu Gesten des Selbstverständnisses aufbauschte: Hier kannte scheinbar jeder jeden. Nur für mich flatterten die Worte

fremd. Den grobkantigen Dialekt verortete ich an der Reibungsfläche zwischen dieser und jener Grenze – sprachliches Niemandsland vor Weitlanbrunn. Kaum standen wir, verließen auch schon nahezu alle Passagiere den Zug. Bis auf den letzten Sitz, auf dem ich, mir selber seltsam fremd, wie einzementiert saß, war das Abteil leer. Die Anzeige über mir bescheinigte einen Aufenthalt von einer knappen halben Stunde – eine knappe weitere bis zu meinem Ziel, von dem aus die Wanderung ihren Anfang nehmen sollte. Mittlerweile klopfte der Nebel ans Fenster. Ich fragte mich, wohin das ganze führen sollte, wie Hemma gerade auf mich gekommen war, mich, der bei jedem aufsteigenden Meter die ganze Menschheit verfluchte und bei jedem absteigenden doppelt – dem die Welt in der Fremde nach jeder einsamer anmutenden Haltestation Richtung Nirgendwo immer fremder wurde. Kannte sie meine Literatur vielleicht nicht? Mein Unvermögen, was Landschaftsbeschreibungen betraf? Was interessierte gerade mich die Natur, der ich mit dem Überlebensinstinkt eines Kriechtiers geboren wurde? Vermessen konnte ich nur die Distanz zwischen mir und den Menschen, die mir begegneten, die Distanz zwischen mir und dem Widerwillen gegenüber diesem elendigen Auftrag, der mir Fressen und Miete versprach. Es winkten sattere Zeiten. IIIIII Die Lichter in den Häusern waren längst erloschen, als ich am Bahnhof von T…lach ankam. Wie glatte dunkle Augen folgten mir die Fensterreihen, in denen sich eine verzerrte Landschaft spiegelte. Allein eine an den Gleisen gelegene Kebabbude stand offen, aus der ich lediglich Schemen, aber keine Menschen wahrnahm. Der Rest der Stadt drohte in Westernmanier zu ersaufen. Wo war mein Mitbewohner, der feige Drecksack, wo mein Zelt, das mich vor dieser Nässe und Kälte schützen sollte. Dämmerung über den Dolomiten, Nebel,


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der das gesamte Tal vor mir geschluckt hatte, derweil mir die Krankheit wie ein ungebetener Gast die Kehle hochkroch. Hundert Euro, dachte ich in dem Moment, zerknirscht, ausgelaugt, bar jeglichen Mutes. Dazu ein magerer blauer Geldschein in der Hosentasche für die nächsten vier Tage, in denen ich auch noch den Schleim loswerden musste, der sich überfallartig an Lunge und Sinussen zu schaffen machte. Hundert verdammte Euro, die ich gott-weiß-wann wieder auf meinem Konto sehen würde, gezahlt für eine lausige Unterkunft in einem von Vieh und Mensch verlassenen Landstrich außerhalb der Wander- und Skisaison, wie mir meine Gastgeberin Maria entgegnete, eher ungeschickt ihren markigen Dialekt unter so etwas wie einem Hochdeutsch kaschierend. Sie musterte mich von Kopf bis Fuß, als ich die holzvertäfelte Bude betrat, roch sofort den verabscheuungswürdigen Städter und den Widerwillen, den jede meiner Gesten ausstrahlte. Als wollte sie mir sagen: Hier gibt es für Sie nichts zu sehen, deutete sie aus dem Fenster, wo längst eine gnadenlose Nacht ausgebrochen war. IIIIIII Ich ging nicht aus meinem Zimmer. Mein Hals war Flamme, der Husten glich eher einem Röcheln – die Glieder wasserschwer und steif. Wo war mein Mitbewohner, die feige Sau, wo sein Zelt, das mich vor all dem beschützen sollte?! Nur einmal schleppte ich mich hinaus, runter zum Dorfkern, zum lokalen Supermarkt, in dem ich knausrig und wohlüberlegt einen Laib Brot, etwas Wurst, Oliven, Tomaten und drei Äpfel kaufte, jenes Mahl, das mir helfen sollte, diese elendige Grippe zu überwinden. Die wenigen Menschen, die ich unterwegs antraf, die Kassiererin, eine an der Bushaltestelle wartende, stahlgraubelockte Frau sowie einen zufälligen Spazierer, der, aufgequollenen Gesichts, Richtung unbekannt hin und her wankte –

alle trugen sie dieselbe Verwunderung in der Fresse wie meine Gastmutter tags zuvor. Sie verstanden nicht, was der Fremde hier machte. Ich verstand es selber nicht. Das Bild passte einfach nicht. Der Nebel hatte sich nicht gelichtet: Die Straßen und Pfade waren nass und aufgeweicht, es roch nach Moder und Mist; von den Bergen, die bei schönerem Wetter sicherlich ein fürs Auge und Gemüt angenehmes Panorama abgaben, sah man nur die mit knöchelhohem Schnee bedeckten Ansätze; das Tal war dunkel und undurchlässig; das Dorf grau wie der Himmel, unter dessen ebener Wolkendecke ein einsamer Falke oder Adler oder Bussard oder weiß-der-Geier-was in beeindruckenden Gleitbewegungen seine Runden drehte. Die erste Messung dieser Reise, dachte ich in dem Moment, die Distanz zwischen der Freiheit dieses Vogels da oben und meinen durch die Grippe und einen stets auf ein Jahr begrenzten Aufenthaltstitel noch schwerer wiegenden Ketten hier unten. Die Abkürzung, die ich über den Friedhof nahm, säumte ein überlebenskleines Mahler-Denkmal, das zwar dem Werk dieses Großen unter den Hämorrhoidenleidenden der Weltgeschichte nicht gerecht wurde, jedoch durch die detailverliebte Verarbeitung seines Antlitzes vieles von dem wett machte, was beim puppenhaften Körper verabsäumt wurde. Dann, keinen Hechtsprung von der Friedhofsmauer entfernt, ein wohlgepflegtes, allen Facetten des Faschismus huldigendes Mal den gefallenen Dorfbuben beider Weltkriege mitsamt schwarz aus dem schweren, himmelgrauen Marmor hervorsprießendem, eisernem Kreuz und stahlbehelmtem Soldat. Jetzt setzte mir die Krankheit ordentlich zu. Ich schmachtete nach dem unbequemen Federbett meines Domizils – alle Hoffnung auf das schützende Zelt hatte sich in Luft aufgelöst. Und auf meinen Mitbewohner, die verräterische Ratte, sowieso. Übrig blieb ein fahler Nachgeschmack, so wie ihn nur Faschistensymbole in Mund und Rachen hinterlassen können.


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In der Zwischenzeit lungerten zwei Gestalten am Friedhof rum: eine flüsternde Frau älteren Baujahrs, die sich keinen Deut um mich oder mein Keuchen scherte und ein von Moos angenagtes Grab für den Frühling hochzupäppeln schien; ein Mädchen, angelehnt an die Rückseite eines Grabsteins, der gegenüber jenem ruhte, dem ihr Gesicht zugewandt war – andächtig, wütend, dem leicht nach unten angewinkelten Mund nach zu urteilen tiefe Trauer tragend. Ihre Andacht wurde nun durch meine verschleimte Wenigkeit gestört, der nicht umhinkam, den Klumpen, der seit einer gefühlten Ewigkeit den linken Lungenflügel traktierte, die Gurgel rauf zu würgen und ihn auf das Friedhofskiesbett zu spucken. Das Mädchen quittierte meine Unsitte mit einem ungeschönt empörten Ey!, bei dem auch die Ältere den Kopf von ihrer Grabpflege hob und mich kaltschnäuzig fixierte. Instinktiv hob ich meine Hände zur Abwehrstellung: Hände hoch, du Lump! – ihre angewiderten Blicke begleiten mich noch zum Friedhofstor. Die Trauer schien tatsächlich echt zu sein. Die Distanz zwischen ihnen und den Personen, die sie betrauern, verortete ich irgendwo zwischen Nadelstich und Fleischwunde. Ein Schmerz, der für jemanden wie mich, der noch nie in die Verlegenheit kam, Mutter, Vater, Bruder, Kind oder Geliebte der Erde zu übergeben, kaum messbar schien – nun trat er mir in Form eines Ey! entgegen, das auf sonderbare Weise und nahezu zeitgleich auch die Distanz zwischen ihnen und mir absteckte. Auf keiner Karte dieser Welt verzeichnet: der Weg, den ich noch zu kriechen hatte. IIIIIIII Auch die nächsten zwei Tage verbrachte ich im Bett. Kein Aufbäumen. Nicht einmal, als ein verstohlener Sonnenstrahl meine sich schon ans Grau des Nebels gewöhnten Augen streifte – das Pfeifen meiner Lungenflügel als Hintergrundmusik, als Soundtrack zu dieser Irrfahrt, dieser irren Fahrt, die immer mehr

Fragezeichen in meine Stirn bohrte. Zusätzlich nährte ein Foto, das mir mein Mitbewohner auf das Handy geschickt hatte, meinen Missmut: darauf eine glattgebissene, sattgrüne Wiese, durchtränkt von Wärme und Sonnenstrahlen, in der Mitte ein geräumiges, nach zwei Seiten hin offenes Zelt unter einem Himmel, dessen Blau beinahe kriminell anmutete. Zumindest einer von uns hatte den Frühling gefunden. Und der Bastard würde nicht aufhören, es mir unter die Nase zu reiben, so viel stand fest. Keinen Cent von meinem ehrlich im Bett abgelegenen Geld würde er sehen – von den Spesen ganz zu schweigen! Ich würde diesem Bastard noch das Gegenteil beweisen, wenn die Kräfte erst zurückkehrten und ich am letzten Tag vollen Überschwangs mich auf den Weg machte gen Süden, gemächlich meinem selbstgesteckten Ziel entgegen, mit nichts als einem blöden Grinsen im Gesicht, abwechselnd Schuberts Müllerin und Lou Reeds Jesus pfeifend – nur noch einige Kannen Kamillentee entfernt, drei warme Duschen noch, vielleicht vier, ein paar zufällig im Rucksack gefundene Lutschpastillen, fünf sechs sieben Huster noch, acht zehn zwölf, mehr nicht, raus mit dem Schleim, dem angestauten Dreck und Schwitz, rein in die Kloschüssel, Erbrechen und Fieber und Straßen und Pfade und Berge und Täler und Dörfer und Himmel hinter mir, Maß in der Hand, Band ums Gnack, Vermesser durch und durch, auch Vermaßer, Messer allemal! Helena hatte die ganze Zeit über Recht behalten: Kein anderer war je für eine Aufgabe solchen Ausmaßes besser geeignet gewesen als ich, kein Magen besser auf die feine Kost abgestimmt, die ich mir mit den paar Piepen Honorar kaufen würde, OH!, unsägliche Wanderschaft, kein Vermieter so glücklich über die Miete wie meiner, kein Magistratsmitarbeiter so stolz, mir ein weiteres Visum aushändigen zu dürfen, kein Verleger neugieriger nach solch einer virtuosen Konstruktion und bewegten Sprache, wäre der Text zu diesem Unterfangen erst einmal fertig – derweil vor


