The Red Bulletin März 2018 - DE

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DEUTSCHLAND MÄRZ 2018, € 2,50

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DAS KÖNNTEST DU SEIN DESTINATION RED BULL HIER GIBT’S DIE REISEN MIT DEM EXTRA-KICK ADRENALIN*

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EDITORIAL

„Wuuuahhhhhh!“ So kreischst du, wenn dich die g-Kräfte während eines Loopings in den Sitz eines Kunstflugzeugs drücken. Woher wir das wissen? Weil es unser Redakteur ausprobiert hat. Mit Destination Red Bull. Dieser An­ bieter für Reisen abseits des Alltäglichen lässt dich das Red Bull Air Race aus völlig neuer Perspektive erleben – aus jener der Piloten. Was einem vor, während und nach dem „Wuuuahhhhhh!“ durch den Kopf geht? Der Erfahrungsbericht in zehn Gefühlsausbrüchen ab Seite 26.

Die Welt steht kopf für unseren Redakteur (hier mit bleichem Gesicht im Vordergrund). Zumindest so lange, bis Pilot Péter Besenyei (hinten) sein Flugzeug wieder waagrecht stellt. Ab Seite 26 fliegst du mit.

Einen ruhigen Kopf bewahren müssen die Männer und Frauen der Rettungseinheit ICE-SAR auf Island. Wir schickten unsere Autorin gemeinsam mit MagnumFotograf Jonas Bendiksen zum Überlebenstraining. Ein Sprung ins kalte Wasser mit einer inspirierenden Lektion in Sachen Teamwork, ab Seite 54.

MIT AN BORD IN DIESEM HEFT

JONAS BENDIKSEN

Der preisgekrönte Fotograf aus Oslo verbrachte im Auftrag der Agentur Magnum Photos schon viel Zeit in rauen Gegenden. Für uns reiste er nach Island zur nationalen Such- und Rettungseinheit ICE-SAR. „Es war traumhaft“, sagt Bendiksen. „Die freiwilligen Helfer trotzen Kälte, Wind und Eis, denn brennen sie für ihre Aufgabe.“ ­Unsere Reportage ab Seite 54.

BEN KRISCHKE

Der Münchner Autor schreibt ­Reportagen und Porträts, etwa für den „Playboy“ und den „Focus“. Für uns sprach Krischke mit dem deutschen Spitzenkletterer Alexander Megos über dessen Erfolgsprinzipien. Krischkes Lieblings­ aussage des Topathleten: „Der ­Fokus darf nicht allein auf Erfolg liegen.“ Ab Seite 36.

PREDRAG VUKOVIC (COVER)

WILLKOMMEN IN UNSERER WELT

Viel Spaß beim Lesen! Die Redaktion

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THE RED BULLETIN


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Renault empfiehlt


INHALT März

BULLEVARD Life and Style Beyond the Ordinary

10 Hollywood-Star Matt Damon

rettet die Welt 12 Mit Fischen auf Augenhöhe im Unterwasser-Restaurant 14 Der Reiz der Verletzlichkeit: Dita Von Teeses neue Rolle 16 An 100 km/h kratzen beim Skateboard-Downhill 18 Das modulare Survival-Kit 2 0 Wieso Margot Robbie Freunde tätowiert und Banjo spielt 2 2 Aston Martin Valkyrie: Science-Fiction für die Straße 24 Die feurigsten Chilis der Welt

GUIDE

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Get it. Do it. See it. 74 Highlights auf Red Bull TV

CHRIS HEMSWORTH

Von Höhlen­ geistern und Gift­ schlangen: der „Thor“-­Superstar über seine Kind­ heit im Outback.

76 Fitness-Innovation EMS-Anzug 78 Die besten Silizium-Uhren 80 Top-Termine des Monats 82 Auto-Special: mobile Trends

und Spitzenmodelle

92 Reifs Fußball-Kolumne 97 Impressum 98 Das Actionfoto des Monats

26 DESTINATION RED BULL

Reisen erweitert den Horizont. Oder dreht ihn um. Wie es ist, im Kunstflieger zu sitzen, und wo du zusteigen kannst. 6

THE RED BULLETIN


36 JOHN RUSSO/CONTOUR BY GETTY IMAGES, PREDRAG VUKOVIC, THOMAS BALLENBERGER/RED BULL CONTENT POOL

ALEX MEGOS

Mentale Stärke, ­Teamwork, hohe Ziele: die Erfolgsregeln des Ausnahme-Kletterers aus Deutschland.

FEATURES 2 6 Rendezvous mit den g-Kräften

Destination Red Bull: Skepsis, Herzklopfen, Euphorie im Kunstflugzeug.

36 Griff um Griff zum Erfolg

Wie sich Kletter-Profi Alexander Megos auf schwierige Routen vorbereitet.

4 2 Radprofi im Schlafzimmer

Der unglaubliche Weg von Tanja Erath zum Vertrag bei Canyon SRAM Racing.

4 4 Einmal durch die Hölle

Der Mann, der die Welt in Rekordzeit auf dem Fahrrad umrundete.

4 8 Chris Hemsworth offline

Hollywoods Milliarden-Mann sperrt gern mal seinen Laptop weg.

5 4 Islands Lebensretter

Unterwegs mit der Such- und Rettungsorganisation ICE-SAR: freiwillige ­Helfer, tosende Eisflüsse, Gletscherspalten – und die Kraft des Teamgeists.

6 4 Mut zur Verzweiflung

Der etwas andere Selbsthilfe-Ratgeber des TV-Produzenten Elan Gale.

6 6 Awolnation will’s wissen

Echtheit statt Perfektion: über ein ganz besonderes Studiokonzert.

THE RED BULLETIN

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STYLE

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THE

ORDINARY

Hollywoods Gewissen: Oscar-Gewinner Matt Damon, 47

SEBASTIAN KIM/AUGUST

MATT DAMON „FILME SIND WERKZEUGE FÜR MEHR EMPATHIE“

SEITE 10

THE RED BULLETIN

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SEBASTIAN KIM/AUGUST

RÜDIGER STURM

B UL L EVA R D

Matt Damon, 47, HollywoodIkone: „Auch ich muss mich bemühen, meine Echokammer zu verlassen.“

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THE RED BULLETIN


B

eim letzten Gespräch mit dem Red Bulletin kämpfte Oscar-Gewinner Matt Damon, 47, noch als Jason Bourne ge­ gen das System. Sein aktueller Film „Downsizing“ handelt von einer friedlichen Veränderung der Welt sowie von Problemen wie Überbevölkerung und schwindenden Ressourcen. Ein Gespräch über den Nutzen von Umzügen, Virtual Reality und dem Kino als Medium für Empathie.

Matt Damon packt an, wo andere nur zusehen. Im Film, im Kampf für sauberes Wasser und mit der Wunderwaffe Virtual Reality.

NUR NOCH KURZ DIE WELT RETTEN

the red bulletin: Ihre ­Figur in „Downsizing“ ­ergreift drastische Schritte, um ihr Leben zu ändern. ­Haben Sie auch etwas in ­dieser Richtung geplant? matt damon: Ich würde mich logischerweise nicht ­verkleinern lassen wollen wie im Film (in dem sich Menschen schrumpfen lassen, um mit ­weniger Ressourcen auszu­ kommen; Anm.). Aber meine Frau und ich ändern unser ­Leben permanent. Inwiefern? Wir haben beschlossen, alle fünf Jahre umzuziehen. Wir haben in Florida, New York und Los Angeles gelebt. Und wir sprechen ständig davon, wo wir sonst noch wohnen wollen. Wir haben eine regel­ rechte Wanderlust. Na ja, immerhin bleiben Sie innerhalb der Komfortzone der Vereinigten Staaten. Wir haben schon sechs Monate in China gewohnt. Meine ­Familie war auch überall in Europa. Meine Frau stammt aus Argentinien – ich könnte mir gut vorstellen, dort zu ­leben. Ich erinnere mich noch, wie meine Mutter mit meinem Bruder und mir im Bus durch Mittelamerika fuhr, damit wir die Sprache lernen. Das waren wichtige Erfahrungen.

können Sie sich begreiflich machen, wie hart es auf der Welt zugehen kann? Indem ich immer wieder ­Gegenden mit extremer Armut bereise – etwa mit meiner ­Organisation Water.org, mit der wir sauberes Trinkwasser in dreizehn Länder bringen. Was würden Sie vorschlagen: Sollen wir Ihrer Organisation Geld spenden oder besser ein Ticket für „Downsizing“ kaufen? Spenden sind immer gut. Aber Filme haben auch eine wich­ tige Funktion. Sie verschaffen den Zuschauern einen Einblick in das Leben anderer. Seit der Zeit prähistorischer Höhlen­ zeichnungen erzählen wir uns etwas, um Kontakt zu anderen aufzubauen. Filme sind bis­ lang die technisch anspruchs­ vollste Version dieser Absicht. Müssen wir nicht lernen, uns auch ohne technische Hilfsmittel zu verstehen? Das stimmt. Es ist ein Pro­ blem, wenn du dem anderen nicht mehr zuhören kannst. Außerdem neigen wir dazu, uns in unsere Echokammern zurückzuziehen … … auch Sie? Auch mir fällt’s schwer, meine Komfortzone zu verlassen. Ich lese immer dieselben Websites – die „New York Times“, „The Atlantic“, den „New Yorker“. Aber sich bloß seine Über­ zeugungen bestätigen zu ­lassen ist der falsche Weg. Sie sind einer der größten Filmstars. Was kann Ihr ­Medium zur Verständigung beitragen? Virtual Reality wird ein Thema. Ich habe unlängst ein System getestet, mit dem du dich fühlst, als würdest du mit ­einem syrischen Flüchtling in einem Zelt sitzen. Ein perfektes Instrument für Empathie.

„Downsizing“ läuft im Kino

Sie genießen trotzdem ein privilegiertes Leben. Wie THE RED BULLETIN

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R

ein äußerlich er­ innert das Under in Lindesnes an Norwegens Südspitze ein wenig an Moby Dick, den alles verschlingenden weißen Wal aus den Tiefen des Ozeans. Und irgendwie ist die Analogie ja auch stimmig: Was zu nahe kommt, findet zuverlässig ­kulinarische Verwertung. Bei seiner Eröffnung im Jahr 2019 wird das Under das größte Unterwasserrestaurant der Welt sein. Serviert werden ­naheliegenderweise Fische und Krustentiere von jenseits der Panorama-Glaswand im Unterwassergeschoss, dazu Seevögel und Wildschafe, die im Umland grasen. Besonderes Feature: Durch Licht, Geräusche und Düfte wird Plankton angelockt, was wiederum Fische anzieht. Man isst also wie in einem Aquarium. Wenn auch mit vertauschten Rollen. under.no

Unterwasser­­ restaurant Fangfrisch hat einen neuen Superlativ: In diesem Restaurant in Norwegen verspeist du, was rund um dich gerade noch gezappelt hat. Auf Augenhöhe.

DINNER À LA CAPTAIN NEMO

Hinter der Panorama-Glaswand wartet die Spezialität des Tages.

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MIR/SNØHETTA/STIAN BROCH

TOM GUISE

Auf dem Teller treffen sich Fauna und Flora der nächsten Umgebung.

Das Restaurant Under, entworfen vom Architekturbüro Snø­hetta aus Oslo (und New York), ragt sechs Meter ins Meer. THE RED BULLETIN


B UL L EVA R D

THE RED BULLETIN

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B UL L EVA R D Dita Von Teeses selbstbetiteltes Album erscheint am 18. Februar.

Electro-Troubadours Sébastien Tellier hat sie eine Platte voll sinnlicher Synthiepop-Perlen aufgenommen. the red bulletin: Die Welt kennt und liebt Sie als Burlesque-Tänzerin. Dass Sie auch singen, war uns neu. dita von teese: Ich bin keine Sängerin. Burlesque-Shows und Unterwäsche-Design, dar­ in bin ich Profi. Aber genau da lag für mich der Reiz: mich mit meiner Verletzlichkeit auseinanderzusetzen. Inwiefern? Ich habe volle Kontrolle über mein Image. Auf der Bühne präsentiere ich mich bewusst als glanzvolle, unnahbare Diva. Im Tonstudio dagegen fühlte ich mich neben den Profimusikern sehr unsicher. Ich war in einer ganz anderen Rolle. Und das war toll.

„ICH MAG ES, WENN LEUTE MICH HASSEN“ 14

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on der Ballerina zum Fetischmodel: In ihren frühen Zwanzigern wechselte Dita Von Teese vom Tutu ins Korsett, mit ihren ­lasziven Auftritten verdrehte sie Männern den Kopf. So auch Hugh Hefner, der sie 2002 aufs „Playboy“-Cover hievte. Seitdem gilt Von Teese als ver­ wegene Pop-Ikone, die gern für Schlagzeilen sorgt: mit ­ihren Burlesque-Shows, Mode­ linien, Büchern – und ihrer Ehe mit Schockrocker Marilyn Manson. Nun geht die Fünfundvierzigjährige neue Wege: Unter der Leitung des Pariser

Weil Fehltritte von Stars gern besonders gehässig kommentiert werden? Aber soll ich mich aus Angst davor daheim einsperren? ­Kritik gehört zur Karriere dazu. Und ehrlich: Ich mag es, wenn Leute mich hassen. Ich nehme das als Kompliment. Weil es bedeutet, dass ich ­ihnen nicht egal bin. Wenn dich alle mögen, ist das meistens ein schlechtes Zeichen.

artoftheteese.com

THE RED BULLETIN

MARCEL ANDERS

Die Burlesque-Queen greift zum Gesangsmikrofon: ein Gespräch über Verletzlichkeit und die Kraft, die im Kontrollverlust liegt.

JOHN RUSSO/CONTOUR BY GETTY IMAGES

Dita Von Teese

Klingt nicht nach der an­ genehmsten Erfahrung … Um erfolgreich zu sein, musst du mit deinen Gefühlen ­experimentieren. Schwierige Emotionen zulassen. Loslassen lernen und Kontrolle abgeben. Für mich war das eine sehr ­befreiende und lohnende ­Erfahrung. Ich wusste, dass Sébastien an mich glaubt. ­Warum sollte ich also diese Möglichkeit, meine Komfort­ zone zu verlassen, auslassen?


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Skateboard Downhill Was tust du, wenn du mit 100 km/h eine Straße runterrast – ohne Bremsen? Du ge­ nießt es. Und machst eine Show draus.

DER ASPHALTSURFER

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KONSTANTIN REYER

in Mann. Ein Skate­ board. Eine steile Stra­ ße. Von Sekunde zu Sekunde wird er schneller, 60 km/h, 70, das Rauschen des Fahrt­ windes und die Rollgeräusche auf dem Asphalt werden lauter. „Ab 90 km/h ist es verrückt – da spürst du zusätzliche Ge­ schwindigkeit gar nicht mehr“, erklärt Nicola Nührig, besagter Mann, 30 Jahre alt und pro­ fessioneller Downhill-Skate­ boarder. Am Ende der Geraden zeigt der Tacho seines Begleit­ fahrzeuges 120 km/h. Per­ sönlicher Rekord für Nührig, den zweifachen österreichi­ schen Meister im Downhill. „Die Faszination liegt im Moment. Du darfst keinen Fehler machen, bist total ­fokussiert – und dann fühlt es sich wie Fliegen an“, sagt er. Und das Spektakulärste, das Sliden, folgt erst. Um enge Kurven möglichst schnell und dennoch sicher zu meistern, verlagert er seinen Schwerpunkt, stellt das Board quer, taucht ab, stützt sich mit der Hand ab. „Es ist wie Surfen auf Asphalt“, schwärmt Nührig. Nur dass sein „Neo­ pren­anzug“ aus Leder ist. instagram: @nicolanuehrig

CHRISTIAN EBERLE ABASOLO

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Straßenmeister: Nicola Nührig, 30, fährt seit 1995 Skateboard, seit 2007 Downhill (ÖsterreichChampion 2013 und 2016). THE RED BULLETIN


B UL L EVA R D

Skate-Pro Nicola Nührig beim Sliden in der Kurve. Für den Funken-E≠ekt sorgen Feuersteine im Handschuh.

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Abenteuer Überleben

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Bei jeder Expedition auf alle Fälle vorbereitet: Die geniale VSSL-Box ist der Rambo unter den Survival Kits.

RETTE DICH, WER KANN HIER IST DEIN RETTUNGSTEAM Die VSSL-Supplies-Edition (im Bild) enthält: Kompass im ­Deckel, präzise Version der Marke Suunto alternativ erhältlich Bienenwachs­ kerze, brennt sechs Stunden Feueranzünder, Streichhölzer und ein Spiegel, um Signale zu geben Notfallpfeife hochfestes 7‑­Meter-Seil und Rasierklinge Erste-Hilfe-­ Zubehör

n der Wildnis die richtigen Tools dabeizuhaben kann über Leben und Tod entscheiden. Wer aber Seile, Messer und all das andere Zeugs nicht mühsam rumschleppen will, findet in der VSSL („Vessel“ ausgesprochen) den idealen Begleiter. Denn sie verpackt jede Menge potentiell lebensverlängernde Tools so schlau, dass sie in jeden Rucksack passen. Und macht dank ­Aluminiumbeschichtung nach Militärstandard sicher nicht vor dir schlapp. Erfinder der VSSL ist ExNavy-SEAL Todd Weimer. Als Kind im Norden Kanadas verzweifelte er an nassen Streichhölzern, bis er eines Tages auf eine wasserdichte Streichholzbox stieß. Jahrzehnte später erinnerte sich Weimer daran und bewarb eine aufpolierte Version auf Kickstarter. Das Allergenialste an der VSSL: ihr modularer Aufbau. Die Module lassen sich in den Behälter schlichten, du entscheidest, was mitmuss: Feuer­ anzünder, Erste-Hilfe-Aus­ rüstung oder – im Falle der augenzwinkernd gemeinten „Zombie“-Edition – ein Pflock. Im Deckel befindet sich eine starke LED-Taschenlampe. „Als wir Kinder waren, stellten wir unsere eigenen Survival Kits zusammen“, erzählt Weimer. „Dadurch lernte ich vieles, was mir später half. Zum Beispiel: Bereite dich stets gut vor. Improvisiere, wenn ­nötig. Und bleib locker, wenn die Kacke am Dampfen ist.“ vsslgear.com

Tabletten zur Wasserreinigung und ­Dosenöffner Draht-/Bogen­ säge nach Standard der U. K. Special Forces

LED-Taschen­ lampe, Batterien halten bei Fernlicht 20 Stunden, bei SOS-Leuchtmodus 40 Std.

