Quart Nr. 19

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Quart Heft für Kultur Tirol Nr. 19 /12 E 14,–


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Fotografie:Günter Richard Wett

HALOTECH L I C H T F A B R I K

I N N S B R U C K


* Sascha Hommer hat in diesem Heft die linken Seiten gezeichnet. 4/5


Inhalt

Peter Sandbichler „Zeitfenster“ Fotografie: Jorit Aust

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Halotech Lichtfabrik

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Sascha Hommer* Inhaltsverzeichnis Fließtext von Brigitte Kronauer

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7–9

Archäologien der Gegenwart Peter Sandbichler und die Metamorphose der Tagesaktualität. Von Simon Rees

11–15

Peter Sandbichler „Zeitfenster“

16–25

Brenner-Gespräch (7) „Wir vergessen die Frage nach dem, was wir wollen.“ Der Philosoph Michael Hampe im Gespräch mit der Dramaturgin Katja Hagedorn. Hexenglaube, Enneberg, 1936 Porträt der Historikerin und Ethnologin Lucie Varga. Von Ingrid Runggaldier Moroder

27– 35

37–45

„Hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich …“ 47 ½ Jahre nach der Hochwasser-Katastrophe: Bericht aus dem Krisengebiet Osttirol Von Carmen Brucic 47–53

Annja Krautgasser Originalbeilage Nr. 19

84/ 85

„Ich sehe keinen Forschergeist.“ Autor und Regisseur Michael Sturminger im Gespräch mit dem Komponisten, Organisten und Elektroniker Wolfgang Mitterer

87–95

Eigenwerbung

96/97

Wolfgang Wirth Verweisstrukturen Mit einer Einleitung von Kurt Kladler Ware, wahre Ezra Pound setzte dem Geld-Experiment der Stadt Wörgl ein literarisches Denkmal. Eine „Poundage“ von José F. A. Oliver

111–121

Satzspiegel von Martin und Werner Feiersinger

123–125

Tiroler Architekten und Ingenieurkonsulenten Weingut Heinrich

126 127

Harpune Verlag Haymon Verlag

128 129

col legno Tirolwerbung

130 131

Quartessenz Hypo Tirol Bank

132 133

Besetzung, Impressum Helmut Pokornig außen:fern

55–65

Das Fernglas Landvermessung No. 3, Sequenz 6 Vom Karwendelhaus nach Garmisch-Partenkirchen. Xaver Bayer schreibt lyrische Reisenotizen.

66–83

99–109

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Fließtext*

Von Brigitte Kronauer

*

— Text, der in einem Stück und ohne Unterbrechungen durch Absätze, Überschriften, Abbildungen, Fußnoten u. Ä. gesetzt wird. — Aufforderung, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und dabei nicht zurückzuschauen; freihändig draufloszulegen, ohne zu korrigieren; die Buchstaben zu Papier zu bringen und bedenkenlos aus der Hand zu geben.

Gewäsch – Es sei ja so, meine sie, Herta, daß man sich zwar immer wieder vornehme, nichts Schlechtes über andere zu reden. Nur: Was denn dann noch übrig bleibe, über das man angeregt sprechen könne? Solle man stattdessen pfeifen oder vorlesen? In Schweigen verdummen? Bloß das Gute herausstellen? Ihr, Herta, komme das nach kurzer Zeit vor wie eine Heuchelei, eine Beschönigung, ja, wie eine Verdämlichung, nicht Verbesserung der Welt. Rolf Zenker zum Beispiel, sagt Ruth, sei völlig ohne Ironie, er empfinde sie geradezu als Verrat. Seine Frau Ute sei dagegen in einer Familienironie aufgewachsen und von klein auf daran gewöhnt. Ihm, Rolf, ziehe Ironie den Boden unter den Füßen weg, sie, Ute, ersticke an dem Dauerernst. Sie hätten sich einander angeglichen, um glücklich zu sein. Aber zweimal habe es in Gesellschaft für sie, Ruth, ein Erkennen und Erschrecken gegeben. Als nämlich Ute ganz wunderbar aufgeblüht sei unter den Ironischen, Rolf unter den Einfältigen. Sie, Ruth, hege seitdem den Verdacht, daß zwischen diesem Ehepaar, genausogut möglich wie ihr offensichtliches Glück, ein unversöhnlicher, unpersönlicher Haß jederzeit ausbrechen könne. Da könne sie, Herta, auch was beisteuern. Ihre Tochter, die gerade aufgrund eines Castings beim Fernsehen kahlgeschoren sei und wegen der Kälte auch im Zimmer mit einer Mütze rumlaufe, habe es von der anderen Großmutter, seitens ihres, Hertas, Exmannes, erzählt. Die sei immer so perplex gewesen, wie Freunde von ihr im hohen Alter nach langem bürgerlichem Leben statt friedlich nebeneinander auf dem Sofa zu sitzen, täglich aufeinander eingedroschen hätten. Aber dann sei dieser Großmutter, weil sie, wie öfter in letzter Zeit, ein Wort nicht parat hatte, in der Nervosität selbst die Hand gegenüber ihrem Ehemann ausgerutscht. Sie habe danach furchtbar geweint aus Angst vor der eigenen Zukunft. Sie, Herta, habe vor circa einem Jahr bei einer alten Frau erlebt, daß sie beim Dessert die Spritzdose mit der Sahne versehentlich aufs Gesicht eines Gastes richtete und herzlich über den mehrfach peinlichen Schaden lachte, verantwortungslos wie ein kleines Kind. Gut, nichts Besonderes. Aber genau dasselbe habe sie acht Jahre vorher mit ihrer eigenen Mutter erlebt, genau diesen Unfall mit der Sahnespritzdose, auch das Lachen über den bekleckerten Gast! Und beide Frauen habe sie danach nicht mehr lebend wiedergesehen! Zufall? Fügung? „Aber uns geht es gut, wir freuen uns unseres Lebens!“ ruft da Ruth und schwenkt kämpferisch das Trockentuch. Köstlich, ein reines Vergnügen sei nämlich ein anderes Paar. Wie wohl diese beiden, Manuel und Ilona, zusammengekommen seien? Er ein gesprächiger Mann von mächtigster Körperfülle und strudelndster Lebenslust, sie eine kleine, stumme Person, immer im selben Pullover, eine wortkarge Himbeere, die am Busch langsam eintrockne, da niemand sie ernten wolle. Nur manchmal breche ein kindlicher Aufschrei aus dem ältlichen Mund. Offenbar liebe oder wenigstens lobe Manuel sie gerade wegen dieses


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Wichtelhaften. Das habe sich die Gute gemerkt und behalte es für immer bei. Ob in Wahrheit sexuelle Dämonie dahinter stecke? Ja, manchmal frage auch sie, Ruth, sich, wie die geheimnisvollen erotischen Ströme verliefen zwischen den Paaren und Einzelfiguren, von einer zur anderen, wie es sich beispielsweise erkläre, daß Feodora, diese glanzlose Gestalt, bestimmte Männer für sich begeistere. Ob die ein verborgen in ihr lauerndes Feuer witterten? Und, Moment, damit sie es nicht vergesse: Das Paar Meyer-Weber! Ein Mann und eine Frau, die bestimmt nur unter größten Kompromissen einigermaßen miteinander auskämen und sich, bei ihnen eine Frage der Höflichkeit, des Stils, der Öffentlichkeit, nur dann gemeinsam zeigten, wenn sie es mit Grazie und souveräner Eleganz schafften. Vielleicht sei es aber eher noch eine Frage der Vorsicht, damit die Welt nicht zerstörerisch in das poröse Gestein ihrer Ehe eindringen könne. Keine Schwächen bieten! Ein feiner Riß sei da eine gefährliche Lebensmarkierung, wie der erste Besuch des Notarztes in der Nacht. „Aber uns geht es gut, wir haben ein warmes Bett, Kleidung, zu essen und zu trinken und ein fröhliches Herz!“ ruft Herta so leidenschaftlich, daß das Spülwasser aufspritzt. „Wir halten durch und singen dabei“, sagt Ruth. Wie es nun aber damit, frage sie, Herta, stehe: nämlich mit dem Ehepaar Schliff! Was Schliff nicht mal ahne, aber sie, Frau Schliff, umso mehr: Das gewisse Etwas, das er an ihr so liebe, habe sie für ihn dann, und nur dann, wenn sie in einen anderen verliebt sei! Ob sie, Ruth, frage sie, Herta, einmal zwischendurch und außerhalb des Zusammenhangs die Neigung vieler Menschen beobachtet habe, die Sensationen, die ein anderer erzählt, insofern einzuebnen, als sie sofort etwas Ähnliches berichten, um die Macht des ersten einzudämmen? „Aber wir beiden, wir halten zusammen, wir heitern uns gegenseitig auf, wir sind glücklich“, ruft Ruth blitzschnell mit geröteten Wangen. „Top!“ kommt von Herta postwendend zurück, „Wenn man sich die Dinge schön ordnet, dann ist man auch selbst in seinem Inneren so.“ „Wir sind froh und gesund, uns geht es gut! Tralala“, singt Ruth und läßt das Geschirrtuch in der Luft kreisen. Vielleicht, meine sie, Ruth, würde ihnen beiden, Herta und Ruth, eines Tages das passieren, was sie bei zwei Männern festgestellt habe: Der eine sei stets redefroh gewesen, der andere habe nur gestammelt, zwei Freunde, die viel unternommen hätten. Nach einiger Zeit habe der mit dem Redefluß begonnen, den Stotterer nachzuahmen und umgekehrt. Ohne sich dessen bewußt zu sein, hätten sie die Rollen getauscht. Aber wer von ihnen beiden, Ruth und Herta, sei nun wer? Dann wolle sie auch gestehen, daß sie als Kind, sobald jemand von einem frischen Tod erzählte, sofort geglaubt habe, nun müsse auch sie sterben, pariert Herta, die nicht richtig zugehört hat. Man stelle sich das vor: Sie habe den Tod für ansteckend gehalten! Und so geht es fort mit Herta und Ruth, eine ganze, glückliche Woche lang.


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Archäologien der Gegenwart

Peter Sandbichler hat den Umschlag und die folgenden Doppelseiten dieser Quart-Ausgabe gestaltet. Simon Rees über die Hintergründe einer künstlerischen Arbeit, die Zeitungsseiten in Raum und Zeit verwandelt.

Es fällt schwer, an die Obsoleszenz des Zeitungsjournalismus zu glauben – eines der gegenwärtigen kulturellen Schlagwörter –, wenn man Peter Sandbichlers zeitungsbedeckten Tisch betrachtet (von dem sinnbildhafte Darstellungen in dieser Ausgabe von Quart zu sehen sind). Das Objekt wurde im Kunstraum Bernsteiner in Wien bearbeitet. Es besteht aus mehreren Schichten von Ausschnitten aus den wichtigsten europäischen Zeitungen, die der Künstler sich täglich in die Galerie schicken ließ. Nachdem er sie gelesen hatte, klebte er die verschiedenen Ausschnitte auf die Tischoberfläche. Das Konzept eines Feldes aus Zeitungsbildern verwendete Sandbichler zum ersten Mal in einer Installation für die Ausstellung Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners (2011) in der Galerie im Taxispalais in Innsbruck. Diese unterschiedlichen Versionen eines Konzepts (und die Genesis vom Blatt, zum Raum, zur Oberfläche, und zurück zum Blatt) bekräftigen die Assoziation mit der ursprünglichen und wörtlichen Bedeutung von „cut-and-paste“, also ausschneiden und aufkleben. Der Begriff stammt eigentlich aus der Sprache der Drucktechniker und Grafiker und lässt an Teppichmesser, Skalpelle und Klebstoff denken. Älteren, englischkundigen Lesern kommen in diesem Zusammenhang vielleicht auch Begriffe wie „pasteboard“, also Karton, oder „paste-up“, Klebeumbruch, nebst dem dazugehörigen Beruf des „paste-up artist“ in den Sinn. Damit ordnet sich Sandbichlers Arbeit folgerichtig in mit Collagetechnik assoziierte Tropoi ein, die vom Kubismus (man denke nur an die in Werken von Braque und Picasso präsenten Zeitungen) bis in die von Hal Foster kürzlich zum „ersten Pop-Zeitalter“ erklärten späten 1950er reichen. Foster bezieht sich auf die Collagen von Richard Hamilton und die medienübergreifenden Arbeitstechniken des aus Architekten, Künstlern und Designern bestehenden

Kollektivs The Independent Group (im Hinblick auf Sandbichlers multimediale und räumliche Arbeiten von besonderer Relevanz). Der wunderbar gewählte Titel „Die Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners“, ein Zitat aus den Schriften des Wissenschaftlers und Philosophen Heinz von Förster, kann auf eine endlos lange Reihe spätkapitalistischer kultureller Dispositionen und Episoden des 20. und 21. Jahrhunderts bezogen werden. Er weckt Assoziationen mit anderen Erklärungen und Prinzipien (etwa Werner Heisenbergs „Unschärferelation“ von 1927), die in den turbulenten Dekaden zwischen der Weimarer Republik und der Errichtung der Berliner Mauer entwickelt wurden. Es waren die radikalen Umbrüche jener Jahre, die Menschen wie den gebürtigen Österreicher Förster dazu bewogen, nach Amerika zu gehen, wo ihre europäischen philosophischen und kulturellen Sensibilitäten sich mit Popkultur und der unreflektierten Hingabe an die Massenmedien konfrontiert sahen (die Europäer hatten die Übel der vollkommenen nationalsozialistischen Manipulation von Radio, Kino, Theater und öffentlichen Veranstaltungen miterlebt). Nichtsdestotrotz gelang es ihnen, über das, was ihnen in den USA widerfuhr, schockiert zu sein, selbst wenn es sich um Benny Goodman oder Shirley Temple handelte, denkt man etwa an die in Los Angeles entstandenen Texte Theodor Adornos aus Prismen (1955) oder seine Betrachtungen über „virtuelle Geschichte“ im abschließenden Teil seiner Minima Moralia: Reflexionen aus dem beschädigten Leben (1951). Im letztgenannten Buch versucht Adorno in gewisser Weise, die Unschuld seiner Kindheit zurückzuerobern – einer Zeit vor dem deutschen Kataklysmus der Jahrhundertmitte –, und dazu gehörten auch die Kaffeehäuser: so ganz anders als die anspruchslose Diner-Kultur der amerikanischen Westküste, wo Adorno viele Jahre verbrachte.


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Ich erwähne die Kaffeehäuser hier, weil Wien damals wie heute (hält man sich an die urbane kulturelle Elite und touristische Beschreibungen der Stadt, wie sie auch in aktuell veröffentlichten Magazinen erscheinen) als Kaffeehaushauptstadt Europas galt und gilt – ein Ort, an dem das Ritual, den ganzen Tag lang um den Preis einer Tasse Kaffee Zeitungen zu lesen und über das Gelesene zu diskutieren, selbstverständlicher Teil des öffentlichen und bürgerlichen Lebens ist. Im Laufe des 19. Jahrhunderts und bis in die 1930erJahre hinein wurde dieser Lebensstil in zahllosen Essays, Tagebüchern und Romanen beschrieben, wohl von niemandem besser als vom Schriftsteller und Journalisten Joseph Roth. In England wurde diese Spielart der entspannten Lektüre und Debatte im gesellschaftlich eng umgrenzten Raum der Universitäten und Clubs zelebriert, in Frankreich in Cafés, Clubs und Salons und in den USA – einer Nation, die sich laut Thorstein Veblens Theorie der feinen Leute (1899) ganz dem „Geltungskonsum“ hingegeben hat – innerhalb der noch eingeschränkter zugänglichen Domänen von kirchlichen, kommunalen und gesetzgebenden Gremien. Sandbichlers tägliche Verrichtungen des Lesens, der Verarbeitung und Bearbeitung von Zeitungsberichten setzt ihn somit in Beziehung zu älteren Wiener Ritualen und Rhythmen, mit durchaus zufriedenstellendem Ergebnis. Von dieser Warte aus erscheinen sein Unterfangen und sein Werk eher „sozialer“ als „kritischer“ Natur zu sein, allerdings ist diese Sozialität ebenso sehr von Adornos kristalliner Unschuld durchdrungen, wie sie als Akt der Liebenswürdigkeit gelten kann. Mit solchen ständigen Verweisen auf das Wien vor dem Sündenfall und den Niedergang der Stadt um die Jahrhundertmitte riskiert man natürlich, ins Klischeehafte abzudriften – und den ortsansässigen Leser zu langweilen, wenn auch deutsche Zeitschriften wie Der Spiegel und DIE ZEIT oder das österreichische profil unablässig aus derselben reichen Quelle schöpfen. Bedauerlicherweise ist die Quelle deshalb so reich, weil sie in den Darstellungen des menschlichen Daseinskampfes, die in den von Sandbichler ausgewählten und (auch

hier in Quart) nach Themen angeordneten Zeitungsausschnitten zu sehen sind, allgegenwärtig ist. Die vom Künstler gesetzten Themenschwerpunkte könnten in etwa betitelt werden mit: die Schönen und die Ungeheuer; Diktatoren und Demagogen; Aufstieg und Fall und kurze Atempausen. Der Umstand, dass eine derartige Vielzahl von Bildern und Geschichten sich auf eine Handvoll Schlagzeilen reduzieren lässt, spiegelt die systemische Natur des Nachrichtengeschäfts wider, ebenso wie die Art und Weise, wie andere Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft sich dem unterordnen oder sich diesem System anpassen. (Hier sollte angemerkt werden, dass viele der Bilder und der darauf gezeigten Persönlichkeiten mehr als nur eine dieser Typologien repräsentieren, je nach Kontext und /oder Blickwinkel.) Die Fotos des Regisseurs Werner Herzog (Demagoge oder kurze Atempausen) und des Sprachwissenschaftlers / Philosophen und Romanautors Umberto Eco (Demagoge oder kurze Atempausen) zum Beispiel sind weniger Porträts von Herzog und Eco als vielmehr Illustrationen des Umstands, dass Sandbichlers Lektüre dieser Zeitungen in die Vorweihnachtszeit fiel, jene Jahreszeit, die von der Filmindustrie und den Buchverlagen traditionell für Veröffentlichungen im Hinblick auf das Weihnachtsgeschäft genutzt wird. Herzogs Die Höhle der vergessenen Träume kam Ende des Jahres auf dem europäischen Festland heraus, während Ecos Der Friedhof in Prag, im italienischen Original zu Ostern erschienen, vor Weihnachten zeitgleich in französischer, deutscher, englischer und spanischer Sprache veröffentlicht wurde – und die Filmproduzenten und Verlagshäuser setzten mit Sicherheit alle Hebel in Bewegung, um im Feuilleton besprochen zu werden. Herzogs demagogische Tendenzen sind bekannt, wohingegen die Nennung von Ecos Namen in diesem Zusammenhang überraschen mag – bis man sich das von ihm beworbene Buche genauer ansieht: ein antisemitischer Potboiler, der sich als intelligenter, selbstreflexiver Meta-Roman (ähnlich wie sein früheres Werk Das Foucaultsche Pendel) geriert. Die Kritiker sind sich uneins darüber, welcher Interpretation der Vorzug zu


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geben ist, doch eines ist gewiss: Die hartnäckige Präsenz der „jüdischen Frage“ in der europäischen Kultur scheint damit besiegelt zu sein (nachdem viele schon geglaubt hatten, sie wäre längst nur mehr in Extremistenkreisen ein Thema). Tragischerweise finden sich in den Bildserien zahlreiche Beispiele, die mit extremistischen Randgruppen zu tun haben, vor allem zu den Schwerpunkten Diktatoren und Aufstieg und Fall. Am bemerkenswertesten ist das Bild jenes jungen Libyers, der sich Muammar Gaddafis aus reinem Gold gefertigte 45er Automatik angeeignet hat: Mit verschränkten Armen, in der einen Hand die goldene Pistole, in der anderen einen klassischen Armeerevolver, starrt er ausdruckslos in die Kamera, ein Racheengel umgeben von Bildern des Todes und der Zerstörung, von Protesten und Massenbegräbnissen aus der Levante, dem Nahen Osten und Nordafrika. Nicht weit entfernt finden sich Bilder von Mahmud Ahmadinedschad oder dem diktatorisch regierenden syrischen Präsidenten Baschar al-Assad – etwa in einer Collage, die ein Bild von Gaddafi mit dem Wort „DONE“ in weißen Buchstaben über seiner Brust neben einem Bild von Assad zeigt, auf dessen Brust der Schriftzug „NEXT“ prangt. Wenn man sich die Entwicklungen der zwei oder drei Monate ansieht, die vergangen sind, seit Sandbichler diese Bildserie fertiggestellt hat, erscheint das Werk geradezu prophetisch. Zwar ist immer noch offen, ob Assad tatsächlich gewaltsam aus seinem Amt entfernt und die Diktatur gestürzt werden wird; dass er sein eigenes Volk exekutieren lässt, ist mittlerweile hingegen nur allzu offensichtlich, ebenso wie sein Schulterschluss mit Ahmadinedschad und dem Iran, um zu verhindern, dass die Vereinten Nationen, das Nahost-Quartett oder Israel auf die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Syrien mit einer militärischen Intervention reagieren. In dieser Hinsicht übernimmt Sandbichler mit seiner Arbeit die Rolle des „Künstlers als Ethnographen“ (oder Anthropologen), um den Titel von Hal Fosters 1996 erschienenem richtungweisendem Essay zu zitieren: Er dringt mit seiner Arbeit in das erweiterte Feld der Kultur vor

und erkennt ihre „strategische Überlappung mit einem globalen System“. In dem genannten Essay, ebenso wie in vielen anderen seiner Schriften, bekräftigt Foster den Gedanken, dass zeitgenössische Künstler, die ihre Inspiration aus der jüngsten Vergangenheit beziehen, besonders dazu berufen sind, die Gegenwart darzustellen und/oder Vorhersagen über die Zukunft zu treffen. Aus dem Blickwinkel von Assad und vielleicht auch Ahmadinedschad ist die jüngste Vergangenheit (wie Theodor Adorno in einem Brief vom 2./4. August 1935 an Walter Benjamin bemerkte) die am stärksten verdrängte Zeit, auf die wir uns nur als katastrophalen Verlust, der aus der Vorgeschichte wiederkehrt, beziehen können. Die (zur jüngsten Vergangenheit werdende) Gegenwart ist der Fluchtpunkt, hinter dem die Toten verschwinden. Und wenn man sich das Schicksal Gaddafis und jenes Saddam Husseins vor ihm in Erinnerung ruft, dann verschwinden sie in einem Erdloch – von der Sensationspresse zum „Rattenloch“ stilisiert –, um dort zu sterben; in jedem Fall zieht die extreme Hybris des Diktators gern ein extremes und unrühmliches Ende nach sich. Gaddafis Tod war eine Neuinszenierung des Todes von Saddam Hussein (und wir sollten nie vergessen, dass auch der ultimative Diktator des 20. Jahrhunderts unter der Erde, in einem Bunker, sein Ende fand) und lässt erahnen, was Assad erwarten könnte: Sandbichlers Absicht hier ist es, ebendiese Geister zu rufen, nicht jedoch, die Zäsur des Verlusts auszulöschen. (Ein Verlust, der in den hier ebenfalls gezeigten Bildern von Amy Winehouse und Michael Jackson spürbar wird.) So düster sich all dies auch anhören mag – Diktatoren, die wohl nur ihre gerechte Strafe erhalten, Drogensüchtige, die der tragischen Unentrinnbarkeit ihres Schicksals erliegen –, so ist dieses vorhersehbare Unglück vielleicht doch leichter zu ertragen als die Ungewissheit und die zahllosen Zäsuren, denen Catherine Deneuve und Charlotte Rampling sich stellen werden müssen, während ihre Schönheit langsam verblüht. (Aus dem Englischen übersetzt von Astrid Tautscher)












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Brenner-Gespräch (7) „Wir vergessen die Frage nach dem, was wir wollen.“ So viele Leute fahren über die Alpen nach Italien. Quart bittet herausragende Persönlichkeiten an den Straßenrand zu einer Jause und einem Gespräch. Folge 7: der Philosoph Michael Hampe im Gespräch mit der Dramaturgin Katja Hagedorn über Erinnerungsunwillen, tausende Arten von Wasserhähnen und die Kunst des Entscheidens.