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meinen Augen und laufenden Kameras der FC Liverpool mit 2 : 1 gegen Man City ins Halbfinale einzog: Mir konnte einfach nichts geschehen! IIIIIIIII Blass war die Erinnerung an meinen Weg nach C…tina. Nach drei Tagen war ich endlich aufgestanden, torkelte aus dem Bett wie ein Stück Scheiße und machte mich auf den Weg. Einige Stunden später fand ich mich auf dem Hauptplatz dieser Reißbrettstadt für Touris wieder, die noch verlassener schien als T…lach. James Bond weilte in den Achtzigern mal für einige Zeit in der Stadt – einst Austragungsort der Olympischen Winterspiele. Der Rest war gewohnheitsgemäß vom Nebel und steten Regen verschluckt, aber nicht verdaut worden. Kein einziger Gipfel lugte aus der dicken, grau-nassen Masse hervor. Gipfel, von denen ich wusste, dass sie da waren – die Ansichtskarten verrieten sie! Blass die Erinnerung, blass auch der Weg – und wäre ich einige Kilometer das Tal abseits der Ausfallstraße hochgegangen, hätte ich sicherlich Fußabdrücke in der bereits verglasten Schneedecke vorgefunden, hie und da eine ungeschickt hingeworfene Pissspur; oder aber nur einige Straßen weiter rauf, die Restwärme und Enttäuschung eines ruhenden Busmotors an der Haltestelle, der zu jeder vollen Stunde minderbemittelte Gestalten wie mich hin- und hertaxierte. Es wollte alles nicht sein. Mit einem plötzlich aufkommenden Donnerschlag und stärker werdenden Regen suchte ich mir einen Unterschlupf. Es hatte den Anschein, als wäre das Schiff von einem Tag auf den anderen von seinen Insassen verlassen worden: verriegelte Eisdielen und Restaurants, an nahezu jedem Haus heruntergelassene Jalousien, wie Schatten vorbeihuschende, lichtscheue Gestalten, die ich kaum als Menschen identifizieren konnte, stehengelassener Baugrund mitsamt Kran und Bagger. Sogar Streuner mieden die direkten Wege. Ich war allein. Umso mehr erstaunte mich der offene Buchladen an

der Ecke eines Parkhauses, dessen warmes, fürs Auge ungemein geschmeidiges Licht mir plötzlich einen Anker und Stellplatz bot. In der Auslage: Twain, Woolf, Ponge, Perec, Ginzburg, Calvino, Pasolini, Dickinson, Bachmann, Levi – wo war ich hier gelandet? Und konnte es sein, dass ich ausgerechnet hier, am gefühlten Ende Italiens, wo mir von Seiten meines schweinischen, nach dem Lenz lechzenden Mitbewohners ein Zelt versprochen wurde, ich aber nur den Nebel als Decke bekam und den Regen als Ernte – konnte es sein, dass ich hier, in einem Buchladen mit einer Auswahl, wie es sie in Österreich kaum zwei Mal gab, tatsächlich die italienische Übersetzung der Neun Canti Kerschbaumers finden würde, dieses poetischen Machwerks, das, als Geschenk verpackt und mit schwülstig-pathetisch-poetischem Kärtchen versehen, mir endlich die wertvollen Punkte einbringen würde in meinem bereits sechs ganze Monate andauernden, nahezu aussichtslosen Unterfangen, meine ehemalige Lebensgefährtin – eine Florentinerin mit Hang zu tiefen Tönen, von der die Leserinnen und Leser dieses Textes an dieser Stelle zum ersten und auch zum letzten Mal etwas erfahren – zurückzugewinnen. Konnte es sein, dass meine Reise tatsächlich hier endete: zwischen bis an die Decke gestapelten Büchern mir fremder Zunge, auf halber Strecke zwischen Nirgendwo und einem halbgaren Ende, und ausgerechnet Hedda (ja, Hedda!), meine Auftraggeberin, als einzige in dieser ganzen Geschichte Recht behielt?


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Irgendwer „Was heute tagtäglich millionenfach geschieht, ist das Rauslassen und Wüten der Sau.“ Leopold Federmair über das Internet als Ort der Scheinkommunikation und Versteck multipler Persönlichkeiten.

Ein Feigling Im Mai 2018 wurde in österreichischen Tageszeitungen eine Nachricht veröffentlicht, die man als unerheblich abtun könnte, wäre sie nicht symptomatisch für den Zustand einer Gesellschaft und ihrer Mitglieder. Ein Mann – vielleicht auch eine Frau – hatte einer ehemaligen Politikerin der Grünen obszöne und aggressive Emails geschickt, die ich hier nicht zitiere, weil sie sich der stereotypen Sprache der im Internet verbreiteten Pornographie bedient. Jeder kann die einschlägigen Formeln auf den einschlägigen Seiten nachlesen. Die E-mails kamen von einem Computer in der Wiener Josefstadt. Der Standort lässt sich lokalisieren, außerdem können wir annehmen, dass die Politikerin regelmäßig bestimmte Wege, beispielsweise zum nahen Parlament, durch diesen Stadtbezirk ging, in dem der Anteil der Grün-Wähler besonders hoch ist. Wenn der Absender dieser E-Mails schreibt: „Du bist heute an meinem Geschäft vorbeigegangen“, gibt er eine reale Situation wieder. Es wird für die betroffene Frau nicht schwer gewesen sein, den Laden zu identifizieren. Dessen Besitzer bestreitet jedoch, der Verfasser der E-Mails zu sein. Er stelle den Computer seinen Kunden zur Verfügung und sei für deren Aktivitäten nicht verantwortlich. „Ich weiss von dem Post nichts da im Lokal mehrere Leute den PC nutzen und dies irgendwer geschrieben hat!!!“ Dem PC-Besitzer zufolge war der Verfasser der obszönen E-Mails also „irgendwer“. Der Mann griff zu einer List wie einst Odysseus bei den Zyklopen, nur dass sein Gegner kein furchteinflößender Riese war, sondern eine eher schmächtige Frau, die Zudringlichkeiten und Drohungen von „irgendwem“ über sich hatte ergehen lassen müssen. Die odysseische List ist unter heutigen, digitalen und virtualisierten, Bedingungen von einem mutigen Akt zu einem Sich-Drücken vor Verantwortung, also Manifestation von Feigheit geworden. Noch ein Unterschied: Die Politikerin ist ein bisschen klüger als der barbarische Zyklop. Was nicht heißt, dass sie bei dem – zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenen – Kampf gewinnen muss. Die Frau verwechselt die semantischen Kategorien nicht, sondern weiß, dass irgendwer jedermann sein kann,

eine Leerform, die man entweder gar nicht oder beliebig ausfüllen kann. Sie weiß, oder kann mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, um wen es sich wirklich handelt, eine konkrete Einzelperson mit dieser oder jener Geschichte. Für diese Person ist es ein Leichtes, sich in der Anonymität des Internets zu verstecken. Man kann ihr nichts nachweisen. Man kann nicht beweisen, dass der Josefstädter Ladenbesitzer der Verfasser jener E-Mails ist. Nimmt man seine Rechtfertigung jedoch ernst – und die Gesellschaft, die Gerichte und ein Großteil der „User“ mit ihren PCs und Smartphones tun das –, können die in Rede stehenden Postings von einem Mann, einer Frau oder auch von einem oder mehreren Minderjährigen abgeschickt worden sein, die sich dumme Späße erlaubten. Da es sich um eindeutig sexuelle Belästigungen handelte, spielt die Frage nach der geschlechtlichen Identität des Absenders eine gewisse Rolle. Vom Mainstream abweichendes sexuelles Verhalten gab es immer, überall. Heute scheinen die Abweichungen vom Mainstream aufgesogen worden zu sein. In der ortlosen Welt der Vernetzten werden alle Rollen und Handlungsweisen durchgespielt, alle Triebe ausgelebt, von den normal-verkorksten (wie im Fall unseres Irgendwer) bis zu den ungewöhnlichsten, brutalsten. Triebe stoßen hier auf keine Schranken, Affekte werden nicht kontrolliert. Probleme entstehen erst, wenn man die virtuelle Welt mit der realen, örtlichen Wirklichkeit einer Wiener Gasse oder Straße und einer Frau aus Fleisch und Blut kurzschließt. Besser, man hält sich von dieser Wirklichkeit fern, dann entstehen keine Probleme. Nicks „Ich ist ein anderer.“ Je est un autre. Berühmt werdende Sätze streifen mit der Zeit ihren Kontext ab. Der auf diesen folgende Satz lautet: „Wenn das Kupfer als Trompete erschallt, ist es nicht seine Schuld.“ S’éveiller heißt allerdings nicht „erschallen“, sondern „erwachen“, sein Übersetzer hat den poetischen, aus einem Brief des jugendlichen Dichters Rimbaud stammenden Satz „normalisiert“. Liest man ihn mit der Bedeutung „erwachen“, ist man vielleicht


