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www.redbulletin.com

Ein fast unabh채ngiges Monatsmagazin / M채rz 2009

J체nger, smarter, kantiger

die neue formel 1 Wie ein mutiges Reglement aus Fahrern wieder Helden macht


Unser

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Bullhorn

Einmal um die Welt Wer von der „Welt von Red Bull“ spricht, kann das auch sehr geografisch meinen. Als Beleg dafür mag die vorliegende, überaus weit gereiste Ausgabe Ihres Red Bulletin dienen. Den mitteleuropäischen Winter gegen 25 sonnige Grad getauscht hat unser Autor Jan Cremer: Er besuchte Robby Naish auf Hawaii. Und heftete sich einen Tag lang an die Fersen des charismatischen 45-Jährigen, der den Surfsport mehr geprägt hat als jeder andere. Cremer: „Naish und Surfen, das ist wie Beckenbauer und Fußball … wenn der neben seiner sportlichen Karriere die Abseitsregel, die Rasenheizung und Stollenschuhe erfunden hätte.“ Ein Tag im Leben des Robby Naish, man kann sich einen ungemüt­ licheren Start für eine Weltreise vorstellen, Seite 28. Wir bleiben an Fersen, wechseln jedoch die Wirtlichkeit der Destination: Christian Schiester, einer der weltbesten Extremläufer, wird in den nächsten fünfzehn Monaten die chilenische Atacama, die ägyptische Sahara, das ­australische Outback und die chinesische Wüste Gobi durchqueren, getragen von seinen beiden Füßen und philosophisch aufgeladener Motivation. „Ich laufe jeden Tag meinem Mammut nach“, sagt er zum Beispiel, im Vorjahr tat er das ­übrigens 12.000 Kilometer lang. Mehr ab Seite 36.

Neuer Botschafter von „Wings for Life“, ab Seite 78 im Hangar-7-Interview: ParalympicsChampion Thomas Geierspichler.

Cover-illustration: I love dust; bild: imago

Die weiteren Destinationen unseres hundertseitigen aktuellen Reise­ programms sind Lissabon (Heimat der HangART-7-Künstlerin Catarina ­Patrício), Los Angeles (Sitz der Skateschuh-Company etnies), Neuseeland und Alaska (zwei der unzähligen Drehorte des unglaublichen Movies von Travis Rice), Aigle (die Schweizer Heimat des neuen Toro Rosso-Piloten ­Sébastien Buemi), Dakar (das bekanntlich nach Südamerika übersiedelt ist) und der indische Teil des Himalaja, den der Schweizer René Wildhaber mit dem Bike bereiste. Abschließender Fixpunkt jeder Red Bulletin-Weltreise ist der Hangar-7 in Salzburg, genauer dessen weltweit einzigartiges Restaurant „Ikarus“. ­Autor Herbert Völker verbrachte ein „Dinner with …“ Heinz Kinigadner, dem I­ nitiator der Stiftung „Wings for Life“, und deren neuestem Botschafter Thomas Geierspichler, Marathon-Olympiasieger im Rollstuhl: „Mit meiner Mutter werd ich tanzen, hab ich ihr versprochen, sobald ich gehen kann.“ Das gesamte Gespräch ab Seite 78.

… Post aus Ellesborough, Buckinghamshire: Sir Jackie Stewart, dreifacher Formel-1-Weltmeister, gratulierte zur ersten englisch­ sprachigen Ausgabe des Red Bulletin.

Schöne Reise! Die Redaktion

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i n h a lt

Willkommen in der Welt von Red Bull Von Norden nach Süden, von kalt nach warm.

Bullevard 08 fotos des monats

14, 15, 20 Zum Staunen 16 Pinnwand Kurz & dennoch einzigartig. 17 mein körper und ich Heath Frisby, Snowmobilist. 18 Einst & jetzt Kopfhörer im Wandel der Dekaden. 21 meine Welt Jon Favreau, Obamas Rhetorikgenie. 22 formelsammlung Die Schräglage im Eisspeedway. 24 Glückszahlen Fakten von den X Games.

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Heroes

28 Robby Naish verbringt einen Tag mit dem Red Bulletin und offenbart so manches Geheimnis. Oder wussten Sie, dass der hawaiianische Windsurf-Superstar Rinder züchtet? 34 Thomas Koch ist trotz seiner Jugend bereits gewählter Kapitän der Salzburger Eishockey-Bullen und so nebenbei auch der erfolgreichste Stürmer der Mannschaft. 36 Christian Schiester ist einer der besten Ultralangstreckenläufer der Welt. Seine neuesten Abenteuer haben mit vier Wüsten in aller Welt zu tun. 40 Catarina Patrício präsentiert ihre Werke im Rahmen des HangART-7-Kunstprogramms im Salzburger Hangar-7. Wir haben sie vorab in ihrem Atelier in Lissabon besucht. 44 Don Brown sieht nicht aus wie ein Generaldirektor, ist aber einer: Ohne seine etnies-Skateschuhe, die der Pionier entwickelt hat, kämen die Stars der Szene ganz schön ins Rutschen.

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i n h a lt

Action

48 formel-1-special Was Sie über die Saison 2009 wissen wollen (und müssen) – von A bis Z. 56 Biken bei Buddha René Wildhaber über sein MTB-Aben­ teuer im indischen Teil des Himalaja. 64 das ende eines traums Auf der drittletzten Etappe der Rallye Dakar wachte Carlos Sainz schmerzhaft auf. 68 That’s it, that’s all Making-of des besten Snowboardfilms.

More Body & Mind

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bilder: erik aeder, rick guest, f.kraeling motorsport-bild gmbh, rutgerpauw.com/red bull photofiles, sutton images

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76 Grüne Bretter Wunderschön und natürlich: die BambusWellenbretter von Gary Young. 77 Ahoi! Die besten Windsurf-Reviere auf Hawaii, präsentiert von Robby Naish. 78 Hangar-7-Interview … … mit dem neuen Wings for Life-Botschafter Thomas Geierspichler, Olympiasieger 2008 im Rollstuhl-Marathon, und WfL‑Initiator Heinz Kinigadner, einst zweifacher Motocross-Weltmeister. 81 Kart-Fahren Die richtige Ausrüstung für den Einstieg in die erste Klasse des Motorsports. 82 Unterwegs in der wüste Durch die chilenische Atacama, aus gegebenem Anlass (Christian Schiester). 84 Hot spots Was rund um die Welt los ist. 86 Die Macht der Nacht Schlaflos zwischen Melbourne und Feldbach. 94 Satire Ganz im Stil des Simplicissimus. 96 Read Bull Es schreibt: Leser Ewald Kröll. 98 Geist mit Körper Christian Ankowitschs Kolumne belebt. Red Bulletin täglich neu: www.redbulletin.com 5


leserbriefe

briefe an die redaktion (1529–1595), gefertigt von Jörg Seusenhofer zu Innsbruck 1547. Auf den trink ich jetzt ein Red Bull! Leo Schejda, per E-Mail

Nach eingehender Lektüre von Red Bulletin kam mir die Idee eines Schutzanzugs für Extremsportler, insbesondere für Skifahrer. Zugegebenermaßen ist der Anzug nicht neu, wohl aber meine Idee. Empfehlenswert wären wegen der hohen Feuchtigkeit des Schnees ständiges ausreichendes Ölen sowie der Abschluss einer Vollkaskoversicherung, da auf modernen Pisten permanent Blechschäden zu ­erwarten sind. Wofür auch die Kenntnis eines guten Spenglers nützlich sein könnte. Das von mir gezeichnete Exemplar eines Ganzkörperschutzanzugs ist das des ­berühmten Kampf-Skirennläufers Ferdinand von Tirol

In der Februarausgabe des Red Bulletin findet sich eine Darstellung des Golfschwunges, die als lustige künst­le­ri­ sche Grafik passt. Nur: Der Schwung ist kein Pendel, schon gar kein Doppelpendel; wenn schon, sind es drei ­kinematische Bewegungen (Rotation, Arme und Hände). Werner Koenne, per E-Mail Physiker erstellen Modelle, um Naturvorgänge zu beschreiben und Vorhersagen zu treffen. Berühmtes Beispiel: das Atommodell von Bohr. Elektronen fliegen nicht einfach in Kreisbahnen um den Atomkern, trotzdem kann das Bohr’sche Atommodell wichtige Experimente der Atom- und Quan­ tenphysik in einfacher Weise erklären. So ist auch das Doppelpendel nur ein Modell, das die wesentlichen Eigenschaften des Golfschwungs beschreibt, jedoch viele Details des drei­ dimensionalen Bewegungs­ ablaufs nicht berücksichtigt. Die Positionen des Golfers und des Schlägers während des

Golfschwungs können mittels Hochgeschwindigkeitsaufnahmen bestimmt werden. Während des Golfschwungs bewegt sich der Schläger nicht innerhalb einer Ebene, wie es das Doppelpendelmodell nahelegt. Die Aufnahmen zeigen, dass die Ebene, in der sich der Arm und der Schläger bewegen, innerhalb der ersten 100 Millisekun­ den des Golfschwungs rotiert. Trotzdem kann das Doppelpendelmodell die Beschleunigung und die Geschwindigkeit der Hand und des Schlägerkopfes sehr genau vorhersagen. Insbesondere stimmen die Maximalgeschwindigkeit des Schlägerkopfes und der Zeitpunkt des Auftretens der maximalen Geschwindigkeit mit Messungen aus Video- und Stroboskop­ aufnahmen überein. Dr. Thomas Schrefl Immer, wenn ich mein Frühstück in meinem Lieblingscafé in Linz zu mir nehme, lese ich Eure Zeitschrift. Eure Beiträge sind interessant und die Aufmachung Eures Journals richtig klasse. In der Dezembernummer beschreibt Ihr die Arbeit eines Künstlers, der die Bullenherde für Eure Heimstatt entworfen hat. Schön, dass es noch Journalisten

gibt, die so ausführlich die Entstehung eines Traums zum Kunstwerk beschreiben. Paolo Gelb, per E-Mail Mit Interesse habe ich Ihr ­Magazin gelesen. Ich finde es wirklich gut gemacht und freue mich schon auf die nächste Ausgabe. Allerdings hatten Sie im aktuellen Heft einen Schnitzer: Im Vorspann des Berichts über Philippe ­Petit steht, dass dieser „vor 25 Jahren die Türme des World Trade Center mit ­einem Stahlseil verband“. Dies war allerdings am 7. August 1974 und damit vor fast 35 Jahren. Reinhard Hausch, Karlsruhe

Leserbriefe an The Red Bulletin richten Sie bitte per Fax an die Nummer +43 (0)1 90221-28809, per E-Mail an leserbriefe@at.redbulletin.com oder an die Postadresse Heinrich-Collin-Straße 1, 1140 Wien. Leserreaktionen werden nur veröffentlicht, wenn sie Name, ­Adresse und Telefonnummer bzw. E‑Mail-Adresse enthalten. Die Redak­ tion behält sich Kürzungen vor, wenn es Länge und Klarheit erfordern.

l e s e r f r a g e n , w e lt m e i s t e r a n t w o r t e n

Wir fragen nach bei Claudio Caluori, vierfacher Schweizer Meister im MountainbikeDownhill und Mitglied des Organisationskomitees des Red Bull Crashed Ice in der Schweiz. Auf jede Frage antwortet der passende Weltmeister: E-Mails an weltmeisterantworten@at.redbulletin.com

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Zu Beginn stehen Gespräche mit der Stadtverwaltung am Austragungsort. Es geht um Bewilligungen, Stromverbrauch, Verkehrsumleitungen, Zuschauerkapazitäten, Lärm und Abfallbeseitigung. Rund zehn Tage vor dem Event beginnt der Aufbau der Strecke – der Abbau dauert nur vier Tage. 150 Arbeiter (5000 Mannstunden) stellen die Holz- und Stahlgerüstkonstruktionen für die Startrampe und die bis zu 45 Grad steile Rennstrecke samt eingebauten ­Hindernissen auf. Entlang der im Schnitt 500 Meter langen Eisbahn wird eine ­Bande aus Plexiglas

montiert. Auf dem Boden des Parcours werden 20 Kilo­meter Kühlschlangen verlegt, die maxi­mal minus zwölf Grad Celsius erzeugen können. Damit werden ungefähr 300.000 Liter Wasser in eine drei Zentimeter ­dicke Eisschicht verwandelt. Präpariert wird mit bis zu sieben Eismaschinen. Als begeisterter Eishockeyspieler habe ich selber an drei Red Bull Crashed IceKonkurrenzen teilgenommen (Quebec 2008 und ’09, Davos 2008). Meine beste Platzierung lag etwa um Rang 20. Mehr Weltmeister-Tipps: redbulletin.com/deinefrage/de

bild: carroux.com/Red Bull Photofiles; illustration: privat

Wie entsteht der Red Bull Crashed Ice-Kurs?


K a i n r at h s k a l e n d e r b l at t

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Bullevard Befl端geltes in kleinen Dosen.


N e w Yo r k C i t y, U SA

Flug vor Manhattan Wo üblicherweise Jogger, Basketballer, Tennisspieler und Angler die beschau­ licheren Teile ihres Tages verbringen, hatten Anfang Februar sechzehn der weltbesten Snowboarder einen Abend lang beruflich zu tun: Travis Rice, Shaun White und Co nützten eine eigens errichtete Rampe im New Yorker East River Park zunächst für einen atemberaubenden Contest (es siegte Shayne Pospisil, USA, mit einem Backside 900), ehe sie den enthusiasti­ schen Fans eine Jam Session boten (am meisten bot Shaun White). Heim­ licher Hauptdarsteller war aber die Kulisse: In die Skyline von Manhattan hatten sich niemals zuvor Snowboarder eingereiht.

Bild: François Portmann/Red Bull Photofiles

Das Video vom Big Apple Contest: redbulletin.com/bigapple/de Foto als Bildschirmschoner downloaden: redbulletin.com/fotodownload/de

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L a k e P i ru, U SA

im paradies Die Rampe, die US-Freestyler Jack Rowe hier so genussvoll austestet, steht etwas nördlich von Los Angeles in einem Funpark der besonderen Art: Red Bull Compound vereint unter anderem eine Supercross- und eine Motocross-Strecke, einen FMXPark, eine Quarterpipe, eine Schnitzelgrube und ein Mediacenter zur sofortigen Style-Analyse in sich. In Summe kommt diese Trainings- und Vergnügungsstätte (die exklusiv Red Bull-Athleten zur Verfügung steht) den Vorstellungen eines Zwei­ rad-Motorsportlers vom Paradies ziemlich nahe. Außerdem scheint sie zu funktio­ nieren: Die Red Bull Compound-Quarterpipe hat FMX-Star Ronnie Renner zu seinem 18-Meter-Hochsprung-Weltrekord inspiriert, die Einrichtungen des Parks hat Robbie Maddison zum Training für seinen Sprung zu Silvester 2008 auf den 36 Meter ­hohen Arc-de-Triomphe-Nachbau in Las Vegas g ­ enutzt, auch das ein Weltrekord. Das Video vom Jump des Jahres: redbulletin.com/maddo/de Foto als Bildschirm-Schoner downloaden: redbulletin.com/fotodownload/de


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bild: Garth Milan/Red Bull Photofiles


Heroes

Cochamó, Chile

Gaudi in patagonien Was David Lama meint, wenn er sagt, dass etwas „a Gaudi “ war? Das wissen wir jetzt: nach gemischter Flug-Fußmarsch-Anreise via München– Madrid–Santiago de Chile–Puerto Montt–Valle Cochamó in neun Kletter­ tagen im Dezember in Patagonien fünf neue Routen frei zu klettern, sich kriechend durch dichten Bambusdschungel zu kämpfen, von Tabano-­ Fliegen halb aufgefressen zu werden (und dabei selbst proviantmangel­ bedingt zu hungern). Aber zum Glück gewann im jungen Mann nicht allzu sehr der Übermut die Überhand: Nach seiner Rückkehr ins heimatliche ­Tirol rückte er zum Militärdienst ein.

Bild: Heiko Wilhelm/Red Bull Photofiles

David bloggt auf: redbulletin.com/lama/de

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b u l l e va r d

aus der presse, fertig, los!

Red Bulletin goes Minga: Der Deutschland-Start Ihres Lieblings­ magazins fiel mit der größten Sportartikelmesse Europas zusammen. Natürlich haben wir auf der ISPO ein kleines Festl gemacht. Die Fotografen schauten natürlich wieder nur auf die Bilder.

Boarder Marco Smolla kriegt gleich Post.

Sie sehen von links Stefan Glowacz (Expeditionist), Sven Kueenle (Free­ skier), Karina ­Hollekim (BASEJumperin) und Mack McKelton (Skating) beim Lesen.

credit

Phil Meyer, Schweizer Freeskier mit breitem sportlichen Horizont, beim Erweitern dessel­ bigen.

Bilder des monats aus dem abenteuerlichen Alltag unserer Leser. Einfach hochladen auf: www.redbulletin.com Jedes veröffentlichte Foto wird mit einem 30-Euro-Gutschein für den Red Bull OnlineShop belohnt! www.redbullshop.com

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Lienz Am 28. März werden beim Red Bull Snowkajak 2009 Moskau Andrey Bartenev zeigt bei der Red Bull Muin Obertauern die schnellsten Schneebahnpaddler gesucht. Martin Lugger, Red Bull Snowkajak-WM, Februar 2008

sic Academy Info Session sein Projekt „UFO’s Souvenirs“. Vera Petrova, Museum of Modern Art, Juli 2008


b u l l e va r d

1:1 Pfeffer­ spray Kommt Markus Kröll ja nicht zu nahe, ihr bissigen Biester!

bilder: flofetzter.com, flohagena.com, Christian Pondella/Red Bull Photofiles

Doppeltusch!

Wir bitten Levi LaVallee vor den Vorhang, der als Erster einen Double-Backflip mit dem Snowmobile geschafft hat – fast. Traditionell gehören die Snowmobile-Bewerbe zu den besonders spektakulären bei den ohnehin nicht wirklich faden Winter X Games in ­Aspen, Colorado. Besonderen Stellenwert hat die „Next Trick“-Wertung: Hier wird das Niveau gepusht, hier sieht man jene Tricks zum ersten Mal, an denen alle anderen künftig zu knabbern haben werden. Levi LaVallee, doppelter X-Games-Sieger 2008, hatte sich heuer den Double-Backflip vorgenommen. Daheim in der Foampit hatte er ihn schon geschafft. Natürlich war der Speed zum Fürchten, die Weite und erst recht die Höhe. Levi holte Trost und Rat bei Kumpel Travis Pastrana, der denselben Stunt einst am FMXBike quasi entjungfert hatte. Dessen Rat an ­seinen Red Bull-Kollegen: „Du musst dich reinhängen. Und wenn du weißt, dass du es kannst,

Mit im Gepäck beim Trainingslager in Südafrika hatte Red Bull BerglaufAss Markus Kröll heuer Spezielles: K.-o.-Spray mit Pfeffergeschmack. Kröll: „In der Gegend von Kapstadt gibt es viele wilde Hunde – ohne Pfefferspray hätte ich da Angst.“ Unsolide Vorbereitung will sich Kröll heuer nicht leisten, denn die Terminplanung meint es gut mit dem Tiroler: Die EM findet am 12. Juli in Telfes statt, die WMRA-LangdistanzChallenge am 10. Oktober in Söll, beides quasi vor seiner Haustür. Markus Kröll bloggt auf: redbulletin.com/kroell/de

musst du es machen.“ Der 27-jährige Ameri­ kaner ließ die Mega-Rampe auffahren, nahm mächtig Anlauf, schoss in die Höhe, die Rota­ tion schien erst zu gering, aber der Eindruck täuschte: Er schaffte die zweite Umdrehung ­locker und landete völlig plan – leider aber schon im Flachen. Diese Landung konnte kein Mensch stehen. Levi kugelte runter, harmlos zwar, aber der Trick wurde als nicht gestanden gewertet. Levi war’s wurscht: Er holte bei den anderen drei Bewerben, bei denen er antrat, noch eine silberne und zwei lederne Medaillen. Dane Ferguson, der nach Levis Disqualifikation Gold im „Next Trick“ erbte, war fertig: „Als ich gehört habe, dass Levi den Double-Backflip bringt, wollte ich zurücktreten. Der Kerl hat heute ­Geschichte geschrieben. Echt: Hut ab!“ Das Video zum Jump: redbulletin.com/levi/de

Zakopane Le-Mans-Start am Berg: Erst nach Bartlett Wie praktisch. Einfach einparken, anschnallen, 60 Metern stieg man um auf Ski und Snowboard. und schon haben wir eine geeignete Rail. L. Nazdraczew, Red Bull Straight Down, Feb. 2009 Alex de Sherbinin, Attitash Ski Resort, Dezember 2008

Berlin Box-Weltmeister Wladimir Klitschko hat im Kart Gewichtsnachteile, dafür Stärken im Zweikampf. Sören Stache, Cart Cup/Film1, Februar 2009

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kurz & dennoch einzigartig Irgendwo auf der Welt gibt es immer was zu gewinnen, und unsere Jungs und Mädels stellen sich da ganz gern in der ersten Reihe an. Bitte vor den Vorhang!

Lindsey Vonn (USA) war bei der Ski-WM in Val d’Isère höflich: Bei der Feier zum Abfahrts-WM-­ Titel verletzte sie sich an einer Champagner­ flasche und gab der Konkurrenz in den verbleibenden Bewer­ ben so eine Chance.

Sébastien Loeb (FRA) und sein monegassischer Copilot Daniel Elena begannen die heurige RallyeWM in Style: souveräner Sieg bei der Rallye in Irland, hauchdünner Erfolg in Norwegen.

Kaum war Ivan ­Cervantes (ESP) in die Red Bull-Familie aufgenommen, schenkte er ihr schon den ersten Sieg: beim Indoor-Enduro in Madrid nämlich. Jetzt führt er auch im ­Gesamtweltcup.

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Benjamin Karl (AUT) krönte sich in Südkorea zum Weltmeister im Parallelslalom – und das nach mehrwöchiger Verletzungspause, während der Karl im Red Bull Diagnostikund Trainingszentrum in Thalgau schuftete.

Gregor Schlierenzauer (AUT) heißt der souverän Führende im Skisprung-Weltcup. Der 19-jährige Tiroler hatte bei Redaktionsschluss schon zehn Saisonbewerbe gewonnen, sechs davon en suite. Zuletzt war dieses Kunststück seinem Teamkollegen Thomas Morgenstern gelungen.

bilder: carrascosa, mirjageh.com/Red Bull Photofiles, McKlein, ASP Red Bull/florian klingler, zika/red bull photofiles; illustration: dietmar kainrath

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b u l l e va r d

Mein Körper und ich

HEATH FRISBY

Das medizinische Red Bulletin, diesmal mit Freestyle-Snowmobiler Heath Frisby, 24. Dessen Umgang mit Verletzungen ist berufsbedingt pragmatisch. Narben n Arm habe ich Auf meinem rechte von einem Unfall, eine große Narbe r. Das war eine als ich achtzehn wa schichte: Jemand ziemlich heftige Ge ines Snowmobiles me hatte den Lenker regnete ziemlich abgeschnitten. Es ng. Mit meinen stark, als ich spra schuhen drehte nd Ha ­regennassen g am Griff, und ich bei der Landun e sich das Ende plötzlich entpuppt rmesserschar­ sie ra als des Lenkers s schnitt einfach fes Stück Metall. Da te mir ein Loch nz sta alles durch und es Silberdollars in von der Größe ein den rechten Arm.

Bild: Gerhard Stochl

RÜCKEN Es ist genau drei Jahre her, da brach ich mir die Wirbelsäule. Wir filmten damals bei furchtbar schlechtem Wet­ ter in Alaska beim Red Bull Fuel and Fury-Event. Am letzten Tag fand ich eine herrliche Schlucht, sicher 65 Me­ ter breit. Ich dachte echt, das könnte ich schaffen. Ich nahm Anlauf und lan­ dete perfekt – allerdings sechs Meter zu früh. Wegen der schlechten Sicht glaubte ich, ich hätte noch etwas Zeit in der Luft, also waren meine Beine auch ausgestreckt statt angezogen. Die Folgen: Ich brach mir einen Rü­ ckenwirbel und kegelte mir die Schul­ ter aus. Glück im Unglück: Ich landete auf festem Grund, und als ich mit dem Oberkörper im Schnee aufprallte, renkte sich die Schulter wieder ein. Im Spital verpassten sie mir einen Brust­ verband, den ich „Schildkrötenpan­ zer“ taufte, weil er aus dickem Plastik war und in Tarnfarbe lackiert. Sechs Monate lang musste ich mit diesem Ding herumlaufen – aber bei den X Games im Jahr darauf holte ich Bronze.

Fitness Für meinen Sport mu ss man nicht übertrieben fit sein. Rü ckblickend würde ich fast sagen, dass ich nie ­extrem fit war. Wenn ma n nach Ver­ letzungen wieder neu starten muss, dann muss man sich kö rperlich natür­ lich wieder aufbauen. Nach meinem Unfall hatte ich lange Zeit mit mei­ nem Rücken zu kämpfe n. Bei der physikalischen Thera pie erklärte man mir, warum: Bei meine m Rücken­ wirbelbruch wurden ein ige Muskeln stillgelegt, was andere Muskeln kom­ pensierten und wodu rch später die Schmerzen verursach t wurden.

Lunge Die X Games finden manchmal auf mehr als 2500 Meter Seehöhe statt, da kann einem schon bisweilen die Luft ausgehen. Das ist mir letztes Jahr passiert, und ich schwor mir: Nie wieder! Also laufe ich jetzt Stie­ gen rauf und runter, trainiere auf dem Rad, mache alle Arten von Gewichts­ training und Pilates. Knie und Knöchel Meine beiden Knie sind lädiert, und mein linker Knöchel ist auch nicht mehr in Bestform. Man wird schon bei den nor­ malen Fahrten ziemlich verbeult, weil Schneemobile keine wirklich gute Fede­ rung haben. Vor zwei Jahren im Mai, kurz nach­dem mein Rücken wieder okay war, habe ich mir ein Bein gebrochen. Das Waden­bein war zertrüm­mert, das Schienbein ebenfalls gebrochen. Kurz ­darauf schaffte ich es, mir den Knöchel gleichzeitig zu brechen und auszukegeln. 2008, eine Woche nach den X Games, habe ich ihn mir wieder gebrochen. Ins­ gesamt geht’s meinen Knien und Knö­ cheln aber viel besser, seit ich mit dem Mountain­biken begonnen habe. Mein Physio­therapeut hat mir das empfohlen, um meine Beinmuskulatur zu stärken. redbulletin.com/frisby/de

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B u l l e va r d

Einst & Jetzt

Hört, hört!

Vom U.S.-Army-Funker zum Londoner DJ: eine Zeitreise an den Ohren.

Ursprünglich wurden diese Kopfhörer von der Trimm Inc. in Libertyville (Illinois, USA) für die Funker der U.S. Army konzipiert. Die Firma war seit den 1930er Jahren mit der Entwicklung von Hörhilfen erfolgreich. Eine Er­ 18

fahrung, die sie ab dem Zweiten Weltkrieg bis 1960 für die tech­ nische Verfeinerung von Kopf­ hörern zur Verfügung stellte. Heute hat Trimm Inc. ihren Hauptsitz in North Carolina und ist auf Stromverteilungs­

produkte für Datenübertragun­ gen spezialisiert. Die Kopfhörer von seinerzeit jedenfalls waren aus Bakelit und hatten keine Polsterung. Klingt unangeneh­ mer, als es tatsächlich war – ­immerhin waren die Drähte mit

Stoff und die Edelstahlbügel mit Gummi umwickelt. Sollten Sie einen funktionierenden Radio­ apparat aus den zwanziger ­Jahren besitzen, könnten Sie diese Dinger problemlos an­ stecken und benutzen.

Bild: Theo Cook

Lauschangriff Trimm Professional, 1951


Soundangriff Sennheiser HD 25-1 II, 2009 Auf den ersten Blick scheint der Unterschied zu den Vorfahren nicht wirklich groß. Ist er aber, denn die Kopfhörer der Neuzeit, gefertigt aus ultraleichtem Plas­ tik und Metall-Legierungen, wie­ gen nur 140 Gramm (ihre Ahnen

brachten’s auf 360 Gramm). Die Kabel sind abnehm-, die Ohr­ stücke drehbar, unerlässlich für den zeitgemäßen DJ-Look. (Sie wissen schon: wo man mit nur einem Ohr in einen Kopfhörer hört.) DJ Sam Young würde nie

ohne seine Sennheisers die Turntables bedienen. „Erstens ist die Tonqualität super“, so Young. „Und sie sind zuverlässig und komfortabel.“ Young, der bei Red Bull-Partys sowie in den Londoner Clubs „Punk“, „Boujis“

und „Bungalow 8“ auflegt, steht auch auf die Coolness der guten Stücke. „Sie werden nie so heiß wie andere Modelle, unter denen man zu schwitzen beginnt.“ Futter für die Kopfhörer auf: www.redbullmusicacademyradio.com

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b u l l e va r d

Red bull island Die 15 Red Bull Air Race-Piloten ­haben die WM-Termine für heuer schon im Kalender: 17./18. April Abu Dhabi, 9./10. Mai San Diego, 13./14. Juni Windsor (CAN), 19./20. August Budapest, 12./13. September Porto und 3./4. Oktober Barcelona. Fans können sich schon einmal aufwärmen. Ein Knopfdruck, und man wird zum virtuellen Hannes Arch. Ein weiterer, und man hebt ab. Für unbegrenztes Wettkämpfen braucht man: Internet, eine Sony PlayStation 3, Fingerfertigkeit und ein ungestörtes Plätzchen auf einer Insel.