Katja Hagedorn: Ich würde Sie gerne zum Thema „Standpunkte“ befragen und dafür mit der Beschreibung eines Phänomens beginnen, das ich an mir selber beobachtet habe. Wenn ich eine Entscheidung zu treffen habe oder versuche, mir eine Meinung in einer Debatte zu bilden, spiele ich manchmal so viele verschiedene Perspektiven durch, dass es mir am Ende schwerfällt, mich für eine von ihnen zu entscheiden. Die Möglichkeiten scheinen mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander zu stehen, einen Standpunkt zu finden wird dann schwierig. Ist das mein Privatproblem oder handelt es sich um ein zeittypisches Phänomen? Michael Hampe: Vielleicht müsste man sich zunächst fragen, inwiefern es sich dabei überhaupt um ein Problem handelt. Die Fähigkeit, sich in verschiedene Perspektiven hineinzuversetzen, ist ja erst mal eine Begabung. Man könnte sagen, sie macht Subjektivität aus. Ein Stein ist einfach nur da und nicht in der Lage, die Perspektive eines anderen Wesens einzunehmen. Das unterscheidet ihn von uns. Wir wissen von Tieren, dass sie ab einer gewissen Entwicklungsstufe die Fähigkeit haben, sich in die Perspektive eines anderen hineinzuversetzen. Wenn sich beispielsweise eine Krähe von einer anderen Krähe beobachtet fühlt, tut sie so, als würde sie etwas vergraben, damit die andere Krähe später an einer falschen Stelle buddelt. Erst, wenn die Krähe sich unbeobachtet fühlt, vergräbt sie den Gegenstand wirklich. Das von Ihnen beschriebene Problem ergibt sich also nicht so sehr aus der Tatsache, dass Sie verschiedene Perspektiven durchspielen, sondern eher daraus, dass Sie nicht in der Lage sind, zu entscheiden, welche Perspektive authentisch zu Ihnen gehört und welche nicht. Das könnte man schon als ein Zeitphänomen betrachten: In den letzten Jahrzehnten wurde ja immer

wieder postuliert, dass es Subjekte nicht mehr gibt. Wenn man das Subjekt abschafft, schafft man auch die Möglichkeit ab, einen Standpunkt einzunehmen, von dem aus sich andere Standpunkte beurteilen lassen. K. H.: In den poststrukturalistischen Theorien, auf die Sie anspielen, ging es ja zunächst um die Ablehnung des Gedankens, dass es einen Seelenkern oder einen substantiellen Geist gibt, der schon vor der Geburt existiert und der bestimmt, wie das spätere Leben abläuft und welche Entscheidungen getroffen werden. Das kam mir in der Auseinandersetzung mit diesen Theorien erst mal sinnvoll vor. M. H.: Ja, dieser Aspekt der poststrukturalistischen Kritik des Subjekts war sicherlich berechtigt. Aber man kann die Idee eines unwandelbaren Personenkerns, wie sie noch von Kant oder Schopenhauer vertreten wurde, ja ablehnen und trotzdem daran glauben, dass sich zwischen authentischen und nicht-authentischen Positionen unterscheiden lässt, zwischen Positionen, die zu mir gehören und solchen, die nicht zu mir gehören. Es fragt sich, ob die radikale Infragestellung von Subjektivität nicht auch eine ideologische Funktion hat. Dem Kapitalismus konnte jedenfalls nichts Besseres passieren. Der beste Kunde ist der möglichst flexible Mensch, der sich ständig verändert und immer neue Sachen braucht. Eine Person, die eine starke Auffassung davon hat, wie sie ihr Leben führen will und bestimmte Perspektiven für sich ausschließen kann, ist für dieses Wirtschaftssystem nicht so günstig. K. H.: Sie haben eben von der Unterscheidung zwischen authentischen und nicht-authentischen Positionen gesprochen. Wie kann man sich das vorstellen?


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M. H.: Stellen Sie sich vor, Sie bekommen das Angebot, eine interessante Stelle in einer anderen Stadt anzutreten. Sie müssten also die Entscheidung treffen, ob Sie die berufliche Herausforderung annehmen und die Stadt wechseln möchten oder nicht. In einer solchen Situation ist es gar nicht hilfreich, einen Standpunkt einzunehmen – jedenfalls nicht, wenn man darunter eine Außenperspektive versteht, von der aus man versucht, allgemeine Kriterien auf das eigene Leben anzuwenden. Zwar lassen sich von außen betrachtet verschiedene Kriterien gegeneinander abwägen: Ergeben sich durch das Angebot neue Karrierechancen für Sie? Ist die neue Stadt interessant? Verdienen Sie mehr Geld? Ist mit der neuen Stelle ein Reputationszuwachs verbunden? Die Antworten auf diese Fragen sind aber nicht auch eine Antwort darauf, welche Entscheidung für Sie die authentische wäre. Diese Antwort finden Sie nur, wenn Sie eine Innenperspektive einnehmen und sich fragen, wie Sie Ihr Leben fortsetzen möchten. Welche Erfahrungen gehören bisher zu Ihrem Leben und sollen weitergeführt werden? Was gehört nicht zu Ihrem Leben und soll darum beendet werden? Wenn man über eine Lebensentscheidung aus einer Innenperspektive nachdenkt, kann es sein, dass man eine Entscheidung trifft, die aus einer Außenperspektive unvernünftig erscheint, weil man ein interessantes Angebot in einer interessanten Stadt ausschlägt. Aber aus einer Innenperspektive kann diese Entscheidung dennoch authentisch sein. K. H.: Sie schlagen vor, in die Vergangenheit zu blicken und die Frage zu stellen, wie diese Vergangenheit jetzt und in Zukunft sinnvoll weitergeführt werden kann. Ist das ein Plädoyer für ein Geschichtsbewusstsein? Ist ein solches Bewusstsein hilfreich, wenn man zu einem authentischen Standpunkt finden will? M. H.: Ich denke schon. Man kann sich zu der eigenen Vergangenheit, den eigenen Erfahrungen ja mehr oder weniger aufmerksam verhalten. Man kann versuchen, seine Erfahrungen nicht zu beachten, sie quasi immer wieder auf den Müll werfen. Dann „rebootet“ man immer wieder neu und schneidet sein Leben in einzelne Stücke, die eine Dauer von zwei oder drei Jahren haben. Man kann aber auch zu der Einsicht gelangen,

dass man nicht immer wieder von vorne anfangen kann, dass man eine Vergangenheit hat, zu der man sich verhalten muss, weil man sie nicht löschen kann, weil das „rebooting“ der eigenen Person eine Illusion ist. Denn man muss sich entscheiden, ob und was man fortsetzen oder anhalten will. Dann ist man damit beschäftigt, einen Sinnzusammenhang zu erzeugen. Ich glaube, im Moment gibt es eher die Tendenz, die eigene Erfahrung auf den Müll zu werfen. Die Klage über den Erinnerungsunwillen der Menschen taucht ja auch bei vielen Schriftstellern auf, sehr deutlich zum Beispiel bei W.G. Sebald. Als Sebald nach längeren Aufenthalten in der Schweiz und England wieder in die Bundesrepublik zurückkehrte, wunderte er sich, wie wenig noch von der Zeit seiner Jugend, vom Nationalsozialismus, zu sehen war. Quellen, die daran hätten erinnern können, waren planiert, die Spuren des Krieges waren verwischt, die Städte sahen alle sehr ähnlich aus. Man kann den Wiederaufbau als Erfolg betrachten, aber für Sebald war das, was er sah, Ausdruck einer unauthentischen Existenz, in der Erinnerung später nur als auferlegtes moralisches Ritual, aber nicht als existentielle Notwendigkeit vollzogen wurde. Die Deutschen existierten in seinen Augen nur scheinbar, weil sie versuchten, die Erinnerung an das Geschehene zu vermeiden. Ich denke, diese Gedanken zum Kollektiv kann man auch auf das Individuum übertragen. K. H.: In Ihrem Buch „Das vollkommene Leben“ schreiben Sie, dass wir heute in einem Zustand des Dauerrausches leben. Das Leben in einer dynamisierten Welt, in der sich die Lebensverhältnisse so rasant verändern, dass Menschen sich ständig neu anpassen müssen, würde es nicht mehr zulassen, zwischen der Sphäre gewachsener Zusammenhänge und dem Ausnahmezustand des Festes zu unterscheiden. Der Alltag werde zu einer Art haltlosem Taumel. M. H.: Ja, das geht eigentlich auf einen Gedanken zurück, der sich in Nietzsches Nachlass findet. Dort beschreibt er, was passiert, wenn das Christentum und die Sinnzusammenhänge, die es produziert hat, zerbrechen. Dann bleiben Menschen übrig, die ihre alten Sinnzusammenhänge verloren haben, aber nicht in


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der Lage sind, neue zu produzieren. Davor flüchten sie in den Dauerrausch. Nietzsche nennt die möglichen Räusche, zum Beispiel den politischen. Damit hat er die Ideologien des 20. Jahrhunderts antizipiert, in dem politische Führer gesucht wurden, die im ständigen Ausnahmezustand eine Art „Dauerfest“ veranstalteten. Nietzsche nennt auch den Drogenrausch. Er hat vorausgesehen, dass Menschen alle möglichen Medikamente und Drogen nehmen werden, um der Erkenntnis zu entgehen, dass sie ein langes Leben vor sich haben, in dem eigentlich Sinnzusammenhänge erzeugt werden müssten. Weil sie damit überfordert sind, nehmen sie in der Droge Dauerurlaub vom Leben. Er nennt auch noch die frenetische Arbeit als Rauschzustand. Man sucht sich eine Aufgabe, der man angeblich Tag und Nacht nachgehen muss und vermeidet damit die Reflexion. Das waren hellsichtige Diagnosen, die im Laufe des 20. Jahrhunderts alle eingetreten sind. Die Postmoderne und den heiß laufenden Kapitalismus kann man im nietzscheschen Sinne als den Gipfel des Nihilismus deuten, in dem es nur noch den Dauerkaufrausch und den Dauerunterhaltungsrausch gibt.

in denen Standpunkte möglich und nötig sind. Beim Politischen handelt es sich um einen anderen Bereich als den, der eine individuelle Lebensentscheidung betrifft. Ich habe vorhin dafür plädiert, dass man im Falle einer Lebensentscheidung eine Innenperspektive einnimmt und keine Außenperspektive. Es gibt Bereiche, in denen man ganz klar eine richtige oder falsche Außenperspektive identifizieren kann und es gar keine Innenperspektive gibt, zum Beispiel in den Naturwissenschaften und der Mathematik. Da spielt meine individuelle Lebenserfahrung keine Rolle. Es ist richtig, dass zwei plus zwei vier ergibt. Es ist falsch, dass zwei plus zwei fünf ergibt. Bei der Politik handelt es sich um einen Übergangsbereich, in den die individuelle Lebenserfahrung hineinspielt. Menschen, die einen Krieg erlebt haben, werden sich in einer politischen Entscheidungssituation, in der es darum geht, ob ein Land an einem Krieg teilnehmen soll oder nicht, anders verhalten als Menschen, die nie einen Krieg erlebt haben. Man kann seine Lebenserfahrung in einem solchen Fall so weit verobjektivieren, dass daraus ein Standpunkt wird, zum Beispiel eine pazifistische Theorie.

K. H.: Aber kann man derzeit nicht wieder ein Bedürfnis nach Zusammenhängen beobachten? Wenn man sich zum Beispiel Umfragen zur Situation von Jugendlichen in Westeuropa anschaut, ist Kontinuität etwas, das wieder stark angestrebt wird, sei es beruflich oder privat. Es wird wieder viel geheiratet. Auch in Film und Fernsehen gibt es Tendenzen, formal und inhaltlich Zusammenhänge zu erzeugen: Das Format der Serie ist extrem beliebt, auch das der mehrteiligen Saga. Sind das Gegenbewegungen zu dem von Ihnen beschriebenen Phänomen der Fragmentierung, die man begrüßen sollte? Oder sind diese Phänomene Ausdruck einer Sehnsucht nach Geschichten, die Zusammenhänge um jeden Preis anbieten? Letzteres fällt ja in rechtspopulistischen Debatten auf. Dort sind die Standpunkte einfach zu haben, aber sie gehen auf Kosten eines Differenzierungsprozesses, der nötig wäre, um der Komplexität der Debatten gerecht zu werden.

K. H.: Aber leben wir nicht in einer Welt, die so komplex geworden ist, dass man nicht mehr alle Standpunkte aus der eigenen Lebenserfahrung entwickeln kann, weil diese Lebenserfahrung nicht mehr auf alle Fragen anwendbar ist?

M. H.: Wenn wir über Standpunkte reden, sollten wir zwischen den verschiedenen Bereichen unterscheiden,

M. H.: Die Aussage, dass unsere Welt immer komplexer und unüberschaubarer wird, hört man ja heute oft, aber ich frage mich, ob sie wirklich für alle Bereiche zutrifft. Das Europa vor den napoleonischen Kriegen stellte sich zum Beispiel in mancher Hinsicht differenzierter dar als heute: Es gab eine Vielzahl von Kleinstaaten, alle 30 Kilometer wechselte die Währung. Man hatte sehr komplizierte Kleidungssysteme, in denen sich die verschiedenen sozialen Stände symbolisch darstellten. Heute finden sich dagegen überall die gleichen Fussgängerzonen mit den gleichen Geschäften und Fastfood-Ketten. Die Menschen tragen entweder Jeans oder schwarze Anzüge. Durch die Ausbreitung der Marktwirtschaft über den Globus hat eine unglaubliche Homogenisierung des Lebens stattgefunden.


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K. H.: Dennoch hat man den Eindruck, dass unsere Gesellschaften sich stark ausdifferenzieren, so dass manchmal Fachwissen nötig scheint, um eine Entscheidung zu treffen. Ich nenne mal ein banales Beispiel: Wenn ich mir einen Computer kaufe, befinde ich mich in einer Situation, in der es mir schwer fällt, eine Entscheidung zu treffen, weil ich nicht über genug Wissen verfüge. Wenn ich mich dann trotzdem für ein bestimmtes Gerät entscheide, beruht meine Entscheidung nicht auf eigener Erfahrung oder Wissen, sondern auf den Aussagen einer Person, die mich berät. Ich kann diese Aussagen nicht überprüfen, sondern ihnen nur glauben oder nicht glauben. M. H.: An dieser Stelle könnte man noch einmal fragen, ob es sich bei dem, was Sie beschreiben, um das eigentliche Problem handelt. Wenn Sie etwas nicht wissen, haben Sie das Gefühl, dass Sie sich im Bereich der Irrationalität und des Glaubens bewegen und das lehnen Sie ab, jedenfalls wenn es darum geht, eine Entscheidung zu treffen. Das ist heute ein verbreitetes Phänomen: Wir leben ja in einer Wissensgesellschaft, in der Wissen sehr hoch geschätzt, wenn nicht sogar überschätzt wird. Wir denken, dass sich alle Fragen technisch lösen lassen. Darum häufen wir so viel Wissen wie möglich an. Wir vergessen darüber die Frage nach dem, was wir wollen. Wie wollen wir unser Leben führen? Wollen Sie überhaupt einen Computer benutzen? Diese Fragen lassen sich nicht technisch lösen, genauso wenig wie die Frage, ob man die neue Stelle in der neuen Stadt annehmen soll oder nicht. Da muss man herausfinden, was man will. K. H.: Ist das so einfach, wie es klingt? Ich würde behaupten, dass es genug Menschen in der westlichen Welt gibt, die die Frage nach dem, was sie wollen, nicht beantworten könnten. Man kann das als ein Luxusproblem bezeichnen, aber ich glaube, dass es der Realität vieler Menschen entspricht. M. H.: Das mag sein. Manche Menschen orientieren sich so lange an Außenperspektiven, dass sie keine Innenperspektive mehr einnehmen können. Sie sind sich selbst entfremdet. Das kann so weit gehen, dass

Menschen gar nicht mehr merken, wann sie sich in einer relevanten Entscheidungssituation befinden. Wir leben in einer Warengesellschaft, die ständig irrelevante Alternativen erzeugt, zum Beispiel tausende Arten von Wasserhähnen. Die Entscheidung für einen bestimmten Wasserhahn ist aber für die meisten Lebensläufe gar nicht relevant. Die Hauptsache ist ja, dass Wasser aus dem Hahn kommt. Wenn man ständig mit irrelevanten Entscheidungssituationen konfrontiert wird, ist es möglich, dass man sie nicht mehr von relevanten Entscheidungssituationen unterscheiden kann – zum Beispiel von der Frage, mit welcher Person man zusammenleben will. Dann wird die Entscheidung für einen Menschen mit der Wahl zwischen verschiedenen Käsesorten im Supermarkt verwechselt. K. H.: Der Soziologe Alain Ehrenberg beschreibt in seinen Büchern, dass die Vielzahl der Möglichkeiten auch durch das zunehmende Verschwinden normativer Strukturen entstanden ist. Damit seien die Menschen überfordert, weil sie die Verantwortung für ihre Entscheidungen nur noch aus sich selbst heraus und nicht mehr aus einem religiösen oder gesellschaftlichen Regelwerk begründen müssten. Vor dieser Überforderung flüchten die Menschen nach Ehrenberg in die Depression, also in die totale Verweigerung, sich für etwas zu interessieren, geschweige denn, sich für etwas zu entscheiden. M. H.: Es gibt heute sicherlich ein Autonomie-Ideal, das postuliert, Menschen könnten alle Entscheidungen selbständig treffen. Gleichzeitig nehmen Menschen eine Marktperspektive auf ihr Leben ein. Dadurch entsteht ein hoher normativer Druck. Wir leben ja nicht nur in einer Welt der Möglichkeiten, sondern auch in einer Welt des Dauervergleichs, in der fast alles zu einer Konkurrenzsituation wird. Es herrscht die Meinung vor, dass die Verantwortung für die eigene Lebenssituation völlig beim Einzelnen liegt. Wer nicht erfolgreich ist, wird dafür verachtet, weil er offenbar falsch gewählt, etwa für „möglichst wenig Anstrengung“ optiert hat. Es war sicherlich noch nie erstrebenswert, arm zu sein, aber die Verachtung, mit der Armut heute betrachtet wird, kommt mir doch neu vor. Menschen,