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an Kafkas Verwandlung erinnert. Ein junger Mann erwacht eines schönen Morgens als Käfer, und die ungewöhnliche Geschichte beginnt … (Rimbaud spricht in dem hier zitierten Brief dann vom Aufblühen seines Denkens, dem er sich gegenüber sieht. Was er beschreibt, ist nichts anderes als der schöpferische Akt, in dem Verwandlung seit jeher eine wesentliche Rolle spielt.) Ein anderer zu werden ist in der digitalen Welt keine Hexerei. Auf den diversen „sozialen“, jedenfalls interaktiven Seiten kann man jederzeit „Konten“ eröffnen, wie die Orte genannt werden, von denen aus ein „Nutzer“ sprechen und wo er in vielen Fällen auch Nachrichten empfangen kann. So ist es möglich, sich jederzeit eine neue, andere, zusätzliche Identität zuzulegen. Man wählt nicknames, lustige, traurige, dumme, kluge, nichtssagende … Jeder kann im Internet viele sein. Rimbauds berühmter Satz (in seiner üblichen Auslegung) ist, wie so vieles andere auch, von einer kühnen avantgardistischen Stellungnahme zur weithin vorherrschenden Praxis geworden. „Ich war’s nicht – es war ein anderer, ein anderes Ich.“ Ein Irgendwer. Manche der Kommunikationsplattformen, die in erster Linie als Selbstdarstellungsbühnen dienen (die mit dem Real-Ich oft gar nichts zu tun haben), fordern von den Nutzern, sich mit ihren richtigen Namen vorzustellen und einzutragen. Die Versuche, Identitäten auch zu prüfen, sind halbherzig oder unterbleiben ganz; flächendeckend lässt sich das ohnehin nicht bewerkstelligen. Die Pseudonymität kann bekanntlich so weit gehen, dass sich Maschinen – Roboter, auch „Bots“ – als menschliche Personen ausgeben, die ihre Stimme zu Gehör bringen wollen. Es liegt an der Struktur dieser Medien, dass der Manipulation, nicht zuletzt der politischen, Tür und Tor geöffnet ist. Aus diesem Grund besteht eine besondere Affinität zwischen Verschwörungstheoretikern, Populisten und – schlicht und menschlich gesprochen – Lügnern, Betrügern. Ich selbst schätze an den Internetforen, dass sie es erlauben, auf unmittelbare Weise und in einem früher undenkbaren Ausmaß die Volksseele zu studieren. Ich lese nicht nur, sondern äußere mich hin und wieder in solchen Foren, aber nur unter dem Namen, den ich seit meiner Geburt trage. Ich bin für jedermann identifizierbar. Ich bin nicht irgendwer. Sollte mich jemand danach fragen, würde ich ihm unter Umständen auch meine (reale) Adresse mitteilen. Wenn ich dieses Verhalten in den Foren als allgemeine Regel vorschlage, ist der erste

Einwand, den ich zu lesen bekomme, die Angst; der zweite, eng damit verbunden, die Demokratie. Diese User meinen, wenn sie sich unter ihrem echten Namen – „Klarname“, noch so eine seltsame Wortschöpfung – zu bestimmten Themen äußerten, würden sie Schwierigkeiten bekommen, die bis zu physischer Bedrohung und Verlust des Arbeitsplatzes gehen könnten. Sollten diese pseudonymen Nutzer tatsächlich glauben, was sie da schreiben, müsste ich mir ernstlich Sorgen um den Zustand der Gesellschaft, in der wir leben, machen. Man darf also nicht offen sagen, was man denkt? Es herrscht keine Redefreiheit? Oft im selben Atemzug wird das „Posten“ mit demokratischen Wahlen verglichen, die bekanntlich geheim sind. Aber eine solche Wahl ist etwas ganz anderes als ein Gedankenaustausch. Wenn ich die Identität meines Gesprächspartners nicht kenne, ist er nicht verantwortlich für das, was er von sich gibt. Eigentlich sollte ich ihn nicht ernst nehmen; strenggenommen werde ich von ihm niemals eine Antwort erhalten. Internetkommunkation in der gängigen Form ist Scheinkommunikation. Natürlich bilde ich mir im Verlauf von solchen Gesprächen eine Vorstellung davon, wie der Mann oder die Frau oder das Kind „wirklich“ sein mag. Aus seiner Art zu sprechen (d. h. zu schreiben) glaube ich, Schlüsse ziehen zu können. Ab und zu gibt mir mein virtuelles Gegenüber auch Hinweise, damit ich wenigstens eine Ahnung von seinen realen Lebensverhältnissen erhalte. Trotz allem herrscht dabei die Spekulation vor. Verdächtigung und Gerücht gehören neben der Selbstdarstellung zu den hauptsächlichen Gesprächsmodi in den Kommunikationsmedien des Internets. Setzt man sich mit derlei Pseudonymen bzw. Pseudopersonen auseinander und versucht, multiplen Identitäten nachzugehen, stellt sich heraus, dass neben denen, die sich mehr oder weniger wie im wirklichen Leben äußern, auch noch die sind, die Gelegenheit nützen, die Sau rauszulassen, die in ihnen steckt, oder sich selbst in Möchtegernform darzustellen (da ja niemand die Realität checken kann). Wenn einer mehrere nicks und accounts besitzt, unterscheiden sich die durchscheinenden Identitäten wenig, und die Ausdrucksweise ändert sich überhaupt nicht. Am Ende ist es doch gar nicht so leicht, ein anderer zu werden. Verkleidungen allein sind rasch durchschaut. Freilich, im Internet, wo Unmengen von Nachrichten, Kommentaren und Dummheiten zirkulieren und die „Rezeption“, wenn man sie überhaupt noch so nennen will, äußerst flüchtig ist, fällt das alles in der Regel niemandem auf. Der User, der seine


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Stimme(n) für weltbewegend hält, in Wahrheit aber gar nicht wahrgenommen wird, kann getrost Befriedigung aus der Scheinkommunikation ziehen. Erich Seit ich Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Erzählung Bitumen schrieb, kommt mir immer wieder die merkwürdige Verbindung von Er und Ich zum recht gebräuchlichen Vornamen Erich in den Sinn. Eine Person, die zugleich Ich und Er ist, damit lässt sich literarisch alles mögliche anstellen. Eine Figur kann mehrere Figuren sein, wie z. B. in Hofmannsthals Romanfragment Andreas oder Die Vereinigten, wo Mariquita einmal als Facette Marias erscheint, dann wieder als andere, eigenständige Person. Im wirklichen Alltag sind solche Schwankungen selten, außer bei psychisch Kranken. Wenn wir uns vor den Spiegel stellen, um uns zu rasieren oder zu schminken oder den Bart zu stutzen, kommen wir gewöhnlich nicht auf den Gedanken, wir könnten nicht wir sein. Allenfalls gibt der Blick in den Spiegel einem in die Jahre gekommenen Menschen Anlass zur Überlegung, ob er in jungen Jahren nicht doch ein anderer war: frischer, attraktiver usw. Er wird sich sagen, dass es trotz allem so etwas wie eine Einheit des Lebens gibt, in der sich die verschiedenen Phasen sinnvoll aufeinander beziehen. So gesehen ist Ich kein anderer, er wird ein anderer. Auch wenn das in bestimmten Situationen ziemlich plötzlich geschehen kann. Im Grunde genommen ist Nietzsches Imperativ „Werde, der du bist!“ der Rimbaudschen Formel verwandt. Der Akzent liegt auf dem Werden; die Aufforderung impliziert, dass ich (noch) nicht der bin, der ich bin. Das heißt dann aber: Werde nicht irgendwer, also kein beliebiger anderer, sondern der eine, dessen Persönlichkeit in dir angelegt ist. Entfalte dich! Wir sind mit diesen wenigen Überlegungen ins Zentrum jahrhundertealter Gespräche über Ethik und Entwicklungspsychologie gelangt. Erstens, wie ist es mir möglich, den anderen, meinen Mitmenschen, zu verstehen und in einen Austausch mit ihm zu treten? Zweitens, wie ist es möglich, dass ich von einem Ich zu einem anderen Ich, von einer Phase zur nächsten fortschreite, von einem kindlichen zu einem jugendlichen zu einem erwachsenen Ich, aber auch, in ein und demselben Zeitraum, von einem ernsthaften Firmenmitarbeiter zu einem leidenschaftlichen Liebhaber oder

einem unbekümmert mit seinem Kleinkind spielenden Vater? Ist der umgängliche Gewerbetreibende in der Josefstadt derselbe wie der einsame Mann (oder Familienvater), der gewaltschwangeren sexuellen Phantasien nachhängt? Im Extremfall: Sind Dr. Jekyll und Mr. Hyde wirklich dieselbe Person? Oder auch: Wie kann ein so langweiliger Mensch so spannende Bücher schreiben? Es geht mir hier nicht um Antworten, die es auf derlei Fragen sehr wohl gibt. Was mich und, wie ich hoffe, auch andere beunruhigt, ist, dass sie immer weniger gestellt werden. Die leichte Verfügbarkeit und der flüchtige Gebrauch von Identitäten scheint dauerhafte Ich-Zuschreibungen, also Ensembles von Eigenschaften und Fähigkeiten, die man sich erst einmal aneignen müsste (was nicht ganz ohne Mühe vonstattengehen kann), tendenziell überflüssig zu machen. Ich Auf die Gefahr hin, als „guter Mensch“ zu erscheinen – niemand hat in unseren Zeiten eine schlechtere Presse als die Figur des guten Menschen – möchte ich hier alten Tugenden wie Aufrichtigkeit und Verantwortungsbewusstsein das Wort reden. Und auf die Gefahr hin, als konservativ zu gelten – nichts ist suspekter als das Bewahrenwollen –, plädiere ich für Kohärenz, was angesichts multipler Existenzweisen in virtuellen Welten vor allem bedeutet, realitätsbezogenes Vorstellungsvermögen zu entwickeln, zu stärken, zu bewahren. Meine Handlungen haben Folgen, Auswirkungen, und sie können Gegenhandlungen, Reaktionen, Rückstöße hervorrufen. Wenn ich jemanden erschieße, ist er tot. Oder nicht? Wenn ich jemanden liquidiere, komme ich ins Gefängnis. Oder? Und auch, wenn ich jemanden verbal bedrohe, muss ich mit einer Strafe rechnen. Nein? Das sind Extrembeispiele. Tatsächlich bin ich in jedem Augenblick verantwortlich für meine Umwelt, für den anderen, für jeden in meiner Reichweite befindlichen Menschen (auch wenn er, wie ich, für sich selbst verantwortlich ist) und selbst für Dinge, für Tiere, für das Ganze. Noch für die Zukunft bin ich verantwortlich, und für das Getane oder Unterlassene. Die Wahrnehmung solcher Verantwortlichkeit ist aber nur möglich, wenn die Einheit der Person – und das heißt, ihres Lebens – gewahrt bleibt, ganz gleich, wie viele Namen oder Identitäten einer – immer noch Einer! – sich zulegt. Die Rede von den 2052 Ichs hat etwas Leichtfer-