Supertalent Ante C´oric´ fand bei Red Bull Salzburg eine neue fußballerische Heimat. Bayern München, Chelsea und Barcelona wollten ihn – er entschied sich jedoch für Red Bull Salzburg. „Weil meine Mitspieler hier besser drauf sind – und weil wir in Salzburg besser und öfter trainieren“, sagt Ante C´oric´, immerhin schon elf Jahre alt. Seit Januar kickt und trickst der stürmende Mittelfeldspieler aus Zagreb in der U12. Seine Mutter und sein großer Bruder übersiedelten mit ihm nach Salzburg, sein Vater arbeitet als Red BullScout in Kroatien. Bei seinem ersten Auftritt mit den Red Bull Youngsters wurde

Ante, der in Salzburg die Schule besucht und eifrig Deutsch lernt, prompt zum besten Spieler des Turniers gewählt. Nachwuchschef Lars Sønder­ gaard: „Antes Verpflichtung unterstreicht den Stellenwert unserer Jugendarbeit. Wir wollen Red Bull Salzburg mittelfristig als Ausbildungsverein etablieren. Und die besten Talente zu uns holen – aus Österreich und ganz Europa.“ Was macht Ante, wenn er nicht gerade Tore schießt oder vorbereitet? Er jongliert mit dem Ball. Sein Rekord: 3000 Berührungen ohne Bodenkontakt. Dann wurde er müde … Das Super-Trickser-Video mit Ante: redbulletin.com/coric/de

Wien Der Künstler Florian Pfaffenberger durch- Sibiu Kein erholsamer Winterausflug. Das siegreiche Team leuchtet hier die heutige Lifestyle-Gesellschaft. aus Polen war an zwei Tagen rund 12,5 Stunden im Sattel. Stephanie Hotz, Akademie der bild. Künste, 2009 Mihai Stetcu, Red Bull 1000 Trails, Jan./Feb. 2009 20

next generation

YPD steht für young, powerful, dyna­ mic. Dahinter steckt ein Projekt für 16- bis 19-jährige Schüler/-innen. Via Internet können diese sich bei österreichischen Topunternehmen – auch Red Bull – als Ferialpraktikant/-in qualifizieren. In der Vorausscheidung gefragt: Allgemeinbildung, Haus­ verstand und Geschicklichkeit. Alle Infos unter www.YPDpeople.com

München Klettern im Team. Neben Kilian Fischhuber zeigten Angy Eiter und David Lama ihr Können. Heiko Wilhelm, Challenge the Wall, Februar 2009

bilder: helge kirchberger, PS3, Bernhard Wieland

kleiner Riese

Alle Infos: www.redbullairrace.com Best of Blogs & Video: redbulletin.com/airrace/de


b u l l e va r d

Meine Welt

Jon Favreau

In Barack Obamas Reden steckt der eine oder andere Schluck Red Bull. Dafür verantwortlich: Jon Favreau, 27, wichtigster Ghostwriter des US-Präsidenten. Unter uns, Mr. Pr

Amerik

r Traum anische arack Obamas n plar vo B

ein Exem ie „Dreams Er hat stets Autobiograf er en en ese in hi 1995 ersc 008 kam di er“ dabei (2 th ischer Fa an y ik M er From ng, „Ein am zu et rs am be Ü ed .). Die R e deutscher n Markt, Anm Obama 2004 de f au “, m Trau n, die kann r Demokrate Parteitag de esweit bekannt machte, nd la g ti ar g. schlag endi Favreau ausw

es

ident Obamas legendäre Wahlk ampfrede zum Rassenthema stammt aus der Feder von Favreau und entstand auf der Basis ein es nur halbstündigen ­Telefonats. Obama und Favreau – mit 27 der jün gste Chefredenschreiber in der Geschichte des ­Weißen Hauses – gelten als enge Verbündete. Kaum jemandem bringt der neue US-Präsident mehr Vertrauen entgegen.

Nachtarbeit mit Flügeln

Wenig überraschend sind die ­ rbeitszeiten des wichtigsten ReA denschreibers des eloquentesten, dynamischsten Politikers der westlichen Welt mitunter ein wenig fordernd. Was Favreau braucht, um auch um drei Uhr früh auf Sätze wie „Yes, we can!“ (dem Vernehmen nach tatsächlich seine Idee) zu kommen? Er hat’s in einem Interview verraten: ein paar Espresso und ein, zwei Dosen Red Bull.

An der Gitarre

Hautnah mit Hillary Für, äh, Interesse sorgten einige auf Facebook gepostete Fotos, die Favreau nach Obamas Wahlsieg bei einer Thanksgiving-Feier zeigten: In sichtlich beschwingter Laune ­befummelte er die Brust einer Papp-Hillary-Clinton. Favreau ­zeigte sich danach zerknirscht – mit Erfolg: Sowohl Obama als auch Clinton nahmen seine Entschul­ digung an.

illustration: Lie-Ins and Tigers

Liebe am Arbeitsplatz

Dass in diesem Job nicht allzu viel Zeit fürs Liebesleben bleibt, leuchtet ein. Jedoch: ­Angeblich verbringt Favreau auch auffallend viel Freizeit mit Alejandra Campoverdi, Harvard-Absolventin, Mitarbeiterin im Weißen Haus und früheres Unterwäschemodel im Magazin „Maxim“.

teilte Favreau in Bis vor wenigen Monaten Fre hs unden – was nicht ­Chicago ein Haus mit sec dass immer jemand da te, hat teil zuletzt den Vor liebsten Hobby Gesellwar, um ihm bei seinem schätzt nichts mehr als u rea Fav . schaft zu leisten ions, bevorzugt „Guitar nächtelange Gaming-Sess bei: Sein Chef über­ vor nun ist ß Hero“. Der Spa Gründen nach n siedelte aus berufliche sste folgen. mu eau avr ­ F , ton ­Washing

Zwei Paar Sock

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Einer der wenigen Punkt e, in denen ­Favreau und sein Chef nicht einer Meinung sind, ist … Baseb all. Favreau ist ­Anhänger der Boston Red Sox, Obama der Chicago White Sox . Als die White Sox die Red Sox 2005 zieml ich demolierten, kannte Obama woche nlang kaum ein anderes Gesprächsthem a mit Favreau.

Was dabei rauskomm t, wenn Favreau Red Bull trinkt und Red en schreibt, lesen Sie auf: redbulletin.c om/favreau/de

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Credits


b u l l e va r d

Formelsammlung (XVIi)

total SCHRÄG

Franky Zorn, ganz cool. Beim Eisspeedway geht es nur links herum: Auf der Bahn wird gegen den Uhrzeigersinn gefahren.

Bild: rutgerpauw.com/Red Bull Photofiles; illustration: mandy fischer

Credits

„Eisspeedway“, sagt Franky Zorn, Österreichs Europameister von 2008, „das sind vier Wahnsinnige auf einer Eisbahn, mit Bikes ohne Bremsen und drei Zentimeter langen Spikes an den Reifen.“ Und was sagt die Physik? Franky Zorn führt es perfekt vor: Die größten Schräglagen im Motorradsport werden im Eisspeedway erreicht. Beifahrer ist dabei die Physik. Und damit man auf zwei Rädern durch eine Kurve fahren kann, muss man (aus Sicht des Fahrers) zwei Kräfte ins Gleichgewicht bringen: die Zentrifugalkraft FZ, die Fahrer und Bike nach außen drängt; sie hängt von der Gesamt­ masse m, dem Quadrat der Geschwindigkeit v und dem Kurven­ radius r ab. Und die Gewichtskraft FG, die proportional zur Fall­ beschleunigung wirkt (g ≈ 10 m/s²) und senkrecht nach unten zeigt. Beide Kräfte setzen am Gesamtschwerpunkt (KSP) von Fahrer und Bike an und stehen normal aufeinander. Die daraus resultierende Gesamtkraft Fges muss genau durch die Auflagefläche der Reifen zeigen, damit das Motorrad weder nach innen noch nach außen kippt. Wie stark das System Bike und Fahrer geneigt ist (Winkel ), hängt von der Fliehkraft ab und somit von Kurvenradius und Geschwindigkeit. Der springende Punkt: Gegen die Zentrifugalkraft wirkt zwi­ schen Rädern und Boden die Reibungskraft FR, auch Seitenfüh­ rungskraft genannt. Diese hängt unter anderem vom Reibungs­ koeffizienten µ ab. Die Zentrifugalkraft kann maximal so groß werden wie diese Reibungskraft, sonst fliegen Bike und Fahrer aus der Kurve. Nehmen wir den Extremfall, also FZ = FR. Nun lässt sich ein überraschend einfacher Zusammenhang zwischen ­Reibungskoeffizient und Schräglage angeben: Der maximale Neigungswinkel ist einzig vom Arkustangens des Reibungs­ koeffizienten abhängig. Normaler Gummi auf Beton hat ein µ von 0,65. Mit einem Fahrrad können Sie sich daher maximal um 33 Grad neigen. Der Extremwert für einen weichen Motorradrennreifen liegt für µ bei 1,2. Das ergibt einen Neigungswinkel von 50 Grad. Niemand liegt aber so schräg wie die Eisspeedwayfahrer. Diese neigen sich um etwa 70 Grad – da schleift schon fast der Lenker am Boden –, was einem Reibungskoeffizienten von knapp 3 ­entspricht. Das ist keine „klassische“ Reibung mehr: Die extreme Haftung wird – bei Zorn – durch 290 exakt 28 Millimeter lange Spikes ermöglicht. *Mag. DDr. Martin Apolin, 43, ist promovierter Physiker und Sportwissenschafter. Apolin arbeitet als AHS-Lehrer (Physik, Sportkunde) und Lektor am Institut für Sportwissenschaft in Wien und ist mehrfacher Buchautor.

Eisspeedway-WM 2009: 7./8. März 2009, Berlin, Deutschland (Lauf 5/6) und 14./15. März 2009, Assen, Niederlande (Lauf 7/8, Finale) Alle Formeln auf: redbulletin.com/formel/de

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B u l l e va r d

Zahlen des Monats

x games 2009

Die 13. Ausgabe der Winter X Games in Aspen ist Geschichte. Die Namen des Events: Shaun White, Travis Rice und Jenny Jones. Die Zahlen: hier.

100.000 Die Sieger in Ski- und Snowboard-Big-Air wurden nicht von Judges, sondern via SMS-Abstimmung vom TV-Publikum gekürt. Das machte vom Stimmrecht üppig Gebrauch: 100.000 Votes gingen in nur zehn Minuten ein. Die Urteile fielen eindeutig: Travis Rice holte 78 Prozent der Snowboard-Stimmen, Simon Dumont reichten 76 Prozent zum Ski-Gold.

Joe Parsons hatte eine gute Woche: Am Mittwoch wurde er 21 (und damit alt genug für einen Drink), am Donnerstag ritt er zu Gold im Snowmobile-Speedand-Style-Contest, hielt sich aber bei den Feiern dermaßen vorbildlich zurück, dass er am Freitag Gold im Freestyle Snowmobile folgen lassen konnte. Dann war allerdings Schluss mit ernst.

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Weltklasse im Sommer- wie im Wintersport: Das können nicht viele. Shaun White kann’s natürlich. Und die Französin Ophélie David, die sich in Aspen den Sieg im SkierX holte. Sommers ist die Mutter einer Tochter Montainbike-Downhillerin von Weltformat: 2008 hat sie die Mégavalanche vor der Österreicherin Birgit Braumann gewonnen. X‑GamesMedaillen für AUT und GER heuer übrigens: null.

Die heurigen X Games waren schon die 13. der Geschichte. Die Premiere ging 1997 im Big Bear Lake Resort in Kalifornien über die Bühne. Nach einem Zwischenstopp in Crested Butte, Colorado, fanden sie 2002 am Buttermilk Mountain in Aspen, Colorado, ihr endgültiges Zuhause. Die Stadt begleitet die Spiele mit Partys und Konzerten, was die Stimmung höchst tauglich gestaltet. Kein Wunder also, dass der Vertrag soeben bis 2012 verlängert wurde.

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10.000

Seinen Sieg im Freeski-Big-Air-Bewerb feierte Simon Dumont auf besondere Weise: Er spendete 10.000 Dollar für die medizinische Behandlung seines Freundes und Kameramanns Riley Poor, der sich im Januar bei einem Sturz schwer am Rücken verletzt hatte. Simons Beispiel zu folgen ist übrigens leicht möglich: cms.standstrongagain.org.

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Dass Briten nicht zwangsläufig kollabieren, sobald sie mit Schnee in Berührung kommen, bewies Jenny Jones: Die 28-Jährige aus Bristol holte im Snowboard Slopestyle das erste englische Gold der Winter-X-Games-Geschichte. Prompt stürzten Schneefälle ihr Heimatland nur wenige Tage später in ein Jahrhundertchaos.

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In 29 Disziplinen werden bei den X Games Medaillen vergeben, in Superpipes, Parks oder auf Ramps. Beim Kampf um die Medaillen, das hat sich auch heuer wieder bestätigt, ist Krea­tivität überaus nützlich. Unter den neuen Tricks wussten manche nicht zuletzt ob ihrer Bezeichnung zu beeindrucken: Jon Olssons „Kangaroo Flip“ etwa oder Danny Kass’ „Kassaroll“.

Alle X-Games-Stars, die coolsten Videos auf: redbulletin.com/xgames/de

Bild: Getty Images

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Shaun White (Foto) ist der erste Athlet in der Geschichte der Winter X Games, der einen Titel erfolgreich verteidigen konnte: Die Wiederholungstat in der Superpipe bescherte dem US-Hero, der 2003 mit 16 Jahren seinen ersten X-Games-Titel geholt hatte, auch einen zweiten Rekord. Neunmal Gold schaffte vor ihm niemand. Shauns Edelmetallsammlung ist freilich keineswegs ein­ tönig: Inklusive Silber und Bronze hat er bereits 14 Medaillen geholt.


Obst für Zwischendurch. So smooth kann Trinken sein

Happy Day Smoothie die einfachste Art, Obst bei der Arbeit zu genießen. Frisch für Sie im Kühlregal.


bild: Jody Morris/Red Bull Photofiles

Auf diesem Bild geht es weniger um Ryan Sheckler. Mehr um die Schuhe, die er tr채gt. Denn den Mann dahinter lernen Sie auf Seite 44 kennen.


Robby Naish seite 28 Thomas Koch seite 34 Christian Schiester seite 36 Catarina PatrĂ­cio seite 40 Don Brown seite 44

Heroes Helden und ihre Taten: Wer uns diesen Monat bewegt.


Name Robby Naish Geburtsdatum/-ort 23. April 1963, La Jolla, Kalifornien, USA Wohnort Maui (Hawai‘i) Segelkennung US-1111 Erfolge erstmals mit 13 Jahren (bis heute jĂźngster) Weltmeister im Windsurfen 1976, 23 Weltmeistertitel im Windsurfen zwischen 1976 und 2004, in der Hall of Fame der Professional Windsurfers Association (PWA), zweifacher Weltmeister im Kitesurfen, Rekordhalter im Speed-Kitesurfen Web www.naish.com

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Heroes

Robby Naish Zwischen Strand und Business, Buggy und Flughafen, Familien­ essen und Longhorn-Rinderzucht: ein Tag mit dem berühmtesten Surfer der Welt. Text: Jan Cremer

bild: Kolesky/SanDisk/Red Bull Photofiles

Ho‘okipa, Maui, 7:30 Uhr Schon am frühen Morgen hat es 25 Grad, die Sonne scheint aus einem tiefblauen, wolkenlosen Himmel. Entlang steiler Klippen peitscht der Passat aus Nordosten, über dem messerscharfen Riff bauen sich bis zu drei Meter hohe Wellen auf: ein perfekter Tag in Ho‘okipa, dem weltberühmten Surfspot an der Nordküste von Maui, der zweitgrößten Insel des ­Archipels Hawai‘i (wie es ganz korrekt heißt). Die Chancen stehen gut, Robby Naish an einem solchen Morgen hier zu treffen, oft schon um 6.30 Uhr. Nicht zum Training, denn an Contests nimmt der 23-fache Weltmeister nicht mehr teil, „aber die Herausforderung brauche ich immer noch“. Ebenso wie den Anspruch, immer noch einer der besten Sur­ fer der Welt zu sein – und der hält ihn fit. Robbys Gesicht erinnert nach dreißig Jahren zwischen Strand und Wasser an eine Extremsportvariante des Seewolfs, doch der Körper der mittlerweile 45-jähri­gen Surf­legende ist trainiert wie mit Anfang zwanzig. 8:00 Uhr Robby beginnt den Tag mit Wellenreiten und Standup Paddling, einer Variation des Wellenreitens mit größerem Brett und langem Paddel. Bis elf Uhr dürfen die Windsurfer nicht ins Wasser. Ho‘okipa – auf dem Parkplatz hinter dem kleinen Strandstück drängt sich ein Pick-up-Truck neben dem anderen – ist weltweit so bekannt und beliebt, dass genaue Verhaltensregeln nötig sind, um zwischen Wellenreitern, Kitesurfern und Windsurfern kein Chaos entstehen zu lassen. 29


13:00 Uhr: Hotdog von der Tankstelle.

13:30 Uhr: Blick von der Grundstücksgrenze.

13:35 Uhr: Fachmännische Rinderfütterung.

11:00 Uhr Auf den Ladeflächen der Trucks und im Sand stapeln sich immer mehr bunte Windsurfsegel, es sieht aus wie auf einem Surf-Basar. Hoch auf den Klippen verfolgen Sportfotografen und Touristen das Treiben im Wasser. Manchmal tummeln sich bis zu dreißig Windsurfer in den Wellen. Welcher von ihnen Robby Naish ist, erkennt man nicht nur wegen seines typisch rosaroten Segels: Während die meisten der Surfer – allesamt Spitzensurfer, viele von ihnen sogar Profis – mit den ungestümen, gewaltigen, unberechenbaren Wellen ihre liebe Not haben, scheint Robby wie auf Schienen zu gleiten. Nichts bringt den Ausnahmesurfer aus der Ruhe. Immer wieder steuert er die Wellen aggressiv an, reitet sie mühelos hinunter. Andere kämpfen mit den Naturgewalten – Naish spielt mit ihnen.

Pazifik enden, grasen 32 stattliche Longhorn-Rinder. „Die ersten habe ich mir als Rasenmäher angeschafft, jetzt werden es immer mehr.“ Die Longhorns sehen glücklich einem natürlichen Ende entgegen: Der Hobbyzüchter brächte es nicht übers Herz, Tiere zu verkaufen oder gar zu schlachten, „jedes einzelne ist mir ans Herz gewachsen“. Seine zweistöckige Villa betritt Robby durch eine schwere Holztüre, es öffnet sich ein hallenartiges Entree mit angeschlossener offener Küche. Die Wände des fast fünf Meter hohen Raums mit wuchtigen balinesischen Holzmöbeln sind weiß und bilderlos. Für Gemütlichkeit sorgen die auf dem Boden verteilten Spielsachen der einjährigen Christina. Wenn Dad nach Hause kommt, so sieht es das Ritual vor, muss er zunächst mit seiner blond gelockten kleinen Tochter herumtollen. Erst danach darf er seine Frau Katie begrüßen.

An der Nordküste, 13:30 Uhr Die fünfzehn Autominuten vom Surfspot nach Hause nützt Naish für Telefonate und einen Hotdog von der Tankstelle. Sein Zuhause befindet sich am Ende ­eines langen, holprigen Weges, der vom Hana Highway durch einen tropischen Wald vorbei an ein paar verstreuten Wohnhäusern führt. Durch ein mehr als zwei Meter hohes, mit asiatischen Schnitzereien ­reich verziertes elektrisches Tor gelangt man auf das Anwesen der Familie Naish. Auf den hügeligen Wiesen, die erst an den Klippen zum

14:00 Uhr Seine eigenen Lieblingsspielzeuge hat Naish neben­ an untergebracht, in der scheunengroßen Garage mit grünen Wellblechwänden. Naishs Augen leuchten, wenn er das Tor öffnet: Auf standesgemäß ­ölverschmiertem Betonboden steht ein gelber Renn­ wagen im Le-Mans-Stil, der speziell für ihn angefer­ tigt wurde. Daneben ein umgebauter ’63er-CadillacLeichenwagen und üblicherweise ein Porsche (türkis!) aus den 1980er Jahren, der ist aber gerade in der

bilder: Stephen Whitesell, erik aeder (6)

8:00 Uhr: Warm-up beim Wellenreiten.


14:00 Uhr: Im, äh, Spielzimmer …

13:50 Uhr: Mit Frau Katie und Tochter Christina.

18:30 Uhr: In Daddys Surfshop. Mit Daddy.

Werkstatt. Ein roter Strand-Buggy, ein grünes Quad, ein blauer Jet-Ski und ein orangefarbener Traktor komplettieren den Fuhrpark. Eine Ecke der Garage ist mit bunten Surfbrettern und Segeln aus den verschiedenen Jahren vollgestellt – Archiv einer einzigartigen Karriere. Der Buggy übrigens erfüllt auch einen überaus praktischen Zweck: Er ist ideal dazu geeignet, ­Besucher über das Grundstück zu führen. In hals­ brecherischem Tempo jagt der Motorsportfan Naish nur Zentimeter an den Zäunen des Anwesens vorbei und erzählt dabei von seinem Traum, hier eine ­asphaltierte Mini-Rennstrecke bauen zu lassen.

nach Maui kamen. Mit seinem braungebrannten Freund vom Neusiedlersee, dessen Deutsch mittlerweile von einem leichten amerikanischen Singsang weichgespült ist, surft Naish fast jeden Tag. Naish mag es, Freunden eine berufliche Chance zu geben und dabei nicht ihr Chef zu werden, sondern ihr Freund zu bleiben – Profit, meint er, ist nicht das Wichtigste im Geschäftsleben. „Wichtiger ist, dass ich meine Leute gut bezahlen kann und selbst genug Zeit zum Surfen habe.“ Ins Büro kommt er nur einmal in der Woche, immer dienstags. Selbst bei diesen Besuchen wird weniger gearbeitet als gescherzt. Niemand käme auf die Idee, dass hier der Boss auf Besuch ist; eher ein guter Freund, der kurz vorbeigekommen ist, um hallo zu sagen.

Naishs Firma in Haiku, 15:00 Uhr Schon früh in seiner aktiven Karriere begann Robby Naish, ein Unternehmen aufzubauen: Es heißt schlicht und einfach „Naish“ und produziert mittlerweile sehr erfolgreich Surfbretter, Segel, Kiteboards, Kites und das dazugehörige Equipment und vertreibt es in die ganze Welt. Durch eine unscheinbare, mit Prototypen von ­Segeln und Brettern vollgeräumte Lagerhalle gelangt man über eine schmale Treppe entlang nackter Holzwände in seine Büros. Die meisten der achtzehn Mitarbeiter hier sind ehemalige Wegbegleiter und Freunde. Wie der ehemalige Profiwindsurfer Michi Schweiger und dessen Frau Julia, die vor ein paar Jahren aus Österreich

Geschäft der Eltern in Kailua, 18:30 Uhr Robby Naish war fünf, als er mit seiner Familie aus La Jolla bei San Diego in Kalifornien auf die Insel O‘ahu gezogen ist, eine halbe Flugstunde von Maui entfernt. Sein Vater Rick ist leidenschaftlicher Wellenreiter, seitdem der Sport in den 1950er Jahren populär wurde. Irgendwann wollte er die ganz großen Wellen reiten und „verfrachtete“ 1968 die gesamte Familie in das Wellenparadies im Pazifik. Robby besucht seine Eltern auf der Nachbarinsel regelmäßig. Sein Weg führt direkt vom Flughafen zum elterlichen Surfshop, denn Anfang der 1980er 31


11:00 Uhr: Ho‘okipa, der Weltstar ganz in seinem Element.

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Heroes

bild: John Carter/Red Bull Photofiles

Jahre gab Naish senior seinen Job als Lehrer auf, um sich nur noch um die Herstellung von Surfbrettern zu kümmern. Gemeinsam mit seiner Frau eröffnete er dieses Surfgeschäft, in dem er jene Unikate verkaufte, die er in einem Hinterraum des Shops shapte. Bis heute stellt Rick Naish in diesem Hinterzimmer die Prototypen her, die bei Naish International weltweit in Serie gehen. Sobald Robby den großen Raum betritt, an ­des­sen Wänden und Decke alte Surfbretter, Segel, Fotos und Plakate von ihm hängen, verwandelt er sich vom Weltstar zum Sohn. Erst umarmt er seinen Vater, der mit buschigem Schnurrbart und langen grauen, zum Zopf gebundenen Haaren ­äußerlich noch immer das typische Klischee des Alt-Hippie-Surfers pflegt. Danach herzt er seine Mutter Carol, deren winzig kleine blonde Locken an die Haare ihrer Enkelin Christina erinnern. Mutter Naish kümmert sich um die Finanzen im Geschäft und gibt nebenbei Pilates-Stunden. Früher war sie mit dem drei Jahre alten Robby an der Hand auf „Free Speech“-Märschen in Kalifornien unterwegs. Ihr berühmter Sohn bevorzugt mittlerweile eher konservativere Werte. Das Haus der Eltern, 19:15 Uhr Rick und Carol Naish leben immer noch in jenem Haus, in das sie vor vierzig Jahren gezogen sind, als sie aus Kalifornien hierher kamen. Es liegt in einer Nachbarschaft mit tadellosen Häusern und perfekt gepflegten Vorgärten. Jeden Morgen ging Robby von hier aus zur Highschool, barfuß und in Badehose. Zwei Klassen über ihm besuchte ein gewisser Barack Obama den Unterricht – „lange Zeit war ich der berühmteste Schüler der Highschool … ich denke, das hat sich nun ge­ ändert“, scherzt Naish. Als er das typisch amerikanische Einfamilienhaus seiner Eltern betritt, ist es draußen schon dunkel. Das Wohnzimmer ist ein niedriger, gemütlicher Raum, ausgestaltet mit Antiquitäten aus der ganzen Welt, einem großen Sofa, die Wände in warmen Farben bemalt. Von ihm gelangt man in eine offene Küche, in der Robbys Eltern gemeinsam am Herd stehen. Neben der Küchentheke steht ein Esstisch, über zwei kleine Stufen gelangt man in einen etwas tiefer liegenden angeschlossenen Sommergarten mit zwei riesigen Sofas. Die Eltern schaffen Riesenportionen von gekochten Nudeln, Salat, Meat Balls, Huhn, Kartoffeln und Brot heran und beladen damit den Tisch. Es wird geplaudert, gescherzt und diskutiert. Einzig das unbeirrte Klingeln von Robby Naishs BlackBerry und die Gespräche über neue Boarddesigns erinnern dar­an, dass hier der wohl berühmteste Windsurfer der Welt bei seinen Eltern am Tisch sitzt. Es ist noch nicht allzu spät, als sich der Sohn verabschiedet. Er will zu Bett, denn auch am nächsten Morgen wird man ihn wieder am Strand von Ho‘okipa finden, spätestens um sieben. Robbys bestes Surf-Video, das Foto-Tagebuch unseres Hawai‘i-Trips auf: redbulletin.com/naish/de

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Heroes

Thomas Koch ist der neue Wunderknabe im österreichischen Eishockey. Seine dicke Haut und sein flinkes Hirn haben ihn dazu gemacht. Text: Peter Hofer, Bild: Oliver Gast

Name Thomas Koch Geburtsdatum/-ort 17. August 1983, Klagenfurt, Kärnten Wohnt in Salzburg Beruf Eishockey-Professional Stationen EC-KAC (1999/2000 bis 2003/04), Luleå HF 2004/05 und 05/06), EC Red Bull Salzburg (seit 2006/07) Position Center Erfolge fünffacher österreichischer Meister (dreimal mit dem EC-KAC, zweimal mit EC Red Bull Salzburg) Web www.redbulls.com

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Nur die besten Spieler einer Eishockeymannschaft verdienen sich eine Sonderbehandlung. Im Fall von Tommy Koch besteht diese darin, dass der Regisseur des EC Red Bull Salzburg von seinen Gegenspielern in jedem Match permanent provoziert und abgeklopft wird, von der ersten bis zur letzten Minute. Die Gegner wissen: Je besser sie Koch neutralisieren können, desto größer die Chancen auf Punkte. Das Pech der Gegner: Der 25-jährige Stürmer hat längst gelernt, Provokationen dieser Art wegzustecken, spielte er doch bereits mit 16 Jahren erstmals in Österreichs oberster Spielklasse. Der Schwede Lars Bergström, aktueller österreichischer Nationalcoach, hat den Klagenfurter damals in die Kampfmannschaft des KAC geholt. „Von ihm habe ich am meisten gelernt“, sagt Koch. „Er hat mir in drei ­Jahren fast alles beigebracht und erklärt.“ Unter Bergström entwickelte sich der junge Center zum Leistungs­träger und Nationalspieler. Mit neunzehn wechselte er für zwei Saisonen in die renommierte schwedische „Elitserien“ – nicht zufällig zum mittlerweile von Bergström betreuten Luleå HF in Lappland: „Eine fantastische Liga, in der ich auch gegen mein Vorbild Henrik Zetterberg spielen durfte.“ Kochs extrem mannschaftsdienliche Spielweise kam im hohen Norden gut an. Auch sein Ehrgeiz hat ihm am Polarkreis nicht geschadet, weder auf dem Eis noch außerhalb der Arena. Eine seine ersten ­Investitionen war ein Sprachlehrbuch: Im Selbst­ studium fütterte sich Koch täglich mit Vokabeln. Nach nur zwei Monaten sprach er leidlich Schwedisch, am Ende seiner Legionärszeit gab er bereits Interviews in der Landessprache. Das erste Mal übermannte der Ehrgeiz Koch mit acht, bei seinem ersten Eishockeytraining. Weil er nicht rückwärts fahren konnte, nahm er Nachhilfe bei Freunden seines Vaters, die Eis laufen konnten. „Stundenlang hab ich allein geübt, am Wörthersee. Tausende Male bin ich damals hingefallen und immer wieder aufgestanden.“ Später baute er sich im Keller ein Eishockeytor. Auf dem rutschigen Keller-

boden feilte er stundenlang an Stocktechnik und Schussgenauigkeit, bis er Blasen an den Händen ­hatte. Ein solides Fundament, das bis heute hält: Kürzlich wurde Thomas bereits zum zweiten Mal zum besten Spieler der EBEL gewählt, der mit Klubs aus Slowenien und Ungarn angereicherten österreichischen Bundesliga. Zu Recht, wie auch der Headcoach der Red Bulls Salzburg, bei denen Koch seit 2006 spielt, betont. Pierre Pagé: „Tommy hatte bislang eine fantastische Saison. Er startete schon stark, aber wurde trotzdem immer besser – und für uns immer wichtiger.“ Thomas Kochs Vorzüge sind Einsatzwille und technische Exzellenz, hohe Spielintelligenz und vor allem seine ausgeprägte Fähigkeit, ein Match zu ­lesen: „Eishockey ist sehr schnell. Du musst deshalb ebenso schnell denken. Ich schätze Situationen im Vorhinein ab, bin so immer einen Schritt voraus. Kommt der Pass, weiß ich bereits, ob ich schießen oder den Puck weiterleiten muss.“ Kochs Cleverness macht ihn zum perfekten Zweiwegstürmer, der ­sowohl im Angriff als auch in der Abwehr effizient ­arbeitet. Apropos Effizienz: Als Kapitän der Bullen agiert Koch als „Quiet Leader“: Er ist wortkarg, aber dennoch eine Führungspersönlichkeit. Derzeit ist Tommys Eishockeykunst noch für zwei weitere Jahre vertraglich an Salzburg gebunden. Doch auch er träumt davon, sich außerhalb der Grenzen seiner Heimat weiterzuentwickeln. „Natürlich würde ich eine Chance, in der NHL zu spielen, sofort ergreifen. Ich könnte mir aber auch vorstellen, in einer starken europäischen Liga wie in Schweden, der Schweiz oder der berüchtigten russischen Liga unterzukommen.“ Was Bullen-Headcoach Pagé bestätigt: „Tommy kann überall spielen, in Europa und in Nordamerika. Denn gute Spieler spielen gerne mit anderen guten Spielern, die uneigennützig spielen. Und eigensinnig ist Tommy nicht, das ist sicher.“ EBEL Play-off Halbfinale: ab 5. März 2009 Das Video: redbulletin.com/koch/de


Thomas Koch, der Leader mit der Nummer 9: Seine Kapitänsrolle basiert auf einer mannschaftsinternen Abstimmung. Was er ohne Eishockey geworden wäre? „Wahrscheinlich Turn- oder Geographielehrer.“


Heroes

Christian Schiester läuft innerhalb der nächsten fünfzehn Monate die vier härtesten Wüstenrennen der Welt. Ein fünftes gab es vorher, quasi zum Aufwärmen. Text: Robert Sperl, Bilder: Jürgen Skarwan

Name Christian Schiester Geburtsdatum/-ort 12. Mai 1967, Mautern, Steiermark, Österreich Wohnort Mautern Familienstand ledig, zwei Söhne mit seiner Lebenspartnerin Beruf Inhaber der Agentur Extreme Sport Management Erfolge zweifacher österreichischer Mannschaftsmeister (Halbmarathon, Geländelauf), 26 steirische Meistertitel; Sieg beim Himalayan 100 Mile Stage Race 2004 und beim Antarctic ­Ultra Race 2007 Web christian-schiester.com

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Das Abenteuer kommt in einem weißen BMW nach Eisenerz. Verpackt in massiven Metallkoffern, die Christian Schiester aus dem Kofferraum wuchtet und hineinschleppt ins Innerberger Gewerkschaftshaus. Leinwand, Lautsprecher, Projektor, Mischpult, Laptop, Kabel. Dazu Transparente seiner Schuhfirma und eine als Läufer kostümierte Schaufensterpuppe als Blickfang neben der Eingangstür. Im Saal gibt es eine komplette Bühneninfrastruktur, „aber ich habe lieber mein eigenes Zeug mit, damit auch wirklich alles hinhaut“, sagt Schiester, während er mit einigen Helfern seine Hardware aufbaut. Seit Tagen ist Schiesters Multimediavortrag im Ort plakatiert. Ein wärmendes Motiv aus der Wüste Sinai macht speziell jetzt neugierig: Es ist Winter, und auch wenn an diesem Vollmondabend der Föhn durch die Gassen pfeift, in Eisenerz liegt Schnee. Weit war Schiesters Anreise heute nicht: Er wohnt knapp vierzig Kilometer von Eisenerz entfernt. Hier hat er Heimvorteil, das verrät auch die Herzlichkeit, mit der er später manche Gäste begrüßt: Laufkollegen, Freunde aus der Militärzeit, alte Bekannte. Wenn die Besucher von ihm reden, sagen etliche „unser Christian“. Manche sagen: „Es wird Zeit, dass ich mir den Wahnsinnigen einmal anschau.“ Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt: Dennoch ist ein Abend inklusive Filmvorführung zu wenig, um Christian Schiester näherzukommen. Aufgewachsen im steirischen Ort Mautern, in dem er wieder mit seiner Familie wohnt. Die Geborgenheit als Kind in einer kleinen Welt kennengelernt, Matador-Spiele unterm Küchentisch, die Mutter kocht, das Radio spielt. Prägende Erlebnisse in der Pubertät, die ihn falsch abbiegen lassen. Vierzig ­Zigaretten am Tag, oft mehr als ein Bier zu viel, dreißig Kilo Übergewicht, keine Bewegung. Zwar ein krisensicherer Job bei der Post, als Amtsstellenleiter, aber null berufliche Befriedigung. Dann das Schlüsselerlebnis beim Arzt, der sich angesichts eines Ruhepulses von 93 Sorgen macht.