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die kein Geld haben, werden als faul bezeichnet, man wirft ihnen mangelnde Selbstkontrolle vor. Die soziale Rolle, die wir spielen, wird mit einer moralischen Wertung verbunden. Die Angst vor dieser Art sozialer Ächtung kann auch ein Grund sein, warum ein Entscheidungsprozess schwierig wird. K. H.: Wir haben nun viel über individuelle Lebensentscheidung gesprochen, aber ich würde gerne noch einmal auf den Bereich des Politischen zurückkommen. Sie haben vorhin gesagt, dass die Welt nicht in allen Bereichen komplexer geworden ist, aber es ist eine Tatsache, dass durch die Medien und neue Reisemöglichkeiten ein Kontakt zwischen unterschiedlichen Kulturen entstanden ist, den es früher nicht gab und der die Welt komplexer macht. Wenn ich mit einer anderen Kultur oder Religion konfrontiert werde, beispielsweise mit dem Islam, komme ich zu dem Schluss, dass ich mich mit bestimmten Ansichten oder Praktiken schwer identifizieren kann. Andererseits bin ich meinem Selbstbild nach ein toleranter Mensch, der Respekt vor den Eigenarten einer anderen Kultur oder Religion haben und ihr nicht den eigenen Standpunkt aufzwingen möchte. Bin ich da, was die Standpunktfindung anbelangt, nicht wieder in dem in meiner Eingangsfrage beschriebenen Dilemma? M. H.: Nicht unbedingt. Sie können ja Aspekte der anderen Kultur aufgrund Ihrer persönlichen Erfahrungen und Werte ablehnen und so einen Standpunkt einnehmen. Die Frage ist eher, wie Sie damit umgehen, wenn ein Mensch aus der anderen Kultur einen anderen Standpunkt einnimmt und ob dieser Standpunkt Ihren eigenen Standpunkt verletzt. Ich habe mal an einer Konferenz teilgenommen, auf der darüber diskutiert wurde, ob grausame Bestrafungen im Sudan, die auf Grundlage der Scharia erfolgen, akzeptiert werden müssen oder nicht. Das stellt die Frage nach dem Allgemeinmenschlichen und danach, in welchen Bezug man es zu einer kontingenten historischen Kultur setzt. Es gibt Menschen, die sagen, dass es zur sudanesischen Kultur gehört, Dieben die rechte Hand abzuhacken – wobei man sicherlich prüfen muss, ob diese Meinung nicht von den Menschen vertreten wird, die auf der

richtigen Seite des Operationstisches stehen. Der Dieb, der im Kaufhaus das Radio geklaut hat, beruft sich auf das Allgemeinmenschliche, das er mit der Amputation verletzt sieht. Wenn man über das Allgemeinmenschliche nachdenkt, befindet man sich aber nicht automatisch im Bereich des Naturwissenschaftlichen, in dem für alle Kulturen auf dieser Welt das Gleiche gilt. Grausamkeit definiert sich im Sudan anders als bei uns. Die Kulturen müssten versuchen, solche Fragen miteinander auszuhandeln. Im Moment scheint aber die Illusion vorzuherrschen, dass man diese Verhandlungsprozesse durch Interventionen abkürzen kann. Wenn die westliche Welt der Meinung ist, dass sie einen stringenten Begriff des Allgemeinmenschlichen hat und bei Verstößen interveniert, hat das langfristig ja gar keinen Erfolg. Das kann man in Afghanistan sehen. Eine solche Intervention hat einen kurzfristigen Effekt, aber man kann die kontinuierlich gewachsene Entwicklung eines Landes nicht von einem Moment auf den anderen abbrechen – genauso wenig, wie Sie Ihren Lebenslauf einfach abbrechen können. In dem Kollektiv, das von der Intervention betroffen ist, entsteht der Eindruck, dass ihm etwas von außen aufgezwungen wird, das nicht authentisch zur eigenen Kultur gehört. Dagegen lehnt sich dieses Kollektiv auf. Ich glaube, die einzige Möglichkeit, in diesen Dingen etwas zu bewirken, ist wirklich, dauerhaft Kritik vom eigenen Standpunkt ausgehend zu üben. Das hieße, dass die Kulturen so lange miteinander streiten müssten, bis sie einen für alle verbindlichen Begriff des Allgemeinmenschlichen entwickelt haben.


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Hexenglaube, Enneberg, 1936

Die Historikerin und Ethnologin Lucie Varga reiste in den 1930er Jahren in ein ladinischsprachiges Tal in den Südtiroler Dolomiten und arbeitete dort an einer Studie zur wissenschaftlichen Erforschung des Hexenglaubens, die schließlich 1939 in der Pariser Zeitschrift Annales erschien. Für ihre Arbeit beobachtete Varga das Leben der Dorfbewohner eingehend, sie führte mit ihnen Gespräche und zeichnete sie auf. Dabei gelang es ihr, ein Bild zu zeichnen, das bis heute durch seine Exaktheit, Originalität und Lebhaftigkeit besticht und wegen seiner besonderen Perspektive ein seltenes und daher umso wertvolleres Zeitdokument darstellt. Porträt einer ungewöhnlichen Chronistin von Ingrid Runggaldier Moroder.

Lucie Varga1 kam am 21. Juni 1904 in einer ungarischjüdischen Familie als Rosa Stern in Baden bei Wien zur Welt. Sie war das jüngste von drei Kindern. Bei ihrer Geburt lebten ihre Eltern schon getrennt: der Vater Gyula Stern in Budapest und die Mutter Malvine TaflerStern in Baden, wo sie mit den Kindern ein finanziell sorgenfreies Leben führen konnte. Malvine Tafler-Stern war eine kultivierte Frau, die darauf bedacht war, allen ihren Kindern gleichermaßen, auch den Mädchen, eine gute höhere Ausbildung zukommen zu lassen. Von einer englischen Gouvernante lernten sie Englisch und Französisch. Zu Hause wurde Deutsch gesprochen, Jiddisch galt als unfein. Rosa Stern besuchte die bekannte Wiener Privatschule von Genia Schwarzwald, die als fortschrittlich galt und wo die unkonventionellen Ideen der Jugendbewegungen zirkulierten.2 1923 machte sie dort ihr Abitur. Während ihrer Schulzeit änderte Rosa Stern aus einer Laune heraus ihren Namen und nannte sich fortan „Lucie“, ein Name, der zusammen mit ihrem Nachnamen einen hübschen Pleonasmus bildete. Es sollte nicht ihre letzte Namensänderung sein. Bereits 1924, im Alter von nur 20 Jahren, heiratete sie den zwölf Jahre älteren ungarischen Arzt Joseph Varga. Ein Jahr später wurde ihre einzige Tochter Berta geboren. Für Lucie, die Diabetikerin war, bargen Schwangerschaft und Geburt ein erhöhtes Risiko. Das Insulin war zwar gerade erst in Kanada entdeckt worden und wurde auch bereits zur Kur eingesetzt, trotzdem war die Krankheit damals noch schwer zu behandeln, und Lucie Varga blieb nichts anderes übrig, als sich damit zu arrangieren und die Auswirkungen

des Leidens, das ihr Leben beeinträchtigte, irgendwie zu verdrängen. Während ihrer Ehe mit Joseph Varga studierte sie Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität in Wien. 1931 schloss sie das Studium bei Professor Alphons Dopsch, einem der bedeutendsten deutschen Historiker seiner Zeit, mit einer Doktorarbeit über die Entstehung des Schlagworts vom „finsteren Mittelalter“ ab. 1932 ließ sie sich scheiden. Während Joseph Varga nach Budapest zog, wohnten Lucie und die siebenjährige Tochter Berta bei ihrer Mutter in Wien, wo Lucie Lehraufträge an der Volkshochschule Urania übernahm. 1933 lernte sie durch ihren ehemaligen Professor Alphons Dopsch die Herausgeber der französischen geschichtswissenschaftlichen Zeitschrift Annales, Lucien Febvre und Marc Bloch, in Paris kennen. Im selben Jahr hatte sie auch den jungen marxistischen Intellektuellen und Historiker Franz BorkenauPollack3 kennengelernt. Er war nur vier Jahre älter als sie, kam aus ähnlichen Familienverhältnissen und war nach der Machtergreifung Hitlers von Deutschland nach Wien, seiner ursprünglichen Heimatstadt, gezogen. Der junge sprachbegabte, geistreiche und belesene Borkenau faszinierte Varga. Noch im Dezember 1933 legalisierten sie ihre Beziehung, bevor sie mit Tochter Berta nach Paris übersiedelten. 1 Die Informationen über Lucie Varga stammen aus: Schöttler, Peter (Hrsg.) (1991): Lucie Varga. Zeitenwende. Mentalitätshistorische Studien 1936–1939; Frankfurt a. M.: Suhrkamp. 2 Ebd., S. 17. 3 Borkenau war Sohn eines Richters am Obersten Gerichtshof in Wien.


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In Paris war Varga als Mitarbeiterin Lucien Febvres für die Annales tätig. Auch Borkenaus Aufsätze erschienen in der Zeitschrift, doch über Wasser halten konnten sie sich mit dem Einkommen, das ihnen ihre Arbeit brachte, nicht. Die Wege des Ehepaars trennten sich, als Borkenau nach Südamerika reiste, um dort eine Stelle anzunehmen, die er jedoch bald aufgab, um enttäuscht zurückzukehren. Indessen setzte Varga, die sich in Paris gut eingelebt hatte, ihre Mitarbeit an den Annales intensiv und kontinuierlich fort. Sie beschäftigte sich vor allem mit den Gründen, die zur Entstehung des Nationalsozialismus in Deutschland geführt hatten, und reiste deshalb auch öfters dorthin, was für sie nicht ungefährlich war. Die Aufsätze sind bis heute von erstaunlicher Aktualität, umso mehr in Anbetracht der Tatsache, dass die Ausmaße der Katastrophe, zu der der Nationalsozialismus führte, damals noch nicht vollständig voraussehbar und in ihrer ganzen Tragweite bekannt waren.4 1936 und 1939 erschienen in der Zeitschrift zwei Aufsätze Vargas über das Montafoner Tal in Vorarlberg und das ladinischsprachige Südtiroler Enneberg. Zu deren Vorbereitung verbrachte sie die Sommer von 1935 und 1936 jeweils in Vorarlberg und in Tirol. Beide Male hatte sie ihre zehnjährige Tochter und den 13-jährigen Sohn Febvres dabei. Sie tat also, was Frauen oft zu tun pflegen, nämlich ihre Ferien mit den Kindern mit „etwas Nützlichem“ – sprich: mit Arbeit – verbinden. Sie wanderte und kletterte mit ihnen, sah zu, dass sie spielen und sich beschäftigen sowie Kontakte zu anderen Kindern knüpfen konnten. Nebenbei befragte sie die Frauen und Männer im Dorf, um über die Veränderungen ihrer Lebensgewohnheiten zu recherchieren, die sich durch die Entwicklung des Tourismus in diesen Orten ergeben hatten und weiterhin ergaben. Sowohl im Aufsatz über das Montafon als auch in jenem über Enneberg zieht Varga einen Vergleich zwischen dem Früher und dem Jetzt in den jeweiligen Tälern, zwischen einer Vergangenheit ohne Touristen und einer Gegenwart mit Touristen, in der sich die gesamte dörfliche Wirtschaft, aber auch die Mentalität, das Denken der Menschen und ihre gesamte Lebensweise gänzlich verändert haben.5 Sie zeigt, wie der Ausbau des Tourismus neue Strukturen entstehen lässt, neue Gasthäuser gebaut und die bestehenden vergrößert

werden. Diese erfordern mehr Personal: Köchinnen und Kellnerinnen werden angestellt. Auch die Essgewohnheiten verändern sich: Wurde früher die Milch der eigenen Kühe getrunken, wird diese jetzt verkauft, man isst mehr Fleisch und kauft andere Lebensmittel hinzu. Es entsteht eine neue Dorfelite, der Typ des Gastwirts, der ehemalige Bauer, der in die Stadt fährt, um dort einzukaufen, was die Gäste verlangen. Lucie Varga schreibt: „Der Bauer sucht also die Stadt. Aber vor allem überfällt nun die Stadt das Dorf.“6 Mit ihrer Beschreibung der Dreißigerjahre im Montafon zeichnet Lucie Varga eindrucksvoll und mit äußerster Klarheit die Verbreitung des Nationalsozialismus unter der Bevölkerung. Die neue Ideologie entwickelt sich parallel mit der Zunahme des Tourismus, sie schleicht sich ins Dorfleben ein und ersetzt mehr und mehr die Religion, ja sie wird zu einer Religion, während die Kirche an Autorität verliert. Alles, was aus Deutschland kommt, und von dort kommen auch die meisten Touristen, scheint gut zu sein, und vor allem lässt sich die Jugend davon begeistern. Die 1939 in den Annales erschienene Studie „Sorcellerie d’hier. Enquête dans une vallée ladine“, zu Deutsch „Hexenglauben in einem ladinischen Tal“7 ist ein in zweifacher Hinsicht beachtlicher Aufsatz. Einerseits stellte die historische Hexenforschung, in jenen Jahren noch in den Anfängen, eine gänzliche Neuheit dar. Tatsächlich wurde dem Thema erst mit der Frauenforschung in den Sechzigerjahren vermehrt Beachtung geschenkt. Andererseits war Vargas Methode der Feldforschung, ihr direkter Kontakt zur örtlichen Bevölkerung und deren Befragung in Form zahlreicher Einzelgespräche ungewöhnlich modern, ihr persönlicher Zugang zum Thema äußerst originell. Wie im Aufsatz über das Montafon interessierten Varga auch in diesem Aufsatz über Enneberg vor allem die Veränderungen der Lebensbedingungen der dort lebenden Menschen. Im Mittelpunkt ihrer Untersuchung stehen der Glau-

4 Schöttler (1991), S. 53. 5 Varga, Lucie: Ein Tal in Vorarlberg – Zwischen vorgestern und heute, in: Schöttler (1991), S. 153. 6 Ebd., S. 155. 7 Varga, Lucie: Sorcellerie d’hier. Enquête dans une vallée ladin, in: Annales d’hisoire sociale, Jg. 1, Paris 1939, S. 121–132.


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be an die Hexen und die Frage, warum er in diesem ladinischen Tal in den Südtiroler Dolomiten so lange überdauert hat. Varga stellte fest, dass der Hexenglaube zur Zeit ihrer Nachforschungen so gut wie verschwunden war, beziehungsweise, dass die Leute im Dorf zwar noch an die Existenz der Hexen glaubten, jedoch dachten, dass es sie dort nicht mehr gebe, weil sie vom Priester exorziert worden seien und keine Macht mehr ausüben könnten. Manche von den befragten Frauen meinten von sich selbst, Hexen zu sein, aber ihre Zauberkraft vergessen zu haben. Angeblich kannten noch alle im Dorf Hexen. Die Menschen glaubten an sie, wie sie an die Muttergottes und das Jesukind glaubten, die ihnen übrigens näher standen als Gott und Jesus. Sie glaubten auch an verschiedene Heilige, etwa an den heiligen Florian, Sankt Christoph oder Sankt Martin, deren Bilder auch im Inneren ihrer Häuser und in den Ställen hingen, um Menschen und Vieh zu beschützen.8 „Heutzutage“, schreibt Varga, „wird der durch den Pfarrer vermittelte Schutz der katholischen Religion gegen alle Krankheiten, Epidemien, Unwetter und Katastrophen eingesetzt, die auf das Tal niedergehen. […] Aber noch vor kurzem verlangten die Bauern einen besonderen Schutz gegen okkulte Kräfte, die mit verschiedenen Namen belegt und als Ursachen allen Unglücks betrachtet wurden. Gemeint sind vor allem die Hexen. Ihre Listen zu durchkreuzen war eine der Hauptaufgaben des Pfarrers. Man sagte von einem Pfarrer: ‚Die Hexen gehorchen ihm, er widersteht jedem Sturm.‘ Oder im entgegengesetzten Fall: ‚El ne vel nia dalla tempesta.‘ 9 […] Noch vor dem Krieg gab es in jedem Dorf zwei oder drei Hexen. In manchen Orten leben heute noch einige Frauen, auf denen in ihrer Jugend der Verdacht der Hexerei lastete. Aber sie üben ihren Beruf nicht mehr aus. ‚Der Pfarrer hat uns entmachtet‘, behaupten sie selbst und mit ihnen das ganze Dorf.“ Interessant scheint vor allem die Tatsache, wie offen und freimütig die angeblichen Hexen über ihr Hexendasein berichteten. Ihr Reich sind der Sturm und das Vieh. Ihren Erzählungen zufolge konnten sie mit Hilfe ihrer Zauberkräfte bewirken, dass die Milch der Nachbarskühe in ihre eigenen überging. Anderen Erzählungen zufolge beteiligten sie sich auch am Hexensabbat, der vor allem darin bestand, ausgiebig zu essen und

zu trinken und wollüstig zu tanzen. Auch ein Priester ohne Kopf soll dabei gewesen sein und ihnen Ratschläge erteilt haben, wie sie sich vor seinen Berufskollegen schützen konnten.10 Varga fragte, woran man eine Hexe erkennen konnte. Das war angeblich ziemlich schwierig: „Auf jeden Fall war die Hexerei das genaue Gegenteil des Katholizismus, und die Hexen fürchteten die Priester, die Messe und die Sakramente (umgekehrt fürchteten freilich auch die Priester die Hexen). Hexen wagten es also nicht, am Hochamt teilzunehmen, und es wurde erzählt, dass sie, wenn sie die Messe besuchten, so schnell wie möglich wieder verschwanden. Sie schlossen die Augen, schliefen oder täuschten es vor, sie senkten den Kopf ganz tief herunter und richteten nie den Blick auf die heilige Hostie.“11 Lucie Varga fragt auch danach, welche Frauen Hexen wurden und warum, und sie stellt fest, dass in einer Welt, die sich in wenigen Jahren stark verändert hatte, eines gleich geblieben war, nämlich: „Die Festlegung und Organisierung der Arbeit obliegt dem Vater, anschließend dem Sohn. Die Ausführung liegt bei den Frauen.“12 Bei jenen Frauen im Dorf, die an die Hexen glauben, ortet sie eine gewisse Rebellion gegen ihr Lebensumfeld. Dieses sei geprägt von harter, monotoner Arbeit, die Askese und Selbstverleugnung verlangt. Für die Töchter der armen Bauern sei es ein langer Weg, bis sie ihre Aussteuer verdient hätten. Und welchen Kampf müsse eine Bäuerin, die zwei oder drei Kühe hatte, durchstehen, damit sie in der Dorfgemeinschaft respektiert würde! Sie empfand dumpfe Ungeduld, sich den Regeln der Gesellschaft und der Religion mit ihren Heiligen zu unterwerfen, die doch „eigentlich meist auf der Seite der Mächtigen im Dorf sind“13. Durch die Materialität des Bösen im Hexenglauben können die bösen Mächte, die Unheil anrichten, beschworen werden, bemerkt Varga. Weil die Hexen diesem Glauben

8 Varga, Lucie: Hexenglauben in einem ladinischen Tal, in: Schöttler (1991), S. 174. 9 Ebd., S. 174–175. „El ne vel nia dalla tempesta“ heißt auf deutsch: „Er ist gegen das Wetter nichts wert.“ 10 Ebd. 11 Ebd., S. 176. 12 Ebd., S. 171. 12 Ebd., S. 177.