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Wegmarkierer (die Hänsel und Gretel gebraucht hätten) THE RED BULLETIN

TOM GUISE

Angelausrüstung mit 15-MeterSchnur


AUS MEINEM MUT WERDEN LEGENDEN GEMACHT

toyota.de/MobilityForAll

Moritz Müller, Verteidiger


mit einem großen Studio ­abgeschlossen habe (Anm.: Robbies Produktionsfirma Lucky­Chap kooperiert seit 2017 mit Warner Brothers).

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eim wichtigsten ­Vorsprechtermin ihres Lebens verpasste Margot Robbie ­Leonardo DiCaprio einst eine Ohrfeige. Aber für ihre Kar­riere tat die australische Power­frau noch viel mehr: Sie bestahl ihren eigenen ­Bruder.

the red bulletin: Mit „The Wolf of Wall Street“ wurden Sie 2013 schlagartig bekannt. Mittlerweile gelten Sie dank „I, Tonya“* als mögliche Oscar-Kandidatin. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis? margot robbie: Ich hatte immer große Träume, ver­ folgte aber auch immer einen konkreten Plan. Ich bereite mich akribisch vor, anstatt zur Arbeit anzutanzen und mir zu denken, „Das schüttle ich schon irgendwie aus dem ­Ärmel“. Und: Ich nehme nie an, dass ich schon alles weiß. Ihr Erfolgsgeheimnis lautet also Demut. Ich versuche einfach, perma­ nent zu lernen. Wenn ich zum Beispiel von einer Schauspiel­ technik höre, die ich nicht kenne, buche ich einen Kurs. Genügt es, das Handwerk sauber zu beherrschen, um im Wirtschaftsimperium Hollywood erfolgreich zu sein? Nein. Ich musste mir auch ein eigenes Team aufbauen. Außerdem bringe ich einen gesunden Geschäftssinn mit. Ich bin extrem stolz darauf, dass ich als eine der jüngsten Produzentinnen einen Deal

Woher kommt Ihr geschäftliches Talent? Das entwickelte sich schon in der Kindheit. Sobald ich sprechen konnte, stellte ich Shows auf die Beine. Ich übte Zaubertricks und spielte sie meiner Familie vor, die dafür zahlen musste. Sobald ich sie um den Finger gewickelt hatte, mussten sie noch ein­ mal zahlen, damit ich ihnen den Trick verriet. Das ist fies. Ich habe auch die Spielzeuge meines Bruders geklaut und am Straßenrand verkauft. ­Ursprünglich dachte ich gar nicht daran, Schauspielerin zu werden. Ich wollte als Zauber­ künstlerin arbeiten und Hotels besitzen. Sie sprachen vorher von ­Ihrem Lernbedürfnis. Wie äußert sich das in Ihrem Privat­leben? Ich entdecke kleine Hobbys. Vor zwei Jahren war ich von Trapezakrobatik fasziniert, also habe ich Stunden genom­ men. Dann fand ich Tattoos toll, also fing ich an, meine Freunde zu tätowieren. Und was machen Sie als ­Nächstes? Ich will Banjospielen lernen. Vielleicht wird das meine nächste Leidenschaft. Laufen Sie dabei nicht Gefahr, viele Dinge mittel­ mäßig, aber nichts davon gut zu können? Mal sehen: Auf dem Trapez war ich nicht schlecht. Im ­Tätowieren war ich furchtbar – dank mir laufen da draußen einige Leute mit grässlichen Tattoos herum. Aber darum geht es nicht. Ich tue einfach, was mir gefällt.

Ich will mich in der Film­ branche behaupten – mit Lang­lebigkeit und Qualität. Für „I, Tonya“ mussten Sie richtig gut Eislaufen lernen. Ich sage nur: Schwellungen, Blutergüsse, Blasen. Aber all das war’s wert.

instagram.com/margotrobbie * Der Film erzählt die Geschichte der Eisläuferin Tonya Harding. Die Amerikanerin wurde 1994 als „Eishexe“ weltbekannt, nachdem ihr Ehemann ein Attentat auf ­Hardings Konkurrentin Nancy ­Kerrigan beauftragt hatte. Kinostart: 22. März

Margot Robbie Sie verdrehte Leonardo DiCaprio in „The Wolf of Wall Street“ den Kopf. Nun jagt sie ihren ersten Oscar. Das Geheimnis der Australierin? Disziplin und schräge Hobbys.

„ICH TÄTOWIERTE MEINE FREUNDE“

Wenn Sie wählen müssten: Worin wollen Sie wirklich gut werden? 20

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MARY ELLEN MATTHEWS/CPI SYNDICATION

RÜDIGER STURM

Schauspielerin, Produzentin, Banjo-Schülerin: Hollywood-Multitalent Margot Robbie, 27

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Aston Martin Valkyrie Sieht aus wie Science-Fiction, ist aber für die Straße zugelassen. Arme Straße.

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unächst gleich das Wichtigste: Nenn den Valkyrie niemals Super­ car. Denn das wäre eine Unter­ treibung an der Grenze zur Beleidigung. Wir sprechen hier von einer Koproduktion von Aston Martin und Red Bull Racing – mit dem dekla­ rierten Ziel, in Design und Performance alles Bisherige in den Windschatten zu stellen. Das Ergebnis? Kurz gesagt: ein straßentaugliches Formel‑­ 1-Geschoss. Verzichtet kom­ plett auf Stahlteile. Besteht fast ausschließlich aus Carbon. Wiegt rund 1030 Kilo (weniger

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als ein Mini Cooper) – bei 1130 PS (so viele wie zwei Porsche 911). Dank V12-­ Hybrid-Motor bretterst du mit 400 km/h über die Renn­ strecke und cruist dann ent­ spannt nach Hause. „Er ist baumstark, aber gerten­ schlank“, sagt Marek Reich­ man, Chief Creative Officer von Aston Martin. „Die Aero­ dynamik ist mehr als präzise, das Handling unglaublich – mir fällt kein anderes Wort ein.“ Gefordert ist das Vokabular auch beim Preis: drei Millionen Dollar. Doch bevor du dein Konto checkst, entspann dich

– alle 150 Exemplare sind ­reserviert. Laut Aston Martin wurden „mehr als eine Hand­ voll“ von aktuellen oder ehe­ maligen Formel-1-Fahrern ­bestellt, geliefert wird 2018. Noch ein Wort über die ­Karosserie, Mister Reichman? „Ich weiß nicht … vielleicht wie ein wunderschönes Insekt oder ein Hai, der durch den Ozean gleitet. So etwas wie das gibt es nicht. Und wird es wohl auch nie wieder geben.“ astonmartin.com

THE RED BULLETIN

PETER FLAX

LUST AUF F1-FEELING?


Beim Valkyrie ist jedes Teil eine Sonder­ anfertigung. Das Logo besteht aus geätztem Aluminium und ist dünner als ein menschliches Haar.

So sieht das Privatauto aus, von dem Formel-1-Fahrer träumen. THE RED BULLETIN

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B UL L EVA R D

3,5 Mio.

Heiße Ware

max. 3,18 Millionen

Pepper X

Zu scharf? Gibt’s nicht, sagt Ed Currie. Auf seiner Farm züchtet der Amerikaner die feurigsten Chilis der Welt.

3 Mio.

EIN BISSEN LAVA GEFÄLLIG?

2,5 Mio.

max. 2,2 Millionen

2 Mio.

Carolina Reaper

2013 krönte das Guinness-Buch der Rekorde Cur­ ries Kreuzung zur schärfsten Chili­ sorte der Welt.

1,5 Mio.

1 Mio.

Du sabberst, deine Augen rinnen. Viele schreien, wälzen sich am Boden. Manche halluzinieren. Aber keine Angst: Gefährlich ist es nicht. Nach 10 bis 30 Minuten ist der Spuk vorbei.

500.000

400.000

max. 350.000

Habanero 300.000

200.000

100.000 50.000

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max. 5000

Tabasco­ sauce

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eute bezahlen mich dafür, dass ich sie zum Heulen bringe“, sagt Ed Currie mit einem Zwinkern. Den Beweis dafür liefern tausende YouTube-Videos, in denen sich Verrückte filmen, wie sie seine Kreation, den Carlina Reaper, testen – die schärfste Chilisorte der Welt. Hier spricht er über ihre heilende wie halluzinogene Wirkung. the red bulletin: Warum haben Sie mit der Chilizucht begonnen? ed currie: Ich wollte nicht sterben. In meiner Familie gibt’s viele Krebsfälle. Als ich herausfand, dass Krebs bei Bevölkerungen, die sehr scharf kochen, deutlich seltener vorkommt, fing ich damit an. Was passiert, wenn ich den Carolina Reaper koste? Nach wenigen Sekunden fängst du an zu schwitzen.

Warum tut man sich das an? Der Chili-Kick macht süchtig! Aber es gibt auch Idioten, die prahlen wollen. Die liegen oft als Erste heulend am Boden. ­ epper X, Ihre neueste P ­Kreuzung, ist schärfer als der Reaper. Merkt man da noch einen Unterschied? Klar! Nicht diejenigen, für die schon der Reaper nach Lava schmeckt. Aber als Experte ist dein Körper an die Schärfe gewohnt und will ständig mehr.

Hol dir den Chili-Kick: puckerbuttpeppercompany.com

Ed Currie, Boss der PuckerButt Pepper Company, züchtet Chilis seit den 1990ern.

THE RED BULLETIN

FLORIAN OBKIRCHER

Die 1912 von Wilbur L. Scoville entwickelte Skala gibt die Schärfe von Chili­sorten in Scoville-Graden an. Der Wert hängt vom ­Capsaicin-Anteil der Pflanze ab, einem ­Alkaloid, das im ­Körper die Schärfe­ empfindung auslöst.

PUCKERBUTTPEPPERCOMPANY.COM/ED CURRIE

DIE SCOVILLESKALA


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26 Looping über Ungarn: Pilot Péter Besenyei (hinten) testet die Nerven unseres Autors.

„WUUUAHHHHHH!“ Bei DESTINATION RED BULL kannst du Abenteuer buchen, die es bei keinem anderen Anbieter der Welt gibt – einen Flug im Red Bull Air Race-Cockpit zum Beispiel. Aber wie viel Mut braucht man als Laie für Sturzflüge und Loopings? Ein Selbstversuch in zehn Gefühlsausbrüchen. Text ANDREAS ROTTENSCHLAGER  Fotos PREDRAG VUČKOVIĆ



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er Plan: Ich setze mich mit einem der weltbesten Kunstflugpiloten ins Cockpit und fliege haarsträubende Manöver. Ein Abenteuer, das jeder bei Destination Red Bull buchen kann, dem Anbieter für Reisen abseits des Alltäglichen und exklusive Treffen mit Top-Athleten (siehe Seite 34). Mein Pilot heißt Péter Besenyei, 61, ehemaliger Red Bull Air Race-Champion, Weltmeister im Kunstflug und Flugzeugentwickler. Besenyei flog 2001 als erster Pilot kopfüber unter der Kettenbrücke in Budapest hindurch und raste 2014 mit mehr als 300 km/h durch den Kanal von Korinth. Mit diesem Mann werde ich im Cockpit sitzen. Eine Vorstellung, die eine Reihe von Gefühlen in mir hervorruft.

SKEPSIS

Der Abend vor dem Start. Ich studiere „Aerobatic Flight“-Videos auf YouTube – also Videos von mehr oder weniger ­mutigen Menschen, die als Passagiere in den Cockpits von Piloten-Assen sitzen. Der erste Clip zeigt einen erwachsenen Mann, der wie ein Schulmädchen kreischt. Im zweiten Video schlägt eine Frau ihre Hände vors Gesicht. Ihr Gesicht ist weiß wie ein Leintuch. Video Nummer drei wurde von einer Begleitmaschine aus gefilmt. Es zeigt ein Flugzeug, das scheinbar führerlos Richtung Erde taumelt, während der Pilot über Funk mit seinem Passagier spricht. Der Pilot sagt: „Großartig, oder?“ Ich klappe meinen Laptop zu. 28

Profi-Briefing: Pilot Péter Besenyei erklärt vor dem Start die Flugmanöver.

THE RED BULLETIN


Besenyei flog 2014 mit 300 km/h durch den Kanal von Korinth. Mit diesem Mann werde ich im Cockpit sitzen.

THE RED BULLETIN

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Unser Flugzeug rast pfeilgerade Richtung Erde. Die Fußgänger am Boden werden größer. Einer streckt den Arm aus. Er zeigt auf uns.

NEUGIER

Beim Kunstflug zeigen Piloten Manöver, die jahrelange Erfahrung im Hoch­ leistungsbereich der Aeronautik voraus­ setzen. Zum Repertoire gehören Loopings, Taumelflüge und exotisch klingende Figuren wie der „Immelmann“ (ein halber Überschlag mit anschließender halber Rolle) oder die „Kubanische Acht“ (zwei Teil-Loopings und zwei halbe Rollen). Auf die Piloten wirken dabei Kräfte von bis zu 12 g (von lat. gravitas) – also die zwölf­ fache Schwerkraft. Ein 80 Kilo schwerer Mann wiegt bei 12 g somit 960 Kilo, wäh­ rend sein Flugzeug Richtung Erde stürzt. Bevor ich zu Bett gehe, denke ich an meine Frau, an meine Lebensversicherung und an die unbezahlten Kreditraten. Irgendwann, kurz vor dem Einschlafen, denke ich aber auch: Geile Sache, so ein Kunstflug.

SPORTLICHER ERWARTUNGSDRUCK

Der nächste Morgen. Ein weiß gestriche­ ner Hangar, 30 Autominuten westlich von Budapest. Péter Besenyei, groß, drahtig, schneeweißer Dreitagebart, grüßt mit ­festem Händedruck. Besenyei ist ein freundlicher Mann mit dem eiskalten ­Humor eines Weltklassepiloten. Außer­ dem kann er Gedanken lesen. „Wir tun nichts, was du nicht willst.“ „Wie bitte?“ „Während des Fluges. Ich kündige die Manöver an. Du sagst mir, wie sie dir gefal­ len haben. Dann sehen wir weiter.“ Besen­ yei sagt, er sei in dreißig Jahren mit mehr als tausend Passagieren geflogen. „­ Keiner ­davon hat mein Cockpit beschmutzt.“ Der Satz ist nett gemeint, baut aber eine ungute Erwartungshaltung auf: Sei nicht der Erste von tausend, der in das ­Cockpit einer Fliegerlegende kotzt!

SELBSTVERTRAUEN?

Buddhistische Ruhe: Piloten-Legende Besenyei, 61, fliegt eine Rolle nach rechts.

Ich schlüpfe in den Fliegeroverall, der sich erstaunlich weich anfühlt. Ich setze den Helm auf und ziehe die Mikrofon­antenne vor den Mund. Fast fühle ich mich wie ein richtiger Pilot. Nur die Sache mit dem Fliegen muss ich noch hinkriegen. Vor dem Hangartor parkt unser Flugzeug: eine Extra 330L, dunkelblau, ­Schülersitz vorn, Pilotensitz hinten, Spann­ weite: 7,70 Meter. Ich lege die Hand auf die Tragfläche und wippe mit dem Flügel. Das Flugzeug wirkt überraschend leicht, als wäre es innen hohl. Tatsächlich schiebt Besenyei die Maschine ohne ­fremde Hilfe auf die Startbahn. Dann hebt er einen Kieselstein auf und klemmt ihn unter das Heckrad des Flugzeugs. „Damit es nicht wegrollt.“   31


Das könnte ein angenehmer Tag werden, denke ich. „Fliegen wir einen Looping!“, sagt Besenyei.

Besenyei im PilotenCockpit seiner Extra 330L. Beim Passagier­ sitz (vorn) fehlt der  Steuer­knüppel.

Ich fixiere den Kieselstein. Gedanken­ leser Besenyei legt seine Hand auf meine Schulter: „Falls du dich nicht wohl fühlst, wechseln wir in den Panoramaflug.“ „Ich will Manöver fliegen“, sage ich und versuche, abgebrüht zu klingen. „Gott ­sei Dank“, sagt meine innere Stimme. Ich zwänge mich in meinen Sitz. Vor mir eine nackte Armatur, zwei Mini-Tacho­ meter. Der Steuerknüppel fehlt. Meine Beine stecken in der Nase des Flugzeugs. Besenyei gurtet mich fest, steigt in den Pi­ lotensitz hinter mir und schließt die Luke.

LAMPENFIEBER

Besenyei startet die Maschine. Das Brum­ men des Rotors lässt meinen Brustkorb sanft vibrieren. Ich starre auf das einzige Instrument im Cockpit, das ich benutzen darf: einen weißen Knopf auf einem Hebel links neben meinem Knie. Der Knopf akti­ viert den Bordfunk. „Bereit?“, funkt Peter. Ich drücke den weißen Knopf. „Ähm … ja.“ 32

INTENSIVES HERZKLOPFEN

Tatsächlich ist dies der Moment, in dem mein Herz durch das Futter des Renn­ anzugs pocht. Ich sitze in einem filigranen Flieger, den ein Kieselstein auf der Start­ bahn zu halten vermag. Mein Leben liegt in den Händen eines Mannes, den ich nicht sehen kann, weil er hinter mir sitzt. Noch könnte ich den weißen Knopf drücken, eine Entschuldigung heraus­ würgen und aus­steigen. Aber das wäre feig – und extrem dumm. Einen BesenyeiFlug kriege ich nur einmal im Leben. Bumm! Bumm! Bumm! macht das Herz. Schon heben wir ab.