Und ein Nachbar, der durch Joggen zwanzig Kilo ­abgenommen hat. Schiester kauft sich Laufschuhe (die er noch immer hat), beginnt zu laufen. So konsequent er bis dahin Sport aus dem Weg gegangen war, so eifrig ist jetzt sein Drang, besser zu werden. Und er geht penibel vor. Noch heute weiß er das ­Datum seiner ersten Laufeinheit: 16. Juni 1989. Bereits 1990 startet Schiester beim New York City Marathon und kommt mit einer Zeit von knapp über drei Stunden unter die ersten tausend. Er tritt einem Leichtathletikclub bei. Es folgen steirische Meister­ titel über alle möglichen mittleren und längeren Laufdistanzen, sogar zwei Staatsmeistertitel. 2003, mit 36, will Schiester seine aktive Karriere mit einem Paukenschlag beenden: Mit einem Freund bereitet er sich auf den Marathon des Sables vor, ein Rennen durch die marokkanische Sahara. Sechs Tage, 243 Kilometer. Als sein Freund bei einem U ­ nfall stirbt, tritt Schiester alleine an, wird überraschend Zwölfter, kriegt Appetit auf diese Art von Bewerb. Jetzt ist es endgültig passiert: Aus dem übergewichtigen Beamten ist ein Endurance Racer geworden. Langstreckenlaufen ist nicht sportlicher Mainstream: Zu uneinschätzbar abstrakt ist das, was die Starter leisten. Der Mix der Teilnehmer an den Rennen tut ein Übriges: Vom voll austrainierten Profi bis zum überambitionierten Amateur ist die gesamte Bandbreite am Start. Während jene vom ersten bis zum letzten Meter Gas geben, sind diese oft auf ­einer Art Selbstfindungstrip. Schiester gehört zu jenen: 2004 gewinnt er das Himalayan 100 Mile Stage Race über 162 Kilometer und 14.000 Höhenmeter. 2006 belegt er beim Dschungel-Marathon am brasilianischen Amazonas (202 ­Kilometer) Platz drei. 2007 siegt er beim Antarctic Ultra Race über 100 Kilometer. 2008 durchquert er die Wüste Sinai, 501 Kilometer in 73:16 Stunden. Solche Strapazen bewältigt nur, wer eine gewisse Reife hat: Es gibt keine jungen Langstreckenläufer. Und wer gelernt hat, Körper und Geist geschickt ­gegeneinander auszuspielen. Dem einen schwört


Am liebsten w채re ich ein Delphin: Der ist kein reiner Fisch und kann trotzdem im Wasser leben wie ein solcher.


Heroes

Die Aufgabe im Training heißt: schlechte Muskeln zerstören, um gute aufzubauen.

Badefahrten vs. Wüstenrennen Langstreckenläufer Christian Schiester kann von seinem Sport leben, wenn auch mehr indirekt. 2007 hat er eine Agentur für Sportmanagement gegründet: „Vielleicht werde ich bald auch andere Athleten managen.“ Er hält Motivationsseminare in der Therme Bad Radkersburg ab, vor denen er den Teilnehmern alles wegnimmt – sogar das geliebte Handy –, damit sie wieder zu sich selbst finden. Und er hält Vorträge über seine Rennen, auch in Schulen: „Ich renne auch deshalb, um hinterher den Leuten Geschichten erzählen zu können.“ Beinahe wäre Schiester vor Jahren Ehrenbürger seines Heimatorts Mautern geworden. In der entscheidenden Gemeinderatssitzung unterlag er jedoch einem Gegenkandidaten. Der hatte für die Bevölkerung die runde Summe von hundert Badefahrten organisiert, per Autobus.

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Schiester, dass es nix Besonderes ist, wenn er sechs, sieben Stunden rennt, „das gehört zu mir wie Zähneputzen“. Dem anderen sagt Schiester, dass er bereit sein muss, in dem Haus, in dem er wohnt, auch Zimmer zu betreten, vor denen er sich bisher gefürchtet hat. Obwohl: „In manche Zimmer wäre ich nicht gegangen, wenn ich gewusst hätte, was dahinter ist.“ Etwa, als ihn am letzten Tag des Dschungelrennens ein Hitzschlag niederstreckt, sechs Kilometer vor dem Ziel, und er sich ins Ziel halluziniert. Schiester: „Das muss ich nicht noch einmal haben, obwohl es ein wichtiges Zeichen war. Ich kann anscheinend mit meiner Zielstrebigkeit so hin zu dem Punkt X, bis ich wirklich umfalle.“ In längeren Trainingseinheiten über vierzig, fünfzig Kilometer gelingt es Schiester inzwischen idealerweise, Körper und Geist zu trennen, „ich weiß dann oft gar nicht mehr, wo ich bin“. Schiesters Trainingsziel heißt schlicht: Zerstöre schlechte Muskulatur, um gute aufzubauen. 25 bis 35 Stunden pro Woche läuft er, 2008 waren es knapp 12.000 Kilometer. Dazu kommt ein intensives Training der Rumpfmuskulatur: Bei Langstrecken­ bewerben müssen die Teilnehmer eine definierte Notausrüstung mittragen, und dieser Rucksack wiegt bis zu zwölf Kilo. Deswegen schaut Schiester eher aus wie ein Hockeyspieler denn wie ein Läufer. Training und gute Organisation sorgen – jeweils perfekt gemacht – für jene Ruhe vor dem Start, die über Sieg und Niederlage entscheidet. So war es am Südpol: „Wie ich dort mit meinem Kälteschutzanzug aufmarschiert bin, den ich mit Hilfe von Red Bull entwickeln konnte, waren die anderen fertig. So ist das eben: Wenn du alles gemacht hast, um einen Vorteil zu haben, stehst du anders am Start, als wenn du nur einen gestrickten Pullover anhast.“ Und im Dschungel, als sein Team statt eines normalen Buschmessers ein minimal leichteres aus Titan organisierte. Ehrlich: Kann das entscheiden? Schiester: „Auch nur ein Gramm weniger macht schneller, wenn man weiß, dass man diesen Vorteil hat.“ Bleiben wir noch ein wenig im Kopf von Schiester, wo man über so manche Überraschung stolpert. Klar ist er ein Egoist. Trotzdem hat er im Dschungel des Amazonas einem englischen Konkurrenten auf einer Nachtetappe mit Batterien für die Stirnlampe ausgeholfen, obwohl das Reglement fremde

Hilfe verbietet. „Wenn ich ihn zurückgelassen hätte, wäre er nicht mehr ins Ziel gekommen. Ohne Licht bist du im Urwald verloren“, sagt Schiester. Ironie des Schicksals: „Er hat am Ende gewonnen, ich bin Dritter geworden. Auch wurscht.“ Trotz aller Perfektion steckt in Schiesters sport­ lichen Expeditionen bewusst ein Rest Ungewissheit. „Irgendwann hört diese solide Vorbereitung auf, ganz gezielt“, erklärt Schiester: „Ich habe zum Beispiel nicht geschaut, wie viele Tiere es im Dschungel gibt, die mich beißen können. Ich hab mir gedacht: Grundwissen ist da und wichtig, aber ebenso heilig ist mir diese Grundunwissenheit. Sie zwingt mich, im Ernstfall zu improvisieren. Das ist ein Schutzmechanismus, der in den letzten Jahren gut funktioniert hat.“ Auch wenn Schiester nach außen hin mit seiner drahtigen Figur und dem markanten, sonnenverbrann­ ten Gesicht ausschaut wie ein Indianer, der keinen Schmerz kennt, hat er einen weichen Charakter: Sie sollten ihn einmal bei einem traurigen Film im Kino sehen. Oder in der Wüste Sinai: „Da hab ich ein Erlebnis gehabt in einem Wadi. Gleich daneben ging es auf eine Gebirgskette, 600, 700 Höhenmeter, und ich sehe den Grat und denke mir, bist du deppert, da oben muss es schön sein. Da waren wir aber schon sechs, sieben Stunden unterwegs. Meine Begleiter, die Beduinen, haben sich gedacht, jetzt ist er übergeschnappt, wie ich da rauf bin. Von oben habe ich die Karawane gesehen, ganz klein, und da ist so ein lauer Wind hergegangen, und ich hab mir das Leiberl ausgezogen und mich gefreut und wär am liebsten nackert weitergelaufen, so befreiend war das.“ Im Dschungel hatte er solche Gefühle nicht, „das war vom ersten bis zum letzten Meter eine Schlacht“. Aber das Lässige daran war, sagt Schiester, dass der Mensch in solchen Situationen zum Tier wird: „Es dauert etwa drei Tage, da kriegst du wieder deinen Urinstinkt. Plötzlich siehst du besser, riechst besser, hörst besser. Da bist du dann wie ein Jaguar unterwegs, zumindest habe ich mir das suggeriert, ganz vorsichtig. Das ist was anderes, als wenn du einen Zehner rennst am Radlweg.“ Läuft Schiester vor etwas davon? „Das hat mich nach einem Vortrag ein Mönch auch einmal gefragt. Aber so wie sich ein Mönch in sein

Der Körper wehrt sich zuerst gegen die Anstrengung, aber ab einem gewissen Punkt sagt er, es nützt nichts, wenn ich dem Burschen mit Schmerzen zeige, dass er aufhören soll, er hört ohnehin nicht zu, also gebe ich ihm einmal das schöne Gefühl.


Dezember 2008, Christian Schiester auf dem Weg durch die Wüste Sinai: Die 501 Kilometer waren ein Test für Material (am besten sind übrigens wasserdichte Laufschuhe, die lassen auch in den sandigsten Dünen kein Körnchen durch) und Mensch („Das Training in der Sauna in Bad Radkersburg hat sich definitiv ausgezahlt“).

Kloster zurückzieht und auf diese Art sozusagen vor etwas davonläuft, ziehe ich mich ins Laufen zurück. Das ist mein Kloster, von dort her beziehe ich mei­ ne Kraft.“ Noch passender findet er das Bild, dass er etwas nachläuft: „In der Steinzeit haben die Menschen oft Tage und Wochen einem Beutetier nachgestellt, um es zu Tode zu hetzen. Das war die einzige Chance, das Tier zu erwischen. Das heißt also: Das Laufen kann der Mensch, wenn er gesund ist, es hat eine ­urtümliche Sinnhaftigkeit für ihn. Vielleicht laufe ich jeden Tag hinter meinem Mammut her.“ Das aber weit weg ist … „Es geht um die Aufgabe. Ich habe durch diesen Sport ein anderes Lebensgefühl erleben dürfen. Ich kann deshalb nicht mehr so sein, wie viele es gerne hätten, kann diese Normalität nicht mehr leben, denn wenn ich die Augen zumache, bin ich einmal im Urwald und einmal in der Antarktis und einmal im Himalaja. Als dicker Beamter würde ich heute wahrscheinlich irgendwo mit ein paar Krügel Bier sitzen. Jetzt kann ich sagen: Selbst wenn ich morgen sterben müsste – ich habe solche Plätze auf der Welt erleben dürfen, die mir keiner wegnehmen kann, auch wenn’s weh getan hat.“ Schlussapplaus im Innerberger Gewerkschaftshaus. Es wird wieder hell im Saal. Eisenerz kennt Schiester jetzt besser. Es weiß, dass er Ende März das erste Viertel seiner Wüstenrennen angeht, durch die chilenische Atacama. Dass es dann weitergeht durch die ägyptische Sahara, das australische Outback und schließlich zum Finale in die Wüste Gobi in China. Jeweils 250 Kilometer in sechs Tagen. Ist eine dieser Wüsten speziell herausfordernd?

Läufst du vor etwas davon? Mir gefällt eher das Bild, dass ich etwas nachlaufe. Schiester sagt nein: Ob Seehöhe, Sand, Geröll oder eine Mischung von allem – es gibt nichts, vor dem man sich fürchten müsse. Er freut sich sogar richtig drauf: „Dort treffen sich jetzt wirklich die komplett Wahnsinnigen, hundert haben schon genannt, so viele waren es noch nie. Das taugt mir.“ Zur finalen Herausforderung taugt das Rennen aber nicht: „Mich würde es irrsinnig reizen, einmal auf den Mond zu fliegen. Ich glaub, ich bin nicht zu alt, dass ich dort ein paar Schritte rennen kann. Der Mond ist gar nicht so weit weg, ich schau ihn mir immer an, wenn ich lauf.“ Auf dem Cover seines Buchs „Lauf ins Leben“, das im April erscheinen wird, läuft Schiester dank einer Fotomontage bereits durch die Kraterlandschaft. Der Vollmond über Eisenerz an diesem Abend weiß noch nix von seinem Glück.

Wüste mal vier Innerhalb von fünfzehn Monaten bestreitet Christian Schiester die härtesten vier Wüstenrennen der Welt, jeweils 250 Kilometer durch Atacama (Chile, ab 29. März 2009), Sahara (Ägypten, ab 25. Okto­ ber 2009), das Outback (Australien, ab 25. April 2010) und die Wüste Gobi (China, ab 27. Juni 2010). Um sich und seine Ausrüstung auf die Rennen vorzubereiten, durchquerte Schiester im Dezember 2008 die Sinai-Halbinsel. 501 Kilometer in 73:16 Stunden später war er um wertvolle Ernährungstipps der Beduinen reicher: „Braunhirse. Und dazu Datteln: Die fahren rein, da schmeißt du ­jeden Müsliriegel weg.“

Atacama Crossing: 29. März bis 3. April 2009, Chile Lauf-Videos und aktuelle Blogs von Christian Schiester auf: redbulletin.com/schiester/de

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Heroes

Catarina Patricio studiert in ihren Bildern die Verwandtschaft von Mensch und Maschine. Im Hangar-7 sind ihre Werke gemeinsam mit denen neun anderer portugiesischer Künstler ausgestellt. Text: Christian Seiler, Bilder: Manfred Klimek

Name Catarina Patrício Geburtsdatum 6. Dezember 1980 Wohnort Lissabon Beruf Künstlerin Lieblingskünstler Marcel Duchamp Lieblingswerkzeug Bleistift Lieblingsmärchen Oscar Wilde: „Der glückliche Prinz“

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Catarina Patrício hat am 6. Dezember Geburtstag, aber geplant war das anders. Ihre Mutter, hoch­ schwanger, hätte sich noch ein paar Tage bis zum geplanten Geburtstermin Zeit lassen sollen, aber dann stürzte das Flugzeug mit Francisco de Sá ­Carneiro, dem gerade erst gewählten Minister­ präsidenten Portugals, an Bord ab. 4. Dezember 1980, ein Schock für das ganze Land, das nach der Nelkenrevolution von 1974 erst kurz demokratisch regiert wurde. Ein ganz besonderer Schock für die hochschwangere Frau, denn sie kann­ te den Piloten der Unglücksmaschine. Sie kannte ihn, weil seine Frau schwanger war wie sie selbst. Diese Aufregung, Krämpfe im Bauch. Es ging dann schnell, zwei Tage später tat Catarina ihren ersten Schrei. „Es scheint“, sagt sie mit einem feinen ironischen Lächeln, „dass meine Faszination für Flugzeug­ unglücke angeboren ist.“ Blick aus dem Brennpunkt des Taschenspiegels. In Catarina Patrícios Atelier hängen große, helle Zeichnungen, auf denen eine junge Frau, ganz of­ fensichtlich Patrício selbst, im Cockpit oder auf Flü­ geln eines Flugzeugs zu sehen ist. Einmal sind die Augenlider gesenkt, ist die Fliegerbrille auf die Stirn geschoben. Einmal schweift der Blick leer in die Fer­ ne, ist der Körper verkeilt in die Enge der Technik. Einmal blitzt der Blick aus dem Brennpunkt des Ta­ schenspiegels, weil sich die Protagonistin die Lippen schminkt. Metallische Technik. Eine gewaltige ­Pistole („Star Wars“? Spielzeugladen?). „Top Gun“­Posen (ironisch!). Die Bilder sind von eigenwilligem Ausdruck. Die Figuren – meist die Künstlerin selbst, aber auch wiederkehrende Männer – sind mit Bleistift gezeich­ net, ihre Züge kühl, fast teilnahmslos, und nur an unwich­tigen Positionen tauchen Anflüge von Farbe auf, ein Rot am Kragen der Jacke, ein Grün in den Umrissen der Schuhe. Im Hintergrund regiert freilich kräftiges, flächiges Silber, manchmal komplettieren

ein Klecks Signalgelb oder Deckweiß die Komposi­ tion, dickflüssige Straßenmarkierungsfarben, die das elegante Weiß des Papiers kraftvoll aufladen. Das Atelier befindet sich in e­ inem Industrie­ komplex in Algés, etwas außerhalb der Altstadt ­Lissabons, direkt am Meer. Links und rechts haben Fischer ihre Werkstätten, wo Netze r­ epariert oder Kühlaggregate gestapelt werden. Eine Kickboxschule hat sich einquartiert, und gegenüber von Catarina ist ein älterer Mann mit ein paar H ­ unden eingezogen. Auf dem Gang steht ein Napf voller Knochen für die Viecher, die es vorziehen, sich draußen an der ­Sonne ihre Flöhe zu wärmen. Im Hafenbecken zwei verrostete Kähne. Auf den Brachen rund um die Werkstätten kugeln Autowracks herum, und weil schon früh im Jahr die ersten Früh­ lingsblumen die Wiesen gelb grundieren, herrscht am Wasser eine fast surreale Stimmung. Katastrophe und Aufbruch, wie bestellt. Denn Catarina Patrício hat „Katastrophe“ und „Aufbruch“ zu Leitmotiven ihrer Arbeit geadelt. Sie kokettiert mit Symbolen der Geschwindigkeit, mit schnellen Autos, Flugzeugen, die Überschall­ geschwindigkeit fliegen, weil denen nicht nur die ­Energie der Schnelligkeit innewohnt, sondern auch das Motiv der Gefahr, der Katastrophe, und „die ­Katastrophe ist doch die beste Voraussetzung für den Fortschritt, nicht wahr?“. Studium des Menschen, Fundament ihrer Kunst. Catarina Patrício, Tochter eines Marine­offiziers und einer Englischlehrerin, absolvierte auf ihrem Weg ins Fischeratelier solide Ausbildungen. Sie s­ tudierte am College „Fine Arts“, die „schönen K ­ ünste“, wech­ selte im Rahmen eines Erasmus-­Programms für ­sieben Monate nach Bielefeld, wo sie bei Gottfried Jäger die Grundlagen der Fotografie erlernte, sie machte ihren Master, ihren Studien­abschluss in ­Anthropologie, der „Wissenschaft vom Menschen“. Selbstverständliches Lächeln: „Ich musste mir die Fundamente für meine Kunst erwerben.“


Die Künstlerin Catarina Patrício, gemalt von der Künstlerin Catarina Patrício (Ausschnitt). Technik: Bleistift auf Papier, Buntstiftkolorierung und flächige Bearbeitung des Bilds mit glänzender Metallfarbe erfolgen später.


Heroes

P o rt u ga l z u ga st i m h a n ga r-7

am rand von europa

In der Schau „Pavilhão de Portugal“ (Portugiesischer Pavillon), die am 21. Februar 2009 eröffnet wurde, präsentieren im Rahmen der HangART-7-Ausstellungen diesmal junge portugiesische Künstler und Künstlerinnen ihre Werke. Spannende, neuartige und in Österreich noch nie gesehene Bilder: ­Keine der teilnehmenden Personen hat ­bisher außerhalb Portugals ausgestellt. Die herausstechenden Figuren der neuen portugiesischen Kunstgeneration, deren Werke in Salzburg besichtigt werden können, sind Rui Algarvio (* 1973), Pedro Amaral (* 1960), Maria Condado (* 1981), Carlos Correia (* 1975), Marcelo Costa (* 1978), ­Diogo Evangelista (* 1984), Isabelle Faria

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(* 1973), Sofia Leitão (* 1977), Marta Moura (* 1978) und Catarina Patrício (* 1980). Die Ausstellung ihrer Bilder gewährt, so die Ausstellungskuratorin Lioba Reddeker, ­„einen Einblick in die aktuelle portugiesische Malerei und Zeichnung. Portugal ist nicht nur geografisch in einer Randposi­ tion, auch der internationale Kunstmarkt schenkt dem Land kaum Beachtung. ­Unbeirrt und nur mäßig von aktuellen ­Strömungen beeinflusst, entwickeln sich eigenwillige künstlerische Œuvres. Seltsam schöne und tiefgründig durchdachte Arbeiten, die alte und neue, zeitgemäße und anachronistische Einflüsse preis­ geben, sind das Ergebnis.“ Die HangART-7-Serie setzt entschlossen das ungewöhnliche Konzept der Aus­ stellungsreihe um: nicht Positionen, die bereits bekannt und durchgesetzt sind, zu zeigen, sondern neue künstlerische Wege zu dokumentieren – und zu fördern. ­„Pavilhão de Portugal“ ist bereits die zwölfte derartige Ausstellung im Hangar-7. Öffnungszeiten: täglich 9 bis 22 Uhr. ­HangART-7 im Hangar-7: Wilhelm-SpazierStraße 7A, 5020 Salzburg.

Fundamente für die Kunst: Catarina Patrício ist keine Kunst-Künstlerin, sie rattert bei der Frage nach ihren wesentlichen Inspirationen nicht die Leipziger Schule der neo-figurativen Deutschen, nicht die Zeichnungen von Joseph Beuys herunter, sie nennt vorsichtig Francis Bacon, vielleicht auch – „ich mag seine Farben“ – David Hockney. Aber schon schüttelt sie auch wieder den Kopf: „Ich interessiere mich gar nicht besonders für Kunst.“ Sie interessiert sich für die Verwandlung dessen, was sie sieht und erfährt, in Schönheit. Großes Wort: Ihre Zeichnungen sind also nicht pure Beobachtungen, sondern so etwas wie das Kon­ zentrat aller Analysen und Überlegungen, die Cata­ rina Patrício angestellt hat, eine persönliche Philoso­ phie in Form realistischer Zeichnungen. Es läutet Catarinas Handy: Der Klingelton zaubert vertraute, dramatische Gefühle in den Raum. Die ­Titelmusik des Stanley-Kubrick-Films „2001: Odyssee im Weltraum“, das mächtige Streicher­thema von „Also sprach Zarathustra“, der pathetischen Hymne, mit der Richard Strauss den gleich­namigen Text von Friedrich Nietzsche vertont hat. Die Künstlerin gerät ins Schwärmen, sobald sie aufgelegt hat: „Kubrick. Er ist so groß, so vielschich­ tig, so außergewöhnlich.“ Sie liebe „2001“, sie liebe „A Clockwork Orange“, sie zerbreche sich gerade den Kopf darüber, wie man die Symbolik der Filme ­angemessen entschlüsseln könne.

bild: ulrichgrill.com/Red Bull Photofiles

Catarina Patrício in ihrem natürlichen Umfeld. Ihr Atelier (re. o.) befindet sich nahe Lissa­bon, wo im Februar bereits die Blumen blühen (li.). Rechts das favorisierte Werkzeug.


Hier sind Catarinas Inspirationen: „Star Wars“ – „ich liebe ,Star Wars‘“ –, wir wer­ den gleich sehen, warum. Der französische Philosoph Georges Bataille mit seinen Körpertheorien. Der amerikanische „Keine Gefangenen“-Dichter Charles Bukowski – „seine Erzählung ,The Night I Killed Tommy‘ war die Grundlage einer meiner Installationen“. Das epochale Werk „Der Ursprung der Welt“ von Gustave Courbet: die Darstellung eines Frauenaktes, für die André Masson wegen der Anstößigkeit des Motivs eine zweite, vorgeschobene Ebene malte, eine Landschaft, deren Konturen den Schenkeln des dargestellten Modells folgten – „großartig, nicht wahr?“. Wobei Catarina ehrlich gesagt vor allem die Doppelbödigkeit des Werks großartig findet, nicht seine schiere Ästhetik. Im selben Kontext bezieht sie sich auf Marcel Duchamp, „meinen Lieblingskünstler“. Duchamps Hauptwerk „Das große Glas“ betrachtet Patrício als allegorische Installation, in der sie fasziniert der ­Verbindung von Mensch und Maschine folgt, in allen Konsequenzen. Womit wir wieder bei „Star Wars“ wären und dessen Park menschlicher Maschinen. „Sind wir nicht alle melancholische Cyborgs?“, fragt Catarina. Sie deutet auf ihr Handy, den unent­ behrlichen Sprachapparat, spricht von Herzschritt­ machern, Computern und künstlichen Hüftgelenken, vom Chip mit Eigentümerinformationen, der ihrem Hund unter die Haut gepflanzt wurde. Dennoch bleibt ihr wichtigster Impulsgeber der Philosoph Paul Virilio, dessen Theorien über die Ge­ schwindigkeit – Geschwindigkeit sei die verborgene Seite der Macht und regiere in deren Auftrag die ­Gesellschaft – sich auf dramatische Weise mit der Neigung der Künstlerin verbünden, in der Geschwin­ digkeit Vorboten der unvermeidbaren Katastrophe zu erkennen. Alltäglichkeit in Schönheit verwandeln. Dass sie Talent hatte, erfuhr Catarina Patrício früh. Sie verlor sich schon als Schülerin in Welten, die sie aufzeichnete – „oft hörte ich nur ein Wort oder eine Passage Musik, und vor meinen Augen entstanden Bilder, die ich zeichnen wollte“ –, und dass diese Darstellungen dramatisches, sentimentales Potenzial hatten, wurde ihr spätestens ­bewusst, als einer ihrer Lehrer beim Anblick eines Aquarells, das sie gemalt hatte, in Tränen ausbrach: „Klar, er war ein sehr ­gefühlvoller Lehrer. Aber ich begann zu ahnen, ­welche Kraft die Kunst entfalten kann, wenn es ihr gelingt, Alltäglichkeit mit all ihren Schattenseiten in Schönheit zu verwandeln.“ Sie entschied sich für die Karriere als Künstlerin, auch wenn die portugiesische Kunstszene randstän­ dig ist, „zehn Jahre hinter dem, was in London, Paris oder New York passiert“. Catarina lernte das Handwerk, suchte nach ihrem Stil, nach ihrem Material. Leinwand, nein, Leinwand ruft nach Ölfarben, und sie kann mit dem Grundieren von Hintergründen nichts anfangen, zu schnell wird zu viel zu banal.

Achtung, Ernsthaftigkeit. Auch wenn Catarina Patrício sich gut zu inszenieren weiß, an der Ernst­ haftigkeit ihrer künstlerischen Arbeit lässt sie keinen Zweifel. Im Hintergrund das Ateliergebäude.

