The Red Bulletin Innovator Steiermark 22/01

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Ideas for a better future

2022 AUSGABE INTERNATIONAL

Alles auf Grün Steirische Ideen für die Welt


JAGUAR I-PACE AUSTRIA EDITION

I GOT THE POWER. SPANNUNG IN IHR LEBEN ZU BRINGEN.

JETZT AB 59.990,– €* Gebaut in Österreich, aufgeladen mit Begeisterung. Der vollelektrische Jaguar I-PACE elektrisiert vom ersten Moment an. Dank seiner innovativen Antriebstechnik verbindet er kurze Ladezeiten mit hoher Reichweite und Jaguar typischer Performance – und das völlig emissionsfrei. Als Austria Edition mit 320 PS ermöglicht er zudem den Erhalt der attraktiven staatlichen Förderung.** Jetzt Probefahrt anfragen. Jaguar I-PACE Stromverbrauch in kWh/100 km: 25,1–22,0 (komb.); CO2-Emissionen in g/km: 0 (komb.), nach WLTP. Weitere Informationen unter www.autoverbrauch.at. Symbolfoto. * Ab-Preis für I-PACE Austria Edition mit 320 PS. Angebot gültig bei allen teilnehmenden Jaguar Partnern und solange der Vorrat reicht. Nicht kombinierbar mit anderen Angeboten. Unverbindlich empfohlener, nicht kartellierter Richtpreis inkl. 20 % USt, 0 % NoVA. ** Nähere Details unter www.umweltfoerderung.at


EDITORIAL

I N N O V AT O R

W I L L KO M M E N IN DER STEIERMARK

Grün gewinnt! CONTRIBUTORS

Karin Cerny

VICTORIA SCHAFFER, MIRIAM JOANNA

BIRGIT BENDA (COVER), BIRGIT BENDA

ist eine außerordentlich vielseitige Autorin. Weshalb sie zu diesem INNOVATOR gleich mehrere Geschichten beisteuerte. Besonders hinweisen möchten wir auf das Genuss-Potpourri der passionierten Eisschwimmerin. Da ist für ­jeden Geschmack etwas dabei. Also unbedingt probieren! AB SEITE 80

Hannes Kropik ist das männliche Pendant zu ­Karin Cerny. Hart, aber herzlich, könnte man sagen: hart, was den bevorzugten Saitenklang ­anbelangt, herzlich, wenn es um Poesie geht. Seit er sich für uns auf den Holzweg begeben hat, wissen wir, wofür sein Herz wirklich schlägt: Bäume. AB SEITE 70

INNOVATOR

Die Steiermark wird gerne als das „grüne Herz ­Österreichs“ bezeichnet. Das ist weder ein Wunschtraum noch ein Werbeschmäh – sondern schlicht die Wahrheit. Und zwar seit vielen Jahrhunderten. Das hat damit zu tun, dass das flächenmäßig zweitgrößte der neun österreichi­ schen Bundesländer zu mehr als 61 Prozent mit Wald bedeckt ist, weshalb die Farbe Grün auch essenzieller Bestandteil des Landeswappens ist. Grün steht aber auch für die Steiermark des 21. Jahrhun­ derts. Dort, wo einst die Kohlenglut und des Hammers Kraft und starker Hände Fleiß das Eisen gezeugt haben, wie es in der Landeshymne heißt, sind heute Vorreiter in Sachen umweltfreundlicher Technologie daheim – ­geradezu beispielhaft ist, dass der elektrische Jaguar I-Pace ein echter Steirer ist. Mit diesem Auto haben wir eine Spritztour durchs Land gemacht – und, ehrlich, wir waren beeindruckt von der Viel­ falt grüner Ideen, von den Realität gewordenen Visionen und der Kraft der Steirerinnen und Steirer. Versprochen – diese Ausgabe des INNOVATOR wird auch Sie staunen lassen. Grün ist’s, los geht’s! Mitten in Europa Klein, aber sehr grün. In der Steiermark wird der Ausbau innovativer und ­umweltfreundlicher Techno­logien forciert – ­deshalb versteht sich das Land auch als grünes Herz Europas.

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STEIERMARK

INHALT Bullevard 10

Ein Klick zum Glück

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Kleiner, dein Einsatz!

Das Grazer Start-up Instahelp bietet psychologische Onlineberatung.

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Wenn der Wurm …

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Packerl mit Patent

… drin ist, kann das durchaus eine köstliche Geschichte sein. Wir liefern den Beweis.

Wenn die Niceshops liefern, ist das gut für die Umwelt – auch dank besonderer Packerl.

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Hightech-Ballsaal

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Munter werden!

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Das Leistungsleiberl

Arnold Schwarzenegger auf dem Weg zum Weltstar. Mit seinem Bizeps machte er schon in jungen Jahren gute Figur – ab Seite 32.

Feature 24

Speed, Herzfrequenz, Atem – das Shirt QUS misst alle Daten für ein optimales Training.

Die Mission der Johanna Pirker: Wir spielen Leben! Als Studentin suchte die TU-Professorin ­Fehler in Computerspielen, heute ist sie sicher, dass Gaming die Welt besser macht.

Trifft Fußball auf Fortschritt, bist du in Wundschuh gelandet, einem Kicker-Paradies.

Ein Grazer Unternehmen liefert Kraftstoff für den Körper – und zwar in Kapselform.

ARNOLD SCHWARZENEGGER MUSEUM, NUSSMÜLLER.ARCHITEKTEN, GIAN PAUL LOZZA

Ein Mini-Feuerwehrauto, das elektrisch fährt und sich wie eine Fledermaus orientiert.

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Die Wurzeln der Eiche

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Auf die grüne Tour – Wege in eine bessere Zukunft

Arnold Schwarzenegger – vom Bodybuilder zum Kämpfer fürs Klima. Porträt eines ­Mannes, der sich immer wieder neu erfand.

Mobilität, Gesundheit, Digitalisierung, Umwelt – 24 innovative Antworten auf Fragen der Zeit.

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INNOVATOR


I N N O V AT O R

Bereits 2008 wurde die Zentrale von Mayr-Melnhof in Holzbauweise errichtet – ab Seite 70.

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62

Mein Avatar geht shoppen Ganz einfach einkaufen: Das Handy wird zur virtuellen Umkleidekabine – und unser digitaler Zwilling probiert die neuen Looks.

Der Mann, der unserer Welt neue Dimensionen gab Der Steirer Erwin Wurm wurde mit seinen One Minute Sculptures zu einem der weltweit erfolgreichsten Künstler.

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80

So richtig auf dem Holzweg

Johanna Pirker, 33, unterrichtet SpieleEntwicklung an der Technischen Universität Graz – ab Seite 24.

Guide

Die kürzeste Verbindung zwischen Innovation und Nachhaltigkeit? Der Holzweg – eine Geschichte zum Staunen.

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Es werde Licht!

Mehr Geschmack für die Welt

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Eine Liebeserklärung

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Von Graz zum Jupiter

Neun Genuss-Pioniere aus der Steiermark machen Ernährung zum Erlebnis – ein kulinarisches Lesevergnügen.

INNOVATOR

Warum Graz leuchtet, tanzt und denkt – acht Termine zum Unbedingt-dabei-Sein.

Dietrich Mateschitz beschreibt, was die Steiermark für ihn so ­besonders macht.

Mit Technik aus der Steiermark werden die Eis­ozeane von drei Jupitermonden erforscht.

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STEIERMARK FA K T E N C H E C K

Typisch steirisch Zahlen, bitte! Der schnelle Überblick. Bad Aussee

Stifts­bibliothek Admont Erzberg

Schladming & Dachstein-Gletscher

55.000

Studierende

besuchen eine der neun Hochschulen der Steier­ mark – fünf davon sind Universitäten, zwei sind Fachhochschulen. Da­ mit ist die Steiermark nach Wien das Bundes­ land mit den meisten Hochschulen.

Red Bull Ring

Holzwelt Murau

50.831

Millionen Euro

13.275 Hektar

werden in der Steiermark für den Anbau von Kürbis genutzt. Jährlich werden mehr als 3 Millionen Liter ursteirisches Kürbiskern­ öl produziert.

1.246.576

788

nennen die Steiermark ihr Zuhause. Davon hat es 291.007 Personen in die Hauptstadt Graz gezogen.

in der Steiermark liegen über 2000 Metern. Außer­dem gibt es mit dem Dachstein sogar einen knappen Drei­ tausender (2995 Meter).

Menschen

61,6

Gipfel

BIRGIT BENDA

beträgt das Brutto­ regional­­produkt, das die Steirerinnen und Steirer 2018 erwirtschaftet haben.

Prozent

der 16.399 km2 großen Steiermark sind mit Wald bedeckt.

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INNOVATOR


I N N O V AT O R

Wissenswert Erfolge, die bewegen Green Tech In zehn Jahren ­haben Umwelt-­ Unter­nehmen ihre Umsätze ­verdreifacht – auf 5,6 Milliarden Euro. Mariazell

Aerospace Mehr als 80 Unternehmen erwirtschaften in Luftund Raumfahrt 650 Millionen Euro.

Forschung 5,15 Prozent des Bruttoregional­ produkts werden für Forschung ausge­geben. Das

ist die höchste ­Quote in ganz Österreich.

Mobilität Die Automobil­ industrie ist mit ­einem Warenwert von über acht Milliarden Euro ExportSpitzen­reiter. Der Mobilitätscluster ACstyria repräsentiert ein Netzwerk von über 300 Unter­ nehmen in den Bereichen Automotive, Aerospace und Rail Systems.

Montanuniversität Leoben

Weltweit Apfelstraße

Tierwelt Herberstein

Unternehmen, die bewegen Firmensitz,   Mitarbeiter Steiermark,   Mitarbeiter weltweit

ZWT

Zentrum für Wissensund Technologietransfer in der Medizin

Elektro/Elektronik

ams Osram AG Premstätten 1340 / 30.000

Graz Lipizzaner­ gestüt Piber

Thermenland

Flughafen

Teufenbach 370 / 750 Intralogistik

Andritz GmbH

Knapp AG

25.000

Elektro/Elektronik, Messtechnik

Anton Paar GmbH Graz 1200 /

3.500

Elektro/Elektronik

AT&S Austria Tech­ nologie & System­ technik AG Leoben 2000 /

Südsteirische Weinstraße

IBS Austria GmbH

Metalltechnische In­ dustrie, Anlagenbau Graz 3300 /

Vulkanland Route 66

Metalltechnische In­ dustrie, Anlagenbau

13.000

Automotive

AVL List GmbH Graz 3500 /

11.000

Hart bei Graz 3100 / 5300 Schuhindustrie

legero united Campus GmbH Feldkirchen bei Graz 280 / 2000 Automotive

Pankl Racing Systems AG Kapfenberg 1280 / 3500 Automotive

Remus Voitsberg 420 / 700 Holzindustrie

Mayr-Melnhof Holzindustrie Leoben 560 / 2000

INNOVATOR

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EINE LIEBE, DIE BLEIBT.

www.graztourismus.at


BULLEVARD

I N N O V AT O R

JOHANNES LANG, BIRGIT BENDA

STEIRISCHE IDEEN FÜR EINE BESSERE WELT INNOVATOR

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STEIERMARK Bernadette Frech, CEO von Instahelp: Die studierte ­Emotionsmanagerin weiß, was es heißt, Gefühle zu zeigen.

GESUNDHEIT

Ein Klick zum Glück Das Grazer Start-up Instahelp bietet psychologische Onlineberatung via Textchat, Audio- und Videotelefonie.

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MATO JOHANNIK

IRENE OLORODE

Morgens die Frühstücksbowl auf Instagram posten, abends noch schnell die E-Mails checken. Da­ zwischen Onlineshopping hier und kommentieren da – der Tag hat weniger Stunden als Klicks. Und auch wenn wir viel Zeit online verbringen, sorgt das digitale Leben nicht nur für Freude, sondern auch für Leid. Und genau hier, an der Schnittstelle zwischen Internet und psychischen Problemen, setzt Instahelp an. Via Textchat oder verschlüsselter Audiound Videotelefonie kann man bei der psychologischen Online­beratung auf einen Pool von 200 Psycho­ loginnen zugreifen und sich seine Probleme von der Seele reden – oder schreiben. Die Zeiten der Beratung werden ganz flexibel zwischen der Psycho­ login und der Kundin vereinbart, Termine finden auch am Abend und am Wochenende statt. INNOVATOR


I N N O V AT O R „Unsere Beratung kann dazu beitragen, dass es nicht zum Burn-out kommt.“ Bernadette Frech über die Bedeutung ihrer Beratungsplattform

Instahelp wurde 2015 von ­Toto Wolff, René Berger und den ehe­ maligen sms.at-Machern Jürgen und Martin Pansy gegründet. Ein zu­sätzliches Investment von drei Millionen Euro nutzte Geschäfts­ führerin Bernadette Frech, 38, für den Ausbau der Plattform und die Internationalisierung der Marke nach Deutschland, Frankreich, Groß­ britannien und in die Schweiz. Bedarf gibt es für die Online­ beratung genug. Allein in Österreich kämpfen etwa 1,2 Millionen Men­ schen mit psychischen Problemen, viele suchen nie professionelle H ­ ilfe. „Unsere psychologische Online­ beratung ersetzt keine Therapie, sie kann aber dazu beitragen, dass es gar nicht erst zu einer p ­ sychischen Erkrankung oder einem Burn-out kommt“, sagt die gebürtige Grazerin Bernadette Frech. Das Angebot ver­ zeichnet 7000 Anfragen pro Monat. Die Altersspanne der User reicht von 20 bis 49 Jahren, das Verhält­ nis zwischen den Geschlechtern ist ausgewogen. „65 Prozent nutzen die Beratung mindestens einmal mit Video- oder Audiotelefonie, 35 Prozent n ­ utzen den Textchat. Der Chat mag un­ persönlicher wirken, aber er hat Vorteile: Wenn du um zwei Uhr früh nicht schlafen kannst, kannst du die Emotion in dem Moment for­ mulieren, in dem du sie fühlst. Die Antwort des Psychologen bekommst du am nächsten Morgen. Außerdem hat der Chat auch eine Art Tagebuch­ funktion, du kannst nachlesen, darüber reflektieren … Dass Online­ angebote eine gute Ergänzung zum Gesundheitswesen sind, zeigt sich an Ländern wie Schweden. Dort kannst du per Webcam deinen Arzt besuchen“, sagt Frech. instahelp.me INNOVATOR

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STEIERMARK

LEBENSRETTER

Kleiner, dein Einsatz!

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„Bei Einsätzen entstehen Ideen, was man neu machen könnte.“ Christian Reisl, Geschäftsführer

­ ine Herausforderung für Mensch E – und Maschine. Denn auch Feuerwehrautos brauchen Sauerstoff. In einer Rauchwolke geht einem klassi­ schen Verbrennungsmotor irgendwann die Luft aus. Im schlimmsten Fall bleibt das Auto stehen. Bei einem Einsatz, wo jede Minute zählt, um Leben zu retten, darf das nicht passieren. Deshalb hat ­Magirus

ein einzigartiges Auto entwickelt. Sein Antrieb ist elektrisch, es braucht deshalb keinen Sauerstoff. Und es findet sich in völliger Dunkelheit zurecht! Wie eine Fledermaus tasten Sensoren die Umgebung mit Ultra­ schallwellen ab. Per Tablet kann das Fahrzeug wie mit einer Fernsteuerung von einem Besatzungsmitglied gesteuert werden. Dieses Luftversorgungsfahrzeug, kurz: LVF iDL, ist der wendige jüngere Bruder des ersten serienreifen vollelektronischen Löschfahrzeugs der Welt (HLF iDL), mit dem ­Magirus einen Meilenstein in der Brandbekämpfung gesetzt hat. Dabei sehen die beiden Modelle beinahe wie Spielzeugautos aus. INNOVATOR

MAGIRUS LOHR

„Erfindungen liegen in u ­ nserer DNA“, sagt Christian Reisl, 52. Er ist Geschäftsführer des ­steirischen Feuerwehr-Fahrzeugherstellers ­Magirus Lohr. Und was er sagt, klingt kein bisschen arrogant. Im Gegenteil: Es klingt selbstverständ­ lich, schließlich zeigt sich bei Lösch­ arbeiten schnell, was funktioniert und was nicht. „Über 50 Prozent ­unserer Mitarbeiter sind Feuerwehrleute“, erklärt Reisl den Erfolg des Traditionsbetriebs, der 1922 ­gegründet wurde und seinen Hauptstandort in Zettling bei Graz hat: „Bei Einsätzen ­entstehen Ideen, was man anders und neu machen könnte. Wir bekommen unser Feedback direkt aus erster Hand.“ Wie das konkret aussieht? Die Feuerbekämpfung im Tunnel ist eine Ausnahmesituation: Massive Rauchentwicklung sorgt für schlechte Sicht und erschwert die Atmung.

KARIN CERNY

Magirus Lohr hat das weltweit erste ElektroLöschauto entwickelt. Dessen Nachfolger findet sich selbst in absoluter Dunkelheit zurecht – nach Vorbild der Fledermaus.


I N N O V AT O R

Im Löschfahrzeug HLF iDL ist alles am richtigen Platz: Unterschied­ liche Geräte können auf ­kleinstem Raum binnen kürzester Zeit ­untergebracht werden.

Leicht, wendig und flexibel: Das Luftversorgungsfahrzeug LVF iDL lässt sich auch im Dunkeln mit einem Tablet steuern.

„Es sind große Löschfahrzeug im Kleinen“, sagt Reisl über die Einsatzwagen. Mit 3,45 Meter ­Länge, 1,3 Meter Breite und 2,07 Meter ­Höhe sind sie sogar noch kleiner als der klassische VW-Bus, der (nicht nur) von Hippies geliebte „Bulli“. Wie kommt man mit so wenig Platz aus? „Dank flexibler Stapeltechnik wird nur das aufgeladen, was man für den jeweiligen Einsatz tatsächlich braucht.“ Aber auch die Löschgeräte werden immer leichter. Schließlich sollen Feuerwehrmänner Leben retten, ohne unnötig schleppen zu müssen. Auch daran arbeitet Magirus erfolgreich.

Bis zu 110 Kilometer schafft das Elektro-Löschfahrzeug mit einer Aufladung, mit bis zu 65 km/h ist es dabei unterwegs.

magirus-lohr.at INNOVATOR

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I N N O V AT O R

STEIERMARK

„Mehlwürmer zu essen ist reine Kopfsache.“

Hier ist der Wurm drin … … und deshalb finden wir diese Geschichte nicht nur köstlich, sondern auch wirklich wichtig. Schließlich sollen die kleinen Krabbler unsere Mahlzeiten revolutionieren.

Wenn die Weltbevölkerung bis 2050 auf fast zehn Milliarden Men­ schen wächst, stellt uns das vor ge­ waltige Herausforderungen. Schon heute macht Ernährung ein Viertel unseres ökologischen Fußabdrucks aus. Und Fleisch ist der mit Abstand größte Klimakiller. Wollen wir die Welt retten, müssen wir auf Fleisch verzichten und andere Quellen für unseren Eiweißbedarf finden. Dass Insekten besonders protein­ reich sind, ist nichts Neues. In Asien und Südamerika werden sie gern ­gesnackt. Das wünscht sich Simon Berner, 45, Zukunftsforscher und Professor für Nachhaltiges Lebens­ mittelmanagement, auch für E ­ uropa. „Insekten haben riesiges Potenzial, 14

ADOBE STOCK

ERNÄHRUNG

ein zentrales Puzzlestück in einer nachhaltigeren Welt zu sein.“ Darum erforscht er an der FH Joanneum Mehlwürmer. Das haben schon an­ dere vor ihm gemacht, der Unter­ schied liegt im Detail. Als Leiter des Projekts „Sustainable Protein“ ver­ folgt er einen systemischen Ansatz. Heißt: Steht der Mehlwurm erst auf unserem Speiseplan, soll er dort für immer bleiben. Davor muss aber klar sein, dass er langfristig ein sinnvoller Fleisch­ ersatz ist. Wahrscheinlich kennt Ber­ ner den Mehlwurm mittlerweile bes­ ser als jeder andere: Er weiß, welches Futter ihn am besten gedeihen lässt und an welchem Plätzchen er sich am wohlsten fühlt. Seine Forschung stimmt ihn bis jetzt zuversichtlich. Mehlwürmer liefern hochwertiges Eiweiß, Amino- und Fettsäuren. Weil sie eben weder Fisch noch Fleisch sind, könnten sie unsere Ernährung revolutionieren. Und das Klima gleich mit. Gemeinsam mit Studierenden züchtet und verarbeitet Berner die Mehlwürmer in Graz, stellt so also nachhaltiges Protein aus der Steier­ mark her. „­Unsere Forschung be­ steht zum Teil darin, Akzeptanz zu schaffen. Mehlwürmer zu essen ist eine reine Kopfsache.“ Deshalb hat Berners Team die ­Insekten auch zu Sugo verarbeitet. Da trauten sich die Menschen schon eher zuzugreifen. Berner selbst isst die getrockneten Mehlwürmer übri­ gens am liebsten pur. Sie schmecken leicht nussig und sind besonders knusprig. Der reinste Genuss – dem­ nächst auch für uns? fh-joanneum.at

SABRINA LUTTENBERGER

Forscher Simon Berner mag sie am liebsten getrocknet.

Sieht doch gar nicht so übel aus. Bevor Mehlwürmer zu G ­ abelbissen werden, gilt es, einige offene Fragen zu klären. INNOVATOR


WIRTSCHAFTSBUND – DEIN STARKER PARTNER. Wir sprechen an, was viele denken, aber nur wenige sagen. Weil das Richtige nicht immer bequem ist, lassen wir uns auch in Krisenzeiten nicht von unserer Arbeit für heimische Unternehmen abbringen. Damit Leistung sich lohnt und Gerechtigkeit keine Einbahnstraße ist. Wir sind dein starker Partner in schwierigen Zeiten. Werde auch du Mitglied der größten Interessensvertretung für Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich WWW.WIRTSCHAFTSBUND.AT


I N N O V AT O R

STEIERMARK

Nett, die ­Geschäftsführung von Niceshops: Christoph ­Schreiner, Barbara Unter­ kofler und Roland Fink (von links)

Digital und trotzdem grün shoppen – ja, das ist möglich. Mit klimaneutralem Versand und paten­tierten Packerln.

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In Graz, Wien, Linz und Salzburg werden sie klimaneutral zugestellt.

So konnte 2021 ein Umsatz von rund 150 Millionen Euro generiert werden. An die 1,3 Millionen aktiven Kunden werden täglich bis zu 20.000 Pakete verschickt – und das seit 2018 zertifiziert klimaneutral. Während eine eigene Photovoltaikanlage grünen Strom produziert, ­beheizt die Biogasanlage des benachbarten Landwirts das Firmen­gebäude in Paldau. Die bestellten Produkte w ­ erden in patentierten Paketen, die o ­ hne Klebeband wiederverschließbar sind, verschickt und in Graz, Wien, Linz und Salzburg bereits mit dem Rad zugestellt. Durch die mehrheitliche Übernahme des Fahrrad­zustellers AustroConnect im Februar 2022 soll dieses Angebot auch in den größten Ballungszentren Europas ausgerollt werden. niceshops.com INNOVATOR

IRENE OLORODE

Smiley für die Umwelt

„Niceshops verschickt täglich bis zu 20.000 Pakete.“

NICESHOPS GMBH

ONLINE EINK AUFEN

Online shoppen mag bequem sein – allerdings nur für den Konsumenten. Unter großem Zeitdruck in P ­ lastik verpackt, verlassen die P ­ rodukte das Lager und werden per Lkw oft hunderte Kilometer transportiert, um binnen kurzer Zeit an ihren Bestimmungsort zu gelangen. Was den Kunden freut, ist für ­unsere Umwelt eine Belastung. ­Dessen war sich auch Roland Fink, 47, bewusst und gründete 2010 mit ­Niceshops ein Onlineshopping-­ Angebot, das sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat. Der Einstieg in den E-­Commerce gelang ihm bereits 2006 mit dem Onlineshop Vitalabo, über den er mit seiner Schwiegermutter Nahrungsergänzungsmittel verkaufte. Binnen vier Jahren wuchs die Nachfrage so stark an, dass Roland Fink in Feldbach ein Lager anmietete und Niceshops gründete. Zu deren Portfolio mit mittlerweile mehr als 45 Shop-Brands gehören Ecco Verde, Bloomling und B ­ iolindo. Zudem betreibt man mit den 550 Mit­ arbeiterinnen international mehr als 400 Onlineshops, führt die eigene E-Bike-Marke Geero und wickelt für Start-ups Logistik sowie Kunden­ support ab.