ÜBERRASCHEND GROSSE EUPHORIE

Der Steigflug dauert nur wenige Sekunden. Die Sicht aus dem Cockpit ist groß­artig: Felder, Laubbäume, Ungarns weites Flach­ land. An Bord spüre ich selbst kleinste Steuerkorrekturen und zarte Luftstöße. „Mit dem Hintern fliegen“ nennen es ­Piloten, wenn sie ihr Flugzeug fühlen.

Jetzt weiß ich, warum. Das könnte ein ­angenehmer Nachtmittag werden. „Fliegen wir einen Looping!“, funkt Besenyei. „Äh, okay.“ Besenyei zieht die Nase des Flugzeugs hoch. Die Felder Ungarns verschwinden aus meinem Blickfeld. Dann wird mein Blickfeld blau, und wir steigen senkrecht in den Himmel. Das Flugzeug dreht sich weiter – wir stehen kopf –, dann stürzt unsere Maschine pfeilgerade abwärts. Folgendes Bild wird sich in mein Ge­ dächtnis brennen: ein ungarisches Feld, das auf uns zufliegt; drei Fußgänger auf einem Feldweg. Die drei Personen werden immer größer. Einer der drei streckt den Arm aus. Er zeigt auf uns. Dann fängt Besenyei das Flugzeug wieder ab. Eine unsichtbare Faust drückt mich in den Sitz. Und wir fliegen wieder geradeaus, als wäre nichts passiert. „Wie hat dir der Looping gefallen?“, funkt Besenyei. „Wuuuahhhhhh!“ THE RED BULLETIN


„Wie bitte?“ „Wuuuahhhhhh! Wow!“ Ich bräuchte jetzt ein paar Minuten, um das Manöver emotional zu verarbeiten. Ein ungarischer Riesen-Looping! Aber Besenyei will das Momentum nutzen. „Gleich fliegen wir kopfüber!“ Besenyei dreht die Maschine auf den Rücken. Der Boden ist nun oben, der Himmel unten. Ich hänge bombenfest im Gurt. Wie in der Achterbahn – großartig und babyleicht. Dann dreht Besenyei die Maschine wieder zurück.

2018 gastiert das Red Bull Air Race (im Bild: Pilot Nicolas Ivano≠, Team Hamilton) ­wieder in Budapest.

SO GENIESST DU DEINEN FLUG Fünf Tipps für Passagiere 1. ISS, WAS DU MAGST Spezialnahrung am Morgen des Fluges? Nicht nötig, sagt Piloten-Legende Péter Besenyei: „Ein hungriger Magen ist genauso falsch wie Völlerei zum Frühstück. Iss einfach, als würdest du nach dem Frühstück joggen gehen.“ 2. VERTRAU DEM PILOTEN Bei Destination Red Bull buchst du Piloten der globalen Kunstflug-Elite. Es gibt ­keinen Grund zur Panik. Oder hättest du Angst davor, das Menü eines Sterne­kochs zu essen? Eben. 3. STELL DUMME FRAGEN Wo darf ich mich festklammern? Was soll ich anziehen? Darf ich während des Fluges telefonieren? Kommunikation macht dein Erlebnis besser. 4. SCHAU GENAU Für jedes Manöver gibt es Referenzpunkte, die du im Auge behalten kannst. Bei einer Rolle fixierst du die Nase des Flugzeugs. Beim Looping die Flügelspitze, die dir den aktuellen Steigungswinkel verrät. So ­genießt du jedes Manöver wie ein Profi.

ARMIN WALCHER/RED BULL CONTENT POOL

5. SEI EHRLICH Dir wird während des Fluges trotzdem schlecht? Funk nach hinten zum Piloten. Wenn du im Cockpit einer Rennmaschine sitzt (Stichwort: 360-Grad-Blick), schlägt selbst ein ruhiger Panoramaflug jeden ­Urlaubsflug um Längen.

Relax-Momente: Pilot (hinten) und Autor beim Pano­rama­flug über Ungarn

THE RED BULLETIN

SCHWINDEL

Fast habe ich den einzigen technischen Auftrag des Tages vergessen. Der Fotograf hat mich gebeten, Selfies von mir und dem Piloten zu schießen. Also nehme ich die GoPro-Actioncam aus der Halterung, starre in die Linse und verstoße gegen die wichtigste Passagier-Regel: Behalte stets den Horizont als Referenz im Auge, falls du nicht willst, dass dir schlecht wird. Während ich die Kamera hin und her schwenke, spüre ich ein leichtes Bohren im Magen, als hätte ich am Vortag in einem wenig vertrauenswürdigen Fischrestaurant­ gespeist. Ich denke an die ­tausend Mit­ flieger, von denen keiner Péter Besenyeis Cockpit beschmutzt hat, und drücke den weißen Knopf: „Panoramaflug!“ Sekunden später gleitet das Flugzeug ruhig und gerade durch den Himmel. Verschnaufpause. Tja, auch Panoramaflüge wollen getestet werden …

MÄNNLICHE SELBSTÜBERSCHÄTZUNG

Sobald mein Magen wieder fit ist, finde ich Panaromaflüge langweilig. Ich bin Kunstpilot! Mit Looping-Erfahrung! Über Funk verlange ich nach g-Kräften. Besenyei fliegt nun mit Highspeed S-Kurven und kippt seine Maschine bei jeder Schleife um 90 Grad. Die g-Kräfte pressen mich heftiger als vorhin in den Sitz und zerren spürbar an meinen Gesichtsmuskeln. Das ist Spitzensport. Rennmodus. Luke Skywalker im Anflug auf den Todesstern. Das müssen mindes-

DIE RED BULL AIR RACE-REISE DESTINATION RED BULL steht für Reiseerlebnisse abseits des Alltäglichen. Im Paket „Red Bull Air Race“ nimmst du als VIP-Gast am Rennen in Budapest (23. und 24. 6.) teil. Im Paket: Zugang zur ­Premium-Sky-Lounge, Übernachtung im 4-Sterne-Hotel, ein Treffen mit Péter Besenyei und den Red Bull Air Race-Piloten. Und als Highlight: dein Rendezvous mit den g‑Kräften beim Passagier-Kunstflug. Buchungen: destination.redbull.com

tens 8 g sein! („Vier“, wird mich Péter nach der Landung korrigieren). Innerhalb von Sekunden schrumpft mein Ego wieder auf Nichtpiloten­größe, während mein Respekt vor den Renn- und Kunstpiloten dieser Welt steigt. Wahnsinn!

PATHOS (UND EIN WENIG STOLZ)

Mit einem sanften Hopser setzt das Flugzeug auf der Landebahn auf und kommt zum Stehen. Besenyei öffnet die Luke. Meine wackeligen Beine tasten sich über die linke Tragfläche zurück auf ­sicheren Boden. Dann fluten Glücks­ hormone meinen Körper. „Wow!“, sage ich zu Besenyei. „Nicht gekotzt“, jubelt meine innere Stimme. Ich bin jetzt airborne. Ich habe die Schwerkraft besiegt. Ich könnte sofort wieder Manöver fliegen. Am besten einen Looping.

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DAS ZIEL IM GRIFF ALEXANDER MEGOS ist einer der besten Kletterer der Welt. Warum? Weil er auf jeder Route seine 10 Prinzipien des Erfolgs befolgt. Text BEN KRISCHKE


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Alexander Megos, 24, Ausnahmekletterer: „Scheitern beginnt in dem Moment, in dem du dein Ziel unterschätzt.“

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1 ALLES BEGINNT MIT DEM ZIEL. Das ist tatsächlich der erste Schritt: ganz genau zu wissen, was du erreichen willst. Bevor ich mich für einen Fels entscheide, schaue ich mir jede Route erst mal ganz genau an. Zunächst von unten, danach klettere ich in den Fels rein, einfach um rauszufinden, ob er mir taugt. Das ist Vorarbeit. Das Projekt beginnt erst, wenn ich dieses besondere Gefühl bekomme: „Ja, da will ich hochklettern.“ Ab diesem Moment: Tunnelblick. Ab da setze ich alles daran, mein Ziel auch zu erreichen.

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RÜCKSCHRITTE SIND WICHTIG. Du musst wissen, dass

man sich nicht immer steigern kann. ­Leistung entwickelt sich nicht als gerade Linie, die nach oben, oben, oben zeigt, sondern als Welle. Mal ist man besser, mal schlechter, das musst du akzeptieren. Deshalb habe ich null Problem damit, mir auch mal ein Ziel zu suchen, das leichter ist als frühere. Das mag vielleicht wie ein Rückschritt aussehen – ist aber Voraus­setzung für den nächsten Fortschritt. Denn wer immer nur das noch Schwerere und abermals Schwerere versucht, riskiert, dass irgendwann überhaupt nichts mehr geht – und das wäre fatal für deine Motivation.

BEGINNST JEDES MAL BEI 3 DU NULL.

seit ich Profi bin, sind sie auch meine ­Manager. Das Wichtigste: Ich kann mich absolut auf sie verlassen. Wenn du nicht völliges Vertrauen in dein Team hast und die Erfahrung und das Wissen deiner Mentoren nicht annehmen kannst, wirst du keine außergewöhnlichen Leistungen erbringen können.

5 PLANE JEDES DETAIL.

Wenn du an dein Limit gehen möchtest, ist für Überraschungen kein Platz. Das heißt für mich, ich muss für den Tag X nicht nur körperlich, klettertechnisch und mental perfekt vorbereitet sein. Sondern ich muss auch die Route bis ins Detail kennen, ­jeden einzelnen Griff, jeden einzelnen Stand. Das gelingt, indem ich die Route in einzelne kleinere Etappen unterteile und diese wieder und wieder klettere, und zwar so präzis, dass ich jeden Griff und jeden Schritt abends im Bett noch einmal durchgehen kann.

„Leistung entwickelt sich nicht als gerade Linie, die nach oben, oben, oben zeigt, sondern als Welle. Mal ist man besser, mal schlechter, das musst du akzeptieren.“

6 SCHEITERN IST EINE OPTION. Auch wenn man sich noch so gut vorbereitet: Es gibt keine Garantie für Erfolg. Sobald du an dein Limit gehen möchtest, ist Scheitern immer eine Möglichkeit. Das musst du wissen, und das musst du auch akzeptieren. Aber du darfst dich davon nicht beirren lassen, im Gegenteil. Immer und immer wieder musst du dir bewusst machen: Du kannst dein Ziel erreichen.

Megos klettert, seitdem er sechs Jahre alt ist. Links: die Route „First round, first minute“, 9b, in Margalef, Spanien, 2016

FRANK KRETSCHMANN/RED BULL CONTENT POOL, ADAM PRETTY

Beim Klettern ist jedes Projekt einzigartig, jedes ist eine ganz neue Herausforderung, jedes hat seinen eigenen Charakter. Allein schon wegen der Gesteinsarten: Sandstein, harter Granit mit seinen vielen kleinen, leistenförmigen Kanten oder Kalkstein, der extrem glatt sein oder viele Leisten haben kann, an dem Stalagmiten emporwachsen können wie angeklebte Rohre oder bei dem Löcher die Hauptgriffarten sind – wie in der Fränkischen Schweiz, wo ich lebe. Deshalb muss man jede Route, jeden Fels, jedes Ziel immer wieder neu visualisieren, neu lernen, sich neu einfühlen. Selbst wenn es eine scheinbar einfachere Aufgabe ist: Du beginnst jedes Mal bei null. Scheitern beginnt in dem Moment, in dem du dein Ziel unterschätzt.

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Seit meiner Jugend sind Patrick Matros und Ludwig „Dicki“ Korb meine Trainer, sehr enge Freunde, wahre Mentoren. Und 38

THE RED BULLETIN


„Klettern bedeutet Rückschläge“, sagt Megos, „es gibt nur wenige Momente, in  denen alles glatt läuft.“


Titanen-Körper: Megos schwört auf Workouts mit Holzringen und Trainingskugeln für mehr Gri≠kraft.


Alexander Megos in der Route „Coup de Grâce“ (9a) im Schweizer Valle Bavona, die er im zweiten Versuch kletterte.

ADAM PRETTY, THOMAS BALLENBERGER/RED BULL CONTENT POOL

BIST 7 VERANTWORTLICH IMMER DU.

Klettern bedeutet sehr viele Rückschläge und nur ganz, ganz we­ nige Momente, in denen es einfach läuft. Das heißt, du kannst dich noch so gut vorbereiten, es gibt es unendlich viele Gründe, warum etwas dann doch nicht klappt. Vielleicht fühlst du dich selbst nicht ganz so gut in Form oder nicht ganz so sicher, vielleicht schwitzt du ein bisschen zu sehr, weil es ein paar Grad zu warm ist, vielleicht hat sich das Wetter anders entwickelt als vorhergesagt. Wenn ein Versuch tatsächlich miss­ lingt, was dann? Das Erste und Wichtigste ist, keine Ausreden zu suchen. Niemals die Verantwortung bei Faktoren suchen, auf die du keinen Einfluss hast, niemals! Der Hauptgrund, warum ein Versuch misslingt, ist – so sehe ich das –, dass du mental einfach nicht stark genug für die Herausforderung warst. Es lag nicht daran, dass du es nicht kannst. Sondern daran, dass du deine Leistung nicht in ausreichendem Maß abrufen konntest.

GUTER VERLIERER WIRD 8 EIN AM ENDE ZUM SIEGER.

Wenn ich irgendwann merke, dass eine Route einfach nicht machbar ist – für mich nicht, an diesem Tag nicht –, dann muss ich fähig sein, abzubrechen. Das heißt ja nicht, gescheitert zu sein, ich habe das Ziel erst einmal zurück­ THE RED BULLETIN

gestellt: Ja, die Route hat mich vielleicht in der ersten Runde geschlagen, aber in der zweiten Runde komme ich zurück – und dann ­sehen wir weiter.

RUHIG MAL DEINEN 9 TRICKSE KOPF AUS.

Ich habe es ja weiter oben schon erwähnt, aber zum Schluss noch einmal, weil es so wichtig ist: Positiv denken ist der Schlüssel zum Erfolg! ­Sobald du zweifelst, dass du die Heraus­ forderungen schaffen kannst, die vor dir liegen, hast du eigentlich schon verloren. Belüge dich da ruhig selbst, rede dir ein, dass du dein Ziel erreichen kannst, dass du da ganz sicher hochkommst, dass du alle dafür nötigen Fähigkeiten besitzt.

DER NÄCHSTE SCHRITT 10 NUR ZÄHLT. Du darfst dein Ziel nicht zu verbissen erreichen wollen. In anderen Worten: Du darfst über den Blick aufs Ziel den Weg dorthin nicht aus den Augen verlieren. Ich denke beim Klettern nie ­daran, wie es sich wohl anfühlen wird, wenn ich oben angekommen bin. Sondern immer nur an die einzelnen Griffe, die wie ein Film in meinem Kopf ablaufen, an die ­einzelnen Schritte, die mich die j­ eweilige Route entlangführen – der nächste Griff, der nächste Schritt, immer weiter, bis ans Ziel.

instagram.com/alexandermegos

„Wenn ein Versuch misslingt, was dann? Das Wichtigste: keine Ausreden suchen und niemals Faktoren verantwortlich machen, auf die du ohnehin keinen Einfluss hast.“ STEILER AUFSTIEG Die Megos-Story Seinen ersten Felsen erklomm Alexander Megos, 24, im Alter von sechs Jahren. Mit zehn kletterte er, gemeinsam mit seinem Vater, bereits sogenannte Mehrseillängen­ routen bis 300 Meter, wurde später zwei­ mal Jugend-Europameister und einmal Jugend-Vizeweltmeister. Doch Profi werden wollte der Erlanger nie. Für ihn war Klettern ein Hobby. Bis er während einer Spanienreise mit achtzehn die weltweit erste Onsight-Begehung einer Route mit Schwierigkeitsgrad 9a schaffte. Onsight bedeutet, dass Megos einfach drauflos kletterte, ohne zu wissen, welche Hindernisse auf ihn warten. Mit dieser Leistung wurde Megos auf ­einen Schlag berühmt. Mittlerweile zählt er zu den besten Felskletterern der Welt und kann zahlreiche Erstbegehungen auf­ weisen. Zudem wurde er im Vorjahr Vize­ weltmeister im Bouldern sowie Zweiter beim Weltcup-Finale im Vorstieg (Lead).   41


TAK E F I V E

TANJA ERATH

DER RADPROFI AUS DEM SCHLAFZIMMER Die 28-jährige Deutsche saß in ihrer winzigen Wohnung auf dem Hometrainer und radelte sich über die Online-Plattform „Zwift“ zu einem Profi-Vertrag im echten Leben.

2 Nur Leistung zählt

Ich liebe das Konzept der Zwift Aca­ demy. Normalerweise braucht man Kon­ takte oder einen bestimmten Background, um es in ein Profiteam zu schaffen. Aber bei Zwift ist das anders: Das Team weiß nichts über dich, beurteilt wird einzig und allein deine Leistung.

3 Sprint der Avatare

Bei Zwift fährst du auf wirklichkeits­ getreuen Strecken und nimmst als Avatar an Rennen teil. Wenn andere schneller fahren, überholen sie dich. Geht es berg­ auf, macht es dir dein Smart-Trainer ent­ sprechend schwieriger. Bergab ist es dann wieder leichter. Du musst dich wie bei ­einem echten Rennen anstrengen. Hinter den anderen Avataren stecken ja auch echte Menschen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich im Schlafzimmer so sehr pushen könnte, aber es geht.

4 Sieg über 2158 andere

2017 starteten 2159 Frauen in der Academy. In der ersten Runde musste man 15 Workouts in sechs Wochen ab­ solvieren – was nur knapp 600 schafften. Von denen qualifizierten sich zehn fürs Halbfinale. Ich stalkte die anderen mit der Strava-App, um mich zu vergleichen – und merkte: Meine Zahlen sind gut! Dann kamen sieben Workouts: vier auf Zwift, drei in echt. Die drei Finalistinnen reisten zum Trainingscamp von Canyon SRAM nach Koblenz. Es war surreal.