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tiges, oder Bedrohliches, weniger für die anderen als für das Ich. Jede Vielfalt ohne Faltungsinstanz, jede Pluralität ohne Immanenzplan führt zu einem Atomismus, einer Zersplitterung, die nicht mehr vermittelbar ist, und in der Folge zu Gewalt nach innen, gegen das Pseudosubjekt, oder nach außen, gegen jene, die für die Ich-Misere verantwortlich gemacht werden. In einem Zeitungskommentar zu unserem anonymen Josefstädter Geschäftsmann stand zu lesen, dem Mann und Seinesgleichen müsse begreiflich gemacht werden, dass er nicht nur für reale Worte und Gesten verantwortlich ist, sondern ebenso für digitale, scheinbar „nur“ virtuelle, im Internet geäußerte. In der Tat scheinen das viele „User“ nicht zu begreifen, und zwar nicht nur in Fällen, wo sie andere beleidigen oder schädigen, sondern auch dann, wenn sie selbst die Leidtragenden sind, indem sie private Dinge öffentlich machen, die sie im wirklichen Leben aus Gründen der Scham für sich behalten würden. Solche Kommentare und Ermahnungen sind ehrenwert, es fragt sich jedoch, ob sie den Sachverhalt treffen. Im Internet kann im Unterschied zum wirklichen Leben jeder privat und öffentlich auftreten, als Ich und als anderer. Die Scham schmilzt dahin, das Ich verzieht sich, ein anderes Ich oder das sogenannte Es tritt an seine Stelle; was „ich“ tue oder „es“ tut, spielt keine Rolle, betrifft mich im nächsten Augenblick nicht mehr. Meine Handlungen sind von mir abgeschnitten, zwischen ihnen besteht keine Kontinuität, nur eine kryptische, sprunghafte timeline oder history. Es liegt an den Personen, den Bürgern, cityoens, wie man sie früher einmal nannte, dass sich unverantwortliches Verhalten breitmacht; es liegt aber auch und vor allem an den technologischen Kommunikationsmechanismen, die das Prinzip Verantwortung aushöhlen bzw. überflüssig erscheinen lassen. Aus diesem Grund greifen Gesetze, die für die reale Welt entworfen wurden, bei digital-virtuellen Handlungen nicht so recht. Nicht nur dämliche Irgendwers, auch bekannte Politiker reden sich nach zweifelhaften Äußerungen gern darauf hinaus, es sei alles nicht so gemeint gewesen, man habe den Ironie-Button zu drücken vergessen, die Äußerungen seien als Satire zu verstehen. Lügen wird ohnehin als Teil legitimer PR-Strategien allgemein akzeptiert. Die im Internet gängigen Praktiken höhlen nicht nur das Verantwortungsbewusstsein aus, sie torpedieren ebenso das aus prädigitalen Zeiten stammende Kriterium (und das Streben nach) Wahrhaftigkeit. Letzten Endes gilt nur

noch eines: ICH kann sagen, was ICH will. Dieses Prinzip wird oft, und manchmal vorsätzlich, mit Freiheit und Demokratie verwechselt. Aber wer ist ich? Noch einmal diese Frage. Und die konservative Antwort, die in der technologischen Moderne und, wenn nötig, gegen sie aufrechtbleiben soll: Ich bin ich, indem ich werde, was ich eigentlich bin. Durch Vielfalt und Erweiterung zur Einheit. Und wieder zu diesen, Erweiterung und Vielfalt, zurück. Wie die Herzpumpe, Systole und Diastole. Auch mit meinen Trieben muss ich so umgehen, dass ich mich im Spiegel anschauen, d. h. als Ich erkennen kann. Das Internet hält mir keinen Spiegel hin. Es funktioniert nicht analog, sondern digital, ständig springend. Es hält niemals inne. Immerhin, man kann es ausschalten. Sich zeitweilig abwenden. Man muss sein Leben – oder die „Freizeit“ – nicht im Netz verbringen. Etwas und jemand werden, das kann man nicht mit dem Display vor Augen. Die auf digitale Medien fixierten pädadogischen Konzepte sind allesamt zum Scheitern verurteilt. Wenn es ums Ich-Werden geht, zählt der Mensch: ich und die anderen. Conchita In meiner Jugend verachtete ich den sogenannten Eurovision Song Contest. Als 1974 ABBA gewannen, wurde mir die Band noch unsympathischer. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet, die Intellektuellen dürfen vor dem Fernseher und in Internetforen ihre Ironielust ausleben, hinter der sich das Verlangen nach seichter Unterhaltung und geistiger Entlastung recht und schlecht verbirgt. Vor einigen Jahren wurde ein Homosexueller, der sich Conchita Wurst nannte und als Frau mit Vollbart auftrat, über Nacht zum österreichischen Volkshelden, indem er den Contest gewann. Er stieg auf wie ein Phönix (so der Titel des siegreichen Songs). Austria number one! Ein katholischer Priester, der sich als Theologe einen Namen gemacht hatte, ließ sich von der Pop-Euphorie anstecken und meinte, in der kommerziellen Show eine „religiöse Inszenierung“ zu erkennen, eine Art neumodernes Mysterienspiel. Die minderheitenfreundlichen Grünen hatten den schwulen Künstler schon vorher hofiert – von Politikern erwartet man ohnehin nichts anderes, als dass sie mit den Wölfen heulen oder, noch besser, dem Geheul zuvorkommen, indem sie Trends aufspüren lassen. Homosexuell zu sein ist im kaum noch katholischen


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Österreich keine Schande mehr. Im Gegenteil, viele finden das cool, Homophobie scheint es nur noch unter ewiggestrigen Muslimen zu geben: ein Grund mehr, ihnen mit Misstrauen oder Ablehnung zu begegnen. Mann mit Bart? Kein Problem! Geschlechtswechsel? Ist mir egal. Kunstfigur? Wunderbar! Jeder will so ein Selbst-Künstler sein, in Youtube oder Facebook darfst du dich nach Belieben gestalten. Können musst du nichts, die Musik und das Bühnenbild kommen ohnehin aus der Konserve. Das multiple Ich, einst Galionsfigur der literarischen Avantgarde, ist zum Sinnbild des digitalen Mainstreams geworden. Conchita – ein im gegebenen Kontext heimlich obszöner Name – ist in Wahrheit gar kein Transvestit. Aber darum geht es nicht, es ist ja nur Spiel, Showbusiness, Verkleidung. Cosplay. Die ESC-Inszenierung spiegelt dich und mich. Das Drama der Homosexualität, von Jugendlichen aller Generationen immer wieder durchlebt, von Autoren wie Yukio Mishima beschrieben, ist trivial geworden. Seine force contestataire hat es längst eingebüßt. Die Identitätszweifel vieler Jugendlicher und die damit verbundenen Leiden bestehen trotzdem fort. Ein armes Schwein Auch der Josefstädter Ladenbesitzer (alias Irgendwer) ist so ein Künstler. Freilich, wir kennen seine Identität, die eine und einzige. Nicht nur ich, auch andere („User“) sind auf die Idee gekommen, sich seine Sprache genauer anzusehen. An seiner Schreibweise sollst du ihn erkennen. Dazu musst du kein Linguist, kein Stilkundler sein. Vor Gericht werden nur Experten angehört, doch bei einem mäßigen Künstler wie diesem ist es nicht schwer, zum Ergebnis zu kommen. Neben dem Wortgebrauch verraten ihn die drei Rufzeichen hinter gewissen Sätzen, und erst recht der taktische Fehler, sie gelöscht zu haben – als währte die history, jede history, nicht ewig! Der Mann ist, wie wir von Anfang an vermutet haben, der Mann. Und wie jedermann / jedefrau wird er zuweilen, vielleicht sogar täglich, ein Opfer – ja, auch er, der Täter! – seiner Triebe, die er im wirklichen Leben vermutlich nicht recht ausleben kann. Deshalb der aggressive Ton, die Vergewaltigungsphantasie. Oder pflegt er mit seinen Drohungen ernstzumachen? Vermutlich nicht. Ein Möchtegernvergewaltiger, das ist er. Ein armes Schwein. Die Postings verraten einen aggressiven Charakter, und gleichzeitig Sexualnot (beides geht oft miteinander ein-

her), ein in der neoliberalen Gesellschaft verbreitetes Phänomen, das Michel Houellebecq in seinem Roman Ausweitung der Kampfzone beschrieb. Prostitution und Sextourismus, meinte Houellebecq seinerzeit, vor der Jahrhundertwende, könnten Abhilfe schaffen. Das Internet war damals noch in den Anfängen; heute werden solche Nöte wenigstens teilweise von den pornographischen Seiten gelindert, die aggressiven Charaktere ruhiggestellt. Auch aus diesem Blickwinkel kann man unserem Irgendwer in der Josefstadt wieder den Vorwurf machen, er habe die virtuelle und die reale Welt fahrlässig vermischt. Wärst du doch bei deinen digitalen Pussys geblieben! Was musst du auch auf die Gasse gucken! Wo die Bildschirmbilder doch viel spannender sind! Die Figur des Er-Ich, die mich seit jeher fasziniert, hat einen nahen Verwandten, den ich Es-Ich nennen möchte. Auch er ist ein Doppelgänger, Er und Es kommen selten allein. Dass im Inneren dieses seltsamen Wesens ständig Kämpfe stattfinden, versteht sich unter aufgeklärten Bürgern des 21. Jahrhunderts von selbst. Neu – relativ neu – ist, dass jedermann / jedefrau über technologische Medien verfügt oder verfügen kann, die das Es entfesseln und zugleich den Schein wecken, das Ich habe noch Macht über die sogenannte Identität und den Verlauf der Dinge. Was heute tagtäglich millionenfach geschieht, ist das Rauslassen und Wüten der Sau – natürlich nicht nur der sexuellen, auch der Sau der Empörung, des Gezeters, der Destruktivität. Richtig verstanden und recht gebraucht, ohne fahrlässige Verwechslungen und Vermischungen, wird das Internet mit seiner virtuellen Sozialität die Gesellschaft in längerfristiger Perspektive befrieden. Wir werden alle unsere Phantasien ausleben können, die dunklen wie die hellen, rund um die Uhr. Wir brauchen keine Zugehörigkeit, keine Identität, keinen Ort. Keine Heimat und keinen Lebenszusammenhang. Wir müssen einander nicht mehr nahetreten. Beleidigen, vergewaltigen, vernichten können wir virtuelle Figuren. Die Josefstadt ist (n)irgendwo. Aussichten Was ich hier skizziere, ist eine von zwei möglichen Entwicklungen. Die andere besteht darin, humanistische Richtwerte zu bewahren und mit den neuen Technologien in Einklang zu bringen. Quadratur des Kreises?