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STEIERMARK

FUSSBALL

HightechBallsaal

HEAD OF SPORTS

Der frühere NationalteamTorhüter, 51, entwickelt stetig neue Aufgaben.

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Hasan Salihamidžić, Sportvorstand des FC Bayern München, vertraut seit 2020 auf steirisches Fußball-Know-how.

Wie scharf schieße ich? Schaffe ich den perfekten Pass? Kann ich den Ball millimetergenau ins Kreuz­ eck knallen? Fragen, die Fußballer bewegen. Das skills.lab gibt mithilfe von Kameras, Lasersensoren und komplexen Algorithmen objektive Antworten. Und kann jede Leis­ tungssteigerung dokumentieren. Derzeit stehen rund 60 Übungen zur Verfügung; sie sollen die Qua­ lität des Passens und Schießens, des Dribblings, der Ballbehandlung, des Tempos und der Wahrnehmung von Spielszenen verbessern. „Wir bewerten standardisiert“, erklärt der frühere Bundesliga-Profi Roland Goriupp, der als sportlicher Leiter für die Entwicklung der Tests verantwortlich ist.

Und zwar unter möglichst rea­ len Bedingungen. Die Tonanlage spielt auf Wunsch Fangesänge oder Buhrufe ein, die vier Ballmaschinen ­können Bälle – inklusive Drall – bis zu 130 km/h schnell zuspielen. „Bei uns“, sagt Roland Goriupp, „trainieren Profis von Sturm Graz und dem GAK genauso wie Ama­ teure, Nachwuchs- und Hobbyspieler. Wir werten Daten aus und stellen sie – anonymisiert – in Relation zu Ergebnissen vergleichbarer Spieler.“ Gerade für junge Burschen und Mädchen ist aber auch spannend, zu sehen, wo ihre Leistungsfähigkeit im Vergleich zu gestandenen Profi­ kickern liegt. Die Daten dienen als Basis zur Trainingssteuerung. „Ob du eine Übung mit hoher Intensität INNOVATOR

HANNES KROPIK

Roland Goriupp

„Das skills.lab trägt zur systematischen Entwicklung unserer Spieler bei.“

ANTON PAAR SPORTSTEC GMBH

In Wundschuh, südlich von Graz, trifft Fußball auf Fortschritt. Das interaktive skills.lab ist längst in der Champions League der Technikwelt angekommen.


I N N O V AT O R

Auf sechs Leinwänden werden Spielszenen simuliert. Hier gilt es, die Pass-Option (im Rücken des Spielers) zu finden.

in 2,0 oder in 2,5 Sekunden schaffst, ist ein riesiger Qualitätsunterschied – aber selbst für Experten mit freiem Auge kaum erkennbar.“ Hinter der Entwicklung des skills.lab und dessen raffinierter Software steckt die Anton Paar SportsTec GmbH, eine Tochter der Anton Paar Group AG, die 2022 ihr 100-Jahr-Jubiläum als Spezialist für hochpräzise Laborinstrumente und Prozessmesssysteme feiert. Die erste Anlage wurde 2016 in Wundschuh südlich von Graz er­ öffnet. Mittlerweile gibt es weltweit vier weitere der 320 Quadratmeter großen Kunstrasen-Sechsecke mit ihren sechs Leinwänden. Eines steht seit 2020 am Campus des FC Bayern München. Der deutsche Serienmeister nutzt das System zum Vergleich persönlicher Fähigkeiten. Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidžić, als Aktiver 2001 selbst Gewinner der Champions League, ist voll des Lobes: „Sowohl in der Individualisierung als auch im Bereich der Leistungskontrolle trägt das skills.lab zur systematischen Entwicklung unserer Spieler bei.“ Roland Goriupp ist als Tormanntrainer von SK Sturm Graz II in den Liga-Alltag eingebunden. Er weiß, dass die Spiele rasanter werden: „Es geht aber weniger darum, ob du mit dem Ball noch einen Stundenkilometer schneller laufen kannst. Entscheidend ist, wie rasch du Situa­ tionen erkennst und die richtigen Lösungen findest.“ skills-lab.com

In der skills.lab Arena zählt Genauigkeit: Je exakter der Ball im Ziel rechts unten einschlägt, umso höher ist der Score. INNOVATOR

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I N N O V AT O R

STEIERMARK

Das Spermidin wird in ­einem geheimen Ver­ fahren aus Weizenkeimen gewonnen und u. a. in Kapselform angeboten.

Wenn unser Körper nicht mehr genug Kraftstoff für die Zellen produziert, hilft Spermidin in Kapselform. Ein Grazer Unternehmen leistet Pionierarbeit.

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spermidinreicher ernährt haben, bis zu fünf Jahre länger gelebt haben“, sagt Pock. Und verweist darauf, dass sich die Lebenserwartung rasant nach oben entwickeln wird. „In den vergangenen 2000 Jahren hat sich das erwartbare Alter verdoppelt, von knapp 40 auf etwa 80 Jahre, in den nächsten drei, vier Generationen wird es Richtung 100 Jahre gehen.“ Um die gewonnene Zeit auch genießen zu können, wird das Thema Longevi­t y (Langlebigkeit) immer wichtiger. Pock: „In den USA ist die Verlängerung der ‚gesunden Lebensspanne‘ absolut im Trend. Auch wir werden in dem Bereich auf vielen Ebenen weiterforschen, damit das Alter nicht zur Bedrohung wird.“ spermidinelife.com INNOVATOR

MARKUS GEISLER

Jungbrunnen

Ein Kraftpackerl für fitte Zellen – wirkt auch als Trinkkur.

TLL THE LONGEVITY LABS GMBH

GESUNDHEIT

Lange gesund leben – das ist wohl eines der größten Bestreben von uns Menschen. Um das zu schaffen, verfügt unser Körper über viele Werkzeuge. Eins davon: Er produziert Spermidin, das die Autophagie, also die Selbstreinigungskraft der Zellen, anregt. „Das Problem dabei: Ab etwa 35 Jahren wird die Produktion ­geringer“, sagt Herbert Pock, 50, Managing Director von TLL The Longevi­ty Labs GmbH aus Graz. Die Folge: weniger Power, höhere Anfälligkeit für Krankheiten. Dieses Defizit mit Nahrung oder Fasten, das einen ähnlichen Effekt auslöst, auszugleichen ist möglich, aber mühsam. Die gute Nachricht: Dem Grazer Unternehmen ist es als erstem weltweit gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, um aus Weizenkeimen natürliches Spermidin zu gewinnen. In Kapselform oder als Trinkkur angeboten, kann man auf diese Art bis zu sechs Milligramm Spermidin täglich zu sich nehmen, um die Zellen aufzumuntern. „Beobachtungen in Südtirol haben gezeigt, dass Menschen, die sich


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STEIERMARK

SPORT

Dein Leiberl misst dich fit Speed, Herzfrequenz, Atem – das Shirt QUS misst alle wichtigen Daten, die Sportelnde für optimales Training brauchen.

Der 36-Jährige kickte als Profi unter anderem für Austria Wien, Sturm Graz und den FC Pune City in Indien.

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GPS-Daten­wie gelaufene Kilometer, Höhen­meter oder Geschwindigkeit, auf der anderen Vitaldaten wie Herzfrequenz, Atemfrequenz oder Herzfrequenzvariabilität. Und das mit ­bestechender Genauigkeit. „Wir stellen die Frage: Brauchst du einfach nur Daten oder wirklich präzise Daten?“, sagt Marko Stanković, Brand Ambassador und Head of Sales von sanSirro. „Bei uns wird nichts hochgerechnet, sondern wirklich am ­Körper gemessen. Untersuchungen zeigen, dass Pulsuhren bei abrupten

MARKUS GEISLER

BRAND AMBASSADOR UND HEAD OF SALES VON SANSIRRO

Ein schöner Rücken entzückt nicht nur. Zwischen den Schulterblättern befindet sich der Chip, der die Daten bündelt.

SANSIRRO

Marko Stanković,

Am Anfang stand ein Zitat von Under-Armour-Gründer Kevin Plank: „Denkt mal darüber nach, dass ihr mehr über euer Auto als über euren­ Körper wisst.“ Stimmt eigentlich, dachte sich Hannes Steiner, 44, CEO des steirischen Textilunternehmens sanSirro. Und überlegte sich, wie man so einfach, aber auch so präzise­ wie möglich alle Daten erfassen kann, die für den sich bewegenden Menschen von Nutzen sind. Herausgekommen ist das Sportleiberl QUS, mit dem Brustgurte, Pulsuhren oder herkömmliche Lauf-Apps in Rente geschickt werden können. Der Clou dabei: In dem Shirt sind zwei Sensoren integriert, die perma­nent alles messen, was von Relevanz ist: auf der einen Seite

INNOVATOR


I N N O V AT O R „Wir fragen: Brauchst du Daten oder präzise Daten?“ Marko Stanković über den alles entscheidenden Unterschied

Das Smartphone zeigt, wie es um die persönliche Power ­bestellt ist – alle bedeutsamen Parameter werden abgebildet.

Und los! Für alle, die im Training durchstarten wollen: Der DatenDress verhilft zu neuer Dynamik.

­ ewegungen um bis zu 30 Schläge B pro Minute falsch liegen.“ Alle erfassten Daten werden in ­einem Chip gespeichert, der am ­Leiberl befestigt ist und die Werte in Echtzeit an eine App sendet. So kann man bei Bedarf schon während der Belastung abchecken, ob die Form passt oder ob nicht ein Infekt dafür sorgt, dass die Puste schneller ausgeht als sonst. Stanković, ehemaliger Profi-Kicker und Sky-Reporter, erklärt: „Herz- und Atemfrequenz ­korrelieren miteinander. Wenn die

„Eine hochwertige Technologie, die ganz normal waschbar ist.“ Marko Stanković über einen Vorteil, an dem die Konkurrenz verzweifelt INNOVATOR

Beziehungsdaten von der Norm abweichen, sieht man das auf einen Blick.“ Womit man sich falsche Belastungen oder Verletzungen spart. „QUS ist eine hochwertige Technologie, die in einem Leiberl verpackt und noch dazu ganz normal waschbar ist“, sagt Stanković. Letzteres klingt zwar banal, ist aber einer der springenden Punkte, an dem die Konkurrenz beim Versuch des Kopierens regelmäßig scheitert. Das Ende der Fahnenstange ist damit aber noch nicht erreicht. Denn die Zukunft heißt QUS-Coach, eine Technologie, bei der man mithilfe künstlicher Intelligenz Trainings­ pläne entwickelt, die punktgenau­ auf die Bedürfnisse der Sport­ treibenden abgestimmt sind. „Du gibst deinen Trainingsstatus und dein Ziel ein, wir ermitteln für dich, wie du es auf vernünftige Weise ­erreichen kannst.“ sansirro.com

Der Chip am Leiberl überträgt die gesammelten Daten in Echtzeit aufs Handy – und er sieht sogar wirklich gut aus.

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STEIERMARK

Blick nach oben: Johanna Pirker trägt eine Virtual-RealityBrille: Die Aussichten eröffnen neue Einsichten, ist sie überzeugt.

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INNOVATOR


I N N O V AT O R

GAMING

Wir spielen Leben! Als Studentin machte sie Jagd auf Fehler in Computerspielen wie „FIFA“ oder „Need for Speed“. An einer ­legendären US-Universität ­erforschte sie virtuelle Welten. Heute unter­ richtet Johanna Pirker, 33, Games Engineering an der Technischen ­Universität Graz. Die ­Mission der Gaming-­ Botschafterin: mit Spielen die Welt begreifen. Text Wolfgang Wieser Fotos Gian Paul Lozza

Outfit Peek & Cloppenburg Kärntner Straße / lena hoschek / we bandits / peng! Shop Styling Sammy Zayed / Tatendrang H&M Karla Goldoni

INNOVATOR

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STEIERMARK Sie war drei oder vier. Genau weiß Johanna Pirker das nicht mehr. Aber sie erinnert sich, dass sie weder schreiben noch lesen konnte. Dafür wusste sie, welche Kommandos sie auf dem Computer ihres Vaters tippen musste, um ihr Lieblingsspiel zu starten. Es war „Prince of Persia“, das Anfang der 1990er-Jahre dank seiner ausgefeilten Grafik Maßstäbe setzte. „Ich war immer der Prinz, niemals die Prinzessin.“

H

eute ist sie 33, spielt Keyboard in der Grazer Indie-Band Coinflip ­Cutie, lernt jedes Jahr eine neue Sportart (zuletzt Rennradfahren), mag London, die Bücher des Psych­ iaters Viktor Frankl und „Nothing Else Matters“ von Metallica. Und ja, sie spielt immer noch. Sozusagen von Berufs wegen. Dr. Johanna Pirker unterrichtet Games Engineering (Spiele-Entwicklung) an der Technischen ­Universität Graz (TUG). Aus einem ­bestimmten Grund: Sie ist davon überzeugt, dass uns Gaming zu ­besseren Menschen macht. Das klingt erst einmal über­ raschend. Johanna Pirkers Begründung ist aber einleuchtend. „Ich glaube“, sagt sie, „dass Spiele es schaffen, uns Empathie zu lehren“, also

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­ erständnis per Gefühl. „Ich sehe V die Welt durch andere Augen und kann meine Entscheidungen immer wieder überprüfen. Weil ich jede ­Situation mehrfach durchspielen kann. Und ich kann alles, was in meinem Kopf ist, anderen nicht nur zeigen, sondern für sie direkt erlebbar machen – alle meine Fantasien, alle meine Ideen.“ the red bulletin innovator: Ich hätte gedacht, wir zocken, um uns aus der realen Welt zu vertschüssen. johanna pirker: Manchmal ist das so. Aber sehr viele Studien ­zeigen uns, dass Gamer sehr wohl den Unterschied ­zwischen der ­Realität und der Nicht­­realität kennen. Das ist wie bei einem guten Film. Während der Erfahrung bin ich in dieser fiktionalen Welt. Wenn die Erfahrung vorbei ist, bin ich wieder ­draußen. Die Spiele, von ­denen ich spreche, vermitteln ebenso Erfahrungen, sie erzählen Geschichten, die mir helfen, mich selbst besser zu verstehen. Anders formuliert: In Spielen können wir uns ausprobieren, ohne die echten Konsequenzen fürchten zu müssen, können aber sehr wohl die Lehren daraus ziehen. Werden wir also in einer virtuellen Welt aufgehen – ich meine jetzt mit digitalem Frühstück, ­Guten-Morgen-Kuss und einem Lauf durch die Stadt? Dieses „Ready Player One“-Szenario, wie es Ernest Cline in seinem Weltbestseller gezeichnet hat – also die Flucht aus einer realen Trostlosigkeit in die Glückseligkeit einer virtuellen Welt: Nein, das sehe ich nicht.


I N N O V AT O R

Johanna Pirker – eine junge Wissenschaftlerin, die ganz in der Gegenwart verankert ist. Auch wenn dieses Bild ­durchaus Assoziationen an Weltraumabenteuer à la „Star Wars“ weckt.

„Ich kann alles, was in meinem Kopf ist, anderen nicht nur zeigen, sondern für sie erlebbar machen.“


STEIERMARK

Warum bauen wir uns dann diese virtuellen Welten? Ich glaube, weil es uns immer ­fas­ziniert hat, das Unbekannte zu er­forschen. Wir können in die Ver­ gangenheit reisen oder auf dem Mars herumspazieren – und dabei durch Erleben lernen.

Sie meinen, dass Sie mit Spielen Innovationen vorantreiben und real etwas verändern können. Liegt das vielleicht auch daran, dass Spiele-Entwickler gelernt haben, sich über Grenzen ­hinwegzusetzen, weil das in diesem Metier einfach ­notwendig ist? Ein schöner Gedanke. Wir haben aber natürlich auch einen sehr ­guten, direkten Zugang zu aktuel­ len Technologien. Wenn ich eine Virtual-­Reality-Brille sehe, frage ich mich: Okay, welche coolen ­spielerischen Erfahrungen könnte ich damit machen? Ich denke aber auch: Welche Lehren könnten Kunst und Kultur, Gesundheit und Industrie ­daraus ziehen?

DREI SPIELE, DIE JOHANNA PIRKER LIEBT „Gorogoa“: schöner scheitern Die Bilder unten sind vier von mehreren tausend handgezeichneten ­Illustrationen. Geschaffen hat sie Jason Roberts für „Gorogoa“ – ein zauber­haftes Puzzle, in dem ein Bub einem Monster begegnet, sich den großen Fragen des Lebens stellt und

schließlich als alter Mann darüber nachsinnt. Jason Roberts hatte „­Gorogoa“ als Graphic Novel geplant, scheiterte aber und beschloss, der Geschichte als Game neues Leben ­einzuhauchen. gorogoa.com

DONTNOD ENTERTAINMENT, GOROGOA, CAUSA CREATIONS

Ist es das, was Ihnen an Com­ puterspielen gefällt, dass sie Wel­ ten erschaffen, die auch andere ­Menschen besuchen können? Also, ich glaube, dass ich mit Com­ puterspielen wirklich einen Impact erzielen kann.

Kann auch ein Gangster-Game wie „GTA“ („Grand Theft Auto“; Anm.) unsere Welt lebenswerter machen? Was ist mit „GTA“ während der Lockdowns passiert? Für Kunst und Kultur war es eine tragische Zeit. Es hat aber auch Menschen ­ge­geben, die überlegt haben, wie sich moderne Technologien nutzen lassen – um zu performen, um sich auszudrücken. Es hat Schauspieler und Schauspielerinnen gegeben, die „GTA“ genutzt ­haben, um dort Rollen­spiele zu probieren. 28

INNOVATOR


I N N O V AT O R „Life is Strange“: in der Zeit reisen In ihrer Heimatstadt muss Maxine „Max“ Caulfield miterleben, wie ihre Freundin Chloe erschossen wird. Das dramatische Ereignis weckt Max’ Fähigkeit, die Zeit zurückzuspulen und das Leben ihrer Freundin zu retten. Doch damit ist es noch lange nicht getan. Das erfolgreiche Spiel gibt es in fünf Episoden. Am 1. Februar 2022 wurde es – remastert – erneut veröffentlicht. lifeisstrange.squareenix-games.com

„Path Out“: auf der Flucht Die Austro-Produktion ­(Causa Creations) erzählt die autobiografische Geschichte des syrischen Flüchtlings Abdullah Karam, der sich wegen des in seiner Heimat tobenden Bürgerkrieges ­aufmacht, um ein neues ­ INNOVATOR

Zuhause zu finden. Wer spielt, erfährt, was es bedeutet, auf der Flucht zu sein. Das Spiel wurde u. a. mit dem European Youth Award ausgezeichnet. causacreations.itch.io/ path-out

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ir haben also von Johanna Pirker gelernt, dass Erfahrungen, die wir im Spiel gesammelt haben, uns auch im wirklichen Leben sehr wohl weiterbringen. Oder, um es drastisch zu formulieren: Eine echte ­Explosion in einem echten Labor kann tödlich sein. In der virtuellen Welt gehen wir einfach schlauer ­zurück an den Start. „Im Game Lab Graz möchten wir aufzeigen, wie wir Spiele verwenden können, um einen Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen. Wir haben aber auch ein Virtual-­ Reality-Labor, in dem man Experimente durchführen kann, die sonst zu komplex, zu gefährlich oder zu teuer wären.“ In dem „Ma­roon“ genannten ­virtuellen Labor gibt es zwölf ­Räume, in die man sich per VR-­ Brille „beamen“ kann, um dort verschiedene physikalische Versuche vorzunehmen. Dass es Maroon heißt, ver­ danken wir dem Humor und dem Selbstbewusstsein der Grazer IT-­ Visionäre. Denn Maroon ist das Gegenstück zu „Teal“. „Teal“ wurde am MIT, also dem renommierten Massachusetts Institute of Technology, entwickelt. Dort forschte Johanna Pirker für ihre Diplomarbeit, und dort lernte sie diese Variante aktiven Lernens mit Simulationen kennen. Teal ist die englische Bezeichnung für die Farbe Blaugrün. ­Maroon steht für Kastanienbraun und ist die Komplementärfarbe zu Teal. Außerdem ist Maroon im Englischen die Bezeichnung für einsam bzw. ausgesetzt sein – „und das passt gut für eine fokussierte Er­fahrung in der virtuellen Welt“, sagt Johanna Pirker. Wenn man ihr gegenübersitzt, wirkt die Professorin eher wie eine aufgeweckte Studentin. Sie hört aufmerksam zu, unterbricht niemals, und wenn es an ihr ist,

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STEIERMARK

STEIERMARK Einmal lächeln für die Kamera: Johanna Pirker spielt nach wie vor am Computer – sie kann aber auch Gaming mit der Kamera.

zu antworten, tut sie das mit überbordender Begeisterung. Dabei schafft sie es, Antworten auf Fragen einzuflechten, die wir noch gar nicht gestellt haben. Die 33-Jährige hat sie in unseren Notizen gelesen, obwohl diese aus ihrem Blickwinkel kopfstanden. Dass sie an der Technischen Universität in ihrer Heimatstadt Graz wirkt, statt in der Gaming-Industrie als Entwicklerin Geld zu scheffeln, hat einen guten Grund. Johanna Pirker hat eine Mission, und diese Mission ist es, ihre Idee von guten Spielen von Graz aus in die Welt zu verbreiten. Deshalb ­unterrichtet sie lieber, als selbst an einem Spiel zu arbeiten. Eine Entscheidung basiert auf ­einer logischen Überlegung, und die lautet: mehr Spiele-Entwickler – mehr gute Spiele. Also solche, die uns die Augen öffnen. Wie die österreichische Produktion „Path Out“, die die Geschichte des jungen Syrers Abdullah Karam erzählt, der vor dem Krieg aus seiner Heimat flüchtete. Oder „Gorogoa“, ein ­interaktives Puzzle. Oder „Life is Strange“, in dem „alltägliche Helden mit übernatürlichen Kräften ringen“. Über dieses Augenöffnen, dieses neue Wahrnehmen, dieses Ver­ stehen per Gefühl spricht Johanna Pirker bei Talks, dafür organisiert sie seit 2016 die „Game Dev Days Graz“, die größte österreichische Konferenz für Spiele-Entwickler, und deshalb sitzt sie uns auch gegenüber. „Ich habe immer wieder verschiedene Angebote bekommen, aber ich finde es einfach extrem schön hier in Graz. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass wir ge­ rade in der Spiele-Industrie so viel erreichen können. Inzwischen ist sie größer als die Filmindustrie und die Musikindustrie zusammen. Und ich denke, wir in Österreich sollten davon ein größeres Stück abbekommen. Von der Technischen Hoch30

„Ich habe immer wieder verschiedene Job-Angebote bekommen, aber ich finde es einfach extrem schön in Graz.“ schule kommend, kann ich sagen, dass wir ein Hub sein könnten – eine Institution, die im Zentrum dieser Entwicklungen steht. Und ich freue mich, dass ich beim Aufbau helfen kann. Deshalb bin ich gerne in Graz, weil ich das Potenzial sehe und das Gefühl habe, dass wir gemeinsam etwas erreichen können.“ tugraz.at jpirker.com

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I N N O V AT O R

NEUE PERSPEKTIVEN

Die Gaming-Trends Was kommt: Spiele werden gekapert, Gaming trifft auf Theater, und dank verschiedener Baukästen wird es einfacher, selbst zum Gestalter zu werden – Johanna Pirker über die wichtigsten Trends.

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Schon im ersten Lockdown ­haben sich viele Menschen in Simulationsspielen wie „Animal Crossing“ getroffen – um dort als putzige Avatare Geburtstage oder Hochzeiten zu feiern. Das Spiel wurde a ­ lso gekapert, um den virtuellen Raum neu zu nutzen.

Man kann beobachten, dass mehr und mehr kleinere Entwicklungsstudios entstehen und dadurch auch andere, ­völlig neu gedachte Arten von Spielen geschaffen werden – was zu größeren Innovationen führen kann, sowohl technisch als auch im Design.

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Dank Virtual-Reality-Techno­ logien lassen sich die unterschiedlichsten Erfahrungen ­direkt erleben. Das ist eine ganz neue Art des Entertainments – ich bin tatsächlich mittendrin statt nur ­dabei. Die Games-­Industrie wird deshalb mit der Film­industrie oder der Theater­szene zusammenwachsen.