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zufolge etwa für den Hagel verantwortlich sind und die Kühe der Nachbarn unfruchtbar machen können, gebe es so etwas wie eine strafende, rächende Macht. „Dadurch entsteht Hoffnung“, schreibt sie. Der Tourismus in Enneberg war zur Zeit, als sich Lucie Varga dort aufhielt, ein neues Phänomen. Angeblich kamen erst seit 15 Jahren mehr Touristen und erst seit fünf Jahren kamen sie auch im Winter. Doch die sozialen Veränderungen waren bereits deutlich erkennbar. Früher, unter dem habsburgischen Österreich, löste sich die bäuerliche Struktur langsamer auf, Urbanisierung und Fortschritt waren weniger eng verknüpft und beeinflussten das Leben der Menschen im Dorf weit weniger. Varga stellt fest: „Solange sich nur ein oder zwei Touristen ins Tal wagten, sich über den Glauben der Einheimischen mokierten und während ihres kurzen Aufenthalts versuchten, ihre Fortschrittsgedanken zu verbreiten, sagten die Einheimischen nur: „Quel mat de tudesc.“14 Und sie fährt fort: „Heute sind sehr wenige Ladiner gezwungen fortzugehen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen: Der Tourismus hat alles verändert. Statt eines Gasthofs gibt es deren drei. Statt Arbeit für drei gibt es Arbeit für 30, denn man muss die Touristen nicht nur beherbergen, sondern auch für sie waschen, bügeln, nähen und häkeln. Sie kaufen Schuhe, Strümpfe, Spazierstöcke und Verpflegung. Ganz allmählich entwickeln die Einheimischen daher zwei verschiedene Vorstellungen vom Wert der Arbeit […] Nicht mehr die Anstrengung wird bezahlt, nicht mehr die Ausdauer und die Askese der Arbeit werden entlohnt und führen zum Wohlstand, sondern die körperliche Geschicklichkeit, die geistige Gewandtheit, die Fähigkeit, sich anzupassen oder vorzupreschen […] Die Wertvorstellungen haben sich vollständig gewandelt. Nicht mehr der wohlsituierte Bauer wird beneidet und in der Dorfgemeinschaft ganz oben platziert, sondern der Skilehrer und der Besitzer eines großen Hotels. Nicht mehr ein Haus mit vollen Truhen ist das Symbol für den Wert des Menschen, sondern ein sportlicher Rekord, den irgendein Jugendlicher aufstellt.“15 Mit dem Tourismus, dem Kult des Sports, der Urbanisierung, den veränderten Vorstellungen von Arbeit und Arbeitsrhythmen, aber auch dem plötzlichen Reichtum veränderten sich auch die Sichtweisen der Leute im Dorf. Die früher mit dem Hexenglauben oder der Reli-

gion verbundene Hoffnung wurde jäh vom Tourismus abgelöst. Die neuen Feinde sind für alle die Wirtschaftskrise und die Steuern, für die einen aber auch das österreichische Joch und für andere der Faschismus. Die Alten klagen über die Schule, die den Jungen nichts mehr beibringe außer Singen, Zeichnen und Gymnastik. Es ist für Varga die faschistische Erziehung, die „die Zerstörung der alten Bezüge vollendet“. Sie beendet ihren Aufsatz mit den Worten: „Zwar werden immer noch viele Stunden auf den Religionsunterricht verwandt, aber der erste Satz, den die kleinen Ladiner beim Eintritt in die Schule lernen, lautet nicht mehr ‚Ich bin katholisch‘, sondern ‚Io sono italiano, io sono italiana‘. Ihr erstes Lied ist kein Kirchenlied mehr, sondern die Hymne der Balilla, die folgendermaßen endet: ‚Son bimbi, ma già bimbi fieri, già forti – già pronti a lanciare – il sasso e il cuore.‘ 16 Die ganze Schulzeit steht neben Gott ein anderer Gott: der Staat.“ Vargas Aufsätze über das Montafon und Enneberg sind, obwohl kritisch in ihrer Haltung gegenüber den Veränderungen der Lebensverhältnisse, nie sentimental oder nostalgisch. Sie anerkennt die Vorteile des Fortschritts, der das Leben und die Arbeit in vielfacher Weise einfacher machte. Doch den Verlust bestimmter Wertvorstellungen und deren Ersatz durch materielle und ideologische Werte wie Geldhörigkeit, Nationalsozialismus oder Faschismus betrachtete sie mit einiger Besorgnis. Während Geografen und Ethnologen sich gerade in jener Zeit auch vermehrt den exotischeren Ländern der Welt widmeten, zog Lucie Varga es vor, zwei Alpenländer zu erforschen, und zwar nicht, wie es gerade auch in jener Zeit in Mode gekommen war, indem sie sich auf das Verschwinden von altem Werkzeug, Trachten und Folklore konzentrierte, sondern indem sie eine sach14 Varga, Lucie: Hexenglauben in einem ladinischen Tal, in: Schöttler (1991), S. 181. „Quel mat de tudesc“ heißt wortwörtlich „Dieser verrückte Deutsche“. Heute wäre die korrekte ladinische Schreibweise „Chël mat de n todësch.“ 15 Varga, Lucie: Hexenglauben in einem ladinischen Tal, in: Schöttler (1991), S. 181 f. 16 Ebd., S. 183. Der Satz in italienischer Sprache bedeutet auf Deutsch: „Es sind Kinder, aber schon stolze, starke Kinder – schon bereit den Stein und das Herz zu schleudern.“


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liche Analyse der sozialen Gewohnheiten im Wandel der Zeit vornahm. Lucie Varga arbeitete mit Dualismen. Thematisch gesehen waren es die bäuerliche Welt und der Tourismus, der Katholizismus und der Nationalsozialismus. Zeitlich gesehen waren es die Vergangenheit und die Gegenwart, dabei verband sie Geschichte und Aktualität. Sie verband aber auch zwei Forschungsfelder, nämlich die Geschichtswissenschaft und die Ethnologie. Auch in dieser Hinsicht war sie eine der ersten Wissenschaftlerinnen, die die zwei Wissensbereiche so produktiv einsetzte. Lucie Varga gelang es, eine Situation sowohl von außen als auch von innen zu betrachten – von außen, weil sie darauf mit dem Blick einer außenstehenden Person sehen konnte, und gleichzeitig von innen, weil sie sich mit dieser Situation lange genug beschäftigte und die Fähigkeit besaß, sich in Menschen hineinzudenken. Lucie Varga gehörte zu jener Gruppe von Geschichtswissenschaftlerinnen, die von der Frauenforschung als „unsichtbare Historikerinnen“ bezeichnet werden. So geriet sie einerseits aufgrund ihrer persönlichen Biografie zu Unrecht schnell in Vergessenheit, andererseits beschäftigte sie sich bereits mit Sozialgeschichte, als diese noch nicht etabliert war. Der Historikerin und Ethnologin war nur ein kurzes Leben beschieden und die letzten Jahre davon waren für sie nicht leicht. Die Ereignisse überstürzten sich. Mit Febvre und seiner Familie kam es zu einem Bruch. Er war nach Südamerika gereist, nachdem es zu Unstimmigkeiten mit Marc Bloch gekommen war, aber vermutlich auch, weil ihn seine Frau vor die Wahl gestellt hatte, sich für sie oder Varga zu entscheiden. Für Lucie war dieser Bruch eine Katastrophe. Plötzlich stand sie allein da, ohne die für sie wichtigsten Bezugspersonen, ohne die Arbeit, die ihr so viel bedeutete. Außerdem wurde es für ihre Mutter, besonders nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland, immer schwieriger sie zu unterstützen. So versuchte sie sich selbst durchzuschlagen, arbeitete als Fabrikarbeiterin und sogar als Vertreterin von Küchengeräten. Sie ließ sich dabei nicht entmutigen und versuchte darin sogar eine Gelegenheit zu sehen, „soziologische Erfahrungen zu sammeln“.17 Ende 1937 oder 1938 ließ sie sich auf eine Scheinehe ein, um die französische Staatsbürgerschaft

zu erwerben. Dabei änderte sie abermals ihren Namen, wurde zu „Madame Robert Morin“. Erst nachdem der Krieg schon ausgebrochen war, fand sie eine fixe Anstellung bei der Presseagentur Agence Hava, für die sie Nachrichten abhörte und übersetzte. Doch auch in den schwierigsten Zeiten hörte sie nie auf, intellektuell zu arbeiten. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich 1940 floh sie mit ihrer Tochter zunächst nach Bordeaux und fand dann Zuflucht in Pibrac, einem Dorf in der Nähe von Toulouse. Dort lebten sie in Armut und wussten kaum, wie sie sich ernähren sollten. Im Haus, das sie gemietet hatten, zogen der Maler und Grafiker Albert Mentzel und Lotte Rotschild mit ihren drei Kindern ein. Im Winter 1940/41 verschlechterte sich ihr gesundheitlicher Zustand. Unter den Umständen, in denen sie während des Krieges zu leben gezwungen war, wegen der unregelmäßigen und mangelnden Ernährung, der unzureichenden Versorgung mit Insulin und vielleicht aufgrund eines gewissen Leichtsinns, kam es zu einer körperlichen Erschöpfung, deren Symptome und Ursache der Dorfarzt verkannte. Er vermutete eine illegale Abtreibung, fürchtete sich vor den Behörden und ließ Lucie Varga viel zu spät ins Krankenhaus einliefern. Dort starb sie am 26. April 1941 im diabetischen Koma. Sie war 36 Jahre alt. Ihre Tochter Berta zog zu ihrem Vater und ihrer Großmutter nach Ungarn, wo sie den Krieg wie durch ein Wunder überlebte. Der Vater wurde 1944 von deutschen Soldaten erschossen, ihre Großmutter Malvine Tafler-Stern wurde von Nazis in der Donau ertränkt. Auch Lotte Mentzel und eine ihrer Töchter wurden in Pibrac verhaftet, nach Auschwitz deportiert und ermordet – dieses Schicksal hätte wohl auch Lucie Varga ereilt, wenn sie nicht schon vorher gestorben wäre.

17 Schöttler (1991), S. 46 (Vorwort).


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„Hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich …“

Hochwasser verwüstete 1965 den Bezirk Osttirol: Notizen und O-Töne aus dem Krisengebiet, 47 ½ Jahre nach der Katastrophe. Von Carmen Brucic

Anfang September 1965 regnete es 48 Stunden ununterbrochen, mehr als 400 Millionen Tonnen Wasser fielen in dieser Zeit, an diesem Ort vom Himmel herab. Der Wasserstand der Isel stieg an manchen Stellen auf 4,80 m über den Normalstand. Zwölf Menschen ließen ihr Leben, 141 waren obdachlos, 794 wurden evakuiert. Es gab 36 zerstörte, 38 schwer beschädigte und 74 lädierte Objekte, 148 Brücken wurden vom Hochwasser weggeschwemmt. Viele Menschen mussten nicht nur von ihren Liebsten Abschied nehmen, sondern auch von ihren Sicherheiten. Nach inzwischen knapp 50 vergangenen Jahren wollte ich diesem Schrecken, der die Osttiroler heimsuchte, nachspüren. Das Thema Abschied beschäftigt mich schon seit längerer Zeit in meinen künstlerischen Arbeiten; das war wahrscheinlich der Grund, warum mich Quart mit dieser Recherche beauftragte. Am 18. Jänner 2012 machte ich mich für fünf Tage mit einem Tonbandgerät auf den Weg zu den Zeitzeugen.

… Ja, der Onkel und i. Von der Mamme der Brüda und i håm då zwoa Tåge då die ganze Ding mit Pickel und Schaufel aufgegråb’n, um zu schaugn, ob die Mamme nou do heroben isch oder ob s’es in’s Tal g’schwemmb håt. Am dritten Tog vormittog håma sie nocha g’fundn. Mia håm gsåg’, mia gebn nit auf, bevör ma sie nit finden. Da håma Glück gehåb’, weil die gånzen Helfer håm g’sag, de find’ ma nimma, de find’ ma nimma und de isch öhin. Da sei ma måchtlos und måchtlos. Der Brüda von der Mamme und i håm nit aufgebn. Nocha håma sie trotzdem nou gfundn …

*

… Nocha bin i fira gong’ auf an Felsvorsprung, öhaschrei’n ins Tål, dass Hilfe auhakimp …

Wie spreche ich mit jemandem, der eine Naturkatastrophe überlebt hat? Wie empfindet jemand, der bereit ist, nach so vielen Jahren und Geschehnissen in ein sein Leben veränderndes, unvorhergesehenes Ereignis einzutauchen, sich diesen kaum vorstellbaren Ängsten wieder zu stellen, sie aus den Tiefen seines Unterbewussten hervorkommen zu lassen? Jemand, dem ich vis-a-vis sitze …

… sich kreuzende und gleichsam suchende Augenblicke. Der schneller werdende Atem, die nach Halt suchenden Hände, die sich wandelnde Stimme, konzentriert. Stille. Als nehme der gesamte Raum durch diesen Zeitzeugen eine vergessene Gestalt an. Ist es überhaupt möglich, über dieses Erleben zu sprechen? Kann das Sprechen darüber selbst zum Ereignis werden? …

… Nix wie Trümmer und Trümmer, Leit g’schrien … … Nocha honn i ma gedenkt, hiez bin i alloan auf der Welt von dem Dörflen … Spring i da öhin … … und natürlich entwickelsch’ übernatürliche Kräfte in so oana Situation …


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Carmen: De Bilder bleib’n ja, wo tuasch du de hin? Chrysanth: Jå, de bleibn jå, da denksche nocha hålt wieda. Jed’s Jåhr um die Zeit, überhaupt wenn a Schlechtwettaperiode isch, då bin i nit ansprechbår, a gånze Woche. Carmen: Was hat dir g’holfen, dass du da weiter gemacht hasch? Chrysanth: Der Glaube håt mir geholfen, der Glaube. Der woar die oanzige Rettung für mi. * In der Welt, in den Zeiten und Geschichten, in die ich hineingeboren wurde, werden Katastrophen vermarktet. In jener Welt fühlen viele Menschen einen Verlust, der noch gar nicht stattgefunden hat und vielleicht nie stattfinden wird. … „So! Nun habt ihr alles verloren.“ Na, honn i gsåg’, na, mir håm’ goar nix verloren, i woas nou, dass i g’låcht honn sogar – na, Herr Pforra, mia håm goa nix verloren, mia håm uns ålle! … Alles verloren und dennoch alles behalten; was ist mehr wert als das eigene Leben? Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, das in solcher heftigen Grausamkeit erfahren zu müssen. Aloisia erinnert mich an einen Kapitän auf stürmischer See. … und die Kirche zamm gebrochen … wo die Sintflut, die Gischt so aufigeht! … Selbst das Sinnbild des Glaubens wird niedergeschmettert.

… nocha hot ma des glei gsechn, und ja wia die Toten öchngschwumm’ sein und des alles hot nocha niederg’fress’n. Friedhof olls weck, die holbe Kirche weck … … I hon olleweil g’sog’, es passiert uns nix. Mia sein wia in der Arche Noah … * Jedes Interview birgt eine Unvorhersehbarkeit, eine oder mehrere Überraschungen. Respektvolle Neugier, was mich hinter den mir stets freundlich geöffneten Türen erwartet, treibt mich an. So pendle ich zwischen den Zeiten und plötzlich wird mir klar: Diese fünf Tage sind viel zu kurz. … Es isch a Monschter gewesn, braun und höech und laut, laut! Hetz kimp’ ma oftramol vor, i hun des Rauschen alleweil nu im Hinterkopf. Wenn’s hetz länger regnet als wie zwoa Toge hinteranondar, nocha denkt man a: hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich, … … Åcht Leit’, zwoa Schirm’. Irgendwo in dem Wåld sein mia gehuckt, unter zwoa Schirm’ und håm Rösenkrånz gebetet. Und håm gewårtet, bis es helle weard. Und überall håt’s gekråcht und getscheppert und mia håm nimma gewisst wo. Und wie’s nocha hell worden isch, nocha sein mia nimma auskemm’, weil do woa die Mure und do woa die Mure … Versunken in ihre bewegenden Schilderungen, vergisst Ottilie mich. Sie erzählt von der Eiligkeit der Menschen, die ihre Häuser verlassen … ein Zögern, ein Warten kann tödlich sein. Manchmal flüstere oder zische ich ein kleines „Wahnsinn!“ dazwischen. Mehr


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ist in dieser Stunde nicht möglich oder vielleicht auch gar nicht wichtig. * Während Anton erzählt, zwirbelt er unterhalb der Brust immer an der gleichen Stelle seines dunkelgrünen Jagdpullovers. Wieder in diese heftigen Erlebnisse hineinzugehen ist emotional extrem aufwühlend. Das immer schneller werdende Zwirbeln an den wolligen Fäden … Plötzlich spricht er nur mehr von den Fakten, er schafft sich eine Brücke. ... Des rauscht und schtinkt gonz furchtboa. Durch des Material, durch die Erde, des isch wia so – i woas nit, wia ma des sogn soll, wia so a Schleim. Es schtinkt oanfoch: I woas nit, wia i des sogen soll, wia des schtinkt. Des isch vom Wold nocha die faule Erde, dann isch Ungeziefer drinne, des oll’s und oll’s wead nocha aufg’wühlt und nocha kimp als zamm und des schtinkt oanfach. Des schtinkt fuarchtbar …

sich weitere weiße Risse durch die malträtierte Landschaft. Die kahlen weißen Stellen stechen hervor, als hätte jemand im Foto herumradiert. Hier starben sechs Menschen, sieben Menschen konnten, teils schwer verletzt, geborgen werden. Auf der Aufnahme der beschädigten Kirche von St. Johann im Walde sehen die Überreste wie ein Mahnmal aus, das an göttliche Wut erinnert. Der Kirchenkörper ist bis zur Mitte abgerissen. Aus dem Inneren gähnt ein tiefes, leeres Loch. Ein kleines, heil gebliebenes Kirchenfenster leuchtet noch darin, und man kann andeutungsweise die tief versandeten Kirchenbänke erkennen. … um die Heisa hun i nit a so Sorge g’hab, um die Kinda a nit, aber um die Männer. Weil de alleweil wieder weck sein, des isch so a schreckliches Gefühl gewes’n, bald de weck sein, mitten in der Nocht wieder Wossa wehren sein gong. Da wieda schaug’n, dass es Wasser nit weita zuhafrißt, dass sie de Höfe da unten daretten. Des isch so schrecklich gewes’n bis de do wieder kem’ sein … de Wartezeit. Kemmen sie alle mit gonze Glieder? …

* Ich bringe ausgeliehene Fotos zu den Gesprächen mit. Zwei kleine Schwarz-Weiß-Aufnahmen fallen mir besonders auf. Das eine ist eine Luftaufnahme, von der aus weit entfernt die Verwüstungen auf „Gassen“ (Gemeinde St. Veit i. D.) festgehalten sind. Durch die Hälfte des Fotos zieht sich von links oben nach rechts unten ein gewaltiger grau-weißer Riss. Die vielen herunterstürzenden Muren zerreißen zuerst das Waldband, bevor sie das Tal weit unten verwüsten, eine davon radiert die Mitte des Dörfleins aus. Links und rechts neben den stehen gebliebenen Häusern ziehen

… Sie woan zwoa platschnoss, aba sie hom’s überlebt und sein nit amol krank woan … Carmen: Hat dein Mann jemals drüber g’redet? Gunda: Na, hat er nitte. Gsog wohl, da isch nicht mehr ’gong’n, da håma nicht mehr daholfen. Gebeugt, wie von einem schweren Gewicht, legt Valeria ihren Kopf auf die Seite. … Mittwoch in da Friah isch a non gstorbn. Wenn i denk, wie schen und friedlich, ohne a Gsicht zu vaziach’n …


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Versunken in den vergangenen, wieder lebendig gewordenen Bildern vergessen wir die Milch auf dem Herd, die schon übergelaufen ist. Der Geruch von Verbranntem bringt uns kurz in das Hier zurück. Gemeinsam putzen wir die Herdplatten, setzten uns wieder und Aloisia erzählt weiter. … Alleweil schwonger und alleweil Stoane geklaub’ und Stoane geklaub’ und nocha isch auf oamal oll’s weck mitn Hochwossa, oll’s was mia zeascht gerodet hom und hergerichtet hom und umgebaut hom … … Schaug, da isch des Haus g’stond’n. Komplett weggeputzt, als ob’s nie dog’wesn war … … Des is so schwierig, des zu erzählen, weil des immer wieder aufwiegelt … * Er konnte nicht früher heiraten, er brauchte lange Jahre, um mit diesen Erlebnissen leben zu lernen. Heute erzählt Chrysanth glücklich von der Liebe zu seiner Frau und den Kindern mit ihr. … Sag’ man dann zum Beispiel: Mei Bue isch noch der Katastrophe auf die Welt kemmen? … … man denkt nocha: isch es vor Fünfundsechzig oder noch Fünfundsechzig gewes’n, oder isch es schon Sechsundsechzig gewesen? … Heuer hat es hier nur wenig geschneit, ungefähr 20 cm, so hoch hätte damals das Wasser im ganzen Bezirk gestanden, wenn es nicht abgeflossen wäre. Ich ver-

suche, mir das mittels der Schneedecke während der Autofahrt vorzustellen. Immer wieder passiere ich lange Tunnel von Straßenverbauungen. Die sich gleichmäßig wiederholenden sterilen Betonstehlen ziehen sich Kurve um Kurve. Sie sollen in Zukunft die Zufahrten ins Tal vor Muren und Lawinen schützen. Wie viele Tonnen Beton das sein müssen? Die kleine Bergstraße schlängelt sich auf die Hochebene. Kein Verkehr, als ob ich allein in dieser Winterlandschaft unterwegs wäre. An den schroffen, dunklen Felswänden hängen festgefrorene Bäche. Das kalte Sonnenlicht fängt sich darin. Das Eis leuchtet. Auf meine Frage: „Was gab Dir in dieser schweren Zeit Kraft?“, lautete die Antwort aller: „Mein Glaube.“ In diesen fünf über die Zeiten hin- und herfliegenden Tagen, erfahre ich verkörperten Glauben, der wie eine aus Stein gehauene Skulptur Gestalt bekommen hat und atmet. ... Na, mågsch ruhig Du sågn. Über 1000 Meter Höhe isch åll’s per du ... ... Soll i nit nou an Kaffe moch’n? ... Lei g’frühschtückt! Nocha müesche hetz owa schun ebes essen ... Iss amol bisse genüe hosch ... ... jå, des isch de fremde Frau, de sitzt bei mir in der Kuchl ... (Nachbemerkung: Für die Gastfreundschaft und das große Vertrauen, mich in so persönliche Erlebnisse einblicken zu lassen, bedanke ich mich bei allen Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern.)