Papier. Papier und Bleistift. Papier, Bleistift und deckende Farben. Kompositionen, aus denen die präzise Blässe der Figuren hervorsticht, Figuren, wie etwa sie selbst. Sie stellte in Tiefgaragen aus, besorgte sich ­Genehmigungen, um im Museu do Ar, dem Luft­ fahrtsmuseum, und dem Museu de Marinha, dem Marinemuseum, Materialstudien anstellen zu ­dürfen. Holte die Welt der Technik geschickt in ihr Atelier, um sie mit den Geschichten aufzuladen, die Catarina erzählen möchte. Das Handy. Also sprach Zarathustra. HangART-7: Pavilhão de Portugal, seit 21. Februar 2009 im Hangar-7, Salzburg Mehr Culture und Party: redbulletin.com/culture/de

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Heroes

DON BROWN

ist Schuhverkäufer. Der möglicherweise coolste der Welt freilich: Ryan Sheckler und Co lassen an ihre Füße nur seine etnies. Das Skaten ist für den 42-Jährigen noch heute Lebenselixier. Text: Ruth Morgan, Bild: J. Grant Brittain

Name Don Brown Geburtsdatum/-ort 24. August 1966, Brighton, Großbritannien Erstes Skateboard Powell-Peralta-SteveCaballero-Brett mit Tracker-Six-Track-Achsen und Powell-Cubic-Rollen Größter Erfolg Freestyle-Weltmeister 1989 in Münster, Deutschland Web soletechnology.com

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Don Brown sieht nicht so aus, wie man sich einen Generaldirektor vorstellt. Sein Business-Dresscode: Shorts, T-Shirts „und freitags Badehosen“, sagt er. Somit hat sich in dieser Hinsicht relativ wenig geändert, seit Brown vor 24 Jahren England verließ, gerade mal achtzehn und mit nichts als einem Skateboard im Gepäck. Unterwegs wurde er FreestyleWeltmeister und zog eine Skateboard-Company auf, die es mittlerweile auf über 200 Millionen Dollar Jahresumsatz gebracht hat und auf eine 7000-Qua­ dratmeter-Zentrale im kalifornischen Forest Lake. Brown war zehn, als er das Skaten entdeckte. Man schrieb 1976, Urethanrollen hatten die hals­ brecherischen Clay Wheels abgelöst. Importierte USMa­gazine machten die „Dog Town“-Skater aus Santa Monica zu Berühmtheiten, Browns Heimatstadt Brighton etablierte sich zu so etwas wie Englands Dog Town. Leidenschaftlich geführte Katz-und-Maus-Spie­ le zwischen Skatern und Polizisten, zärtlich „Pigs“ genannt, gaben Brighton den Szenenamen „Pig City“. Eine Woche nach seinem 18. Geburtstag löste Brown, inzwischen eine Szenegröße, ein One-WayTicket nach San Diego. „Außer zu skaten, hatte ich keine Pläne“, erinnert er sich. Er schlief in Skateparks oder am Strand, ernährte sich von 1,99-DollarFastfood-Menüs und feilte an seinem Style, bis sein mitgebrachtes Vermögen – 300 Dollar in bar – aufgebraucht war. Brown nahm einen Job im Lager von Vision Skateboarding an. Nach drei gewonnenen AmateurContests in Folge gab ihm Vision einen Sponsor­ vertrag, der in Verbindung mit sportlichen Erfolgen – 1989 gewann er die Freestyle-Weltmeisterschaften in Münster, Deutschland – die Geldsorgen im Wesentlichen behob. Trotzdem nagte etwas in ihm: eine Ahnung, dass man in der Szene, die sein Leben geworden war, noch mehr erreichen könnte. Beginn der 1980er boomte die Skateboard-Szene, aber die Qualität der Schuhe war jämmerlich. Ein alter Freund von Brown, Pierre André Senizergues, war einer derjenigen, denen das nicht gefiel. Der

französische IBM-Ingenieur kaufte eine kleine, unbekannte Schuhfirma und begann sie unter dem Namen etnies umzukrempeln – der Name war als Verweis auf die Underground-Wurzeln der Skater„Ethnizität“ gemeint. „Aber ich brauchte einen Partner, jemanden, der ebenso begeistert ist wie ich und sich langfristig auf das Ziel einlassen will, Skateboardschuhe zu kreieren, die wirklich die Bedürfnisse von Skatern erfüllen.“ Sein Freund Don war genau der Richtige dafür. Brown stieg in den frühen 1990ern in das Unter­ nehmen ein, als sich alle großen Companys vom Skateboard-Trend abwandten. „Statt unbequemer Gummimonster wie die anderen machten wir Schuhe mit Gummieinlagen, die eine cleane Ästhetik behielten und dennoch haltbar waren.“ Top-Rider wie Rodney Mullen begannen etnies zu tragen, und auf einmal tauchte die Marke in Skater-Videos auf der ganzen Welt auf. 1993 launchten Senizergues und Brown ihre To-Lop-Trainer – eine Revolution. Geld schaute dabei aber keines heraus. „Ich komme aus kleinen Verhältnissen“, sagt Brown, „ich habe gelernt, nie aufzugeben.“ Mitte der 1990er explodierte die SkateboardSzene, dasselbe taten die Verkaufszahlen der etniesSneaker. Den Respekt der Szene hatten sich etnies freilich schon davor erworben. „Skater mögen keine Trittbrettfahrer“, sagt Skateboard-Historiker Michael Brooke, „sie vergessen es etnies nicht, dass die auch in schweren Zeiten ihr Ding durchgezogen haben.“ Ryan Sheckler ist einer der Stars, die auf etnies schwören. „Sie haben nie vergessen, wo sie herkommen“, sagt er. Ganz wie Don Brown selbst: „Ich gehe noch immer regelmäßig skaten, kriege noch immer regelmäßig Ärger mit den Bullen, lasse noch immer regelmäßig meine Haut auf Bürgersteigen aller mög­ lichen Städte auf der ganzen Welt zurück. Dabei wäre es doch mit 42 an der Zeit, erwachsen zu werden und sich einen richtigen Job zu suchen.“ Die coolsten Skateboard-Videos auf: redbulletin.com/skateboard/de


Don Brown zu einer Zeit, in der er es zum FreestyleWeltmeister brachte. Freilich noch ohne etnies.


bild: Andrew Ferraro/LAT Photographic

Jerez de la Frontera, Spanien: Sebastian Vettel und sein Dienstwagen für 2009 auf erster gemeinsamer Ausfahrt. Im neuen RB5 steckt nicht nur ein kräftigerer Renault-­ Motor (750 PS), sondern auch viel Poten­ zial: Designer Adrian Newey ist immer dann besonders kreativ, wenn das Reglement ­rigoros geändert wird – wie das für die Saison der Fall war.


Action Ganz schön was los: Was uns diesen Monat bewegt.

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Credit

Magna con heniam, sim vullam, quatum del dolore ea feum ipis incidunt nullaore te molorem cincipis acilit utat.

Action Formel 1 2009 seite 48 Himalaja per Bike seite 56 Ganz schön was los: Rallye Dakar seite 64 Was uns diesen Monat bewegt. That’s It, That’s All seite 68


Action

F1 SPECIAL

A-Z DER Formel 1 Neue Autos, neue Fahrer, neue Regeln, neues Jahr: 2009 wird komplett anders. Und das ist gut so. Unser kompletter Guide f端r die neue F1-Saison. Text: Werner Jessner und Matt Youson

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Action

A … wie Aerodynamik Flügel, Flappen, Kamine, Winglets, Deflektoren, Elefantenohren: weg mit dem Zeug! 2009 sind die ­Autos clean wie seit den frühen Neunzigern nicht. Der reglement­ bedingte Kahlschlag bei aerody­ namischen Hilfsmitteln hat nicht nur ästhetische Gründe: Gemein­ sam mit den neuen Front- und Heckspoilern reduziert er den ­Abtrieb der Autos um 50 Prozent. Die sind schwieriger zu beherr­ schen – und das ist gut für gute Fahrer und alle Zuschauer.

bilder: getty images (2), charles coates/lat photographic

… und Abu Dhabi Was heute eine glamouröse Formel-1-Strecke sein will, führt um einen Hafen, schlag nach bei Valencia, Singapur und natürlich Monaco. Abu Dhabis brandneuer Yas Marina Circuit ist am letzten Stand aktuellen Streckenbaus. Und bestätigt einen weiteren Trend: Die Formel 1 zieht ost­ wärts. Beweise? Bitte sehr: Die USA und Kanada werden gar nicht mehr besucht, Frankreich ist auch passé, die Strecke von Istanbul liegt schon in Asien. Europarennen sind ab sofort eine Minderheit.

b … wie Bernie Die Formel 1 ist voll von Men­ schen, die auf vielen Hochzeiten tanzen. Bernie Ecclestone tanzt nicht: Er ist zugleich Braut, Bräuti­ gam, Trauzeuge, Pfarrer und der Besitzer des Ballsaals. Nicht, dass Bernie den Laden F1 schupfen würde: Er kümmert sich nur drum, dass das Geld fließt und die Leute das machen, was er ihnen sagt.

Und mit was sagt er das? Mit Recht. Bernie gehört nämlich ein Teil der Formel 1. Jenen Teil, der nicht ihm gehört (sondern einem Bankenkonsortium), verwaltet er nur. Bernie hat noch nie etwas umsonst gemacht und meistens auch nichts vergeblich. Wenn er einen neuen Eigentümer für ein Team gesucht hat, hat er meistens auch einen gefunden. Mit dem Rückzug von Honda ist Bernies Leben diesbezüglich auch nicht ruhiger geworden. … und BMW Vor zwei Jahren hat BMW die ­strategische Entscheidung ge­ troffen, keinen zweiten Windkanal zu ­bauen, sondern stattdessen die Ressourcen besser in einen ­Supercomputer zu pumpen. Nun werden die erlaubten Windkanal­ stunden durch das Reglement enorm reduziert: Statt 24/7 das ganze Jahr über darf jedes Team heuer nur mehr 40 Stunden pro Woche im Windkanal forschen. Das spielt BMW in die Hände: Die Jungs in München und Hinwil (Kanton Zürich) können simulie­ ren wie kein Team sonst. Und ihr KERS soll auch schon überdurch­ schnittlich fit sein.

c … wie champagner Es gäbe eigentlich nicht viel zu ­sagen zu diesem Thema: warm, eigentlich grauslich, aber doch ­super, weil nur für die Sieger. Wird von niemandem getrunken außer von Kimi Räikkönen. In letz­ ter Zeit aber hat die Un­ sitte Schule gemacht, die rutschige Glas­ flasche vom Podium zu den Mechanikern ­runterzuwerfen. Drama­tische Unfälle nach der Zielflagge sind somit wohl nur eine Frage der Zeit.

d … wie driver dad Heute ein gängiger Beruf im Fahrerlager. Tritt in Form des ­Managers, Weltmeisters (Piquet, Rosberg) oder Fans auf. Früher undenkbar. Oder glauben Sie wirk­ lich, Gerhard Berger, James Hunt oder Eddie Irvine hätten gewollt, dass ihre Väter in den Kinder­ garten mitkommen?

e … wie Elektronik Wird aus Gründen der Show im F1Auto heute auf einen Zigaretten­ anzünder beschränkt (ausgenom­ men KERS). Traktionskontrollen und alle kreativen Abarten (Motor­ bremsen, die als eine Art Trakti­ onshilfe funktionieren) haben in der Formel 1 nichts mehr verloren.

f … wie Fernando Fernando Alonso ist schnell, bis­ sig, ehrgeizig und vielleicht der beste Allrounder in der Formel 1. Die einen lieben ihn (Großraum Spanien), die anderen verachten ihn (Großraum Großbritannien), wieder andere hätten ihn vielleicht gern (Großraum Italien): Fernando Alonso wird hartnäckig mit einem Ferrari-Cockpit ab 2010 in Ver­ bindung gebracht. Vorläufig aber sitzt er noch in einem Renault. Und vielleicht ist das gar nicht so schlecht, durften die Franzosen doch als einziges Team bei der Motorleistung nachlegen.

Kovalainen: Warmer Champagner schmeckt nicht einmal beim ersten Mal so richtig.

Fernando Alonso

… und Ferrari Unbestritten das Herz der Formel 1. Gerüchte halten sich, dass das 2009er-Auto der Italiener noch nicht am Stand der Konkurrenz sei, weil man bis zu Saisonschluss mit Volldampf am F1 2008 gear­ beitet habe, um im WM-Kampf ein Leiberl zu haben. Aber vielleicht ist das ja auch bloßes Wunsch­ denken der Gegner. ... und FOTA Die Formula One Teams Associa­ tion ist die neue laute Stimme ­aller Teams bei Verhandlungen über Regeln und Geld. Könnte ­erfolgreicher sein als alle ihre ­Vorgängerinnen – immerhin ist Ferrari erstmals mit an Bord.

g … wie grip Kommt in zwei Arten vor: mechanisch und aerodynamisch. Während Zweiteres aus der Luft kommt, die man so leitet, dass sie das Auto zu Boden drückt bezie­ hungsweise saugt, stammt me­ chanischer Grip von den Reifen am Asphalt. Die sind heuer breiter und kommen ohne diese seltsa­ men Rillen aus, die Formel-1-Autos jahrelang ihre optische Würde ­genommen haben (siehe auch ­unter R wie Reifen). Während der aerodynamische Grip heuer redu­ ziert wurde, ist mechanischer Grip dazugekommen.

h … wie Hospitality Wo früher eine einsame Kaffee­ maschine blubberte und Würst­ chen uniform im Topf kesselten, 49


Action

… und Honda Der Rückzug des japanischen Konzerns, der stets so stolz auf seine Racing-Gene war, kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Noch dazu, wo Team und Auto im Vergleich zu den letzten beiden Jahren heuer hätten deutlich ­besser aussehen sollen. Was also tun mit dem weggelegten Kind? Ein Management-Buyout rund um Teamchef Ross Brawn und Geschäftsführer Nick Fry ist noch immer im Bereich des Möglichen, detto eine Übernahme durch ­einen Außenstehenden. Dass das neue/alte Honda-Team noch kei­ nen Motorlieferanten hat, stellt dabei das geringste Problem dar. Weil die Hersteller heuer weniger

Motoren verbrauchen dürfen als in den letzten Jahren, gibt es überall Überkapazitäten. Als wahr­ scheinlichster Motorenpartner gilt Mercedes-Benz.

i … wie International. Auch wenn Montréal und MagnyCours dieses Jahr nicht mehr da­ bei sind: Dank des Neuzugangs von Abu Dhabi gibt es heuer 17 Rennen (wie schon 2007): 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Australien Malaysia China Bahrain Spanien Monaco Türkei GroSSbritannien Deutschland Ungarn Europa Belgien Italien Singapur Japan Brasilien Abu Dhabi

29. März 5. April 19. April 26. April 10. Mai 24. Mai 7. Juni 21. Juni 12. Juli 26. Juli 23. Aug. 30. Aug. 13. Sept. 27. Sept. 4. Okt. 18. Okt. 1. Nov.

J … wie Journalisten Ein lustiges Völkchen, das von Rennplatz zu Rennplatz zieht und das Leben in Saisonen und Ren­ nen statt in Jahren und Monaten misst. „Wo hast du denn diese scheußlichen Sandalen her?“ – „Kanada, 2003.“ Einer von ihnen wird ab heuer deutlich weniger zu sagen haben: Der ORF hat Heinz Prüller pensioniert, Ernst Hausleitner übernimmt.

k … wie Kubica Robert Kubica hat das Image der letzten Wildsau in der Formel 1. Keiner balanciert das Auto so am scharfen Grat wie der Pole. 2008 sah er schon sehr gut aus; als

Die Red Bull Energy Station im Paddock der F1: der erste Wirt am Platz.

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BMW den Fokus auf das 2009erAuto legte, war Schluss mit spek­ takulären Ergebnissen, und Kubi­ ca musste die zwischenzeitliche WM‑Führung abgeben. Für heuer ist er ein gar nicht so geheimer Geheimfavorit – wenn das Auto passt. Passt es nicht, würde der Italien-Fan ab 2010 einen Arbeits­ platz in Maranello anstreben, heißt es. … und KERS Heißt Kinetic Energy Recovery System und erlaubt den Teams, Energie, die beim Bremsen an­ sonsten in Wärme umgewandelt würde, zu speichern und wieder ins Auto einzuleiten. Knapp sieben Sekunden lang hat also der Fahrer einen Extra-Boost von 80 PS zur Verfügung. Es gibt zwei Arten, die Energie zu speichern: Die einen machen es mit Batterien, die an­ deren mit extrem schnell drehen­ den Schwungrädern. Wiewohl als Kostentreiber in Verruf gekom­ men, ist KERS doch eine gute ­Sache: Umweltfreundlichkeit und Energieeffizienz beginnen schon heute in der Formel 1.

l … wie Lewis Lewis Hamilton ist der jüngste F1‑Weltmeister der Geschichte. Natürlich ist er in vielem ein Pro­ dukt seines Mentors und Team­ chefs Ron Dennis. Spektakulärer als seine Interviews ist allemal seine Car-Control. Das zeigt sich vor allem im Regen: Da fühlt er sich wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser. Ob er seinen Titel wird verteidigen können, hängt vor allem von seinem Ar­ beitsgerät ab. Traut man den Auguren, sollte es ­daran nicht scheitern: Der Silber­ pfeil mit der Nummer 1 gilt frisch vom Reißbrett weg als großer Wurf.

bilder: gepa pictures, getty images, lat photographic

bewirten die Teams heute jeden Tag mehrere hundert Gäste in ihren Upscale-Hospitality-Units auf höchstem Niveau. Ohne Stern und Haube schwingt heute kaum noch ein Koch seinen Löffel in der Formel 1. Benchmark im Fahrer­ lager ist die Red Bull Energy Sta­ tion: Hier werden pro Wochenende 5000 Mahlzeiten für 3000 Gäste serviert. Zehn Köche, drei Bars und 14 weitere Menschen halten den Laden am Laufen: Die Red Bull Energy Station ist das kulina­ rische Zentrum des Fahrerlagers.


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M … wie Motor Acht pro Jahr müssen reichen. Und zwar für sämtliche Rennen, Qualifyings und Trainings im ge­ samten Jahr (Testfahrten wäh­ rend der Saison sind ja verboten). Damit die Dinger die Mehrbelas­ tung auch verkraften, wurde das Drehzahllimit auf 18.000 Um­ drehungen pro Minute gesenkt. ... und McLaren Endlich wieder ein WM-Titel für die stolze Mannschaft aus Woking (der letzte datiert aus 1999, ein gewisser Mika Häkkinen aus Finnland war’s). Grund genug für Ron Dennis, die Führung seines Lebenswerks in die Hände des treuen Martin Whitmarsh zu legen. Wobei das Wort Rücktritt nie ­gefallen ist: Dennis zieht sich bloß aus dem Tagesgeschäft zurück; er bleibt die Macht hinter der Macht. Als großes Team wird McLaren von der Kostenreduktion stark getroffen und muss mehr schrumpfen als Teams, die schon bisher mit viel geringeren Res­ sourcen auskommen mussten. Wir sind neugierig, wie sich das auf die Performance auswirkt.

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… wie neue Regeln Weil heuer alles anders ist, haben auch kleine Teams die Chance, in der Hackordnung weiter nach oben zu kommen – zumindest theore­ tisch. Die andere Lesart besagt, dass große Teams mit großen Änderungen besser zurecht­ kommen als kleine. Und die Änderungen von 2008 auf 2009 sind die größten, die der Sport in den letzten 20 Jahren erlebt.

HECKFLÜGEL Höher und schmäler als 2008. Wird nicht so gut angeströmt und produziert weniger Abtrieb. Dadurch sollen Autos knapper auffahren können.

2008

2008

REIFEN (1) 2009 kommen die Slicks zurück: Zuletzt waren profillose Reifen in der F1 1997 erlaubt. Die Fahrer loben das bessere Fahrgefühl.

2009

REIFEN (2) Bridgestone-Slicks sollen durch ihr Plus an mechanischem Grip die Show verbessern und gemeinsam mit der neuen Aerodynamik Überholmanöver einfacher machen.

AERODYNAMIK (1) Barge Boards (Luftleit­bleche) im vorderen Teil des Autos sind verboten. Das macht die Aerodynamik weniger effizient und gibt den Autos einen Look wie zu Anfang der Neunziger.

AERODYNAMIK (2) Keine Zusatzflügel und Flappen mehr am Auto. Die FIA wollte, dass die Autos weniger zerklüftet aussehen. FRONTFLÜGEL Erstmals seit den 1960ern sind während der Fahrt ­verstellbare Elemente ­wieder erlaubt.

bilder: peter clausen (3), thomas melzer/imago

Felipe Massa

… und Massa Der 12-Sekunden-Weltmeister liebt ein untersteuerndes Auto, sein Teamkollege ein übersteuern­ des. Der 2008er-Ferrari hat unter­ steuert, während das heurige Auto wegen der geänderten Regeln mehr zum Heckausbruch neigt. Ändert sich das nicht, wird Felipe Massa einem WM-Titel wohl nicht mehr so schnell so nahe kommen wie im Vorjahr.

WINDKANAL Pro Team darf nur mehr 40 Stunden pro Woche getestet werden. Die Folge: weniger Evo-Packages während der Saison.

2009 51


o … wie Overtaking Working Group Das schnellere Auto fährt am langsameren vorbei: Was früher die Sache von Rennfahrern mit ­Eiern war, beschäftigt heute eine eigene Task Force. Die Herren Paddy Lowe von McLaren, Pat ­Symonds von Renault, Rory Byrne von Ferrari und Charlie Whiting von der FIA haben sich mit dem Umstand herumgeplagt, dass die Aerodynamik des hinteren Autos in den „Dirty Air“ genannten Ver­ wirbelungen des Vordermannes zusammenbricht. So ist man auf diese Schneepflug-Frontspoiler und die Kasten-Hecks gekommen: Vorn gibt’s massig Grip, hinten fast keinen, da stören auch Ver­ wirbelungen nicht mehr.

P … wie Pitstop Die einzige Art, in der Formel 1 zu überholen und gleichzeitig noch frische Reifen und Sprit abzu­ greifen, eventuell noch den Tank­ schlauch abzureißen und den einen oder anderen Mechaniker zu überfahren. Für 2010 überlegt man, das Nachtanken wieder zu verbieten (gab es schon in den Achtzigern: Gern sind Autos zum Schluss leer ausgerollt oder mussten in den letzten Runden im Tempo eines Aixam um die Strecke rollen). 2009 wird man vermehrt ein System sehen, das Ferrari im Vorjahr ausprobiert hat. Statt eines Lollipop genannten Schildes kriegt der Fahrer ein grünes Licht gezeigt zum Zeichen, dass er wieder losfahren kann. Ist theoretisch schneller, kann aber ebenfalls in die Hose gehen. … und PS Die Motoren werden immer klei­ ner: Einst stolze V12, reduzierte man sie später auf schrille V10, ­inzwischen müssen sie mit acht Zylindern und 2,4 Liter Hubraum auskommen. (Für die Zukunft überlegt man schon eine weitere Reduktion, um den Unterschied 52

Pitstops werden 2009 prozentuell für weniger Überholmanöver sorgen als bisher.

zu Papis fünftüriger Limousine noch kleiner zu machen.) Bemer­ kenswert ist nur, dass die Dinger noch immer gut 750 PS stemmen. Und das trotz des Drehzahllimits, das heuer auf 18.000 pro Minute gesenkt wurde.

Q … wie Qualifying Der Samstag ist oft spannender als der Sonntag. Einzelne Fahrer quetschen Unmenschliches aus ihren Kisten, um sich im Rennen dann heroisch gegen eigentlich viel schnellere Autos zu wehren, die aber partout nicht vorbeikom­ men. Rechnet man dann noch die Spritmenge ein, die die jeweiligen Piloten an Bord hatten, addiert ein paar Verschwörungstheorien und bezieht Horoskop wie Wetterpro­ gnose für den Renntag mit ein, hat man genug Material, um im Nachhinein alles ganz plausibel erklären zu können (siehe auch J wie Journalisten).

R … wie Red Bull Racing Neue Regeln, ein stärkerer Renault-Motor, mit Sebastian Vettel ein frischer Fahrer, der schon be­ wiesen hat, dass er Rennen gewin­ nen kann, und mit Mark Webber ein Routinier an seiner Seite: Es

gibt keinen objektiven Grund, war­ um Red Bull Racing heuer nicht besser aussehen sollte als im ­Vorjahr. (Aber jetzt sind wir auch schon wieder ruhig und warten lieber auf die Fakten, die für sich sprechen sollen.) … und Räikkönen Kimi hat das letzte Jahr ganz arg versemmelt – für seine Maßstäbe zumindest. Nur zwei Siege mit ei­ nem Auto, das er überhaupt nicht mochte, erschütternd. Wer genauer hinschaut, sieht, dass er trotzdem bei der Hälfte aller Rennen der schnellste Mann im Feld war. Der Iceman ist noch immer heiß. (Oder aber er haut nach dieser Saison den Hut drauf.)

Kimi Räikkönen

… und Reifen Zwar sind nur zwei Fahrer-Dinos noch selber F1 auf profillosen Rei­ fen gefahren (Fisichella, Trulli), dafür 100 Prozent der Piloten in kleineren Rennformeln. Anpas­ sungsprobleme sind also nicht zu erwarten. Bridgestone bringt zwei verschiedene Härtegrade zu den Rennen, beide müssen verwendet werden. Die weichere Mischung wird etwa eine Sekunde schneller sein, schätzt man.

… und Rookie Die Geschichte des Sébastien Buemi erinnert ein bisschen an den Schweizer Kinderbuch-Klas­ siker „Heidi“: Ein Mädchen kommt zum muffeligen Groß­ vater auf die Alm und kämpft mit dem rauen Landleben. Nach einer gewissen Zeit erweist sich der Großvater als gar nicht so muffelig, sondern als feines Haus, bringt seiner Enkelin alles bei, und die beiden leben glück­ lich bis in alle Ewigkeit. Sébastien Buemis Groß­ vater ist nicht muffelig, eher im Gegenteil. Er ist auch kein Almöhi, sondern ein Ex-Renn­ fahrer und rühriger Unter­ nehmer. Der 78-jährige Georges Gachnang hat die Führung ­seines Familien­unternehmens (Gachnang ­Automobiles in ­Aigle, Schweiz) erst im Vorjahr abgegeben. ­Sébastien Buemis Opa war ein Racer, und zwar ei­ ner, der die ganz großen Aben­ teuer seiner Zeit gelebt hat: Formel 1, die 24 Stunden von Le Mans, die 1000 Kilometer vom Nürburgring. Stolz zeigt er die Narben, die an seine Unfälle erinnern. In seinem Trophäen­ kabinett steht ein Foto, auf dem man sehen kann, wie er, bewusstlos und zerdepscht, in eine Art vorsintflutliches ­Rettungsauto geladen wird. Gachnangs Racing-Zeit war die, als Sex sicher und Rennfahren gefährlich war. Wenn Sébastien Buemis „Grandpapa“ (so nennt er ihn) zu erzählen beginnt, spürt man die Atmosphäre von damals, sie saugt den Zuhörer ein, und es ist völlig klar, dass der junge Buemi nichts anderes als Renn­ fahrer werden konnte. Man kann es förmlich sehen, wie der Großvater seinem mit großen Augen zuhörenden jungen Enkel die wilden Geschichten von ­früher erzählt hat. Wie er und sein Bruder Claude ihre eige­ nen Autos bauten, um damit Rennen zu fahren, Garagisten im besten Wortsinn. „Die Story mit dem selbstgebauten For­ mel-1-Auto muss er dir selber erzählen“, sagt ein sichtlich

Text: Anthony peacock, bilder: gepa pictures, imago

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bilder: thomas butler, gepa pictures

Sébastien Buemi und sein Grandpapa Georges Gachnang: der Rookie und der Racer.

stolzer Sébastien Buemi bei der Führung durchs Haus. „Zuerst haben wir den da für Le Mans gebaut“, Grandpapa zeigt auf das Bild eines roten Renn­ autos an der Wand, „und das war der CEGGA-Maserati für den Grand Prix von Pau 1962. Das Kür­ zel stand für Claude et Georges Gachnang Aigle, und der Motor kam von Maserati. Nach dem Rennen kam der Sportwagen­ hersteller auf uns zu und bot uns einen Platz für den Monaco-GP im folgenden Jahr an: Wir sollten das Auto entwickeln, Maserati den Motor, ich war als Pilot vorgese­ hen. Leider hatte mein Bruder in dieser Zeit ziemliche Schwierig­ keiten mit seiner Frau, er hat sich dann ja auch scheiden lassen. So kam unser F1-Projekt unter die Räder. Hätte mein Bruder nicht geheiratet, wäre ich den Großen Preis von Monte Carlo gefahren. Witzig, wie das Leben so spielt.“ Georges selbst beendete seine Karriere 1970: Die Familie, das Geschäft, die Einsicht, dass es für ihn nicht mehr weiter nach oben ging, waren der Grund. Die Priori­ täten hatten sich verschoben.

Als Sébastien 1993 mit dem Kartsport begann, war Opa ein we­ nig skeptisch. Logisch, wusste er doch, welche Opfer man für eine Karriere als Rennfahrer bringen muss: „Ich hatte Freunde, die die Rennfahrerei alles gekostet hat: ihre Gesundheit, ihre Familie, ihr Vermögen. Ich wollte nicht, dass uns das auch passiert. Wir mögen wohlhabend sein, aber wir sind nicht reich. Drum war klar, dass die Schule Top-Priorität hat, wenn ich Sébastiens Karriere ­unterstütze.“ In der Praxis sah das etwa so aus, dass Georges und Sébastien nach einem Kartrennen am Sonn­ tag in Italien mit dem Bus retour in die Schweiz schunkelten. „Oft war es ganz schön knapp“, erinnert sich Sébastien heute. „Manchmal waren wir erst um fünf oder sechs in der Früh in ­Aigle. Aber ich war an jedem Mon­ tag nach einem Rennen pünktlich um halb acht in der Schule …“ „… sonst hätten wir auch Schwierigkeiten miteinander be­ kommen“, schmunzelt Georges, „das ist eine Frage des Respekts. Sébastien ist so erzogen worden, dass Achtung, Familie und Loya­

lität unverrückbare Parameter sind. Diese Werte sind für jeden Menschen wichtig, und ganz ­besonders für einen Rennfahrer. Du musst die Arbeit anderer ­respektieren. Dein Kopf muss klar sein, und du darfst nie den Fokus verlieren.“ Georges Gachnang fällt dazu die Geschichte seines Freundes Tommy Spychiger ein, der 1965 beim 1000-Kilometer-Rennen von Monza den Werks-Ferrari von ­Herbert Müller übernommen ­hatte. Spychiger fuhr raus, ver­ unglückte und verbrannte in ­seiner ersten Runde. „Herbert hat mir danach erzählt, dass sich Tommy an diesem Tag nicht wohl gefühlt hatte. Dass er dennoch ins Auto gestiegen ist, hat ihn das ­Leben gekostet.“ Der zweite Mensch neben ­seinem Großvater, der einen ­massiven Einfluss auf Sébastien Buemis Karriere hatte, stammt ebenfalls aus dieser brutalen ­Epoche der Rennfahrerei. Es ist Dr. Helmut Marko, der Mann hin­ ter der schnellsten je in Le Mans gefahrenen Runde und Red Bulls oberster Talentscout. Marko war 2004 in Hockenheim und wurde Zeuge des ersten Autorennens überhaupt, das der junge Buemi fuhr. Was der Veteran an diesem Tag in der Formel BMW sah, war genug, um den jungen Schweizer vom Fleck weg ins Red Bull Junior Team-Programm aufzunehmen. Der Rest ist Geschichte und hat einen vorläufigen Höhepunkt mit der Verpflichtung als Pilot für die Scuderia Toro Rosso erreicht. „Die Art zu denken habe ich von meinem Grandpapa gelernt“, sagt Sébastien, „den Rest habe ich von Dr. Marko.“ Jüngst erwähnte der, dass er einst das Bergrennen von OllonVillars bestritten habe, etwa 1965 müsste das gewesen sein. „Hier bin ich auch immer gefahren“, ­erinnert sich Georges Gachnang. „Gut möglich, dass wir uns schon damals über den Weg gelaufen sind.“ Heute, über 40 Jahre spä­ ter, haben Marko und Gachnang gemeinsam den Traum eines jun­ gen Mannes erfüllt. 2009 ist Sé­ bastien Buemi der einzige Rookie, der es in die F1 geschafft hat.

s … wie Scuderia Toro Rosso Teamchef Franz Tost prophezeit ein härteres Jahr als 2008, wo die Underdogs aus Faenza einen sen­ sationellen Monza-Sieg einheim­ sen konnten. Das neue Auto gibt es erst direkt vor dem ersten Ren­ nen, die Fahrer haben keine Chan­ ce, sich darauf einzustellen, das Team hat keine Gelegenheit, wirk­ lich an ihm zu arbeiten. Außerdem ist Sebastian Vettel weg. Und trotzdem: Wer, wenn nicht diese kleine, verschweißte Truppe aus Faenza, sollte abermals ein Wun­ der schaffen?