Die Ärztin und der Avatar mit Waden aus Stahl

1 Ein Traum Ich dachte, ich würde im Krankenhaus arbeiten – aber jetzt reise ich als Radprofi durch die Welt.“ TANJA ERATH

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Ich war seit meinem elften Lebensjahr Triathletin, 15 Jahre lang. Ich war gut, aber das Me­dizinstudium war mir wich­ tiger. Nach einer Verletzung 2016 konnte ich nicht mehr schmerzfrei laufen. Also konzentrierte ich mich auf das Radfahren. Ein Freund erzählte mir von einem Con­ test auf der Online-Plattform Zwift, die Radrennen simuliert. Dort konnte man ­einen Vertrag mit Canyon SRAM Racing gewinnen – und ich gewann! Ich dachte, ich würde im Spital arbeiten, aber jetzt reise ich als Profi durch die Welt.

5 Das neue Leben

Als ich gewann, war ich wirklich über­ rascht. Es veränderte mein ganzes Leben. Ich studiere nicht mehr und bin auch keine Ärztin. Ich lebe jetzt in Girona in Spanien und bin ein Profi, der trainiert, Rennen fährt, reist. In meinem Terminkalender steht „Yorkshire, Kalifornien, Frankreich“. Und es ist nicht virtuell, sondern alles echt.

Folge Eraths Karriere auf wmncycling.com Text RUTH MORGAN Foto TINO POHLMANN THE RED BULLETIN


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80 TAGE IN DER HÖLLE

FINISH

START


Tag 34: Die Straßen nahe der Großen Australischen Bucht sind ­eigentlich das Reich der Kängurus und Wombats. Tag 78: Ziel­ einfahrt in Paris nach 29.000 Kilometern Tag 41: Genuss­ fahrt auf dem australischen Highway

MARK BEAUMONT

MARK BEAUMONT hatte einen Traum: in 80 Tagen die Welt zu umradeln. Und weil er Qualen erträgt, die du dir nicht mal vorstellen kannst, hat er es auch geschafft. Text RUTH MORGAN THE RED BULLETIN

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M ark Beaumont verblüffte ver­ gangenes Jahr die Welt, als er sel­ bige in 78 Tagen, 14 Stunden und 40 Minuten umradelte. Damit ver­ besserte der schottische Ultra-Aus­ dauerathlet den erst seit 2015 be­ stehenden Rekord um sagenhafte 45 Tage. Er übertraf damit sogar sein eigenes, sehr ambitioniertes Ziel von 80 Tagen. Er fuhr bei je­ dem Wetter 390 Kilometer pro Tag, war 17 von 24 Stunden im Sattel und schlief maximal fünf Stunden pro Nacht. Obwohl er extrem viel Erfahrung auf Langstrecken hat – er hatte davor schon einmal die Welt umradelt –, rechnete der 34Jährige nicht mit den brutalen Belastungen seines Rekordversuchs. Oder damit, dass sein Mechaniker Zahnarzthelfer spielen würde … the red bulletin: Was um alles in der Welt hat Sie geritten, so etwas zu tun? mark beaumont: Die Welt zu um­runden ist der heilige Gral der Ausdauerradrennen. Alles andere ist Kinderkram. Ich habe davon geträumt, seit ich als Zwölfjähriger durch Schottland geradelt bin. Ich habe mich also in Wahrheit 22 Jahre lang vorbereitet. Sie sind bereits einmal, 2008, um die Welt gefahren, in 194 Tagen, auch damals Rekord. Warum ha­ ben Sie sich alles wieder angetan? Es gibt einen großen Unterschied: 2008 war das eine Tourenfahrt, jetzt viel mehr eine Rennfahrt. Damals 46

war mir beinahe egal, wie ich ab­ schneiden würde. Es ging einfach ums Durchkommen. Ich hatte auch keine Supportcrew. Dieses Mal aber schon, und zwar eine großartige. Alles war sorgfältig geplant, sehr professionell. Es ging wirklich dar­ um, so schnell wie möglich zu fah­ ren, das Maximum zu erreichen. 80 Tage: Haben Sie dieses Ziel selbst für realistisch gehalten? Ja. Denn der Einzige, der das hätte vergeigen können, war ja ich selbst. Vor zwei Jahren begann ich mit meiner Crew auszutesten, welches Ziel realistisch sein könnte. Und das waren eben diese 80 Tage. Es ist un­ glaublich brutal, wenn du 17 Stun­ den pro Tag fährst und nur fünf Stunden schläfst. Deswegen musst du alles genau planen. Ich war zwar nicht überrascht, dass es klappte – aber Gott, war ich erleichtert!

Tag 23: durch den KabanskyRayon im Osten Russlands Tag 61: kurze Verschnauf­ pause in Weyburn, Kanada Tag 55: unterwegs auf einem Highway in Alaska mit Supportwagen – und Bisons

Erleichtert? Inwiefern? Ich wusste ja nicht, ob ich ein Tages­ pensum von 390 Kilometern wirk­ lich über Wochen würde durch­ halten können. Ich war beim Start daher auch richtig nervös. Es war „Do or Die“. Ich durfte keine Zeit verlieren, auch in der ersten Woche nicht, sonst wäre es vorbei gewesen – bei unserem engen Zeitplan hätte ich keinen einzigen verlorenen Kilo­ meter aufholen können. Wenn man bei einem mehr als zweieinhalb Monate dauernden Rennen von Anfang an so unter Druck steht: Wird der Druck nicht irgendwann zu groß? Beginnt man nicht an sich zu zweifeln? Ich war in der Form meines Lebens und total entschlossen. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich an mir zweifelte. Ich stand unter Druck und hatte Schiss, klar, aber ich war völlig fokussiert. Das Motto war: Wir fahren, fahren, fahren. Und hören erst auf, wenn wir im Ziel sind. Oder wenn es wirklich zu gefährlich wird. Was war der härteste Teil? Ich wusste, die Reise würde das Härteste werden, was ich je ge­ macht habe. Und das war es auch. Zwei Monate nach dem Start, nach­ dem ich durch die Prärie und zu­ rück zur kanadischen Ostküste ge­ fahren bin, hatte ich das Gefühl, dass es keinen Gedanken mehr gab, den ich nicht schon durchgekaut THE RED BULLETIN


„Das Projekt war mein Everest. Dass ich der Erste war, nimmt mir keiner mehr.“

hätte. Dass alle Tricks aufgebraucht waren, die ich als Ausdauerfahrer gelernt hatte. Und ich hatte noch Wochen vor mir! Ich war mental wirklich angeschlagen. Die Tage, in denen nichts Besonderes geschah, waren die schlimmsten: Kilometer um Kilometer monoton abspulen, von vier Uhr morgens bis zehn Uhr abends. Ich wünsche das keinem. Man leidet wirklich wie ein Hund. Wie trainiert man seinen Geist, um so etwas durchzustehen? Ich behalte das große Ganze im Auge. Ich erinnere mich immer ­daran, warum wir das machen. Aber konzentrier dich auf die Dinge, die direkt vor dir liegen, etwa die nächste Etappe. Und vergiss das, was in einer Woche sein wird. Das lähmt dich bloß. Pannen oder Unfälle gehabt? Tag neun, Moskau, zirka fünf Uhr morgens, es hatte geregnet, es war dunkel. Ich dachte, ich würde über Wasser fahren, aber es war ein gro­ ßes Loch im Asphalt. Ich brach mir ein paar Zähne ab und das Radius­ köpfchen im linken Ellenbogen. Von da an war das Fahren unglaublich schmerzhaft. Die Straßen in Russ­ land sind schrecklich. Mein Fahrrad wurde 17 Stunden lang durch­ gerüttelt, deswegen hatte ich auch schreckliche Schmerzen im Rücken und Nacken.

MARK BEAUMONT

Das mit den Zähnen klingt krass … Da wurde uns zum Glück geholfen. Die britische Botschaft konnte Kom­ positfüllung – oder wie das Zeug heißt – beschaffen. Ein Diplomat fuhr von Moskau 800 Kilometer nach Osten und brachte es uns. Wir waren mitten im Nirgendwo, als dieses schwarze Auto auftauchte, der Diplomat im Anzug ausstieg und uns diese Tasche gab. Mein ­Mechaniker wurde zum Zahnarzt­ helfer, und mein Performance-Ma­ nager füllte meine Zähne. Ich war so müde, dass ich dabei eindöste. Wie schafft man es, niemals aufzugeben? Bei einem Ultra-Ausdauerrennen musst du leiden können. Und es war das Härteste, was ich je gemacht habe. Aber es war wunderschön. Ich konnte fast täglich die Sonne auf­ gehen und untergehen sehen. Ich konnte durch die Wüste Gobi fahren, THE RED BULLETIN

durch das Yukon-Territorium, wo ich Bisonherden und Bären traf. Es war unglaublich.

Tag 56: Alaska fest im Blick Tag 24: obli­ga­ torische Mas­ sage während der Erholungs­ pause, hier in der Mongolei

DIE WELT AUF ZWEI RÄDERN UMRUNDEN? So schaffte es Mark Beaumont:

1 POWERNAPS

„Jeden Morgen um acht Uhr schlief ich acht Minuten und fühlte mich danach großartig. Alles über acht Minuten ist kein Powernap!“

2 PERFORMANCE-MANAGER

„Während ich auf dem Bike saß, e­ rledigte Laura Penhaul alles andere. Sie ist richtig hardcore. Sie zählt zu den besten Physiotherapeuten Großbritanniens. Und sie ruderte auch mit einem Frauenteam über den Pazifik.“

3 ABLENKUNG

„Ich hörte jeden Morgen Musik und jeden Abend Podcasts. Ich muss 300 Episoden von ‚Desert Island Discs‘ gehört haben. Dort sprechen die Leute darüber, was sie bewegt und antreibt. Das hat mir auch Mut gemacht.“

4 KAFFEE UND SCHOKOLADE

„Einem Freund von mir gehört die Schokoladenfirma ‚Cocoa Loco‘. Er machte mir Schoko-Müsliriegel, einen für jeden Tag. Jeder hatte auf der Verpackung einen anderen Glücksspruch.“

5 ZAUBERCREME

„Es gibt eine Sache, auf die ich absolut schwöre: ‚Papaw Ointment‘-Heilcreme aus fermentierter Papaya. Klingt nach Hippiekram, hilft aber irre gut gegen Wunden und Druckgeschwüre.“

Klingt beinahe romantisch! Ist es auch! Ich liebe zum Beispiel die Mongolei. Es ist dort einfach leer. Die mongolische Steppe und die Wüste Gobi sind wunderschön; alles ist so weit, und es gibt weder Zäune noch Bäume. In die südliche Hemisphäre kam ich im Winter. Ich fuhr in Neuseeland durch die schnee­ bedeckten Berge um Queenstown und Wanaka. Es hatte Minusgrade, Eis klebte an meiner Jacke, aber es war herrlich. Einige dieser Morgen­ fahrten werde ich nie vergessen. Wird jemand irgendwann Ihren Rekord brechen? Wenn du zweieinhalb Monate lang täglich 390 Kilometer fahren willst, musst du schon ziemlich belastbar sein. Du kannst schnell sein oder ein guter Sprinter oder Kletterer, aber das hier ist noch mal ein anderes Level. Ich bin nicht sicher, wie viele Fahrer sich das überhaupt antun würden. Ich selbst bin ja nicht der typische Radfahrer mit meinen eins neunzig und 87 Kilo. In einem anderen Leben wäre ich RugbySpieler, also kann mich so schnell nichts umhauen. Ich bin gespannt. Würden Sie es noch mal machen? Nie wieder. Ich bin total erleichtert, dass es vorbei ist. Dieses Projekt war mein persönlicher Everest. Und dass ich der Erste war, nimmt mir keiner mehr. Oder können Sie sagen, wer die zweite Person war, die den Everest bestieg? Ich habe gezeigt, dass das Unmögliche möglich ist. Mit dem Fahrrad in 80 Tagen um die Welt – das soll erst mal einer nachmachen!

markbeaumontonline.com   47


Chris Hemsworth, 34, Schauspieler und Outdoor-Veteran: „In der Stadt fällt mir die Decke auf den Kopf.“

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„Sperrt eure Laptops weg“ Als Donnergott in „Thor“ etablierte sich CHRIS HEMSWORTH in Hollywoods Topliga. Geprägt hat ihn seine Kindheit im australischen Outback. Ein Gespräch über Krokodile, Geister­ höhlen und die Natur als ewige Inspirationsquelle. Text RÜDIGER STURM  Fotos JOHN RUSSO/CONTOUR


I

n seiner Jugend lief Chris Hemsworth am liebsten barfuß durch die Gegend. Heute zählt der Vierunddreißigjährige zu den führenden Actionstars in Hollywood. Mit ­seinen bisher drei Filmen als MarvelSuperheld Thor spielte der Australier von 2011 bis 2017 knapp zwei Milliarden Dollar in die Kinokassen (die Filme der „Avengers“-Reihe nicht mitgerechnet). Am 8. März feiert Hemsworths Kriegs­ drama „Operation: 12 Strong“ Premiere in Deutschland. the red bulletin: Herr Hemsworth, Ihr aktueller Film handelt von einer ­Spezialeinheit und deren Einsatz in Afghanistan. Wer sind die mutigsten Menschen, denen Sie im wahren Leben je begegnet sind? 50

chris hemsworth: Meine Mutter und mein Vater. Als ich klein war, hatte meine Familie wenig Geld. Aber meine Eltern haben mich und meine Brüder (die Schauspieler Luke und Liam Hemsworth; Anm.) unsere Armut nie spüren lassen. Stattdessen haben sie geschuftet, d ­ amit wir uns einmal im Jahr einen Urlaub ­leisten konnten oder das Surfboard, das wir Jungs unbedingt wollten. Gibt es einen prägenden Ratschlag, den Ihnen Ihre Eltern mitgegeben haben? Ja. „Lauf nicht davon, auch wenn du Angst hast!“ Wovor hatten Sie denn Angst? Als Junge habe ich intensiv Sport be­ trieben. Aber der Gedanke, die 110 Meter Hürden bei nationalen Wettbewerben zu laufen, hat mich fürchterlich nervös gemacht. Mein Vater hat mir erklärt, dass man Nervosität und Ängste positiv nutzen kann. Diese Einstellung prägt mich bis heute. Wenn mir etwas Angst macht, entscheide ich mich im Zweifelsfall für den Kampf – nicht für die Flucht. Was war die größte Hürde, die Sie bisher in Ihrem Leben überwinden mussten? Ich selbst. Wie meinen Sie das? Das ist so eine Doktor-Jekyll-und-MisterHyde-Geschichte: Es geht um Selbst­ zweifel, die Angst vor dem Scheitern und die innere Stimme, die einmal dein Freund und ein anderes Mal dein Feind ist. Ich versuche, diese Gefühle in gute Bahnen zu lenken.

Sie sagten, Sie würden im Zweifelsfall immer kämpfen. Das klingt eher nicht nach einer ausgeglichenen Lebens­ weise. Manchmal ist diese Einstellung hinderlich, das stimmt. Vor zwei Jahren war ich mit meiner Frau (der spanischen Schauspielerin Elsa Pataky; Anm.) im Himalaya bergsteigen. Auf ungefähr 4000 Metern bekam ich die Höhenkrankheit. Dabei läuft Flüssigkeit in deine Lungen, und du kannst nicht mehr richtig atmen. Ich versuchte trotzdem, die Symptome zu unterdrücken – aus Egoismus und Sturheit. Zum Glück hat meine Frau richtig reagiert. Sie holte einen Bergführer zu Hilfe. Der sagte nur: „Heilige Scheiße, du musst sofort vom Berg runter.“ Was passierte dann? Man hat mir ein Mittel injiziert, um meine Sauerstoffaufnahme zu regulieren. Der Bergführer brachte mich ins Tal. Ein Arzt sagte später: „Wenn du noch länger oben geblieben wärst, hätte das dein Ende sein können.“ Der Himalaya wird Sie so bald nicht mehr sehen … Wenn man mir als Jugendlicher gesagt hätte: „Du schaffst das nicht“, hätte ich es erst recht gemacht, nur um das Gegenteil zu beweisen. Jetzt, da ich älter bin und Kinder habe, bin ich vorsichtiger geworden. Ich gehöre ohnehin eher ins Wasser, ich bin ein Ozean-Typ, kein Bergsteiger. Sie sind ja bekannt für Ihre OutdoorLeidenschaft. Was genau suchen Sie in der Natur? THE RED BULLETIN


Mein Vater sagte: „Lauf nicht davon, auch wenn du Angst hast.“ „Wir hatten wenig Geld“, erzählt Chris Hemsworth über seine Jugend. „Aber meine Eltern haben uns die Armut nie spüren lassen.“


Hemsworth ist Vater einer Tochter und zweier Söhne: „Das hat mich vorsich­ tiger werden lassen. Du musst lernen, kluge Entscheidungen zu treffen.“


„Wir waren fasziniert von den Geistergeschichten der Aborigines.“ Ich habe einfach eine Menge Energie in mir, und wenn ich dafür kein Ventil finde, fällt mir die Decke auf den Kopf. Das passiert zum Beispiel, wenn ich längere Zeit in einer Stadt drehe und keinen Sport betreiben kann. Da fühle ich mich richtig angespannt. Ich will auch nicht ständig am Bildschirm kleben. Darum schließe ich meinen Laptop ab und zu in die Schublade ein. Und dann geht’s raus in die Natur. Bei welchem Sport können Sie am ­besten abschalten? Beim Surfen! Je höher und wilder die Wellen brechen und je weiter ich meine Komfortzone verlassen muss, desto stärker fühle ich mich. Beim Surfen musst du voll präsent sein und im Moment leben. Dieses Gefühl versuche ich den Rest des Tages aufrechtzuerhalten. Wie passen große Wellen zu Ihrer Entscheidung, vorsichtiger zu werden? Ich musste lernen, kluge Entscheidungen zu treffen. Kelly Slater (US-Surfikone und elffacher Weltmeister; Anm.), ein Held meiner Kindheit und mittlerweile auch ein Freund, hat mich mal mit nach Fidschi mitgenommen. Wir surften Cloudbreak, das berühmte Surfrevier. Ich hatte eine Handvoll guter Wellen erwischt. Dann ­kamen noch größere – größer, aber zu schaffen. Das Problem: Ich drehte gerade „Thor“, und laut Vertrag hätte ich eigentlich gar nicht surfen dürfen. Ich habe also mein Ego beiseitegestellt und gesagt: „Nein, ich passe“ – zu einem Mann wie Kelly Slater. Ich würde noch einmal gern auf Ihre Jugend zurückkommen, die Sie offensichtlich sehr geprägt hat. Sie sind in Australiens Outback aufgewachsen … THE RED BULLETIN

… in mehreren Aborigines-Gemein­den, richtig. Das war ein komplett anderer Alltag, als wir ihn uns heute vorstellen können.