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außen:fern

Auf den folgenden Doppelseiten: Arbeiten, die Helmut Pokornig aus in Privatarchiven und Familienalben vorgefundenen Fotografien verfertigt. Er schreibt dazu: „Die Momentaufnahmen aus dem Bereich der Amateurfotografie werden am Rechner in digitale Daten umgewandelt und weiterverarbeitet. In den meisten Fällen wird ein neuer Bildausschnitt gesucht, das Motiv freigestellt und vor neutralem Hintergrund positioniert. Oft wird der Bildinhalt aber auch einem radikalen Wandel unterzogen. Es werden einzelne Elemente versetzt oder gänzlich gelöscht, der Inhalt des Ausgangsmaterials wird reduziert und neu komponiert. (Allerdings werden nie fremde Bildinhalte hinzugefügt. Der Eingriff bleibt so im Rahmen des gegebenen Ausgangsmaterials, um die Wirklichkeit umzugestalten, um das Ausgangsbild in ein neues Bild zu verwandeln.) Die extreme Vergrößerung bedingt bereits eine gewisse Unschärfe, die weiter modifiziert wird. (Diese Unschärfe hat jedoch nicht die Absicht, dem Bild einen malerischen Charakter zu verleihen, sondern jene, es von seinem statischen Zustand zu lösen, es dem Traum, dem Eindruck einer Erinnerung zu nähern, was ich durch die ebenfalls veränderte Farbgebung, die sich am Aussehen chromatisch verblasster Fotografien orientiert, zu unterstützen versuche.)“












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© Freytag-Berndt u. Artaria, 1231 Wien

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Das Fernglas Landvermessung No. 3, Sequenz 6 Vom Karwendelhaus nach Garmisch-Partenkirchen Geschichten kann man auch durch geometrische Operationen auf der Landkarte generieren: In Quart folgen unterschiedliche Autoren mit unterschiedlicher Kondition unterschiedlichen Linien (s. Übersichtskarte auf der vorhergehenden Doppelseite). Derzeit befinden wir uns auf einer Geraden, die von Obermauern im Osttiroler Virgental nach Garmisch-Partenkirchen führt. In der abschließenden Sequenz dieser Folge lässt Xaver Bayer seinen Blick länger über die Berglandschaft schweifen und hört unter anderem einen Specht lachen.

Die Zeit ist buchstabengenau und allbarmherzig. (Hölderlin)

(In die Kälte oder Wärme unseres Nestes sind wir mitverwoben) & das Gehen der Beine beim Gehen (Der vielsagende Körper) der Schatten des Stiftes mit dem ich schreibe (Aber das ist schon außerhalb des Schreibens) & als ich in Innsbruck ankam (So möchte ich das gelesen wissen?) war es wie zuletzt als ich in Innsbruck ankam ich ging wie geduckt mit gesenktem Kopf (Das Leben scheint das Heitere zu bevorzugen um zu bestehen aber den Nebensatz beschließt der Tod) durch die Gassen der Innenstadt und später über die Brücke und in Richtung Außenbezirke dort verdorrte Pflanzen hinter den staubigen Schaufenstern leerstehender Geschäfte und Lokale von den einstigen Besitzern im Stich gelassen (Wieso muss ich an so etwas denken?) und als ich dann auf dem Balkon des Hotelzimmers stand und rauchte (Über mir ein Flugzeuggrollen ein rostiges Messer das über den Himmel schrammt) fragte ich mich warum eben ich hier immer dieses Gefühl des Geducktseins habe und die Luft


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war mit Souvenirs gespickt (Schnee und Hausbrand) & die Rauchgirlande die ins Freie zog immer noch ein Bild der Friedfertigkeit (Alle-Menschen-werden-Brüder) und wie um meine weltumarmenden Gedanken zurechtzustutzen brach einer auf der Straße unten einen Streit vom Zaun (Was habe ich dort zu suchen?) und für einen Moment hatte ich den Eindruck als würde sich die Fassade der Häuser gegenüber in Bewegung setzen und ich trat zurück ins Zimmer und schloss die Balkontür und öffnete eine Flasche Wein und dachte mir dass mir alles Vorgeschriebene widerstrebt & hier mein Körper auf dem Hotelbett dort der Weltempfänger auf dem Tisch irgendwo dazwischen die Musik hinter Tür und Fenster Lebenszeichen anderer Menschen (Mein Schreiben das ich beobachte) und in die Gegend gestreut was ich mir zugute halten kann (Die leeren Häuser in der Vorstellung wie die Tage sie durchleuchten) & so lag ich da eine Weile und trank und suhlte mich in der Unlust hier zu sein bis ich mir selbst damit auf die Nerven fiel also zog ich mir die Schuhe an und ging hinaus Hütten mit Weihnachtsplunder als Touristen kostümierte Touristen dann ein Blick auf einen Mauervorsprung auf dem eine zusammengekauerte Taube saß ein zweiter Blick und es war eine taubengraue Überwachungskamera & auf einem Schild in einem Schaufenster las ich die Aufforderung (Schenken Sie Ihren Liebsten Zigarren) und sofort hatte ich Lust das Geschäft zu betreten und Zigarren zu kaufen


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um sie jemandem zu schenken und an einem Lokal vorbeigehend sah ich auf einem Kühlschrank die Aufschrift Rauch (Der Name einer Fruchtgetränkemarke) und automatisch spürte ich das Verlangen mir eine Zigarette anzuzünden & ich gehe (Nur den Platzhalter spielend wie ein Double für die Szenen ohne Stunts) & ein Kind an der Hand seiner Mutter sagt zu ihr (Die Welt ist heute ganz unsichtbar) und ich dazwischen bewege mich weiter damit die Bewegungslosigkeit in mir nicht zu sehen ist (Diese Starre ist wie die Beschäftigung derer die in allen Fußgängerzonen der Welt als lebende Statuen ihr Einkommen finden von der Gefahr begleitet eines Tages zu gefrieren zu einer Statue aus Porzellan zu werden umgeben von hohen Mauern auf denen Tafeln mit unverständlichen Hinweisen montiert sind ohne Leben nur hin und wieder das Widerklingen einer über die Mauer geworfenen Münze am Porzellan) & ich sehe unscharf fühle mich taumelig (Wie ich gestern noch ins Kino ging und mir Lars von Triers Melancholia ansah und dabei betrunken einschlief) & (Verlangen nach Vorfieber) und (Wenn der Schlaf einem beim Aufwachen noch schnell Traumkassiber ins Bewusstsein schmuggelt) & dann stehe ich also endlich am Fuß des Berges an einem neuen Tag und


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es gelingt mir nur das Allernaheliegendste zu erkennen auch die Wörter haben keine Klettfunktion rutschen durch das Angeschaute wie ein Filmgespenst durch Wände geht (Die schwarze Logik) die Spinnweben zwischen den Zaunlatten vom Morgenfrost umwachsen sie hängen da wie Miniaturblumenketten & die fast schon ganz entlaubten Bäume nicht zu entscheiden aus der Ferne was Vögel sind und was vertrocknete Blätter (Ob wir wenn wir gegen die Natur revoltieren nicht längst Diener der Natur sind?) & ich gehe weiter & im Gehen frisst der Schatten der sich bewegenden Hand immer wieder eintauchend und sich wieder losreißend in die Körperkontur hinein und das Bewusstsein lässt zwischen jedem meiner Schritte auf dem knirschenden Schnee und dem Lärm der durch das Tal brausenden Autos wie panisch seine Spitzen hochschießen und verkriecht sich dann wieder in ein sonores Abtun vom Geschehen das Mittun tätschelnd als unaufhaltbarer Vertröster so schlüpft es in die Haut so will es verschluckt und verschwiegen werden der Schwerpunkt jedes Blicks der Druck jeder Ansicht oder Betrachtung als Annahmestelle als zufälliger Magnet mit Bewusstsein & die Lust sich zu blähen und nie mehr auszuatmen es schafft sich Weile (So wie man eine Hautschicht in einer Nährlösung züchtet sie wird perforiert und gespannt und wächst wieder zusammen) aber mehr als das das Zusammenprägen mit einem Ort einer wiederholbaren Bewegung


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(Täler mit Mühlen) & mit mir trage ich den alten Feldstecher das Fernglas ich tue so als würde ich die Gipfel absuchen doch so ist jeder Blick Naturspionage und erst allmählich komme ich dahinter der Moment der Unschärfe ist es (oder besser gesagt) der Moment in dem das Unerkenntliche erkennbar wird der mich einnimmt (Ein Schemen in der Ferne und der Zeitschleier unterdessen er zum Menschen wird) apropos (Überhaupt ein Schlüsselwort des Zu-Sagenden) sprich von der Notwendigkeit des bloßen Schauens und schon wird dein Blick befangen & (Es wird schwieriger nichts zu wollen) & länger meinen Blick über die Berglandschaft schweifen lassend versuche ich bei den Wegen und Straßen zu verweilen deren Verlauf mit dem meiner mouches volantes deckungsgleich ist und die Wolken am Himmel wie ein künstliches Gespinst aus Gruselfilmen und der leere Parkplatz und der Weg (Gedanken auf ansteigenden Wegen Gedanken auf abschüssigen Wegen) & plötzlich lacht von hinten ein Specht (handschriftlich) und landet auf dem Stamm eines Baums ich sah hin (Es wird zu schwierig Ich breche ab) (&) und immer wieder muss man sich der Asche entledigen (Die Tage sind Kürzel für die Ewigkeit.) & die Zeit steckt in den Räumen zwischen der Unterteilung


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man kann mit ihr spielen in sie pflanzen sie schmücken wenn man sich ihr präziser werdend nähert (Harlekin ist verrückt geworden) & (Der Moment der bewussten Selbstbezüglichkeit da beginnt die Übervorteilung) & und weder das Bild ein Trost noch die künstliche Beleuchtung noch der Verlust des Lebens (It was the time of my life) oder der Verlust des Augenlichts der Gegenwart (Amboss) keinem gehört etwas (Adieu Fischvergiftung adieu Raumkapsel adieu Mittelfinger adieu Grußformel adieu Explosionsmotor adieu Herzschrittmacher adieu Politclown adieu Sklavenhaut) jede Form der Illusionierung scheitert bald an sich selbst (Zum Beispiel Stille Post mit sich selber zu spielen) & (Wo ist der andere? Ich bin der andere!) & als ich zum Himmel aufschaue kreuzen sich eine Sternschnuppe und eine Fledermaus (Aber das ist schon später als ich wieder auf dem Balkon stehe und die Musik aus dem Zimmer hinter mir) & (Das In-Klammern-Setzen ist wie das Betten von Preziosen oder auch Nicht-Preziosen in ein weiches Etui auch die implizite Bitte um Schonung) &


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(Das Geheimnis ist in den Dingen selbst) es ist kein Ort kein Einwand (Als sei die Welt ein Puzzle und wenn man es zusammengesetzt glaubt wer schaut einem da entgegen außer man selbst) und auf der Rückfahrt durch die Täler das Gefühl gar keine eigenen Gedanken zu haben alles Gedachte könnte Zitat sein eine Art Stellprobe ohne Zweck ohne Wirkung und zurück in Innsbruck (Keine Karwendelhütte kein Hoher Fricken kein Klettersteig kein Felsgrat kein Anfang kein Ziel nur) eine Amsel die neben mir gegen die Glasscheibe eines Hauses geflogen ist wie sie mit gebrochenem Genick am Asphalt liegt und einige Sekunden lang noch atmet und wie weich und warm ihr Körper ist ihre Augen zu schön um nicht wahr zu sein (Das System läuft in sich man kann es nicht zu Fall bringen man vermag nur außer sich sein) & als ich dann in einem kleinen Lokal sitze die anderen Gäste vier alte Frauen und ein Sandler (Seine kretinhaften und verschorften Hände das vom Alkohol hochrote Gesicht seine tierhaften Augen boshaft und unendlich sanft und arglos zugleich ich denke diese Augen sie wickeln den ganzen Himmel voller Sterne ganz einfach und zärtlich in Zeitungspapier) Musik aus dem Radio (Etwas Nichtgegenständliches)



und draußen die lichte Innstraße der beständige Autoverkehr und die Passanten die ihre langen Schatten hinter sich herziehen wie die Schleppe eines Mantels & mir gegenüber an der Wand ein Gemälde ein Frauenakt darunter ein länglicher Spiegel der den gleichen Spiegel in meinem Rücken reflektiert und so blicke ich in diese künstliche Endlosigkeit wie in einen Bergwerksschacht der sich unbekümmert und sachlich in die Tiefe krümmt die Wehmut die Schönheit das Leben die Sonne auf dem Papier auf dem ich schreibe (Angeschmiegt an die Phantasmagorie eine Passform der Sehnsucht) & in der späten Nacht fast schon früher Morgen minutenlang ein Wolkenfenster am grauschwarzen Himmel und da habe ich einen Morgenstern gesehen noch ganz schwach leuchtend aber unzweifelhaft da (Oder war es ein Traum?) und zwei Gänse zogen schweigend und stark in der Nacht über die Stadt sie wissen von unserer Prachtlosigkeit dachte ich ihr Gefieder strahlt und darüber vergessen wir uns & und anstatt wieder einzuschlafen warte ich auf den Frühlingsmorgen (Das stets ungebrochene Siegel der Sehnsucht) und solange (...) baue ich mein Nest an den Wänden der offenen Schlucht


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Annja Krautgasser Originalbeilage Nr. 19

„,Eigenverantwortung‘ steht für die Bereitschaft, selbst für die eigenen Handlungen einzustehen. Dies kann mühsam, schwierig oder sogar gefährlich sein. Aber ebenso wahr ist: Niemand will eine Marionette sein, die an Fäden hängt, die von anderen gezogen werden. Vielmehr wollen alle Menschen im Rahmen des Möglichen frei sein, d. h. ihren Handlungsspielraum nach eigenem Ermessen ausschöpfen. Dieser Wunsch nach Freiheit ist untrennbar mit der Übernahme von Eigenverantwortung verknüpft. Eigenverantwortung zu zeigen bedeutet dementsprechend, sich den Handlungsspielraum von externen Mächten so wenig als möglich einschränken zu lassen. Dem Wunsch nach Eigenverantwortung entspricht die Handlungsmaxime, unsere Angelegenheiten möglichst in die eigenen Hände zu nehmen und die Kontrolle unserer Handlungen nicht anderen zu überlassen. Oder mit den Worten Kants: ,Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!‘“ Univ.-Prof. Dr. Manfred Kienpointner, Sprachwissenschaftler

Finnpappe, 148,5 × 210 mm, Bleisatz


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„Ich sehe keinen Forschergeist.“

Autor und Regisseur Michael Sturminger im Gespräch mit dem Komponisten, Organisten und Elektroniker Wolfgang Mitterer: über Orgelspielen mit sechs, mögliche Missionen von Hansi Hinterseer & Co und Hoffnung als dramaturgisches Mittel auf der Bühne und im Leben.

Michael Sturminger: Wenn ich mir dein Œvre anschaue, dann fällt mir als Erstes auf, dass du dir eine unglaubliche Freiheit verschafft hast, ganz viel Unterschiedliches machen zu können, dass du nicht in einer ganz bestimmten Struktur produzieren musst, von der du abhängig bist. Das ist eine ganz wichtige Sache für einen kreativen Menschen, wie ich finde.

M.: Die allererste Begegnung mit der Orgel war die Schubert-Messe, damals war ich sechs Jahre alt. Ich spielte sie in der Kirche zum Gesang der Gemeinde, mit dem Vater in Anwesenheit.

Wolfgang Mitterer: Das ist simpler Überlebenskampf. Schon vor mehr als zwanzig Jahren hatte ich die Überlegung, dass man mit Elektronik in der Musik die verschiedensten Felder öffnen kann und somit nicht abhängig von einer Szene ist.

M.: Er musste, wenn ich es nicht geschafft habe, während des Liedes übernehmen. Aber ich durfte bei der nächsten Strophe wieder zurück übernehmen, was pädagogisch sehr klug von ihm war. Hätte er mich nicht mehr weiterspielen lassen, wäre das Ganze wahrscheinlich am nächsten Tag schon mit mehr Nervosität verbunden gewesen. Nervös war ich ja sowieso, wenn unten eine ganze Kirchengemeinde gesungen hat und ich dazu gespielt habe!

S.: Da verfolgen wir eine ähnliche Strategie: Ich habe auch immer versucht, mich möglichst unabhängig zu halten, indem ich in verschiedenen Bereichen arbeite. Am Ende muss man sowieso selber den Anstoß für ein künstlerisches Vorhaben liefern. Denn wenn man darauf wartet, dass irgendwer einen braucht, dann ist man eben abhängig von gewissen Strukturen. M.: Und das kann, wenn man zum Beispiel nur klassischer Organist ist, sehr lange dauern, bis sich jemand findet, der dich braucht. – Jedenfalls erlernt man beim Arbeiten auf vielen Feldern auch verschiedene Techniken. Es ist etwas ganz anderes, sich mit OrchesterPartituren herumzuschlagen oder für Hörspiele Musik zu machen. Man braucht für das jeweilige Feld verschiedene handwerkliche Fähigkeiten und die können sich dann später rückwirkend verbinden. Anders, glaube ich, kann man auch gar keine Eigensprachlichkeit entwickeln. S.: Dein musikalischer Ausgangspunkt war die Orgel. Wie war deine erste Begegnung mit diesem Instrument?

S.: Habt ihr auch gleichzeitig gespielt, der Vater und du?

S.: Und später hast du Orgel studiert? M.: 1977 ging ich nach Graz, studierte vorerst aber Elektrotechnik. Da ich aus Osttirol kam, fehlte mir der Vergleich, um mein Spiel einschätzen zu können, auch wenn ich ab vierzehn wöchentlich Orgelunterricht in Innsbruck am Konservatorium hatte. In Graz wurde aber schnell klar, dass ich ohne Weiteres an die Musikuni wechseln könnte, nach einem Semester ging ich nach Wien und studierte Orgel und Komposition. S.: War Komponieren bei dir zuerst für das Instrument gedacht? Hast du für dich komponiert oder sofort angefangen, für andere Klangkörper zu schreiben? M.: Ich hänge gerade an dem Satz, ob ich für mich komponiere oder komponiert habe … Eigentlich hat das Ganze mit dem Komponieren für ein Instrument


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begonnen, also zum Beispiel für eine Orgel. Allerdings war bei mir sehr lange Zeit die Improvisation fast wichtiger als die Komposition. Improvisieren ist von Haus aus einfach geil. Was soll man dazu sagen? Musiker sein, musizieren und musikantisch irgendwie im Kopf oder mit den Händen und Füßen herumzugaukeln, das ist eine ganz ursprüngliche Sache. 1983/84, als dieser Computer-Hype begann, ging ich nach Schweden, wo damals eines der wichtigen elektroakustischen Studios war. Zurück in Österreich spielte ich zuerst in Osttirol Kirchenkonzerte. Ich oben auf der Orgel, gib ihm! Wolfgang Puschnig am Saxophon vorne beim Altar und acht Lautsprecher im ganzen Kirchenraum verteilt … Wir haben den Raum richtig „eingepackt“! S.: Wann hast du begonnen, für Orchester, für Theater, für Oper zu komponieren – wie haben sich diese verschiedenen Felder aufgetan? M.: Entscheidend in dieser Hinsicht war wohl das Schwazer Festival „Klangspuren“. 1995 haben wir das Stück „fisis“ gemacht – mit dem Tiroler Symphonieorchester, fünf Solisten und drei Dirigenten. Das war die erste riesige Kiste, eine Notenschlacht. S.: Bei der du richtig viel Musik schreiben musstest? M.: Ja, Partituren, Stimmen, all das. Ein Stapel aus A3Blättern, 20 cm hoch, von vorne bis hinten beschrieben – handschriftlich damals noch. Komponieren ist natürlich eine Knochenarbeit, auch wenn das Herstellen der Stimmen heute am Computer schneller geht. Bis vor drei, vier Jahren hab ich alle Dinge eher mit der Hand gemacht und hauptsächlich mit Spielpartituren gearbeitet, damit alle Musiker auf dasselbe Blatt schauen und die Musik schneller verstehen können. S.: Damit sie auch wissen, was die anderen machen? M.: Genau. Und das ein bisschen verfolgen können – wozu viele nicht so recht in der Lage sind. Aber trotzdem, es gibt einen gewissen Prozentsatz an Ensembles, die das sehr positiv aufnehmen und die Freiheiten, die

ich ihnen an Improvisationsspielräumen geben kann, passend platzieren. Eine Spielerei im Sinne der Lebendigkeit der Sache. S.: Lässt du heute weniger oder mehr Spielraum? Wie entwickelt sich das? M.: Das hängt von den Musikern ab – wie geübt, wie gut sie sind, wie viel sie selbst schon improvisiert haben in verschiedenen Kontexten. Man muss abwägen: Mit einem großen Orchester kann man nicht gut improvisieren, da muss man eben alles möglichst genau notieren. Mit kleineren Ensembles ist das schon einfacher und mit einem ausgewählten Quintett von Könnern kann man sich auf die Bühne stellen, ohne Vorbereitung, und es kann richtig lustig werden. Free Jazz mit einem guten Schlagzeuger, einem erfindungsreichen Gitarristen und zwei Bläsern – wunderbar! S.: Und diese unmittelbare Qualität, das Musikantische, hat, was dein musikalisches Wollen betrifft, noch immer Priorität? M.: Ja. Es geht ja bei der Improvisation um Haltung: Dass man wirklich das Bedürfnis hat, in dem Moment diesen bestimmten Ton auf genau diese Art zu spielen, ohne Rücksicht darauf, ob der Kollege daneben lacht, auf keinen Fall, um den mitspielenden Kollegen zu imponieren – und schon gar nicht, um ihnen zu zeigen: Ich kann’s und ihr könnt das nicht! Diese Spielchen trifft man gerne bei klassischen Musikern an … S.: Hat sich das in den letzten fünfzehn Jahren nicht gewandelt? M.: Ja, im Wandel ist es vielleicht schon, aber machen die Jungen jetzt nicht mehr auf poppige Klassik? Wie heißt dieser berühmte Geiger mit den langen Haaren? Was und wie der improvisiert – oh, nein! Wenn dieser Geiger oder der Hansi Hinterseer Künstler sind, kann ich ja eigentlich schon gar keiner mehr sein. S.: Aber der Hansi Hinterseer – ohne dass ich was


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wüsste über den – würde sich wohl nicht als großen Künstler bezeichnen. Ich glaube nicht, dass er das als seine Mission sieht!

betroffen ist. Ich glaube, da kann das „Instrumentarium“ genauso ein Foto, ein Make-up oder ein Styling sein …

M.: Ich glaube, das holt die Leute ein. Es sieht sich ja auch die Madonna als Künstlerin. Und die kann weder singen noch sonst irgendwas Musikantisches.