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An alle Bühnen der Welt Auf den folgenden Doppelseiten denkt Silke Otto-Knapp die Normalbühne von Kurt Schwitters weiter. Dazu hat sie einen Text geschrieben:

„Man setze riesenhafte Flächen, erfasse sie bis zur gedachten Unendlichkeit, bemäntele sie mit Farbe, verschiebe sie drohend und zerwölbe ihre glatte Schamigkeit. Man zerknicke und turbuliere endliche Teile und krümme löchernde Teile des Nichts unendlich zusammen. Glattende Flächen überkleben. Man drahte Linien, Bewegung, wirkliche Bewegung steigt wirkliches Tau eines Drahtgeflechtes. Flammende Linien, schleichende Linien, flächende Linien überquert. Man lasse Linien miteinander kämpfen und sich streicheln in schenkender Zärtlichkeit. Punkte sollen dazwischensternen, sich reigen, und einander verwirklichen zur Linie. Man biege die Linien, knacke und zerknicke Ecken würgend wirbelnd um einen Punkt.“ (Kurt Schwitters, An alle Bühnen der Welt, Schwitters V, 1919) Ein Ausflug zum Sommerhaus von Edvard Munch führte mich durch die Berge an der Westküste Norwegens, dorthin, wo Kurt Schwitters sich nach seiner Flucht aus Deutschland in den 1930er Jahren niedergelassen hatte. Die Landschaft inspirierte ihn zu zahlreichen, großteils kaum bekannten Bildern. Schwitters ist schon seit Langem eine wichtige Figur für mich – ich bin aufgewachsen im ländlichen Niedersachsen, nicht weit von Hannover, seiner Heimatstadt, in der er lebte und arbeitete, bis die Nazis ihn in die Emigration zwangen. Während meines Studiums in einer kleinen Stadt in der Nähe von Hannover verbrachte ich viel Zeit im Sprengel Museum, das neben vielen anderen Arbeiten des Künstlers eine Replik des Merzbaus und das Kurt Schwitters Archiv beherbergt. Vor ein, zwei Jahren stieß ich auf einige Entwürfe für Bühnenbilder, die Schwitters in den 1920er Jahren für die von ihm so bezeichnete Normalbühne geschaffen hat. Beeinflusst vom Pragmatismus und der Sparsamkeit des Konstruktivismus versuchte er, Bühnenbildelemente zu kreieren, die für jede Art von Text oder Produktion geeignet wären. Nach seiner Vorstellung sollten diese Requisiten und die für ihren Einsatz erforderlichen technischen Anleitungen in jedem Theater zur Verfügung stehen. In den Entwürfen finden sich abstrakte Formen wie Würfel, Kugeln, Kreise, Stufen,

Rechtecke, Quadrate etc., die zur Schaffung eines Bühnenraums genutzt werden, der mit räumlicher Tiefe und Illusion spielt. Manche Elemente sind flach, andere dreidimensional. Aus Schwitters’ Zeichnungen und Notizen geht hervor, dass diese Elemente sich auf einer beweglichen Bühne befinden sollten, wobei man sie mithilfe einer speziellen Konstruktion von oben zu unterschiedlichen Konstellationen kombinieren könnte. Alles, was sich neben den Skizzen noch zu diesem Thema finden ließ, waren ein kurzer Essay über die Normalbühne und eine Serie von Fotografien, die ein etwa zur selben Zeit entstandenes Modell zeigen. Das Modell selbst existiert wohl nicht mehr. In der einschlägigen Literatur zu Schwitters werden diese Bühnenbildentwürfe kaum je erwähnt, wenn überhaupt, dann meist im Zusammenhang mit dem breiter angelegten Projekt der Merzbühne, die als multidisziplinäres Gesamtkunstwerk gedacht war. Ausgehend von Schwitters’ Anleitungen und den noch vorhandenen Unterlagen, wenn auch auf Basis einer sehr freien Interpretation des Materials, habe ich im vergangenen Jahr ein großformatiges fünfteiliges Gemälde fertiggestellt, das frei im Raum stehend, wie Kulissen auf einer Theaterbühne, ausgestellt wurde. Meine kürzlich entstandene, als Bühnenbilder betitelte Serie von Collagen beruht auf demselben Konzept. Dafür habe ich alte Bilder – Aquarell auf Papier – verwendet und mit im Monodruck hergestellten Formen zu neuen Konstellationen kombiniert, die auf den Bühnenbildentwürfen von Schwitters basieren. Vielleicht ist der Grund für mein Bedürfnis zur Schaffung eigener Entwürfe und Variationen darin zu suchen, dass Schwitters’ Bühne niemals realisiert wurde, dass sie nur in Form von Erinnerungsstücken existiert. „Die normale Bühne Merz ist einfach, zeitgemäss, billig, stört nicht die Handlung, ist leicht zu verändern, unterstützt die Handlung durch Unterstreichen der beabsichtigten Wirkung, kann mitspielen, sich bewegen, passt für jedes Stück.“ (Kurt Schwitters, An alle Bühnen der Welt, Schwitters V, 1919)










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Marginaltexte (5) Standhalten

Mit dem Wort Marginalie wird gewöhnlich Nebensächliches bezeichnet, etwas am Rande oder an der Grenze einer Sache Liegendes. In Quart werden unter diesem Titel zentrale Texte über das Leben an der Peripherie neu veröffentlicht, die längst vergriffen oder nur schwer zugänglich sind, an entlegenen Orten aufbewahrt oder gar in Archiven verschwunden. Folge 5: ein Fragment aus dem unabgeschlossenen Romanprojekt „Scheinbare Nähe“ des 1982 mit 43 Jahren verstorbenen Osttiroler Autors Gerold Foidl.

Ich zögerte jedesmal mit der Rückkehr ins Stadtzentrum. Als wollte ich meiner veränderten Situation Rechnung tragen und zeigen, daß ich zum Teil ins Krankenhaus gehörte, wenn ich mich nach der täglichen Therapie im Café am Ausgang in den für Patienten reservierten Teil setzte, um mich auszurasten. Gegen Mittag brach ich auf, ohne mich beim Überqueren der Straße auch nur ein einziges Mal umzudrehen. Ein Gefühl feindlicher Abneigung drängte mich zum Gehen. Die Straße führte gleich zu Beginn über den Brauereihügel, die einzige und nicht sehr scharfe Steigung auf dem Weg in die Stadt. Trotz meines langsamen Schritts, nach wenigen Schritten der Husten, trocken, schmerzhaft, als würde die rechte Brustseite durch ein ausgefranstes, zu dünnes Brunnenrohr herausgedrückt. An den Schläfen pocht es stärker werdend, wie endlos lang ist dieses Stück Straßenanstieg. Kaum daß ich Schritt vor Schritt zu setzen imstande scheine, dreiundvierzig, kraftlos in den Knien, scheint zu versagen, worauf ich mich mehr als vierzig Jahre lang gestützt habe: mein Wille. Ich komme mir wie eine Karikatur vor, wenn ich versuche, mich diesen lächerlichen Hügel hinauf zu bewegen. Mehrmals bleibe ich kurzatmig stehen. Der Tumor wächst in die Bronchie und neigt dazu, sie wie ein Korken zu verstopfen. Ich bekomme dann kaum Luft, und das Erstickungsgefühl drückt den letzten Widerstand aus meinem kraftlosen, untergewichtigen Körper. Ein Gefühl der Erniedrigung ist es,

wenn ich torkelnd (trotz allem Bemühen) die Kuppe dieser lächerlichen Straßensteigung überschreite. Ich müßte diesen Weg nicht nehmen; könnte wie auf der Herfahrt mit dem Bus fahren. Aber es ist der Weg ins Stadtzentrum, vielmehr in jenen kleinen Teil davon, in dem ich die letzten zehn Jahre lebte. Wie in einem selbst gewählten Ghetto. Das Bild der Stadt ständig vor mir, wenn ich unter den Kastanienbäumen mich langsam den Kai entlang schleppe, erinnere ich mich leichter der Dinge, die – in Zusammenhang mit meiner Situation – mir jetzt noch wichtig scheinen. Die sich sonst wahrscheinlich im unbestimmbaren Dickicht von Tagen ohne Namen und Gesicht verloren hätten. Über eines denke ich bei jedem Rückweg nach: über meine veränderte Situation. Nicht daß es mir so wichtig erschiene, an nichts anderes mehr zu denken, wenn man weiß, daß man in absehbarer Zeit an Lungenkrebs sterben wird. Es ist etwas ganz Natürliches, das man nach kurzer Zeit, wie man auf so ein Ereignis eben vorbereitet ist, leidenschaftslos betrachten kann. Deshalb auch quäle ich mich Tag für Tag den Hügel herauf, erlebe meine Begrenztheit und dann wieder meinen Willen. Wenn ich der Stadt zugehe, denke ich oft: ICH WERDE ES HINTER MICH BRINGEN DURCH STANDHALTEN! Am Anfang, sobald man den ersten Schock des angekündigten Todes verdaut hat, ist es noch verhältnismä-