Sogenannte Games Engines machen es immer einfacher, Spiele selbst zu entwickeln. Stellen Sie sich diese Engines wie üppig ausgestattete ­Baukästen vor, die das Werkzeug bereithalten, neue Ideen umzusetzen – nicht nur für Games, auch in anderen Be­ reichen: in der Schule oder der Kunst. Immer mehr Menschen werden zu Produzenten.

Wir möchten im Game Lab Graz aufzeigen, wie wir Spiele und Technologien rund um Spiele verwenden können, um einen Mehrwert für die ­Gesellschaft zu schaffen. In Graz arbeiten wir an „Games with a purpose“, also an Spielen, die einem bestimmten Zweck dienen – zum Beispiel kom­plexe Situ­a­tionen zu erklären oder zum Sport zu motivieren. Spiele bieten eine völlig neue Mög­lich­keit zu lehren – das sind Empathiemaschinen. So kann ich Dinge vermitteln, die ich sonst gar nicht gut ­lehren kann.

Spiele werden zweckentfremdet

Mittendrin statt nur dabei

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Innovationen durch Indie-Games

Jeder wird zum Spiele-Erfinder

Spiele als Wunderwaffe im Unterricht

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STEIERMARK

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Gut gereift und zu Recht mit unübersehbarem Selbstbewusstsein ausgestattet: Arnold Schwarzen­ egger, wie wir ihn kennen.

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I N N O V AT O R

S E L B S T I N N O VAT O R

Die Wurzeln der Eiche Die beispiellose Erfolgsgeschichte von Arnold Schwarzenegger inspiriert Menschen auf der ganzen Welt. Ob als Bodybuilder, Filmstar oder Politiker, stets hat er Grenzen überschritten und Rekorde gebrochen. Den Kampf gegen den Klima­ wandel jedoch bezeichnet er als den „wichtigsten Kampf meines Lebens“. Porträt eines Mannes, der sich immer wieder neu erfunden hat. Text Karen Müller-Macheck

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er wissen will, wann dem Termina­ tor eigentlich das grüne Herz ein­ gepflanzt wurde, der sollte sich in die Steiermark der 1950er-Jahre versetzen: Thal, ein NeunhundertSeelen-Ort in der Nähe von Graz. Ein Försterhaus im Biedermeierstil als Zuhause. Die Buben spielen Stunden und Tage im angrenzen­ den Wald. Im Sommer geht es an den Thalersee zum Baden, im Win­ ter zum Eis­laufen. Vor dem Früh­ ling wird das Eis des Sees in Blöcke geschnitten und in die Eiskeller der Brauerei Reininghaus transportiert, wo es bis zum August für erfri­ schende Kälte sorgt. Wenn Arnold Schwarzenegger heute als prominenter Redner auf Klimakonferenzen oder anderen Veranstaltungen zum Umweltschutz spricht, wenn er Menschen moti­ viert, ihren Teil beizutragen, dann schlägt dieses steirische Herz wohl immer leise im Hintergrund. Denn die Liebe zur Natur kommt vom Er­ leben der Natur. So wachsen tiefe, lebendige Wurzeln. Und wenn ein starker, ja der stärkste Mann der Welt so eine Verbindung hat, dann ist er nicht mehr bedrohlich, son­ dern beschützend. Peter Urdl hat diese Zeit in Wald, Wiesen und Wasser der Steiermark mit Arnold Schwarzenegger als Bub 34

Bilder aus dem Arnold-SchwarzeneggerMuseum in Thal – hier besucht er um 1970 Verwandte in der Obersteiermark.

ARNOLD SCHWARZENEGGER MUSEUM

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gemeinsam erlebt. Zwanzig Jahre war er Bürgermeister von Thal, hat über Jahrzehnte stets Kontakt zu seinem Jugendfreund in den USA gehalten und in Arnies Geburtshaus sogar ein Schwarzenegger-Museum eingerichtet. Peter Urdl hat mit Arnold auch jene Kraftprotze beim Freilufttraining bestaunt, die zur Initialzündung für Mister Univer­ sum werden sollten. Urdl: „Damals war Graz ja eine Hochburg der Ge­ wichtheber, und die haben bei uns im Sommer auf der Seewiese mit ganz ­einfachen Mitteln trainiert. An den Bäumen zwei Klampfen ein­

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Ein Muskelpaket: Arnie mit einem Trainingskollegen am Thalersee (vermutlich 1966)

Der Blick, das typische Grinsen: Auf diesem Bild aus dem Jahr 1957 ist der Zehnjährige schon ganz der Arnie von später.

geschlagen, Eisenstange rein, und so haben sie Klimmzüge gemacht. Und wir, wir haben denen immer ganz begeistert zug’schaut!“ Der ehemalige Lokalpolitiker kennt nicht nur jenen Arnold, der schon mit dreizehn sagte, er wird Mister Universum, wird nach Ame­ rika gehen und als Filmschauspieler berühmt werden. Er kennt auch den, der als Lehrling mit vierzehn dem Rollstuhlfahrer von gegenüber jeden Morgen dabei half, für einen Ausflug aus dem Haus zu kommen. „Und nach der Arbeit hat er ihn dann wieder raufgetragen. Die soziale Ader, die hat er damals schon ge­ habt“, weiß Peter Urdl. Sie sollte sich später in etlichen Projekten zeigen, bei denen Schwarzenegger benach­

teiligte Bevölkerungsgruppen unter­ stützte. So etwa die „Inner-City Games“, bei denen Kinder aus armen Verhältnissen mit Nachmittags­ angeboten von Straße und Drogen ferngehalten werden sollten. Oder seine engagierte Schirmherrschaft bei den Special Olympics für Men­ schen mit geistiger Behinderung, um nur einige zu nennen. Diese „Mischung aus stark und einfühlsam“ zieht sich als roter ­Faden durch die Vita von Arnold Schwarzenegger. Gut zu erkennen ist das etwa am Verlauf seiner Schauspielkarriere. Auch wenn er zuerst als einsilbiger Bizeps vom Dienst mit „Hercules in New York“, „Conan der Barbar“, „Terminator“ oder „Predator“ bekannt wurde –

Eine Mischung aus stark und einfühlsam zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben. INNOVATOR

so richtig zum Filmstar für die ganze Familie wurde er mit jenen Filmen, in denen er auch den Rest seiner Persönlichkeit zeigte: Gefühl und Humor. Ende der 1980er-Jahre steuerte er mit den Komödien „Twins – Zwillinge“ und „Kinder­ garten Cop“ ganz gezielt eine selbst­ironische Erweiterung seines Images an. Von der knallharten Kampf­maschine zum lustigen Mus­ kelmann – ein Volltreffer. Denn da­ mit wurde er Anfang der 90er nicht nur zu einem der bestverdienenden Schauspieler Hollywoods, sondern auch zu einem der beliebtesten. Seit 1982 begleitete und doku­ mentierte der steirische Fotograf Christian Jauschowetz gemeinsam mit „Krone“-Redakteur Werner ­Kopacka Leben und Arbeit des Welt­ stars. Mit der Lizenz zum Drucken waren sie bei Filmstarts ebenso dabei wie bei Arnies Heimatbesu­ chen oder seiner Angelobung zum Gouverneur von Kalifornien. Jau­ schowetz kann damit nicht nur be­ zeugen, dass Schwarzenegger als 35


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Kann auch locker und hat kein Problem, über sich selbst zu lachen.

Wie zum Beispiel das „Eine Million Solardächer“-Programm: ein Ziel, das 2006 ausgerufen und 2019 erreicht wurde. Seiner Heimat blieb er auch in Sachen Umweltschutz verbunden, worauf auch der frühere Bürgermeister Peter Urdl hinweist. Er erinnert sich gerne daran, dass er mit dem Gouverneur häufig über Ideen und Innovationen plauderte: „Wir haben etwa hier im Ort ein Altstoffsammelzentrum gebaut, da hat er mich oft gefragt: ‚Wie macht ihr das in Österreich?‘ Das hat ihn sehr ­interessiert, und er kannte sich auch gut aus.“ Diese Verbindung Thal – Los ­Angeles war für Urdl auch einer

Das Geheimnis seines Erfolges: „Ich hatte nie einen Plan B – never ever. Arbeitet ohne Sicherheits­ netz. Setzt alles auf Plan A!“ 36

der Gründe, das SchwarzeneggerMuseum im Ort zu forcieren. „Wir wollen der Jugend zeigen: Auch wenn du in einem kleinen Ort ge­ boren bist – schau, was alles möglich ist. So weit kannst du kommen, wenn du Ideen und V ­ isionen hast!“ Ideen haben viele, nur wenige kommen damit jedoch so weit wie Superstar Schwarzenegger. Was also ist das Geheimnis seines Erfolges? Er verriet es bei einem LiveAuftritt als Gast des deutschen Motivationstrainers Jürgen Höller: „Ich hasse Plan B.“ Jeder Gedanke und jede Energie, die man in einen Plan B stecke, nehme man von Plan A weg und schwäche sich damit selbst. Arnold Schwarzen­egger: „Ich hatte nie einen Plan B – never ever. Arbeitet ohne Sicherheitsnetz. Setzt immer alles auf euren Plan A!“ Nachsatz: „Und habt keine Angst vor dem Versagen!“

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„steirische Eiche“ bei jeder Gelegenheit Werbung für sein Heimatland machte, sondern auch, dass er sich stets für das Thema Umwelt einsetzte. Aber eben auf Arnie-Art: „Für ihn ist wichtig, dass jeder für die Umwelt etwas tun kann, ohne auf viel zu verzichten. Die Leute sollen weder den Kopf in den Sand stecken noch jammern, sondern positiv denken.“ Was Schwarzenegger darunter versteht, erläuterte er beispiels­ weise im September 2021 bei einer Rede in Köln. Die Kraft des Handelns, der Einsatz neuer Techno­ logien und bewusster Konsum seien der Weg. Er selbst könne seine heiß geliebten Hummer-Geländewagen schließlich auch elektrifiziert oder mit Biosprit fahren. Apropos EMobilität: Schwarzenegger stellte der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg publikumswirksam einen Tesla 3 zur Verfügung, als sie 2019 zur UN-Klimakonferenz nach New York gesegelt war und danach für Veranstaltungen durch die USA reiste. Für emissionsfreies Fahren wirbt er, wenn’s sein muss, sogar als Göttervater Zeus mit Wallemähne und Blitzfinger. In einem amüsanten Super-Bowl-Werbespot für den neuen Elektro-SUV iX von BMW kann man Schwarzenegger derzeit mit Co-Star Salma Hayek als Göttergattin bewundern. Wegbegleiter Christian Jauschowetz verweist auch auf die grünen Aktivitäten von Arnold Schwarzenegger in seiner Zeit als Gouverneur von Kalifornien von 2003 bis 2011: „Da war er sehr dahinter, dass Umweltgesetze nachhaltig umgesetzt werden.“ Schließlich konnte der „Governator“ in ­diesem Bereich beeindruckende Erfolge verbuchen.

schwarzenegger.com

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STUDY. LOVE. STAY. Studieren in Graz. Das Leben erleben.

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STEIERMARK

Mobilität

BIRGIT BENDA

Digitalisierung

Auf die grüne Tour

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I N N O V AT O R

Umwelt

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Gesundheit

Mobilität, Gesundheit, ­Umwelt, Digitalisierung … Auf unserem Weg in eine bessere Zukunft begegnen wir Herausforderungen aus den unterschied­ lichsten ­Lebensbereichen. ­Vierundzwanzig innovative­ Lösungen auf diese Fragen fanden wir auf unserer ­Reise durch die Steiermark.

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STEIERMARK

ENERGIE

Grünen Wasserstoff tanken

e-steiermark.com

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Der Almanra: eine Designstudie zum Thema „Holz im Fahrzeugbau“ in Kooperation mit Volkswagen.

S TA R T K L A R

Holzautos – alles, nur kein Spielzeug

„Anfang des 20. Jahrhun­ derts waren Autos und Flugzeuge aus Holz“, sagt Bernadette Karner vom For­ schungsprojekt WoodC.A.R. in Weiz in der Oststeiermark. „Dann kamen Stahl und Kunststoff, und Holz wurde vergessen.“ Holz ist nicht nur ein wunderbar leichter Werkstoff, sondern auch nachhaltig. Die Projektpartner arbeiten seit 2014 daran, die unterschiedlichen ein­ heimischen Hölzer auf neue Einsatzmöglichkeiten im Fahrzeugbau und darüber hinaus zu prüfen und digital abzubilden. Unternehmen wie Volkswagen, MAN Truck & Bus sowie die Holzpioniere der Weitzer Wood Solutions

kooperieren spartenüber­ greifend mit Wissenschaft­ lern, um neue Herstellungs­ konzepte für Fahrzeuge mit holzbasierten Hybridkon­ struktionen zu entwickeln. Beim Schneemobil „Ar­ denner“ wurde ein Chassis aus Holz gebaut, was das Fahrzeug um 140 Kilogramm leichter macht im Vergleich zur stahlbasierten Variante. Auch ein holzbasierter Sei­ tenaufprallträger für eine Pkw-Tür wurde entwickelt. „Wir gehen davon aus, dass unsere ersten holzbasierten Bauteile in ein bis zwei Jah­ ren zum Einsatz kommen“, sagt Karner. woodcar.eu

INNOVATOR

HANNES KROPIK, KARIN CERNY

Stahl, ade, Kunststoff, baba! Welche Bäume mobil machen, untersuchen steirische Forscher. Und definieren In Weiz gerade die Holzklasse neu.

WOODC.A.R./VW/FH JOANNEUM, ADOBE STOCK

Zehn Millionen Euro inves­ tiert die Energie Steiermark in die ­österreichweit erste Produktions­stätte für „grünen“ Wasserstoff. Für deren Betrieb wird in ­Gabersdorf im Bezirk Leibnitz eine Photovoltaik­ anlage mit 6000 Quadratmetern ­Kollektorfläche gebaut und mit einer bereits bestehenden Biogasanlage kombiniert. Im Rahmen einer umfassen­ den Nachhaltigkeitsstrategie sollen jährlich rund 300 Tonnen grüner Wasserstoff produziert werden. Mit dieser Menge kön­ nen zum Beispiel wasserstoff­ betriebene Autos über 40 Millio­ nen Kilo­meter zurücklegen und damit bis zu 5200 Tonnen CO² pro Jahr einsparen. Mit der Wolfram Bergbau und Hütten AG gibt es bereits einen ersten Großkunden: Die Energie Steiermark hat mit dem Wolf­ ram-Produzenten aus St. Martin im Sulmtal einen Liefervertrag über 840.000 Kubikmeter Was­ serstoff (etwa 70 Tonnen) ab Oktober 2022 abgeschlossen.


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S C H I F F FA H R T

Revolution auf den Weltmeeren Die zunehmende Globalisierung und der wachsende Konsum sor‑ gen dafür, dass der Verkehr auf den Weltmeeren weiter ansteigt und die Schiffe noch größer wer‑ den. Bis 2050, so die Prognosen, wird sich der Gütertransport auf Schiffen verdreifachen und damit auch ihr Emissionsausstoß. Dabei ist eine grüne Schifffahrt mög‑ lich, wie das Grazer Forschungs‑ zentrum LEC – Large Engines Competence Center beweist. Ihre HyMethShips werden mit E‑Fuels betrieben, Wasserstoff und Methanol werden als Ersatz für Schweröl genutzt. Emissionen lassen sich so um bis zu 97 Pro‑ zent r­ eduzieren. Fazit: eine ÖkoRevolution auf den Weltmeeren. lec.at

Ein Containerschiff pflügt schwer ­beladen durchs Meer. Künftig könnten Lastenträger ­emissionsfrei die Welt umqueren.


STEIERMARK

Made in Graz: Ein Auto, das Geschichte geschrieben hat – der I-Pace erobert die Welt.

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Der I-Pace hat im ersten Jahr nach seiner Einführung 54 internationale Preise gewonnen. Er steht für die Eroberung der Premiumklasse durch E-Autos.

INNOVATOR

GERALD ENZINGER

Der Jaguar aus der Steiermark

Boxenstopp bei Redwave. Mit dem Jaguar I-Pace aus Graz haben wir innovative Menschen besucht.

PHILIPP HORAK

ZUKUNFTSREICH

Der Weg ist das Ziel. Vor allem bei deiner Rundfahrt durch die Grüne Mark, wie man traditionell sagt – oder durch das Green Tech Valley, wie man immer ­öfter hört. Denn auf dieser „Tour de Future“, die durch die verschiedensten Orte der Steiermark führt und zu innovativen Menschen, die auf Nachhaltigkeit und Zukunftstechnologie setzen, bekommt man ein wahrhaft gutes Gefühl. Eine Hoffnung, genährt durch tatkräftige Denker und Umsetzer, die das Wort „Problem“ nie allein stehen lassen, sondern im selben Satz noch Begriffe wie „Hoffnung“ oder „Lösung“ dazupacken,


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Der Jaguar I-Pace wurde 2019 zu Europas Auto des Jahres gewählt.

Da erfreut das Fahren: Reporter Gerald Enzinger bereiste mit dem I-Pace die Steiermark.

Jaguar war Europas erste ­PremiumMarke mit Vollelektrifizierung bei den Autos. Dann erst zog die Konkurrenz aus Deutschland und Co nach.

Freie Fahrt. Das Autoland Steiermark ist in der Forschung zum Thema Mobilität ganz vorn dabei.

INNOVATOR

und das aus tiefster Über­ zeugung. Es gibt auch das perfekte Auto, um diese Region der Denker und Lenker zu berei­ sen – ein Auto, das zugleich Symbol für das Auto-Land Steiermark ist wie auch für das Green Tech Valley, weil es zeigt, dass sich diese beiden Position­en nicht aus­ schließen, sondern bestens ergänzen. Die Rede ist vom Jaguar I‑Pace, einem Auto, das Ge­ schichte geschrieben hat. ­Europas Auto des Jahres 2019 hat allein im ersten Jahr nach seiner Einführung 54 internationale Preise ge­ wonnen und steht wie kein anderes Fahrzeug aus Europa für die Eroberung der Premi­ umklasse mit Elektroantrieb, ein Auto, das schon bei sei­ ner Entwicklung für eine Zu­ kunftstechnologie stand. Die Marke Jaguar und die Steiermark haben ja gewisse Parallelen – beide stehen für die Farbe Grün, für schöne Formen, Tradition und Tech­ nologie. Der I-Pace ist das erste in Großserie produzier­ te Elektroauto Österreichs. Und es ist das erste, mit dem Jaguar die Wahl zum „Auto des Jahres“ gewinnen konnte – wobei 60 Motorjournalisten aus 23 Nationen ihr Votum abgaben. Klar, dass diese Dienst­ reise im Heimatrevier in und rund um Graz erst recht Spaß macht – mit einem Auto, das keinen Lärm macht, in vielen Bereichen aber schon un­ erhört gut ist. Der Jaguar I-Pace EV 320 hat eine eigenen ÖsterreichAusgabe, die besonders auf die Bedürfnisse des öster­ reichischen Marktes und

Hergestellt wird der elektrische Jaguar bei Magna in Graz, mehr als 2000 Jobs wurden dadurch geschaffen.

auf die gesetzlichen Förder­ bedingungen abgestimmt ist. Sportliche 320 PS aus einer Batterie mit 90 kWh Speicher­kapazität, was laut WLTP-Messung bei idealen Bedingungen bis zu 470 Kilo­ meter Reichweite verspricht. Felix Wannemacher, der Managing Director von Jaguar Land Rover in Österreich, rechnet damit, dass sich mit dem I‑Pace die Absatzzahlen im „Heimatland“ des Autos verdoppeln werden. Hergestellt wird der Wa­ gen bei Magna Steyr in Graz, mehr als 2000 Arbeitsplätze in der Region wurden da­ durch geschaffen. Die Auto­ produktion hat hier große Tradition – auch andere Her­ steller lassen seit Jahrzehnten dort bauen, der I-Pace gilt als besonders innovativ, ja als „seiner Zeit voraus“. Eine kluge Gewichts­verteilung sorgt in dem AluminiumAuto dafür, dass der 2,2 Ton­ nen schwere Jaguar auch in Kurven eine gute Figur macht, die Fahr­dynamik beeindruckt – und vor allem Zwischensprints beim Über­ holen machen hier richtig Spaß und sind sicher. Ebenso sicher ist es, dass die Steiermark auch in den nächsten Fahrzeuggenera­ tionen Jahren die Begriffe „Auto“ und „Nachhaltigkeit“ perfekt kombinieren wird. jaguar.at

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STEIERMARK

STEIERMARK

I N N O V AT O R

Sensorgestützte Sortiermaschine zur effizienten ­Wiedergewinnung von Wertstoffen in der Recycling­ industrie KLANGERLEBNIS

Konzertsaal für daheim Was sich im Proberaum gut anhört, klingt auf der Bühne oft ganz anders. Das stellt ­Musikerinnen vor eine echte Aufgabe. Matthias Frank von der Kunstuniversität Graz hat deshalb den Augmented ­Practice Room entwickelt. Ein virtueller Raum, der die Akustik von Kammermusikraum, Konzertsaal und Kathedrale simuliert und für die unterschiedlichen Bedingungen sensibilisiert. So können sich Künstlerinnen künftig besser auf ihren großen Auftritt einstellen. Und ihre I­ nstrumente gleich mit.

Xeperibus aut ped magnia sincill autessi tecerit, sin et il ipicienis re et vendiciuscim que poremquis mo et

kug.ac.at

VORSORGE

Gefahr früh ­erkennen

Digitalisierung und Forschung machen Redwave zu einem Big Player am Weg zum Ziel „Zero Waste“.

SABRINA LUTTENBERGER, KARIN CERNY

Soll ich, soll ich nicht? Wer veränderte Muttermale an sich beobachtet, steht immer wieder vor der Frage, ob ein Arztbesuch vonnöten ist. Schließlich liegt das Risiko, einmal im Leben an Hautkrebs zu erkranken, bei 20 Prozent. Abhilfe schafft der SkinScreener von medaia. Das verdächtige Muttermal wird mit dem Smartphone fotografiert, die App gibt Auskunft über das ­Gefahrenpotenzial. Denn bei einer Frage gibt es keine zwei Meinungen: Je früher Hautkrebs erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. skinscreener.com

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I N N O V AT O R

Silvia SchweigerFuchs setzt auf Kreislaufwirtschaft und macht mit ihren Mitarbeitern die Welt ein bisschen sauberer.

ROHSTOFFRETTUNG

Redwave räumt die Welt auf Ein Familienunternehmen aus Eggersdorf ist Weltmarktführer beim Recycling.

PHILIPP HORAK

GERALD ENZINGER

Einen Beruf zu haben, der die Welt jeden Tag ein bisschen sauberer und schöner macht, gibt Silvia SchweigerFuchs Kraft. Einer Frau, die zugleich in sich ruht und dabei doch ständig in Bewegung ist, gern Wörter wie „Wir“ betont und voller Visionen ist. Sie ist Geschäftsführerin von Redwave, einem Unternehmen, in dem „Verantwortung“ in Schrift­stücken in der Regel in Großbuchstaben geschrieben wird. Das Familienunternehmen aus Eggersdorf bei Graz ist mit seinen Innovationen

INNOVATOR

Weltmarktführer im Bereich von Lösungen in der Recycling- und Mining-Industrie. Die Bandbreite reicht von der Glasaufbereitung (etwa in Australien oder Italien) bis hin zum Metallrecycling. In Bereich Metall entwickelte Redwave eine Technologie mit der weltweit erstmals Materialien wiedergewonnen werden können, die mit herkömmlichen An­lagen nicht identifiziert und somit auch nicht sortiert werden konnten. Die RöntgenfluoreszenzTechnologie Redwave XRF ist das derzeit fortschritt-

lichste Nichteisen-Sortierverfahren. Damit können Metalle und Metalllegierun­ gen identifiziert, sortiert und wieder dem Kreislauf zugeführt werden. All das macht Redwave zu einem „Big Player“ am Weg zum Ziel „Zero Waste“. Wofür Redwave mit dem renommierten Energy Globe Award ausgezeichnet wurde. Doch für Silvia Schweiger-­ Fuchs geht es um mehr als um Auszeichnungen, es geht ihr um die Fülle von Ideen, die in ihrem Haus entwickelt werden. Gelebte Ethik („Wie ich sie zu Hause mitbekommen habe“) ist ihr ebenso ein Anliegen wie ganzheitliches Denken hin zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Ihr Traum, ihr Ziel: „Man könnte so vieles vom Abfall, der derzeit weltweit leider einfach verbrannt oder verbuddelt wird, wiederverwenden. Diese Ressourcen müssen wir besser nutzen.“ Ihr stets umsichtiger Blick ist nach vorn gerichtet. Und sie zitiert Marie von Ebner-Eschenbach: „Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht.“ Sie und ihre Mit­arbeiter gestalten diese mit, indem sie der ­Rohstoffknappheit durch Rohstoffrettung begegnen. redwave.com

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STEIERMARK

P R O B E FA H R T

Halbe Autos für ganze Tests Bild mit Symbolkraft: Maschinen analysieren im Eiltempo.