Haben Sie im Gegenzug je etwas ­Besonderes für Ihre Eltern gemacht? Ja. Ihretwegen bin ich Schauspieler ­geworden.

Wie sah dieser Alltag aus? Bei uns daheim liefen Büffel über die Straßen, in manchen Flüssen schwammen Kroko­dile. Wir liefen die meiste Zeit barfuß herum. Wir hatten zwar einen Fernseher mit zwei Kanälen, aber der war meistens kaputt.

Das klingt jetzt nicht besonders selbstlos … Ich hatte aber einen Grund: Ich wollte ihr Haus abbezahlen. Sie meinten immer, sie würden das nie schaffen. Das hat mich als Jugendlicher gestört, und deshalb wollte ich etwas dagegen tun.

Wie haben Sie sich die Zeit vertrieben? Der Fernseher hat uns ohnehin nicht interessiert. Wir haben ganze Tage draußen verbracht. Vor allem die AboriginesKultur mit ihren Mythen und Geschichten hat uns fasziniert.

Aber Schauspieler zu werden ist nicht gerade eine Entscheidung, die eine ­stabile finanzielle Zukunft garantiert. Mich hat meine Aufgabe angetrieben. Jedes Mal, wenn ich mir dachte: „Ich höre mit der Schauspielerei auf. Ich schaffe das nicht“, habe ich mich an das Versprechen an meine Eltern erinnert. Und irgendwann hatte ich genug Geld verdient, um es einzulösen.

Wovon handeln diese Geschichten? Zum Beispiel von Geistern, die angeblich im Outback in Höhlen wohnen. Meine­ Freunde und ich haben uns damals ­Waffen gebastelt und sind losgezogen, um diese Höhlen zu erkunden. Tatsächlich haben wir dabei einmal alte Höhlenmalereien entdeckt. Das sind allesamt Erfahrungen, die du in keiner Schule machen kannst. Wellen­reiten, Geisterhöhlen – okay. Was inspiriert Sie sonst noch? Ich finde es gefährlich, wenn man immer am selben Ort lebt. Das kann deine Weltsicht massiv einschränken. Ich möchte andere Kulturen kennenlernen und verstehen, wie die Menschen leben. Darum bin ich froh, dass meine Kinder Spanisch lernen und das Land besuchen, aus dem meine Frau stammt. Auch meine Eltern haben für unsere kulturelle Bildung gesorgt, obwohl wir, wie gesagt, nicht viel Geld hatten.

So gesehen könnten Sie Ihren Job jetzt an den Nagel hängen. Als das Haus abbezahlt war, dachte ich wirklich: „Scheiße, was mache ich jetzt? Das war doch die Motivation für alles.“ Was hat Sie motiviert, trotzdem weiterzumachen? Ich habe mich in die Schauspielerei ver­ liebt, und ich möchte immer noch anderen helfen – meinen Brüdern, meinen Eltern, meinen Kindern, meiner Frau, ihrer ­Familie. Ich unterstütze die Organisation Australian Childhood Foundation, für die mittlerweile auch meine Eltern arbeiten. Das gibt mir mehr Befriedigung als alles, was ich mir kaufen kann.

Hemsworths neuer Film „Operation: 12 Strong“ läuft ab 8. März im Kino.   53


EINSATZ AN DEN GRENZEN Island hat keine Armee, aber ein schlagkräftiges Heer ehrenamtlicher ­Lebensretter: eine Reportage aus dem Inneren der nationalen Such- und Rettungsorganisation und ein Lehrstück über Selbstlosigkeit, Härte und Teamwork. Text NORA O’DONNELL Fotos JONAS BENDIKSEN

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Eiskalt: die ehren­ amtlichen Suchund Rettungshelfer Islands beim Training im Nordatlantik


Mitglieder des ICE-SAR-Teams in Selfoss beim Anmarsch zu einem Einsatzort

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or der Küste ­Islands, ein paar Kilometer südwestlich von Reykjavík, springt, rast, dreht sich ein Rettungsboot über den Nordatlantik wie ein Rallyeauto im Drift. Darinnen sitzen zwei Crewmitglieder in leuchtend karmesinroten Trockentauchanzügen. Dahinter sitze ich. Ich klammere mich an i­ hren Sitzen fest, damit ich nicht wie Popcorn durch die kleine Kabine ­geschleudert werde. „Wollt ihr, dass ich kotze?“, brülle ich gegen das Heulen des Motors an. Ich höre nicht, was sie antworten, aber ich sehe sie kichern. Es nieselt an diesem Oktobersamstag, und das Meer ist ruhiger als üblicherweise um diese Jahreszeit. Und so nutzt die Crew das für ein bisschen „Spaß“. Freilich sagen sie nicht Spaß zu ihren wilden Manövern, sondern Training: Je virtuoser sie ihr Boot auch in Extremsituationen

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beherrschen, desto besser. Wenn man Leben retten will, sagen die beiden in der ersten Reihe, könne man gar nicht gut genug vorbereitet sein. Islands wild zerklüftete, einsame Landschaft mit ihren aktiven Vulkanen, tosenden Flüssen und von Spalten durchzogenen Gletschern ist ein ­Naturparadies – und gefährlich. Wenn etwas passiert (und es passiert ziemlich viel), rücken die ehrenamtlichen Rettungsteams aus. Das Land hat zwar Polizei und Küstenwache, aber kein Militär. Es sind einfache Bürger – Tischler, Lkw-Fahrer, Studenten, Archivare –, die sich um Verunglückte kümmern. Sie lassen bei einem Notfall alles liegen und stehen, egal ob sie gerade mit den Kindern spielen oder eigentlich einen wich­tigen Termin wahrzunehmen hätten. Diese erstaunliche Gruppe von Freiwilligen nennt sich „Icelandic Search and Rescue Association“, kurz ICE-SAR (isländisch: Slysavarnafélagið Landsbjörg). Sie zählt etwa 4000 Mitglieder, in knapp 100 Teams im ganzen Land organisiert. Seit der

Gründung des ersten Teams 1928 befreiten diese Samariter zehntausende Menschen aus Schneestürmen, Hochwassern und Lawinen. Allein 2017 half ICE-SAR in über 1000 Notfällen, 150 davon lebensbedrohlich. Und nichts von alldem wird vom Staat finanziert. Die Mitglieder der ICE-SAR verkaufen Feuerwerkskörper und Schlüsselanhänger, die wie Retter aussehen – und sie verkaufen wirklich eine Menge von dem Klimbim. „In diesem Jahr verdiente unsere Abteilung 6000 Euro durch Schlüssel­ anhänger“, sagt Heimir Haraldsson, 41, ein stämmiger, sanftmütiger Schiffstechniker, Vorsitzender der ­lokalen Booteinheit nahe Reykjavík. Haraldsson ist der Veteran an Bord und damit Leiter des heutigen Trainings. Als wir über den bitter­ kalten Nordatlantik fahren, erzählt er, dass er in Hof aufwuchs, einem kleinen Dorf im Südosten Islands. Und dass er im Hafen arbeitete, weil er von den örtlichen Kapitänen lernen wollte, sein Boot sicher durch die meterhohen Wellen zu lenken. THE RED BULLETIN


„Erfrischend“, sagt einer über das lebensgefährlich kalte Wasser.

Ein Wildwasser-Spezialist springt von einem Felsblock in den tobenden Fluss Tungufljót.


Magnús Sigurdsson trainiert mit Bruder Elias die Rettung aus der Spalte des Gletschers Sólheimajökull.

Allzeit bereit: 40 bis 50 Rettungseinsätze warten pro Jahr. 58

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„Aber ich wusste schon früh, ich will nicht in Hof bleiben“, überbrüllt er den Motorenlärm. „Ich kannte mein ganzes Leben lang nur Fisch, Fisch, Fisch. Vielleicht ging ich deshalb in die Stadt, nach Reykjavík. Und zum Rettungsteam.“ Haraldsson wurde als Teenager nicht Pfadfinder, sondern ging zur ICE-SAR-Jugendabteilung. „Das ist das Wichtigste bei der ICE-SAR: die Nachwuchsarbeit – dass junge Leute kommen und richtig gut ausgebildet werden“, sagt er.

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as achtköpfige Team, das heute Nachmittag auf dem offenen Meer übt, besteht aus jungen Leuten, viele von ihnen erst Anfang zwanzig. Rund die Hälfte von ihnen steckt noch in der 18-monatigen Grundausbildung, in den Kursen über die Basics: Seenotrettung, Bergsteigen, Erste Hilfe. Nach der Grundausbildung können sich die Mit­ glieder spezialisieren, zum Beispiel auf Disziplinen wie Berg- oder Wildwasserrettung. „Ich weiß noch nicht, in welche Richtung ich später gehen möchte“, sagt Dagbjört Jónsdóttir, die einzige Frau an Bord. „Ich bin Anfängerin.“ Die 31-jährige Architektin, ausdrucksvolle Augen, zwei liebevoll ­geflochtene Haarzöpfe, sitzt an Deck des Bootes, das rhythmisch über die Wellen klatscht, und wischt sich mit dem Handschuh das arktische Meerwasser vom Gesicht. Es ist erst ihr zweites Mal auf dem Boot. Bei der Diskussion, wer bei der heutigen Übung das Unglücksopfer spielen darf, wird ihr darum das Privileg zuteil, als Erste gefragt zu werden. Ob sie Lust hat, ins Wasser zu springen. Jónsdóttir schmunzelt und antwortet mit einem gedehnten Ton, der nur wenig Überzeugung erkennen lässt. Man kann ihr die Zurückhaltung nicht verdenken. Das Wasser hat ­ungefähr vier Grad, ohne Neoprenoder Trockenanzug verliert man in kaum zehn Minuten die Kontrolle über seine Muskeln und ertrinkt. Die Leute von ICE-SAR sind freilich geübt im Umgang mit natür­ lichen Gefahren – und das auch ­außerhalb ihrer Einsätze: Fast alle, mit denen ich sprach, machen in ­ihrer Freizeit Extremsportarten wie Kaltwasser-Surfen oder Eisklettern. „Ich liebe Mountainbiken“, sagt Jónsdóttir. „Die Liebe zur Bewegung,

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Heimir Haraldsson, 41, kommandiert das Boot auf dem Ozean in der Nähe von Reykjavík.

zum Sport in freier Natur ist einer der Gründe, warum ich so gern im Rettungsteam bin. Es ist der perfekte Ort, um Leute mit gleichen Interessen zu treffen. Wir haben so viel Natur hier. Und wenn das Wetter beschissen ist, gehst du trotzdem raus und hast Spaß. Solange du richtig angezogen bist, hast du nichts zu befürchten.“ Alle an Bord tragen die gleichen clownhaft knallroten Trockenanzüge, für den Fall, dass sie ins eisige Meerwasser springen müssen. Der, der heute tatsächlich springen „darf“, ist Daniel Ágústsson, 20, Fotografie-­ Student. Er soll bei der Übung einen ertrinkenden Fischer spielen. Wieder und wieder springt Ágústsson ins ­eisige Meer, damit ihn seine Kollegen wieder und wieder aufs Boot hieven können. Er bläst vor Kälte die Wangen auf wie ein Kugelfisch und kneift die Augen zusammen. Auf See arbeiten die Teams der ICE-SAR oft mit der Küstenwache ­zusammen, und die hat einen Heli­ kopter. Im besten Fall evakuiert der Heli­die Menschen, die in Gefahr geraten sind, und die Leute der ICE-SAR bringen Boote in Sicherheit oder bergen Wrackteile. „Aber der ‚beste Fall‘ ist nicht die Norm“, sagt Ha­ralds­son, „denn manchmal kann der Helikopter nicht starten oder fällt aus anderen Gründen aus. Aber wir dürfen nicht ausfallen, egal was passiert.“ Haraldsson ist keiner, der ausfällt. Der Routinier löst die extremsten

­Fälle auch unter den härtesten Bedingungen. Jónsdóttir hingegen, Rookie, wird noch oft am Stützpunkt eingesetzt. „Ich verstehe das natürlich“, sagt sie und seufzt leise. „Aber man ist natürlich ungeduldig. Gerade neulich sagte ich zu einer Freundin: ‚Wenn ich hier rumsitze, habe ich das Gefühl, ich mache nichts.‘ Sie antwortete: ‚Ach was, überhaupt nicht. Du bist eine große Hilfe.‘ Und sie hat ja auch recht. Die anderen sind nach ihren Einsätzen physisch und psychisch kaputt. Stell dir vor, sie kehren zum Stützpunkt zurück, und niemand ist da, der sich um sie kümmert. Wenn man einfach nur da ist und eine positive Ausstrahlung hat, ist das schon wichtig. Jeder hilft eben auf seine Weise.“ Neben den Rettungsaktionen gibt es immer wieder auch Sucheinsätze – wie etwa im ­Jänner 2017, als die 20-jährige Birna Brjánsdóttir verschwand. Bei der größten Suchaktion in der Geschichte Islands durchkämmten mehr als 700 Freiwillige 11.000 Quadratkilometer. Nach acht Tagen entdeckte eine HubschrauberCrew den leblosen Körper der jungen Frau an einem entlegenen Strand. Neun Monate später wurde ein Seemann aus Grönland verurteilt. Es war einer der seltenen Mordfälle in ­einem Land mit einer der niedrigsten Verbrechensraten der Welt. Pro Jahr besuchen zwei Millionen Menschen aus aller Welt die Insel,   59


„Touristen machen manchmal Dinge, bei denen ich mich frage, wo ihr gesunder Menschen­ verstand geblieben ist.“


entsprechend oft muss die ICE-SAR ortsunkundige, mangelhaft vorbe­ reitete oder leichtsinnige Touristen retten. 2015 sorgten zum Beispiel vier junge britische Abenteurer für Schlagzeilen. Sie mussten bei ihrem Versuch, Island auf Skiern zu durchqueren, gleich dreimal gerettet werden. Ein Jahr später ignorierten Dutzende Touristen Absperrketten und Warnschilder am Wasserfall Gullfoss und begingen einen vereisten Weg – mit dramatischen Folgen, Rettungsbergung inklusive. Ebendort kletterte im Jahr 2017 eine Touristin die steilen Klippen unter dem Aussichtspunkt hinunter. Sie riskierte ihr Leben – für ein Selfie. „Wenn Touristen solche waghalsigen Dinge tun, frage ich mich, wo ihr gesunder Menschenverstand geblieben ist“, sagt Ágúst Kjartansson, ein 28-jähriger ICE-SAR-Teamleiter und Ausbildner. „Aber manchmal liegt es wohl auch an Unterschieden in der Mentalität. Und für Ausländer können ­unsere Hauptstraßen wie Feldwege aussehen.“ Kjartansson erzählt, dass letztes Jahr ein Tourist mitten auf der Hauptstraße an der Südküste stand und die Polarlichter beobachtete. Er wurde von einem Auto getötet. „Wenn es nicht absolut ungefährlich aussieht, was du tust“, rät Kjartansson allen, die Island besuchen, „dann lass die Finger davon.“

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Dagbjört Jónsdóttir und Stefán Reynisson im Rettungsboot auf dem Nordatlantik

inen Tag nach der Übung im Ozean schließe ich mich Kjartansson und seinem Team an, das in Selfoss im Süden Islands stationiert ist. Wir treffen uns am Fluss Tungu­ fljót in der Nähe von Strokkur, einem aktiven Geysir und beliebten Reiseziel für Touristen. Kjartansson leitet heute ein Wildwassertraining. Unter ganz besonderen Bedingungen: Gletscherwasser hart am Gefrierpunkt, wilde Stromschnellen, Strudel und Wirbel, Felsblöcke und unter der Wasseroberfläche tausende scharfkantige Steine. „Das Wasser ist wirklich kalt“, sagt Magnús Sigurdsson, ein weiterer Ausbildner. „Richtig erfrischend.“ Es sieht weniger erfrischend aus als schlicht furchteinflößend. Das ­Tosen der Stromschnelle macht alle nervös, aber sie überspielen ihre ­Nervosität. „Normale Leute würden hier nie reinspringen“, sagt einer. „Aber wir sind keine normalen Leute“, entgegnet ein anderer.   61


„Ich bin kein Held. Ich bin nur Teil eines Teams. Held ist das Team.“ Selfoss-Teamleiter Ágúst Kjartansson evakuiert seinen Kollegen während einer Rettungsübung.