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ßig leicht, Widerstand zu leisten. Man kann Hoffnung fassen und aus Unkenntnis, wie es tatsächlich um einen steht, glauben, schließlich werde sich doch noch alles zum Besseren wenden. Nach einigen Wochen, wenn man sich an das Bewußtsein, in absehbarer Zeit sterben zu müssen, gewöhnt hat, kommt einem sogar die Zeit, die später so unerbittliche, zu Hilfe. Man wacht täglich mit dem Gedanken an einen frühen Tod auf. Die erste Zeit von Angst oder heftigem Unbehagen begleitet – und wie bei allem, das sich zu häufig wiederholt – bekommt man es nach einiger Zeit satt, sich mit ständig denselben Angelegenheiten herumschlagen zu müssen. Alles wird getan, es in den abgelegensten Teil der Gedankenfabrik zu verbannen, und eines Tages stellt man verblüfft fest, daß man den Gedanken an einen frühen Tod vergessen hat oder sich nicht vorstellen kann, als wäre es ein ausgeblichenes Bild. Dies alles setzt natürlich einen beschwerdefreien Körper voraus, der nicht dauernd Signale aussendet, aufmerksam auf sich macht, daß hier ein Körper im Begriff ist, wie ein Steinhaufen zu zerfallen. Ähnlich wie beim Alleinsein ist es; wenn man tagelang in Einsamkeit gerät, ohne sich wirklich das beängstigende Gefühl der Verlassenheit erklären zu können. Man spürt dabei die häufiger wiederkehrende Versuchung zu resignieren, allen Sinn von sich zu weisen und – wenn man schon geneigt wäre, dem nachzugeben – das Gefühl der Scham. Manchmal bedarf es des fast vollzogenen Selbstverrats, um wieder die Kraft zu finden, weiter standzuhalten. Wenige, schmerzvolle, über längere Zeit anhaltende Attacken machen schnell alle Hoffnung zunichte. Ein guter Freund riet mir ab, offen darüber zu sprechen. Es würde das Verhalten der Leute mir gegenüber schlagartig verändern. Als Reaktion würden sie mir Mitleid entgegenbringen. Ich würde in Zukunft nicht mehr unterscheiden können, welches Gefühl mir entgegengebracht wird. Er sagte es zwar nicht, befürchtete aber wohl doch, jetzt, im Klaren über einen baldigen Tod, werde ich plötzlich ge-

fühlsanfällig, und aus Andeutungen entnahm ich, daß er volles Verständnis habe, wenn ich mich so verändere. Ich hatte mit ihm das erste umfangreiche Gespräch über meine neue Situation. Wenige Tage nachdem ich den mich behandelnden Stationsarzt so lange unter Druck setzte, bis er mir sagte, was mir wirklich fehlt. Vier Monate versuchten sie mir weiszumachen, es sei eine verschleppte Lungenentzündung. Behandelten mich dabei aber mit Präparaten, die bei Berührung sofort ein Loch in den Fußboden ätzten. Aber die Ärzte schwiegen sich aus. Ich brachte für Leute, von denen ich mich getäuscht fühlte, kein Verständnis auf. Fragte nicht nach Ursache oder deren Rechtfertigung. Für mich zählte nur mein Rechtsanspruch, die Wahrheit über mich zu erfahren. Mir war die Überlegung fremd, jemand könne mir aus Rücksichtnahme auf mich etwas verschweigen. Ich versuche jetzt öfter zu ergründen, was andere zu ihrem Handeln bewog. Schwer fällt mir immer noch zu akzeptieren, daß sie Absichten haben, die anders als meine Ansichten sind. Aber die Monate mit der Krankheit haben mich verändert. Erstmals bin ich bereit, selbst Opfer zu bringen, um mit anderen eine faire persönliche Beziehung zu unterhalten. Früher lebte ich wie in einem unsichtbaren Gefängnis, nicht mehr fähig, andere zu verstehen. Das war ein nicht wiedergutzumachendes Versäumnis. Dazu stehe ich. Noch sage ich nicht, daß ich es bereue, weil ich mich noch zu sehr als Opfer der anderen fühle. Häufig überkommt mich Angst und läßt mich zögern, etwas beizutragen, um auf einen anderen zuzugehen. Gesichter tauchen auf, ich stürme vorwärts, unbändig auf der Suche nach Zuneigung, im Lauf renne ich an eine unsichtbare Mauer, werde von einer Riesenfaust zurückgeworfen, ein Loch tut sich auf, mit jedem Mal verstumme ich mehr, am ganzen Körper fühle ich mich zerschlagen und halb benommen hämmert es oben: standhalten, standhalten. In einer Seitengasse strahlt ein Scheinwerfer ein Schild an. Das CAFÉ hat der Besitzer einfach und einpräg-


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sam das Lokal genannt. Auf den Gehsteigen sitzen einzelne Gruppen junger Mädchen und Burschen. In einer rauchen sie zusammen einen Joint. Schwacher Lichtschimmer fällt auf das glitschige Kopfsteinpflaster. Drei magere Hunde kläffen, jagen einander. Sie gehören zu den abgerissenen Gestalten am Gehsteig, die aneinander lehnen und sich nicht um das Hundsspiel kümmern. Die Gasse ist verrufen; zweihundert Meter weiter ist eines der drei Puffs, die es in der Stadt gibt. Gleich anschließend sind einige Animierlokale. Die Gegend hat bei den Bürgern, die auf Etabliertsein Wert legen, den Ruf einer Ecke, wo sich der Abschaum und das Gesindel trifft. Leute, die auf ihren Ruf bedacht sind, vermeiden es, hier gesehen zu werden. Jedenfalls nachts. Es kursieren die wildesten Gerüchte in der Stadt, was das Café anlangt. Es sei ein Treffpunkt der ganzen Linken, Kommunisten und sonstigen Anarchisten; die vielen tachinierenden Studentinnen, die sich dort herumtrieben, seien leichte Beute, manche richtige Huren; am ärgsten seien aber die Rauschgiftsüchtigen. Es sei ein richtiger Umschlagplatz für das Gift. Es empören sich hauptsächlich Leute über das Café, die ich noch nie in dem Lokal gesehen habe. Ursprünglich war es nur ein dreistufiger Gewölbeschlauch; mit einigen Kaffeehaustischen und einer langen Theke. Da war ein Gelegenheits-Filmschauspieler noch in dem Geschäft drin, der aus dem schmalen Schlauch ohne Entlüftung ein Künstlercafé machen wollte. Die Ober zogen ihre Smokings aber bald aus, und Studenten, die um fünfundzwanzig Schilling die Stunde arbeiteten, übernahmen den Job. Der jetzige Besitzer spekulierte von Anfang mit der Jugend, die hier ein Lokal vorfände, wo sie sein könnte, wie es ihr gefiele. Sogar der Glasbruch war in den Preisen inbegriffen und es gab kein Gezeter, wenn einer einmal einen Tisch abräumte. Später kam noch ein hinterer Raum dazu, und es sah eine Zeit lang aus, als ziehe das legere, aber seriöse Leute an. Ich gehe täglich hin. Warte zuhause die Neunuhrnachrichten ab und mache mich dann die Gasse hinunter auf den Weg.

Die ersten Monate, nachdem ich um meine Krankheit wußte, schien mir, als ließe sich durchaus mit dem Todesbewußtsein leben. Die Gewißheit auf eine absehbare Endzeit hin gab mir sogar eine gewisse Festigkeit. Ich war der Meinung, mich in einer durchaus erträglichen Lage zu befinden. Ich rechnete damit, in eineinhalb bis zwei Jahren abgehen zu müssen. Natürlich bleibt dieser Zustand nicht bis zum Ende, sagte ich mir oft vor, besorgt, mir Hoffnungen zu machen, die sich dann als jeder Grundlage entbehrend herausstellen könnten. Aber angenehm und anregend war diese Zeit über das Gefühl, selbst über mich bestimmen zu können. Gegen die Chemotherapie, zu der ich alle drei Wochen ins Krankenhaus mußte, entwickelte ich eine immer stärkere Abneigung. Der Geruch der Flüssigkeiten schnürte mir die Kehle ab, so daß mich häufiger werdende Hustenanfälle erfaßten. Mehrere Tage, wenn es wieder so weit war, ging mir die Kontrolle – bei der sonst noch ein Blutbild und ein Lungenröntgen gemacht wurde – nicht aus dem Kopf. Vielleicht empfand ich die ständig wiederkehrende Angst nur, weil man mich die erste Zeit nach der Entlassung getäuscht hatte. Weil kein Arzt mir gesagt hatte, was mir wirklich fehlt, obwohl ich mehrmals sehr heftig eine Antwort forderte, und jeder sich in ein unverbindliches Geplauder zu retten versuchte, wenn man fragte, wozu diese merkwürdig scharfen Chemikalien in der Therapie wirklich dienten; die bezeichnenderweise AO-Spritzen genannt wurden. Der Anfang war getan, dem Ende fühlte man sich nah. Ich konnte meinen Arzt, zu dem ich ein freundliches Verhältnis unterhielt, nicht zum Auflassen seiner Geheimniskrämerei bewegen. Es war klar, einem Arzt konnte man ohne Skepsis nicht gegenübertreten. Doch sonst belastete mich die erste Zeit nichts, was mit der Krankheit zusammenhing. Die Zeit bis zu meinem Ende konnte ich mir nicht als Zukunft vorstellen. Zu erwarten war nichts. Ich hatte mir vorgenommen, bis zum Schluß durchzuhalten.


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Dessen ich mir plötzlich nicht mehr sicher war. Ich hatte mir mit stoischer Ruhe das Todesurteil angehört. Obwohl Primar wie Stationsarzt sich zu keinen Schätzungen herbeiließen, wieviel Zeit mir noch zum Leben bleibe. Das war in dieser Situation ein völlig belangloser Punkt. Doch der Zeit entkam man nicht. Je alltäglicher der Gedanke wurde, daß man jetzt endgültig auf das Ende zulebe, desto heftiger fühlte ich mich zur Rechtfertigung über mein Tun und Handeln, Unterlassen, Versäumen in den dreiundvierzig Jahren bisheriger Lebenszeit gedrängt, die eine unvorhergesehene Entwicklung zur plötzlich abgeschlossenen Epoche meiner Vergangenheit werden ließ. Nichts mehr ändern können. Sich so stellen müssen und nichts dem übermächtigen Schuldgefühl des Gescheitertseins entgegensetzen können, zu dem ich mich erstmals bekannte. Kein: vielleicht ergibt sich was, man wird sehen, noch ist Zeit zu hoffen, ich habe noch etwas vor mir. Damit war es jetzt aus. Ich sprach mit dem Stationsarzt nicht darüber, weil ich befürchtete, er verstehe mich nicht. Es hätte nichts genützt, mich jemandem anzuvertrauen, der mir dann Vorwürfe machte, ich dürfe nicht so pessimistisch sein. Blieb mir jetzt anderes übrig als die Kräfte zu sammeln, um möglichst lange hinauszuschieben, zu zerfallen wie ein aufeinandergeschichteter Haufen Steine? Um gegenüber einer Gefahr, von der man wußte, daß man ihr unterliegen würde, so lange als möglich zu bestehen, daß man bis ins letzte, unaufhaltbare Stadium des schrittweisen Ausgelöschtwerdens die Achtung vor sich behielt, das mußte die einzige Art sein, wie man wirksam standhalten konnte. Dazu bedurfte es gelassener Nüchternheit, einer Hoffnung, die nicht zu hochgeschraubten Erwartungen verleitete. Ist es einmal Tatsache, daß man sich auf dem Weg zum Ausgelöschtwerden befindet, ist man auf jedem Schritt von Angst und Überraschtwerden bedroht. Und doch ist jeder Tag, an dem man noch einmal vom Tod verschont blieb, wie eine Aufforderung, daraus etwas zu machen. Woher nähme jemand das Recht, Tage mit der