Scuderia Toro Rosso

… und Safety Car Bisher war die Boxengasse ge­ schlossen, wenn das Safety Car draußen war. Damit wollte man verhindern, dass Fahrer zu „billi­ gen“ Boxenstopps kamen und da­ nach dem Feld hinterherhetzten. Die Schattenseite waren unfaire Rennen. Heuer lässt man die ­Boxengasse offen, schreibt aber eine Mindest-Rundenzeit vor, um die Streckenposten draußen nicht zu gefährden. … Und Stadtrennen Leitschienen statt Kiesbetten, ­öffentliche Straßen statt TilkeTracks, Stadtleben statt Schafe: Melbourne, Monaco, Valencia und Singapur bringen die Formel 1 dort hin, wo die Menschen schon sind. Dieser Trend ist unauf­haltsam.

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… wie Testverbot Statt 30.000 dürfen heuer aus Kostengründen nur mehr 15.000 Kilometer Probe gefahren werden. Und das auch nur mehr bis eine Woche vor dem ersten GP, und dann erst wieder nach dem 1. Jän­ ner 2010. Das Testverbot während der Saison macht einerseits Testzu Ersatzfahrern, wertet anderer­ seits den Freitag auf: Rumhocken in der Box, um Reifen zu sparen, gibt es nicht mehr.

… wie Überholen Sollte heuer wieder in Mode kom­ men. Ein Grund für den Optimis­ mus liegt in den neuen Regeln, namentlich jenen der Aerodyna­ mik. Gern malen wir uns aus, wie sich Fahrer ans gegnerische Ge­ triebe ansaugen und dann – Whaam! – mit einem Druck auf den KERS-Knopf und einem auf den verstellbaren Frontspoiler (darf man jetzt zwei Mal pro Run­ de machen) am Gegner vorbeiflie­ gen. Was aber, wenn der ebenfalls aufs Knöpfchen drückt? Einstwei­ len dürfen wir aber noch hoffen.

… wie Youngsters Mit dreißig, einst ein gutes Alter für einen erfolgreichen Racer, bist du heute ein Oldtimer in der Formel 1. Fernando Alonso war 24, als er Weltmeister wurde, Lewis Hamilton überhaupt erst 23. Sebastian Vettel gewann seinen ersten GP mit 21 Jahren. Der einzige Rookie des nächsten Jahres, Sébastien Buemi, ist auch gerade erst zwanzig ge­ worden. Der einzige wirklich alte Mann im Feld ist Giancarlo Fisi­ chella mit seinen 36 Jahresringen. (Es sei denn, Rubens Barrichello kriegt durch ein Wunder doch noch ein Lenkrad in die Finger.)

Ü wie Überholen: bislang eine Challenge selbst für die Besten, ab heuer hoffentlich wieder normal.

v … wie Vettel Jüngster Mann auf Pole, jüngster Sieger der Geschichte, jetzt neu bei Red Bull Racing. Für ein aus­ führliches Interview mit dem jun­ gen Heppenheimer klicken Sie auf www.redbulletin.com.

Sebastian Vettel

w … wie Wet Race Regen ist blöd für alle vor Ort, vom Zuschauer auf der Tribüne bis zum Mechaniker, der in der kalten Suppe unterm Auto liegt. Super ist Regen nur daheim vor dem Fernseher, wenn die Stunde der Underdogs schlägt, Motorleistung eher Fluch denn Segen ist und sich Favoriten in der Gischt des Vordermannes verlieren. Ehr­ lich: Wer würde heute noch von Monza reden, hätte es im Vorjahr dort nicht geregnet und, sagen wir, Lewis Hamilton auf einem McLaren gewonnen?

x … Wie XY-Chromosom Im Gegensatz zu den IndyCars oder auch der DTM ist das Fahrer­ feld der F1 rein männlich. Ein ­Umstand, der Bernie Ecclestone schon längst stört. Die letzte Dame im Cockpit war übrigens Giovanna Amati 1992.

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Giancarlo Fisichella

z … wie Zirkus Die Formel 1: Ein Haufen bunter Tiere und schriller Gestalten in ­einem abgezäunten Areal, und die Menschen draußen zahlen Eintritt, um sich das anschauen zu können. Es ist laut und spektakulär, es riecht streng, und die Alphatiere im Gehege demonstrieren ihre Do­ minanz durch große Posen. ­Haben die Zuschauer alles gesehen, zieht der Zirkus weiter, nicht ohne das Versprechen freilich, dass beim nächsten Besuch in der Stadt alles noch besser, spektakulärer und bunter wird: Mit dieser Geschäfts­ idee ist man erfolgreich. Und zwar seit mittlerweile bald 59 Jahren. Saisonstart F1: 29. März 2009, Melbourne, Australien www.redbullracing.com Das Video des RB5, alle Interviews und Blogs auf: redbulletin.com/f1/de

bilder: gepa pictures, rick guest, imago

… und Toyota Das größte Team der Formel 1, das mit dem größten Budget, pro­ biert den Erfolg heuer mit einer anderen Strategie zu finden: Die Sparmaßnahmen treffen nieman­ den so stark wie die Japaner aus Köln. Und das muss nicht einmal schlecht sein: Sogar ein ehemali­ ger technischer Direktor der Firma ist der Ansicht, dass die Größe der Operation Toyota jene Beweglich­ keit genommen hat, die es in der F1 braucht, um erfolgreich zu sein.


NĂœRBURGRING: MICHAEL-SCHUMACHER-S

AUF DER RENNSTRECKE SIND WIR ZUHAUSE. D I E N E U E M OTO R S P O RT-Z E I T S C H R I F T. J E D E N D I E N STAG N E U ! Rennberichte, Interviews und Hintergrundstorys aus der ganzen Welt des Motorsports. Mit SPEEDWEEK sind Sie hautnah dabei. News aus Formel 1, DTM, WRC, Moto-GP, Superbike-WM, Motocross, Red Bull Air Race u.v.a. bringen das Oktan im Blut zum Brodeln.

W W W. S P E E DW E E K M AG A Z I N .C O M


Biken bei Buddha Beglückende Ansichten, stille Einsichten: Mountainbike-Enduro-Superstar René Wildhaber mit Notizen einer sehenswerten Reise durch den indischen Teil des Himalaja. Bilder: Mesum Verma

Der Pfad von Hanupatta nach Wanla führt in einer Seehöhe von 3200 bis 3800 Metern durch eine Landschaft, die Kleintibet genannt wird.

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ch sitze im Garten des Jigmet Guest House in Leh, Nordindien, inmitten des Himalaja. Der Kellner bringt einen großen Krug Chai, das ist Schwarztee mit spezieller Gewürzmischung, Milch und viel Zucker. Ich freue mich über die Blüten im Garten, denn Blumen habe ich in den letzten Wochen nicht viele gesehen. Dafür habe ich unglaubliche Eindrücke gewonnen. Die liegen nun als Tagebuchnotizen auf dem Tisch verstreut. Während ich sie zusammenfasse, läuft die Reise vor meinem geistigen Auge ab. Japan steht am Anfang meines AsienTrips. Ich bin nicht zum ersten Mal hier und doch immer wieder fasziniert ob der totalen Technologisierung des Lebens. Um Mitternacht herrscht in Tokio Hochbetrieb, alles ist in grelles Neonlicht ­getaucht. Yoshiaki Kamioka und Tomio Sakaeda von Goldwin, dem Scott-Importeur in J­ apan, laden den Fotografen ­Mesum ­Verma und mich zum Rindfleischdinner im noblen Stadtteil Shibuya ein. Auf dem geräuschschluckenden Straßenbelag scheinen die brandneuen Wagen zu schweben. Die Taxitüren öffnen sich automatisch. Das lauteste Geräusch stammt von den Zikaden, die von den seltenen, peinlich genau geschnittenen Bäumen zirpen. Grund für den Abstecher nach Japan ist der Nozawa Downhill Marathon, der größte Downhill-Marathon in Japan mit rund 600 Teilnehmern. Im strömenden Regen komme ich als Erster ins Ziel. Mein persönlicher Höhepunkt ist aber die Wanderung auf den heiligen Berg Fuji. Von Tokio nach New Delhi Ein paar Stunden später bin ich in einer anderen Welt. New Delhi, Indien. Hier 58

braucht es rohe Kraft, um die Taxitür ­zuzukriegen, und starke Nerven, bis man sich durch alle aufdringlichen Fahrer gewühlt hat und in dem Fahrzeug sitzt, von dem man befördert werden möchte. Tiefe Löcher im Asphalt statt Komfortbelag, der Verkehr fließt zäh, die Luft gesättigt mit Abgasen und dem Gestank von Tierfäka­ lien. Rindfleisch wird hier noch höher ­geschätzt als in Japan, jedoch nur lebend. Heilige Kühe überall, und alle behandeln sie mit größtem Respekt. Ich bin schon viel gereist, aber hier erlebe ich den ersten Kulturschock meines Lebens. Mesum kennt das bereits. Er stammt aus Indien, lebt aber mehrheitlich in der Schweiz. Auch er will möglichst schnell aus der Hektik von Delhi entkommen. Unser nächstes Ziel ist das grüne Kullu Valley. Diverse komplizierte Verhandlungen und eine sechzehnstündige, abwechslungsreiche Busfahrt später treffen wir in ­Manali ein. Dorjee Tsering, unser Guide während der nächsten Wochen, empfängt uns freundlich. Im Garten seines Hauses, neben einer Kuh und einem Kalb, bauen wir unsere Bikes zusammen. Manali liegt am Fuß des Himalaja auf rund 2000 Metern über dem Meer und ist deshalb ideal zum Akklimatisieren. Mit kleinen Bike-Touren bereiten wir uns auf den Zentralhimalaja vor, wo wir auf mehr als die doppelte Höhe aufsteigen werden. Nach einigen Tagen fühlen wir uns bereit. Wir verladen unser Expedi­tionsmaterial und erreichen nach einer wilden Taxifahrt über fragwürdige Straßen Darsha, den Ausgangspunkt unseres Abenteuers. Dort stoßen Koch Tashi Phutsok und Maultierführer Santosh zu uns. Unser Team ist komplett. Von nun an transpor-

China Pakistan

Neu-Delhi Indien

Die Reise

Kargil Lamayuru

Leh

Padum

Darsha nach Manali

illustration: Mandy fischer

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SpaSS muss sein Ortseinfahrt nach Phuktal Gompa, dem „Schwalbennestkloster“ (rechts). Oben ein kleiner Spaß mit einer Yak-Herde nahe Lhakang Sumdo. Die einheimischen, zotteligen Rindviecher reagieren erstaunlich leichtfüßig auf die „Bedrohung“ durch das für sie unbekannte Mountainbike. Ob auf oder ab, einfaches ­Dahinrollen oder Jagdeinlage: Ein kräftiger Schwarztee, Chai genannt, nach der Anstrengung bringt die Lebensgeister zurück. Er wird mit Gewürzen, Milch und viel Zucker serviert.


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tieren Maultiere unser Gepäck, während Dorjee, Mesum und ich auf den Bikes ­unterwegs sind und Fotos schießen. Ein faszinierend einfacher Alltag pendelt sich ein: Er beginnt mit einem Guten-MorgenChai, gefolgt von Frühstück, Zelte abräumen, die Packtiere beladen. Dann trete ich in die Pedale meines Ransom (Full Suspension Bike des Herstellers Scott; Anm.). Nomaden mit Yaks und Bikes Jeden Tag fahren wir auf anderen Wegen, entdecken neue Landschaften. Ich bin ­jedes Mal tief beeindruckt. Unmöglich, die Faszination der Bergwelt des Himalaja in Worte zu fassen. Mesums Bilder zeigen, wovon ich spreche. Wir bewegen uns fernab der Zivilisation, und das hat auch 60

seine Tücken. Schon am zweiten Tag überwinden wir den 5100 Meter hohen Shingu-La-Pass – bei bis zu 60 Zentimeter Neuschnee. Acht Stunden lang schiebe oder trage ich mein Bike. Ich komme mir selber vor wie ein Lasttier, obwohl die mein übriges Gepäck tragen. Wenigstens bekommt niemand Höhenbeschwerden. Nach dem Gewaltmarsch gönnen wir uns und den Maultieren einen Tag Ruhe. Unserer Crew gebe ich einen Fahrtechnikkurs – meinen ersten auf 4600 Meter Seehöhe. Die Gegend ist beinahe menschenleer. Hin und wieder treffen wir andere Reisende. Einmal begegnen wir Nomadenfrauen, denen wir beim Melken ihrer Yaks zuschauen. Wir kosten die frische

Milch und den geräucherten, lang haltbaren Käse. Ich stamme aus einer Bergbauernfamilie, aber was ich hier sehe, ist komplett anders. Die Frauen singen während der Arbeit, was die Tiere sehr zu be­ ruhigen scheint. Als Dank biete ich ihnen eine Fahrt auf dem Bike an. Rad fahren können die Nomadinnen im Himalaja natürlich nicht, aber sich auf dem Bike umherschieben zu lassen ist auch schon ein Erlebnis. „Das ist ein gutes Pferd“, meint eine von ihnen anerkennend. Gleißend weiß zeichnet sich wenig später das erste Dorf unserer Reise aus der sandbraunen Landschaft ab. Kargyak ist sein Name. Sofort versammelt sich die gesamte Dorfjugend, und alle wollen eine Runde Rad fahren, was ich ihnen natür-


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lich erlaube. Ein Lehrer aus Tschechien, der sich hier niedergelassen hat, lädt uns ein, die Dorfschule zu besuchen. Dank selbst organisierten Spendengeldern und der Mithilfe von nepalesischen Gastarbeitern steht das Gebäude kurz vor der Fertigstellung.

buddhistische Lehrrichtung an. ManiMauern werden die lose aufeinander­ gestapelten Steine genannt. In einige sind Mantras gemeißelt. Wie bei allen heiligen Stätten des Buddhismus wird gesegnet, wer links um sie herumgeht. Die Phuktal Gompa ist das älteste Kloster der Region Zanskar, durch die wir ziehen. Seit tausend Jahren klebt es wie ein Schwalbennest am Fels. Die Mönche sind begeistert von den Bikes und dem Red Bull-Helm und probieren beides aus, die wenigsten haben je ein Fahrrad aus der Nähe gesehen. Der Chef des Klosters ist ob des Trubels etwas weniger amüsiert. Trotzdem lädt er uns zu gesalzenem Buttertee und Dalbhat (Reis mit Linsen) ein, einer typischen Mahlzeit hier. Frisch gestärkt hissen Mesum und Dorjee zwei Gebetsfahnen. Auch mir verleiht die Erfahrung im Kloster neue Energie, und ich gebe zum ersten Mal auf dieser Höhe Vollgas. Der Trail schlängelt sich den Tsarap River entlang, geht auf und ab, ist mal technisch, mal schnell, ganz nach meinem Geschmack. Zu meinem eigenen Erstaunen überstehe ich das Intervalltraining auf 4000 Metern mit sauren Beinen, aber ohne Kopfschmerzen.

Von Kloster zu Kloster Es wird sonniger und wärmer, die Single­ trails werden immer besser, und der Fahrspaß steigt von Tag zu Tag. Das Seelenheil der Bevölkerung symbolisieren die buddhistischen Stupas und Mani-Mauern. Stupas sind gemauerte, weiß gefärbte Türme, in denen sich meist Reliquien ­befinden. Die Stupas weisen den Weg zum nächsten Kloster und geben dessen

Dschingis Khans Energiequelle Am neunten Tag unserer Reise erreichen wir Padum, ein Dorf an einer Straße. Die Verkehrsverbindung ändert alles. Es gibt kleine Shops, schon liegt wieder überall Abfall herum. Die Leute tragen Jeans statt der traditionellen Wollkleider, die wohl auch hier besser geeignet wären. Elek­ trizität, Telefone, Fernseher, Lastwagen und Autos bestimmen und beschleunigen

Freistunde In der Phukthar Gompa School (Gompa bedeutet Kloster) brach von einem Moment auf den anderen die große Pause aus, als René Wildhaber vorbeischaute. Nach seiner Vorführung tauchte in den Köpfen der Schüler zum Thema Traum­ beruf sicher die eine oder andere neue Variante auf. Kurz vor Purne (links) zeigte sich die Landschaft im indischen Teil des Himalaja von ihrer kargsten Seite: Wären da nicht Gletscherbäche tief unten im Tal, böte sich ein Vergleich mit einer Mondlandschaft an.

das Leben. Auch wir kommen schneller voran: Ich hole ein paar Stunden Vorsprung auf die Maultiere heraus. Die Zeit nutze ich, um mir von einer alten Bäuerin zeigen zu lassen, wie man mit der Hand Gerstenkörner vom Stroh trennt. Am besten geht das mit Hilfe des Winds, den man mit einem leisen Pfeifen unterstützt. Zur Belohnung gibt es Butter­ tee und Zampa genanntes Gerstenmehl, das man sich in den Mund schiebt und mit Tee hinunterspült. Gar nicht so einfach: Wenn das Mehl in die Luftröhre ­gerät, wird’s sehr unangenehm. Dschingis Khans siegreiche Armee soll sich von Zampa, Buttertee und Trockenfleisch ­ernährt haben. Noch mehr beeindruckt mich aber das Leben dieser Bäuerin. Sie 61


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René Wildhaber, 32, vom Flumserberg im Schweizer Kanton St. Gallen ist einer der besten Botschafter des Mountainbikens. Der einstige Downhiller hat sich auf Downhill-Marathons und Enduro-Rennen spezia­ lisiert. Seither dominiert er diese beständig populärer werdenden Rennen auf der ganzen Welt. Daneben reist und filmt er: nächster Auftritt im DVD-Player in „Kranked 8“, das heuer erscheint.

arbeitet jeden Tag, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, und kennt keinen Zeitdruck. Die Zampa-Energie kann ich gut gebrauchen, denn vor uns liegen weitere neun Pässe. Deren höchster ist mit 4900 Metern der Sengi La. Die Aufstiege werden immer steiler, und immer öfter schultere ich mein Bike. Dafür werden die Singletrails immer flüssiger und spaßiger zu fahren. Im Anstieg zum Hanuma La erzählen mir Touristen, der Weg auf der anderen Seite hinunter sei unfahrbar. Als ich oben stehe, traue ich meinen Augen nicht. Beinahe endlos zieht sich eine Schlangenlinie ins Tal hinunter – Fahrvergnügen der obersten Klasse. Ich heize über den Trail und jauchze, bis mir der 62

Sauerstoff ausgeht. Bei allem Glück vergesse ich nicht, dass eine Rettung sehr, sehr schwierig würde, sollte ich mich ernsthaft verletzen. Bis zum nächsten Krankenhaus dauert es Tage, und es wären bestimmt die längsten und unangenehmsten meines Lebens. Aber so weit lasse ich es nicht kommen. Sicheres und diszipliniertes Fahren ist angesagt. Wieder besuchen wir ein Kloster, die Lingshed Gompa. Auch deren Mönche erhalten ihre Bike-Fahrstunde. Dann werden wir zum Morgengebet eingeladen. Ein faszinierendes bis verstörendes Gemurmel, begleitet von Trommeln und Glockenläuten, erfüllt den Raum. Ein ­hoher Lama des Klosters führt uns danach durch die heiligsten Räume. Mesum als gläubiger Buddhist darf einige religiöse Darstellungen fotografieren. Mehr als eine Welt Der 17. Tag endet mit dem letzten gemeinsamen Abend in Wanla. Den allerletzten Aufstieg zum Prinkiti La genießen wir richtig. Die abschließende Abfahrt ist ein weiterer Höhepunkt und der würdige Abschluss einer einzigartigen Tour. Dann sind wir in Lamayuru, dem Ziel unserer Reise. Wir besuchen das örtliche Kloster und danken Buddha dafür, dass alles so glatt lief. Ich danke Mesum für die Vorbereitung und die gelungenen Fotos. Dorjee schenkt uns als Zeichen der Freundschaft ein Katak, ein traditionelles Halstuch. Santosh bricht mit den Maultieren von hier aus nach Hause auf. Dorjee und ­Tashi begleiten uns noch bis nach Leh. In der kleinen Stadt, die uns nun recht groß und betriebsam vorkommt, ruhen wir uns ein paar Tage aus. Dann müssen

Das einfache Leben Auch wenn Tragtiere die Reisestrapazen mildern: Was ein richtiger Mountainbiker ist, der trägt sein Gerät selber, wenn’s nicht anders geht. Der Kontakt zur Bevölkerung im indischen Teil des Himalaja ist herzlich – ob bei improvisierten Fahrstunden oder dem abschließenden Festessen in Wanla. Dort werden Momos serviert, traditionelle tibetische gedämpfte Teigtaschen, gefüllt mit Yakfleisch. Dazu trinkt man Chang, vergorenen Gerstensaft, den Sportler besser mit Wasser verdünnt genießen.

wir schauen, dass wir so schnell wie möglich nach Süden kommen. Es ist Oktober, bald werden die Pässe unpassierbar sein. In New Delhi erwartet mich wieder ein anderes Indien. Nach den ­Erlebnissen der letzten Wochen sollte es mich nicht mehr so erschrecken. Einen Nachmittag und einen Liter Chai später sitze ich noch immer im ­Blumengarten in Leh. Auf meinem Blatt steht, was mich in den letzten Wochen am meisten beeindruckt hat. Ein Glück, den Himalaja auf dem Bike erkunden zu dürfen, solange es dort noch kaum Straßen und fast nur Singletrails gibt. René Wildhaber bloggt über das härteste Mountainbike-Rennen der Welt: redbulletin.com/wildhaber/de


Kostenlose Schaltung.

“Jeder kann der Nächste sein.” Ronnie Renner.

Moto X Freestyler und Wings for Life Botschafter.

Als Ursache für eine folgenschwere Rückenmarksverletzung führt bei weitem nicht Extremsport die Statistik an, sondern der Straßenverkehr. Mehr als die Hälfte aller Querschnittslähmungen resultiert aus einem Verkehrsunfall. Weltweit sind rund 2,7 Millionen Menschen nach einer Rückenmarksverletzung an den Rollstuhl gefesselt, und im Durchschnitt erhält alle vier Minuten ein Mensch die Diagnose: „Querschnittslähmung“. Das Dogma der Unheilbarkeit konnte in Laborversuchen bereits widerlegt werden. Auf diese Erfolge aufbauend, ermöglicht und fördert Wings for Life die Durchführung medizinisch-wissenschaftlicher Forschungsprojekte zur Heilung des verletzten Rückenmarks. Bis der Durchbruch in der Humanmedizin geschafft ist.

Jede Spende zählt. Wings for Life. Stiftung für Rückenmarksforschung. Bankhaus Carl Spängler & Co., Salzburg. Kontonummer 1000 11911. Bankleitzahl 19530.

www.wingsforlife.com


Das Ende eines Traums Dakar war auch in Südamerika Dakar. Inklusive Wüste, Sturm, Blasen an den Händen und eines heimlichen Siegers. Text: Justin Hynes

Carlos Sainz und der Reifendruck: Draußen auf der Piste bist du stets allein.

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Credits

Samstag, 10. Jänner, Valparaíso: Ruhetag Fünf Tage vor seinem Ausfall übt sich Sainz im Fünf-SterneSheraton Miramar in einer Kunstfertigkeit, die er fast so gut ­beherrscht wie das Autofahren: dem Unbeteiligt-Dreinschauen.

Bilder: DPPI/ERIC VARGIOLU, Volkswagen Motorsport/Red Bull Photofiles

„C’est pas normal“ sind die einzigen Worte, die Carlos Sainz für das einfallen, was ihm gerade passiert ist. Zur Linken des zweifachen Rallye-Weltmeisters lehnt ein lädierter Red Bull VW Touareg in ungesundem Winkel am Felsufer eines ausgetrockneten Flussbetts. Eben noch war der Spanier komfortabel in Führung gelegen, den Sieg bei der härtesten Rallye der Welt vor Augen. Jetzt liegt sein Copilot Michel Périn neben ihm und jammert vor Schmerzen, während ihm ein Notarzt die gebrochene Schulter fixiert. Sainz hatte sie alle bezwungen, die BMWs, die Mitsubishis, die eigenen Red Bull VW-Teamkollegen de Villiers und Miller. Und jetzt das. Er blickt vom verbeulten Auto zum verbeulten Teamkollegen: „C’est pas normal.“ Als ob bei der Dakar irgendwas normal wäre. Schon ihrem Erfinder Thierry Sabine genügte diese Beschreibung nicht ganz: Die Idee einer Rallye, die Fahrer und Fahrzeuge bis zum Äußersten fordert, kam ihm 1977, als er sich bei der Fernfahrt Nizza–Abidjan in der Sahara verirrte. 1979 startete erstmals die Rallye Paris–Dakar und machte die senegalesische Hauptstadt zum Heiligen Gral extremen Motorsports. Bis Terrordrohungen die Dakar 2008 zur Absage und 2009 zur Übersiedlung nach Südamerika zwangen, auf einen neuen Kurs durch Argentinien und Chile. Viele bejammerten das Ende eines Mythos. Was für ein Irrtum.


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VW Race Touareg, der erste DakarSieger mit Dieselmotor: ein Meilenstein der stets ausgeschlafenen VWMotorsport-Abteilung aus Hannover.


Die Atacama-Wüste in Chile (siehe auch Seite 82!) gilt als weltweit wasserärmste ihrer Art. Was nichts anderes heißt als: Der Staub ist überall.

Donnerstag, 15. Jänner: 12. Etappe Fiambalá–La Rioja „Helft mir!“, ruft Sainz den Umstehenden vom Boden des ein paar Meter tiefer liegenden Bachbetts zu. „Wir müssen das Auto wieder hier raufkriegen!“ Auf der Beifahrerseite hängt die zerschmetterte Türe lose in den Angeln, riesige Felsbrocken liegen überall im Weg herum. „Vergiss es, Carlos“, mischt sich der Arzt ein. Sainz’ Co Périn sitzt apathisch neben ihm, fast bewegungs66

Mechaniker, die unbedankten Helden: den ganzen Tag auf Achse, danach schrauben.

217 Bikes, 25 Quads, 177 Autos und 81 Trucks am Start, 113 Bikes, 13 Quads, 91 Autos und 54 Trucks im Ziel: Eine Finisher-Quote von über 50 Prozent ließe auf eine „leichte“ Rallye schließen, aber fragen Sie da mal einen der Teilnehmer persönlich.

Bilder: DPPI/ERIC VARGIOLU, FRANCOIS FLAMAND/ddpi, GIGI SOLDANO/ddpi

Sainz mag im Auto ein Berserker sein, permanent in einem ­Bereich unterwegs, den andere freiwillig nicht betreten. Privat jedoch bewegt er sich in Zeitlupe. Während die Kamerateams ihre Interviews vorbereiten, blickt Sainz starr geradeaus, bis ihm die erste Frage gestellt wird. Dabei hätte er heute allen Grund, relaxt zu sein: Das Rennen hat er souverän unter ­Kontrolle, die Kilometer bis Buenos Aires scheinen für den ­dreifachen Gewinner der Argentinien-Rallye nur noch Form­ sache zu sein. Aber ganz so ist es nicht. Sainz zeigt seine einbandagierten Handflächen, die voller Blasen sind: „So fühlen sich 200 Kilometer ohne Servolenkung an“, kommentiert er. Am Vorabend war, vom Pazifischen Ozean her kommend, ein heftiger Sandsturm aufgezogen, der mehr Nordafrika-Atmosphäre ins Val­ paraíso bivouac brachte, als nötig gewesen wäre. Die Erfahrung beschrieben viele Fahrer im Ziel mit etwas drastischeren Worten als Sainz: Dieser Tag sei das Schlimmste gewesen, was sie je erlebt hätten. Als Sainz nach dem bisher härtesten Abschnitt gefragt wird, gelingt ihm erstmals ein trockenes Lächeln. Bei der fünften Etappe war ein Wolkenbruch niedergegangen, der die Strecke nahezu unpassierbar gemacht und der Hälfte des Bikerfelds ein frühzeitiges Wiedersehen mit den Lieben daheim ermöglicht hatte. „Eigentlich hätte die erste Woche die einfache sein sollen“, so Sainz, „aber offenbar haben sich die Organisatoren bei der Route einiges einfallen lassen, um die Erinnerung an Afrika zu verdrängen. Hoffentlich nicht zu viel …“


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Neuer kontinent, alte faszination BOLIVIEN

BRASILIEN PARAGUAY

Atacama Copiapó La Serena

ARGENTINIEN Fiambalá La Rioja Córdoba

Valparaíso

Mendoza San Rafael

CHILE

BUENOS AIRES

Neuquén

Puerto Madryn

Bilder: GABRIEL BOUYS/AFP/Getty Images, Andre Chaco/Red Bull Photofiles, kamaz-master, ALEJANDRO PAGNI/AFP/Getty Images

Das war’s dann: Dieser Graben beendete Carlos Sainz’ Traum vom Dakar-Sieg.

unfähig festgezurrt unter drei Lagen Verbandszeug. Sainz kommt dazu, raunt Périn verschwörerisch zu: „Lass dir nur Zeit, das wird gleich wieder“, doch der Arzt unterbricht ihn: „Nein, Carlos, das Rennen ist vorbei.“ Nur langsam akzeptiert Sainz, dass er die Dakar verloren hat, als sicher feststehender Sieger, drei Etappen vor Schluss. So wie er 1998 die WM verloren hat, weil ihm 500 Meter vorm Ziel der RAC-Rallye das Auto kaputtging. So wie er 2003 die WM verloren hat, weil er, wieder bei der RAC, im Titelfight mit Loeb von der Straße abkam. „Wie kann das sein“, sagt er immer wieder, „das Loch war doch nicht im Road Book. Die haben uns verarscht.“ Sonntag, 18. Jänner: 15. Etappe, Buenos Aires Ungerecht sein und launisch, das kann die Dakar besser als ­jedes andere Rennen. Darüber, wie übel ihnen die Rallye mit­ gespielt hat, können heuer besonders viele erzählen: Von 217 gestarteten Motorradfahrern schaffen es nach 9758 Kilometern nur 113 über die Ziellinie. Nur 91 von 177 Autos erreichen nach 18 Tagen Buenos Aires, am schnellsten Giniel de Villiers im Red Bull VW, dem ersten Dieselauto, das je die Dakar gewann. Der Amerikaner Mark Miller sorgt dafür, dass das Team gleich doppelt Grund zum Feiern hat: Er wird Zweiter, ein historischer Doppelsieg für das Team. „Historisch“ nannte auch Rennleiter Etienne Lavigne den Event. „Eine Herausforderung für die, die durchkommen, ein Traum für jene, die auf der Strecke bleiben“, nannte ihn Thierry Sabine. Der Dakar-Erfinder blieb selbst auf der Strecke, 1986, sein Hubschrauber stürzte damals über den Dünen ab. Sainz gibt sich so schnell nicht geschlagen. Er träumt seinen Traum vom Dakar-Sieg weiter, will es 2010 wieder probieren. Denn um einen wie ihn aufzuhalten, muss die Wüste schon mehr aufbieten als ein paar vier Meter tiefe Schlaglöcher. Das Video von der großen Siegerparty im Hangar-7: redbulletin.com/siegerparty/de

illustration: mandy fischer

Santa Rosa

9758 Kilometer Von Buenos Aires nach Buenos Aires Die eigentlich als Notlösung gedachte Übersiedlung der Dakar-Rallye nach Südamerika erwies sich als Glücksfall: Die 9758 Kilometer lange Schleife zwischen Atlantik und Pazifik mit Start und Ziel in Buenos Aires (und einem Ruhetag in Valparaíso) sorgte allseits für so viel Begeisterung, dass Dakar auch 2010 in Argentinien und Chile liegen soll.