M.: Diese Kunst, wo die Leute sehr nahe bei sich sind und sich selbst quasi auf das Tablett bringen mit ihrem inneren Ausdruck und dem, was aus ihnen herauskommt in Form eines Bildes, eines Videos oder einer Performance … eine Kunst also, die so unmittelbar und viel mit der sie erschaffenden Person, deren Aussehen und seelischen Zerrüttetheiten etc. zu tun hat: Diese Kunst brauche ich nicht dringend.

S.: Wenn wir uns fragen: Wo findet man in der Popmusik Künstler?, dann gibt es schon solche, die mit einer unglaublichen Unmittelbarkeit und Genauigkeit arbeiten. Die Genres sind ja so verschieden, dass auch die Könnerschaft sich in ganz verschiedenen Dingen zeigen kann. M.: Es geht da aber nicht in erster Linie um Musik, sondern wohl eher um die Vermittlung ganz anderer Ebenen. S.: Das ist vielleicht auch in irgendeiner Form bei Madonna der Fall, die mit Ikonografie, mit Aussehen und Design, mit der Aufladung eines Bildes arbeitet. Das ist auch ein Pop-Phänomen! Und es funktioniert weitgehend trotz oder neben der Musik, sicher nicht wegen der Musik. Die Musik wird dann als Trägerrakete verwendet. M.: Dort, wo die Kunst darauf abzielt, sich als Person inklusive Aussehen, sozusagen inklusive Hut und Schal, zu verkaufen – da habe ich ein Problem!

S.: Wirklich? M.: Ich schaue mir die Person an und weiß im Prinzip, was da los ist. Ob im Pop oder sonst wo – oft geht es eigentlich nur darum, das Innere nach außen zu kehren und möglichst so gut dazustehen, dass irgendwie Kohle fließt. Das unterstelle ich als Hauptintention. Aber ich sehe keinen Forschergeist … Ich glaube, ich habe zu früh Bach spielen gelernt. S.: Weil der das so sehr getroffen hat? M.: Weil dort diese Selbstdarstellung einfach nicht vorhanden ist! Bei Bach geht es um Könnerschaft, um die Projektion der schöpferischen Kraft auf seine Götter, von ihm weg. Und er ist das Medium, durch das die Musik hindurchgeht, aus dem sie rauskommt. Das sind ganz andere Parameter.

S.: Warum? M.: Meiner Meinung nach ist die Kunst dort zu suchen, wo einer ein Instrumentarium oder eine ausgefeilte Maltechnik oder welche künstlerischen Ausdrucksmittel immer bis zur Perversion verbessert und erneuert. Das sind für mich Künstler! S.: Es geht doch um den Ausdruck eines inneren Zustands, einer inneren Wahrhaftigkeit, die ein Künstler so vermittelt, dass ein Rezipient sie nachvollziehen kann und von ihr sowohl im Kopf als auch im Herzen

S.: Letztlich geht es wohl darum, eine Intensität und eine Tiefe der Empfindung entstehen lassen zu können, die sich dann überträgt auf die Menschen, die das mit offenen Ohren und offenen Augen wahrnehmen. M.: Ja, wenn die Musiker auf der Bühne mit dem, was sie hören und tun, eins werden, wenn es einklinkt, egal in welchem Format, dann überträgt sich der Funke automatisch. Ein Publikum wehrt sich ja nicht, ein Publikum will ja hören! Das ist ja das Geniale an Musik, es ist nichts dazwischen, kein Bild, kein Video, gar nichts


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– einfach Musik. Und im besten Fall nicht einmal eine Gottgläubigkeit, nicht einmal ein großartiger Inhalt, nicht einmal eine besondere Story, sondern als Kernpunkt einfach nur Töne, Klänge, sonst nichts.

S.: Bist du sicher? M.: Ja, aber ich meine das nicht abwertend. Sie hat da eine ganz andere Aufgabe, unterstützt eine Geschichte, emotionale Zustände …

S.: Das heißt, für dich ist die „reine“ Musik … M.: … das ist der Ausgangspunkt, dort, wo man das Handwerk schleift, wo man die Finger wetzt, wo man das Hirn und die Techniken erprobt. Das Optimum für mich ist: eine Partitur von irgendeinem großartigen Komponisten auswendig zu können, mich niederzusetzen, die Augen zu schließen und das Ding ablaufen zu lassen. Zum Beispiel ein Orgelstück im Geiste zu spielen. Da ist sicher die Möglichkeit des richtig tief Hineingehens in diese Musik am größten. Alles andere ist ein Weggehen davon. S.: Das sagst du jetzt als ausführender Musiker, aber bei einem Sänger ist das meiner Erfahrung nach wieder etwas anderes: Da kann die größte Intensität und Selbstvergessenheit und Durchlässigkeit gerade dann entstehen, wenn die Musik einen Kontext, ein narratives Umfeld hat und nicht nur die „reine“ Musik ist.

S.: Aber könnte man nicht auch behaupten, dass die Überlappung narrativer Ausdrucksmittel – augenblicklicher Empfindung, Bildkunst und Klangkunst usw. – in der Synthese eine gemeinsame Intensität schafft, die nicht unbedingt bedeutet, dass das einzelne Element zurücktreten muss? M.: Sicher kann man das sagen, das macht es auch dicht und intensiv. De facto aber wird es schon einen Grund haben, warum es reine Opernfans und reine Instrumentalmusikfans gibt. Bei einem einfachen, abstrakten Musikstück kann sich bei geschlossenen Augen das individuelle Theater im Kopf des Hörers entspinnen. S.: Wenn die Musik in der Oper deiner Meinung nach eine geringere Rolle spielt als bei einer Instrumentalkomposition, dann heißt das aber nicht, dass es sich um weniger interessante Musik handelt …

M.: Du sprichst von der Oper? S.: Ja. Dort existiert keine Hierarchie zwischen dem völlig Abstrakten und dem Konkreteren. M.: Mit den Hierarchien ist es schwierig. Bedenkt man, dass sich die Erde einmal am Tag um die eigene Achse dreht, am Äquator mit Überschallgeschwindigkeit, dass also unter unseren Füßen eigentlich kein fester Boden ist und so weiter – dann lassen sich solche Ordnungen schwer aufrechterhalten. Ich kann nur sagen, im Zentrum für einen Musiker oder für einen Komponisten steht die abstrakte Musik – mitsamt der Fähigkeit, diese technisch und emotional im Griff zu haben. Erst dann wird es lustig, dann stülpt man dem Ganzen einen Inhalt über oder färbt ihn damit ein … Musik spielt auf einer Opernbühne aber eigentlich eine viel geringere Rolle als in reinen Orchesterstücken.

M.: … oder um einen weniger interessanten Text! Entscheidend in der Oper sind die Sänger, ihre Melodien und eben der Text, die Worte, die sie in den Mund nehmen sollen. S.: Ich glaube an die Wichtigkeit des Librettos. Sehr oft sehe ich Musiktheater, das sich damit abmüht, etwas zu zeigen, was viel schöner in einem Konzertsaal wäre, wo man die Musiker sehen könnte. Und man fragt sich: Warum singen die, was ist ihre Not, was ist die Frage und wie wird sie gelöst … M.: Wenn ein Sopran ganz hoch singt: „Meine Seele dürstet nach Sehnen“, dann ist das etwas Eindrückliches durch und durch. Wenn dieselbe Stimme da oben singt: „Unterm Tisch ist ein Staubwuzel, wisch ihn weg“ – dann haben wir ein Problem! Bei vielen Opern


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ist zur Zeit das Libretto auf diese Art gestrickt. Das Drama muss im Libretto festgeschrieben sein, sonst wird das nie eine Oper werden. S.: Ich glaube, du musst Lust haben, dich mit den Gesetzen des Theaters zu verbünden: Mit welchen Figuren identifiziere ich mich, wie kann ich Anteil nehmen an ihrer Geschichte, an ihrem Erleben, an ihrem Leiden, an ihrem Hoffen. Das ist so faszinierend, wenn du die Lulu anschaust. Das Stück hat ein Problem. Solange man mit ihr hofft, funktioniert die Lulu. Der Alban Berg hat dort aufgehört zu komponieren, wo das Stück ein wahnsinniges Problem bekommt, weil man weiß: Da ist keine Hoffnung mehr! M.: Ich habe neulich ein Interview mit Leonard Bernstein gelesen, in dem er das genau auf den Punkt gebracht hat: Hoffnung muss sich durchziehen, sie ist ein entscheidendes Moment in einem Musiktheater oder in einer Oper … Ist ja eigentlich ziemlich fatal, dass wir uns einig sind, ein Bühnenwerk könne man nur bis zum Schluss durchstehen, wenn es von Hoffnung getragen sei – wo doch Hoffnung eine völlig sinnlose Sache ist! Wozu Hoffnung haben? Was soll man hoffen? Ich meine, die Erde dreht sich wie gesagt mit Überschallgeschwindigkeit, wir fliegen machtlos mit … wozu also hoffen? S.: Du hast einen zweijährigen Sohn und erzählst von Hoffnungslosigkeit? Du bist voller Hoffnung! Du verwendest einen großen Teil deiner Kraft und deiner Energie in Hoffnung in die Welt. M.: Okay, nennen wir es Hoffnung. S.: Na eben. Und warum soll das im Theater anders sein? M.: Ja, gut. Einer meiner Freunde sagt immer: Das ganze Leben ist wie ein riesengroßer Tierversuch. S.: Zwischen dem Hirn, das sagt: „Es ist alles ein großer Tierversuch“, und dem Herzen, das jeden Strohhalm

von Hoffnung aufnimmt, kann sich eine unglaubliche Energie entwickeln. Dass Hoffnung vielleicht gegen viele Einsichten stattfindet, ist ja das Paradoxon und auch das Wunder des Menschseins. M.: Mein Wunsch wäre es schon, das Leben auch zu ertragen ohne diese Hoffnung, im vollen Bewusstsein. Wenn ich mich in die Lage versetze, dass ich im Weltraum herumfliege und aus Staub bestehe – welche Begriffe auch immer man hier verwendet –, dann brauche ich eigentlich nur in meiner Vorstellung genug Dynamik zu entwickeln, genug in meinem Kopf zu fliegen und kann auf die Hoffnung verzichten. Weil die dynamischen Kräfte mich ohnehin fliegen lassen … S.: Ja, aber wozu solltest du durch die Gegend fliegen? Der Moment des Glücks, den wir empfinden können, den können wir ja empfinden, auch wenn er uns nicht täglich geschenkt ist … M.: Wir empfinden das bei jeder Aktion, die wir machen. Statt nichts zu tun, tun wir was – weil es schöner ist, wenn etwas weitergeht. S.: In diesem Sinne: Gibt es etwas, was du gerne in Zukunft machen würdest? M.: Ich würde gern bei einem kanadischen Eishockeyspiel mit meinen Gerätschaften die Orgeleinspielungen machen. Bei einem Tor und bei den Werbeeinlagen werden Samples eingespielt, so kleine hymnische Eintreiber … Oder ein Open Air auf der Prater Hauptallee: Das ist eine wunderbare Location, eine breite Straße, man kann mit Lkws zufahren, die Lautsprecher abladen und selbst auf den Nebenstraßen noch ein Surround-System montieren. In zwei Tagen könnte man ein Riesenspektakel aus dem Boden zaubern und wieder wegräumen. Und das Publikum bräuchte nur hin- und wieder weggehen.


Eigenwerbung

Quart Nr. 1–18: Stefan Abermann, Nathan Aebi, Andreas Altmann, Architekten Moser Kleon, Clemens Aufderklamm, Ludovic Balland, Thomas Ballhausen, Susanne Barta, Othmar Barth, Christoph W. Bauer, Ruedi Baur, Wolfgang Sebastian Baur, Gottfried Bechtold, Sven-Eric Bechtolf, Friedrich Biedermann, Johanna Bodenstab, Mirko Bonné, Julia Bornefeld, Bureau Mirko Borsche, Kurt Bracharz, Maria E. Brunner, Markus Bstieler, Daniel Buren, Ferdinand Cap, Ernst Caramelle, Michael Cede, Günther Dankl, Hans Danner, Delugan-Meissl, Marco Dessi, Georg Diez, Dimitré Dinev, Klaus Doblhammer, Moritz Eggert, Fred Einkemmer, Olafur Eliasson, William Engelen, EOOS, Beate Ermacora, Carsten Fastner, Werner Feiersinger, Friederike Feldmann, Thomas Feuerstein, Christian Flatz, Stefan Flunger, Ellinor Forster, Katja Fössel, freilich landschaftsarchitektur, Barbara Frischmuth, Martin Fritz, Daniel Fügenschuh, Marta Fütterer, Heinz Gappmayr, gelitin, Michael Glasmeier, Rolf Glittenberg, Christian Gögger, Peter Gorschlüter, Martin Gostner, Barbara Gräftner, Franz Gratl, Andrea Grill, Daniel Grohn, Georg Gröller, Walter Grond, Walter Groschup, Sabine Gruber, Gebhard Grübl, Egyd Gstättner, William Guerrieri, Carla Haas, Ernst Haas, Georg Friedrich Haas, Florian Hafele, Händl Klaus, Andreas Hapkemeyer, Marlene Haring, Jens Harzer, Michael Hausenblas, Krista Hauser, Sigrid Hauser, Clementina Hegewisch, Werner Heinrichmöller, Heinz D. Heisl, Dietrich Henschel, Peter Herbert, Wolfgang Hermann, Ralf Herms / Rosebud, Margarethe Heubacher-Sentobe, Klasse Hickmann, Stephan Hilpold, Christoph Hinterhuber, Paulus Hochgatterer, Richard Hoeck, Candida Höfer, Siggi Hofer, Johanna Hofleitner, Robert Holmes, Anton Holzer, Stefanie Holzer, Heidrun Holzfeind, Johann Holzner, Albert Hosp, Johannes Huber, Sebastian Huber, Stephan Huber, Barbara Hundegger, Stefan Hunstein, Helmut Jasbar, Ivona Jelcic, Peter Stephan Jungk, Ulrike Kadi, Fabian Kanz, Bernhard Kathan, Otto Katzameier, Manuela Kerer, Leopold Kessler, Walter Klier, Gerhard Klocker, Margit Knapp, Peter Kogler, Alfred Komarek, Moussa Kone, Markus Koschuh, Hubert Kostner, Andreas Kriwak, Florian Kronbichler, Gustav Kuhn, Martin Kusej, Ulrich Ladurner, Bernhard Lang, Patrizia Leimer, Sonia Leimer, Paul Albert Leitner, Clemens Lindner, Christine Ljubanovic, Ove Lucas, Constantin Luser, Fritz Magistris, Brigitte Mahlknecht, Sepp Mall, Andreas Maier, Urs Mannhart, Dorit Margreiter, Raimund Margreiter, Edgar Martins, Barbara Matuszczak, Manfred Alois Mayr, Friederike Mayröcker, Milena Meller, Bernhard Mertelseder, Klaus Merz, Thomas Mießgang, Lydia Mischkulnig, Wolfgang Mitterer, Philipp Mosetter, Walter Müller, Paul Nagl, Olga Neuwirth, the NEXTenterprise architects, Walter Niedermayr, Michaela Nolte, NORM, Thomas Nußbaumer, Peter Oberdorfer, Nick Oberthaler, Walter Obholzer, Fritz Ostermayer, Ulrich Ott, Walter Pamminger, Thomas Parth, Pauhof Architekten, Karin Pernegger, Hans Karl Peterlini, Christoph Peters, Robert Pfaller, Andreas Pfeifer, Marion Piffer Damiani, Hans Platzgumer, Jorge Reynoso Pohlenz, Wolfgang Pöschl, Wolfgang Praxmarer, Gerald Preinfalk, Othmar Prenner, Martin Prinz, Robert Prosser, Manuela Prossliner, Irene Prugger, Carl Pruscha, Florian Pumhösl, Thomas Radigk, Gottfried Rainer, Bernhard Rathmayr, Helmut Reinalter, Robert Renk, riccione architekten, Alice Riegler, Gerhard Ruiss, Corinne L. Rusch, Katharina Rutschky, Michael E.Sallinger, Georg Salner, Peter Sandbichler, Benedikt Sauer, Susanne Schaber, Hans Schabus, David Schalko, Lukas Schaller, Peter Scheer, Simon Schennach, Markus Schinwald, Elisabeth Schlebrügge, Eva Schlegel, Nikolaus Schletterer, Fridolin Schley, Birgit Schlieps, Hanno Schlögl, Ferdinand Schmatz, August Schmidhofer, Wendelin Schmidt-Dengler, Olaf A. Schmitt, Gunter Schneider, Roland Schöny, Fred Schreiber, Raoul Schrott, Franz Schuh, W.G.Sebald, Christian Seiler, Walter Seitter, Peter Senoner, Q. S. Serafijn, Sergison Bates architects, Cyrus Shahrad, Martin Sieberer, Christoph Simon, Jens Soentgen, Alessandro Solbiati, Gertrud Spat, spector cut+paste, Götz Spielmann, Clarissa Stadler, Thomas Stangl, Martina Steckholzer, Esther Stocker, Karl Stockreiter, Bernhard Studlar, Sylvia Taraba, Rudolf Taschner, Text ohne Reiter, Paul Thuile, Johanna Tinzl, Susanne Titz, Ernst Trawöger, Heinz Trenczak, Ilija Trojanow, Thomas Trummer, Wolfgang Tschapeller, Erdem Tunakan, Karl Unterfrauner, Sandra Unterweger, Roman Urbaner, Katrien van der Eerden, Andrea van der Straeten, Rens Veltman, Joseph von Westphalen, Klaus Wagenbach, Martin Walde, Peter Warum, Peter Waterhouse, Vitus H. Weh, Hans Weigand, Lois Weinberger, Oliver Welter, Wendy & Jim, Gabriele Werner, Joseph v. Westphalen, Günter Richard Wett, Margret Wibmer, Roman Widholm, Martin Widschwendter, Erika Wimmer, Robert Winkel, Heinz Winkler, Franz Winter, Robert Woelfl, Erich Wucherer, Erwin Wurm, Anton Würth, Andrea Zanzotto, Jörg Zielinski, Stefan Zweifel 96 / 97


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Quart Nr. 15 wurde mit dem „grand prix“ ausgezeichnet.

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Wer Quart abonniert, bekommt sicher ein Heft (bevor es vergriffen ist, was vorkommt). Soweit Argument Nummer eins. – Zweitens: Es kommt billiger! Zwei Hefte kosten € 21,– (statt € 28,–). Und drittens gibt es als Abogeschenk Beiträge aus den ersten 16 Ausgaben Quart in Buchform: Quartessenz (siehe Rückseite der eingeklebten Postkarte). Wenn Sie einen neuen Abonnenten werben, gibt’s gleich 2 Geschenke: eines für den neuen Abonnenten und eines für Sie!