Endgültigkeit des Todes zu vermauern, einer, der sich dauernd einredet, ihm standhalten zu wollen? Viele Leute überholten mich. Ich drückte mich in den Schatten der Kastanien, während ich gedankenversunken den Kai entlang schlurfte. Gelegentlich hielt ich Ausschau nach den Stockenten und Schwänen, die den Fluß hinabpaddelten. Eine braune Lache, die sich herabwälzte, verunstaltet von den Abwässern einer Papierfabrik und anderer Betriebe. Achtlos ging ich an den leeren Bänken vorbei. Nicht hier niedersitzen. Bald war es so weit; über den Steg noch und das Stückchen Allee auf der anderen Seite hinauf. Ein Tisch würde frei sein auf der Terrasse des Café Central, meines Stammcafés. Vielleicht ergab sich, daß ein Bekannter sich zu mir setzte und wir ins Gespräch kamen. Man konnte über alle diese Anstrengungen offen reden. Das war mein Beitrag zum Standhalten. Vielleicht machte es dem einen oder anderen Mut gegen den Tod. Auch wenn es nicht mehr war, als daß einer erstmals über Dinge sprach, die er bisher als Tabu betrachtete. Mit einem Freund verließ ich lange nach Mitternacht ein Weinlokal, das wir Nichttrinker häufig besuchten, wenn wir uns vorher in einem Café trafen. Gut gelaunt trat ich in die laue Nachtluft, lachte über einen pleite gegangenen Neureichen; es hob mich plötzlich, ich fiel in den Husten ein und erschrak. Auf dem Asphalt zerfloß eine große Lache schaumigen, dunklen Blutes. Ob es wohl wahr sei, stierte ich den schwarzroten, sich zäh und langsam verteilenden Bächen nach. Als beruhigte es die tief in mir sitzende Betroffenheit, lachte ich zu einer Handbewegung, die den Vorfall als Bagatelle abtun sollte. Ich sei ganz weiß im Gesicht und solle besser gleich ins Krankenhaus fahren, sagte mein Freund. Nicht wegen jeder Kleinigkeit! Wir gingen weiter, hatten kaum die ansteigende Straße überquert, als ich neuerlich den Mund aufreißen mußte, um an dem nachfolgenden Schwall Blut nicht zu ersticken. Jetzt beginnt es also ernst zu werden. Die Schonzeit ist vorbei. Fast ohne Schmerzen, nur mit täglich steigenden


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Atembeschwerden. Wir gingen weiter und alle zehn, fünfzehn Meter mußte ich stehenbleiben, erlitt einen Hustenanfall und spuckte dazu Blut. Die rote Spur zog sich unsere Gasse hinauf, am Schluß nicht mehr als einige rote Markierungsflecken. Mein Freund wußte nicht genau, wie er mir am besten helfen konnte. Er wollte, daß wir nach Hause kämen, um die Rettung zu verständigen. Was ich ihm ausredete. Jetzt begann es also, und in immer kürzeren Zeitabständen würden immer größere Übel auf mich zukommen, das ließ sich nicht ändern. Aber freiwillig wollte ich nicht wegen jeder Geringfügigkeit, die einen anfangs beunruhigte, ins Krankenhaus. Um wie so viele andere, die ich bei meinem ersten Aufenthalt schon gesehen hatte, nur mehr als abgewrackter Körper in einem Bett zu liegen; auf nichts anderes als das Sterben ausgerichtet. So lange es nur ging, wollte ich Einfluß nehmen. Mich in meiner gewohnten Umgebung bewegen, um nicht die Vorstellung daran zu verlieren. Wie es bei Krankenhausaufenthalten häufig geschieht. Der Zugriff der Schimäre, es gäbe gar kein Draußen mehr, man solle sich nicht einbilden, man komme noch einmal hinaus, viel leichter mache man es sich, indem man akzeptiere, daß man nun nichts mehr zu erwarten habe, sollte mich gar nicht erst erreichen. Mir war kalt. Ich ließ mich von ihm aber nicht bis nach Hause begleiten. Selbst wollte ich nichts unterstützen, was mich noch schwächer machte. Ich fürchtete mich vor dem Zubettgehen. Eingefallen und weiß sah ich aus, mehr hergenommen von dem Vorfall, als ich zugeben wollte. Aber bei den weiteren Hustenanfällen kam kein Blut mehr nach. Meiner Meinung nach war eine kleine Ader, nein, nicht mehr als ein Äderchen konnte es sein, geplatzt. Das war alles. Wegen solcher Dinge brauchte man sich nicht aufzuregen. Aber der eigene Optimismus half wenig. Ich bekam immer weniger Luft, was das ständige Zunehmen des Erstickungsgefühls bewirkte. Bei den Kontrollen erwähnte ich diesen Zustand jedesmal und

betonte, daß mich das fast arbeitsunfähig mache. Wir saßen dann in einem der Untersuchungszimmer. Am Leuchtschirm steckten meine Röntgenaufnahmen. Der Arzt zeigte mir die ursprüngliche Geschwulst, mit einer Verschattung quer durch den ganzen Lungenflügel; die späteren Aufnahmen zeigten von Mal zu Mal eingrenzende Tendenz, und ich konnte dem Argument des Stationsarztes nicht widersprechen, daß dies ein Erfolg der chemotherapeutischen Behandlung sei. Meine Behauptung, der zunehmende Luftmangel sei für mich eigentliches Symptom meiner Krankheit, wurde wieder nicht zu meiner Zufriedenheit bestätigt. Ich erhielt aber zwei Packungen Ärztemuster eines neuen Medikamentes gegen Husten, mit eigenen Kapseln für Tag und Nacht. Auf dem Heimweg beschäftigte mich pausenlos der Gedanke, daß mein ständiges Befaßtsein mit der Krankheit, jedenfalls als Interessenschwerpunkt, meine Entfremdung von anderen Menschen noch fördern mußte. Wie konnte ich dem entgegenwirken, ohne mich anzubiedern. Ob viele begreifen würden, daß man mit einem Menschen, der so offen und vorbehaltlos über seinen bevorstehenden Tod sprach, über alles, von dem man bewegt wurde, sprechen konnte? Ob sich hier eine Möglichkeit zur Annäherung an Menschen ergab, ohne die Spielregeln der Gesellschaft zu befolgen? Es war die letzte Hoffnung für mich, doch noch etwas Positives ausweisen zu können. Ohne die eigene Position preisgeben zu müssen. Für die jahrzehntelange Verweigerung gegenüber allen Spielregeln der bestehenden Gesellschaft konnte ich mir zwar Konsequenz zugutehalten. Nichts aber erbrachte die Antwort, welchen Sinn dies gehabt habe. Mit diesem Bewußtsein wollte ich die Restzeit nicht abschließen. Es konnte eben niemand ohne andere leben; das war nicht mehr in Frage zu stellen. Auch von mir nicht. Zuerst erschienen in: Turnthaler 7/1982


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Besetzung

Gerhard Demetz, Bozen Wolkenstein / Gröden: Bildender Künstler. Besuchte die Kunstschule in Wolkenstein, Berufsschule für Bildhauer in Wolkenstein und St. Ulrich, Meisterbrief. Er unterrichtet 11 Jahre an der Bildhauerschule in St. Ulrich. Arbeitet seit 10 Jahren selbstständig in seinem Atelier in Wolkenstein. Arbeitet mit der Galerie Jack Shainman NY und Beck & Eggeling in Düsseldorf und hat dort jeweils drei Einzelausstellungen gemacht. Einzelausstellung im MACRO in Rom und mehrere Gruppenausstellungen in verschiedenen Museen wie Virginia Museum, Akron Museum, Crocker Museum, Bochum Museum usw. Wien: Freischaffender Schriftsteller. Seine Marko Dinić, Wien Kindheit und Jugend verbrachte er in Belgrad. Seit 2008 lebt er in Österreich. Er ist Obmann der Literaturplattform mosaik sowie Redaktionsmitglied der hauseigenen Literaturzeitschrift. Intensive Zusammenarbeit mit dem Friedensbüro in Salzburg zum Thema Identität im ehemaligen Jugoslawien. Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien u. a. in Kolik, Lichtungen und Lyrik im Anthropozän. 2016 war er für den Bachmannpreis nominiert. Hiroshima: unterrichtet dort an der Leopold Federmair, Wels gleichnamigen Universität. Schreibt Romane, Erzählungen, Essays, Literaturkritik und Übersetzungen. Buchveröffentlichungen zuletzt: „Wandlungen des Prinzen Genji“ (Roman, 2014) und „Ins Licht“ (Erzählungen, 2015). Gerold Foidl, Lienz Salzburg: Gerold Foidl war ein österreichischer Autor. Er wurde am 28. April 1938 in Lienz geboren und starb am 29. März 1982 in Salzburg. Seine Kindheit verbrachte er in Lienz. Als Erweckungserlebnis für seine spätere fiktionale Darstellung der Welt dient ihm das Kosakenmassaker in der Peggetz bei Lienz 1945. Nach Gymnasium und Handelsschule in Lienz war er in vielen Orten Österreichs in Zollämtern tätig. Nach einer Mexikoreise 1979 widmete er sich in Salzburg dem Schreiben und wurde 1980 Mitbegründer der Salzburger Autorengruppe. Nach diversen Aufenthalten in Lungenkrankenhäusern verstarb er im Sonderkrankenhaus Grafenhof und wurde in Kötschach-Mauthen beigesetzt. Sein Nachlass wird von der Schriftstellerin Dorothea Macheiner betreut. Publikationen u. a.: „Der Richtsaal. Ein Hergang.“ (1978), „Scheinbare Nähe.“ (edition suhrkamp, 1985). Martin Fritz, Rum Innsbruck: Autor und Literaturwissenschafter. Studierte Vergleichende Literaturwissenschaft und Deutsche Philologie in Innsbruck, hört sich in seiner Freizeit gerne DJ Patex’ Coverversion des Songs „I Wish I Was Him“ an. Dissertation zu Systemtheorie, Popkultur und Web 2.0. War Teil der 1. Innsbrucker Lesebühne „Text ohne Reiter“, ist Teil der Innsbrucker Lesebühne „FHK5K“. Ansonsten das Übliche: Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien sowie „intrinsische süßigkeit“ (Lyrik, Berger Verlag 2013), Weblog: https://assotsiationsklimbim. wordpress.com. Franz Gratl, Innsbruck Innsbruck: Musikwissenschaftler. Studium Musikwissenschaft und Geschichte in Innsbruck, 2002–2009 freier Mitarbeiter des Internationalen Quellenlexikons der Musik (RISM): Katalogisierung von Musikarchiven in Nord- und Südtirol; seit 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter und seit 2007 Kustos der Musiksammlung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, Konzeption, künstlerische Leitung und Organisation der Konzert- und CD-Reihe musikmuseum, Forschungen und Publikationen zur Musikgeschichte Tirols, zur Musikikonographie, zur Kirchenmusik und zu Musik in der NS-Zeit, Kurator von Ausstellungsprojekten (zuletzt gemeinsam mit Andreas Holzmann: 122 / 123