Historischer Erfolg: In der Auto-, Motorrad- und Truck-Klasse gingen die Siege an Bullen – Giniel de Villiers (im oberen Bild re., neben dem Zweitplatzierten Mark Miller sowie den Beifahrern Dirk von Zitzewitz und Ralph Pitchford), der famose Biker Marc Coma und Firdaus Kabirow, letztere in Action zu sehen.

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Action

Film Geschichte „That’s It, That’s All“ ist das sechzigminütige Extrakt von zweieinhalb abenteuerlichen Jahren im Leben von Travis Rice und Curt Morgan. Der Film definiert das Genre des Snowboard-Movies ziemlich neu, in jeder Hinsicht. Text: Gerhard Stochl, Bilder: Tim Zimmerman

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Atemberaubende Snowboard-Stunts vor der Kamera, innovative Technik drin: „That’s It, That’s All“ bringt das Beste von Alaska (links) bis Neuseeland (rechts).


Action

Bei der Suche nach noch nie gesehenen Perspektiven war oft der Helikopter behilflich. Manchmal tat’s dann aber auch ein Baum.

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urt Morgans Stimme krächzt in halben Sätzen aus dem Handy, bis die Verbindung ganz abbricht. Fünf Minuten später ruft er zurück. „Ich sitz hier in einem Helikopter, mitten in der kalifornischen Wüste, praktisch direkt auf einer Cineflex-Kamera, mit einem Laptop auf den Knien.“ In ungefähr dieser Art verliefen die meisten Telefonate der letzten zwei Jahre im Leben des 26-jährigen Filmemachers. Wenn es nicht Wüste war und nicht Kalifornien, dann waren es schneebedeckte Gipfel oder Gletscher in Alaska, Neuseeland oder Kanada. Zwischen seinen Telefonaten bediente Morgan mit Daumen und Zeigefinger das 70

hochkomplizierte Kamerasystem an der Nase des Hubschraubers, während er dem Piloten Anweisungen zubrüllte und unter ihm einige der weltbesten Snowboarder ihre Linien in frischen Pulverschnee zauberten. Und wenn er nicht im Helikopter saß, war irgendetwas anderes zu tun. „Er ist ein unglaubliches Energiebündel“, sagt Morgan über seinen Partner Travis Rice, „er jagt dich um sechs Uhr früh aus dem Bett, pusht dich den ganzen Tag: Hier hat er noch eine Idee, dort gibt er dir Feedback.“ Die vergangenen zwei Jahre waren nicht die beschaulichsten in Curt Morgans Leben. Doch sie haben sich ausgezahlt. Denn am Ende dieser Odyssee steht der

sehr wahrscheinlich beste Snowboardfilm aller Zeiten. „That’s It, That’s All“, das gemeinsame Projekt von Filmproduzent Curt Morgan und Snowboard-Superstar Travis Rice, wird von Fans gefeiert und mit Preisen überhäuft. Erst kürzlich ­wurde das sechzigminütige Meisterstück beim X-Dance Action Sports Film Festival in Salt Lake City, Utah, gleich doppelt ausgezeichnet: beste Kamera, bester Film. Brian Wimmer, Gründer und Direktor des Festivals, dessen Preise als die Oscars der Extremsportfilme gelten, schwärmte: „Bei diesem Film stimmt einfach alles: Kameraführung, Schnitt, Soundtrack, ­Action, Story. ‚That’s It, That’s All‘ ist die neue Messlatte in unserem Genre.“


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K a st e n Ü b e r z e i l e

Facts & Figures

An der Schnauze des Hubschraubers sehen wir eines der wichtigsten Teammitglieder der Produktion: die Cineflex-Kamera.

Morgan und Rice kümmerten sich über zwei Jahre lang nicht nur um Snowboards und Kameras: Die beiden gründeten zunächst eine Produktionsfirma als organisatorische Homebase des Projekts, sorgten für dessen gesamte Finanzierung, rekrutierten namhafte Snowboarder aus der ganzen Welt – und übten sich in ­Geduld. Mehr als einmal zwang schlechtes Wetter die gesamte Crew zu mehr­ wöchigen Pausen, die Terminkalender der Fahrer mussten koordiniert werden, das High-Tech-Equipment wollte ebenso organisiert sein wie geeignete Helikopter­ piloten. Auch darum kümmerten sich Rice und Morgan persönlich – eine heikle Aufgabe: „Jemanden zu finden, der einen

Helikopter fliegen kann, ist kein Problem. Aber jemanden zu finden, der außerdem einem Rudel Snowboarder folgt und gleichzeitig darauf achtet, dass die Kamera richtig positioniert ist … das ist eine Challenge.“ Curt Morgan hat Wurzeln als aktiver Snowboarder. Nach mehreren schweren Verletzungen sattelte er um, besuchte eine Filmschule, arbeitete bei verschiedenen Projekten mit, darunter beim „Herr der Ringe“-Dreh auf Island, machte sich mit Skate- und Musikvideos einen Namen. Rice, wie Morgan mittlerweile 26, zählt zu den besten Snowboardern der Welt. Er holte zweimal Gold bei den X Games, gewann unzählige Contests,

prägte den Sport durch Tricks wie den Double Backflip 180, mit dem er 2006 beim Air & Style in München siegte. Das „Snowboarder Magazine“ reihte ihn auf Platz 13 der wichtigsten Rider der letzten zwanzig Jahre. Seine Position als Snowboarder hat unter der Produktion des Movies nicht gelitten: Travis’ zweites X-Games-Gold ist gerade mal einige Wochen alt, zudem räumte er bei den alljährlichen Riders’ Poll Awards des „Transworld Snowboar­ ding“-Magazins ab: Vier der wichtigsten Preise gingen an Travis, darunter Men’s Rider of the Year und Men’s Video Part of the Year – natürlich für seine Stunts in „That’s It, That’s All“. 71


Action

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Brothers in Arms: Travis Rice und sein kongenialer Partner Curt Morgan wollten „zeigen, was Snowboarding für uns bedeutet“. Das ist ihnen gelungen.

Morgan und Rice hatten einander bei einem anderen Filmprojekt kennengelernt, „Community Projects“ von Oakley. „Wir verstanden uns auf Anhieb so gut, dass wir unbedingt etwas miteinander machen wollten“, sagt Rice. Die beiden fanden in Red Bull einen Partner, der ­ihnen ermöglichte, ihre Ideen zu reali­ sieren – und damit neue Standards in ­Sachen Snowboardfilm zu setzen. Luftaufnahmen wie die von Rice und dem Rest seiner Crew – darunter Mark Landvik, Jeremy Jones, John Jackson, Nicolas Müller und Terje Håkonsen – hat man davor noch nicht gesehen. Mitunter fühlt sich der Betrachter des Films nicht wie ein Zuseher, sondern wie einer der Rider. 72

Eine der atemberaubendsten Szenen des Films entstand freilich nicht ganz geplant: Sie zeigt Rice in Alaska auf der Flucht vor einer riesigen Lawine, die haarscharf gelingt. Doch es sind nicht nur die Motive, die „That’s It, That’s All“ so außergewöhnlich machen. Der Film beeindruckt auch durch seine innovative Aufnahmetechnik. „Wir wollten neue Wege finden, wie man Snowboarding filmen kann, ohne dabei eine Kamera aufs Stativ zu setzen“, so Morgan. Er fand diesen Weg – vor allem dank des revolutionären, direkt an der Nase des Hubschraubers sitzenden Cineflex-Kamerasystems, das zuvor nur aus aufwendig produzierten Naturserien wie

„Planet Earth“ der BBC bekannt war. „Es ist das perfekte System, um Snowboarding zu filmen“, sagt Morgan – und sieht sich darin einig mit Big Mountain Freestyler Jeremy Jones, der in der Bonus Section der DVD schwärmt: „Dank der Cineflex-Kamera wird nicht nur unser Snowboarding auf eine neue Art und Weise gezeigt, sondern du fühlst dich auch als Teil dieser unglaublichen Landschaft.“ Darum ging es auch Rice und Morgan. „Wir wollten zeigen, was Snowboarden für uns bedeutet“, sagt Rice. Das ist ihm in den rund sechzig Minuten Laufzeit von „That’s It, That’s All“ eindrucksvoll gelungen. Der Trailer zum Film auf: redbulletin.com/trailer/de


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Fast Forward Das zweieinhalbjährige Making-of von „That’s It, That’s All“ im Zeitraffer: die 16 Schritte von der Idee im März 2006 zur Weltpremiere im August 2008. März 2006: Curt Morgan und Travis Rice entwickeln zusammen das Basiskonzept für ihren Film. Juli 2006: Die beiden machen Ernst und fliegen für Aufnahmen nach Neuseeland. November 2006: Rice gewinnt Icer Air in San Francisco. Dezember 2006: Rice gewinnt den Air & Style in München (im Film zu sehen) und den Big-Air-Wettbewerb beim Nissan X-Trail Jam in Tokio (ebenfalls im Film). Januar 2007: Rice und Morgan filmen rund um Jackson Hole, Wyoming.

Februar 2007: Aufnahmen mit Terje Håkonsen und Nicolas Müller in Kanada. März 2007: Morgan und Rice filmen mit Pat Moore und Kollegen in Park City, Utah. Juli 2007: Die Crew ist wieder in Neuseeland für Aufnahmen abseits der Piste und im Park. September 2007: Rice und Morgan fliegen zum Surfen nach Tahiti (siehe DVD-Bonus-Section). November 2007: Rice gewinnt Icer Air in San Francisco zum zweiten Mal. Dezember 2007: Trips zum Air & Style-Wettbewerb in München und dem X-Trail Jam in Tokio.

Januar 2008: Mit Snowboard-Legende Bryan Iguchi nach Kanada. Rice organisiert Quiksilver Natural Selection in Jackson Hole (beides in der DVDBonus-Section). Februar 2008: Ein Jahrhundertwinter sorgt dafür, dass die Crew viel in Jackson und Umgebung filmt. April 2008: Das komplette Team macht sich auf den Weg nach Alaska für die letzten Filmaufnahmen. Mai 2008: Morgan beginnt am Schneidetisch mit den Arbeiten am endgültigen Film. August 2008: Weltpremiere von „That’s It, That’s All“ in Wanaka, Neuseeland.

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INSIDE BULL INSIDE THE THE WORLD WORLD OF OF RED RED BULL


More Body & Mind

bild: Lucas Perterer

Belebendes für Körper und Geist.

Bambus-Boards seite 76 Robby Naishs Reviere seite 77 Hangar-7-Interview seite 78 Gokart-Mode seite 81 Atacama-Wüste seite 82 Tag & Nacht ab seite 84 Red Bull Dog, Read Bull, Kolumne ab seite 94

Das sind Franz Ferdinand on stage (konkret Alex Kapranos). Auf Seite 90 begegnen uns die schottischen Indie-Stars backstage.


more body & mind

Die grüne Welle Für einen Sport, der so eng mit der Natur zusammenlebt, ist Wellenreiten nicht sehr ökologisch. Gary Young will das ändern, wie er Jocelyn Fujii erzählte.

Draußen wogt der Regenwald, drinnen bastelt Gary Young an seinen Bambus-Boards.

Mehr als dreißig Jahre später steht die Welt vor einer ähnlichen Situation in Sachen Energie. Und Young ist mittlerweile ein Pionier der Surf-Industrie: Er produziert Bambus-Boards. In einer kleinen Werkstatt, die direkt an einem Pfad mitten im Regenwald liegt, 76

in Kapoho auf der Insel Hawaii. Wer Young besucht, kommt aus einem Durcheinander von Wurzeln und Lianen in ein Durcheinander aus Werkzeugen und Material. Bündel aus Bambuslaminat, Dosen mit Epoxidharz und Stapel von Schaumkernen stopfen die Räume voll. Und natürlich all die Bambus-Wellenbretter, Youngs Leidenschaft und sein Zugang zu einer „grünen“ Surf-Technologie. „Bambus ist die am schnellsten nachwachsende Pflanze des Planeten“, sagt Young, „also warum nützen wir ihre Fasern nicht für einen Verbundwerkstoff?“ Bevor sich Young dem Bambus zuwandte, verarbeitete er normales Holzfurnier. Er baute daraus etwa den Rumpf eines zwölf Meter langen Boots, das bei geringerem Materialaufwand trotzdem leicht und widerstandsfähig war. 1976 fertigte er als erster Shaper Surfbretter aus Furnierholz. Das Holz wurde dabei mit einer Maschine, die er sich patentieren ließ, im Vakuum auf einen Polystyrolkern laminiert, das Rück-

grat jedes Boards. Diese Holz­ hülle machte die Boards sehr haltbar, weil es wie eine Eischale wirkt, so Young: „Überkreuzt du die Furniere, erzielst du hohe Festigkeit. Verleihst du dem Material noch dazu eine spezielle Krümmung wie etwa bei einem Autokotflügel, erhöht sich die Stabilität noch einmal ganz wesentlich.“ In den siebziger, achtziger und – nach seiner Übersiedlung nach Hawaii – neunziger Jahren fertigte Young hölzerne Surf- und Windsurfboards für die erste Liga der Sportler, etwa Laird Hamilton. Auf Bambus stieß Young Mitte der Achtziger durch seinen Freund Gib Cooper, einen Surfbretthändler, der eine Bambusplantage in Oregon hatte. Nach Jahren voller Experimente baute Young 1996 den ersten Bambus-Prototyp – das Modell Hokua, ein Big Wave Board für keinen Geringeren als Robby Naish. Die Außenhülle bestand aus Koa, einer Akazienart, darunter lag eine Bambusschicht.

bilder: Brian Bielmann (4)

Gary Young baut nicht nur Bambus-Surfboards, er verkauft sie auch. Pro Fuß (das sind 30,48 Zentimeter) kostet ein Board rund 125 Dollar. Informationen unter www.bamboosurfboards­ hawaii.com

Es war Mitte der siebziger Jahre. In einer Autoschlange, die sich an einer Tankstelle staute, grübelte Gary Young über die Ölkrise nach, welche die USA gerade in Panik versetzte. Young, ein Wellenreiter, lebte im südlichen Kalifornien als Konstrukteur von Holzbooten, ein Visionär mit geschickten Händen. „Wenn uns das Erdöl ausgeht“, überlegte Young, „sollte ich mir was ausdenken, wie man die Außenhaut von Wellenbrettern aus natürlichen Materialien herstellen kann und nicht aus solchen, die alle auf einem Erdölprodukt basieren. Ich dachte an Holz und wusste: Ich muss nur herausfinden, wie das Holz auf dem Kern eines ­Wellenbretts haften bleibt …“


more body & mind

Runde mit Robby Windsurf-Legende Robby Naish zeigt uns seine besten Reviere auf Hawaii.

Kailua Bay, Oahu. „Hier lernte ich surfen. Bis Anfang der achtziger Jahre wurde hier das moderne Windsurfen entwickelt. Der Wind ist oft moderat und das Meer bis weit hinaus stehtief: perfekt.“

Gary Youngs Bambus-Boards gibt es auch als Version für das Standup Paddling.

bilder: erik aeder (4), Brian Bielmann (1)

Seine Bewährungsprobe erlebte Hokua, als Nash damit die legendären Jaws auf Maui bespielte. Seit damals hat Young, mehr Künstler als Produzent, seine Produktionstechnologie verfeinert und fertigt Bretter nur mehr auf Bestellung. Die Lieferzeiten sind lang: Young hat nur einen Helfer und verwendet viel Zeit darauf, die Vorzüge seiner Bretter persönlich zu präsentieren. Normaler Bambus ist unregelmäßig gewachsen und verliert mit der Zeit seine Festigkeit. Bambusfurnier jedoch nicht: Es wird aus identischen Schichten gefertigt, jede Schicht dünn wie ein Papiertaschentuch, heraus­ gefräst aus der Wand des Stamms. Beim Laminieren der Furniere wird weniger Harz benötigt als bei der Produktion von Fiberglas. Trotzdem ist der entstehende Verbundstoff doppelt so widerstandsfähig. Ebenso positiv: Beim Be­ arbeiten des Bambus entstehender Staub juckt nicht auf der Haut wie Fiberglasstaub. Die Rückstän-

de verrotten außerdem und sind damit umweltfreundlich. Und wie sieht es mit der Materialfestigkeit aus? Tests hätten gezeigt, dass Bambus, was Druck betrifft, mehr aushalte als Beton, sagt Young, und bezüglich der Zugbelastung Stahl schlage. Und wie fährt sich ein Bambus-Board? „Ein Epoxidharzbrett ist steifer, fester, schwieriger zu fahren, einfach unberechenbarer“, sagt Ceviche Dave Weaver, ein bekannter lokaler Wellenreiter. „Bambus-Boards sind elastischer – und sie machen mehr Spaß, weil sie so schön sind.“ Noch sind Gary Youngs Boards nicht im Mainstream unterwegs, doch wenn er in die Zukunft blickt, sieht er eine Welt, die nicht nur von Bambus-Autos, BambusBoards und Bambus-Booten bevölkert wird. „Man kann“, sagt Young, „auch Flugzeuge aus Bambus bauen.“ Und das klingt nicht nach einem Witz. News und Blogs von den coolsten Surf-Spots der Welt: redbulletin.com/surfing/de

Diamond Head, Oahu. „Als Teenager verbrachte ich hier meine Zeit. Es gibt im Sommer häufig schöne und nicht zu radikale Wellen bei ­guten Windverhältnissen.“

Northshore, Oahu. „Hier musst du wissen, was du tust, sonst wirst du dich schwer verletzen! Der Wind ist sehr ungestüm und wechselhaft, die Wellen enorm – es ist ganz einfach toll hier!“

Jaws vor Maui. „Jaws sind schlafende Riesen, die sich nur selten zeigen. 340 Tage im Jahr würde man nicht merken, dass es dort überhaupt Wellen gibt, aber wenn, dann sind diese einzigartig.“ Robby rockt Hawaii – das Video: redbulletin.com/naish/de

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Dinner with …

Thomas Geierspichler und Heinz Kinigadner Tolle sportliche Höchstleistungen haben der Öffentlichkeit zuletzt einen entspannteren Zugang zum Thema Behin­ derung erleichtert. So darf auch die fröhliche Kost der Molekularküche im Hangar-7 unser Gespräch beflügeln. Text: Herbert Völker, Bilder: Philipp Horak

Thomas Geierspichler, 32, aus Salzburg, wurde vor vierzehn Jahren als Beifahrer in einem Verkehrsunfall an der Hals­ wirbelsäule verletzt. Im Rollstuhldasein sackte er mit Alkohol, Drogen und Null­ perspektive in ein tiefes Loch, schaffte den Turn­around und wurde einer der weltbesten Leichtathleten des Behinder­ tensports. Vorläufiger Höhepunkt ist sein Marathon-Olympiasieg bei den Paralym­ pics 2008 in Peking. Heinz Kinigadner, 49, war MotocrossWeltmeister 1984/85, dann einer der besten Langstrecken-Racer, immer eine weltweit herausragende Persönlichkeit seines Sports. Er war und ist eine Ikone des österreichischen Zweiradherstellers KTM. Sein Bruder Hans ist seit einem Motocross-Unfall 1984 querschnitts­ gelähmt. 2003 verunglückte Heinz ­Kinigadners Sohn Hannes, damals 19, bei einem ­Charity-Motocross und ist seit­ her ebenfalls gelähmt. Heinz Kinigadner gründete 2004 mit Dietrich Mateschitz die Stiftung Wings for Life, die schwerpunkt­ mäßig die medizinische Forschung zur Heilung von Rückenmarksverletzungen unterstützt. Kini, ein wilder Hund der ­frühen Jahre, ist noch immer ein kraft­ strotzender Lackel, der dem Bild des ker­ nigen ­Tirolers alle Ehre macht und erst dahinter einen sehr komplexen Menschen mit totaler Hin­gabe an seine Ziele freigibt. Wir treffen einander im fabelhaften „Ikarus“-Restaurant des Hangar-7 in Salz­ burg. Als Gastkoch des Monats tritt der Spanier Dani García auf. Er wird uns mit einer alpenländisch verträglichen Spielart der Molekularküche erfrischen. Zuerst erfrischt uns der MarathonGedanke. red bulletin: Der Behinderten-Marathon geht über die klassische 42-km78

Delikatessen Das Menü von Starkoch Dani García für Thomas Geiers­ pichler und Heinz Kinigadner.

Das Starkoch-Prinzip im „Ikarus“ bringt die Extra­ klasse der internationalen Küchen in den Hangar-7. Thomas Geierspichler und Heinz Kinigadner ließen sich von Dani García aus dem „Calima“ in Marbella erfrischen. Am tollsten fanden die Gäste die moleku­ lare Geschmacksexplosion beim „Vollmond“-Dessert. Im März kocht im „Ikarus“ Andreas Caminada aus dem Restaurant „Schloss Schauenstein“ in Fürstenau (Graubünden) auf. Alle Gastköche auf www.hangar-7.com. 1. Gang Gefüllte Tomate mit grüner Tomatensuppe, Kaiserschoten und bretonischem Hummer 2. Gang Traditionelle Fischsuppe mit Carabineros, Gnocchi und getrockneten Tomaten 3. Gang Kartoffel in der Silberfolie, gefüllt mit Thunfisch Toro und Olivenölcreme 4. Gang Ravioli vom Ochsenschwanz mit Karfiol und schwarzem Trüffel 5. Gang Der Vollmond aus weißer Schokolade, Mandarinen und Yuzu

Distanz, dein Tetraplegiker-Weltrekord steht auf 1:40:07 Stunden, ein Rennrollstuhl hat also eine flottere Über­ setzung als die Beine eines Läufers (Bestmarke: 2:04:26; Anm.). Die Dramaturgie von Kämpfen, Leiden, Hoffen ist aber wohl ähnlich? geierspichler: Es ist genau das gleiche Zusammenspiel von Kopf und Körper, auch wenn meine ganze Schubkraft nur aus der Schulter und dem Trizeps kommt, weil ich keine Rumpfmuskulatur habe. Ich kniee auf den Schienbeinen im Rennrollstuhl, kann aus dem Rumpf nicht hinunterpressen, habe auch ein ­anderes Lungenvolumen, andere Pulsund Laktatwerte als ein Gesunder. Trotz­ dem: Ich muss meine Kräfte genauso fein­ fühlig einteilen, zwischen der Euphorie des A ­ ttackierens und den Gefahren des Einbruchs, muss meinen eigenen Rhyth­ mus zwischen Gasgeben und zu viel Hek­ tik finden, muss aber genauso zu hundert Prozent am Anschlag sein wie ein frei schwebender Spitzenathlet – es ist also ein enormes Abenteuer, für das ich bis zu 15.000 Kilometer im Jahr trainiere. Marathon gilt auch als Modell fürs Leben … … klar. Du hast eine Phase, wo du glaubst, dass es dir gutgeht, musst Rück­ schläge überwinden, dafür reicht aber nicht das Zähne-Zusammenbeißen wie beim Sprint, sondern es sind deine psy­ chischen Kräfte gefragt. Aber wichtiger ist noch die anfängliche Vision: Marathon als extremes Ziel im Leben, aus welcher Startposition auch immer. In meinem Fall war es so, dass ich etwa drei Jahre nach meinem Unfall ein Schlüsselerlebnis hatte, aus dem plötzlich unglaublich viel Energie aufgestiegen ist, und die wollte ich kanalisieren. Die Sprintdistanz hätte da nicht gereicht, da hab ich mir schon


Da ist ja gar nicht so viel am Teller. Heinz ­Kinigadner und Thomas Geierspichler erleben eine Dramaturgie aus klassischen Zitaten und dem, was wir die molekulare Leichtigkeit nennen wollen.

die Ansage „Marathon“ vor die Nase ­gehängt. Es war aus damaliger Sicht kein realistisches Ziel, aber mittlerweile weiß ich, dass man sich auch unrealistische Ziele setzen muss. Das Schlüsselerlebnis? Wenn ich jetzt alles drumherum weg­ lasse, waren es Gespräche mit Bekannten, die mir die Bibel und eine grundsätzliche Art, an etwas zu glauben, näherbrachten. Das hat nichts – oder wenig – mit Kirche und Religiosität zu tun, man kann auch für „Gott“ den Begriff „Energie“ einset­

zen. Bei mir ging es darum, ob ich diese Energie gewinnen könnte, um mit dem Kiffen, Saufen und Rauchen aufzuhören. Ob daraus eine Herzensbeziehung ­entstehen würde, die aus dem Glauben ­heraus in eine Kraft münden könnte. Das hat funktioniert, in mir ist so viel Energie aufgestiegen, dass ich mich ­akzeptieren konnte als das, was ich bin: behindert, im Rollstuhl sitzend. Versteh mich nicht falsch, ich finde meinen ­Zustand noch immer nicht toll, aber ich kann ihn akzeptieren und das Beste 79


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große Fortschritt noch in unserem Leben passieren wird. In welchen Schritten, weiß ich nicht. Aber im Laborstadium ist in jüngster Zeit schon unglaublich viel passiert, das braucht seine Zeit für die echte Anwendbarkeit, erst einmal bei Frischverletzten. geierspichler: Ich habe mein Potenzial ziemlich ausgereizt, aber nichts regene­ riert, da ist keine Funktionalität zurück­ gekommen. Aber nichts wird mir die Hoffnung abspenstig machen. Ich stürze mich nicht so hinein, dass ich einmal am Unerfüllten zugrunde gehen würde. Ich streck mich nach oben aus, dass ich’s empfangen kann, wenn es käme, aber ich scheitere nicht daran, wenn’s nicht kommt. Aber den Traum hab ich schon, dass ich einmal auf den Unters­ berg raufgehe – es ist ein mystischer Berg, ich sehe ihn jeden Tag vom Bade­ zimmer aus. Und mit meiner Mutter werde ich ­tanzen, das hab ich ihr versprochen, ­sobald ich gehen kann. Ich glaube fest, dass sich da etwas tun wird – noch in diesem Leben. www.geierspichler.com www.kini.at www.wingsforlife.com Das Video zur Dinner-Story auf: redbulletin.com/dinnerwith/de

daraus machen. Ich nütze meinen Sport, um nach oben hin offen zu bleiben, ohne Beschränkung. Frage an Heinz Kinigadner: Wenn wir vom Glauben im weitesten Sinne reden, hast du nach Schicksalsschlägen eine neue Einstellung dazu gesucht? kinigadner: Klarerweise denkt man nach Unfällen seiner Lieben ein bissl mehr nach, aber da hat sich nicht viel verändert. Mir geht es ähnlich wie dem Thomas. Die Kirche ist nicht unbedingt meine Anlaufstelle, obwohl ich hin und wieder dort hingehe, mehr zum Nach­ denken … aber in meiner sportlichen Karriere hab ich schon gewusst, dass da noch eine Macht da ist, die mir das ermöglicht, was ich tue. Klar, dass ich mich nicht darauf verlassen kann, dass der liebe Gott Rennen für mich fährt. Ich war mit Fähigkeiten und Möglich­ keiten ausgestattet, aber du kannst tun was auch immer – wenn da irgendwer nicht einverstanden ist, dann läuft’s trotzdem nicht. Bei etlichen deiner unglaublichen Stürze musst du immerhin schon die Engel singen gehört haben. Wann warst du ihnen am nächsten? 80

Das war wohl in Peru, Rallye der Inkas, Felsstraße im Gebirge, ich als junger Hund unterwegs, überhole einen, noch einen, setze zum nächsten an, seh die scharfe Kurve zu spät – dreißig Meter ­gegenüber kommt die Straße wieder ­zurück. Einlenken wäre lächerlich ­gewesen. Irgendetwas im Unterbewusst­ sein hat mich Vollgas geben und das ­Motorrad aufstellen lassen, bin über die Schlucht geflogen, war nicht hoch genug für die Straße, das hochgestellte Bike ist mit beiden Rädern an die Felswand ­geklatscht, dabei hat’s mich in die Höh geschmissen bis zur Straße. Dann hab ich gehört, wie das Motorrad vierzig Meter weiter unten aufschlägt, da sind mir die Knie so weich geworden, dass ich fast noch über die Kante gefallen wäre. Kini, in der Hinwendung auf deinen Sohn, und du, Thomas, wie unterscheidet ihr zwischen den beiden ­Ebenen: Meistern des täglichen Lebens und Hoffnung auf grundsätzliche Heilung? kinigadner: Mein Sohn Hannes und ich, wir machen das Beste aus der Situation, und das ist gar nicht so wenig. Und an­ sonst bin ich davon überzeugt, dass der

Der Koch Wie uns Dani García die Angst vor dem Abstrakten nimmt.

Spanische Kochkünstler sind die Stars der Molekular­ küche, die uns dramatische Geschmackserlebnisse beschert. Dass sich durch Labortechnik so manche Abstraktion der klassischen Speisen ergibt, soll keinen belasten, der in Chemie nicht aufgepasst hat. Das Ergebnis ist witzig, bereichernd und bietet unendlichen Gesprächsstoff.


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Ganz schön schnell Zeitgemäße Kart-Ausstattung für modisch einwandfreie Rundenrekorde: überaus fesch und für den Fall der Fälle feuerfest.

Go, Kart-Fahrer, go!

bilder: Simon Vinall Photography Ltd

Zunächst braucht man ein Renn-Kart. Das Modell von Biz Karts (www.bizkarts.com) um EUR 3860,– ist sowohl für kleine, junge als auch große, weniger junge Rennfahrer geeignet. Dazu trägt man einen FIA-geprüften Rennanzug (li.), professionelle KartCat-Mid-pro-Boots (u. 2. v. re.) und Pro-Fit-Handschuhe (u. re.) – alle Preise auf Anfrage bei Puma (www.puma.com). Hilfreich gegen Aquaplaning unterm Helm ist eine dünne, feuerfeste Unterziehhaube um EUR 25,– (u. 2. v. li.), und mit dem richtigen Branding auf dem Unterleiberl um EUR 101,– (o. re.) ist man gleich doppelt so schnell (beides von Puma). Sollte man sich dann doch einmal bis auf die Knochen blamieren, kann man sich zumindest in Unterhosen mit passenden Motiven in britischem Humor versuchen – um EUR 25,– bei www.ginchgonch.com (o. Mi.). Absolut unverzichtbar für jedermann/frau mit Hirn: der Helm. Zum Beispiel der SK5 von Arai um EUR 437,87 ist nicht nur hilfreich, sondern auch besonders chic (www.whyarai.co.uk, u. li.).

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Eine Wüste wie aus dem Bilderbuch Immer, wenn er an die Atacama denken will, öffnet Stefan Nink seine Reisetasche, und schon rieselt ein bisschen Erinnerung heraus.

In der Atacama ist man mit Straßenschildern sparsam. Vorsicht ist ­gerade deswegen gebo­ ten: Manchmal knickt die Straße ohne Vorwarnung plötzlich nach links unten weg. Dann geht es in wei­ ten Serpentinen in einen Cañon hinab – 20, 25, 30 Kilometer –, und sobald man unten ist, geht es auf der anderen Seite wieder hinauf. Insgesamt ist hier nicht viel los, nur kürzlich war es etwas lauter: Da verwandelte die Rallye Dakar die Wüste in einen riesigen Spielplatz.