„Ágúst ist ein ziemlich guter Schwimmer“, sagt Sigurdsson, bevor sie ins Wasser springen. „Sieh ihn dir an.“ Kjartansson erinnert tatsächlich an einen Wikinger. Mit den rötlichen Wangen, seinem langen karamell­ farbenen Bart und dem eher kleinen, aber strammen, sehnigen Körper könnte er wahrscheinlich auch ein Langschiff aus dem 10. Jahrhundert allein rudern. Kjartansson, der Trockenanzug und Helm trägt, springt ins Wasser. Er lässt sich flussabwärts durch die Stromschnellen treiben, nutzt die schwächere Strömung um einen Fels­ block zur Richtungsänderung und schwimmt stromaufwärts – schnell und mit roboterhafter Präzision. Auf einem Felsblock erwarten ihn zwei Kollegen, sie beugen sich zu ihm r­ unter, strecken ihre Hände aus und ziehen ihn hoch. 62

Jeder Einzelne muss diese Aufgabe erfüllen, wieder und wieder. Mit klammen Fingern, völlig unterkühlt, mit Eiswasser in den Lungen, wieder den Fluss runter, wieder z­ urück gegen die Stromschnellen. Zurück an Land, wendet sich einer von der Gruppe ab und erbricht vor Erschöpfung. Bei der Mittagspause wenig später in einer nahen Cafeteria sind die Strapazen kein Thema. Die Gruppe scherzt darüber, dass sie eigentlich alle miteinander verwandt sind – kein Witz, sondern Tatsache auf ­einer 330.000-Einwohner-Insel, die jahrhundertelang relativ isoliert war. Isländer können sogar mittels App in einer Genpool-Datenbank nach­ forschen, um festzustellen, ob sie mit potenziellen Partnern zu nah ver­ wandt sind. Es gilt das Motto: „Geht gemeinsam in die App, bevor ihr ge­ meinsam ins Bett geht.“

Diese große Verbundenheit, die manchmal auch eine Bürde sein kann, motiviert aber alle Helfer bei jeder großen Rettungsmission umso mehr. Es ist so, als wäre das ganze Land ein Dorf, in dem jeder jedem gern hilft. Viele Mitglieder des Selfoss-Teams sind Bergsteiger. Magnús Sigurdsson, 27, und sein jüngerer Bruder Elias, 20, brechen nach dem Essen zum Sól­ heimajökull-Gletscher auf, um eine Spaltenbergung zu üben. Vor zwei Jahren war der Weg dorthin noch nicht befestigt, aber jetzt besuchen Touristen häufig die eisige Attraktion. Ein gefährliches Unterfangen: Hier kann ein einziger falscher Schritt eine Katastrophe bedeuten. Magnús und Elias werden in eine Gletscherspalte abgeseilt. Elias spielt das Opfer. Magnús hebt seinen Bruder auf seinen Schoß, sichert ihn mit ­einem Seil und signalisiert den beiden THE RED BULLETIN


Kollegen oben, dass sie mit dem Hochziehen beginnen sollen. Die zwei ­machen das alles so mühelos, dass man sie bitten muss, innezuhalten und in die Kamera zu lächeln. Das Selfoss-Team kommt im Durch­ schnitt auf 40 bis 50 Rettungseinsätze im Jahr. Die Helfer können jederzeit angerufen werden – auch wenn sie in der Arbeit sind. Bringt das keine Probleme mit den Chefs? Nein, alle winken ab. Die Chefs sind da sehr kulant. Die Mitglieder von ICE-SAR genießen im ganzen Land hohen Respekt. Jeder hier schätzt, dass die ehrenamtlichen Retter rund um die Uhr bereitstehen für Einsätze, die viele Stunden dauern können – tagsüber, nachts, an Wochenenden oder Feiertagen. „Auch zu Weihnachten machen wir keine Pause“, sagt Elias auf der Rückfahrt nach Selfoss.

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m 26. Dezember 2015 erhielt das Selfoss-Team um ein Uhr morgens ­einen Anruf. Ein Mann, der seinen Job verloren hatte, war in den Fluss gesprungen. Es hatte draußen minus zwölf Grad. Elias, Magnús und Kjartansson suchten mit ihrem Team 48 Stunden lang nach dem Mann – bei insgesamt gerade einmal acht Stunden Pause. „Angenehm war es nicht“, erzählt Kjartansson am nächsten Tag in ­einem Café in Reykjavík. Er pendelt

Leichtes Gepäck: Rettungen in un­ wegsamem Gelände werden oft mit mini­ maler Ausrüstung durchgeführt.

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von Selfoss nach Reykjavík, wo er als Programmierer an der Uni-Klinik ­arbeitet. „Als wir im Motorboot über den Fluss fuhren, gefror das Spritzwasser sofort an unseren Trocken­ anzügen“, sagt er. „Und es war völlig dunkel. Wir hatten nur Scheinwerfer und Taschenlampen, um uns zurechtzufinden – und um nach dem ab­ gängigen Mann zu suchen.“ Jeder in Selfoss war an der Suche beteiligt, Freiwillige, Polizei, Feuerwehr, Küstenwache. Aber der Mann wurde nie gefunden. Als Freiwillige bekommen die ­Mitglieder von ICE-SAR kein Geld. So frage ich Kjartansson, ob er dieser Arbeit nicht manchmal überdrüssig ist – zum Beispiel wie vergangenes Jahr zu Weihnachten, als er völlig durchnässt durch die Nacht fuhr, der Anzug vereist, die Nase halb erfroren. „Nein“, sagt er bestimmt. „Wir helfen, weil wir es können und wollen. Ich denke nie an mich. Wenn es so weit ist, vergesse ich alles andere und konzentriere mich nur noch auf die Mission. Ich will dazu beitragen, dass alles gut ausgeht. Klar kommen Emotionen auf, wenn du wirklich müde bist oder erschöpft. Aber das gehört einfach dazu.“ Außerdem bekommt man einen ordentlichen Adrenalinrausch, wenn man es schafft, jemanden zu retten. Vor ein paar Wochen, erzählt Kjartansson, hatte er eine Teambesprechung im Stützpunkt. Plötzlich kam der Anruf, dass ein Mann von einer Brücke am Fluss gesprungen war. Das Selfoss-Team stürmte los und brachte sein Boot zu Wasser. „Ich war auf dem Boot“, erinnert sich Kjartansson. „Ich sah den Mann und sprang ins Wasser, um ihn zu beatmen.“ Gerade einmal neun Minuten waren seit dem Notruf vergangen. Kjartansson und sein Team hoben den Mann ins Boot, am Ufer warteten schon Sanitäter, die Küstenwache kam per Helikopter und brachte das Opfer ins Krankenhaus. Es ist Kjartansson wichtig, dass er nicht wie ein Held behandelt wird. „Ich hätte das Boot nie so schnell zum Fluss bringen können, wäre ich allein gewesen. Und ich hätte den Kerl nie allein hochheben können. Obwohl ich derjenige war, der ihn beatmete, war ich nur Teil einer ­langen Kette. Alles klappte, weil die ­Kette der Belastung standhielt. Der Held ist allein das Team.“

icesar.com   63


„Angst und Reuegefühl sind deine Stärken“, sagt Elan Gale, 34.

Akzeptiere deine Schwä­ chen. Du bist kein Totalversager. Aber ganz so toll dann eben auch nicht.“ ELAN GALE

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TA K E F I V E

TV-Produzent Elan Gale über …

DIE POSITIVE KRAFT DER VERZWEIFLUNG Der kreative Kopf hinter US-Fernsehserien wie „The Bachelor“ gibt Tipps aus seinem neuen, etwas anderen Selbsthilfebuch „You’re Not That Great“.

1 Positives Denken macht krank

In meinem Job muss ich Personen einschätzen. Mir fällt auf, dass Leute, die ­sagen, wie gut sie drauf sind, oft nichts weiterbringen. Während Menschen, die hart arbeiten, mit Selbstzweifeln hadern. Positives Denken ist wie eine Hängematte, aus der du nicht leicht rauskommst. Was gegen Glücklichsein spricht? Nichts. Aber Achtung: Optimismus ist nur eine scheinbare Abkürzung zum Glücklichsein. Statt eine positive Einstellung zu haben, musst du selbstkritisch sein und an dir arbeiten, um Zufriedenheit und Erfolg zu erlangen.

geben dir Leute, 2 Kraft die nicht an dich glauben

Erinnerst du dich, als du mit einer Zeichnung von der Schule nach Hause kamst? Deine Eltern applaudierten und klebten den Dreck an den Kühlschrank, anstatt das Bild anzuzünden. Seien wir ehrlich: Deine Eltern haben dich zu einem ego­ manischen Monster erzogen – sodass du heute süchtig nach Lob bist, egal ob Leute es ernst meinen oder bloß höflich sind. Was mich in meinem Leben am meisten angespornt hat, war die Aussage meines Vaters, ich würde in der Unterhaltungs­ industrie nie einen Job finden. Daraufhin arbeitete ich mir den Arsch ab – vor allem, um ihm das Gegenteil zu beweisen.

3 Nutz Reue zu deinem Vorteil

Die meisten Menschen raten dir, nichts zu bereuen. Dabei ist Reue eines der elementarsten Werkzeuge, die dir im ­Leben zur Verfügung stehen. Wer nichts bereut, glaubt, keine Fehler zu machen. Und wer glaubt, keine Fehler zu machen, kann sich nicht verbessern. Ich arbeite

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ständig an vielen Projekten gleichzeitig und versuche, bei jedem mein Bestes zu geben. Warum? Weil ich in meiner Jugend ein Faulpelz war und keinen Uni-Abschluss machte, was ich extrem bereue. Und dieses Gefühl pusht mich wie kein anderes.

4 Keine Angst vorm Tiefpunkt

Mein Freund James Gunn (Regisseur der „Guardians of the Galaxy“-Filme) sagte mir einmal, die wichtigste Trieb­ feder für seinen Erfolg sei das Gefühl der Verzweiflung. Was er damit meint: Keine Wahlmöglichkeiten zu haben beflügelt die Kreativität. Verzweiflung ist der große Bruder der Angst – und Angst treibt an. Ich brauche das flaue Gefühl im Magen kurz vor einer Deadline. Du spürst das Adrenalin, du bist voll konzentriert, du musst Entscheidungen treffen. Unter ­diesen Umständen kannst du das scheinbar Unmögliche möglich machen.

5 So toll bist du nicht

Du denkst, es sei wichtig, sich selbst zu mögen. Weil positives Denken das Selbstbewusstsein stärkt. Falsch gedacht! Akzeptiere deine Schwächen und beschäftige dich mit ihnen. Gut zu sein ist wich­ tiger, als sich gut zu fühlen. Und obwohl wir uns ständig gegenseitig mit hohlen Komplimenten überhäufen, weißt du ­insgeheim dennoch genau, dass du vieles an dir verbessern könntest. Versteh mich nicht falsch: Du bist kein Totalversager. Aber ganz so toll dann eben auch nicht.

twitter.com/theyearofelan Interview FLORIAN OBKIRCHER Fotos CATIE LAFFOON   65


Awolnation-Livekonzert im Aufnahmestudio Supersense, Wien: Passiert der Band ein Fehler, landet der Fehler auf der Platte.

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#ohnefilter

AWOLNATION finden Echtsein wichtiger als Perfektsein. Darum nahmen die „Sail“-Stars in Wien ein analoges Live-Album auf – in einem Take und ohne die Chance, im Nachhinein das kleinste Detail zu verändern.

Interview ALEX LISETZ  Fotos JORK WEISSMANN


spielte es auch keine Rolle, wenn nicht jede Note hundertprozentig saß, eher im Gegenteil“. Später dann, mit Awolnation, reißt er sich schmerzhaft ehrliche Texte aus dem Leib, „weil ich unsere Fans so ­berühren will, wie mich meine Lieblingsmusiker berührt haben“. Aber wie weit würde Aaron Bruno für seine Sehnsucht nach dem Echten wirklich gehen? Noch zwei Tage, dann wird er sich der ultimativen Probe stellen.

AZETAT UND SAPHIR

Konzert-Momente: Sänger Aaron Bruno (oben links mit Live-Gitarrist) während der Session in Wien.

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wolnation-Sänger Aaron Bruno steht barfuß auf einer winzigen Bühne und hat Sorge: dass ein ­Handy läutet. Vor ihm wartet ein Raum voller Awolnation-Fans darauf, dass er mit dem ­Konzert beginnt. Aaron könnte jetzt an die 79 Wochen denken, die sein Welthit „Sail“ in den Billboard Hot 100 Charts stand. An e­ inen Morgenlauf in den Hügeln von Malibu. Oder an den Blick seiner Frau, wenn sie scharf auf ihn ist. Aber er denkt an alles, was gleich schiefgehen könnte. Als der Toningenieur das vereinbarte Zeichen gibt, legt der ­Gitarrist neben ihm los. Aaron packt das Mikro und fängt an zu singen. Jetzt geht es um alles.

AUF DER SUCHE

Zwei Tage zuvor sitzt Aaron Bruno auf ­einer braun gemusterten Couch im obersten Stockwerk des 25hours Hotel im siebten Wiener Bezirk und gibt Interviews. 68

Aaron ist ein unkalifornischer Kalifornier, er mag Smalltalk nicht. Aber heute will er gar nicht aufhören zu reden, vor allem nicht über sein neues Awolnation-Album, das „Here Come the Runts“ heißt. „Ich ­wollte noch offener, noch schonungsloser zeigen, wer ich wirklich bin“, betont er in jedem Interview. Die Journalisten nicken höflich. Sie haben die Phrase vom „ehrlichsten, persönlichsten Album“ schon von vielen Popstars gehört. Aber dieser Mann meint das ernst. „Ich suche nach den echten Dingen“, sagt er, „weil rund um uns alles Fake ist. Unsere Nahrungsmittel sind Mogel­ packungen. Unsere Beziehungen sind ­Mogelpackungen, die Musik, die wir ­hören – alles.“ Aaron Bruno hat diese Sehnsucht, seit er denken kann. Als Jugendlichen fasziniert ihn die Straight-Edge-Bewegung: der Exzess, der ohne Alkohol und Drogen auskommt. An der Punkrock-Szene zieht ihn die rohe, unfrisierte Energie der Musik an. Und den Liedermacher Jeff Buckley liebt er für die pure Emotion seiner Stimme – „da

Am nächsten Morgen tröpfeln die Awolnation-Mitglieder Punkt neun Uhr aus ­ihrem Tourbus. Herkömmliche Rockstars gehen zu dieser Tageszeit allmählich zu Bett, doch Aaron Bruno ist hellwach. Er will endlich dieses kleine Wiener Studio sehen, von dem er schon so viel gehört hat. Es heißt Supersense, ist zugleich Café, Shop und Kuriositätenkabinett und so ­etwas wie das Mekka analoger Technik. Man kann hier zum Beispiel mit der weltgrößten Polaroidkamera die weltgrößten Polaroidfotos machen. Oder mit dem hoch­ wertigsten, bestrestaurierten OriginalEquipment der 1960er-Jahre eine Schallplatte aufnehmen. Diese Gelegenheit haben bereits Bands wie die Fantastischen Vier oder Triggerfinger wahrgenommen. Und sie ist auch der Grund, warum Aaron Bruno die lange Anreise von Los Angeles auf sich genommen hat. Florian „Doc“ Kaps ist der Gründer und Besitzer von Supersense. Er hat ­seinen Laden zur Institution von europaweitem Ruf gemacht und verpasst jetzt Aaron Bruno einen Crashkurs in Sachen analoger Aufnahmetechnik. „Jeder Ton, den eure Mikrofone einfangen, wird über das Mischpult direkt in diese Schall­ platten-Graviermaschine geleitet.“ Während er spricht, tätschelt er zärtlich ein Sammlerstück aus den 1960er-Jahren, das wie eine Mischung aus Wasch- und Zeitmaschine aussieht. „Hier oben ritzt ein Saphirstichel jede Schallschwingung direkt in die Lackfolie. Daraus entsteht eine Schallplatte, zweimal zwölf Minuten lang. Wir können die Aufnahme nicht stoppen, nicht wiederholen, und wir ­können nachher nichts mehr daran ver­ ändern. Wenn du dich versingst oder im Publikum ein Handy läutet, ist alles auf Platte.“ Aaron nickt. „Alles klar, Doc.“ Er geht ganz nah ran, schnuppert an der Folie. Seine Songs werden nach Azetatlack riechen, seine Stimme wird eine THE RED BULLETIN


Die Löcher im T-Shirt täuschen: Nach zehn Millionen verkauften Alben könnte sich ­dieser Mann durchaus ein ganzes leisten.

THE RED BULLETIN

„Ich suche nach den echten Dingen, weil rund um uns alles Fake ist.“   69


Ein Mann mit intensivem Blick: Awolnation-Sänger Aaron Bruno will sich beim Singen tief in die Seele blicken lassen.

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„Ich glaube, wir bewundern das Perfekte, aber es ist das nicht Perfekte, was uns berührt und eine Verbindung schafft.“ THE RED BULLETIN


Rille sein, seine Energie wird eine Schicht schwarzen Lack formen. Aaron lächelt, und seine unruhigen Augen werden ganz weich.

EVA MÜHLBACHER

TAKTLOSIGKEITEN

Aaron, sagen wir, erklär uns, warum du im Jahr 2017 ein Album mit der Technik von 1960 aufnehmen willst? „Die analoge Technik holt dich aus der Komfortzone heraus“, sagt Aaron. „Wenn du eine Schallplatte live mitschneidest, zeigst du dich ohne Filter. Da ist kein Platz für Tricks.“ Aber analog aufzunehmen ist umständlich und altmodisch, wenden wir ein. „Man sollte nicht immer den kürzesten Weg nehmen“, widerspricht Aaron. „Natürlich hat digital aufzunehmen eine ­Million Vorteile. Aber kannst du zu einer Sounddatei eine Beziehung aufbauen? Ich habe eine abgegriffene John-DenverWeihnachts-LP daheim. Oder meine legendäre ‚Brothers in Arms‘-Platte von den Dire Straits. Die ist so zerkratzt, dass man sie kaum mehr anhören kann. Diese Stücke sind echte Wegbegleiter für mich.“ Guter Punkt, sagen wir. Und wenn wirklich etwas schiefgehen sollte, könnt ihr den Rohling ja wegwerfen und die Aufnahme mit einem anderen Rohling wiederholen, oder? Aaron macht jetzt ganz große Augen. „Nein, weil wir uns mitsamt unseren ­Fehlern zeigen wollen“, sagt er, „weil es wichtiger ist, echt und authentisch zu sein, als fehlerfrei zu sein.“ Und dann erzählt er die Geschichte seines Megahits „Sail“, der (nach „Radioactive“ von Imagine Dragons) länger in den Top 100 der Billboard-Charts war als ­jeder andere Song der Geschichte. „Ich habe die Vocals in zwanzig Minuten eingesungen, jede Tonspur ein Take“, sagt er, „und ich mochte die rohe Energie der Nummer.“ Dass die Aufnahme alles andere als perfekt war, merkte er erst nach der Veröffentlichung: „Beim Gesang sind ein paar Töne richtig flach, und die Percussion Drum ist von Anfang bis Ende völlig aus dem Takt.“ „Sail“ verkaufte sich trotz dieser Schönheitsfehler mehr als zehn Millionen Mal. Oder gerade deswegen? „Ich glaube, wir bewundern das Perfekte“, sagt Aaron Bruno, „aber es ist das nicht Perfekte, was uns berührt und eine Verbindung schafft. Darum sollten wir uns viel öfter trauen, uns nicht so perfekt zu zeigen, wie wir wirklich sind.“ THE RED BULLETIN

BLANK LIEGENDE NERVEN

Das Blöde ist nur: Wir Menschen zeigen uns nur ungern von unserer unvollkommenen Seite. Darum ist zwei Stunden vor der Liveshow jedes Teammitglied merklich angespannt. Lukas Obwaller, der Cutting Engineer vor Ort, geht noch einmal alle Schritte durch: Maschine in Gang ­setzen, Einlaufrille für die Plattennadel eingraben, Startzeichen an die Band, ­In­strumente überwachen. Eric Stenman, der Producer der Band, klebt Post-its auf sein Mischpult. Er hat sich beim Soundcheck aufgeschrieben, an welcher Stelle er das Echo zurücknehmen muss, wann er ­welchen Regler hochdrehen kann. ­Seine Sorge: Wenn die Band auch nur um zehn Sekunden überzieht, ist die Platte vielleicht mitten in einem Takt zu Ende. Gar nicht elegant.