GESUNDHEIT

Künstliche Intelligenz bekämpft Krebs

Es gibt Krebsarten, die lange unentdeckt bleiben. Das senkt die Heilungschancen­ von Patientinnen. Ein ge­ meinsames Forschungs­ projekt der Medizinischen Universität Graz und Google könnte das nun ändern. Bisher mussten Menschen den Computer erst lehren, an welchen Merkmalen er Erkrankungen auf Bildern erkennt. Jetzt lernt er es von selbst – eine Revolution in der Diagnostik. 44.000 histologische Schnitte – sehr dünne Ge­ webeschichten, die sich unter dem Mikroskop analysieren lassen – wurden mit einer

völlig neuen Scantechno­ logie digitalisiert. In diesen Bildinformatio­ nen suchte der Computer nach Merkmalen, die den Forschern bisher unbekannt waren. Und siehe da: Durch den neuen Einsatz künst­ licher Intelligenz ist es der Med Uni Graz tatsächlich gelungen, ein bis dato un­ bekanntes Merkmal von ­Tumorzellen zu finden. So lässt sich Krebs gerade bei Risikopatienten früher erkennen. Das verbessert die Behandlungsmöglichkeiten und erhöht natürlich die Überlebenschancen. medunigraz.at

avl.com

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KARIN CERNY, MARKUS GEISLER

Gemeinsam mit Google hat die Medizinische Universität Graz ein revolutionäres Verfahren für die bessere Erkennung von Krebs entwickelt.

ADOBE STOCK

Das Grazer Unternehmen AVL List schickt Autos auf Probefahrten, die noch gar nicht fertig sind. Ein Mix aus echt und virtuell macht’s möglich. Ein neues Auto zu entwickeln dauert lange. Bis der erste Prototyp fertig ist, können drei Jahre vergehen. Ein Albtraum, wenn bei der ersten Probefahrt nicht alles nach Plan läuft – und das Auto wieder mühsam auseinandergeschraubt werden muss, um Fehler auszubessern. „Es muss nicht das gesamte Fahrzeug fertig sein, um es auszuprobieren“, sagt Wolfgang Puntigam, Global Business Unit Manager bei AVL List. „Wie bei einem Lego-Spiel stecken wir das Auto zusammen. Manche Teile sind echt, andere kommen virtuell dazu.“ Da ist zwar ein Cockpit, aber keine Karosserie. Ein Motor, aber keine Batterie. Was fehlt, wird virtuell zugespielt. Der Fahrer nimmt in dem halbfertigen Auto Platz, setzt eine VR-Brille auf, und hat das Gefühl, in einem kompletten Fahrzeug zu sitzen: „Wie in einem Videospiel können wir unterschiedliche Software erproben. Müssten wir immer zuerst die Hardware verändern, wäre das viel teurer.“


I N N O V AT O R

„Wir erforschen, wie wir die Systeme der Zukunft sicherer gestalten können.“

NETZSCHUTZ

Herr Professor, wem kann ich vertrauen? Geht es um Cybersecurity, also um Sicherheit in unseren digitalen Netzwerken, ist die Technische Universität Graz ganz vorn dabei.

the red bulletin inno­vator: ­Cybersecurity ist ein sehr wichtiges Thema an der TU Graz – warum? stefan mangard: Weil Cybersecurity die Grund­ voraussetzung für das Funk­ tionieren einer vernetzten Gesellschaft ist. Die Basis von Cybersecurity ist Vertraulich­ keit, Verfügbarkeit und Inte­ grität. Wie kann ich sicher sein, dass die Daten, die ich angezeigt bekomme, wirklich vertrauenswürdig sind?

HELMUTLUNGHAMMER

HANNES KROPIK

Die Technische Universität Graz zählt beim Thema ­Cybersecurity weltweit zu den Vorreitern. Wir haben auf diesem Ge­ biet in der Steiermark schon vor 30 Jahren zu forschen begonnen. Unser Wissen ist sukzessive, Schritt für Schritt, gewachsen, weil wir uns im­ mer wieder auf neue Spezial­ gebiete fokussiert haben.

INNOVATOR

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. STEFAN MANGARD, 44, arbeitet und forscht seit 2013 an der TU Graz. Seit 2019 leitet der gebürtige Vorarlberger das Institut für Angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie (IAIK). iaik.tugraz.at

Sie haben 2018 Aufsehen erregt, weil Sie mit Ihrem Team – in einer internationalen Kooperation – zwei große Sicherheitslücken bei Mikroprozessoren aufgedeckt haben. Im konkreten Fall von Melt­down/Spectre (einer Hardware-Sicherheitslücke in Mikroprozessoren; Anm.) konnten wir aufzeigen, dass Prozessoren durch Beschleu­ nigungstechnologien ihre Aufgabe, verschiedene Pro­ grammteile voneinander zu isolieren, nicht mehr sauber erfüllen konnten. Das war ein jahrelanges Forschungs­ feld – aber es musste sich auch unsere Technik erst weiterentwickeln, bis wir diesen Coup landen konnten. Wie reagieren Tech-Konzerne, wenn man sie auf Fehler hinweist? Früher wurden Probleme gerne totgeschwiegen. Mitt­ lerweile gehen sie sehr ver­ nünftig mit dem Thema „res­ ponsible disclosure“ um, also „verantwortungsvoller Offen­ legung“. Wir analysieren die Sicherheit aktueller Systeme und arbeiten gleichzeitig in Projekten mit Firmen wie Google, Amazon und Intel,

um zu erforschen, wie wir die Systeme der Zukunft sicherer gestalten können. Sie laden uns ein, in ihren Systemen nach Sicherheitslücken zu suchen, und sponsern im ­Gegenzug Forschungen an der TU Graz. Was habe ich als Laie von Ihren Innovationen? Meine ultimative Vision ist, dass Sie sich mit dem Thema Sicherheit überhaupt nicht mehr beschäftigen müssen. Wenn wir unsere Arbeit richtig machen, bekommen Sie irgendwann keine War­ nungen mehr vor PhishingMails oder Aufforderungen, umgehend eine neue Version von irgendeiner Software zu installieren. Viele SoftwareUpdates Ihres Handys oder Ihres Computers bedeuten nur, dass wieder Sicher­ heitslücken entdeckt und geschlossen wurden. Sie haben die Digitalisierung angesprochen. Welche Gefahren lauern seitens des Internet of Things? Gibt meine Waschmaschine­ unerlaubt Daten über den Inhalt meines Kühlschranks weiter? Wenn Ihre Geräte zu Hause vernetzt sind, sollte niemand unbefugt eindringen und Ihren privaten Datenbestand absaugen können. Auch wenn diese Daten zu einem wertvollen Gut geworden sind – paranoid müssen wir nicht werden. 47


STEIERMARK

K O M M U N I K AT I O N

Steirer-Technik macht unsere Handys mobil Ohne steirisches Know-how könnten Sie Ihr Smartphone nicht benützen. Acht der zehn weltweit größten Produzenten vertrauen auf Komponenten von AT & S.

Über Geld und Erfolg spricht man nicht. Doch es gilt als offenes Geheimnis in der milliardenschweren Hightech-Branche, dass praktisch in allen modernen Geräten Leiterplatten aus dem Hause AT & S stecken. Diese hauchdünnen Leiterplatten gelten als das 48

Nervensystem digitaler Technologien – egal ob im Mobiltelefon, im Auto und im Flugzeug oder in medizinischen Geräten. Auf ihnen werden Mikrochips und andere elektronische Bauteile angebracht. Da der Trend zu immer kleineren, aber gleichzeitig leistungsstärkeren Geräten anhält, spielt die stetige Verbesserung der Leiterplatten eine entscheidende Rolle am Weg in die Zukunft. AT & S, kurz für Austria Technologie & Systemtechnik, wurde 1987 in Leoben gegründet und beschäftigt heute mehr als 13.000 Mit­ arbeiter, davon fast 2000 in der Steiermark. Um als Vorzeige-Zulieferer auch weiterhin den notwendigen Vorsprung gegenüber

Wesentlicher Erfolgsfaktor für AT & S in Leoben ist die Qualitätskontrolle der hochmodernen Leiterplatten.

Mitbewerbern zu haben, investiert die AT & S Gruppe nun bis 2025 in Leoben 500 Millionen Euro unter anderem in ein neues Research & Development Center – und schafft damit 700 neue Arbeitsplätze. AT & S forscht und arbeitet diskret, Namen prominenter Kunden werden offiziell nicht genannt. Dass acht der zehn Produzenten von Smart­ phones auf Komponenten aus der Steiermark – und einem der eigenen Leiterplattenwerke in China, Indien oder Süd­korea – vertrauen, wird

Leiterplatten gelten als das Nerven­ system digitaler Technologien – egal ob am Handy, im Auto und in der Luftfahrt oder in medizinischen Geräten. INNOVATOR


I N N O V AT O R

AT&S, 4ACTIVESYSTEMS

HANNES KROPIK

High-End-Leiterplatten und IC-Substrate von AT & S erfüllen die höchsten Qualitätsanforderungen.

jedoch nicht bestritten. Und surft man ein bisschen im Internet – was auch nur dank AT & S-Leiterplatten funktioniert –, findet man recht schnell Hinweise, etwa auf eine Kooperation mit Apple bei dessen schicken iPhones. Doch nicht nur Handys, sondern auch die zur Datenübertragung notwendige Infrastruktur benötigt Leiterplatten. Und die liefert AT & S – als Technologieführer – zum Beispiel für die Funkzellen, aus denen das moderne 5GNetz gewoben wird. Bei AT & S ist der Blick längst auf die Zukunft gerichtet. Während das 5G-Netz in Österreich im Jahr 2025 flächendeckend verfügbar sein soll, stellt man sich in Leoben längst die Frage: Was kommt danach? Die Antwort, so Erich Schlaffer, bei AT & S Projektleiter und Programmmanager für den Bereich Hochfrequenz und High Speed, könnte „Waveguides“ heißen: „Das sind hohle Metallstrukturen, die elektro­ magnetische Signale praktisch ohne Verluste leiten. AT & S kann Waveguides für die Datenübertragung mit sehr hohen Frequenzen direkt in Leiterplatten inte­ grieren.“ ats.net

INNOVATOR

Ein Motorradfahrer, der zu Testzwecken gerammt werden darf: Entwickelt wurde er bei 4a. VERKEHR

Schlaue Dummies für sichere Autozukunft Aus Schaden wird man klug – bei 4a in Traboch nimmt man das wörtlich und hat eine Technologie entwickelt, um aus Unfällen zu lernen. In der 1400-Einwohner-­ Gemeinde Traboch herrscht ­Pioniergeist. Im Jahr 2002 vom Kunststofftechniker Reinhard Hafellner gegründet, ­einem Absolventen der Montanuniversität Leoben, sorgt die 4a‑Gruppe am Luftfahrtsektor ebenso für internationale Nachfrage wie mit hauchdünnen Membranen für Handy-Lautsprecher. Die Abteilung 4active-­ Systems nutzt eine 500 Meter lange Teststrecke auf dem 4,5 Hekt­ar großen Firmengelände, um bei optimalen Crash-Bedingungen die Technik für autonome Fahrsysteme zu verfeinern. Dafür werden nicht nur Hindernisse wie Rehe und

Hirsche im Labor entwickelt, sondern auch künstliche Fußgänger, Rad- und Motorradfahrer – und die eigenen Unfallautos. „Diese Targets, wie wir sie nennen, sind aus Kunststoff und intelligenten Textilien aufgebaut, werden elektronisch gesteuert und sind mehrfach einsetzbar“, sagt Steffen Stelzer, Head of New Technologies. Wer die Auftraggeber sind, ist wohlgehütetes Firmen­ geheimnis. So viel verrät CEO Hafellner jedoch: „Alle namhaften Hersteller kaufen ­unsere Produkte. Auch die aus Kalifornien.“ 4a.at

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STEIERMARK

TEMPOMACHER

Glasfaser für die Welt Mittels Glasfaser werden Daten optisch übertragen, und das Internet wird damit schneller. Weltweit führender Anbieter von Glasfaser-Produktionssystemen ist Rosendahl ­Nextrom, eine Tochterfirma der steirischen Knill Gruppe. Das 1712 gegründete Familien­ unternehmen aus Weiz wird in 12. Generation von den Brüdern Christian und Georg Knill geführt. Und zwar traditionell ohne Hast: „Wir denken und handeln in Generationen und stellen langfristige Zukunfts­ sicherung vor kurzfristige ­Ergebnismaximierung.“ knillgruppe.com

Die Reha-Geräte von Tyromotion bewegen die Extremitäten, damit das Gehirn seine Funktion wiederherstellt.

HEILKRAFT

Zur Therapie beim Robodoc Dank der Roboter von Tyromotion aus Graz können Schlaganfallpatienten ihren Alltag wieder meistern – und haben sogar Spaß dabei.

Auch kleine Wunden können große Folgen haben. Und zwar dann, wenn sich eine bakterielle Infektion einschleicht, die die Heilung behindert und Komplikationen verursacht. Mit freiem Auge nicht erkennbar, mit dem Schnelltest von Qualizyme allerdings verlässlich innerhalb von 20 Minuten nachweisbar. Wundsekret wird auf einen Testreifen gestrichen, die Farbe zeigt an, ob Gefahr im Verzug ist. Wertvoller Nebeneffekt: Die prophylaktische Verabreichung von Antibiotika wird massiv verringert. qualizyme.com

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HANNES KROPIK, MARKUS GEISLER

Schnelle Diagnose

Bei Letzterer gibt es eine ­Reihe an Vorteilen: Es sind mehr Wieder­holungen mög­ lich, und das Spektrum an Übungen wird vergrößert. So kann man den Patien­ ten mittels Computerspielen oder in Virtual-Reality-Wel­ ten Aufgaben stellen, die sie meistern sollen. Schaffen sie diese nicht, werden sie von Robotern unterstützt. „Da­ durch kann man langweilige und teilweise sehr anstren­ gende Tätigkeiten sinnvoll ersetzen“, sagt Kollreider. tyromotion.com

MATHIAS KNIEPEISS

SELBSTTEST

Ein Glas Wasser trinken, am Lautstärkeregler drehen, Zähne putzen – nach einem Schlaganfall besteht die größte Herausforderung darin, kleine Alltagsdinge wieder zu bewältigen. Dazu bedarf es geduldiger Übung, eiserner Disziplin und therapeutischer Hilfe. All diese Komponenten zu op­ timieren ist die Mission von Tyromotion. „Mit externer Stimulation, also von außen geführten Bewegungen der Extremitäten, wird das Ge­ hirn angeregt, die verloren­ gegangenen Funktionen wiederherzustellen“, erklärt Alexander Kollreider, CoFounder und CEO des knapp 100-köpfigen Unternehmens. Das kann ein Therapeut ma­ chen – oder eine Maschine.

INNOVATOR


I N N O V AT O R

Ein Lastzug unterwegs: Sensoren schlagen Alarm, wenn die Räder heiß laufen.

SELBSTHILFE

„Hier spricht dein Zug, ich muss zur Reparatur“ Smarte Technologie sorgt dafür, dass Lok und Waggon selbst erkennen, wenn etwas nicht mehr funktioniert – und rechtzeitig Alarm schlagen.

SIEMENS, SBBC CARGO, MOMOOD

KARIN CERNY

Jeder ist genervt, wenn ein Zug ausfällt. Dabei wären viele Betriebsstörungen vermeidbar, würden Reparaturen erledigt, ­bevor etwas kaputtgeht. Damit es erst gar nicht zu Pannen kommt, „denkt“ die Bahn der Zukunft mit. Siemens Mobility, mit Werk in Graz, erzeugt intelligente Fahrwerke, die selbständig erkennen, wann sie einen Stopp einlegen müssen. „Am Zug sind Sensoren angebracht. Sie messen die

INNOVATOR

Temperatur des Rades oder die Vibration. So werden Unregelmäßigkeiten frühzeitig erkannt“, sagt Michael Braun, Siemens-Konzernsprecher. „Ein Diagnosesystem rechnet hoch, wann es zu einem Ausfall kommen würde.“ So weiß man immer, wie es dem Zug gerade geht. Und kann kaputte Komponenten rechtzeitig austauschen. „Die Bahn wird dadurch nicht nur pünktlicher und verlässlicher, man braucht auch weniger Züge in Reserve“, sagt Braun. Aber auch der Güterverkehr soll moderner werden. Sobald ein Waggon 24 Stunden steht, müssen die Bremsen kontrolliert werden. Bisher mussten Arbeiter den Zug überprüfen und die Bremsen abklopfen. Zwei Mitarbeiter brauchen für einen 500 Meter langen Güter­zug 40 Minuten. „Das ist ergonomisch un­ gesund und nicht effizient“, sagt Günter Petschnig, Geschäftsführer von PJM, einem Grazer Spezialisten für Systemlösungen im Schienen­ güterverkehr. Ihr Waggon­ Tracker-System übernimmt das in Zukunft vollautomatisch. Der Lokführer ­bekommt die Daten auf ein Tablet gespielt.

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Das WaggonTracker-System schickt Daten direkt aufs Tablet. 2

Die Zugbremsen werden mit neuester Technik vollautomatisch überprüft.

mobility-siemens.com, pjm.co.at

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STEIERMARK

STEIERMARK

REAKTIONSSCHNELL

Dein Auto fühlt mit dir „Dein Puls ist erhöht. Möchtest du eine Pause einlegen?“ Autos wissen, wie es ihren Fahrern geht. Sie registrieren Stress oder Erschöpfung oft, schon ­bevor ihn der Mensch mitbe­ kommt – und zwar über smarte Oberflächen. In Sitzen oder Ar­ maturen integrierte Sensoren sind in der Lage, auf Berührung, Druck oder Dehnung zu reagie­ ren. Sie funktionieren wie eine „intelligente Haut“. Entwickelt wurde Smart@Surface, von ­Materials, dem Institut für Ober­ flächentechnologien und Photo­ nik der Joanneum Research. joanneum.at/materials

I N N O VAT I O N S M O T O R

Formel Zukunft startet am Red Bull Ring Alarm im Testtunnel Wer sich das Zentrum am Berg genauer anschaut, bekommt ­einen Tunnelblick. Das geht auch gar nicht anders. Denn was die Montanuniversität Leoben am Erzberg geschaffen hat, ist ein europaweit einzigartiges Forschungszentrum. Fünf Tun­ nelanlagen mit einer Gesamt­ länge von etwa vier Kilometern ermöglichen Tests unter realen Bedingungen. Das schätzen auch Einsatzorganisationen wie Feuerwehren, für die das Zen­ trum am Berg Ausbildungs- und Trainingsmöglichkeiten bietet. Da stehen dann schon einmal Autos in Flammen, die zu Lehr­ zwecken gelöscht werden. zab.at

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Formel-1-Boliden mit rund 1000 PS, bis zu 362 km/h schnelle MotoGP-Motorräder, die besten Piloten beider Welten im Zentimeter-Duell. Bis zu 210.000 Zuschauer an einem Rennwochen­ende am Red Bull Ring – und bis zu 108,7 Millionen (!) ­Zuseher in aller Welt, die via TV-Schirm die Formel 1 bestaunen. Keine Sportserie ist international so populär. Einen besonderen Platz nimmt dabei ein wunderschöner Hang in der Obersteiermark ein: der Red Bull Ring. Hier wurde 2020 Sport­geschichte

geschrieben: Nach monatelangem globalen PandemieStillstand fanden hier im Juli die ersten beiden Sportereignisse auf interna­tionalem Top-Level statt – der Grand Prix von Österreich und jener der Steiermark. Es war ein Türöffner, der zeigte, wie man Großveranstaltungen in solchen Zeiten organisieren kann. Und ein weiterer Meilenstein der einzigen Rennstrecke, die die drei großen Serien Formel 1, MotoGP und DTM in einer Saison zu Gast hat – eine Vielseitigkeit, die auch den

INNOVATOR

GETTY IMAGES/RED BULL CONTENT POOL, RED BULL RING

G E FA H R E N C H E C K

Eine Rennstrecke mit schillernder Vergangenheit, kraftvoller Präsenz und Ideen für die Zukunft: Wie der Red Bull Ring die Steiermark verändert und die Welt staunen lässt.


I N N O V AT O R

I N N O V AT O R Farblich unverkenn­ bar: Max-Verstappen-­ Fans in Jubellaune

Wird begeistert angefeuert: Max Verstappen auf dem Red Bull Ring

KARIN CERNY, GERALD ENZINGER

Erich Wolf, früher einer der besten Kunstflug-Piloten Europas, setzt als Geschäftsführer des Red Bull Rings auf Nachhaltigkeit.

Geschäftsführer des Red Bull Ring zeit seines Berufslebens stets ausgezeichnet hat: Erich Wolf war Kunstflug-­ Europameister und ein Meister in den verschiedensten fliegenden Objekten. Auf ­festem Boden aber war es seit jeher diese Rennstrecke vis-à-vis dem Flughafen ­Zeltweg gewesen, die ihn magisch anzog. „Im Zuge meiner Aus­ bildung zum Militärpiloten habe ich hier als Strecken­ posten gearbeitet und die Renn­fahrer bewundert.“ ­Jochen Rindt und Niki Lauda wurden hier zu Helden der Nation. Mit Lauda hatte er später – von Pilot zu Pilot – immer wieder zu tun. Der Red Bull Ring, wie die modernste Rennstrecke der Welt nun heißt, ist zum Motor einer boomenden Region geworden, von Murau bis in die Landeshauptstadt Graz profitieren Menschen und

12.000 Sensoren sorgen für eine maximale Energieeffizienz.

INNOVATOR

Betriebe. Trotz seiner großen Geschichte hat der Red Bull Ring es geschafft, dass man hier heute vor allem für „Zukunft“ steht und sich als Hightech-Labor präsentiert. Denn der Motorsport hat die Zeichen der Zeit erkannt und fungiert als Forschungszentrum für die Automobil­ industrie: neue Antriebe, nachhaltige Treibstoffe. Nirgendwo sonst kann und muss man unter derart „verdichteten Bedingungen“ Fahrzeuge und Motoren entwickeln. Das Hightech, das für die Rennautos gilt, ist auch auf der Anlage selbst Standard. 12.000 Sensoren am Ring, aber auch in den Hotels oder am Gestüt und in allen Häusern, die zum Projekt Spielberg gehören, sorgen mit ­modernster Software für ­maximale Energie-Effizienz. Die Sensoren speichern Mil­ lionen von Informationen (etwa über den Temperaturverlauf oder die Auslastung von Räumen) und ermög­ lichen so, dass die Beheizung

immer auf die Bedürfnisse abgestimmt ist. Das Thema Sicherheit hat am Red Bull Ring ebenfalls Vorfahrt – klar, das sind zum einen die höchsten Auflagen, die man als Formel-1-Rennstrecke erfüllen muss, zum anderen will man auch den Kunden, die die Rennstrecke unter der Woche für Fahr­ erlebnisse nutzen, maximale Sicherheit bieten. Dazu zählt die neue Race Control. Wolf: „Dafür sind 21 Monitore verbaut. Aber entscheidender ist, dass auf der Rennstrecke 34 Kameras verteilt wurden, die einen 360-Grad-Schwenkbereich haben und einzeln bedient werden können. So kann man jede Szene analysieren.“ Das schnelle Erfassen von Situationen und die richtige Reaktion darauf, das alles lehrt der Motorsport. Und das Labor am Spielberg zeigt wie man Green Tech und Auto­mobilcluster auf perfekte Weise zueinanderführt. redbullring.com

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I N N O V AT O R

STEIERMARK

B L AT T B AT T E R I E

Seerose als Vorbild

KLASSIKER

Steirer von Welt

Geländegängig wie sein Urahn: ein MercedesBenz G-Klasse unterwegs im Wald.