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Wolfgang Wirth Verweisstrukturen

Auf den folgenden fünf Doppelseiten ereignet sich Malerei, die sich wieder sehen lässt und nicht nur das ist, was sich sehen lässt. Von Kurt Kladler

Das, was die Malerei spezifisch auszeichnet, lässt sich, so die These der Bildstrecke, die Wolfgang Wirth für Quart entwickelt hat, in der malerischen Bezugnahme auf den jeweiligen Darstellungskontext sehen. Malerei tritt uns dabei als fotografierte Realität entgegen, die sich durch das Blättern, Doppelseite um Doppelseite, erschließt. Dabei kommen verschiedene Bestimmungsgrößen und Dimensionen ins Spiel, wie das Verhältnis von Malerei und Fotografie, die Konventionen der Lektüre eines Mediums, dessen Inhalt hauptsächlich durch Blättern und eine Leserichtung erfasst wird. Zudem bildet im konkreten Fall die gegenständliche Malerei einer Federkrone das verschobene Zentrum dieser Bilderabfolge, und dieses magische Auge scheint den Blick aus der Malerei zurück auf die Betrachter selbst zu richten: Was lässt sich sehen? Wolfgang Wirth verwirklicht in seiner künstlerischen Arbeit einen Ansatz, der bewusst die Medialität von Malerei, Ort, Zeit und den Darstellungskontext als konstitutive Bestimmungsmomente mit einbezieht. In verallgemeinernder Weise lässt sich deshalb behaupten, dass sich seine Malerei ereignet. Im konkreten Fall ist der konzeptuelle Grundriss einer Zeitschrift, deren Gestaltungskonventionen reflexiv das eigene Medium begleiten und thematisieren, sein Bezugsfeld. Auf einigen Doppelseiten ereignet sich seine Malerei, die zwei Narrationsweisen – die Geschichte des Bildes der Federkrone und das Ereignis der Malerei – aufeinander bezieht. Augenfällig ist dabei wohl zunächst die opulente Federkorne Montezumas, durch deren Spiegelung eine geweitete Pupille zu entstehen scheint, eingefasst vom hellen, bunten Wimpernschlag der Federn und deren dunkelnder Spiegelung. Die Geschichte, die sich mit diesem Objekt verbindet, macht dieses zu einem Bedeutungsfetisch und etabliert ein Verhältnis, das auch im Hinblick auf die Malerei selbst beispielhaft ist. Indem das Objekt Federkrone die ihm durch die Erzählung zukommende Bedeutung konkre-

tisiert, verschafft sie, rückspiegelnd, der Wahrheit dieser Erzählung und den damit begründeten Ansprüchen Geltung. Diese zirkuläre Erzähl- und Begründungsweise ist in der Bildstrecke in eine zunächst lineare, von der Abfolge des Blätterns bestimmte Erzählung darüber, wie Malerei sich ereignet, eingebunden. So sind am jeweiligen Seitenrand der ersten Doppelseite Streifen einer zerschnittenen Leinwand eng übereinander ausgelegt und von den Fotos einer Bodenfläche so überlagert, dass nur ein schmaler Streifen – wie ein durch den Druck eines Daumens leicht aufgefächerter Zeitschriftenrand – sichtbar bleibt, der auf den Möglichkeitsraum des Magazins verweist. Die verdeckten Seiten müssen aufgeblättert werden und verdecken dadurch andere. Folgt man dieser Logik, wird deutlich, dass in der Abfolge der Bildstrecke eine Art von Verweisstruktur vorhanden ist, die Farbe, Räume, Gegenstände, Fotografie und Malerei aufeinander bezieht. Ihre komplexen Verschränkungen erschließen sich jedoch erst durch mehrmaliges Hin- und Herblättern. Genau dem entspricht auch der Modus des Sehens von Malereien, wenn wir uns die wechselseitigen Bezugnahmen von Bildelementen erschließen. Für diese zweite Erzählung, das Ereignen der Malerei vermittelnd, verwendet Wolfgang Wirth malerische Mittel und ihre Umsetzung durch Fotografien. Es sind eben nicht nur reproduzierte Bilder von Malereien, sondern Malerei ereignet sich unter den Bedingungen der medialen Verfasstheit eines Magazins. Durch die Bewegung des Lesens der Bilder wird dieses zum Ereignisraum von Malerei verräumlicht, wobei der Ort der Malerei nur transitorisch erfasst werden kann. Und in jenen Momenten der Selbstvergessenheit, fasziniert vom Wimpernschlag der sinnlichen Präsenz malerisch organisierter Farbe, ereignet sich Malerei in einer Weise, die wir mehr schauen als sehen.












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Ware, wahre Der Wirtschaftskrise in den 30er-Jahren des letzten Jahrunderts trotzte die Stadt Wörgl im Tiroler Unterland, indem sie „Freigeld“ einführte. Ezra Pound setzte dem Experiment ein literarisches Denkmal: in seinen weltberühmten „Pisaner Gesängen“, die er 1945 im Militärlager in Pisa in der Todezelle niederschrieb. – Versuchsanordnung einer Collage (Poundage) oder „zum Schafe-Zählen auf Phönizisch“ (Canto LXXIX). Von José F. A. Oliver

„Ich weiß nicht, ob der weitere – natürlich – unvermeidliche, kapitalistisch konsequente Schritt in die Tauschabstraktion, dieses verächtliche Abstreifen der Konkretionsreste im Geld es uns erleichtern wird, das zu durchschauen, was man als den Verblendungszusammenhang der Entfremdung zu bezeichnen pflegte (…) Aber das entschwindende kleine Geheimnis der Münze war von einer besonderen Paradoxie, welche eben durch das Ineinander von Sinnlichem und Abstraktem begründet wurde, vom Fortdauern kleiner, törichter wie magischer Einschlüsse von Sinnlichkeit im großen Abstraktionsstrom der Zirkulation. Werden wir an dieses verwirrende Sowohl-als-auch einmal zurückdenken als an eine verpasste Chance von Alltagsreflexion? Charon will als Lohn Münzen haben, mit denen man deshalb den Toten die Augen schließt.“ (Joachim Kalka) „Er ist voll von Mittelalter“ (William Butler Yeats über Pound)

I. Vorpoem … sagt der Weise: „Der Bauer verkauft die Milch auf dem Wochenmarkt. Er füttert zu / Milchkühe geben mehr. Es herrscht Überschuss & Mangel / sagt ein Mädchen in L. (weiter nicht von Bedeutung der Ort) „Ich lasse mir das nicht bieten, nichts vorschreiben / Ich tröste meine Mutter täglich / mein Vater ist in Afghanistan. Salamis, usw.“ und Dolores sagte: „Come pan, niño,“ iß Brot, mein Jung (Canto LXXXI) Lesezeichen 1 Eine große Wirkung hatte die Schlacht bei Salamis auch auf die Theten, die unterste Schicht der Bürger, denn nicht adlige Reiter oder die Phalanx der Bauern hatten

den Sieg herbeigeführt, sondern sie. Die Schlacht wurde in der Folgezeit für das Selbstverständnis und die Selbstdarstellung der athenischen Demokratie wichtig und hat besonders durch die Tragödie des Aischylos „Die Perser“ eine bedeutende literarische Rezeption erfahren. (Wikipedia) (θής‚ thēs: Lohnarbeiter, Tagelöhner)

II. Zwischenpoem & Churchill wurde / ist eine Metapher / μεταφορά – Wo zum Teufel ist der Russe, der Spanier, der Deutsche, „der Brite“? Vielleicht war sein Hirn (poundhirnHerz, sic!) so angefüttert, aufgefüttert gewesen, dass Pound, E. einen „Milchbruder“ wollte: Ben, © ay, Benito! undsoweiter. Milchbruder. Der Komplexion, der Einfachheit halber; und sie hängten ihn kopfüber / unter neben Clara od. Clara nebst ihm : schau, die welt kopfüber / unterköpfig ist fast manchmal ist mir das essen zuwider manchmal ist mir das essen zuwider manchmal ist mir das essen zuwider (Unbekannte Verszeilen eines Selbstmisanthropen) und Dolores sagte: „Come pan, niño,“ iß Brot, mein Jung (Canto LXXXI) Pound verliert sich an sich selber wie ein In-sichEingesperrter. Irgendwann ist er d:


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er Klischeeguru, d: er Wortwucherer. Eigen-Usura, wächtereigen. Auch eine mögliche Form, ein Formversprengen. Dies: Men’s fates are already set, There is no need of asking diviners. und „Lass dich beeinflussen, so viel du magst.“ (Pound) Einschub 1 „Der Übel größtes aber war ihm Usura, der Wucher. Usura is das Prinzip des Bösen in den Cantos. Usura erstickt die Tat im Keim und zerstört die Liebe, sie ist die Tat im Keim in den Händen des Wucherers, die Plusmacherei, wie Marx es nannte, das wie eine Krebsgeschwulst wachsende Geldvolumen, das hemmungslose Konsumdenken.“ (Wieland Schmied) Frage 1 Reichen 30 Tage aus? 30 Pisaner Stacheldraht-Tage, um Rilke zu verstehen? Pound im eigenen Käfig. Verse im eigenen Käfig – Pound der Versekönig? hilft auch nicht Odysseus & η Όδύσσεια im katastrophalen Sinne: schrieb Pound herbei, fort und ins Scheitern sich; von Odysseus bis Stalin & die Nerven verlier’n & Napoleon streifend, nach Salamis usw. Refrain „For nowt so much as a just peace That wd / obstruct future wars“ Einschub 2 „Es gibt Ermattung schwer bis ins Grab“ (Canto LXXXIII) Lesezeichen 2 „Pound wollte konkret sein, die Dinge beim Namen nennen. So wurde er auf der Suche nach Einfachheit und Anschaulichkeit zum terrible simplificateur. So erfand er sich den Juden als Kunstfigur. Im ewigen Kampf von Gut und Böse – der sich auch durch die

Cantos zieht – brauchte er die Besetzung der Rolle des Bösen.“ (Wieland Schmied) Erste Denkbilanz Die Lektüre der Pisaner Cantos könnte zur Belastung werden. Nicht, dass diese in dichterische Alpträume mündete. Auch nicht in nachpolitisch-essayistischer Draufsicht – von den Duce-Wallfahrten Pounds sei in dieser Wortnäherung nicht weiter die Sprache. Sie seien nur hin und wieder eingestreut. (Ein poundsches Verfahren. Alles andere wäre ein Bücher umfassendes Unterfangen niederdrückender Betrachtung und müsste zusätzlich einigen Quergedanken ihren lippenverblendeten Platz einräumen, um schließlich objektiverweise auch andere Geistesgrößen seiner Zeit in ähnlicher Spur aufzustöbern. Churchill, Cocteau, etc.) Nein, ich meine eine Belastung wie sie alltäglich auf einem Kontoauszug zu sehen wäre. Haben und Soll. Letzteres, um genau zu sein. Und dann wiederum doch kein exclusiv finanziell definiertes Soll, eher ein bildungssummarisch begründetes. Sprich die Menschheitsgeschichte aus der Feder Ezra Pounds in 1200 Versen – 112 Gesänge sollten es werden –, gespickt mit allerlei Namen, heute würde man auch sagen name dropping, ein einziger Zitate-Small-Talk, historische Ereignisse etc., etc. „Elpenor ist begraben, der irrfahrende Odysseus gerät als Niemand in den Hintergrund, (…) the great Ovid / bound in thick boards kann nicht aufgeschlagen werden, Dante wird durch das eigene Inferno übertroffen, Kunfucius hat staatstragend das Sagen.“ (Benedikt Ledebur). Wer mag diesen noch folgen ohne ein Lexikon der Er:läuterungen oder gleich eine ganze enzyklopädische Surfmeisterschaft im Internet hinter sich zu bringen, eine virtuelle Pound-Bibliothek anzulegen und Wissenswüsten um Eisberge zu durchschreiben? War es nicht Pound selber, der angetreten war, den Bildungsballast abzuwerfen? Nicht, dass ich vereinfachen wollte, aber die poetischen An- und Ausdeutungen, Vor- und Nachdeutungen scheinen mir bisweilen so abstrakt und sollfremd eigenbrötlerisch wie das wuchernde Fachjargon der Finanzwelten. In anderen Worten: „und so Diebstahl das Grundprinzip der Regierung“ (Pound). Chapeau! Auch wenn nicht alles, sprich jegliche Folgerung, so einfach unter einem Fingerhut Zweifel Platz hat. Allein schon s:einer Erkenntnis wegen: „und der Staat kann Geld verleihen (can lend) / wie bei Salamis erwiesen (…) Zinsen für alles, was sie aus dem Nichts schafft / hat die vermaledeite



Bank; regelrechter Betrug / und die Münzeinheit zu ändern, die / Währungseinheit / METATHEMENON / dieses Kapitel ist noch nicht abgetan / Le paradis n’est pas artificiel“ (Canto LXXVII). Wie einfach hingegen liest sich die Absicht und Umsatzung aus Wörgl:

die Pisaner Cantos dann vielleicht doch noch sympathisch. „Tienes que dejarte ir.“ Du musst dich „gehen“, treiben, tragen lassen … ermunterte mich der Direktor eines Kulturinstitutes, der an dieser Stelle nicht namentlich genannt sein will.

der Staat braucht nicht borgen wie Wörgls Bürgermeister nachwies, der Milch ausfuhr und dessen Frau Hemden und Lederhosen verkaufte und auf dessen Bücherbord Henry Fords Leben stand und eine Ausgabe der Göttlichen Komödie und die Gedichte von Heine ein nettes Städtchen im Tirolerland in einer flachen Talsohle gelegen nicht weit von Innsbruck und als ein Schein der Kleinstadt Wörgl über die Theke wanderte in Innsbruck und der Banker es wahrnahm geriet der Geldklüngel Europas aus dem Häuschen „keiner“ sprach die Frau Bürgermeister „in diesem Dorf, der einen Artikel schreiben konnte. Wußten, daß es Geld war, doch gaben vor, es sei keins um sicher zu gehen vor dem Gesetz.“

Lesezeichen 4 100-Milliarden-Profit: Mafia ist „erste Bank“ Italiens 10.01.2012, 15:56 Uhr (dapd)

Lesezeichen 3 „Du sagtest, daß die Wuchrer Gott verletzen, Jetzt sage mir, wie löst dies Rätsel sich?“ Weltweisheit, sprach er, lehrt in mehrern Sätzen, Daß nur aus Gottes Geist und Kunst und Kraft Natur entstand mit allen ihren Schätzen; Und überdenkst du deine Wissenschaft Von der Natur, so wirst du bald erkennen, Daß eure Kunst, mit allem, was sie schafft, Nur der Natur folgt, wie nach bestem Können Der Schüler geht auf seines Meisters Spur; Drum ist sie Gottes Enkelin zu nennen Vergleiche nun mit Kunst und mit Natur Die Genesis, wo’s also lautet: Leben Sollst du im Schweiß des Angesichtes nur. – Weil Wuchrer nun nach anderm Wege streben, Schmähn sie Natur und ihre Folgerin, Indem sie andrer Hoffnung sich ergeben. (Die Hölle, Elfter Gesang) Alles Stückwerk „und jedem den eigenen Ramschladen“ (Pound). Ein kontinuierlich sich fortmutierendes Fragment des Scheiterns. So kommt es mir vor. Das macht

Beim organisierten Verbrechen ist von Krise keine Spur. Der Staat steckt tief in der Finanzklemme, das organisierte Verbrechen aber boomt mitten in der Wirtschaftskrise: Einer aktuellen Studie zufolge ist die italienische Mafia die größte Wirtschaftskraft des Landes und mit einer Liquidität von etwa 65 Milliarden Euro inzwischen auch „die erste Bank“.

III. Nein, ich bin kein Misanthrop, das sei festgestellt. Aber vielleicht sollte wieder jemand NIEMAND schreien. Nur dass dieser NIEMAND erkennbar wäre. Endlich die Ware, ohne auf das Wahre anzuspielen, wenngleich: verdächtig, verdächtig, die unmittelbare Nähe des achten Buchstabens (vom deutschsprachigen Alphabet aus betrachtet). Zwischen WARE und WAHRE – lediglich eine Laune der Sprachparallelitäten – vielleicht sollte dieser NIEMAND endlich dazu stehen, NIEMAND zu sein. Das wäre dann revolutionär und schnittig. Währen dann neue CANTOS möglich? Die Börse i s t ein Niemand & „der Weise / freut sich der Wasser / der Menschliche hält Freundschaft mit den Bergen“ (Canto LXXXII) wider die „Summa Gorilla + Bajonette“ (Canto LXXIV) und ebda: „la luna, dünn wie Demeters Haar“ und „schröpft das Volk zum privaten Vorteil“ und „auf Krankenappell: los / los, Krankenappell / und die beiden erträglichsten Drehs sind das Auf und das Ab / im Geldwert“; bleibt: „und der Staat kann Geld verleihn wie in Athen / zum Bau der Flotte von Salamis / und wenn das Geld sich unterwegs verflüchtigt / fragt Churchills Geldgeber / wo es geblieben ist“ (da capo)


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Refrain „For nowt so much as a just peace That wd / obstruct future wars“ Lesezeichen 5 „Die Geschäfte der deutschen Wirtschaft mit anderen Ländern sind im vergangenen Jahr so gut gelaufen wie nie zuvor. Deutschlands Exporte überschritten 2011 erstmals die Marke von einer Billion Euro, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Deutschlands Unternehmen führten 2011 Waren im Gesamtwert von 1,060 Billionen Euro aus. Das waren 11,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Dynamik ließ dabei im Laufe des Jahres deutschlich nach. Während der Außenhandel in den ersten Monaten des Jahres noch zweistellig wuchs, legten die Exporte in den letzten drei Monaten 2011 nur noch zwischen 3,7 und 8,2 Prozent zu. Im Dezember gingen die Ausfuhren im Vergleich um 4,3 Prozent zurück. Der Überschuss in der Außenhandelsbilanz 2011 betrug 158,1 Milliarden Euro!“ (Weserkurier, Februar 2012)

that everybody should be bauernfähig.“ (Pound) Deshalb ging die Milch an die Börse. Einschub 3 Geldautomat spuckt Mäuse aus 02.01.2012, 10:00 Uhr Beim Geldabheben hat ein Mann in Saudi-Arabien am Automaten eine Überraschung erlebt. Aus der Öffnung, die für die Geldscheine vorgesehen ist, hüpfte ihm eine lebende Maus entgegen. Das Bargeld habe der Automat, der neben dem Gemeindeamt der kleinen Ortschaft Al-Wadieen steht, dann auch noch ausgespuckt, berichtete die saudische Zeitung „Okaz“. Allerdings waren die Scheine wohl so stark angeknabbert, dass der Mann sie anschließend in der Bank umtauschen ließ. Dritte Denkbilanz Pound, sozusagen – alle Kriege sind von der Hochfinanz heraufbeschworen.

IV. Mussolini sei die einzige logische Antwort auf den bürgerlichen Materialismus einerseits und den marxistischen Determinismus andererseits, die beide dem schöpferischen Bewusstsein der Dichter jede revolutionäre Bedeutung absprächen, schrieb Pound an seinen Freund, den amerikanischen Versdichter und Komponisten Louis Zukofsky. Zweite Denkbilanz: Pound: Die Natur des Geldes als Denkherausforderung, Denknotwendigkeit. Pound plädierte für eine wirtschaftliche Demokratie = Volksvertretung nach Berufen und Gewerben. Alle demokratischen Spielregeln verkämen zu bloßen parlamentarischen Scheingefechten & Poem, poundwärts Wö r g l war Schwundgeld. G e l d , das schwindet, m e h r t d i e E x i s t e n z . „The ideal is

„Der gegenwärtige Krieg gehört zu dem immerwährenden Kampf zwischen dem Wucherer und dem Bauern.“ (Pound 1944) Einschub 4 Gestern traf ich zufällig auf einer Party eine Frau aus München, knapp vierzig und Mutter zweier Söhne, acht und neun Jahre alt. Ob sie den Namen Pound schon einmal gehört habe, fragte ich. Nein. Pound sei doch die britische Währung. Ja, sagte ich. Währung sei ein gutes Wort. Gott bewahre. Nein, meinte sie. Es sei ihr unmöglich, die derzeitige Finanzwirklichkeit und Wirtschaftspolitik zu verstehen. Es sei nicht mehr nachvollziehbar, „was geschieht“. Dennoch gefiele ihr das alte Wort „Geldbörse“. Die Börse sei ein Kreuzwort & Rätsel ohne Haftung. Keine Beschränkung. In alle Richtungen offen. Kein Wort ergäbe das andere. Auf jeden Fall, vielleicht wisse ich nun wiederum nicht, dass das erste Kreuzworträtsel im Jahre 1925 in einer deutschen Illustrierten publiziert worden sei. 1925? Im Jahr der Verträge von Locarno, nickte ich. Locarno sei schön, sagte sie. Nur zu teuer für eine Durchschnittsfamilie. Dieser Tage las ich in der Online-Ausgabe einer Zeitung, der Schweizer Geldadel habe Angst. Ich gab


