The Red Bulletin AT 04/21

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ÖSTERREICH APRIL 2021 € 3,50

RM 18A041541 K

Das große Interview mit dem erfolgreichsten Skifahrer aller Zeiten

ÖSTERREICHISCHE POST AG 1140 WIEN GETREDBULLETIN.COM

MARCEL HIRSCHER „ Das Beste kommt noch!“

JETZT ABONNIEREN!

ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN



E D I TO R I A L

WILLKOMMEN

EINFACH REIZEND HOCHGENUSS

„Ein neuer Traum ­beginnt“ – das Buch zur Geschichte des Ötztaler Radmarathons – mit feinen Bildern, Fakten und wertvollen Tipps. Ein Blick auf die letzte ­Abfahrt – Seite 12.

„ Gott sei Dank bin ich mit Selbstvertrauen geboren.“

MARCEL HIRSCHER (COVER),NASA

Die britische Rapperin Stefflon Don kann das Ganze auch noch in drei Sprachen formulieren, ab Seite 54 ist sie so frei.

Der Herr auf dem Bild rechts kommt ­Ihnen irgendwie bekannt vor, aber dass er einen Stift in der Hand hält und konzen­ triert auf ein Blatt Papier starrt, irritiert Sie? Zweifeln Sie nicht, Sie haben schon recht: Der Mann ist Marcel Hirscher, der beste Skifahrer der Welt. Hier aber widmet er sich mit Verve und Engage­ ment einer seiner neuen Berufungen: der Gestaltung einzigartiger Outdoor-­ Bekleidung. „Zu meiner aktiven Zeit habe ich die Leute mit meinem Tüftler-Wahn oft zur Verzweiflung gebracht – und jetzt ist genau das mein Job!“ Was ihn in seinem neuen ­Leben sonst noch reizt – ab Seite 44. Ebenfalls reizend (auf höchst unterschiedliche Art allerdings): die Songs von Gazelle & the Bear, die Flugshow des Schweizer Freeskiers Noé Roth und die Schlaflosigkeit bei der ­Vendée Globe, der härtesten Regatta der Welt.

EIN MANN, EIN PLAN

Wenn Marcel ­Hirscher sich was vornimmt, dann zieht er das durch: Hier koloriert er Hosen. Sein neues Leben – ab Seite 44.

Viel Spaß mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion

SOUND & VISION

Wie klingt der Mars? Die NASA bringt das Geräusch mit diesem Fahrzeug auf die Erde. Seite 89 THE RED BULLETIN

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I N H A LT The Red Bulletin im April 2021

60 COVERSTORY

44 MARCEL HIRSCHER

Das große Gespräch über die Zukunft des erfolgreichsten Skirennläufers seiner Zeit. Marcel Hirscher sagt: „Das Beste kommt noch!“

SEGELN

20 REGATTA RADIKAL

Die Vendée Globe ist ein knallharter Kampf gegen die Elemente, die herausforderndste Regatta der Welt – Leinen los!

ÜBERBLICK  Weiß immer, wo er ist: Ski-Akrobat Noé Roth genießt die Freiheit der Flugphase.

MUSIK

54 „ ICH BIN SO FREI“

Rapperin Stefflon Don rappt in drei Sprachen – und das mit extremem Selbstbewusstsein.

AERIALS

60 EINFACH ABHEBEN

Noé Roth ist einer der besten Ski-Akrobaten der Welt. In der Luft ist er in seinem Element.

BOULEVARD DER HELDEN

66 D IE MODEKÖNIGIN

Michael Köhlmeier erzählt die außergewöhnliche Geschichte von Coco Chanel.

MUSIK

36 WIR UMARMEN EUCH!

Ihre Songs sind großartige Glücklichmacher. Das erste Album von Gazelle & the Bear – schön wie eine Umarmung.

SERIE

40 WIE GEHT ÜBERLEBEN?

„Tribes of Europa“ beschreibt den Kampf ums Überleben. Schauspieler Oliver Masucci hat damit Erfahrung.

FORMEL 1

42 ENDLICH GAS GEBEN

Christian Klien erklärt bei ServusTV die Formel 1. Das Gespräch zum aktuellen TV-Ereignis.

6 GALLERY 14 ZAHLEN, BITTE!

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GUIDE

Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

40 DURCHBLICK  Weiß immer, worauf zu achten ist: Schauspieler Oliver Masucci fokussiert genau.

71 TRAVEL. Tourengehen in Saalbach – mit Ski-Guide Markus Mitterer. 83 W INGS FOR LIVE WORLD RUN. Drei Sportler empfehlen ihre liebsten Laufstrecken. 84 L ESESTOFF. Literarisch wertvoll: die wuchtige Zombie-Trilogie des US-Autors Justin Cronin. 86 R ICHTIG GUTES ZEUG. Gefällt uns: Sachen, die Freude machen. 90 M OTORRÄDER. Acht Bikes, die zum Aufsitzen verführen.

16 FUNDSTÜCK 18 DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW

96 IMPRESSUM 98 CARTOON

54 FEST IM BLICK  Weiß immer, was zu sagen ist: Rapperin Stefflon im Polster-Paradies.

THE RED BULLETIN

GIAN PAUL LOZZA, MARINA ROSA WEIGL, SALIM ADAM, JEAN-MARIE LIOT/MAÎTRE COQ


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DIE HÄRTESTE REGATTA DER WELT Allein auf einem Boot um die Welt – eine größere Herausforderung wie die Regatta Vendée Globe ist schwer denkbar. Im Bild: der Franzose Yannick ­Bestaven, Sieger 2021.