So entsteht eine ­Direktschnittplatte Digitale Aufnahmen sind seit zwei ­Musikergenerationen Industrie-Standard, weil sie billiger, e∞zienter und leichter zu bearbeiten sind. Die Songs werden nach der Aufnahme gemischt und ge­ mastert, alle Informationen komprimiert, sodass sie möglichst wenig Speicherplatz verbrauchen. Direktschnittplatten werden in einer Schallplatten-Schnittmaschine im Wortsinn „mitgeschnitten“: Ein Saphirstichel prägt eine komplexe dreidimensionale Rille in den Rohling, während ein Staubsauger den freigeschabten Span entfernt. Die Nadel des Plattenspielers übersetzt den Verlauf der Rille später in Schwingungen der Lautsprechermembranen zurück. Im Supersense-Studio lief während des Awolnation-Konzerts zusätzlich ein ana­ loges Tonband mit. Aus dieser Aufnahme wurden in den Tagen nach dem Konzert in Echtzeit und mühsamer Handarbeit 77 weitere Lackschallplatten geschnitten, die im Shop bestellt werden können: masterrecord.supersense.com/ awolnation

Dabei könnten alle ganz entspannt sein. Digital Detox hat Awolnation immerhin schon ein paarmal richtig gutgetan. Aaron Bruno schrieb das komplette zweite Awolnation-Album in einer abgelegenen Holzhütte ohne Internetanschluss. Seinen aktuellen Hit „Passion“ nahm er – so wie den Rest des neuen Albums – mit der­ selben billigen Gibson-Gitarre aus den 1950er-Jahren auf, auf der er einst Gitarre spielen gelernt hat.

EIN INTIMER MOMENT

Um 20.37 Uhr betritt Aaron Bruno die Bühne und raunt seinen Leuten beruhigend zu: „Es geht heute nur darum, Spaß zu haben.“ Dann beginnt Aaron an all das zu denken, an das er nicht denken wollte. An defekte Mikros. An Texthänger. An verpasste Einsätze. Dann startet der erste Song, „7 Sticks“. Die Band gibt von Anfang an Vollgas, und Aaron Bruno findet schnell in seine Rolle. Er singt kraftvoll und konzentriert, das Publikum geht ab, aber er fühlt den Flow noch nicht ganz. Als Nächstes kommt „Passion“, die neue Single. Die Hände ­gehen in die Höhe, Aaron surft locker über eine schwierige Stelle, und da sind die zwölf Minuten der ersten Seite schon wieder vorüber. Es gibt eine kurze Unterbrechung, dann startet die Aufnahme der zweiten Seite. Da passiert es – beim Intro von „Hollow“ bricht ein Schlagzeugpedal. Während der Saphirstichel unaufhörlich die Rille in die kreisende Lackfolie prägt, muss der Song neu angespielt werden. Das Erstaunliche dabei ist: Es macht gar nichts. Im Gegenteil, der kleine, ­augenzwinkernde Schlenker schafft auf einmal eine noch engere Verbindung zum Publikum. Und auch in Aaron Bruno scheint ein Schalter umgelegt. Jetzt singt er wie entfesselt, erst „Hollow“, dann „Sail“, in einer Version, die man so noch nicht gehört hat, energiegeladen, aber dennoch intim, nah bei sich und seinen Gefühlen und zugleich ganz nah bei jedem Zuhörer im Publikum. Dann ist die Aufnahme fertig, und ­keiner im Team versteht mehr, was Aaron zuvor so nervös gemacht hat. Weil es doch immer nur um die einfachste Sache der Welt geht: echt zu sein, aber nicht fehlerlos.

„Analog In Vienna“, der Film über die Aufnahme der Awolnation EP on demand auf redbull.tv; awolnationmusic.com   71


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Ausdauer und Technik vereint: Cross-CountryProfi Anton ­Sinzow (RUS)

10 BARTEK WOLINSKI/RED BULL CONTENT POOL

März

BIKE-ACTION LIVE IM TV

Die Stars der Cross-CountrySzene starten zum Auftakt der UCI Mountainbike-Weltcupsaison im süd­afrikanischen Stellenbosch. Das Rennen: live auf redbull.tv

THE RED BULLETIN

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GUI D E

See it Nino Schurter auf dem Weg zur WorldCup-Krone in Vallnord, Andorra, vergangenen Juli …

NEED FOR SPEED

Auf Red Bull TV erlebst du in diesem Monat unter ­anderem den größten aller Mountainbike-Wett­ kämpfe, eine eisige Rallye und die Legende unter den Snowboard-Events.

10 März   LIVE

SO SIEHST DU RED BULL TV ÜBERALL

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UCI XCO MOUNTAIN BIKE WORLD CUP 2018

Beim UCI MTB World Cup begeistert die inter­nationale Elite der Cross-CountryMountainbiker tausende Zuschauer. In die neue Saison starten die Stars erstmals auf den Slopes der Coetzenburg-­ Anlage in Stellenbosch, Südafrika. Kann der amtierende Champion Nino Schurter (SUI) seinen Titel gegen das starke französische Team verteidigen?

… und auf den Fersen von Stéphane Tempier (FRA) in Val di Sole, ­Italien, im August 2017

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Februar / März

BARTEK WOLINSKI/RED BULL CONTENT POOL (2), JEFF BROCKMEYER/RED BULL CONTENT POOL, JAANUS REE/RED BULL CONTENT POOL, MIHAI STETCU/RED BULL CONTENT POOL

Ausgewählte Musik und inspirierende Künstler-Interviews. Aktuelle Empfehlung:

THE RED BULLETIN

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bis 10. März   LIVE

BURTON US OPEN

Der wichtigste Event im professio­nellen Snowboarding kehrt nach Vail, Colorado, heim. Auch im 36. Jahr stellen die weltbesten Rider ihre unglaublichen Skills im Slopestyle und auf der Halfpipe unter Beweis.

RISKY BUSINESS

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bis 18. Februar   LIVE

RALLYE SCHWEDEN

Station zwei der WRC-Saison führt durch Eiswälder in Schweden und Norwegen. 200.000 Fans an der Strecke, große Tradition (Premiere: 1950!), vier Tage als extreme Challenge für die Piloten und Top-Action für dich.

Februar   LIVE

22 Februar  ON AIR

Gerd Janson ist Musiker, Stamm-DJ im wahrscheinlich besten Techno­club der Welt (dem Berghain) und Chef eines der einflussreichsten House-Labels der Gegenwart („Running Back“). Seinem Geschmack in puncto Dance-Musik kann man also blind vertrauen. In seiner Show auf Red Bull Radio (neu: jeden vierten Donnerstag im Monat) präsentiert er House, Disco, Techno und vieles mehr aus seiner persönlichen Sammlung.

RED BULL CRASHED ICE

Das Ice-Cross-Downhill-Spektakel ist zu Gast in der südfranzösischen Hafenstadt Marseille. Auf die Athleten wartet ein selektiver Kurs mit Haarnadelkurven und Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 80 km/h.

AUFDREHEN: REDBULLRADIO.COM

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Von Taschenuhren der Schi≠s­ kapitäne des 19. Jahrhunderts ­inspiriert, segelt diese Hommage unverzagt in die Zukunft – dank ­diamantbeschichteter SiliziumHemmung und patentierter Unruh. ulysse-nardin.com

Baume & Mercier goes Silizium: vorn Zeitlosigkeit, hinten Zukunft

SILIZIUMZEIT Ein Indikator für den Fortschritt der Menschheit ist unsere Fähigkeit, Rohstoffe schlau zu nützen: Stein, Bronze und Eisen haben wir schon geschafft, jetzt ist Silizium dran. Das Element ist halbleitend und lässt sich zu reinen Kristallen „züchten“ – perfekte Eigenschaften zur Produktion jener Mikrochips, die unser Leben revolutioniert haben. Ebenfalls geeignet ist Silizium zum Aufwerten traditionellerer Technologien wie der schwingenden Spiralfeder einer mechanischen Uhr. Es ist nicht magnetisch, nicht so korrosiv wie Stahl oder Nickel, stoßfester und bleibt auch ohne Schmierung reibungsfrei. Hält also ziemlich sicher, bis das nächste Materialzeitalter kommt.

BAUME & MERCIER CLIFTON BAUMATIC

Federführend Baume & Mercier wurde 1830 von zwei Brüdern in Les Bois, einem Schweizer Dorf in den Jura-Bergen, gegründet und steht für wunderbar schnörkellose, erprobte mechanische Uhren. Die Clifton Baumatic verdankt ihre schlichte Zuverlässigkeit einer komplexen Wundererfindung: der patentierten TwinSpirSpiralfeder. Sie besteht aus zwei versetzt zueinander angeordneten Siliziumschichten, die sie temperaturstabiler und elastischer machen – und die Uhr bis zu fünf Tage lang präzis ticken lassen. Das ist so ­beeindruckend, dass Baume &  Mercier nicht nur gerne darüber spricht – man hat die Rückseite der Uhr auch noch transparent ­gestaltet, damit niemand auf die Idee komme, das technische ­Wunderding nicht zu bestaunen. baume-et-mercier.com

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TUDOR HERITAGE BLACK BAY CHRONO

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Motorsport- und Tauchdesign in exklusivem Materialmix. Das Edelstahlgehäuse beherbergt eine Spiralfeder aus dem thermisch stabilen Silizium „Silinvar“, das Konzernmutter Rolex mit­ entwickelte.  tudorwatch.com

ZENITH DEFY EL PRIMERO 21

Voll gehemmt

Der Titanchronometer hat patentierte Karbon-Nanofaser-Spiral­ federn und zwei Silizium-Hemmungen: eine für die Zeitanzeige, die andere für die Stoppuhr. Der Stoppzeiger, der einmal in der Sekunde umläuft, zeigt Hundertstelsekunden an.  zenith-watches.com

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Do it

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März

BBQ-SESSION IM SNOWPARK NESSELWANG

Was gibt es Schöneres als einen perfekt bestückten Snowpark bei Flutlicht? Einen perfekt bestückten Snowpark bei Flutlicht, in dem für dich gegrillt wird! Bei der BBQSession kannst du dich im größten Urban Obstacle Parks des Landes austoben – wie es Profi Benny ­Urban links vormacht – und dich danach direkt am Grill bedienen. 18 bis 21 Uhr, Snowpark Nesselwang, alle Infos: www.snowpark-nesselwang.de

17 80

Als „Die Ärzte des deutschen Hip-Hop“ bezeichnen Kritiker die Düsseldorfer Rap-Crew, die seit 2009 sozialkritische Botschaften mit denkwürdigen ­Lyrics („Fick die Uni!“) ver­ bindet. Mit im Gepäck haben die Rapper Danger Dan, Panik Panzer und Koljah ihr neues ­Album „Anarchie und Alltag“. 16. 2. Eventhalle Ingolstadt, Termine: antilopengang.de

24

Februar Kiel Marathon Lauf-Event mit Wasserblick: Die flache WendepunktStrecke führt an der Kieler Innenförde entlang. Gelaufen werden die klassische Marathon-Distanz über 42,195 Kilometer, ein Halbmarathon (21 km), und es gibt 10-Kilometer-Lauf- und -Walking-Bewerbe. Infos und Anmeldung: www.kiel-marathon.de

25

Februar „Das Flüstern des Wassers“ Neu im Kino: Regisseur Guillermo del Toro („Pans Labyrinth“) erzählt in seinem Fantasy-Drama die Geschichte einer Putzfrau, die sich in einem USGeheimlabor in ein mysteriöses Fischwesen verliebt. Ab 15. Februar im Kino

Februar Night of the Jumps: Berlin Spitzenathleten der internationalen Freestyle-Motocross-Szene (im Bild der deutsche Senkrechtstarter Luc Ackermann) messen sich im „Highest Jump“-, „Best Whip“­(Drehung in der Luft) und „Best Trick“-­ Bewerb. Eine opulente Pyrotechnikshow ­garantiert Partyfeeling in der Arena. Mercedes-Benz Arena, Berlin; Infos: www.nightofthejumps.com

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LORENZ HOLDER/ RED BULL CONTENT POOL, JOERG MITTER/RED BULL CONTENT POOL, CHRISTIAN SAN JOSE

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Februar Antilopen Gang auf Tour


Februar / März

„Baby, pull me closer in the backseat of your Rover“ … oder in die Münchner Zenith-Halle. Da spielt das New Yorker Erfolgs­duo (mehr als 9,4 Milliarden Streams weltweit) das zweite von drei Deutschland-Konzerten. Zwei Tage später machen Alexander Pall und Andrew Taggart Station in der Hauptstadt. 1. 3., Zenith München; 5. 3. Berlin

15

Februar

KENDRICK LAMAR

Die kritische Stimme des US-Hip-Hop gastiert mit seinem Nummereins-Album „DAMN.“ drei Auftritte lang in Deutschland. Tipp: Für die Konzerte können Fans auch Meet-andGreet-Tickets buchen. 15. 2. Festhalle Frankfurt; 22. 2. Lanxess Arena Köln; 5. 3. Mercedes-Benz Arena Berlin

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März Kinostart: „Molly’s Game“ Jessica Chastain, die 2013 als Jägerin Osama bin Ladens in „Zero Dark Thirty“ den Golden Globe gewann, spielt die Skirennläuferin Molly Bloom, die nach dem Ende ihrer Kar­riere in die Welt des UndergroundPokers eintaucht und bei ­illegalen Turnieren Millionen verdient. Mit dabei: Charakterund-Action-Mime Idris Elba. Ab 8. März im Kino

© 2017 HARMAN International Industries, Incorporated. Alle Rechte vorbehalten. JBL ist eine Marke von HARMAN International Industries, Incorporated, die in den USA und/oder anderen Ländern eingetragen ist. Die Wortmarke Bluetooth® und ihre Logos sind eingetragene Marken von Bluetooth SIG, Inc. Jegliche Nutzung dieser Marken durch HARMAN International Industries, Incorporated erfolgt in Lizenz. Andere Marken oder Handelsbezeichnungen sind im Besitz der jeweiligen Eigentümer. Änderungen an Merkmalen, Spezifikationen und Aussehen können ohne vorherige Ankündigung erfolgen.

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März Live: The Chainsmokers

JBL.COM/WATERPROOF


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FÜR ALLE FÄLLE ZEHN FRISCHE AUTOS UND FÜNF TRENDS, MIT DENEN SIE IN JEGLICHEN MOBILITÄTSFRAGEN GUT FAHREN. TEXT: WERNER JESSNER


MAZDA CX-5

FÜR DIE ­KONZENTRATION AUFS WESENTLICHE Leicht gesagt, ganz schwer um­ zusetzen: aus weniger tatsächlich mehr machen. Mazdas Chef­ designer Kevin Rice ist das ge­ lungen. Weniger Kanten, weniger Sicken, weniger unterschiedliche Oberflächen heben den CX-5 wohltuend aus der Masse. Auch passend reduziert: Der neue, 194 PS starke Benzinmotor hat eine Zylinderabschaltung, die Sprit spart, indem sie zwei Zylin­ der stilllegt, wenn keine Leistung gefordert wird.  mazda.de

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TREND NR. 1: EIN AUTO MUSS NICHT MEHR AUSLADENDER SEIN ALS SEIN VORGÄNGER. Bei der schieren Größe ist der Plafond erreicht. AUDI RS4 AVANT

FÜRS UNAUFFÄLLIGE VERSCHWINDEN Einst hätte man Autos wie den neuen Audi RS4 Avant „Flucht­ auto“ genannt: Auf den ersten Blick fast unauffälliger Kombi, ­jedoch 450 PS stark und serien­ mäßig 250 km/h schnell. Die vierte, jüngste Generation der ­legendären RS-Serie hat einen 6-Zylinder-Turbomotor statt des bisherigen Achtzylinders, Allrad­ antrieb und ein verstellbares Sportfahrwerk. Innen gibt’s statt konventioneller Armaturen ein volldigitales Cockpit.  audi.de

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RANGE ROVER VELAR

FÜR EINEN GE­ DIEGENEN AUFTRITT Wem der klassische Range Rover zu viele rechte Winkel hat und der Range Rover Sport zu geduckt des Weges kommt, für den gibt’s jetzt den Velar. Mit dynamischer, muskulöser, dennoch luftiger Optik spricht er ein urban(er)es Publikum an. Das spiegelt sich auch im Innenraum wider: Leder, wohin das Auge blickt, tolles Infotainment-System und Türgriffe, die zur Begrüßung elektrisch ausfahren. Opulenz auch unter der Motorhaube: Der Velar ist bis zu 380 PS stark.  landrover.de


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PORSCHE 718 CAYMAN GTS

FÜR ENDLOSE KURVENSTRASSEN Im richtigen Auto ist die Verbindungsstrecke zwischen zwei Kurven immer zu lang. So ein Auto ist der Cayman, den RallyeWeltmeister Walter Röhrl einen „Porsche für Porschefahrer“ nannte. Besonders porschig ist er als GTS, bei dem der 2,5 Liter große 4-Zylinder-Boxermotor 365 PS leistet. Ein Pferd pro Tag – das ganze Jahr lang. Gerade auf kurvigen Straßen gibt es kaum ein Auto, das so am Punkt einlenkt und so intuitiv Kurven frisst wie der kleine Bruder des 911.  porsche.de

TREND NR. 2: KOMPROMISSE ZWISCHEN KOMFORT UND SPORT SIND NICHT MEHR NÖTIG.