„Die Natur versteht seit Jahr­ millionen, produktiv mit Her­ ausforderungen umzugehen“, sagt Joachim Vetter, CEO von SinusPro, einem Grazer Unter­ nehmen, das sich auf die Ent­ wicklung von innovativen Bau­ teilen spezialisiert hat. Bionik nennt sich die Technologie, die sich Anregungen im Pflanzenund Tierreich holt. Aktuell wird eine Batterie entwickelt, die der Unterseite des Seerosenblattes der riesigen Victoria amazonica nachempfunden ist. In den Blät­ tern sind Hohlräume, dadurch entsteht Auftrieb. Auf E-Autos umgelegt, entspräche das ei­ nem enorm leichten, aber trotz­ dem stabilen Akku. Und in den Kanälen liefe Kühlflüssigkeit. sinuspro.at

Wen kennt jedermann abseits befestigter Straßen? Genau, den G. Dieser Buchstabe steht für Gelände. Einst beim Puch G, heute bei der Mercedes-Benz G-Klasse. Was kommt denn da den Weg herunter? Es sieht ­einem Puch G verdammt ähnlich, ist aber eine MercedesBenz G-Klasse mit V8-Benzinmotor, 422 PS und 9‑StufenAuto­matikgetriebe statt des rustikalen Vierganggetriebes wie beim Urahn (und das ist der Puch). Im Puch G aus dem Jahr 1980, ergibt ein Paralleltest, fühlt sich die Umgebung sehr unmittelbar an. Man merkt dem Ursteirer, entwickelt einst von Steyr-Daimler-Puch in Graz, an, was einst im Lastenheft stand: Geländetauglichkeit, Robustheit, Zugkraft. Das gilt auch für die moderne Mercedes-Benz G‑Klasse – nur nicht ganz so direkt. Wären da nicht die ikonischen Blinker auf den 54

vorderen Kotflügeln und die steile, flache Frontscheibe, man würde die enge Verwandtschaft nicht unbedingt spüren. Digital­ cockpit, gekühlte Ledersitze, edle Materialien – da, wo der Urahn Puch G bloß Schalter, Blech und Plastik trägt. Aber: Gibt es etwas, was sich bei beiden Autos über all die Jahre nicht geändert hat? Wir wollen losfahren, und als der Erste von uns die Tür zumacht, stutzt der Zweite: Was war das jetzt? Bitte noch einmal. Okay. Und jetzt du. Echt jetzt? Tatsächlich: Das Geräusch zufallender G-Türen hat sich in vier Jahrzehnten nicht ge­ ändert. Und dieses Geräusch erzählt im Grunde alles, was man über einen G wissen muss, vom alten Puch bis zum neuen Mercedes.

KO NTRO LLB E TRIE B

Gefahren sammeln Weltweit sind Testfahrer im Auto unterwegs, um gefähr­ liche Situationen im Straßen­ verkehr zu erfassen. So werden Daten über mögliche Unfallstel­ len und kritische Kreuzungen gesammelt. Das Grazer ALP. Lab, ein Testzentrum für auto­ matisiertes Fahren, hat für diese Aufgabe eine einfachere Lösung gefunden. Mit Senso­ ren werden Straßen rund um die Uhr analysiert. Computer werten die Ergebnisse aus und generieren Trainingsdaten für Fahrerassistenzsysteme zur Steigerung der Verkehrs­ sicherheit. alp-lab.at

INNOVATOR


Mit Hygienepapiermaschinen von PrimeLine setzt Andritz neue Standards für ressourcenschonende Produktion.

ECHT HEISS!

Mission possible

DAIMLER AG, ANDRITZ

WERNER JESSNER, KARIN CERNY

Im Bereich Hygiene­ papier zählen für Andritz Innovation und Nachhaltigkeit.

Oft sind es die scheinbar einfachen Dinge, für deren Herstellung ein besonders großer Aufwand betrieben werden muss: Papiertaschen­ tücher, Küchenrollen, Toilet­ tenpapier und Servietten zählen dazu. Für ihre Herstel­ lung sind komplexe Produk­ tionsanlagen mit Maschinen von bis zu 65 Meter Länge und der Einsatz von Energie und Rohstoffen erforderlich. Die Mission besteht nicht nur darin, Lösungen zur Ressourceneinsparung bei der Maschine anzubieten, sondern auch Lösungen, die

INNOVATOR

dazu beitragen, Emissionen aus vorgelagerten Quellen (Fasern, Strom, Wasser, Che­ mikalien) zu verringern oder zu ersetzen. Andritz setzt hierbei auf einen ganzheit­ lichen Ansatz und schreckt auch nicht vor Neuem zu­ rück: In Zusammenarbeit mit dem Produzenten Sofidel wird etwa erstmalig Bio-Syn­ thesegas für die Papiertrock­ nung verwendet. So können CO²-Emissionen deutlich reduziert werden. Dies ist ein signifikanter Schritt für die gesamte Industrie, um nach­ haltiger zu werden. Die Anlagen zur Hygiene­ papier-Herstellung sind welt­ weit gefragt, wie jüngste In­ betriebnahmen und Aufträge aus Europa (ICT, MG Tec), den USA (Essity) und Asien (Hengan, Liansheng, Sun ­Paper) eindrucksvoll zeigen. Der international tätige Konzern liefert nicht nur innovative Anlagen für die Zellstoff- und Papierindustrie, sondern auch für den Bereich Wasserkraft und die metall­ verarbeitende Industrie.

SINGENDER DRAHT

Soundcheck Wie klingt ein Draht? In der Produktion ist es wichtig, dass sich keine Fehler einschleichen, die man erst später bemerkt. Deshalb bringen Kontrollsysteme bei der voestalpine Drähte zum Vibrieren. Ein digitales Ohr schlägt Alarm, wenn sich akustische Abweichungen bilden. Der menschliche Prüfer bekommt diese Daten direkt aufs Tablet geliefert und kann so der Artificial Intelligence detek­tivisch zur Seite stehen, um das Problem zu finden und zu beseitigen. In der voestalpine­ arbeiten menschliche und künstliche Intelligenz schon längt h ­ armonisch zusammen. voestalpine.com

andritz.com

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STEIERMARK

Mein Avatar geht shoppen So wird das Handy zur Umkleidekabine: Ein virtueller Zwilling probiert unsere neuen Kleider. Und wir erkennen sofort, wo es zwickt oder zwackt – dreidimensional! Hier ist die Mode-Revolution aus Graz. Text Hannes Kropik Illustrationen Federica Del Proposto

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INNOVATOR


I N N O V AT O R

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Modern einkaufen: den digitalen Zwilling vom Bett aus losschicken und sich nach Lust und Laune einkleiden.

INNOVATOR

er bisher größte Nachteil des Einkaufens im Internet, nämlich das Nicht-anprobieren-Können, wird zu einem Riesen­vorteil. Weil wir nicht nur über­prüfen können, ob uns das neue Outfit passt, sondern auch sofort ­sehen, wie es am Strand, in der Bar oder daheim auf dem Sofa wirkt. Das ist alles andere als eine Spielerei. Der Online-Handel wächst seit Jahren unaufhaltsam, die Corona-­Pandemie hat den Trend mit einem zusätzlichen Turbo befeuert. 2023 soll E-Commerce laut Prognose der Statistik-Plattform ­Statista Global rund 2,37 Billionen Euro ­umsetzen. Als Zahl sieht das so aus: 2.370.000.000.000. Ein ordentliches Stück von diesem Kuchen entfällt mit mehr als 800 Milliarden Euro auf die Mode­ industrie – und die will das steirische Start-up Reactive Reality grundlegend verändern. Gegründet wurde es im Jahr 2014 von drei Absolventen der ­Technischen Universität Graz – CEO Stefan Hauswiesner, CTO ­Philipp Grasmug und COO ­Philipp Pani (ihre internationalen Titel ­stehen für Geschäftsführer, Chef­ techniker und Betriebsleiter). Als Chief Scientist, also als leitender Wissenschaftler, mit dabei: Informatikprofessor Dieter Schmalstieg. Gemeinsam entwickelten sie eine virtuelle Umkleidekabine. Auf Basis von Augmented Reality, also computergestützt erweiterter Realität, sollen Menschen ihre Bekleidung künftig im Internet anprobieren und passend kaufen können. Wir sprachen mit CEO Stefan Hauswiesner über die Grundidee, die richtigen Körpermaße und den weltweit ausgezeichneten Ruf der TU Graz.

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STEIERMARK Wie will Reactive Reality den Modemarkt verändern? Indem wir den größten Nachteil von Online-Shopping in einen Vorteil verwandeln. the red bulletin innovator: Herr Haus­wiesner, wie will Reactive Reality mit ­seinem ShoppingTool Pictofit den Modemarkt verändern? stefan hauswiesner: Indem wir den größten Nachteil von ­Online-Shopping im ­Modebereich in einen Vorteil verwandeln: die Anprobe. Unsere Techno­logie ermöglicht es den Kunden, Kleidung virtuell anzuprobieren. Das heißt, ich kann mir online Outfits zusammenstellen und gleich in unterschiedlichen Settings – ­etwa auf der Straße, am Strand o ­ der in ­einem Ballsaal – anschauen, ganz wie es mir passt. Man ­sieht sofort, ob ein Kleidungsstück ­unter den Achseln zu eng oder um die Schultern zu weit ist. Das führt natürlich zu ­bes­seren Kauf­ entscheidungen, und die Kunden schicken weniger Pakete ­retour. Was muss ich als Kunde tun? Für den Avatar – also Ihren virtuellen Zwilling – müssen Sie ledig­lich Ihr Gesicht ­abfotografieren. Dar­ über hinaus braucht unsere Technik nur einige vom User selbst leicht messbare Daten wie die Größe, den Hüft- oder Brustumfang etc., um detaillierte Empfehlungen geben und die Visualisierung ermöglichen zu können. Wie kommt eine Gruppe von Software-Ingenieuren auf die Idee, eine virtuelle Umkleide­kabine zu entwickeln? Auf Umwegen. Tatsächlich war bereits mein Doktoratsprojekt an der TU Graz eine moderne Umkleide­ kabine: ein Raum mit zehn K ­ ameras, einem großen Display und ­riesiger Rechenleistung. Es war a ­ ber klar, dass so ein 50.000-Euro-Set-up in der Praxis nicht kommerzialisierbar wäre. Die Idee hat uns aber gefallen, und wir sind drangeblieben: Jetzt erzeugen wir Computergrafiken aus Bildern – I­ mage-based Rendering nennt man diese Technik. Grafiken werden ­also nicht – wie etwa bei Computer­spielen – künstlich er­ rechnet, sondern auf Basis jener 58

Produktfotos aufgebaut, die die Händler ohnehin zur Verfügung stellen können. Das heißt, aus einem zwei­ dimensionalen Bild wird eine dreidimensionale Grafik? Und die passt sich auch noch dem ­Körper des Kunden beziehungsweise dessen Avatar an? Genau, unsere Algorithmen modi­ fizieren Bilder blitzschnell. Als wir vor acht Jahren begonnen haben, hat unser erster Prototyp auf e­ inem wirklich starken ­Computer e­ ine Stunde lang gerechnet, um ein Kleidungsstück auf einen Körper zu projizieren. Heute schaffen wir das am Mobiltelefon in weniger als 25 Millisekunden.

Stefan Hauswiesner GESCHÄFTS­ FÜHRER

Der CEO von Reactive Reality beschäftigte sich schon in seiner Doktor­ arbeit mit einer digitalen Umkleidekabine.

Warum klappt das jetzt so viel schneller? Weil wir im Hintergrund mittler­ weile eine Vielzahl ­neuronaler Netze laufen haben. Mittels Ma­chine Learning haben unsere C ­ omputer trainiert, Fotos richtig zu erkennen. Sie „sehen“ ein Kleidungsstück auf einem Foto, errechnen die optimale Passform und „wissen“, wie es an einem mensch­lichen Körper aus­ sehen würde. Sie und Ihre Gründer­kollegen ­haben an der TU Graz s­ tudiert. Ihr Chief Scientist ­Dieter Schmal­ stieg ist dort Professor und ­Institutsleiter. Reactive ­Reality war ­also von Beginn an ein durch und durch Grazer Projekt.

Den persön­ lichen Auftritt überprüfen – und zwar in verschiedenen Szenarien, zum Beispiel bei einer Vernissage.

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I N N O V AT O R

INNOVATOR

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STEIERMARK

FORSCHUNG

Die Ausbildung an der Technischen Universität Graz genießt weltweit einen ausgezeichneten Ruf – und lockt internationale Unternehmen in die Stadt.

„A ugmented Reality“, sagt ­Uni­versitätsprofessor Dieter Schmalstieg, „ist eine bahnbrechende Techno­logie, die ein neues interaktives Medium etablieren kann, das digitale Inhalte in der ­realen Welt direkt erfahrbar macht. Sie werden eine spezi­elle AR-Brille tragen und sich so durch computer­ generierte Inhalte b ­ ewegen.“ Der 50-jährige Niederöster­ reicher arbeitet seit 2004 an der TU Graz, seit 2012 leitet er an der Fakultät für Infor­matik das Institute of Computer ­Graphics and Vision. „Diese Technologie fas­ziniert mich seit 20 Jahren. Damals war ich Doktorand – und ­Augmented Reality eine brandneue Idee. Wenn man sich ansieht, wie viele Milliarden Facebook, Apple und andere

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Tech-­Firmen in dieses Thema investieren, kann man davon aus­gehen, dass es in wenigen Jahren nicht mehr bloß eine Fantasterei von irgendwelchen Forschern in ihrem geschützten Elfenbeinturm ist.“ Professor Schmalstiegs ­Institut an der TU Graz umfasst a ­ ktuell – inklusive studentischer Teilzeitkräfte in der Forschung – rund hundert Mitar­beiter in sieben Arbeitsgruppen. „Öster­ reichische Universitäten sind sehr hochwertige Bildungsund ­Forschungseinrichtungen“, sagt er und fühlt sich „glücklich, dass wir in Graz mit unserer S ­ ammlung von sehr klugen Köpfen international sehr gut mithalten können“.

Augmented Reality lässt die digitale und die reale Welt verschmelzen – und das ist keine Fantasterei.

Dieter Schmalstieg LEITER DES INSTITUTE OF COMPUTER GRAPHICS AND VISION

Entschied sich nach einem Jahr an der US-EliteUni Stanford für ein Leben in Graz.

Die Ausbildung in der Steier­ mark genießt inter­national einen so guten Ruf, dass viele der Studenten nicht einmal bis zum formalen Abschluss gehalten werden können, sondern schon vorher von großen Technikunternehmen abgeworben werden. „Es wollen aber nicht alle d ­ irekt ins ­Silicon Valley übersiedeln. Daher kommen ihnen F ­ irmen wie ­Amazon oder Huawei entgegen und e ­ r­öffnen Büros in Graz.“ Er selbst hat nach seinem Studium in Wien ein Jahr als Postgraduate-Student an der renommierten Stanford Uni­ ver­sity verbracht: „Ich war jung und wollte sehen, was es in der Welt zu tun gibt. Diese kali­ fornische Elite-Uni war schon beeindruckend. Letztlich habe ich mich aber für meine kultu­ relle Identität entschieden: Ich bin Österreicher und Euro­ päer, ich schätze das Leben in Graz sehr.“ Dass Reactive ­Reali­ty als Ausgründung der TU Graz in der Praxis umsetzt, was bisher für die Öffentlichkeit nur ­schwer vermittelbare Theorie war, freut Professor Schmalstieg extrem. „In der Grundlagenforschung sind wir daran interessiert, ob eine abstrakte Idee umsetzbar ist. ­Reactive R ­ eality entwickelt eine Software, die in der Reali­ tät tatsächlich funktioniert.“ Natürlich wäre ein Erfolg der virtuellen Umkleidekabine eine unschätzbare Werbung für die Ausbildung an der TU Graz: „Technologieplattformen revo­ lutionieren die Gesellschaft immer wieder. Die Nachfrage nach Experten ist und bleibt sehr groß.“ Einen Einblick in die Wissen­schaft gewinnen: tugraz.at/institute/i cg/home

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PRIVAT

„Mit unserer Sammlung von sehr klugen Köpfen können wir international locker mithalten“


I N N O V AT O R Der Vice President von Reactive Reality war bei Google und Pinterest. Wie gewinnt man so einen Mitstreiter? Er hat unsere Idee verstanden und gesehen, dass sich der Markt in unsere Richtung bewegt.

Per Smartphone durch die schöne neue Modewelt – in Outfits, die perfekt sitzen.

Ja, und das ist keineswegs über­ raschend. Viele unserer ersten ­Mitarbeiter kommen ebenfalls von der TU Graz. Gerade in den ­Bereichen Augmented und Vir­ tual Reality gilt das Institut von ­Professor Schmalstieg als eines der besten und erfolgreichsten der Welt. Viele Absolventen ­wechseln aus Graz direkt zu den Big Five der Tech-Welt (Amazon, ­Apple, Facebook, Google, Microsoft; Anm.). Tatsächlich glaube ich, dass eine Firma wie unsere aus der Welt der Technik und nicht aus jener der Mode kommen muss. Dort ­haben sie zwar auch gro­ ßes Fachwissen, aber wir haben die Fähigkeiten, möglichst simple und effiziente Softwarelösungen zu ­entwickeln.

INNOVATOR

Mittlerweile hat Reactive Reality neben dem Headquarter in Graz eigene Büros in Paris, Tokio und im Silicon Valley in San Francisco.­ Ihr Vice President of Global Sales,­ Steve Meaney, hat zuvor acht ­Jahre in leitender Position bei Google und danach bei Pin­terest gearbeitet. Wie kann man so ­einen Mann an Bord holen? Mit seinem Lebenslauf kann sich Steve längst aussuchen, wo er arbeiten will. Er hat sich für uns entschieden, weil er unsere Idee verstanden hat und gesehen hat, dass sich der Markt in unsere Rich­ tung bewegt. Das Interesse an un­ serer A ­ rbeit ist sehr groß. Speziell in den vergangenen beiden Jahren sind wir stark gewachsen, mittler­ weile haben wir 60 Mitarbeiter.

Wohin soll die Reise in den ­kommenden Jahren gehen? Wir sind mit zwei großen Kunden­ projekten – darunter eine große deutsche Luxusmarke – gerade in den letzten Entwicklungsschritten und werden damit im ersten Quar­ tal 2022 online g ­ ehen. Wir gehen davon aus, dass der Markt in den kommenden zwei Jahren enorm abheben wird. Die großen Tech-­ Firmen investieren in diesem Be­ reich gigantische Summen. Doch die entscheidenden Innovationen ­kommen erfahrungsgemäß von kleinen, unabhängigen Firmen … … wie Reactive Reality? Lassen Sie es mich so ausdrücken: Ich glaube, dass wir sehr gute Kar­ ten haben und in der Entwicklung eine große Rolle spielen. Weiter in die Zukunft schauen: reactivereality.com

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STEIERMARK

Ein Künstler im INNOVATOR? Genau, weil er uns lehrt, wie wir die Welt erneuern können. Im Gespräch: der Steirer Erwin Wurm, 67, der mit seinen One Minute Sculptures zu einem der erfolgreichsten Gegen­warts­künstler der Welt wurde. Text Wolfgang Wieser Fotos Lottermann und Fuentes

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Erwin Wurm im Porträt, links vor drei seiner Werke (von links): „Standing Xersönliches Shuttle: Vegetal“, „Step“ Fahrgäste könnenund ihre„Lifting“. Ottobahn per App bestellen, die autonom fahrenden Gondeln holen sie pünktlich ab.

Der Mann, der unserer Welt neue Dimen­sionen gab

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Wir werden unter Wurms Anweisung zu Mitwirkenden seiner Werke. „Performed by the public“ nennt der Künstler diese Teilhabe.

– bestes Beispiel für seine tatsäch­ lich weltweite Wahrnehmung, weit über Galerien und Museen hinaus: Die US-Rockband Red Hot Chili Peppers ließ sich davon für ihr ­Video „Can’t Stop“ inspirieren. Die One Minute Sculptures waren Erwin Wurms Durchbruch. Sagt er selbst. Begonnen hat alles mit e­ iner Ausstellung im Künstler­ haus Bremen, im Jahr 1997: „Es hat mich immer interessiert, mit

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m Popo des früheren Supermodels Claudia Schiffer steckt ein Besen. Er ragt unter ihrem Trenchcoat hervor, mit diesen knallgelben Bor­ sten, und Frau Schiffer blickt dabei so gelassen drein, als ginge sie das alles gar nichts an. Das Bild ist Teil einer Serie, die Erwin Wurm 2009 für die deutsche „Vogue“ erschaffen hat. Auf anderen Bildern spielt Frau Schiffer mit Orangen oder steht, ­einen Sessel auf ihrer linken Schul­ ter balancierend, auf einem Tisch. Wie er sie dazu gebracht hat, die Sache mit dem Besen anzustellen? „Keine Ahnung, sie hat einfach Ja gesagt. Überraschend für mich!“ Überraschend auch für uns, außer­ dem irritierend und in positivem Sinn fragwürdig. Aber Erwin Wurm hat auch schon einen Pater und eine Nonne aus dem Benediktinerkonvent in Admont für seine Sculptures ­gewonnen. In diesem Fall Photo­ graphic Sculptures („Brothers and ­Sisters“, 2002). Pater Liborius liegt auf dem Boden, Arme neben dem Körper, Bauch gewölbt; Schwester Ruth hat Zeige- und Mittelfinger ­ihrer rechten Hand in eine Semmel gesteckt. Und dann sind da noch wir, also ganz normale Menschen, die unter seinen Anweisungen zu Mit­ wirkenden Wurm’scher Werke wer­ den – wie der Mann, der bei einer Aus­stellung im Städel Museum in Frank­f urt mit seiner Stirn zwei ­gelbe Tennisbälle auf einem wei­ ßen Quader fixiert („Astronomical ­Purpose“, 2014). „Performed by the public“ nennt Erwin Wurm diese Teilhabe. Und sie ist immer wieder wesentlicher Part seiner „One Minute Sculp­ tures“. Diese haben Erwin Wurm berühmt gemacht, richtig berühmt

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I N N O V AT O R „Ich hatte Zweifel, ich habe mich gefragt, ob das einfach nur bescheuert ist. Aber die One Minute Sculptures waren sofort ein Riesenerfolg.“

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1 2 Das frühere Supermodel Claudia Schiffer, inszeniert für die deutsche Ausgabe der „Vogue“ (2009). Frau Schiffer gilt heute als Kunstkennerin, damals war selbst Erwin Wurm überrascht, dass sie sich auf so erstaunliche Art darstellen ließ.

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3 Das Elternhaus Erwin Wurms, allerdings mit völlig verzerrten Dimensionen, wurde als „Narrow House“ berühmt. Es tauchte bei der Biennale in Venedig neben einem Palazzo am Canal Grande auf und war – wie hier 2011 – im Kunstraum Dornbirn zu bestaunen. Die Maße: 7 × 1,3 × 16 m.

Gegenständen und Handlungen zu spielen. Und dann wurde ich vom Bremer Kunstverein zu einer Ausstellung eingeladen. Ich hatte schon länger die Idee, kurzlebige Skulpturen zu probieren, konträr zu den alten Meistern, die wie Michelangelo mit einem Ewigkeitsanspruch gearbeitet haben. Also bin ich nach Bremen, habe dort alles selbst ausprobiert – und ja, ich hatte Zweifel, ich habe mich gefragt, ob das einfach nur bescheuert ist. Aber die One Minute Sculptures waren sofort ein Riesenerfolg.“ Erwin Wurm ist zu diesem Zeitpunkt 43. Seit ein paar Jahren kann er „relativ gut“ von seiner Kunst ­leben. Sein Galerist Thaddaeus ­Ropac sagt über ihn, ihn interessiere alles, was den Alltag aus dem Gleich­gewicht bringt. Dafür erfindet Erwin Wurm die Skulptur neu – das darf man ruhigen Gewissens so formulieren. Dabei wollte er eigentlich Maler werden. Doch im Salzburger Mozarteum steckt man ihn in die Bildhauerklasse. Er revanchiert sich mit einer ­intensiven Beschäftigung mit den Möglichkeiten der Skulptur. Diese Auseinandersetzung wird zu einer Revolution. Heute gilt Wurm als ­einer der „erfolgreichsten Gegenwartskünstler“ (Wikipedia). Alles, was er bisher erschaffen hat, nennt er Skulpturen: Gurken, die ihm bis zur Schulter reichen, Semmeln aus Marmor mit einem Durchmesser von 80 Zentimetern, fette rosa Autos (und das darf man wörtlich nehmen). Alles Dinge, die – wie bereits eingangs erwähnt – fragwürdig sind. 65


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1 Erwin Wurm führt ein sehr regelmäßiges Leben, wie er selbst sagt. Jeden Tag isst er um dieselbe Zeit zu Mittag. Hier bereitet er „Cacio e pepe“ zu – eine typisch römische Pasta mit Pfeffer und Parmesan. 2 Viel Platz für seine Kunstwerke: In einer lichtdurchfluteten Halle werden die Arbeiten fertiggestellt. 3 Der Künstler hat eine große Nähe zu Autos – hier ruht er auf „Mercedes W123“ aus Polyester (100 × 205 × 405 cm).