Nord und Süd. Chiles AtacamaWüste reicht von der peruanischen Grenze 700 Kilometer nach Süden und ist einer der größten Sandkästen der Welt: 180.000 Quadratkilometer voller Stein, Geröll und endloser Horizonte. Ein dünnes Netz an Straßen und Pisten durchkreuzt die Atacama, viel los ist nicht, nach vier Tagen hinterm Steuer sind einem vielleicht zehn Autos begegnet. Die Straßen­schilder zeigen entweder nach Norden, dann steht „Al Norte“ auf ihnen. Oder nach Süden, dann heißt es „Al Sur“. Das war’s schon. Osten und Westen werden unterschlagen. Chile ist ein sehr langes, aber auch ein sehr dünnes Land. Im Westen ist man nach wenigen Kilometern am Meer. Im Osten ragen schneebedeckte Vulkankappen der Anden in den Himmel. Städte? Iquique an der Küste. Copiapo weiter südlich. Antofagasta, wo „Ein Quantum Trost“ gedreht wurde. San Pedro de Atacama, der touristische Dreh- und Angel-

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punkt. Und Arica, ganz oben im Norden der Atacama, an der peruanischen Grenze. Das Beste an Arica ist die Straße Richtung Bolivien, die sich von Normalnull auf über 4500 Meter in den LaucaNationalpark hinaufschraubt. Am Abend zuvor hat man noch über die Wahl des Mietwagens gelächelt, Pick-up, Allrad, höher gelegt, Riesenreifen, ein bisschen übertrieben, oder? Von wegen. Nur eine Fahrstunde in die Berge hinein freut man sich angesichts immer größerer Brocken auf der

Fahrbahn über jeden zusätzlichen Zentimeter Bodenfreiheit. Und angesichts der Menschenleere über jeden L ­ iter, den der große Tank mehr fasst. Oben angekommen, liegt der Lauca-Nationalpark dann da wie eine – ja, doch: geträumte Landschaft. Die Luft ist so dünn und klar, dass selbst 150 Kilometer entfernte Vulkane zum Greifen nah erscheinen. Distanzen und Dimensionen verschwimmen, und wenn man nicht ab und dann für eine Herde Alpakas oder Vikunjas bremsen müsste, wäre

Bilder: corbis (5)

Ein Auto, eine Staubfahne dahinter und Sand. Ziemlich viel Sand, links, rechts, vorne, hinten, überall. Es gibt diese ­Einstellung im aktuellen James-Bond-Film, in der ein Gelände­wagen aus der Vogelperspektive gefilmt wurde. Man sieht das Fahrzeug, den Staub, und sonst sieht man nichts außer Wüste. Im Kino wird einem vorgegaukelt, das sei Bolivien, aber das stimmt nicht: Der neue Bond wurde in Chile gedreht. Wenn man die ersten Stunden in der Atacama unterwegs ist, kann man den Titel des 007-Streifens ganz gut gebrauchen: „Ein Quantum Trost“.


more body & mind Chiles Wüste Atacama, wie sie wirklich ist: heiß, staubig, endlos, knochentrocken. Hier auf einer 4000-MeterHochebene im Norden mit dem 5910 Meter hohen Cerro Miñiques als Kulisse.

Infos Atacama, Chile Wieder Lust auf Zivilisation? Arica. Am Stadtrand, am Meer: Das Hotel Arica ist die beste Wahl in Chiles nördlichster Stadt. Große Zimmer, gutes Restaurant. (Avenida Comandante San Martín 599, DZ über Broker wie www.chile-hotels.com um ca. 100 USD.) Iquique. Das Hotel Terrado Suites (www.terrado.cl) liegt am Meer. Toller Ausblick auf die höchste Sanddüne der Welt gleich hinter der Stadt – und die Paraglider, die von ihr hinunter zum Strand fliegen. DZ ca. 160 USD. San Pedro. Das Hotel de Larache (www.explora.com) ist ideal für sport­ liche Besucher: Gäste können in kleinen geführten Gruppen Vulkane bestei­ gen, sandboarden oder reiten. Komplettpakete inkl. Mahlzeiten, Exkursionen und Flughafentransfers ab 1773 USD pro Person im DZ für drei Nächte. Achten Sie auf: Tanken Sie voll, wann und wo immer Sie können – zwischen den Tankstellen liegen oft beträchtliche Distanzen! Auch wenn das Altiplano oft flach wie ein Tisch ist, liegen viele Regionen der Atacama in großer Höhe. Nehmen Sie sich Zeit, achten Sie auf Symptome von Höhenkrankheit, verwenden Sie einen Sonnenschutz mit hohem Licht-

Das Snowboard ist nichts aus der Reihe „Finden Sie die fünf Fehler“: Die Sanddünen der Atacama sind ideal für gepflegte Abfahrten. Sonst sieht es bisweilen etwas verlassen aus.

das hier oben ein Land zum Abheben. Oh ja. Anschließend hat man die Wahl, entweder auf staubig-steinigen Pfaden über das Hochland Richtung Al Sur zu ­zuckeln (was angesichts der Pistenverhältnisse einen Anruf zu Hause zwecks Verlängerung des Urlaubs erfordert). Oder man fährt über Arica zurück und anschließend auf der Panamericana nach Süden. Ist das eine Straße! Als hätten ihre Baumeister ein ­extralanges Lineal

genommen, es über eine ChileLandkarte gelegt und gesagt: So, bitte, von hier nach dort, bauen! Man kann hier stundenlang geradeaus fahren, ohne das Gefühl zu haben, wirklich weitergekommen zu sein. Alle fünf oder zehn Minuten kommt man an kleinen, mit Plastikblumen geschmückten Altären am Straßenrand vorbei (die Chilenen glauben, dass die animatas, die „kleinen Seelen“, sich noch lange am Unglücksort aufhalten). Hin und wieder tauchen die Ruinen alter Minenstäd-

te am Horizont auf; eine Stunde später kann man sie noch immer im Rückspiegel sehen. Nach ein paar Tagen ist man in San Pedro. Da gibt es dann zwar auch noch Wüste, aber auch Hotels mit Spas, wunder­bare Restaurants, tolle Bars. Die Atacama aber wird man so schnell nicht los: Ihr Sand rieselt noch Wochen nach der Reise aus geheimen Falten und Ritzen. Was Chile noch zu bieten hat, zeigt uns Kletter-Hero David Lama auf: redbulletin.com/lama/de

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hot SPOTS

Die besten Sport-Events des Monats rund um die Welt.

World Rookie Fest Tour 2009 6. – 8. 3. 2009 Die besten internationalen Snowboard-Freestyle-Rookies stellen ihr Können unter Beweis. Spindlermühle, Tschechien

Leichtathletik Hallen-EM 6. – 8. 3. 2009 Die britischen Top-Sprinter Jeanette Kwakye und Craig Pickering streben Edelmetall an. Die gebürtige Ghanaerin Kwakye gewann bei der Hallen-WM 2008 Silber über 60 m, Pickering holte mit der 4 × 100-m-Staffel bei der WM 2007 in Osaka Bronze. Turin, Italien

bilder: GEPA pictures, Jörg Mitter/Red Bull Photofiles, rutgerpauw.com/Red Bull Photofiles (2)

Aufwachen – Clemens Krauss 6. 3. – 26. 4. 2009 In Berlin zeigt Krauss sein Werk zwischen Performance und Malerei, das sich hauptsächlich mit menschlichen Farbkörpern beschäftigt. Haus am Waldsee, Berlin, Deutschland

FC Red Bull Salzburg – SK Puntigamer Sturm Graz 7. 3. 2009 Das Spitzenspiel der 25. Bundes­ liga-Runde. Die ersten beiden Partien der heurigen Saison endeten 2:2 sowie 3:1 für Red Bull Salzburg. Red Bull Arena, Salzburg, ­Österreich

Im ersten Spiel der Regular Season führt Kapitän Juan Pablo Ángel die New Yorker Bullen gegen die Major-League-Soccer-Neu­ linge Seattle Sounders aufs Feld. Qwest Field, Seattle, USA

International Duathlon Cup 7. 3. 2009 Schwierige Bedingungen erwarten die Teilnehmer. Mit kaltem Wetter, tiefem Boden oder Schneeunterlage darf gerechnet werden. Igman, Sarajevo, Bosnien und Herzegowina

Quiksilver King of the Groms 8./9. 3. 2009 Bei der weltweiten Surf-JuniorSerie qualifizieren sich die Gewinner jedes Landes für das International King of the Groms in Frankreich und haben so die Chance auf eine große Surf­ karriere. Kapstadt, Südafrika

FIS Skiweltcup 11. – 15. 3. 2009 Beim Saisonfinale werden die begehrten Kristallkugeln für die Weltcupsieger vergeben. Kann Doppelweltmeisterin Lindsey Vonn ihren Gesamt- und Abfahrtsweltcup-Triumph aus dem Vorjahr wiederholen? Åre, Schweden

El Desafío Repsol 14. 3. 2009 Der wichtigste Event der quicklebendigen ecuadorianischen Kart-Szene findet in der Hauptstadt Quito statt. Middle of the World, Quito, Ecuador

Chill And Destroy Tour 7. 3. 2009

Red Bull Tricky Roulette 14./15. 3. 2009

Die Snowboard-Slopestyle-Tour macht Halt im Pongau. Bei diesem Swatch-TTR-3Star-Event wartet auf die besten Rookies eine 12-Meter-Down-Rail, ein Jib Tree und ein 18-Meter-Kicker. Alpendorf, St. Johann im Pongau, Österreich

Ein spezielles Roulette entscheidet, welche Tricks die Freeskier zu performen haben. Von Runde zu Runde wird der Schwierigkeitsgrad höher. Wer einen Trick nicht ausführen kann, ist raus aus dem Bewerb. Deschney, Tschechien

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Seattle Sounders FC – New York Red Bulls 19. 3. 2009

Camboriú Xtreme 14./15. 3. 2009 Red Bull-Skateboarder Sandro Dias will beim Halfpipe-Bewerb vor heimischem Publikum ein Wörtchen um den Sieg mitreden. Camboriú, Brasilien


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FIS Weltcup Skispringen 20. – 22. 3. 2009

Eisspeedway Weltcup 7./8. 3. 2009 Nach vier Grands Prix in Russland ist die Anreise für Europameister Franky Zorn diesmal nicht ganz so weit. In der deutschen Hauptstadt finden die Weltcupbewerbe Numero fünf und sechs statt. Berlin, Deutschland

Am Ende der Bewerbe werden die Kristallkugeln für Gesamtund Flug-Weltcup vergeben. Und vielleicht wackelt ja sogar der Skiflugweltrekord des Norwegers Bjørn Einar Romøren (239 Meter, aufgestellt hier in Planica 2005). Planica, Slowenien

WRC Zypern Rallye 13. – 15. 3. 2009 Nach zwei Jahren Pause kehrt die steinige und raue Rallye in den Weltcupkalender zurück. Weltmeister Sébastien Loeb wird es freuen, war er doch von 2004 bis 2006 auf der Mittelmeerinsel nicht zu schlagen. Limassol, Zypern

Tampa Pro 2009 20. – 22. 3. 2009 X-Games-Goldmedaillengewinner Ryan Sheckler führt die besten Skateboarder an. Ausgetragen werden ein Street- und ein Vert­Bewerb mit einer Gesamtdota­ tion von 100.000 US-Dollar. Tampa, Florida, USA

Freeride World Tour Nissan Xtreme 20. – 29. 3. 2009 Für den letzten Event der Freeride-Tour sind die besten elf Snowboarder und Freeskier qualifiziert. Dazu werden noch einige Wildcards vergeben. Verbier, Schweiz

Jon Olsson Super Session 20. 3. – 4. 4. 2009 Jon Olsson lädt zu einem einzigartigen Teamwettbewerb. 14 Tage lang werden die besten Freeskier wie Simon Dumont, Tanner Hall oder Russell Hen­shaw in Åre (SWE) und Trysil (NOR) von jeweils zwei Kamerafahrern und einem Fotografen bei ihren Abfahrten begleitet. Am Ende siegt das Team mit dem spektakulärsten 5-Minuten-Film und dem höchsten Foto­grafie-Score. Åre, Schweden, Trysil, Norwegen

Red Bull Whiteout 21. 3. 2009 Red Bull Crashed Ice 14. 3. 2009 Rund 120 Athleten stürzen sich im Boarder-Cross-Stil die 400 Meter lange Strecke vom Start am Place de la Riponne hinunter. Place de la Riponne, Lausanne, Schweiz

Acht Snowboarding- und vier Freeskiing-Teams kämpfen in ­einem Rail-Mannschaftsbewerb um den Sieg. Neben bekannten estnischen und skandinavischen Ridern werden auch einige Red Bull-Athleten am Start sein. Tallinn, Estland

Red Bull City Scramble 21./22. 3. 2009 Der anspruchsvolle EnduroCross-Parcours, gespickt mit Holz- und Steinhindernissen, ist in einem Hafengelände ­aufgebaut. Auckland, Neuseeland

Food City 500 22. 3. 2009 Der NASCAR Sprint Cup zieht weiter nach Tennessee, zur „World’s Fastest Half Mile“. Bristol Motor Speedway, Tennessee, USA

Red Bull Motorclash 26. 3. 2009 Auto gegen Motorrad – Mann gegen Mann. Rallye-Weltmeister Sébastien Loeb tritt gegen Moto­ crosser Stefan Everts an. Muur van Geraardsbergen, Belgien

IBU Biathlon Weltcup 26. – 29. 3. 2009 Der Biathlon Weltcup geht mit jeweils einem Sprint-, Verfolgungs-und Massenstart-Bewerb für Damen und Herren zu Ende. Chanty-Mansijsk, Russland

FIM MX-GP von Italien 29. 3. 2009 Die Motocross-WM der Klassen MX1 und MX2 startet in der nord­ italienischen Provinz Ravenna. Im Vorjahr holte sich der Süd­ afrikaner Tyla Rattray den Titel in der MX2-Klasse. Faenza, Italien

Formel-1-Grand-Prix von Australien 29. 3. 2009 Nach einigen Reglementänderungen darf man gespannt sein, welches Team das beste Auto entwickeln konnte. Für Red Bull Racing gehen heuer Sebastian Vettel und Mark Webber, für Toro Rosso Sébastien Buemi und Sébastien Bourdais an den Start. Albert Park, Melbourne, Australien

Red Bull Paper wings 2. 4. 2009 Beim Paper Wings Irish Final in Dublin werden die Papierflugzeug­ piloten ermittelt, die im Mai im Hangar-7 im Weltfinale gegen Konkurrenten aus 85 Teilnehmer­ ländern antreten werden. Dublin, Irland Mehr Hot Spots auf: www.redbulletin.com

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die macht der nacht Mehr als einmal um die Welt für alle, die nie müde werden.

Red Bull Bedroom Jam 2., 6., 9., 16., 20., 23. und 30. 3. 2009 Junge Bands haben wieder die Möglichkeit, ihre Performances auf www. redbullbedroomjam.com upzuloaden. Die Fans bestimmen durch ihr Voting den Sieger, als Belohnung winkt ein professionell gestreamter Live-Gig.

Jeremy Jay 5. 3. 2009 Jeremy Jay ist eine Mischung aus Geschichtenerzähler, Künstler und Sänger. Mit seiner 2009 erschienenen Single „Love Everlasting“ tourt Jeremy heuer noch durch Europa, die USA, Australien, Neuseeland und Großbritannien. Fluc Wanne, Wien, Österreich

Devo 20. 3. 2009 Beim SXSW Musik-, Film- und Interactive-Festival mit dabei: die amerikanische New-Wave-Band Devo. Gegründet 1972, gilt sie als Vorreiter zahlreicher Pop-Projekte der Achtziger, wie zum Beispiel der Pet Shop Boys. SXSW Festival, Austin Music Hall, Texas, USA

bilder: Tobias Bauer, gepa pictures, getty images, Jörg Mitter/Red Bull Photofiles

Clara Moto 5. 3. 2009 Clara Moto zählt zu den neuen Gesichtern der österreichischen Elektronikszene und veröffentlicht ihre Platten auf dem Label des französischen Szene-Stars Agoria. In ihren DJ- und Live-Sets kombiniert sie Minimal, Microhouse und Electronica. Rex Club, Paris, Frankreich

Dorian Concept 6. 3. 2009 Der Wiener Elektroniker und Klangkünstler, der Einflüsse wie Jazz, ­Electronica, HipHop und Funk kombiniert, gilt als vielversprechendes Talent der heimischen Musikszene. Tate Modern, London, Großbritannien

FIS Weltcup Skispringen 7. 3. 2009 Das letzte Teamspringen auf einer Großschanze in dieser Saison. Können Schlieri, Morgi und Co beim Nacht­ bewerb erneut einen Erfolg landen? Lahti, Finnland

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Red Bull X-Fighters 27. 3. 2009 Die weltbesten FMX-Athleten wie Robbie Maddison, Dany Torres oder Mat Rebeaud werden vor 40.000 Zuschauern ihre atemberaubenden Stunts zeigen. Plaza de Toros Monumental, Mexico City, Mexiko


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Exile Radio Tour Kick-Off 7. 3. 2009

FIS Weltcup Skispringen 13. 3. 2009 Das Nordic Tournament zieht in den norwegischen Olympiaort von 1994, wo auf der HS138Schanze ein Nachspringen auf dem Programm steht. Lillehammer, Norwegen

DJ Exile ist einer der avanciertesten Beat-Bastler der USA. Zusammen mit Rappern wie Aloe Blacc und Blue hat er HipHop-Perlen geschaffen, seine Produktionen für Mobb Deep oder Jurassic 5 sind legendär. Die Tour zu seiner aktuellen Single „Radio“ startet er in Chicago, auf der er von DJ Day, einem Bruder im Geiste, ­begleitet wird. Sub T, Chicago, USA

FIS Snowboard Big Air 7. 3. 2009 Auch die Snowboardsaison bewegt sich ihrem Ende entgegen. Noch einmal gibt es ein Riesenspektakel im Zentrum einer Metropole. Die sportbegeisterten Russen dürfen dem Sieger des Big Air sowie dem neuen Disziplinen-Weltcupsieger zujubeln. Moskau, Russland

I Love Ibiza 7. 3. 2009 Partystimmung im Stile der Mittelmeerinsel. „I Love Ibiza“ ist seit mehr als vier Jahren Unterhaltung auf höchstem Niveau. Heuer steigt das beliebteste Clubbing der Steiermark auf zwei Floors, und DJ Paulette sorgt sicher für die richtigen Beats. Dom im Berg, Graz, Österreich

Peter Fox feat. Cold Steel 9. 3. 2009 Peter Fox tourt mit den Cold Steel Drummers aus North Carolina und seinem erfolgreichen Album „Stadtaffe“ durch den deutschsprachigen Raum. Wer sich das nicht entgehen lassen möchte, sollte rasch handeln, denn die Dezember-Konzerte waren in kürzester Zeit ausverkauft. Gasometer, Wien, Österreich

After Work – Red Bull Music Academy Showcase 12. – 15. 3. 2009

franz ferdinand 9. 3. und 26. 3. 2009 Bevor sie mit ihrem neuen ­Album „Tonight“ auf Tour gehen, traten die britischen IndieRocker in der Wiener Arena zum FM4-Geburtstag auf. Hammersmith Apollo, London, und Kultfabrik, München

Die Red Bull Music Academy beehrt Portugal: Im Rahmen eines viertägigen Festivals kommen dabei nicht nur Jungmusiker in Musikstudios, sondern gerät auch die portugiesische Partycrowd im Club ins Schwitzen: Dub-Minimalist Deadbeat, Elektronik-Tüftler Patrick Pulsinger oder DJ Kaspar reisen mit prallen Plattentaschen und Synthesizern an. 12. 3. Mini Mercado Club, Lissabon 13. 3. Plano B, Porto 14. 3. Capela, Clube da Esquina, Maria Caxuxa, MusicBox Club, Lissabon 15. 3. LxFactory, Lissabon

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Worlds Top clubs Red Violin, Melbourne, Australien

Starke Saiten

Wer sich auf die Suche nach Australiens feinster Bar-Kultur begibt, landet zuallererst in Melbourne. Hip gestylte Clubs und Bars ­gehören hier zum guten Ton und ­werden als Teil einer kosmopolitischen Kultur gepflegt. Das belebt die Konkurrenz, was wiederum nur gut für die Qualität sein kann. Nirgendwo sonst auf diesem doch recht rauen Kontinent finden Nachtschwärmer so ein „cosy climate“ zum ­Chillen und Abhängen. Und mittendrin befindet sich der Club Red Violin, den man bei flüchtiger Betrachtung als „noch so eine von diesen klassischen Bars“ abtun könnte. Erster Eindruck, noch bevor man drinnen ist: Ein samtiges Seil, ein roter Teppich und antiker Plunder an den Wänden machen auf vornehm. Erst dann betritt man ein weitläufiges Loft, dessen Wände, wenig überraschend, in Rot gehalten sind. Der Name der Bar, Red ­Violin, wurde auch beim Design konsequent durchgezogen. Sämtliche Nischen präsentieren sich in ­Violinenform, die schummrige Beleuchtung trägt ein Übriges dazu bei, die klassische Stimmung zu unterstreichen. Zum Anziehungspunkt machen den Club vor allem die zahlreichen alten Sofas, auf die man sich herrlich lümmeln kann, eine imposante Bar mit polierten Zapfhähnen und natürlich das Publikum. Die erste Ebene wird von Lounges und einem DJ samt easygoing „Lounge-House“Sound dominiert. Sofort möchte man nur ­eines: stundenlang plaudernd mit einem Drink in der Hand in einem tiefen Lehnstuhl versinken – und die anderen dabei beobachten, wie sie dasselbe tun. Einen Stock 88

darüber herrscht Partystimmung. Auf der überfüllten Tanzfläche wird zu House und R ’n’ B abgeshakt – ein cooler Mix, von dem das Tanzvolk ­offenbar gar nicht genug kriegen kann. Was macht das Red Violin aber zum Hotspot? Neben den Öffnungszeiten (­ täglich bis nach Mitternacht) und der chilligen Atmosphäre vor allem das ­Publikum. Während anderswo in der Stadt eingefleischte Runden die Clubs beherrschen und Neulinge kaum eine Chance haben, gelingt es dem Red Violin, sowohl Fremdlinge als auch Stammgäste anzuziehen. Hier herrscht ein fröhliches Beisammensein sämtlicher Altersgruppen, unterschiedlichster Ethnien und sozialer Schichten. Und alle haben – nicht nur am stark frequentierten Samstag – sichtlich Spaß, genussvoll in die wohltuende Atmo­ sphäre von Melbournes feinstem Club ein­ zutauchen. Red Violin Bar: 231 Bourke Street, Melbourne, ­Victoria 3000, Australien, www.redviolin.com.au

bilder: Daniel Mahon

In Down Under hat man’s gern gepflegt und stylish. So wie im Red Violin, Melbournes ­populärster Bar für jeden Geschmack.


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School OF Seven Bells 12. 3. 2009 Die amerikanische PsychedelicBand von Lead-Gitarrist Benjamin Curtis und den Zwillingen Alejandra und Claudia Deheza begeistert das ­Publikum mit irdisch-animalischen Beats in Kombination mit hellen, ­klaren Frauenstimmen. Flex, Wien, Österreich

GoldieLocks Live 12. 3. 2009 Die britische Rapperin, Sängerin, Produzentin und ehemalige Red Bull Music Academy-Teilnehmerin eta­ bliert sich immer mehr in den Genres Electro, HipHop oder Garage. Bei ihrem Livekonzert wird sie von den HipHoppern Crazy Cousinz und dem Londoner MC Bashy unterstützt. Cargo, London, Großbritannien

Buraka Som Sistema 12. 3. 2009 Die portugiesische Kuduro-Formation, die es Anfang 2009 mit ihrer Single „Kalemba“ aus dem Album „Black Diamond“ bis auf Platz zwei der portugiesischen Charts schaffte, setzt ihre Europatournee fort, bevor es dann weiter nach Japan und in die USA geht. Wonka, Amnesia, Mailand, Italien

Chloé & Kill The DJ Posse 13. 3. 2009

Das Tanzvolk liebt den coolen Mix aus R ’n’ B und House. Eine imposante Bar und klassisches Interieur samt alten Sofas schaffen die richtige Atmo­ sphäre zum gepflegten Abhängen.

Bei der Electro Tilt Night performen angesagteste Künstler wie die ­französische DJ Chloé, die eklektisch versierten Dancefloor-Schlitzer Kill the DJ oder Elektro-Urgestein Dave Clarke. Tilt Festival, Perpignan, Frankreich

Strom.Club – Get.Electrified = 1 13. 3. 2009 Der Club richtet sich vor allem an Anhänger von Glowsicks und bunter New-Rave-Romantik. Auf die Party­ crowd wartet ein DJ-Set der britischen Electro-Sensation The Whip, der in Hongkong geborene FM4-DJ Beware sowie die DJs Korrelator & Indikator. Fluc Wanne, Wien, Österreich

bilder: Daniel Mahon

Hot Chip DJ Set 14. 3. 2009 Die Londoner Elektropop-Band mixt elektronische Tanzmusik mit Indierock-Elementen. Bislang ver­ öffentliche Hot Chip drei Alben, wobei „The Warning“ bei den NME Music Awards Rang vier in der Kategorie „Album des Jahres“ belegte. Fluc Wanne, Wien, Österreich

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DJ Storm 14. 3. 2009 DJ Storm alias Jayne Conneely steht seit vielen Jahren an der Spitze der Drum ’n’ Bass-Bewegung. Hafen, Innsbruck, Österreich

Gazometer X-Perience 14. 3. 2009

Snow Patrol 14. – 16. 3. 2009 Die britische Rockband gibt es seit über zehn Jahren. 2007 verfassten sie mit „Signal Fire“ den Soundtrack zu „Spider-Man 3“. Im Oktober 2008 nahmen die fünf Musiker ihr fünftes Album, „A Hundred Million Suns“, auf und erreichten mit der Single „Take Back the City“ Platz sechs der britischen Charts. O Arena, London, Großbritannien ²

Lily Allen 16. 3. 2009 Ihren Durchbruch schaffte die britische Popsängerin 2006 mit der ­Single „Smile“, die auf Platz eins der britischen Charts stürmte. Nach einem privat recht schwierigen Jahr konnte sie heuer an alte Erfolge anschließen und schaffte mit ihrer neuen Single „The Fear“ wieder den Sprung an die Spitze der UK Charts. O Academy, Dublin, Irland ²

Joachim Garraud 20. 3. 2009 Der erfolgreiche französische HouseDJ und -Produzent Joachim Garraud sowie der internationale Top DJ Laidback Luke sind die Gaststars der Stargate Club Session, die den Freunden heißer Rhythmen auf zwei Floors ordentlich einheizen werden. Volksgarten, Wien, Österreich

Gerd Janson with Soundstream 21. 3. 2009 Gerd Janson ist ein alter Routinier am deutschen Elektronikmarkt. Als Journalist schreibt er für Magazine wie „Groove“ oder „Spex“, als Label betreiber von Running Back verhilft er Deep-House zu neuer Blüte, und als DJ reist er diesen Monat nach Zürich. Club Zukunft, Zürich, Schweiz

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backstage franz ferdinand

Franz ohne Firlefanz Seinen Geburtstag kann man sich nicht aussuchen: Weil der Radiosender FM4 im Jänner, also mitten im Winter, 1995 on air ging, wird das jedes Jahr in der Wiener Arena ­gefeiert. Und zwar open air. Der Winter meint es heuer gut mit FM4 und dessen Geburtstagsgratulanten Franz Ferdinand: Die Wintersonne wärmt die Wiener Arena, während sich das Quartett zum Soundcheck einfindet. Die Stimmung ist ausgelassen, die Erinnerung an das letzte Konzert hier ist gut: Das war 2004, kurz nach dem Release ihres Debüt­albums, das Franz Ferdinand damals zur Indie-Rock-Band der Stunde machte. Das neue Album „Tonight“ ist elektronischer, so baut Gitarrist Nick McCarthy auf der rechten Bühnenseite einen großen Moog-Synthesizer auf. „Ich bin jetzt auch Keyboarder geworden“, sagt er, „aber selbst wenn sich bei uns immer etwas ändert: Wir werden nie mit Computer spielen, wir sind eine Live-Band.“ Die vier Schotten ­trauen dem Schönwetter nicht ganz und beschließen trotz der milden Temperaturen zwei große Heizstrahler zu den Gitarren­ verstärkern zu stellen. You never know. Auf zum Catering: Eigentlich wollen sich Franz Ferdinand hier bis zur Show entspannen, doch Frontman Alex Kapranos greift zur Nussschale. Ein Problem, denn der Sänger hat eine Nussallergie, das Rote Kreuz wird

Franz-Ferdinand-Sänger Alex Kapranos kurz nach seinem Nuss-Zwischenfall. Wem er davon wohl per SMS erzählt?

alarmiert. Zum Glück geht die Schwellung am Hals aber schnell zurück, Alex kann den Gig bestreiten. Anders als in Russland, wo er nach einem Biss in ein ­Baklava den Abend auf der Toilette statt auf der Bühne verbrachte. Inzwischen ist es dunkel und das Ge­lände des einstigen Schlachthofes brechend voll mit Fans. Die Bühne wird von der deutschen HipHop-Formation Deichkind, die in Müll­ säcken auftritt, in einen kunterbunten Kindergeburtstag verwandelt. „A lot of craziness up there“, kommentiert Alex mit schottischem Akzent. Dann geht er hinter die Bühne und studiert dort noch mal die Setlist. Als Franz ­Ferdinand später die Bühne betreten, ­bahnen sie sich ihren Weg durch die Überreste der riesigen FM4‑Geburtstags­torte und der grellen Deichkind-Show. Allein optisch sind sie ein wohltuender Kontrapunkt: In dunkle Mäntel gehüllt, stehen sie da, ohne Choreografie, ohne Firlefanz. Worum es geht, stellt Alex stellt gleich zu Beginn klar: „Wer es warm ­haben will, muss sich bewegen!“ Bei diesen ­Disco-Bassläufen, Drumbeats und ­zackigen Gitarrenriffs kein Problem. Höhepunkt des Konzerts: „Take Me Out“. Wie eine Welle schwappt die Hymne über das Arena-Gelände, nachdem die Band das Riff auf eine Minute ausdehnt. Zum furiosen Finale versammeln sich Franz Ferdinand um das Schlagzeug und versinken in einer wilden Jamsession. Tosender Applaus, Alex verabschiedet sich. Und bedankt sich noch einmal höflich bei seinen neuen „friends of the Red Cross“. Franz Ferdinand live: 9. März 2009, Hammersmith Apollo, London 26. März 2009, Kultfabrik, München

bild: Mirjam Unger

Auf das Partyvolk warten 200.000 Watt starke Soundpower sowie eine 150.000 Watt starke Special-LightPerformance. Und ein Music-Line-up der Extraklasse: Techno-DJ Dave Clarke, der Techno-Live-Act The Advent vs. Industrialyzer sowie die DJs Eric Sneo, Sutter Cane, Gaetano Parisio und Gill. Gasometer, Wien, Österreich


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Resident Artist Dj Beware in hongkong

No Sleep till Hongkong

bild: privat

DJ Beware lebt in Wien und London. Aufgewachsen ist er in Hongkong – der Stadt, die nicht zur Ruhe kommt. Für uns kehrt der Musiker zurück. „Hongkong ist die Stadt, die niemals schläft. Du kannst dir im Mongkok-Viertel um Mitternacht ein neues Paar Sneakers kaufen. Du kannst dir um drei Uhr morgens in einem Innenstadt-Restaurant ein feines Menü auftischen und dir im Anschluss im Stadtteil Wanchai die Füße massieren lassen. Stell dir vor, du kannst dort sogar nachts Platten kaufen! In Sham Shui Po beispielsweise gibt es einen kleinen, aber coolen Vinyl-Shop, der tatsächlich bis fünf Uhr früh offen hat. Nur zwischen halb fünf und fünf kehrt kurz Ruhe ein. Dann beginnen die U‑Bahn-Fahrer schon ihren Frühdienst.