Elektronisch geregelte Fahrwerke und Antriebe entkoppeln den Fahrer weitgehend vom Untergrund. JEEP COMPASS TRAILHAWK

FÜR DEN OUTDOOR-SPORT „Trail Rated“ sagt dem Profi, dass ein Modell den legendären Rubicon Trail in Kalifornien gemeistert hat, eine der härtesten Offroad-Strecken überhaupt. Amateure müssen nur wissen, dass sie mit dem Jeep Compass ein Werkzeug bedienen, das sie überall hinbringt. 140 oder 170 PS sind für ein KompaktSUV gut dosiert. Der durchdachte und robuste Innenraum verträgt problemlos auch große Zuladungen.  jeep.de

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TREND NR. 3: CRASH-NORMEN SIND EIN STRENGES KORSETT FÜR DESIGNER. Ästhetische Revolutionen finden derzeit im Innenraum statt.

MINI JOHN COOPER WORKS

FÜR EWIGE JUGEND

Lausige Stimmung, nervige Kollegen und ein Kind, das eine Erkältung ausbrütet: Es gibt Tage, da brauchst du ein paar Minuten nur für dich allein. Dringend. Wenn der 231 PS starke Motor dumpf grollend erwacht und das nur 3,78 Meter kurze Auto um die Kurven wetzt; wenn du aussteigst und ein letztes Mal auf die bullige Optik mit den stämmigen Backen blickst, bevor dich der Alltag wieder einfängt – und du dich auf die nächste Flucht im Mini John Cooper Works freust.  mini.de


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TOYOTA LAND CRUISER

FÜR DEN WÜSTENTRIP Seit 1951 ist der Land Cruiser Stammgast in den ­unwegsamen Regionen dieser Welt. 2018 ist er dank neuer Front um 6 cm gewachsen, innen halten belüf­ tete Sitze den Rücken bei unmenschlichen Tempera­ turen trocken. Den Weg weist ein neues MultimediaSystem mit 8-Zoll-Touchscreen. Hightech auch bei den Assistenzsystemen: Kollisionsfrühwarner, Spurassistent und adaptiver Tempomat sind eben­ so an Bord wie eine 360-Grad-Kamera.  toyota.de

TREND NR. 4: UNSERE AUTOS WERDEN INTELLIGENTER. Systeme, die bereits an Bord sind, werden vernetzt.

PEUGEOT 5008

FÜR ANTWORTEN AUF ALLE FRAGEN Anders als sein Vorgänger ist der neue 5008 ein SUV, mit bauartbedingten Vorzügen und optischen Reizen – sowie praktischen Talenten. Die drei Einzelsitze in der mittleren Reihe sind kindersitzkompatibel und lassen sich verschieben und versenken – genau wie die Plätze sechs und sieben ganz hinten. Imposant: beinahe zwei Kubikmeter Kofferraum­ volumen! Motoren? Von 120 bis 177 PS.  peugeot.de

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DIE WELT ENTDECKEN UND BEGREIFEN

Packende Geschichten von aussergewöhnlichen Schauplätzen. Brillante Fotografien, grosszügig präsentiert. Mehr Einblick durch ausführliche Berichterstattung. 6-mal jährlich.

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GUI D E FORD ECOSPORT

FÜR MEHR SOUND Liebe zum Detail, frische Optik. Nicht nur Front und Heck sind neu, auch der Innenraum kommt technisch aktueller daher: freistehender 8-Zoll-Monitor, sprachgesteuertes Entertainment-System, Rückfahrkamera und optional ein fettes Bang & Olufsen-Soundsystem. Und auf Wunsch ­kontrastierendes Wagendach.  ford.de

TREND NR. 5: CROSSOVER-MODELLE SIND DER NEUE MEGATREND. Die Grenzen zwischen Kombi und SUV verschwimmen zusehends.

VW T-ROC

FÜR EINEN SPANNENDEN ALLTAG Nicht jeder will im Baumhaus wohnen oder im Urlaub nach Usbekistan fahren. So sein wie alle anderen wollen aber auch die wenigsten. VWs automobile Lösung: der T-Roc. Unter dem Blech bewährte Golf-Technik, optisch ein frischer Auftritt. Das Kompakt-SUV erfreut mit Ecken, Kanten und neuem ­Markengesicht. Und weil der T-Roc kürzer ist als ein Tiguan, findet man auch in der Stadt Parkplätze.  volkswagen.de

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THE RED BULLETIN BEYOND THE ORDINARY

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Read it

Marcel Reif

TV-Kommentator, Sport­ journalist, Buchautor: Der ­Fußballexperte hat dank seiner Leidenschaft und Präzision eine Fangemeinde – auch wenn seine scharfen Analysen mitunter das Publikum spalten. Diesmal erläutert er die Psychologie des Trainerwechsels und begründet die aktuelle englische Dominanz in der Champions League.

DIE BUNDESLIGA SCHMORT IM EIGENEN SAFT 92

iese nackten Zahlen sprechen Bände: Von den 36 Vereinen, die im Sommer erwartungsfroh in die Saison der beiden Bundesligen gestartet sind, ha­ ben sich 14 bereits nach wenigen Monaten wieder von ihren wichtigsten Angestellten auf der Trainerbank getrennt. Nun sollte man ja doch annehmen ­dürfen, dass Unternehmen mit Umsätzen in dreistelliger Millionenhöhe bei der Auswahl ihres Führungspersonals höchst sorgfältig vorgegangen sind und alle Mög­ lichkeiten professionellen Recruitings ausgeschöpft haben. Wenn jedoch ambi­ tionierte Ziele meilenweit verfehlt werden oder gar der Abstieg – und damit ein öko­ nomisches Desaster – droht, wirft man ­rationale Prinzipien nur allzu gern über Bord und wandelt auf dem recht schmalen Grat zwischen blindem Aktionismus und objektiver Diagnose. Ich habe lange in Köln gelebt und kenne die Befindlichkeiten dort. Man hat mit viel Geduld versucht, die Dinge vernünf­

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BLAGOVESTA BAKARDJIEVA

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Reif für die Bundesliga

tig zu regeln. Aber nach 3 von 42 mög­ lichen Punkten war das Ende einer Reise gekommen. Da haben bereits die Kirchenglocken und nicht nur die Alarmglocken geläutet. Peter Stöger hat den Schalter nicht mehr gefunden, die früheren Erfolgsfaktoren hatten sich aufgebraucht. Männerfreundschaften sind zerbrochen, die wichtigsten Spieler mussten verkauft werden. Der charmante Traum vom gemeinsamen Weitermachen bis ins Renten­ alter ist geplatzt, die Batterie war so leer wie bei einem Tesla nach 300 Kilometern auf der Autobahn. Bis dass der Tod uns scheidet – das funktioniert schon im Leben nicht und eben gar nicht im Fußball. Auch wenn Stögers Aus am Ende unschön wurde und der Kölner Vorstand in alte Strickmuster aus chaotischen Zeiten ­verfallen ist – allemal noch besser als schleichende Dauer-Agonie.

Die Bundesliga vergleicht sich gerne mit der Premier League, auch wenn ihr diese nicht nur finanziell längst enteilt ist. Ein Blick über den ­Tellerrand könnte die Konkurrenzfähigkeit nach dem europäischen Super-GAU im Herbst wieder erhöhen.

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an muss das aber entdramatisieren – niemand hat hier sein Leben verloren, es sind keine irreparablen Schäden entstanden. Und Stöger ist sogar die Treppe hinaufgefallen, und er ist ­intelligent genug, um zu wissen, dass er in Dortmund nach dem Absturz unter Peter Bosz nur gewinnen kann. Die Karawane ist weitergezogen, es muss ja nicht gleich Echte Liebe sein – hätte er sich bei der Antrittspressekonferenz mit einem kölschen Schal präsentieren sollen? Pep Guardiola und sein Projektteam haben aus dem Kommen und Gehen sogar ein eigenes Geschäftsmodell gemacht: Dem Katalanen ist bewusst, dass Mann­ schaften nach spätestens drei Jahren seine extremen Anforderungen nicht mehr ­erfüllen können – und wollen. Die ihm zuhören, haben alles gehört; der nächste Klub wartet schon auf den Messias. Ist ein neuer Trainer wie ein Prophet, vor dem alle devot auf die Knie fallen und um Erlösung betteln, damit das leere Punktekonto endlich aufgefüllt werde? Der weltweit renommierte Sportpsycho­ loge und Mentalcoach Christian Uhl beschreibt den Effekt des Trainerwechsels als „einen frischen Wind. Jeder schöpft neue Hoffnung, die Spieler müssen aus ­ihrer Komfortzone raus und projizieren positive Gedanken. Jede Eigenschaft des neuen Trainers wird als überproportional gut empfunden, wir nennen das wishful thinking. Von einer Minute zur anderen

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ändert sich das Mindset und wird durch den ersten Erfolg noch potenziert. Körpersprache und Stimmung in der Kabine sind plötzlich ganz anders, das ist psycho­ logisch nicht immer erklärbar. Aber das sind nur kurzfristig ausgelöste Effekte, später trennt sich die Spreu vom Weizen. Der neue Trainer muss fachliche Autorität besitzen, Ziele vermitteln können und sozial kompetent sein – sonst geht ihm bald die Luft aus, und die Mannschaft fällt in alte Verhaltensmuster zurück.“

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arüber hinaus wittern Ersatzspieler ihre Chance, etablierte Profis müssen sich frisch beweisen, und die gewohnte Hierarchie wird hinterfragt und neu gebildet. Die Trennung von Thomas Tuchel und dem BVB gehört hingegen in eine ganz andere Kategorie. Mein erster Gedanke war: Seid ihr verrückt geworden? Der ­beste Vizemeister aller Bundesliga-Zeiten und Pokalsieger muss gehen, obwohl die Dortmunder fesselnden Fußball spielen? Weil die wichtigsten Entscheider nicht

miteinander konnten, wäre der Verein ­implodiert – der Preis war BVB-Boss Aki Watzke zu hoch. Ihm war klar, dass er es um die Ohren kriegen würde, falls Peter Bosz nicht einschlüge. Zwar haben sich alle blendend verstanden und einander geschätzt, aber der Erfolg ist dennoch ausgeblieben. Stöger sprang als Feuerwehrmann ein, löschte den Flächenbrand und holte in einer Woche doppelt so viele Punkte wie in Köln im ganzen Herbst. Mit Carlo Ancelotti musste der letzte große Trainer aus dem Ausland gehen, mit dem sich die Bundesliga noch schmücken konnte. Man muss es nüchtern betrachten: Ancelotti war zur unrechten Zeit an einem falschen Ort. Einem Mann, der mit Real Madrid, Paris Saint-Germain, Chelsea und dem AC Milan Titel sammelte, will wohl niemand ernsthaft die Qualität absprechen. Dennoch konnte der Italiener in München nie seine Stärken einbringen, aber er wurde wenigstens halbwegs mit Achtung und Respekt verabschiedet. Beim FC Bayern geht es jedoch nicht um Haltungsnoten, sondern einzig und allein darum, höchste Ansprüche zu erfüllen.

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propos Ansprüche: Die Bundesliga vergleicht sich gern mit der eng­ lischen Premier League, auch wenn diese ihr nicht nur finanziell längst enteilt ist. Mit Guardiola, Mourinho, Wenger, Klopp, Conte und Pochettino coachen die ganz Großen der Branche auf der Insel. Sechs Trainer sind Engländer, die rest­ lichen vierzehn stammen aus Italien, ­Spanien, Portugal, Argentinien, Frankreich, Deutschland, Irland, Schottland und Wales. Ein bunter Mix verschiedener Fußballkulturen – die spanische Dominanz in der Champions League wird bald Geschichte sein. Bezeichnenderweise ­qualifizierten sich alle fünf englischen Klubs locker fürs Achtelfinale. Unsere Bundesliga? Die schmort ­offensichtlich im eigenen Saft. Dreizehn deutsche Trainer – und mit Pál Dárdai, Ralph Hasenhüttl, Niko Kovač und Martin Schmidt ein Quartett, das in der Bundes­ liga sozialisiert wurde. Lediglich Peter Stöger war vor seinem Engagement in Köln mit Austria Wien Meister. Ein Blick über den Tellerrand könnte also nicht schaden und die Konkurrenzfähigkeit der Liga nach dem europäischen Super-GAU im vergangenen Herbst wieder erhöhen.

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En rentrant, le 13 octobre dernier, dans un avion à 138 km/h par une porte de 1,58 m de large sur 1,25 m de haut, les Soul Flyers FRED FUGEN et VINCE REFFET ont réalisé le projet le plus risqué et le plus flippant de toute leur carrière. Décryptage. Texte PATRICIA OUDIT

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FRANKREICH EIN TOR IM HIMMEL Per Wingsuit in ein fliegendes Flugzeug: das unglaubliche Projekt der Soul Flyers.

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„ES IST DAS UNPERFEKTE, WAS UNS BERÜHRT.“ ÖSTERREICH AWOLNATION Die US-Rocker nahmen in Wien eine Platte analog auf. Warum? Weil Echtsein einfach mehr zählt.

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März

IMPRESSUM Aiming high: Lake’s personal best stands at 1.96m – the height she jumped in Birmingham last July at Team GB’s trials for the World Championships

Chefredakteur Alexander Macheck THE RED BULLETIN Deutschland, ISSN 2079-4258 Länderredaktion David Mayer Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek Country Project Management Natascha Djodat Anzeigenverkauf Martin Olesch, martin.olesch@ de.redbulletin.com Abo Abopreis: 21,90 EUR, 10 Ausgaben/Jahr, www.getredbulletin.com, abo@de.redbulletin.com Druck Prinovis GmbH & Co. KG, Betrieb Nürnberg, 90471 Nürnberg

RAISING THE

BAR MORGAN LAKE became the first British woman ever to reach an Olympic high-jump final, thanks to a rare combination of physical power and sporting passion. Now, the 20-year-old athlete is honing her mental muscle to reach even headier heights in a season that could make hers a household name Words PAUL WILSON

DEUTSCHLAND

Photography ALEXIS CHABALA

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GROSSBRITANNIEN MORGAN LAKE Zwischen Hochsprung und PsychologieStudium: Die Britin erklärt, wie dich mentales Training höher hinaus bringt.

SCHWEIZ MARKUS „MÄ“ KELLER Der einstige Halfpipe-Weltmeister gab auf, was er am besten konnte. Und wurde noch besser. Ein Gespräch im tiefsten Powder Japans über Selbstfindung durch das Verlassen deiner Komfortzone.

Stv. Chefredakteur Andreas Rottenschlager Creative Director Erik Turek Art Directors Kasimir Reimann (Stv. CD), Miles English Head of Photography Fritz Schuster Photo Director Rudi Übelhör Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Redaktion Stefan Wagner (Textchef), Christian Eberle-Abasolo, Arek Piatek Freie Mitarbeiter: Werner Jessner, Florian Wörgötter Grafik Marco Arcangeli, Marion Bernert-Thomann, Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Goll, Carita Najewitz Fotoredaktion Marion Batty, Susie Forman, Ellen Haas, Eva Kerschbaum, Tahira Mirza Commercial Director Franz Renkin Anzeigendisposition Andrea Tamás-Loprais Creative Solutions Eva Locker (Ltg.), Martina Maier, Verena Schörkhuber, Edith Zöchling-Marchart Country Management & Marketing Sara Varming (Ltg.), Magdalena Bonecker, Kristina Hummel Marketing Design Peter Knehtl (Ltg.), Simone Fischer, Alexandra Hundsdorfer Produktion Wolfgang Stecher (Ltg.), Walter O. Sádaba, Friedrich Indich, Michael Menitz (Digital) Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailović, Maximilian Kment, Josef Mühlbacher Office Management Kristina Krizmanic, Yvonne Tremmel

DAS ZIEL IM GRIFF

IT Systems Engineer Michael Thaler Abo und Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser (Vertrieb), Yoldaş Yarar (Abo)

ALEXANDER MEGOS ist einer der besten Kletterer der Welt. Warum? Weil er auf jeder Route seine 10 Prinzipien des Erfolgs befolgt.

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Text BEN KRISCHKE

Alexander Megos, 24, Ausnahmekletterer: „Scheitern beginnt in dem Moment, in dem du dein Ziel unterschätzt.“

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DEUTSCHLAND ALEX MEGOS Auf den schwierigsten Kletterrouten ebenso gültig­ wie im Büroalltag: die zehn Erfolgsprinzipien des deutschen Ausnahmekletterers (Seite 36).

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Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Web www.redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 General Manager & Publisher Andreas Kornhofer Geschäftsführer Dietrich Mateschitz, Gerrit Meier, Dietmar Otti, Christopher Reindl

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Action-Highlight

Wer als Tourist nach Beirut reist, findet ziemlich weit oben auf der Pflichtenliste einen Besuch der Taubenfelsen von Raouché: zwei mächtige Kalkbrocken, die sich direkt vor der Küste aus dem Meer erheben. Für eine eher individuelle Form der Besichtigung entschied sich Alex Mason: Der US-Extremsportler spazierte in 40 Meter Höhe von einem Felsen zum anderen. Das Video gibt’s auf Redbull.tv

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„Nicht runtersehen, nicht runtersehen, nicht runtersehen …“ Wellen, die Meeresbrise, Zuseher in Booten und Baustellenlärm vom Festland: US-Slackliner Alex Mason musste eine Konzentrations-Meisterleistung erbringen, um seiner Linie treu zu bleiben.

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Raouché, Libanon

Makes you fly

Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN ­erscheint am 13. März 2018 THE RED BULLETIN


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