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„Ich habe einen Plan, wie ich mich der Welt nähere. Wichtig sind mir dabei zwei Begriffe: die Paradoxie und das Absurde – so versuche ich, neue Erkenntnisse zu gewinnen.“ 66

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the red bulletin innovator: Wenn ich ehrlich sein darf: Manns­g roße Gurken, ein Besen im Popo des einstigen Super­ models Claudia Schiffer, ein ­fettes rosa Auto – viele Ihrer ­A rbeiten haben mich erst einmal schmunzeln lassen, auch wenn sie nicht als Witz gedacht sind. Welche Reaktion wäre denn die gewünschte, also die richtige? erwin wurm: Es gibt keine ge­ wünschte Reaktion. Ich habe einen Plan, wie ich mich der Welt nähere. Wichtig sind mir dabei zwei Begriffe: die Paradoxie und das Absurde. Indem ich Realität und Alltag aus diesem Blickwinkel betrachte, ver­ suche ich, neue Erkenntnisse zu gewinnen.

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Sie verleihen dem Banalen Größe. Warum? Um es so der Lächerlich­ keit preiszugeben? Weil ich erkannt habe, dass man so die Verhältnisse infrage stellen kann. Was sind Ihre Kunstwerke? ­A ngriffe? Und wenn ja, wen ­wollen Sie treffen? Warum schreibt man? Weil man das Bedürfnis hat, sich auszudrücken. Zuerst einmal mache ich die Dinge für mich. Aber es ist mir wichtig, dass sich andere dafür interessie­ ren, darüber nachdenken. Denn das beste Bild der Welt – nehmen wir einmal an, es wäre die „Mona Lisa“ – hat keine Bedeutung, wenn es in einem Keller vor sich hin gammelt. Wann weiß ich, dass eine Staub­ skulptur Kunst ist, und wann, dass sie gute Kunst ist? Oder ­anders gefragt: Was braucht es, um als Künstler anerkannt zu werden und Erfolg zu haben? Wenn Sie meine Einladung akzep­ tieren, sich eine meiner Arbeiten anzusehen und darüber nach­ zudenken, dann habe ich schon eine wichtige Hürde genommen. Natürlich sollen meine Arbeiten die Leute packen. Aber während ich daran ­arbeite, ist mir das voll­ kommen wurscht.

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Ich finde die Staubskulpturen sehr berührend, vielleicht weil sie die Abwesenheit dokumen­ tieren … Es kommen keine Menschen vor, ich zeige verlassene Orte. Und es ging damals auch darum, ob das noch Kraft hat, ob sich damit noch Gefühle vermitteln lassen. Offen­ bar tun sie das. Was inspiriert Sie? Donald Duck, haben Sie einmal gesagt, war ein ganz wichtiger Einfluss. Der galt als absoluter Schund. Mir hat er immer gefallen, weil er ein Loser war, ein Verlierer. Aber er hat nie aufgegeben. Er war wie ein Stehaufmanderl. 67


STEIERMARK „Ich war ein armer Student. Und deshalb habe ich begonnen, mit Materialien zu arbeiten, die andere weggeworfen haben.“

Erwin Wurm One Minute Info

Anfangs hatten Sie kein Geld, ­haben deshalb Materialien ver­ wendet, die für andere Menschen keinen Wert hatten. Hat Ihnen dieser Zugang bei Ihren Über­ legungen geholfen? Ja, das war schon so. Ich war ein ­armer Student. Und deshalb habe ich begonnen, mit Materialien zu arbeiten, die andere weggeworfen haben. Eine Zeit lang hatte ich ein Studio, unter dem eine Tischlerei war – da habe ich mit den Holz­ abfällen gearbeitet. Dann hatte ich eines über einer Kannenfabrik, also habe ich mit Kannen begonnen.

Geboren am 27. Juli 1954 in Bruck an der Mur Aufgewachsen in Kapfenberg, ab dem sechsten Lebensjahr in Graz Lebt in Limberg und Wien Familienstand verheiratet Kinder 3 Essen Japanisch und Griechisch, in beiden Fällen viel Gemüse, viel Fisch Getränk Wasser, Wein, Bier Musik Ich mag sehr unterschiedliche Musik – Snoop Dogg, 50 Cent, immer noch die Dire Straits, die Sex Pistols, klassische Musik, Richard Strauss, Gustav Mahler. Film Ja, sehr; Lieblingsfilm: „Das weiße Band“ von Michael Haneke Buch Ich lese sehr viel, mein Favorit ist Philip Roth, „Exit Ghost“. Künstler Unter den Malern finde ich Georg Baselitz am besten. Auto Jessas, das ist wirklich schwierig. Ich habe – auch weil ich bewusst leben will – ein Elektroauto. Land Ich liebe unsere Landschaft, und ich weiß kein besseres Land. Stadt Keine Stadt, ein Ort – die griechische Insel Hydra, dort gibt es auch keine Autos. Nächstes Reiseziel Berlin oder Paris, wo meine nächsten Ausstellungen stattfinden

„Österreich ist mein Steinbruch“

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Heute hat Erwin Wurm Geld, ein Schloss und ein achtköpfiges Team (er zählt sich selbst dazu). Früher fuhr er Aston Martin, heute einen Tesla. Wegen der Umwelt. Er hat ein Leben in New York probiert, ist aber wieder zurückgekommen – obwohl er weiß, dass ein Wohnsitz in Öster­ reich den Wert seiner Werke drückt (ja, das ist tatsächlich so): „Aber ich brauche diesen Wahnsinn hier, ­Österreich ist mein Steinbruch, mein Material.“ Hier lebt er ein geregeltes Leben, ein gutes Leben: Er steht auf, früh­ stückt, geht ins Studio: „Jeden Tag esse ich um die gleiche Zeit zu Mit­ tag.“ Japanisch, Griechisch, Ge­ müse, Fisch. Und er sagt lachend: „Ich habe höchstens zehnmal in meinem Leben in der Nacht gearbei­ tet. Ich bin ein richtiger Maurer.“ Wo entstehen Ihre Kunstwerke? Sind sie im Kopf fertig, bevor sie im wahrsten Sinne des Wortes Form annehmen? Es gibt immer eine Idee, oft ist es nur eine vage. Eine Zeitlang bin ich fast zum Konstrukteur geworden. Das heißt, ich habe die Idee fest­ gehalten und ausführen lassen – bis ich gemerkt habe, dass ich den Zugang zu meiner Arbeit verliere. Deshalb habe ich begonnen, wieder alles mit meinen Händen zu ma­ chen. Weil man sich damit auch die Möglichkeit gibt, nicht zu sehr an der ersten Idee festzuhalten, son­ dern sich treiben zu lassen. Es ist so, als würde das Werk dich bei der Hand nehmen. Der Maler Gerhard Richter hat einmal gesagt: „Meine Bilder sind klüger als ich.“ Ich habe lange nicht verstanden, was er ­damit meint – jetzt weiß ich es. Interessieren Sie die Preise Ihrer Kunstwerke? Sicher. (Lacht.) Wer legt die Preise fest? Ich und meine Galeristen. Es ist ein Spiel – in unserer Gesell­ schaft werden nur Dinge wert­ geschätzt, die etwas kosten (Beispiel: Ein ­Telefon, Polyester, Maße:

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12,3 × 9,5 × 26,5 cm, gibt es bei der Berliner Galerie König aktuell um 25.000 Euro). Sie haben 2021 als einer der ­ersten Künstler ein Werk, eine 15-sekündige Videosequenz („Breath In, Breathe Out“), die ­einen roten Porsche zeigt, der sich in ein „Fat Car“ verwandelt, als NFT, also als aktuell extrem angesagtes digitales Objekt, ­veröffentlicht. Weil das Ihre ­Ausdrucksmöglichkeiten erweitert oder aus anderen Gründen? Mein Sohn ist mir damit in den ­Ohren gelegen, der ist so ein Nerd, der sich wahnsinnig dafür inter­ essiert, und mein Galerist aus Berlin hat g ­ esagt, er macht eine Ausstel­ lung nur mit NFT. Das ist zwar eher nicht meine Welt, aber es hat gut funktioniert. Das Werk hat 855 Euro gebracht. Es hat 461-mal 1.000 Dollar (855 Euro) gebracht – in den 24 Stunden, in denen es auf dem Markt war. Woran arbeiten Sie gerade? An mehreren neuen Skulpturen, es gibt auch Bilder. Sie dürfen jetzt malen – endlich? Als Student wurden Sie doch zu den Bildhauern verbannt. Es sind tatsächlich Bilder, ich nenne sie aber flache Skulpturen. 3

STUDIO ERWIN WURM

1 Strahlende Schönheit in ländlicher Landschaft: „Fat Convertible“ von 2019 (133 × 240 × 405 cm), Aluminiumguss, lackiert

2 Wenn ein Lkw kopfsteht, heißt das „Stand quiet and look out over the Medi­ terranean Sea“. Das Kunst­werk aus Truck und Mixed Media misst 874 × 240 × 274 cm.

3 Macht die Kunst Pause, widmet sich Erwin Wurm auch bodenständigen Arbeiten – hier sät er Gras.

Letzte Frage: Nehmen wir an, ich schlüpfe in eine Lederjacke und nehme eine Gießkanne in den Mund, wie die Frau auf einer Ihrer Photographic Sculptures. Bin ich dann ein Künstler, ein Kunstwerk oder gar nix? Wenn Sie es nach meiner An­ weisung tun, sind Sie für kurze Zeit ein Kunstwerk, ansonsten ein cooler Typ, der eine Gießkanne im Mund hat. Einen umfangreichen Überblick über die Arbeiten des Künstlers gibt es auf: erwinwurm.at

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„The Graz Vigil“ war 2020 ein Kunstprojekt der australischbelgischen ­Choreografin ­Joanne Leighton. Im Rahmen des „La Strada“Festivals hatten 732 Grazerinnen und Grazer, je zwei an jedem Tag des Schaltjahres, die Gelegenheit, vom Schlossberg aus ihre Heimatstadt eine Stunde lang in Seelenruhe zu betrachten.

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BAUEN

So richtig auf dem Holzweg Die Steiermark gibt einem uralten Spruch neue Bedeutung – was einst als Irrweg* galt, steht heute für das exakte Gegenteil: nämlich für die kürzeste Verbindung zwischen Innovation und Nachhaltigkeit. Und für eine richtungsweisende Technologie, die aus der Steiermark in die Welt führt.

ALEX KIRSCHNER

Text Hannes Kropik

* Die Redewendung „auf dem Holzweg sein“ beschreibt ein nicht ziel­führendes Vorgehen und impliziert die Auf­forderung, den Irrweg zu verlassen. Deren sprichwörtliche Verwendung ist seit dem 15. Jahrhundert belegt. (Wikipedia) INNOVATOR

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S T E I EI NR NM

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Oskar Beer hat eine Vision. Geht es nach dem Landesinnungs­ meister der steirischen Holzbauer, soll in Graz ein ganzer Stadtteil aus Holzbauten entstehen.

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Neben der Rauchkoppe in den Eisenerzer Alpen versinkt die Sonne. Nach einem Unwetter taucht abgekühlte Luft den ­Hintergößgraben im Forst­ betrieb Franz Mayr-MelnhofSaurau in mildes Abendgelb.

sche Kulturhauptstadt und ist City of Design – warum sollten wir nicht zur Holzbau-Hauptstadt werden?“

Steirischer Geistesblitz Die technische Grundlage für Oskar Beers Idee stammt jedenfalls aus der Steiermark. Professor Gerhard Schickhofer, Leiter des Instituts für Holzbau und Holztechnologie­an der TU Graz, hat Mitte der 1990erJahre die aus mehreren Massivholz­ platten kreuzweise verklebte Brett­ sperrholzplatte (BSP) entwickelt. Diese extrem stabilen, bis zu zwan‑ zig Meter langen und vier Meter breiten Platten können millimeter­ genau vorgefertigt werden und ­ermöglichen spektakuläre Holzbauten, die in neue Dimensionen

Fichtenkeimlinge im Morgenlicht, im Revierteil Schladnitz. Der Fichtenzapfen als Kinderstube der Keim­ linge und das morsche Holzstück daneben dokumentieren den Kreislauf der Natur.

NORBERT WEBER

Und zwar nicht als verträumte Öko‑­Enklave, sondern als richtungs­ weisendes architektonisches High‑ tech-Viertel, das neue Maßstäbe im Bereich urbane Nachhaltigkeit setzt – von hochmodernen Wohn‑ türmen über vitalisierende Kinder‑ gärten und Schulen bis hin zum ­Supermarkt aus Holz. Was hier am Reißbrett liegt, ist also weit mehr als das ästhetische Comeback des ältesten Baustoffs der Menschheit: Es ist das ökologi‑ sche und ökonomische Fundament für eine Stadt der Zukunft. Tatsächlich kommt die Entwick‑ lung auf den Reininghausgründen im Westen der Stadt, wo bis 2025 im großen Stil neu gebaut wird, den kühnen Vorstellungen von Oskar Beer schon recht nahe: „Es gibt dort zwar auch Gebäude aus anderen Baustoffen, aber es wird sehr viel mit Holz gearbeitet.“ Ein Stadtteil aus Holz wäre nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern könnte auch den Tourismus ankur‑ beln: „Die Steiermark ist mit ihrem Waldanteil von über 61 Prozent prä‑ destiniert für Holzbau. Ein Ortsteil aus Holz wäre für die Bevölkerung von Mehrwert und könnte Besucher anziehen. Graz war schon Europäi­


NM OA VR AT K O R

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FORSCHUNG

Hightech im Wald Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Forstwirtschaft aus? Mehr als 3000 Mess­punkte in steirischen W ­ äldern liefern Daten für die Zukunft.

„Dynamische Waldtypisierung“ heißt ein interdisziplinäres Projekt der Lan­ desforstdirektion Steiermark. „Wir wol­ len wissen, wie sich der Klima­wandel auf unsere Waldstandorte auswirken könnte. Immerhin leben in der Steier­ mark rund 55.000 Menschen direkt von der Holzwirtschaft“, erklärt Heinz Lick von der Landesforstdirektion. Unter der Leitung von Professor Harald Vacik von der Universität für Boden­ kultur in Wien waren bundesweit zwölf Institutionen mit mehr als hundert Exper­ten in die Datenerfassung und die Entwicklung spezieller Algorith­ men eingebunden. „In diese Modelle fließen Berechnungen von Experten und E ­ xpertinnen verschiedenster Fach­ richtungen wie zum Beispiel Waldbau, ­Meteorologie, Geologie, Klima, Wasser und Boden ein“, sagt Lick. Dazu wurden an 3000 repräsenta­tiven Punkten unterschiedlichste Para­ meter detailliert bestimmt. Heinz Lick: ­„Temperatur, Bodenfeuchtigkeit und Nährstoffversorgung steuern, ob und wie gut ein Baum an einem bestimmten Standort wachsen kann.“ Errechnet wird, wie sich unterschied­ lich starke Erwärmungsszenarien um 2050 und 2085 auf bestimmte Baum­ arten und Standorttypen auswirken würden. „Wir liefern den im Wald wirtschaftenden Personen detaillierte ­Argumente“, sagt Lick. Willibald Ehrenhöfer war in das Projekt­ als Mitglied der Steuerungsgruppe eingebunden. Der Forstdirektor des Forstbetriebs Franz Mayr-Melnhof-­ Saurau trägt die Verantwortung für den mit 32.400 Hektar größten Privat­forst ­Österreichs. „Natürlich wollen wir ­unsere Standorte optimal

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bewirt­schaften. Nicht nur, weil wir vom ­Verkauf von Holz leben, sondern auch, weil wir uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind: Je mehr Holz wir produzieren, umso mehr CO² können wir aus der Luft binden.“ Entscheidend ist der richtige Baum­ arten-Mix. In der Steiermark domi­ niert traditionell die Fichte, die in sehr vielen Lagen auch ihr natürliches ­Vorkommen hat. Durch die extremen klimatischen Veränderungen ist deren Bestand – verbunden mit dem Befall durch Borkenkäfer – aber immer stär­ ker gefährdet. „Wir wissen, dass sich in tieferen ­Lagen die Baumarten-Zusammen­ setzung w ­ esentlich verändern wird; die sommer­lichen Hitzetage und die ­Wasserverfügbarkeit werden zum ­limitierenden Faktor“, sagt ­Willibald Ehrenhöfer. „Umgekehrt werden wir in höheren ­Lagen bessere Wuchs­ verhältnisse und eine längere Vege­ tationsdauer als heute vorfinden, und die obere Baumgrenze wird sich damit bis zum Ende dieses Jahrhunderts an die 200 Meter nach oben verschie­ ben. Das heißt, die Waldflächen werden ­zunehmen, womit wir auch hier weiter­ hin den nachhaltigen Rohstoff und genialen Baustoff Holz für eine CO²neutrale Zukunft zur V ­ erfügung stellen können.“ waldtypisierung.steiermark.at mm-forst.at

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Wald in Zahlen: 1,01 Millionen Hektar der Steiermark sind von Wald bedeckt. Das macht rund 61,6 Prozent der Gesamtfläche des Bundeslandes aus (Österreich-Schnitt: 47,6 Prozent). 86 Prozent der Bäume sind Nadelhölzer, 9,5 Prozent Hartlaub und 4,5 Prozent Weichlaub.

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„Eagle“, das Gipfel­ restaurant am Kreisch­ berg, wurde 2020 nach Plänen der Viereck Ar­ chitekten fertiggestellt – und mit mehreren Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem „Iconic Award: Inno­ vative Architecture“.

vom Gedanken an Nachhaltigkeit getragen: „Bekanntermaßen stammt dieser Begriff aus der Forstwirtschaft. Hans Carl von Carlowitz hat 1713 angeregt, nur so viel Holz zu schlagen, wie durch planmäßiges Aufforsten nachwachsen kann.“

Auf 2000 Meter See­ höhe bietet „Eagle“ ­einen fantastischen ­Pan­oramablick. Das Innere des kristall­ förmigen Restaurants wird von steirischem Fichtenholz dominiert.

Holz belebt die Sinne Brettsperrholzplatten werden nicht nur auf Großbaustellen, sondern auch im privaten Hausbau immer stärker nachgefragt. Josef Deisl ist selbst Forstbesitzer und einer der größten Saunabauer Österreichs; seit 1520 sind die Deisls durch­ gehend im Holz- und Steingeschäft verwurzelt. Dass er für seine sechs­ köpfige Familie ein Holzhaus er­ richten ließ, „war also naheliegend“. Nach lediglich acht Monaten Bauzeit bezogen die Deisls zu Weihnachten 2019 ihr Traumhaus in Schladming – das 2021 auch mit dem steirischen Holzbaupreis in der Kategorie „Privater Wohnbau“

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vorstoßen. Bestes Beispiel: das HoHo in Wien-Aspern, mit 24 Geschoßen und 84 Meter Höhe das zweithöchste Holzhochhaus der Welt. 2019 wurde der heute 59-jährige­ Obersteirer für seine – im wahrsten­ Sinne des Wortes – konstruktive Idee vom schwedischen König Carl XVI. Gustaf mit dem Marcus-Wallen­bergPreis geehrt. Die mit zwei Millionen schwedischen Kronen (rund 190.000 Euro) dotierte Auszeichnung wird seit 1981 verliehen und gilt als HolzÄquivalent zum Nobelpreis. Vergeben wird der Preis für „bahnbrechende wissenschaftliche Errungenschaften, die maßgeblich zur Erweiterung von Wissen und zur technischen Entwicklung in zentralen Bereichen der Forstund Holzwirtschaft beitragen“. Und tatsächlich erlangen die Brettsperrholzplatten (international: Cross-Laminated Timber, CLT) stetig wachsende Bedeutung für die Baubranche. „Aktuell gibt es weltweit 76 Produktionsstand­orte, 28 weitere sind in Planung. Die Produktionskapazität liegt zurzeit bei 2,4 Millionen Kubikmetern pro Jahr, bis 2025 wird sie voraussichtlich auf 3,8 Millionen anwachsen.“ Neben der Innovation ist die Arbeit von Professor Schickhofer

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I N NSOTVE AT I E RO MR A R K

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M AT E R I A L K U N D E

„Holz erzählt seine Geschichte“ Dass Architektin Marleen Viereck so gerne mit Holz plant, liegt an dessen Seele und Lebendigkeit.

The Red Bulletin Innovator: Warum ist Holz bei Architek­ ten zu einem so beliebten Baustoff geworden? Marleen Viereck: Es gibt nicht nur eine neue ­Generation an Architekten, sondern auch an Bauherren. Wir ­können von ­einem Fridays-for-Future-­ Effekt sprechen: Menschen ­legen großen Wert auf nachhaltige, regional verfüg­bare Materialien und wollen mit ­geringstmöglichen Auswirkungen auf die nächsten Genera­ tionen bauen.

Marleen Viereck leitet ­gemeinsam mit ihrem Bruder Bernhard das Architektur­ büro Viereck, das ihr Vater Ewald 1984 gegründet hat. Die Standorte in Kindberg und Graz, sagt sie, „erlauben Weitblick für urbanes und ­natürliches Bauen“.

Holz wird seit Menschen­ gedenken verwendet. ­Warum ist es immer noch so ein ­faszinierendes Material? Weil es immer neue Möglich­ keiten bietet – und neue ­Möglichkeiten das Wesen der Architektur sind: Wir erwachen täglich mit dem Wunsch, etwas zu bauen, das man zuvor so noch nicht gesehen hat. Haben Sie heute andere ­technische Möglichkeiten als frühere Generationen? Natürlich – und dadurch wird der Holzbau in den vergan­

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genen Jahren neu erfunden. Wir können Gebäude eins zu eins in 3D modellieren und a ­ lle Bauteile millimetergenau im Werk vorfertigen lassen. Das spart Zeit und d ­ amit Kosten. Der „Eagle“ e ­ twa, das Gipfelrestaurant am Kreischberg, ist auf der Baustelle „nur“ noch zusammengebaut worden. Bei dieser kurzen Bauzeit hätten wir gar keine andere Chance gehabt. Voraussetzung dafür ist natürlich ein detaillierter und integraler Planungs­ prozess. Was unterscheidet Holz von anderen Baustoffen? Holz lebt. Und genau wie der Mensch altert Holz sichtbar. Holzfassaden ­werden mit der Zeit grau, das muss dem Bauherrn ­bewusst sein. Holz ist nicht so clean, es hat eine Seele, eine ­Lebendigkeit. Holz erzählt ­seine eigene ­Geschichte. viereck.at

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307,3 Millionen Vorratsfestmeter (Vfm*) Holz stehen in den ­steirischen Wäldern. Das sind rund 27 Prozent der Gesamtmenge ­Österreichs (1135 Mil­lionen Vfm).

Das L-förmige Holzhaus in ­Schlad­ming liegt an einem kleinen Pool. Geplant wurde es von H ­ annes Sampl vom Archi­tekturbüro ­dunkel­schwarz, einem ­Schulfreund von Josef Deisl.

* 1 Vfm e ­ ntspricht 1 Kubik­meter; gemessen wird dabei allerdings die Holzmenge eines stehenden Baumes mit Rinde.

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20,2 Prozent aller steirischen Bäume sind zwischen 21 und 40 Jahre alt. 12,6 Prozent sind bis zu 20 Jahre alt, immerhin 3,7 Prozent älter als 140 Jahre.