Zwischen Baile-Funk, HipHop und House: DJ Beware erklärt die Musikszene seiner Heimatstadt.

Ich wuchs in einem Stadtteil namens Tsuen Wan auf, etwas außerhalb vom Stadtzentrum gelegen. Ich hasste es. Die Gegend ist schmutzig, die Leute sind ignorant, und es dauerte ewig, nach Gigs heimzukommen. Erst jetzt, nachdem ich schon jahrelang in Europa wohne, entdecke ich allmählich die Vorzüge von Tsuen Wan. Es ist perfekt, um abzuschalten, um die Hektik der Großstadt hinter sich zu lassen. Hongkong eine überaus kommer­zielle Stadt. Das äußert sich heute auch stark in der hiesigen Clubkultur, US-Rap dominiert – anders als noch in den ­eklektischen neunziger Jahren – die Partyszene ­gänzlich. Nicht, dass Lil Wayne oder ­Beyoncé nicht super wären, aber es wäre schön, auch mal was anderes in den Clubs zu hören. Zum Glück gibt’s aber eine Handvoll ­mutiger Clubs, die sich diesem Trend wider­ setzen. Es gibt eine sehr coole DubstepNacht namens ‚Heavy‘ in Sammi’s Kitchen, wo gelegentlich auch Alternative-HipHopNächte stattfinden. Die Drum ’n’ Bass-Clubreihe ‚Konkretbass‘ kann ich euch auch ans Herz legen. Und im Stadtzentrum gibt’s eine kleine Bar, die Yum La heißt und regelmäßig

spannende Elektronik-Feste promotet. Blickt man auf die größeren Player, sticht das Volar heraus. Ein etwas schickerer Laden, der seit einem Jahr konstant internationale Houseund Electro-Acts nach Hongkong holt. Seit ich in Europa lebe, reise ich ungefähr zweimal im Jahr in meine Heimatstadt. Zum Auflegen. Auch wenn ich mich dort immer ein wenig verbiegen muss, um den Geschmack der Partycrowd zu treffen. Meinen besten Hongkong-Gig bis jetzt ­hatte ich zu Weihnachten in einem Club namens Cliq. Der ManRecordings-Labelboss Daniel Haaksman und ich mixten Baile Funk und Kwaito mit House, Techno und HipHop. Anfangs war ich ein wenig nervös. Fragte mich, ob die Leute auf diesen doch speziellen Sound-Sturm einsteigen würden. Zuerst waren sie etwas reserviert, aber gegen zwei Uhr brach plötzlich die Wahnsinnsparty los. Die Leute drehten durch, tanzten zu Stücken, die sie noch nie gehört hatten. Großartig und ein klares Statement der Hongkonger Partyjugend: weg mit dem Einheitsbrei!“ DJ Beware in Action: 13. März 2009, Fluc-Wanne, Wien. Weitere Dates, Blogs und Soundproben auf: redbulletin.com/beware/de

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Night Crawler

HypnoTherapie Die amerikanischen Jazzer machten auf Straßenmusikanten. Und sie wissen, wie’s geht, schließlich haben sie ihre Karriere auf den Straßen von London begonnen. Fünf Uhr am Nachmittag – und im Londoner Cargo Club herrscht pures Chaos. Da sind einmal die neun Musiker aus Chicago, die mittlerweile allesamt in Brooklyn leben. Und dazu noch ihre Freunde und Familien inklu­ sive sämtlicher Kinder, eine auch nicht kleine Backstage-Crew sowie ein paar ziemlich große Instrumente. Am Abend werden hier 800 Gäste im Rahmen der Red Bull Music Academy Radio Night einen der raren britischen Gigs des Ensembles miterleben, plus Gastauftritt der Afrobeat-Legende Tony Allen. Trompeter Gabriel Hubert alias Hudah wird von Kamerateams hin und her geschoben, verliert aber trotzdem nicht seine Ruhe. „Wir sind cool“, sagt er, „frei und locker.“ Eine Einstellung, die der Band heuer noch nützlich sein wird, hat sie doch in diesem Jahr einiges vor. Zehn Jahre ist das Ensemble bereits erfolgreich, trat zuletzt mit Mos Def und Erykah Badu auf und begeisterte die Fans von Kanye West und Jay-Z. Gleich nach dem heutigen Konzert werden sie für einen weiteren Gig nach Paris jetten, um danach wieder auf der Insel mit Blur und GorillazFrontman Damon Albarn im Studio zu stehen. Im Moment haben sie jedenfalls einmal genug von dem Getue, packen ihre bereits soundgecheckten Instrumente und übersiedeln auf die Straße. Back to the roots also, denn immerhin begründet sich ihr legendärer Ruf auf ihren Sessions als Straßenmusiker. Sie stimmen sich unter einer der für East London so typischen Eisenbahnbrücken samt Graffiti ein. Schnell, weil ein paar Musiker schlottern trotz Wintersonne bereits vor Kälte. Sofort versammeln sich ein paar neugierige Passanten, die rasch immer mehr werden und begeistert beim grandiosen „Satin Sheets“ mitwippen. „Das war unser erster Song, den wir 1999 zusammen geschrieben 92

haben“, erzählt Gabriel später. Jetzt bewegen sie sich mit fast geschlossenen Augen perfekt koordiniert zu ihren Tunes, nutzen die ungewöhnliche Akustik des Brückenbogens, die den tiefen Bass des Sousaphons und die Trompetenklänge in exakter Klarheit verstärkt. Überraschte Zuschauer zücken ihre Kameras und Mobiltelefone, um diesen Moment festzuhalten. Eine spontane StraßenPerformance als Vorgeschmack auf ein spektakuläres Konzert. Das freiwillige Publikum quittiert’s mit enthusiastischem Applaus und wird mit einem Hinweis auf die Website, „Sie hörten das Hypnotic Brass Ensemble – mehr auf Hypnoticbrass dot net!“, entlassen. Entspannt versinkt die Band jetzt in den Sofas des Clubs, um den Auftritt am Abend zu besprechen. Zu diskutieren gibt es einiges: Soll man nochmals auf der Straße spielen, obwohl es zahlendes Publikum im Lokal gibt, zum Beispiel. Oder soll man lieber eine Einlage im Foyer planen? Geplaudert wird noch über Frauen, vegetarisches Essen und den geplanten Auftritt mit Tony Allen. Allmählich verschwindet einer nach dem anderen, um sich im Hotel noch etwas zu erholen. Drei Stunden später stehen die Jazzer wieder unter der besagten Eisenbahnbrücke. Diesmal allerdings sind sie die Zuschauer und beobachten ihre Fans, die sich vorm ClubEingang drängeln, um doch noch ins ausverkaufte Konzert reinzukommen. Nur einige wenige bemerken die Stars, die rauchend auf der Straße mit Damon Albarn herumalbern, der später für einen Song zu ihnen auf die Bühne stoßen wird. Als die Menge endlich im Club drinnen ist, schlüpfen die Musiker ins Foyer und starten vor ein paar verstreuten Fans eine Mini-Performance. Nur langsam merkt der Rest des Publikums, was da draußen abgeht. Dort jedoch ist der magische Funke bereits übergesprungen. Es ist nur ein einziger Song, aber damit hat das Hypnotic Brass Ensemble sein Publikum schon in den Bann gezogen, noch bevor das Konzert überhaupt beginnt. „Hast du das gesehen?“, fragt einer der wenigen glücklichen Foyer-Tänzer seinen Freund. „Ich hab mir schon so viel von ihnen auf YouTube angeschaut. Das hier hat aber alles übertroffen.“ Als die Band jetzt endlich die Bühne entert, stimmen dem 800 enthusiasmierte Gäste wippend und shakend freudig zu. Das Live-Set der Hypnotic Brass Band zum Nach­ hören auf: www.redbullmusicacademyradio.com Dates und Videos auf: redbulletin.com/hbband/de

bilder: thomas butler

hypnotic Brass Ensemble

In ihrem Element: Das Hypnotic Brass Ensemble liebt spontane Sessions und überraschende Gigs auf der Straße. ­Unter einer Eisenbahnbrücke vor dem Londoner Cargo Club klangen ihre ­Instrumente besonders gut.


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Night of the Jumps 21./22. 3. 2009 Die Night of the Jumps ist mit ihren heuer sieben Stopps in aller Welt eine der i­nteressantesten internatio­ nalen Freestyle-Motocross-Serien. Im ersten Bewerb der neuen Saison wird wieder in den Disziplinen Hochsprung, Whipcontest und Freestyle um den Sieg gekämpft. O  World, Berlin, Deutschland ²

Skull Disco Swiss Tour 26./27. 3. 2009 Das Dubstep-Record-Label geht auf Tour. Mit dabei sind die Gründer Sam Shackleton, Laurie „Applebim“ Osborne sowie Necta Selecta. 26. 3. Zürich, 27. 3. Genf, Schweiz

Red Bull Night Race 27./28. 3. 2009 Das Red Bull Night Race verwandelt einen Club in eine Formel-1-Rennstrecke. Hauptattraktion wird das Pit Stop Game sein, bei dem man in Qualifikation und Finale so schnell wie möglich einen Reifenwechsel durchführen soll. 27. 3. Burg, Spielberg, 28. 3. MCM, Feldbach, Österreich

Innervisions Party 28. 3. 2009 Die Crème de la Crème des deutschen Deep-House trifft sich zur nächtlichen Klausur. Und natürlich lassen Dixon, Henrik Schwarz, Âme und Tokyo Black Star die Berliner Partycrowd daran teilhaben. WMC, Berlin, Deutschland

Pilooski 29. 3. 2009 Der junge Franzose jagt Disco­Klassiker und Soul-Hymnen durch den Fleischwolf. Raus kommen ­schräge Elektronik-Tracks, modern und traditionell zugleich. Robert Johnson, Offenbach, Deutschland

Snowbombing Mayrhofen 29. 3. – 4. 4. 2009 Europe’s Greatest Show on Snow feiert den zehnten Geburtstag. Dementsprechend partytauglich ist das Line-up. Die Partygäste dürfen sich unter anderem auf Mr Hudson, Fabio & Grooverider, London Elektricity, Lindstrom, Scratch Perverts, Zinc, Skream, Benga, Greg Wilson und ­viele mehr freuen. Mayrhofen, Österreich Mehr Nacht-Events auf: www.redbulletin.com

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02.02.2009

9:32 Uhr

Seite 1

DAS COLAVON RED BULL.

STRONG & NATURAL.

Büroalltag Selbst wenn die 40-StundenWoche nur in der Theorie bestehen sollte: Wir behalten am Arbeitsplatz unseren Humor.

Mitunter bringen einen Round-Table-Gespräche enorm voran, manchmal scheitert man jedoch temperatur­ bedingt an den äußeren Umständen: „Warum kommt bei diesen Meetings eigentlich nie etwas heraus?“

Gute Idee? „Wir müssen was gegen den ausufernden Papierkrieg tun. Ich möchte, dass Sie jedes Mal eines dieser Formulare ausfüllen, wenn Sie denken, dass Sie …“

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illustrationen: www.cartoonstock.com

Wie reagieren Sie da als Chef? „Ich will wieder auf die Uni und Partys feiern: Ich brauche Urlaub, um die Jungs meiner Studentenverbindung zu treffen.“


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Ob sich der gute Mann hier lange halten kann? „An seinem ersten Arbeitstag in der Autowerkstatt wurde Trevor los­ geschickt, um einen ‚Mädchen‘-Kalender zu kaufen.“

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02.02.2009

9:34 Uhr

Seite 1

illustrationen: www.cartoonstock.com, kainrath

STRONG & NATURAL. Cocablatt

Kolanuss

Zitrone/Limette

Nelke

Zimt

Kardamom

Pinie

Ackerminze

Galgant

Vanilleschoten

Ingwer

Muskatblüte

Kakao

Süßholz

Orange

Senfsamen

Das Cola von Red Bull ist eine einzigartige Komposition an Inhaltsstoffen, allesamt

Kolanuss als auch das Cocablatt verwendet. Sein natürlicher, nicht zu

Darüber hinaus enthält das Cola von Red Bull keine Phosphorsäure, keine Konser-

100 % natürlicher Herkunft.

süßer Cola-Geschmack kommt

vierungsstoffe sowie keine

Außerdem ist es das einzige

durch die Verwendung der rich-

künstlichen Farbstoffe und

Cola, das sowohl die Original-

tigen Pflanzenextrakte zustande.

Aromen.

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Read bull

Leser machen Programm Schicken Sie Ihren Text bitte an: readbull@redbulletin.at Das Thema ist frei, doch irgendwo kann eine Dose versteckt sein. Die besten Texte (4000 bis 5000 Anschläge) werden abwechselnd mit den Storys professioneller Autoren veröffentlicht.

Cindys Bar „Und du hast dann einfach angerufen und eins bestellt?“ „Ja, nicht lange nachgedacht, einfach gemacht. Sagst du doch sonst immer.“ „Weiß schon. Wie heißt das Magazin, Slight, nein, Swift, oder …?“ „SHIFT, aber wie gesagt, ich geb’s dir dann mit, dann kannst du selbst – ah, hallo, noch zwei … ja ein ,Hells Bells‘ und ein ,Doing Well‘!“ Als er mit den Augen dem wiegenden Gang des blonden Engels, der hier die Drinks servierte, bis hinter den Tresen folgte, kam ihr Gespräch erstmals ein wenig ins Stocken. Wahrscheinlich wa­ ren mehr als neunzig Prozent Männer in dieser Bar und ein Großteil von ihnen wohl wegen der Optik der Bedienungen. Nicht, dass jene irgendwem direkt oder auch nur indirekt Hoffnung gemacht hät­ ten – jede von ihnen spielte beziehungs­ technisch wohl in einer anderen Liga als jener, die hier im EARTH CLUB vertreten war. Aber – und das war entweder eine professionelle Arbeitsauffassung oder schlicht ein Wunder – sie g ­ aben jedem 96

Gast das Gefühl, sein persönliches Wohl­ ergehen sei ihr zentrales Anliegen. „Genau, SHIFT, und hier wurde ein ,Überraschungspaket für den richtigen Mann‘ angeboten? In verschiedenen Aus­ führungen, oder was? Ich meine, nimm doch bloß mal uns – wie verschieden wir sind. Jeder Mann fühlt sich bei jemand … oder sagen wir: Jeder Mann hat ande­ re Ansprüche.“ „Dachte ich auch, aber schon im Inserat war von drei Basisversionen, abgestimmt auf Alter und, na ja, auf Familienstand, die Rede, und die quasi Feinabstimmung machte ich sowieso am Telefon.“ „Was: Feinabstimmung? Ein Inserat in einem Magazin, drei Basisversionen, Feinabstimmung am Telefon – vielleicht noch Lieferservice und ,Bei Unzufrieden­ heit zurück an den Absender‘ oder was?“ „Genau.“ „…“ „Also ein Doing Well für dich und noch ein Hells Bells hier, ja? Na, Jungs, sonst noch Wünsche – kleiner Snack, Brötchen …?“

„Besteht nicht das ganze Leben aus Wünschen, aber – nein, nichts zum Essen für mich, ähm, du vielleicht?“ „Nein, wunschlos – mehr oder weni­ ger …“ „Okay, später vielleicht, die zwei zu­ sammen elf achtzig …“ „Stimmtsolassgutsein.“ Langsam, aber sicher hatte der Alko­ hol auch die letzten Gehirnwindungen getränkt und das übliche Massaker unter den für Vernunft, Sprachkoordination und Analysis zuständigen Nervenzellen angerichtet. Immerhin gab’s Bells und Wells im Zweifelsfall nur gegen Alters­ nachweis mit amtlichem Lichtbild. „Und dann hast du in der Mittagspau­ se angerufen, und am Abend hat der Lie­ ferservice bei dir geklingelt? Sind die aus der Stadt oder was, oder waren die in der Gegend?“ „Weiß nicht, jedenfalls hatten die noch mindestens dreißig Pakete im Anhänger, ich glaub, das läuft wie verrückt.“ „Unglaublich.“ Und es war in diesem Fall nicht ganz klar, was damit gemeint

illustration: almut becvar; bild: istockphoto.com

Von Ewald Kröll


Read bull

war – der Lieferservice für das Über­ raschungspaket für den richtigen Mann oder die Serviererin, Cindy, deren Name sich nahezu mit Lichtgeschwindigkeit ­herumgesprochen hatte und die an­ scheinend trotz der rappelvollen Bude alle Zeit der Welt hatte und unter Zu­ hilfenahme des Barspiegels ihr Kleid zurechtzupfte. „Und was … wo haben sie dieses Pa­ ket hingebracht – in die Garage, so groß oder was?“ „Mmm, in die Garage.“ Etwas nahm seine Aufmerksamkeit ­offenbar mehr in Anspruch als dieses Ge­ spräch, oder nahm ihn die Erinnerung an sein Überraschungspaket praktisch gefangen? „Also, was ich meine, darum geht’s ja schließlich: Was war drin?“ „Was? – Ach so … Überraschungen eben.“ Kleiner verträumter Grinser. Er musste erst wieder ins Gespräch zurück­ geholt werden, das Interesse oder schlicht die Neugierde schien ganz eindeutig bei seinem Gegenüber größer und größer zu werden. „Du weißt ja, momentan hab ich keine feste Beziehung, also hab ich bei der Feinabstimmung die Version Satisfaction 2.0 bestellt. Empfohlen ab zwanzig, sportlich, kulturell nicht ganz unbedarft, Linkswähler.“ „Linkswähler?!“ „Na ja, kontrolliert ja keiner.“ „Ah“, konnte er seine Überraschung nur schwer verbergen, momentan keine Beziehung ist gut, ich bin mir nicht mal sicher, ob ich ihn überhaupt schon mal mit einer Frau gesehen hab, und sport­ lich? Na ja, wer weiß – aber Linkswäh­ ler? Vielleicht noch gewerkschaftlich ak­ tiv oder was? Muss unbedingt mal in der Personalabteilung nachfragen – guter Grund, mal wieder bei der Kleinen da vorbeizuschauen … Gloria oder wie … „Egal, aber das hat dich so überzeugt, ich meine, das war erst gestern, und du hast schon das Erweiterungspaket geordert?“ „Ja.“ „Was ,Ja‘, du machst mich verrückt, wir trinken jetzt aus, dann rufen wir ein Taxi, und ich schau mir das mal an. Das hört sich absolut verrückt an – irgendwie abgehoben. Das hat doch nix mit Drogen oder so was zu tun, oder? Ich meine, es ist doch legal oder zumindest nicht ver­ boten, und es braucht ja auch sonst kei­ ner zu wissen, oder?“ „Na ja, natürlich ist es irgendwie le­ gal, offizielles Inserat, Versand und alles, aber du bist doch verheiratet, ich meine, Karin und du seid doch schon ewig zu­

Er steckte den Kopf durch die Öffnung, sah Sand und Licht – unglaublich: Da hinten, wo der Fuß der Werkbank sein musste, glitzerte Wasser – das Meer?

sammen, also ich weiß nicht, vielleicht solltest du doch selbst anrufen und …“ „Nix, wir fahren jetzt zu dir. Ich kann ja einmal schauen, ich meine nur schau­ en, oder?“ „Eigentlich ist es mehr ein Erlebnis, Ganzkörpererlebnis genau genommen, einfach – na ja – unglaublich eben, wie gesagt.“ „‚Wie gesagt‘ ist gut – komm jetzt, ich hab den Wagen vor der Tür.“ Cindy blickte ihnen nach, als sie das Lokal verließen. Sie belebte gerade einen Golden Arrow mit einem Schuss Red Bull, und ganz langsam, diesmal ohne ihr geschäftsmäßiges Lächeln, zerdrückte sie die leere Dose in ihrer Faust. „Ich glaub, wir sollten ein Taxi rufen, vier Bells sind nicht ganz harmlos, ich würd nicht mehr fahren.“ „Ach was, außerdem braucht Karin morgen das Auto – irgendein Kurs, Fin­ gernägelfeilen oder was weiß ich, wird Zeit, dass sie sich was Vernünftiges sucht oder endlich schwanger wird.“ „Da vorne links, dann gradaus bis zu der Ampel, pass auf, das geht sich niemals aus – ahhh, verdammt, bist du wahnsin­ nig oder was …?! Hier die Einfahrt, nein, nach dem Zaun!“ Satt fallen die Autotüren ins Schloss. Stille. Verlegene Unsicherheit. „Muss zuerst noch aufs Klo, darf doch bei dir, oder ach was, hier geht’s doch auch, sieht sowieso keiner.“ Ein kleines Rinnsal kroch von der Thujenhecke über die Einfahrt und ver­ siegte direkt vor den Rosen. Endlich schwang die Garagentür mit einem gleichmäßigen ,Wosch‘ auf, Licht

und Wärme trafen ihn eher unvorberei­ tet. Eine Schachtel nahm fast den ganzen hinteren Teil der Garage ein, seitlich schien eine Klappe offen zu sein, aber aus dieser Perspektive schien sie nur so groß, als würde man bestenfalls den Kopf hineinstecken können. Der Schrift­ zug versprach nun „Überraschn MANN“, der Rest wurde von der Klappe verdeckt. „Nicht mal ausgepackt oder was?!“ Er wollte sich am Oberteil zu schaffen machen, aber es fehlte ein Angriffspunkt, und die Feinmotorik war nicht mehr das, was sie drei Stunden zuvor gewesen war. „Nein, du musst hier durch die Klappe, aber ich weiß nicht, wie gesagt: Die ­Feinabstimmung ist eher auf mich zu­ geschnitten.“ „Ach was!“ Er steckte den Kopf durch die Öffnung, sah den Sand und das Licht – unglaublich: Da hinten, wo eigentlich der Fuß der Werkbank sein musste, glit­ zerte Wasser – das Meer? Sein Freund half ihm schließlich durch die Öffnung in den Karton, er konnte sei­ nen nicht wegzuleugnenden Bauchansatz alleine nicht über die Kante hieven, und er fühlte so was wie Dankbarkeit, Glück und … Angst? Das war dann auch schon sein letztes bewusst wahrgenommenes Gefühl auf dieser Erde. Sein Freund schloss die Klap­ pe im Karton, holte sein Handy, und nach Eingabe einer kurzen Nummer sprach er ruhig und konzentriert. „Ja, erledigt, könnt ihr abholen, keine Probleme … ja, im üblichen Karton.“ Er verließ die Garage durch den seit­ lichen Ausgang. Zurück blieben ein leich­ ter Geruch nach Schwefel und die Hitze, die direkt aus dem Karton zu kommen schien.

Ewald Kröll,

39, in Uttendorf (Pinzgau, Salzburg) geboren, lebhaft in Neukirchen am Großvenediger. Arbeitet bei den ÖBB als Fahrdienstleiter, pflegt gerne Haus, Garten, Familie und Texte. 97


Ankowitschs Kolumne belebt Körper und Geist (17)

Treu sein ist ganz einfach!

Das Hormon Oxytocin sorgt dafür. Ob Paare einander treu bleiben, hängt nicht nur davon ab, ob sie sich lieben, gerne gemeinsam auf Urlaub fahren oder die Vorliebe für Ausdruckstanz bzw. Skateboardfahren teilen. Die beiden Menschen müssen auch eine ausreichend große Menge an Oxytocin im Blut haben. Oxytocin? Ja, Oxytocin! Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich ein Hormon, also ein Wirkstoff, den unser Körper produziert. Er ist dort für viele sehr wichtige Dinge zuständig, unter anderem dafür, ob wir beieinander bleiben, den anderen sexuell anziehend finden oder ruhig und gelassen werden. Deshalb ­wollen wir uns heute auch mit ihm beschäftigen. Hormone sind Botenstoffe. Sie schwirren durch unseren Körper und informieren sämtliche Organe, was gerade so los ist mit uns und der Welt. Wir können uns deren Botschaften wie SMS vorstellen, die wir täglich via Handy verschicken: „Komme fünf Minuten später.“ Genauso macht es unser Gehirn. Geraten wir zum Beispiel mit dem Auto in dichten Nebel, so registriert das erst einmal unser Auge, das Gehirn verarbeitet die Info und versetzt daraufhin den Körper in erhöhte Alarmbereitschaft – und zwar indem es die Nebenniere dazu veranlasst, das Stresshormon Adrenalin aus­zuschütten. Dieses Adrenalin tobt nun durch unseren Blutkreislauf und informiert alle wichtigen Organe, dass es Probleme gibt. Die

Welch wichtige Rolle Oxytocin in Sachen Treue spielt, haben Untersuchungen an Wühlmäusen gezeigt. Organe reagieren mit erhöhter Betriebsamkeit, denn: Wenn wir eine so schwierige Situation meistern wollen, muss unser ganzer Körper dabei mithelfen. Etwa unser Herz, indem es mehr Sauerstoff in den Kreislauf pumpt. Ohne Hormone wüsste das Herz nichts von der Notlage und würde weiter ruhig vor sich hin klopfen – und wir über den nächsten Abhang kullern. Eine ähnlich wichtige Rolle in unserem Leben spielt das Oxytocin. Es ist nämlich wesentlich dafür verantwortlich, dass wir uns sozial verhalten: Sobald es

vermehrt ausgeschüttet wird und durch unseren Körper kreist, animiert es uns dazu, anderen Menschen zu vertrauen. Dieses Vertrauen wiederum führt dazu, dass wir uns näherkommen, uns in die anderen hineinversetzen und ihren Gesichtsausdruck verstehen. Wie wichtig das ist, können wir an frischgebackenen Müttern beobachten: Das Hormon lässt nicht nur mehr Milch fließen, sondern bewirkt auch, dass die Mütter in Hochstimmung geraten, was wiederum deren Zuneigung zum Baby verstärkt. Kluge Natur! Welch wichtige Rolle das Oxytocin in Sachen Treue spielt, darauf haben Untersuchungen an den normalerweise supertreuen Präriewühlmäusen hingewiesen. Als die Forscher den armen Mäusen ein Gegenmittel zum Treue-Hormon spritzten, verließen die plötzlich Kind und Partner und taten, was sie wollten. Womit wir bei der alles entscheidenden Frage angelangt wären: Wo kriegt man das Wunderzeug her? Alle, die nun hoffen, es sei in irgendwelchen Nahrungsmitteln enthalten und man könne diese in ausreichender Menge essen, muss ich leider enttäuschen: Leider, das Zeug ist nirgends drinnen! In Form von Tabletten, Ampullen und Nasensprays gibt es Oxytocin freilich zu kaufen – aber einmal abgesehen davon, dass es verschreibungspflichtig ist, empfiehlt sich die Einnahme nur dann, wenn das der Hausarzt ausdrücklich empfiehlt; außerdem hängt es nicht bloß von einem Hormon ab, ob wir treu sind, sondern von mehreren, mal ganz zu schweigen von sozialen Faktoren. Keine Chance also, an Oxytocin zu kommen? Doch! Und zwar auf einigen der schönsten Wege, die uns zur Ver­ fügung stehen: Unser Körper produziert das Hormon nämlich vor allem nach dem Orgasmus, wenn wir mit einem lieben Menschen kuscheln, ihn sanft massieren oder wenn wir Zärtlichkeiten austauschen. Wenn das keine guten Nachrichten sind! Christian Ankowitsch ist ein österrei­ chischer Journalist und Schriftsteller. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.

Herausgeber und Verleger Red Bulletin GmbH Chefredaktion Robert Sperl, Stefan Wagner (Stv.) Creative Director Erik Turek Art Director Markus Kietreiber Fotodirektion Fritz Schuster Chefin vom Dienst Marion Wildmann Leitende Redakteure Werner Jessner, Uschi Korda, Andreas Kornhofer, Alexander Macheck Redaktion Ulrich Corazza, Felix Fuchs, Peter Hofer, Daniel Kudernatsch, Florian Obkircher, Lucas Perterer, Christoph Rietner, Simon Schreyer, Clemens Stachel, Nadja Žele Grafik Claudia Drechsler, Simone Fischer, Dominik Uhl Fotoredaktion Markus Kucˇera, Valerie Rosenburg Senior Illustrator Dietmar Kainrath Autoren Christian Ankowitsch, Christian Seiler Mitarbei­ter Jocelyn Fujii, Tom Hall, Justin Hynes, Alex Lisetz, Ruth Morgan, Stefan Nink, Gerhard Stochl, Herbert Völker, Paul Wilson, Matt Youson Illustratoren Almut Becvar, Mandy Fischer, I Love Dust (Cover), Andreas Leitner, Lie-Ins and Tigers Lektorat Hans Fleißner Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Christian Graf-Simpson, Nenad Isailovic Herstellung Michael Bergmeister Produktion Wolfgang Stecher Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Geschäftsführung Karl Abentheuer, Rudolf Theierl Projektleitung Bernd Fisa Sonderprojekte Boro Petric Finanzen Siegmar Hofstetter Verlagsleitung Joachim Zieger Marke­ting Barbara Kaiser (Ltg.), Regina Köstler Projektmanagement Jan Cremer, Jürgen Eckstein, Dagmar Kiefer, Sandra Sieder, Sara Varming Anzeigenverkauf Bull Verlags GmbH, Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien; anzeigen@at.redbulletin.com IT-Support Martin Ribitsch Office Management Martina Bozecsky, Claudia Felicetti Firmensitz Red Bulletin GmbH, Am Brunnen 1, A-5330 Fuschl am See, FN 287869 m, ATU 63087028 w +43 w w 1 .90221-28809 s a l z b u Kontakt r g . c redaktion@at.redbulletin.com o m Sitz der Redaktion Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax Redaktionsbüro London 14 Soho Square, W1D 3QG, UK Telefon +44 20 7434-8600 Fax +44 20 7434-8650 Web www.redbulletin.com Erscheinungsweise Das Red Bulletin erscheint jeweils am ersten Dienstag des Monats als Eigenbeilage von und in Kooperation mit folgenden Partnerzeitungen – in Österreich: Kleine Zeitung, Oberösterreichische Nachrichten, Die Presse, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten; Burgenländische Volkszeitung, Niederösterreichische Nachrichten. In Deutschland: Münchner Merkur, tz. In Großbritannien: The Independent. Gesamtauflage 1,8 Millionen Leserbriefe bitte an leserbriefe@at.redbulletin.com w w w . s a l z b u r g . c o m

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DIE NÄCHSTE AUSGABE DES RED BULLETIN ERSCHEINT AM 7. April 2009. w w w . s a l z b u r g . c o m

Illustration: Andreas Leitner

Ko lu m n e


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