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nicht auf und zitierte Pound: „Der gegenwärtige Krieg gehört zu dem immerwährenden Kampf zwischen dem Wucherer und dem Bauern.“ Das habe der Dichter 1944 gesagt. Ezra Pound sei ein Anhänger Mussolinis gewesen. Mussolini? Ach ja, der. Ja, sie habe einen jüngeren Bruder, der habe bei jedem Familienfest eine Rede gehalten. Sie hätten sich totgelacht, weil Mussolini wie lebendig schien. Das war perfekt imitiert. Frage 2 „Knecht gegen Knecht“? – Wie jemandem begegnen, der keine Trennschärfen kennt? Die Beherrschung der Hexameter ist zu wenig. Oder was heißt am Leben teilhaben? (frei nach Marinetti) und Dolores sagte: „Come pan, niño,“ iß Brot, mein Jung (Canto LXXXI) Refrain „For nowt so much as a just peace That wd / obstruct future wars“ Einschub 5 Wie haben denn die Banken jetzt Geld VERDIENT?? Mit faulen Geschäften, die – wie man jetzt sieht – zur Bankenkrise geführt haben. Kassieren dicke Gehälter plus Boni. Das alles kann jetzt der „kleine Mann“ über die Steuern zahlen. Fazit: Die Banken haben sich über den „kleinen Mann“ finanziert. (Bankgebühren, Zins und Zinseszins usw. reichten aber für die fetten Boni und Gehälter nicht, das Abzocken zahlt der „kleine Mann“ also auch noch über die Steuern. Lügen und Betrügen, wie unsere Politiker. (Anonymus 1) Einschub 6 Risikohinweis Wenn Sie in Aktien investieren, kann es passieren, dass Sie Teile ihres Kapitals verlieren. Also riskieren Sie nie mehr, als Sie sich leisten können. Kurs-Beobachtungen und Voraussagen sind keine verlässlichen Indikatoren für zukünftige Ergebnisse. Provisionen, Gebühren und andere Kosten können Ihre Rendite senken. (Anonymus 2) Lesezeichen 6 Einige der empfohlenen Aktien sind die von Kleinunternehmen. Diese Aktien sind risikoreicher als andere, da es sein kann, dass die Unternehmen zahlungsun-

fähig sind oder Sie die Aktien nicht wieder verkaufen können. Es kommt vor, dass der Unterschied zwischen Angebot und Nachfrage groß ist, sodass Sie, falls Sie sofort verkaufen müssen, deutlich weniger zurückbekommen als Sie bezahlt haben. Fragen Sie stets nach persönlicher Beratung, wenn Sie sich nicht sicher sind, ob ein Investment für Sie sinnvoll ist oder nicht. Gewinne durch Aktienhandel sind eine Form von Einkommen und müssen versteuert werden. Die steuerliche Behandlung hängt von den persönlichen Umständen ab und kann sich in der Zukunft ändern. (Anonymus 3) Lesezeichen 7 „1932 gab es in Wörgl bei einer Bevölkerungszahl von ungefähr 4200 eine Arbeitslosenzahl von über 400, von denen die Hälfte keine Arbeitslosenunterstützung mehr bekommen konnte und auf die öffentliche Armenfürsorge angewiesen war. (…) Vor dem Wohlfahrtsausschuß seiner Marktgemeinde erläuterte Unterguggenberger im Juli 1932 ein N o t h i l f e - P r o g r a m m . Langsamer Geldumlauf ist die Hauptsache der bestehenden Wirtschaftslähmung. Das Geld als Tauschmittel entgleitet immer mehr den Händen der schaffenden Menschen. Es versickert in Zinskanälen und sammelt sich in den Händen weniger Menschen, die das Geld nicht mehr dem Warenmarkt zuführen, sondern als Spekulationsmittel zurückhalten. (…) und daß im Bereich der Marktgemeinde Wörgl das langsam umlaufende Geld der Österreichischen Nationalbank in ein anderes Tauschmittel zu verwandeln ist, das eine schnellere Umlaufgeschwindigkeit haben soll. Es wurden sogenannte Arbeitsbestätigungen eingeführt, die monatlich durch eine Notabgabe in Form von Klebemarken 1 Prozent entwertet wurden. Die Notabgabe diente einem Armenfonds.“ (Christoph Moser) Einschub 7 Blackout, das ist auch der offensichtliche Geisteszustand derjenigen im Finanzsektor, die jetzt munter auf den Status quo pochen und dabei offensichtlich vergessen haben, dass es genau dieser Status quo war, der uns unter anderem eine Hypothekenblase und toxische Wertanleihen hinterließ. „Es ist schon bizarr, davon zu sprechen, dass die Wall Street jetzt unter der Finanzkrise zu leiden habe“, analysierte der US-Journalist Ira Glass schon 2009. „Wall Street hat sich diese Krise selber zuzuschreiben.“ (Anonymus 4)


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Frage 3 Und? Was hast du davon, wenn du im toten Buch dein vorläufiges Gedicht und das leblose Rühmen nicht mehr wahrnimmst? Einschub 8 Aber er hat doch, aber & die Dichter gefordert / gefördert = 1 Ver:dienst! Lesezeichen 8: Ein schwarzer Soldat auf dem Fahrrad in Rapallo und Dr. Ezra Pound treffen sich am 1. Mai 1945. Die Bemerkung Sir Winston Churchills ist knapp volljährig geworden (nach heutigen bundesdeutschen Maßstäben): Mussolini sei der George Washington Europas … Verehrte Leserin, verehrter Leser – sind Sie irritiert? Gut. Dann lesen Sie jetzt Pound & „nichts gilt als die Inständigkeit der Zuneigung“ (Canto LXXVI) „nothing matters but the quality of affection“ (Canto LXXVI) Nachtrag I Wucher, der — Synonyme: Betrug, Geldschneiderei, Nepp — ist Synonym von: Beutelschneiderei, Nepp, Preissteigerung, Preistreiberei, Schacher, Überforderung, Überteuerung — wird referenziert von: Habsucht, Preistreiberei (Deutscher Wortschatz, Universität Leipzig) Nachtrag II „Das Experiment von Wörgl traf einen Kern von Pounds Weltanschauung und Werk, die der holländische Soziologe und Philosoph Jan M. Broekman als Überwindung des Skeptizismus durch Relativismus definiert, Relativismus, der ein Ergebnis der Tat ist. Wie Broekman feststellt, war Pound in der Literatur – wie Picasso in der bildenden Kunst – einer der ersten, die erkannt haben, daß das moderne Leben nicht von einem einzigen Standpunkt aus zu erfassen sei.“ (Tilman Moser) Nachtrag III Pounds Schreibweise, die er ideogrammatisch nennt, ist

nach seinen Angaben an der chinesischen Bilderschrift orientiert. Pound erläutert: „Wenn man in Europa jemanden bittet, etwas zu definieren, entfernt sich seine Definition immer weiter von den einfachen, wohlbekannten Dingen, sie entweicht in Regionen abgelegener und immer weiter abgelegener Aufspaltung des Spektrums. Fragt man ihn (den Europäer) demnach, was Rot ist, so sagt er, es ist eine Farbe. Fragt man ihn, was eine Farbe ist, so sagt er, es ist eine Schwingung oder eine Brechung des Lichtes oder eine Aufspaltung des Spektrums. Und fragt man ihn, was eine Schwingung ist, sagt er, es ist eine Erscheinungsform der Energie oder etwas Derartiges, bis man schließlich zu irgendeiner Modalität des Seins oder Nicht-Seins gelangt, aber auf jeden Fall den Boden unter den Füßen verliert … Fragt man hingegen einen Chinesen, was Rot ist, so stellt er (beziehungsweise sein Vorfahre) die folgenden Bilder zusammen: Rose, Rost, Kirsche, Flamingo. Die Bildhaftigkeit solcher Begriffe, die eine unmittelbare Anschauung ermöglichen, findet Pound, müsse sich der Dichter für seine Sprache eigen machen.“ (Der Spiegel, 7. Mai 1958) Nachtrag IV In Griechenland demonstrieren zehntausende Bürger gegen ihre Regierung – und gegen Deutschland. Viele empfinden die immer schmerzhafteren Sparpakete, deren letztes in der Nacht zum Montag im Athener Parlament beschlossen wurde, als demütigendes Diktat der deutschen Regierung. Der Ingenieur Andréas Margoudakis gibt bei den Protesten in Athen die Stimmung wieder, wenn er sagt: „Bis 2020 werden wir die Sklaven der Deutschen sein!“ (dpa, 13.02.2012) Epilog „every man to his junk-shop“ – „jedem den eigenen Ramschladen“ (Canto LXXVI)

Anmerkung: Die Übersetzungen der Originalverse ins Deutsche folgen in aller Regel der Übertragung von Eva Hesse und sind entnommen aus: Ezra Pound. Pisaner Cantos. Arche Verlag. Zürich – Hamburg 2002 (oder aus den entsprechenden Textbeiträgen, die in dieser Collage zitiert wurden).


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Satzspiegel

Von Martin und Werner Feiersinger

bis 16.4.

… er spielt mit Verfremdungen, Umkehrungen und Verschiebungen, setzt Elemente der anonymen Architektur in Beziehung zu eleganten Großstadthäusern, verteilt unterschiedliche Fensterformate frei über die Fassade, ordnet hingegen seine Ziegelgitter streng axial, sucht die Balance von Vertrautheit und Irritation. Mit sicherer Hand entwickelt und verfeinert er seine Werke. Materialität, Oberflächenbeschaffenheit und Textur werden mit jeder Aufgabe neu hinterfragt. Die Farbstimmung untermauert das Grundthema von Normalität und Überraschung:

*

— Nutzfläche auf der Seite eines Buches, einer Zeitschrift oder anderen Druckwerken; ein bedruckten Flächen zugrundeliegendes schematisches Ordnungssystem, das den Grundriss von Schrift, Bild und Fläche definiert. — Aufforderung, Sätze zu formulieren, die für die eigene Arbeit stehen und deren Grundgerüst bilden; das eigene Schaffen zu spiegeln und dabei die tagtäglich gebrauchten professionellen Ausdrucksmittel möglichst außer Acht zu lassen.


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[Fensterausschnitte von Luigi Caccia Dominioni: Ziegelgitter beim Kloster in der Via Farini 10 von 1960-63, beim Wohnhaus in der Via Massena 18 von 1959-63 und beim Waisenhaus in der Via Calatafimi 10 von 1948-54, Mailand]


Besetzung

Xaver Bayer, Wien Wien: Schriftsteller. Zuletzt erschienen: „Wenn die Kinder Steine ins Wasser werfen“ (2011). Carmen Brucic, Gnadenwald in Tirol Wien: Studium in Wien an der Hochschule für Angewandte Kunst (Prof. Lürzer, Prof. Mario Tercic) und an der Akademie der Bildenden Künste (Prof. Peter Kogler). Von 2001 bis 2004 in Berlin entwickeln sich in Zusammenarbeit mit Christoph Schlingensief neue Perspektiven der Kunst und deren Darstellung. 2008 Arbeitsaufenthalt in Mexiko für die Galerie Hilario Galguera. 2009 entsteht eine interdisziplinäre Arbeit am Burgtheater in Wien „Symmetrien des Abschieds“. 2012 Entwicklung der fotografischen Arbeit „Gnadenwald“ für das österreichische Kulturforum in Berlin. Methode: changierend zwischen Performance, Theater und Fotografie, Thema: Die Zerbrechlichkeit menschlicher Angelegenheiten. www.carmenbrucic.net Wien: Architekt. Studium an der Martin Feiersinger, Brixlegg Hochschule für angewandte Kunst in Wien und an der Rice University in Houston. Seit 1989 eigenes Büro in Wien. Bauten in Tirol, Niederösterreich und Wien. Wien: Bildhauer. Studium an der Werner Feiersinger, Brixlegg Hochschule für angewandte Kunst in Wien und an der Jan van Eyck Akademie in Maastricht. Lehrtätigkeit an der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts de Lyon, TU Wien und an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Ausstellungen im Inund Ausland. Seit 2004 arbeiten die Brüder Martin und Werner Feiersinger an einer breit angelegten Fotodokumentation zur italienischen Nachkriegsarchitektur. Zuletzt war im aut. architektur und tirol die Ausstellung „Italomodern – Architektur in Oberitalien 1946– 1976“ zu sehen. Anlässlich der Ausstellung erschien das Buch „Italomodern“ (SpringerWienNewYork 2012). Katja Hagedorn, Hamburg Zürich: studierte Komparatistik, Germanistik und Anglistik in Mainz, Dublin und Berlin. Sie arbeitete als Regie- und Dramaturgieassistentin am Maxim Gorki Theater Berlin und am Deutschen Theater Berlin, wo sie auch erste Dramaturgien übernahm, sowie verschiedenen Produktionen in Schweden und Norwegen. Außerdem ist sie als Übersetzerin und Dolmetscherin tätig. Seit der Spielzeit 2009/10 arbeitet sie als Dramaturgin am Schauspielhaus Zürich. Sascha Hommer, Filderstadt Hamburg: Comiczeichner, Illustrator, Herausgeber der internationalen Comicanthologie ORANG. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, zuletzt erschienen: „Dri Chinisin“, nach Texten von Brigitte Kronauer (Reprodukt, 2011). http://saschahommer.blogspot.com Wien: studierte Psychologie / PhilosoKurt Kladler, Eisenstadt phie und ist Autor diverser soziologischer Studien zum Kunst- und Kulturbetrieb. Nach Lehrtätigkeit und Galerieleitung in Zürich und Veröffentlichungen als Kunstkritiker ist er seit 2002 leitender Mitarbeiter der Charim Galerie Wien. Wien: Architekturstudium an Annja Krautgasser, Hall in Tirol der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und der TU Wien, Diplom 1998. Studium Visuelle Mediengestaltung / Neue Medien, Universität für angewandte Kunst Wien, Diplom 2002. Zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland, unter anderem in der Galerie im Taxispalais, Innsbruck, im NIMk, Amsterdam, in der Secession, Wien und dem Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck. Atelierstipendien in London, Los Angeles (MAK134 / 135

Schindler-Stipendium), Paliano (I) und Amsterdam. Staatsstipendium für bildende Kunst 2009. RLB Kunstpreis 2010. ProfessorHilde-Goldschmidt-Preis 2011. www.annjakrautgasser.net Hamburg: freie Schriftstellerin. BuchBrigitte Kronauer, Essen veröffentlichungen zuletzt: „Zwei schwarze Jäger“ (Klett-Cotta, Stuttgart 2009), „Favoriten. Aufsätze zur Literatur.“ (Klett-Cotta, Stuttgart 2010), „Die Tricks der Diva“ (Reclam, Stuttgart 2010). José F. A. Oliver, Hausach im Schwarzwald Hausach im Schwarzwald: freier Schriftsteller. 1997 ist er mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet worden. 2007 erhielt er den Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg. 2009 den Thaddäus-Troll-Preis. Jüngste Publikationen: „Mein andalusisches Schwarzwalddorf“, Essays (Suhrkamp, 2007) und „fahrtenschreiber“, Gedichte (Suhrkamp 2010). José Oliver ist Kurator des 1998 von ihm ins Leben gerufenen Literaturfestivals Hausacher LeseLenz. Er hat gemeinsam mit dem Literaturhaus Stuttgart die Schreibwerkstätten für Schulen entwickelt. Sie fördern die Sprachsensibilität von Kindern und Jugendlichen und erweitern deren Verständnis im Umgang mit der Literatur. Helmut Pokornig, Leoben www.pokornig.at

Wien: Bildender Künstler.

Wien: Was recently appointed to a Simon Rees, New Zealand senior development and programming role at the MAK in Vienna. Previously he was head of exhibitions at the CAC, Vilnius, and has held senior curatorial roles at national institutions in Australia and his native New Zealand. Rees writes regularly for international press and publication; and in his new role leads the museums recently launched periodical „MAK/zine“ the second edition of which will be released in June (2012). Ingrid Runggaldier, Bozen Bozen: Studium der Germanistik und der Anglistik in Innsbruck. Arbeitet für die Südtiroler Landesverwaltung als Übersetzerin und ist als freie Publizistin tätig. Ihre Interessen umfassen so unterschiedliche Themenbereiche wie Frauenforschung, Alpinismus, Film, Literatur, Sprachen, Minderheiten. Sie ist Mitglied des Organisationskomitees des Internationalen Bergfilmfestivals von Trient, Kulturreferentin des Alpenverein Südtirol, Mitbegründerin und Mitherausgeberin der ladinischen Frauenzeitschrift GANA. La Usc dles Ladines. Zuletzt erschien ihr Buch „Frauen im Aufstieg. Auf Spurensuche in der Alpingeschichte“ (Raetia). Peter Sandbichler, Kufstein Wien: Einzelausstellungen (Auswahl): Der Künstler ist anwesend, Kunstraum Bersteiner, Wien (2011); Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners, Galerie im Taxispalais, Innsbruck (2011); sustain, Galerie Grita Insam, Wien (2010). Gruppenausstellungen (Auswahl): originalfunktional. Zeitgenössisches KünstlerInnenmobiliar aus der Wiener Werkstadt, Wiener Art Foundation, Wien (2010); preloaded key: colour – Yudi Noor, Peter Sandbichler, Galerie Stadtpark, Krems (2010); Tiger Stealth, Österreichischer Skulpturenpark, Universalmuseum Joanneum (2010); Common History and Its Private Stories. Geschichte und Geschichten, MUSA – Museum auf Abruf, Wien (2009); The house is on fire, but the show must go on, Kunstraum Innsbruck (2009); Inkonstruktion IV, Art Biesenthal, Biesenthal (2009). Ausserdem: Kunst im öffentlichen Raum, Ludwigsburg (2009). www.petersandbichler.com


Michael Sturminger, Wien Wien: Regisseur und Autor. Studierte an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien in den Studienrichtungen Drehbuch und Dramaturgie bei Harald Zusanek sowie Regie bei Axel Corti. Er inszenierte u. a. an der Wiener Staatsoper, am Zürcher Opernhaus, bei den Salzburger Festspielen und am Mariinsky-Theater St. Petersburg. Filmographie: „Zur Lage – Österreich in sechs Kapiteln“ (Regie/Drehbuch, 2002), „Cecilia Bartoli: The Barcelona Concert“ (2008), „Malibran Rediscovered: The Romantic Revolution“ (2008); Preis beim deutschen Filmfestival Max Ophüls Preis für „Hurensohn“ (Regie/ Drehbuch, 2004) www.sturminger.com

Wolfgang Wirth, Innsbruck Wien: Malerei. Einzelausstellungen (Auswahl): Traklhaus, Salzburg, 2012; Alcultura, Algeciras, 2011; Galería Magda Bellotti, Madrid, 2011; Andechsgalerie, Innsbruck, 2010; Charim Galerie, Wien, 2009, 2006; Galerie lokal_30, Warschau, 2008, 2006; Galerie 5020, Salzburg, 2004. Gruppenausstellungen (Auswahl): Galerie artepari, Graz, 2012; Kunstpavillon, Innsbruck, 2011; RLB Kunstbrücke, Innsbruck, 2007; BA/CA Tresor, Wien, 2007. Projekte (Auswahl): Alter Schlachthof, Karlsruhe, 2012; B.a.d. Foundation, Rotterdam, 2011; NAC, Rotterdam, 2011. Mitglied der Künstlergruppe Alpine Gothic: Ausstellungen (Auswahl): Salzburger Kunstverein, Salzburg, 2009; Residenzgalerie, Salzburg, 2011. www.wolfgangwirth.at

Quart Heft für Kultur Tirol

Kulturzeitschrift des Landes Tirol Herausgeber: Markus Hatzer, Andreas Schett Chefredaktion: Heidi Hackl, Andreas Schett Anschrift der Redaktion: Circus, Kochstraße 10, 6020 Innsbruck (A), office@circus.at Anschrift des Verlags: Haymon Verlag, Erlerstraße 10, 6020 Innsbruck (A) T 0043 (0)512 576300, order@haymonverlag.at, www.haymonverlag.at Geschäftsführer / Verleger: Markus Hatzer Aboservice: T 0043 (0)1 740407814, aboservice@haymonverlag.at Bezugsbedingungen: Quart Heft für Kultur Tirol erscheint zweimal jährlich. Jahresabonnement: € 21,– ( SFr 30,50) · Einzelheft: € 14,– (SFr 20,90) · Preise inkl. MwSt., zzgl. Versand Die Bezugspreise unterliegen der Preisbindung. Abonnement-Abbestellungen müssen spätestens 3 Monate vor Ende des Kalenderjahres schriftlich erfolgen. Mitarbeiter dieser Ausgabe: Xaver Bayer, Carmen Brucic, Martin Feiersinger, Werner Feiersinger, Katja Hagedorn, Sascha Hommer, Kurt Kladler, Annja Krautgasser, Brigitte Kronauer, José F. A. Oliver, Helmut Pokornig, Simon Rees, Ingrid Runggaldier, Peter Sandbichler, Michael Sturminger, Wolfgang Wirth Kuratoren: Ruedi Baur, Othmar Costa, Karin Dalla Torre, Eduard Demetz, Georg Diez, William Engelen, Martin Gostner, Helmut Groschup, Franz Hackl, Hans Heiss, Stefanie Holzer, Sebastian Huber, Gabriele Kaiser, Otto Kapfinger, Walter Klier, Martin Kofler, Gustav Kuhn, Christoph Mayr-Fingerle, Milena Meller, Walter Methlagl, Wolfgang Mitterer, Walter Niedermayr, Thomas Nußbaumer, Dominique Perrault, Wolfgang Pöschl, Helmut Reinalter, Robert Renk, Arno Ritter, Benedikt Sauer, Benno Simma, Gerhard Steixner, Vitus H. Weh, Lois Weinberger, Maria Welzig u. a. Linke Seiten: Sascha Hommer Visuell-editorisches Basiskonzept: Walter Pamminger Farbkonzept: Peter Sandbichler Grafische Realisation: Circus, Büro für Kommunikation und Gestaltung, Innsbruck / Wien, www.circus.at Druck: Lanarepro, Lana, Italien Papier: Luxo Samt 135 g/m2 Schriften: Sabon LT Std, Gill Sans Std Verwendung der Karte „Tirol-Vorarlberg 1 : 200.000“ auf den Seiten 68 / 69 mit freundlicher Genehmigung von Freytag-Berndt u. Artaria KG, Kartografische Anstalt. Sämtliche inhaltlichen Beiträge dieses Heftes sind Ersterscheinungen, Auftragswerke, Uraufführungen. ISBN 978-3-85218-781-5 · © Haymon Verlag, Innsbruck-Wien 2012 · Alle Rechte vorbehalten.



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