„Stereo-Typen. Gegen eine musikalische Mono-Kultur“, Ferdinandeum 2018), mit Ilse Strauß Initiator und Verantwortlicher der Alte Musik-Plattform „ConTakt“; daneben musikjournalistische Tätigkeit. Gamborogno: Schule für GeAglaia Haritz, Bellinzona / Tessin staltung, Lugano, es folgte eine Ausbildung an der École nationale supérieure d’art in Limoges, Frankreich, ENSA (Diplom 2003). Ihre Werke befinden sich in der Sammlung des Kantons Tessin sowie der Sammlung der Credit Suisse. Aglaia Haritz arbeitet mit Stickereien auf Stoff zu politischen und gesellschaftlichen Themen. Sie hat das kollaborative Projekt „Embroiderers of Actuality“ (www.embroiderers-of-actuality.com) kreiert, das seit 2013 in Zusammenarbeit mit dem marokkanischen Künstler Abdelaziz Zerrou umgesetzt wird. Herbert Hinteregger, Kirchberg / Tirol Kitzbühel und Wien: Bildender Künstler. Studium der abstrakten Malerei an der Akademie der Bildenden Künste, Wien, bei Walter Obholzer und Erwin Bohatsch. 2017 war seine erste Retrospektive Untitled (flow) im Taxispalais – Kunsthalle Tirol, Innsbruck, und im Kunstverein Heilbronn zu sehen. Zu der Ausstellung ist ein gleichnamiger Katalog erschienen. Herbert Hintereggers Arbeiten waren u. a. im CENTQUATRE, Paris (2018), der Kunsthalle Krems (2017, 2016), im Vasarely Museum, Budapest (2013), im Museum Belvedere 21, Wien (2013), der Galerie im Taxispalais, Innsbruck (2012, 2002), in der Neuen Galerie, Graz (2005), dem Mumok, Wien (2005), dem Nassauischen Kunstverein, Wiesbaden, und im Work Space, New York (2002) ausgestellt. Dazu kommen Einzelpräsentationen bei der Artissima, Turin (2013) und bei Open Space / Art Cologne, Köln (2006). Seit 1999 stellt Herbert Hinteregger regelmäßig bei Georg Kargl Fine Arts, Wien, aus, im Jahr 2008 erhielt er den Pollock-Krasner-Foundation-Grant (New York). Christoph Keller, Stuttgart Eigeltingen-Münchhöf: Verleger, Buchgestalter, Ausstellungsmacher und Schnapsbrenner. 1998 Gründung und bis 2005 Leitung des Verlags „Revolver – Archiv für aktuelle Kunst“. Seit 2006 Herausgeber der Reihe Christoph Keller Editions beim Schweizer Kunstverlag JRP Ringler. JanTschichold-Preis für Buchgestaltung. Lehrtätigkeit u. a. am Piet Zwart Institute in Rotterdam, der École des beaux-arts in Rennes (F), dem Werkplaats Typografie, Arnhem (NL) und Professur für Typografie und an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Gemeinsam mit seiner Frau betreibt Christoph Keller noch bis Ende des Jahres die Brennerei „Stählemühle“. Wien: Schriftsteller. VeröffentlichunRadek Knapp, Warschau gen zuletzt (Auswahl): „Die Stunde der Geburt“, Eine Erzählung zu 41 Grafiken von Alfred Kubin (Zsolnay Verlag 2017); „Der Mann, der Luft zum Frühstück aß“ (Deuticke Verlag 2017); „Der Gipfeldieb“ (Piper Verlag 2015). moki, Brilon Berlin: Malerin. Studium der bildenden Kunst, Stipendien, Publikationen, Ausstellungen. Arbeitet vorzugsweise im Kollektiv – hier mit der Künstlerin Lily Wittenburg (Text) lilywittenburg.de, weitere Kollaborationen mit der Choreografin Maya M. Carroll (theinstrument.org) und dem Spring-Kollektiv (springmagazin.de) www.mioke.de Los Angeles: Bildende KünstleSilke Otto-Knapp, Osnabrück rin. Studierte an der Universität Hildesheim und dem Chelsea College of Art London. 1994–2014 lebte und arbeitete sie in London. Seit 2014 ist sie Professorin an der UCLA in Los Angeles. Einzelausstellungen ihrer Arbeit haben u. a. in der Tate Britain, Modern


Art Oxford, Kunstverein München, Berkeley Museum of Art, Camden Art Center, Kunsthalle Wien, Kunsthal Charlottenborg und der AGO, Toronto, stattgefunden. Sie hat an der 6. Istanbul Biennale und der British Art Show 5 teilgenommen und u. a. an Gruppenausstellungen im Hammer Museum, Los Angeles, Migros Museum in Zürich und im VanAbbeMuseum in Eindhoven. Martin Prinzhorn, Wien Wien: Linguist, Kurator, Schriften zur Kunst und Architektur. Veröffentlichung u. a. Schriften, Band 1, Schlebrügge 2017.

Thomas Stangl, Wien Wien: Freier Schriftsteller. Studium der Philosophie und Hispanistik, mehrere Romane, Erzähl- und Essaybände, alle erschienen im Grazer Droschl-Verlag, zuletzt im Frühjahr 2018 der Roman „Fremde Verwandtschaften“. Zahlreiche Auszeichnungen, darunter, für den Roman „Der einzige Ort“, der aspekte-Preis für das beste deutschsprachige Prosadebut 2004, der zweite Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2007, der Literaturpreis Alpha 2010 und der Erich-Fried-Preis 2011.

Quart Heft für Kultur Tirol

Kulturzeitschrift des Landes Tirol Herausgeber: Markus Hatzer, Andreas Schett Chefredaktion: Heidi Hackl, Andreas Schett Anschrift der Redaktion: Circus, Kochstraße 10, 6020 Innsbruck (A), office@circus.at Anschrift des Verlags: Haymon Verlag, Erlerstraße 10, 6020 Innsbruck (A) T 0043 (0)512 576300, order@haymonverlag.at, www.haymonverlag.at Geschäftsführer / Verleger: Markus Hatzer Aboservice: T 0043 (0)512 576300, aboservice@haymonverlag.at Bezugsbedingungen: Quart Heft für Kultur Tirol erscheint zweimal jährlich. Jahresabonnement: € 22,– · Einzelheft: € 16,– · Preise inkl. MwSt., zzgl. Versand Die Bezugspreise unterliegen der Preisbindung. Abonnement-Abbestellungen müssen spätestens 3 Monate vor Ende des Kalenderjahres schriftlich erfolgen. Mitarbeiter dieser Ausgabe: Gerhard Demetz, Marko Dinić, Leopold Federmair, Gerold Foidl, Martin Fritz, Franz Gratl, Aglaia Haritz, Herbert Hinteregger, Christoph Keller, Radek Knapp, moki, Silke Otto-Knapp, Martin Prinzhorn, Thomas Stangl Kuratoren: Ruedi Baur, Othmar Costa, Karin Dalla Torre, Eduard Demetz, Georg Diez, William Engelen, Martin Gostner, Helmut Groschup, Franz Hackl, Hans Heiss, Stefanie Holzer, Sebastian Huber, Gabriele Kaiser, Otto Kapfinger, Walter Klier, Martin Kofler, Gustav Kuhn, Christoph Mayr-Fingerle, Milena Meller, Walter Methlagl, Wolfgang Mitterer, Walter Niedermayr, Thomas Nußbaumer, Dominique Perrault, Wolfgang Pöschl, Helmut Reinalter, Robert Renk, Arno Ritter, Benedikt Sauer, Benno Simma, Gerhard Steixner, Vitus H. Weh, Lois Weinberger, Maria Welzig u. a. Linke Seiten: Aglaia Haritz Visuell-editorisches Basiskonzept: Walter Pamminger Farbkonzept: Peter Sandbichler Grafische Realisation: Circus, Büro für Kommunikation und Gestaltung, Innsbruck / Wien, www.circus.at Druck: Lanarepro, Lana, Italien Papier: Luxo Samt 135 g/m2 Schriften: Sabon LT Std, Gill Sans Std, Neutral BP Verwendung der Karte „Tirol-Vorarlberg 1 : 200.000“ auf den Seiten 74 / 75 mit freundlicher Genehmigung von Freytag-Berndt und Artaria KG, Kartographische Anstalt, Brunner Straße 69, 1231 Wien (A). Das Fotorecht der von Herbert Hinteregger verwendeten Fotos auf dem Umschlag und den Seiten 20–35 liegt bei Simon Moser. Sämtliche inhaltlichen Beiträge dieses Heftes sind Ersterscheinungen, Auftragswerke, Uraufführungen. ISBN 978-3-7099-3431-9 · © Haymon Verlag, Innsbruck-Wien 2018 · Alle Rechte vorbehalten. Die Drucklegung erfolgte mit freundlicher Unterstützung der Abteilung Kultur der Tiroler Landesregierung und der Abteilung Deutsche Kultur der Südtiroler Landesregierung.



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