­ usgezeichnet wurde. Der Parketta boden besteht aus massiver Eiche, die Wände sind aus weiß lasierter Fichte: „Wir merken, dass die ­natürlichen Materialien positive ­Eigenschaften haben. Das sanfte Raumklima ist wohltuend, die ­ganze Stimmung viel ruhiger als ­zuvor in der Wohnung.“ Warum das so ist, erklärt der ­Grazer Wohnpsychologe Dr. ­Harald Deinsberger-Deinsweger: „Wir nehmen unsere Umwelt über unsere Sinne wahr, unter a ­ nderem visuell und haptisch.“ Durch diese Sti­muli werde unser Gehirn quasi „mit Grundnahrungsmitteln versorgt“. Während Bildschirme unsere direkte Aufmerksamkeit fordern und uns auf Dauer Energie kosten, versorgen uns natürlich gemaserte Holzflächen unterschwellig ­damit. „Was wir subtil wahrnehmen, fördert unsere Erholung. Deshalb wirkt Holz in Innenräumen sowohl entspannend als auch anregend und ist gut für kognitive Tätigkeiten aller Art.“ Wichtig für den Seelenfrieden ist jedenfalls, dass das Holzhaus ­absolut kindertauglich ist: „Gleich am dritten Tag nach dem Umzug hat unsere jüngste Tochter begonnen, die Wände mit Filzstift zu bemalen“, erinnert sich Josef Deisl. „Wir warten jetzt noch ein bisschen zu, dann schleifen wir diese Stellen einfach ab und lasieren nach.“ Die nächste Generation hat schon ihre Freude mit dem Werkstoff Holz. hhh.at tugraz.at deisl.com wohnspektrum.at

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ALBRECHT IMANUEL SCHNABEL, OLIVER WOLF FOTOGRAFIE

In Summe steht Familie Deisl eine Wohnfläche von rund 300 Quadratmetern zur Verfügung. Der Esstisch ist ein geköhlter Eichen-Monolith (vom Salzburger Tischler Stefan Knopp), sprich: Die Platte wurde in einem Stück aus dem Kern des Baumes geschnitten.


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Gabi König-Gruber und Ehemann Josef König genießen in ihrer Werkstatt in St. Radegund bei Graz die Arbeit mit Holz: „Es kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. Holz ‚atmet‘. Das ist gut fürs Raumklima.“

WISSEN

Die Summe vieler Vorteile Holzbaumeisterin Gabi König-­Gruber führt mit Ehemann Josef König in St. Radegund bei Graz einen ­Familienbetrieb mit 14 Mitarbeitern. Hier fasst sie die wichtigsten Vorteile des B ­ austoffs Holz zusammen.

1. Holz ist ein trockener, ­warmer Baustoff, mit dem man das ganze Jahr in gleichbleibender Qualität arbeiten kann. 2. Holz wird trocken ein­ gebaut. Austrocknungszeiten wie bei Beton oder Ziegel sind nicht notwendig. 3. Holz lässt sich bearbeiten. Es ist für Verarbeiter gesundheitsschonender. Auf der Baustelle werden einfache

Holzbearbeitungsmaschinen und -werkzeuge verwendet. 4. Holzbaustellen sind ­schneller fertig und ­trockener und belasten die Nachbarschaft weniger. 5. Holzwände sind in der ­Regel dünner. Bei gleichem Außenmaß ist die Wohn­ fläche größer. 6. Zum Holzbau passt Dämmmaterial auf Holz­basis, etwa Holzweichfaserplatten oder Zellulose. Der Aufbau ist ökologisch und verzichtet auf Kunststoffdämmung auf Erdölbasis. 7. Im konstruktiven Bereich arbeiten wir vor allem mit Fichte, die in heimischen Wäldern zur Genüge vor­handen ist und nachwächst. 8. Holz ist CO²-neutral. Holzhäuser sind natürliche CO²Speicher. koenig-gruber.at

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Formel 1 8. bis 10. Juli 2022

MotoGP 19. bis 21. August 2022

DTM Motorsport-Fans erleben die pure Renn-Action bei den Saisonhighlights am Red Bull Ring.

Alle Infos rund um den Spielberg gibt’s auf redbullring.com

RED BULL RING

23. bis 25. September 2022


AUCH DAS BUSINESS NIMMT HIER FAHRT AUF Die einzigartigen Räumlichkeiten für Firmenevents direkt am Red Bull Ring und an den „beflügelnden Orten“, die das Qualitätssiegel Tauroa tragen, bieten perfekten Freiraum für alle B2B-Wünsche.

eines Porsche 718 Cayman S Platz nimmst. Auch für Rollstuhlfahrer steht ­einem Fahrerlebnis im Porsche 718 Cayman S oder Porsche 718 Cayman GT4 nichts im Wege – beide Traumautos wurden komplett auf Handbedienung umgerüstet. Abgerundet wird das Programm mit ein- und mehrtägigen Fahr­ erlebnis-Events: vom Krone Ladies Race Day, bei dem die Damen sechs ver­ schiedene Stationen – vom KTM X-Bow Race Taxi über ein Lead & Follow mit aktuellen Porsche Modellen auf der Rennstrecke bis hin zu einem Fotoshooting – durchlaufen, begleitet von Instruktorinnen, die allesamt motorsporterprobt sind, bis hin zu den „Go with your Pro“-­ Veranstaltungen, bei denen Motorsportlegenden deine persönlichen Coaches sind. Also, wo­r­auf wartest du noch? Push your limits!

Porsche 718 Cayman S

Porsche 718 Cayman GT4

Motor: 4-Zylinder-Boxermotor Leistung: 350 PS Hubraum: 2497 cm³ 0–100 km/h: 4,4 Sekunden Gewicht: 1460 kg

Motor: 6-Zylinder-Boxermotor Leistung: 420 PS Hubraum: 3995 cm³ 0–100 km/h: 3,9 Sekunden Gewicht: 1525 kg

BITTE EINSTEIGEN heißt es für alle, die lieber selbst das Steuer übernehmen.

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STEIERMARK

A P P E T I TA N R E G E R

Mehr Geschmack für die Welt

STELLA, LUPI SPUMA, FLORIAN ANDERGASSEN

Neun Genuss-Pioniere aus der Steiermark machen Ernährung zum Erlebnis.

Für optimales Aroma trinkt Veronika ­Mitter­egger den Saft pur und gekühlt aus dem Weinglas.

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INNOVATOR


I N N O V AT O R REBEN - RE VOLUTION

„Ich will Traubensaft salonfähig machen“ Ohne Alkohol, aber inspirierend wie Wein – mit ihrem „Flein“ hat Veronika Mitteregger Saft neu interpretiert. Als Teenager war Veronika Mitter­ egger eine Revoluzzerin. Sie ließ die Weinberge ihrer Eltern in der Südsteiermark hinter sich, zog nach Wien, um Kommunikationswissen­ schaft und Kunst­geschichte zu stu­ dieren. Mittlerweile hat die heute 39-Jährige zwei Buben, und seit den Lockdowns genießt sie die Zeit am Land wieder mehr. Revolutio­ näre Ideen hat sie aber noch immer: Ihr Flein ist eine geschmacksinten­ sive Alternative zu Wein.

Veronika hat ihre Freunde begeistert: Die Kellerei Kurtatsch in Südtirol produziert auch Flein.

Gross & Gross sind zwei Ehepaare, die gemeinsam Wein und Flein produzieren. J ­ ohannes (re.) und Michael sind ­Vero­nikas Brüder.

INNOVATOR

the red bulletin inno­vator: Wann ist die Idee für Flein entstanden? veronika mitteregger: 2015, da war ich mit meinem zweiten Sohn schwanger. In unserer Familie gehört ein gutes Glas Wein zum ­Essen. Man redet drüber und ­genießt gemeinsam. Das ist mir schrecklich abgegangen. Ich wollte nicht mit einem Glas Wasser ab­ gespeist werden. Oder mit einem picksüßen Saft – und dachte mir: Warum kann man dem Thema Saft nicht mit der gleichen Aufmerksam­ keit begegnen wie dem Wein? Was ist besonders an Ihrem Saft? Ich habe mich erinnert, dass wir als Kinder oft durch die Weingärten­ spaziert sind und die Beeren ge­ kostet haben. Spielerisch haben uns die Eltern beigebracht, die Muskateller­beere von einer Sauvi­ gnonbeere zu unterscheiden. Ich wollte einen Saft, bei dem man wie beim Wein die Rebsorte erkennt und ein ähnliches Geschmacks­ erlebnis hat. Ein Getränk, das ich pur und gekühlt aus dem Weinglas trinke, das mir eine neue Dimension eröffnet, die es bisher im alkohol­ freien Bereich nicht gegeben hat. Wie hat Ihre Familie auf die Idee reagiert? Mein Vater war skeptisch und mein­ te, wenn’s so einfach wäre, Beeren­ aromen in einem Saft zu konservie­ ren, hätten die Obstsaftproduzenten das schon gemacht. Aber die haben nicht so hochwertige Trauben. Meine Brüder und Schwägerinnen von Gross & Gross waren sofort begeis­ tert. Ein Thema blieb, die Aromen beim Erhitzen nicht zu zerstören. Da haben wir Saftexperten zu Rate gezogen. Und beim Pressen orien­ tieren wir uns am Champagner.

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STEIERMARK S O J A - A LT E R N AT I V E Exklusive Lage: Die Trauben aus „Fleingärten“ – wie diesem hier in Gorca – werden ausschließlich für den Saft gekeltert.

Eine Sauce, die zwei Welten vereint Wenn Europa mit Asien liebäugelt, ist die japanische Sojasauce die ­perfekte Verbindung. Ihr steirisches Gegenstück kann noch mehr – und das ganz ohne Soja.

Wie kann man sich das vor­ stellen? Es geht um den Auspressungs­ grad. Wir haben uns für maximal 55 Prozent entschieden – das entspricht dem Auspressungsgrad für Champagner. Mittlerweile gibt es ja drei Flein-Produzenten aus drei Weinbauregionen. Sie ernten die Trauben aber auch früher als für den Wein, um eine höhere Säure zu bekommen. Da muss man sehr genau sein; wenn man einen Tag verschläft – etwa weil jemand in der Familie Geburts­tag hat –, dann kann es knapp ­werden mit dem ­Geschmacksbild. Und war Ihr Vater dann mit dem Endprodukt zufrieden? Er meinte, wie Sauvignon-Wein schmeckt der Flein nicht. Aber wie Saft, wenn er frisch aus der Presse rinnt. Das ist ein Erlebnis, das bisher dem Winzer vorbehalten war. Und uns ist gelungen, es ein­ zufangen. Das hat mich sehr stolz gemacht.

Peter Troißinger interpretiert klassische Sojasauce neu. Man kann sie sowohl für Sushi als auch für Schweinsbraten verwenden. Oft sind es Zufallsbegegnungen,­ die dabei helfen, innovative Ideen umzusetzen. Peter Troißinger, 35, erinnert sich noch genau, als er im Wiener Steirereck (es rangiert auf Platz 12 der weltbesten Restaurants) gearbeitet hat: „Ein Bauer brachte Mehl aus Süßlupinen vorbei und meinte, es enthalte viel Eiweiß. Damals konnte ich mit dem Produkt wenig anfangen.“ Jahre später fielen ihm die Lupi­ nen wieder ein. Er tüftelte gerade daran, so etwas wie eine Sojasauce auf Steirisch zu entwickeln. „In Europa gibt es keine vergleichbaren fermentierten Würzsaucen. Warum sollte man bei den meisten Produk­ ten auf Regionalität setzen, aber die Saucen importieren?“

Lupinen, eine heimische Bohnen­ art, haben einen ähnlichen Eiweiß­ gehalt wie Soja. Sie eignen sich als europäische Alternative, um den typischen japanischen Umami-­ Geschmack (würzig, pikant) zu erzeugen. Troißinger betreibt im Vulkanland sein 3-HaubenRestaurant und Hotel Malerwinkl, seine „Sojasauce ohne Soja“ ist ein Alleskönner. „Man kann mit meiner LupinenSauce ein Stück Japan aus heimi­ schen Produkten nachbauen“, sagt der Spitzenkoch. „Aber gleichzeitig ist sie ideal, um den Schweinsbraten­ saft zu verfeinern.“ Einmal Asien und retour mit nur einem Produkt. ferment-tastic.com

Entwickler-Trio: Peter Troißinger (Mi.) mit den Brüdern Christof (li.) und Thomas Winkler-­ Hermaden. Christof ist Kellermeister, Thomas Mikrobiologe.

Und woher kommt der Name? Das war ursprünglich ein Hilfs­ name als feine Alternative zu Wein. Es gab in Wien aber auch ein Lokal in der Nähe der amerikanischen Botschaft, das so geheißen hat. Da hatte ich die ersten Dates mit mei­ nem Mann. Das war positiv besetzt, deswegen ist es wahrscheinlich beim Flein geblieben. flein.at

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INNOVATOR


I N N O V AT O R Blaue Garnelen brutzeln in der Pfanne – eine Delikatesse, die leicht süß und nussig schmeckt.

ALM-SEAFOOD

LUPI SPUMA, DIETER BRASCH, WHITE PANTHER/WERNER KRUG

Hawaii-Garnelen machen in der Steiermark blau Warum sich die Meeres­ bewohner in der Steiermark so wohlfühlen – und wie Migrations­hintergrund Junge Garnelen sind heikel. ­unsere Genusswelt Die Kost ihrer Eltern kommt für sie nicht in Frage. „Deshalb haben wir ­bereichert.

ein eigenes Algenlabor“, sagt Stefan Weiser, Geschäftsführer von White Panther, dem GebirgsgarnelenLieferanten aus Edlach. Eigentlich wollte man die Abwärme des Holzgaskraftwerkes nutzen, deshalb entstand die Idee mit den Gebirgsgarnelen. Die Becken mit Wasser aus dem Almbach werden auf 28 Grad aufgeheizt und mit Meersalz angereichert. White Panther ist das einzige Unternehmen in Europa mit eigener Zucht. Vergleichbare Unternehmen bestellen die Larven in den USA, sie züchten die Garnelen nicht selbst.

INNOVATOR

Garnelenlarven im Netz: Sie sind heikel in der Aufzucht und brauchen spezielle Nahrung.

„Es ist ein heikler Prozess“, sagt Weiser. „Man braucht unterschiedliche Becken, muss aufpassen, dass man keine Inzucht betreibt.“ Die Idee, alles selbst zu machen, entstand aus der Not. 2017 tobten in Amerika Hurrikans, die viele Larvenfarmen zerstörten. Woher also das erste Elternpaar nehmen? „Wir wurden auf Hawaii fündig“, erzählt Weiser. „Dort haben sie uns gefragt, ob wir nicht auch die anspruchsvolle blaue Garnele ausprobieren wollen.“ Erstaunlicherweise hat sie sich in der Steiermark sofort wohlgefühlt. Der Anfang einer Erfolgs­ geschichte. whitepanther.com

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STEIERMARK NASCHEREI

„In China ist unsere FischSchokolade der absolute Renner“

Aufgegeben haben Sie sie aber trotzdem nicht? Natürlich nicht. Wir haben uns schließlich für die rote Dulse-Alge aus Irland entschieden und diese dann in eine Zuckerlösung ein­ gelegt, um ihren nussigen Eigen­ geschmack zu verstärken. Danach haben wir sie geröstet, damit sie nicht mehr nur wie ein Biss ins Meer schmeckt. So ist unser Algen­ karamell entstanden. Als süßen Kontrast habe ich dann Ananas ge­ nommen, das gibt der Schokolade eine Leichtigkeit und eine Säure.

Wer sehen möchte, wie Schoko­ lade hergestellt wird, fährt zur Fa­ milie Zotter nach Riegersburg. Josef Zotter, 61, hat die Schokofabrik 1999 gegründet, mit seiner Tochter Julia, 34, teilt er seine Begeisterung für verrückte Ideen. Nicht alle haben sich durchgesetzt. Sorten, die gefloppt sind, landen auf dem Ideen­friedhof. Symbolisch wird für sie ein Grabstein aufgestellt. the red bulletin inno­vator: Frau Zotter, was treibt Sie an, ­ungewöhnliche Schokoladen­ sorten zu erfinden? julia zotter: Für mich ist der coolste Moment, wenn ich eine Idee in den Raum werfe und alle sagen: Wie soll das gehen? Wer soll das ­essen? Bei der Algenschokolade war das zum Beispiel so. Und ganz ehrlich gesagt: Beim Probieren war eine grauslicher als die andere, weil sie extrem salzig geschmeckt haben.

Sie haben eine Filiale in Shanghai aufgebaut. Ist der Geschmack dort anders? Auf jeden Fall. In China wird zum Beispiel getrocknete Fischhaut wie Chips gegessen. Bei uns geht das gar nicht, obwohl wir die Haut der Forelle essen. In China gibt es im Unterschied zu Europa keine Schokoladentradition. Deshalb gibt es aber auch kaum Vorurteile. Was sind Ihre Bestseller in China? Dunkle Schokolade ist sehr beliebt, richtig Süßes kommt nicht so gut an. Und unsere handgeschöpfte Fischschokolade ist der absolute Renner. Dafür geht Chili-Schoko­ lade gar nicht, das verbindet man dort eher mit Salzigem, und es ruft instinktiv eine Abwehrreaktion hervor – wie die Algenschokolade bei uns. Wie wird diese Fischschokolade hergestellt? Die Basis ist eine eingekochte Forellen­suppe. Eigentlich ist die Fischschokotafel nichts anderes als ein süß interpretiertes Thai-­Gericht. In Österreich ist sie leider auf unse­ rem Ideenfriedhof gelandet. zotter.at

­ Im Huallaga-Tal im Norden ­Perus wachsen Bio-Kakao­ bohnen, die bei Zotter ­verarbeitet werden.

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ZOTTER SCHOKOLADE, JEFF MANGIONE/KURIER/PICTUREDESK.COM

Julia Zotter ist die Tochter von Schoko-Pionier Josef Zotter. Mit ihm teilt sie die Begeisterung für neue, wilde Kreationen – inklusive Röst-Algen und Fischsuppe.


I N N O V AT O R

Julia Zotter und ihr Vater Josef spielen gern mit der Schokobohne. Experimentieren liegt ihnen im Blut.


STEIERMARK KÄSE

Der Schatz aus der Silbermine Ein alter Bergwerksstollen bietet optimale Bedingungen für die Käsereifung – und lässt Killer-Bakterien Aber auch Käseliebhaber Franz keine Chance. Möstl war neugierig, was man sonst

Während der Reifung wird der Käse mit Salz­ wasser gebürstet.

Um ideal zu reifen, braucht der Käse hohe Luftfeuchtigkeit.

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almenland-stollenkaese.at

BIER

„Schwarz mit einem Schuss Milch“ Zwei junge Bierbrauer aus Kapfenberg verpassen dem Genuss-Klassiker einen neuen Twist: mit Koriander, Hanf und, ja, auch mit Milch. „Wichtig ist, dass es uns taugt“, sagt Thomas Winkler, ­besser bekannt als ein Teil von Tom & Harry – Letzterer ist Harald Kristen –, den jungen, innovativen Bierbrauern aus Kapfenberg. Begonnen hat alles 2013. Harry kam gerade von seinem Auslands­ semester in Kanada zurück und schwärmte seinem Freund von den unglaublichen Biersorten vor, die es dort gibt. Kurzerhand wurde die Waschküche in Harrys Elternhaus mit Glühweinkochern vollgestellt – erste Versuche machten Durst auf mehr. Aus dem Hobby wurde ein längst ausgezeichnetes Unterneh­ men mit wachsendem Umsatz.

INNOVATOR

ALMENLAND STOLLENKÄSE, NICOLESEISER.AT, GENUSSREICH FREILICHTMOMENTE

Damit ein Käse gut reift, braucht er eine hohe Luftfeuchtigkeit (zwi­ schen 75 und 98 Prozent) und eine konstante Temperatur (zwischen 7 und 15 Grad). Um diese idealen Bedingungen zu schaffen, werden künstliche Systeme gebaut. Außer man wohnt in A ­ rzberg, ­einem Ort im Grazer ­Bergland, der eine ehemalige Silber­mine be­ heimatet, die ganz natürlich opti­ma­ le Bedingungen für die Käse­reifung aufweist. Urkunden ­erwähnen be­ reits im 14. Jahr­hundert ein „uraltes Bergwerk“. 1927 wurden die Stollen jedoch wegen Unwirtschaftlichkeit ge­schlossen, bis das Schaubergwerk Arzberg im Jahr 1995 (wieder-)­ eröffnet wurde – als A ­ ttraktion für Touristen, die sich ein Bild davon machen wollen, wie Silber einst ­abgebaut wurde.

noch anstellen könnte mit diesen alten Stollen. „Franz war viel unter­ wegs in der Schweiz, da hat er Käse in Höhlen und Bergwerken reifen gesehen“, erzählt Schwiegertochter Cornelia Reisinger, 35, die fürs Marketing des Stollenkäses zustän­ dig ist. „Wir haben dort drin eine Luftfeuchtigkeit von 98 Prozent, ohne etwas dafür tun zu müssen, und konstante zehn Grad.“ Aber das Beste daran, den Käse­ schatz im ehemaligen Silberstollen zu lagern: „Wir hatten noch nie Probleme mit Fremdschimmel, der den Käse befallen kann. Silber wirkt nämlich antibakteriell.“ Deshalb reift der Käse in den Stollen 100 Meter tief in der Erde. Natürlich und bio­ logisch. Und sehr entspannt.


I N N O V AT O R

CIDER

Krummstiel, Maschansker und Schafnase – der Sieg der alten Helden Der beste Cider der Welt kommt aus der Steiermark – weil dafür nur die besten Äpfel verwendet werden.

Thomas Winkler (li.) und Harald Kristen brauen als Tom & Harry Bier, das sie selbst gern trinken.

Nach innovativen Sorten wie Hanfbier (aus den Blüten) experi­ mentierte Tom & Harry Brewing aber auch mit dunklem Bier. Das „kleine Schwarze mit einem Schuss Milch“, wie ihr rabenschwarzes Bier mit dem schönen Namen „Drunken Cat“ beschrieben wird, ist ein klas­ sisches Milchstout. Bisher musste man nach England reisen, um in den Genuss dieser feinen Röstaromen zu kommen, die eine spannende süße Note haben. „Durch die Zugabe von Milchzucker fühlt sich das Bier cre­ mig an und schmeckt fast wie dunk­ le Schoko­lade“, schwärmt Tom. Die Ideen gehen den steirischen Bier-Pionieren nicht aus. Gerade haben sie „Orange Utan“ vorge­ stellt, ein belgisches Weißbier mit dem Geschmack von Orangenschale und Koriander. Ein alkohol­freies Bier, das nach Früchten schmeckt, reizt sie ebenfalls. Wichtig dabei bleibt, dass es ihnen schmeckt. tomandharry.beer

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„Apfelwein war ein Getränk der armen Leute“, sagt der junge Winzer David Kargl, 32. „Bier war zu teuer, Wein gab es im Murtal nicht, also wurde aus den Äpfeln, die übrig blieben, einfach billiger Most für die Knechte gemacht.“ ­Apfelwein hatte deshalb ein schlechtes Image, das sich hart­ näckig hielt. Seit 2009 tritt Kargl mit Küh­ breinMost nun an, dies zu ändern. Er denkt altes Handwerk neu. Seine Äpfel, die er upcycelt, sind keine Ab­ fallprodukte, sondern erstklassige uralte Apfelraritäten wie Krumm­

Viel Sonnenlicht: Der südlich ausgerichtete Streuobstgarten liegt am Kühbreinhof in Gaal im Murtal auf rund 880 Meter Seehöhe.

stiel, Maschansker, Schafnase oder Champagnerrenette mit spannen­ dem Eigengeschmack. Direkt nach dem Pressen landet der Saft, der eine schöne helle Farbe hat, in temperaturgesteuerten Edelstahl­ fässern, wo er vergären und in Ruhe reifen kann.

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STEIERMARK

PILZE

Schwammerl mit Stil Bei ihm sehen Pilze wie Karfiol aus und schmecken wie Meeresfrüchte. Manuel Kahlhammer züchtet grandiose Edelpilze.

Kreatives Team: Peter Kargl, David Kargl und Beate ­Offenbacher sind die Gesichter von KühbreinMost.

Moderne Kellertechnik ist nötig, um den Charakter der Apfelsorten auch wirklich ins Glas zu bekom­ men. Dabei wird auf die gleiche Technik gesetzt wie bei edlen Weiß­ weinen. So ist es möglich, aus dem einstigen Bauerntrunk ein hochwer­ tiges Produkt zu machen. „Dass un­ ser Cider 2020 bei der Welt­meister­ schaft im englischen Norwich zu World’s Best Sparkling Cider gekürt wurde, war für uns eine schöne Be­ stätigung“, sagt David Kargl. Überzeugt haben die Jury der fruchtige Duft nach Pfirsich und Holunderblüte sowie der lang an­ haltende Geschmack am Gaumen. „Cider ist ein Türöffner. Gerade junge Leute lieben das Produkt und entdecken vielleicht auch den Apfel­wein“, sagt Kargl. Hergestellt wird ihr Cider näm­ lich aus Apfelwein, der mit Apfel­ saft verschnitten und mit Kohlen­ säure versetzt wird. So kommt der pure Apfelgeschmack ins Glas.

„Pilze sind ein Lebensmittel für die Zukunft“, sagt Manuel Kahl­ hammer. „Wir essen zu viel Fleisch – Pilze sind eine schmack­hafte Alter­native.“ 150 Kilo erntet Manuel Kahl­ hammer im Oberen Murtal jede Woche. Mit seiner Pilzmanufaktur hat er sich auf exotische Edelpilze wie Shiitake oder Austernseit­ linge spezialisiert. Kahlhammers Leidenschaft sind Pilze, die wie Kunst­werke wirken – und auch nicht nach herkömmlichen Pilzen schmecken. Der Igel-Stachelbart etwa wird auch Affenkopfpilz oder Löwenmähne genannt. „Ich finde, er sieht wie Karfiol aus, der auf einem Baum wächst“, sagt der Pilz­ experte. „Und er schmeckt leicht nach ­Meeresfrüchten.“ Seine ausgefallenen Gewächse bietet Kahlhammer zumeist auf regionalen Bauernmärkten an. Und er bringt die Leute damit zum Staunen.

Kräuterseitlinge und Shiitake aus heimischer Produktion

kuehbreinmost.at

Manuel Kahlhammer reinigt seine Pilze nach der Ernte – in der Manufaktur wird alles händisch erledigt.

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INNOVATOR


I N N O V AT O R Einer seiner Lieblinge ist der ­ ioppino, auch Samthaube genannt. P In Frankreich und Italien gilt er schon lange als Delikatesse, auch in Japan wird er gezüchtet. „Sein intensives Waldaroma erinnert an den Geschmack von Edelkastanien“, schwärmt der Pilzbauer. Die Pilze werden auch zu Pesto, Sugo, Bandnudeln, Risotto und Aufstrichen verarbeitet und über Bio-Bauern- und Delikatessenläden vermarktet. diepilzmanufaktur.at

GEMÜSE

Wellness für ­Paradeiser, Radieschen und Co

Manfred ­Hohensinner: Seine Paradeiser sprießen dank steirischem Thermalwasser.

GENUSSREICH FREILICHTMOMENTE, GRUNDNERS PILZMANUFAKTUR/SABRINA STUMMER, PHILIP PLATZER

Als Lkw-Fahrer hatte er die beste Idee seines Lebens: Frutura-Gründer Manfred Hohensinner beheizt seine Gewächshäuser mit Thermalwasser.

Eine kleine Landwirtschaft, von der niemand leben konnte: Die finanzielle Situation von Manfred Hohensinner war nicht gerade rosig. Also suchte er sich einen Nebenjob. Elf Jahre war er als LkwFahrer in Osteuropa unterwegs. ­Eine Zeit, die ihm die Augen geöffnet hat. „Ich habe die globalen Abhängigkeiten gesehen und wie verheerend wir mit unserer Umwelt umgehen“, sagt er. Ein Gedanke ließ ihn nicht mehr los: Es müsste doch möglich sein, Obst und Gemüse klimaschonend anzubauen, ohne es um den halben­ Globus zu transportieren. Vor 20 Jahren gründete er mit zwei anderen Landwirten gemeinsam die Unternehmensgruppe Frutura. Hohensinner war während der langen Fahrten auf den Autobahnen aber noch ein weiterer genialer Gedanke gekommen. „Ich bin ein

INNOVATOR

einfach denkender Mensch“, sagt der 58-Jährige. „Wir leben in einer der schönsten Thermenregion­en Österreichs, warum nutzen wir das Wasser nicht, um unser Gemüse zu beheizen?“ Anfangs wurde er belächelt. Und natürlich war es technisch sehr aufwendig, das Thermalwasser aus der Erde zu pumpen. 3500 Meter musste in die Tiefe gebohrt werden. Aber es funktionierte. Heute gibt es Wellness für Paradeiser, Radieschen und Co – und dabei geht kein Thermalwasser wie bei Thermalbädern verloren: „Wir führen das Wasser wieder zurück, und Mutter Erde wärmt es wieder auf. Es ist eine perfekte Kreislaufwirtschaft.“ Mittlerweile sind auch seine drei Kinder ins Familienunternehmen eingestiegen. Fernfahrer muss keiner mehr werden. frutura.com

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Schmeckt gut und tut gut!

Lust auf eine Auszeit? In der Steiermark nimmt man sich bewusst Zeit für die wichtigen Dinge: Produziert wird im Einklang mit der Natur, gekocht wird mit viel Hingabe und Liebe. Das schmeckt man – vom Gletscher bis zum Wein.

© Steiermark Tourismus | Wolfgang Jauk

www.steiermark.com


GUIDE

I N N O V AT O R

ES WERDE LICHT!

Graz – eine Stadt mit Leuchtkraft

27 ALEX KOCH

bis 30. Oktober Klanglicht Festival Im Herbst werden die Tage kürzer. Um den Abschied vom Sommer ein bisschen leichter zu machen, wird Graz zu einer Bühne aus Licht und Sound. Renommierte Künstler aus a ­ ller Welt schaffen magische Licht­installationen, bei denen Farben und Musik unterschiedliche Stimmungen erzeugen. klanglicht.at

INNOVATOR

Faszinierender Anblick: LichtKunstwerke, auf die wir uns freuen

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GUIDE

S A V E T H E D AT E

Auf dem Weg zu neuen Lösungen: Diskutiert wird auch in der Stadthalle Graz.

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und 10. Juni Fifteen Seconds Festival Probleme gibt es derzeit genug, packen wir sie an! Das Fifteen Seconds Festival in Graz bringt jedes Jahr kluge Köpfe zusam­ men, um an kreativen Lösungen zu arbeiten, die unsere Welt ver­ bessern: 48 Stunden Inspiration, Wissenstransfer und Networking. Diverse Locations, Graz; fifteenseconds.co/festival

Mit über 130.000 Besuchern ist das Auf­ steirern Festival in Graz die größte volks­ kulturelle Veranstaltung des Landes. Hier lässt sich hautnah erleben, wie vielfältig Volkstanz und Volksmusik sein können – von traditionellen Gruppen bis zu schrägen Crossover-Projekten. Bespielt wird die gesamte Innenstadt. Außerdem gibt es eine Handwerksmeile, die Tanzarena „2 linke Fiaß“, eine Chorbühne und den ­Kinderbereich „Kind & Kegel“. aufsteirern.at

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Juni Zukunftstag der steirischen Wirtschaft Der Zugang zu Ressourcen ist oft ungerecht ­verteilt. „Access“ ist ein Schlüsselbegriff, wenn es um unsere Zukunft geht. Wer ist dabei? Wie können wir erreichen, dass alle eine Per­ spektive haben, dass wir gleichberechtigt zusammen­leben? Am Zukunftstag der steiri­ schen Wirtschaft diskutieren dazu Experten. Messe Congress Graz; zukunftstag.st

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bis 19. Juni Springfestival Endlich wieder gemeinsam abtanzen! Das Grazer Springfestival ist ein verlässlicher Partner, wenn es um einen coolen Mix aus ­lokaler elektronischer Szene und angesagten internationalen Acts geht. Fünf T ­ age und vier Nächte lang verwandelt sich die ganze Stadt in eine Bühne für Musik, Design und Kunst. Zur Eröffnung legt der deutsche Techno-DJ Chris Liebing im Dom im Berg auf. Diverse Locations, Graz; springfestival.at

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INNOVATOR

FIFTEEN SECONDS/DOMINIC ERSCHEN, DANIEL KINDLER

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und 18. September Aufsteirern Festival


Steiermark. Das Land der

e t n e l a T

> 82.000 Unternehmen als potentielle Geschäftspartner:innen oder Arbeitgeber:innen

> 5.000

600

> 15.000

5,15%

Lehrbetriebe bieten eine Fachkräfteausbildung auf Spitzenniveau

Lehrlinge bilden den Fachkräftenachwuchs für die Anforderungen von morgen

betriebliche und universitäre Forschungseinrichtungen sorgen für ein innovatives Umfeld

Forschungsquote – dieser europäische Spitzenwert generiert jährlich rund 500 Patente

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Ansprechpartner für alle unternehmerischen Fragen: die WKO Steiermark Alle Infos unter: wko.at/stmk

Die Steiermark. Das Land der Talente. In Forschung und Entwicklung. Und bei den Fachkräften. Dafür sorgt die duale Ausbildung in mehr als 5.000 Lehrbetrieben. Beste Infrastruktur und investitionsfreundliches Klima obendrein. Die Steiermark. Lebensqualität. Unberührte Natur und unbegrenzte Freizeitmöglichkeiten. Vielfältige Kultur und beste Kulinarik. Arbeiten und Leben im beliebtesten Urlaubsziel der Österreicher:innen. © Fotocredits: dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss

Leidenschaft Möglichkeiten Ideen Entscheidungen Menschen Verantwortung Scheitern Besser scheitern Gewinnen Selbstverständlich selbständig.


GUIDE

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S A V E T H E D AT E Mai bis 12. Juni Designmonat Graz Auch beim Design wird Nachhaltigkeit immer wichtiger. Im Rahmen von Designmonat Graz geht es heuer verstärkt um die Frage, was die Kreativwirtschaft dazu beitragen kann, um den grünen Wandel voranzutreiben. Dabei ver­ändert sich auch die Rolle der Designer: Das Ich wird zugunsten des Wir in den Hintergrund treten. Neue Formen der Zusammen­arbeit sind gefragt. In Vorträgen, Aus­ stellungen und Workshops kann man sich kreativen Input holen. Das Festival ist in der ganzen Stadt präsent.

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Mai Lange Nacht der Forschung

Diverse Locations, Graz; designmonat.at

Wie geht Beamen? Welche Folgen hat der Klimawandel? Und wie funktioniert Kreis­ laufwirtschaft? Fragen wie diese werden bei der Langen Nacht der Forschung beant­ wortet. 25.000 Interessierte waren in der Steiermark zuletzt an Standorten in den Regionen Graz, Leoben und Kapfenberg dabei, um zu erfahren, worüber sich Wissenschaftler aktuell ihre Köpfe zerbrechen. Diverse Locations in der Steiermark; langenachtderforschung.at Bunte Dreibeiner beweisen in vielen Farben Standfestigkeit.

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Ein spektakulärer Hindernislauf durch das Zentrum der Stadt – beim Grazathlon müssen auf einer mehr als 10 Kilometer langen Strecke mehr als 20 Hindernisse bewältigt werden! Die kräfteraubenden Aufgaben trugen 2021 geheimnisvolle Namen wie „Ententeich“, „Bärenhang“ oder „Sofaecke“. Bei Hindernis Nummer zehn – „Vorsicht, Stufe!“ – war klar, warum es so hieß: Die 260 Stufen auf den Schlossberg mussten bewältigt werden. Ähn­ lich schweißtreibend wird der Graz­athlon auch in diesem Jahr werden. Start ist um 14 Uhr. Start und Ziel: Eventarena Augarten; beatthecity.at/egrazathlon

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LICHTBILDER, GEPA PICTURES

Juni Grazathlon

Im Landeanflug: eine Teilnehmerin beim Bagjump im vergangenen Jahr

INNOVATOR


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Viel Platz für Erholung: Nur 20 Prozent Leobens sind verbaut. Der Rest ist Wald und Wiese.

[1] KNAPP Von hier aus werden Logistik­ projekte rund um den Globus abgewickelt.

GRÜNES ZENTRUM DER OBERSTEIERMARK

[2] RHI MAGNESITA Der Weltmarktführer, wenn es um Feuerfestigkeit geht. [3] LIVE CONGRESS Das neue Veranstaltungszentrum wurde Anfang März eröffnet.

[5] GÖSSER Bierkultur mit über tausendjähriger Geschichte. [6] MAYR-MELNHOF HOLZ Leoben ist seit vielen Jahrzehnten Stammsitz der Unternehmens­ gruppe, gerade wird ein neues Brettsperrholzwerk gebaut. [7] AT&S Das österreichische HightechUnternehmen baut in Leoben weiter aus. 500 Millionen Euro fließen in das neue Forschungs­ zentrum, 700 neue Arbeitsplätze werden so entstehen. [8] VOESTALPINE Hier wird die längste Schiene der Welt erzeugt. Der neue Fokus liegt auf umweltfreundlichen Techno­ logien für die Stahlerzeugung.

Warum grad Leoben so ein fruchtbarer Nährboden für Hightech-Unternehmen ist? Vielleicht, weil hier auch die Lebensqualität nicht zu kurz kommt. Die Montanuniversität, zukunfts­ weisende Unternehmen, der Wald und die Mur: In Leoben spielt sich das Leben in all seiner Buntheit ab. Kaum irgendwo sonst funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie so gut wie in der Montanstadt. Unternehmen ­investieren immer wieder hunderte Millionen Euro, und das Angebot an Arbeitsplätzen wächst rasant. Jenen, die wegen der attraktiven Jobs nach Leoben übersiedeln, wird so ­einiges geboten: Laufend entsteht moderner Wohnraum, fast alle Wege können mit dem Rad zurückgelegt werden.

Weil die Stadt längst international ist, wird die bilinguale Ausbildung für den Nachwuchs zukünftig schon im Kindergarten beginnen. Der historische Hauptplatz ist ein leben­ diger Treffpunkt, hier bietet die neue Event-Location Live Congress Raum für Kultur- und Business-Ver­ anstaltungen. Neben der Stadt blüht jetzt auch der Naherholungsraum dank der ­innovativen Grünraumgestaltung ­weiter auf, etwa entlang der Ufer der Mur. Urbanes Leben mitten in der Natur – so sieht moderne ­Lebensqualität aus.

leoben.at

FOTO FREISINGER

[4] MONTANUNIVERSITÄT Hier lernen und forschen Studieren­ de aus mehr als 80 Nationen. Neue Studienangebote beschäftigen sich unter anderem mit neuen klima­ schonenden Technologien.


READ IT

Schwärmen über die Steiermark: wunder­ bare Menschen in einer wunderbaren Landschaft

Eine Liebes­ erklärung an die Steiermark Dietrich Mateschitz genießt die Besuche in seiner Heimat. Was dieses Land so besonders macht, erzählt er hier.

Ein bekennender Steirer Und ich werde es mit Stolz sagen. Denn ich bin, so drücke ich das immer aus, wenn mich jemand nach meiner Bezie­ hung zur Heimat fragt, ich bin ein be­ kennender Steirer. Steirer sein, das geht auf die verschiedensten Arten. So wie Peter Rosegger, der die Liebe zur Heimat 96

Heimatbesuch Oder so wie die vielen Leute, die ich jedes Mal treffe, wenn ich auf Heimat­besuch bin: die gastfreundlichsten Wirtinnen und Wirte, die fleißigsten Bäuerinnen und Bauern, die klügsten Wissenschaft­ lerinnen und Wissenschaftler, die krea­ tivsten Künstlerinnen und Künstler, die genialsten Technikerinnen und Tech­ niker, die ehrlichsten Arbeiterinnen und Arbeiter. Leute, vor denen ich meinen Hut ziehe, allesamt. INNOVATOR

BIRGIT BENDA

I

ch lebe ja seit vielen Jahren im Exil. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich hätte es kaum besser treffen können, Salz­ burg ist gut zu mir, es ist ein großartiger Lebensmittelpunkt, ein wunderbares Zuhause, Kultur, Berge, Seen, alles da. Aber Salzburg ist nicht meine Heimat. Denn Heimat hat man nur eine im Leben. Und meine Heimat ist die Steiermark. Wenn mich jemand fragt, was ich für einer bin, werde ich immer sagen: ein Steirer.

in die einfachsten und gerade deshalb treffendsten Worte gefasst hat. So wie Arnold Schwarzenegger, der so sehr Steirer ist, dass er unseren Dialekt sogar auf Englisch beherrscht. So wie ­Jochen Rindt, der lässigste Superstar in der Geschichte des Sports, und wie Thomas­ Muster, der unbeugsamste. So wie Nikolaus Harnoncourt, bei dem sogar Mozart noch mehr nach Mozart klang, und wie Klaus Maria Brandauer, vor dem man sich in der einen Minute schreck­ lich fürchten kann und den man in der nächsten Minute umarmen möchte.


KOLUMNE

„Wenn mich jemand fragt, was ich für einer bin, werde ich immer sagen: ein Steirer.“

Und da red ich noch gar nicht von dem Gefühl, das nur der kennt, der schon einmal in einer Buschenschank mit Blick über die Hügel der Südoststeier­mark gesessen ist, vor sich auf dem Tisch einen Teller Käferbohnensalat mit Kernöl und ein Glas Muskateller.

Erzherzog-Johann-Syndrom Sie merken schon, ich tu mir ein bisschen schwer mit der Objektivität, wenn es um Angelegenheiten des Steirischen geht. Man sagt mir ja hin und wieder sogar eine Art Erzherzog-Johann-Syndrom nach. Sollte die Diagnose zutreffen, gibt es kein Krankheitsbild, mit dem ich mich wohler fühle. Viel Vergnügen beim Erkunden meiner Heimat. INNOVATOR

IMPRESSUM

Gesamtleitung Alexander Müller-Macheck, Sara Car-Varming (Stv.) Chefredaktion The Red Bulletin Andreas Rottenschlager, Andreas Wollinger (Stv.) Leitender Redakteur Innovator Steiermark Wolfgang Wieser Projektmanagement Jennifer Silberschneider Creative Director Kasimir Reimann, Erik Turek Art Direction Marion Bernert-Thomann, Miles English, Tara Thompson Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin FaustmannGoll, Cornelia Gleichweit, Birgit Benda Fotoredaktion Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.), Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör Digitalredaktion Christian Eberle-Abasolo (Ltg.), Marie-Maxime Dricot, Melissa Gordon, Lisa Hechenberger, Elena Rodriguez Angelina Head of Audio Florian Obkircher Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Publishing Management Melissa Stutz (Ltg.), Ivona Glibusic, Bernhard Schmied Managing Director Stefan Ebner Head of Media Sales & Partnerships Lukas Scharmbacher Head of Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger Projektmanagement Co-Publishing, B2B-Marketing & Communication Katrin Sigl (Ltg.), Katrin Dollenz, Thomas Hammerschmied, Teresa Kronreif (B2B), Eva Pech, Valentina Pierer, Stefan Portenkirchner (Communication), Jennifer Silberschneider, Sophia Wahl Creative Services Verena Schörkhuber-Zöhrer (Ltg.), Sara Wonka , Tanja Zimmermann, Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart Commercial Management Co-Publishing Alexandra Ita Editorial Co-Publishing Raffael Fritz (Ltg.), Gundi Bittermann, Michael Hufnagl, Alexander Klein, Irene Olorode, Mariella Reithoffer, Wolfgang Wieser Executive Creative Director Markus Kietreiber Senior Manager Creative Elisabeth Kopanz Art Direction Commercial & Co-Publishing Peter Knehtl (Ltg.), Luana Baumann-Fonseca, Silvia Druml, Erwin Edtmayer, Simone Fischer, Andreea Gschwandtner, Lisa Jeschko, Araksya Manukjan, Carina Schaittenberger, Julia Schinzel, Florian Solly, Dominik Uhl, Sophie Weidinger, Stephan Zenz Head of Direct to Consumer Business Peter Schiffer Direct to Consumer Business Marija Althajm, Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar (Abo) Retail & Special Projects Manager Klaus Pleninger Anzeigenservice Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.), Martin Brandhofer, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailovic, Sandra Maiko Krutz, Josef Mühlbacher Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.), Simone Kratochwill MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler IT Service Desk Maximilian Auerbach Operations Alice Gafitanu, Melanie Grasserbauer, Alexander Peham, Thomas Platzer Projekt Management Dominik Debriacher, Gabriela-Teresa Humer Assistant to General Management Sandra Artacker Herausgeber & Geschäftsführer Red Bull Media House Publishing Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Am Grünen Prater 3, A-1020 Wien Telefon +43 1 90221-0 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-LepperdingerStraße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN Österreich, ISSN 1995-8838 Länderredaktion Alexander Müller-Macheck Country Project Management Bernhard Schmied Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink Media Sales & Partnerships Alfred Vrej Minassian (Markenlead), Michael Baidinger, Franz Fellner, Ines Gruber, ­Wolfgang Kröll, Gabriele Matijevic-Beisteiner, Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher, Jennifer Sabejew, Johannes Wahrmann-Schär, Ellen Wittmann-Sochor, Ute Wolker, Christian Wörndle, Sabine Zölß anzeigen@at.redbulletin.com Sales Operations & Development Anna Schönauer (Ltg.), David Mühlbacher Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz Informationen zum Medieninhaber sind ständig und unmittelbar unter folgender Web-Adresse auffindbar: redbull.com/im/de_AT Kontakt redaktion@at.redbulletin.com

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN Deutschland, ISSN 2079-4258 Länderredaktion Maximilian Reich Country Project Management Nina Hahn Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei Österreich Media Sales & Partnerships Alfred Vrej Minassian (Markenlead), Michael Baidinger, Franz Fellner, Ines Gruber, ­Wolfgang Kröll, Gabriele Matijevic-Beisteiner, Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher, Jennifer Sabejew, Johannes Wahrmann-Schär, Ellen Wittmann-Sochor, Ute Wolker, Christian Wörndle, Sabine Zölß

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN Schweiz, ISSN 2308-5886 Länderredaktion Stefania Telesca Country Project Management Melissa Stutz Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei Österreich Media Sales & Brand Partnerships Christian Bürgi (Ltg.), christian.buergi@redbull.com Marcel Bannwart, marcel.bannwart@redbull.com Jessica Pünchera, jessica.puenchera@redbull.com Goldbach Publishing, Marco Nicoli, marco.nicoli@goldbach.com

In Kooperation mit Steirische Tourismus und Standortmarketing GmbH - STG

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STEIERMARK

I N N O V AT O R

Ab ins All: von Graz zum Jupiter Mission Eismonde: War da Leben? Wenn 2023 die ESAMission JUICE startet, um unser äußeres Sonnensystem zu erkunden, wird ein Grazer Messgerät an Bord sein. „Mit dem QuanteninterferenzMagnetometer sollen die Ozeane unter der eisigen Oberfläche der Jupitermonde erforscht werden“, sagt Werner Magnes vom Institut für Welt­ raumforschung der Österreichischen Akademie der Wissen­ schaften (ÖAW) in

Graz. Zwölf Jahre wird das Raumschiff unterwegs sein, um die Jupitermonde (es sind bisher 80 bekannt) zu erreichen. Dort herrschen Temperaturen von bis zu minus 160 Grad Celsius. Eine enorme Belastungsprobe für die Raumsonde, die eine wichtige Mission hat: Sie soll herausfinden, ob es lebensähnliche Strukturen in diesen Ozeanen gibt. oeaw.ac.at

NASA/JPL/DLR, AIRBUS/ MATHIAS PIKELJ

KARIN CERNY

Europa, Ganymed und Kallisto, die Jupitermonde II, III und IV, haben unter ihrer Oberfläche riesige Ozeane. Ein Grazer Messgerät wird diese erforschen.

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INNOVATOR


(c) RNPD.com. Fotos: Mathias Kniepeiss, Steiermark Tourismus/icarus.cc (3x), Harry Schiffer, www.adobestock.com

Wer sorgt mit seinem Know-how und seinen Technologien für fast 1/4 des weltweit erzeugten grünen Stroms? Wer stellt sicher, dass kontaktlos bezahlt werden kann oder Erfolge im Rennsport möglich werden? Wer bringt das „smart“ in Smartphones? Oder wer spart weltweit jedes Jahr 750 Megatonnen an CO2-Emissionen durch Technologie ein? Es sind steirische Industriebetriebe und ihre 118.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und da ist noch viel mehr ... dieindustrie.at/zukunftsmacher



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