THE RED BULLETIN

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SPIELBERG, ÖSTERREICH

Brad kratzt die Kurve

PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL

Eine kompromisslose Rennmaschine und ein Mann im Sattel, der sie im Grenzbereich zu bewegen weiß: Wenn KTM MotoGP-Pilot Brad Binder, 25, sein Motorrad mit der Nummer 33 auf der Rennstrecke durch die Kurven zirkelt, dann ist das ein ästhetischer Hochgenuss. Oder wie der MotoGP-Kommentator Matt Birt einmal über den Südafrikaner sagte: „Er ist ein Poet der Bewegung, schlichtweg wunderbar anzuschauen.“ MotoGP-Saisonauftakt 2021 am 28. 3. in Katar; alle Rennen live auf ServusTV; servustv.com

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SIDNEY, AUSTRALIEN

Die Natur des Parkour Ein ehemaliger Steinbruch südlich von Sidney, den im Lauf der Zeit die Natur wieder zurückerobert hat, bildet eine würdige Kulisse, um die Fähigkeiten des australischen Parkour-Athleten Alex Robinson darzustellen. Sein Landsmann, der Fotograf Eric Yip, wählte zu diesem Zweck die Technik der Mehrfach­belichtung – sie macht die Dynamik des Stunts erst sichtbar. Die Aufnahme schaffte es bis ins Semifinale des Red Bull-Illume-Fotowettbewerbs. Alle Teilnahme-Infos zu Red Bull Illume 2021: redbullillume.com


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ERIC YIP/RED BULL ILLUME


TRBOVLJE, SLOWENIEN

Alles senkrecht! Soll keiner sagen, Kohlekraftwerke wären heutzutage für nichts mehr gut: Dieses hier steht an der Save in Slowenien und zeichnet sich durch den mit 360 Metern höchsten Schornstein Europas aus. Mit dem Rauchen aufgehört hat er schon 2014. Seither dient das Ungetüm als Spielplatz für beherzte Kletterer. Janja Garnbret und Domen Škofic (re.), Sloweniens große Olympia-Hoffnungen, haben dort Ende Jänner einen Weltrekord aufgestellt: Sie bezwangen die höchste künstliche Kletterroute der Welt. Das Video: redbull.com/at-de/ films/360-ascent


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JAKOB SCHWEIGHOFER/RED BULL CONTENT POOL


ÖTZTAL, ÖSTERREICH

Tritt-Fest

Der Ötztaler Rad­marathon ist so etwas wie die Tour de France für Amateur-Radler: 238 Kilometer, 5500 Höhenmeter, vier ­Alpenpässe – mehr brauchst du nicht. 4000 durch Auslosung bestimmte Teil­ nehmer stellen sich jedes Jahr der Herausforderung. Ein prächtiger Bildband des Tirolers Ernst Lorenzi dokumentiert das Rennen von 2004 bis heute. Der Titel bringt das Wesen der Veranstaltung auf den Punkt: „Ein neuer Traum beginnt“. Im Bild: die letzte, über 1000 Höhenmeter lange Abfahrt vom 2509 M ­ eter hohen Timmelsjoch zum Ziel nach Sölden. Wenn nichts da­zwischenkommt, wird der Rad­marathon dieses Jahr am 29. August stattfinden. Buchbestellungen unter: pantauro.com


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ERNST LORENZI


ZAHL E N, B I TT E !

50 JAHRE E-MAIL

Klammeraffengeil! Vor einem halben Jahrhundert wurde die erste E-Mail verschickt. Ihren Inhalt, wie viel Post ein Präsident versendet und was die Komikertruppe Monty Python mit der Erfindung von „Spam“ zu tun hat, verraten wir hier.

Minuten dauert ein Monty-­­PythonSketch aus dem Jahr 1970, in dem das Wort „Spam“ (Dosenfleisch) 132-mal fällt. Internet-Nutzer ­adaptierten die Bedeutung – für unverlangte Massen-E-Mails.

E-Mails verschickte US-Präsident Bill Clinton in seiner Amtszeit (1993 – 2001). Eine an John Glenn an Bord der Raumfähre „Disco­ very“ und eine Test-E-Mail.

Prozent aller E-Mails sind Spam.

2.690.160

298

E-Mails werden weltweit pro Sekunde versendet, zirka 200 Milliarden pro Tag.

Die „Simpsons“-Episode, in der Homer seine E-Mail-Adresse ­verrät: chunkylover53@aol.com. Die Sendungsmacher wollten Fans antworten, doch schon am Tag nach der Ausstrahlung war der Posteingang total überfüllt.

5,4

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250.821.495

Dollar spielte der Film „e-m@il für Dich“ mit Tom Hanks und Meg Ryan 1998 weltweit in die K ­ inokassen. Zum Zeitpunkt des Drehs hatte Ryan selbst noch keinen Computer.

7500

Mal mehr Speicherplatz bietet ein elektronisches Postfach heute (Gmail, 15 GB) im Vergleich zum ersten GratisAcount 1996 (Hotmail, 2 MB).

THE RED BULLETIN

CLAUDIA MEITERT

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Liter entsprechen einem ­„arroba“ (@). Mit dieser Einheit maß man im Mittelalter auf der iberischen Halbinsel Wein. Der Klammeraffe wird dort heute noch so genannt.

Stunden verbringen wir täglich mit E-Mails (3,3 Stunden Arbeitsund 2,1 Stunden Privatpost).

verschickte der US-Programmierer Ray Tomlinson die erste E-Mail. Der Inhalt: „QWERTYUIOP“ – die oberste Buchstabenzeile der ­US-Computertastatur.

Prozent größer ist die Wahr­ scheinlichkeit, dass eine E-Mail ­geöffnet wird, wenn sie ein Emoji im Betreff hat. Aber: Emojis senken das Ansehen des Absenders.

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54,68

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GETTY IMAGES (2), PICTUREDESK

2:03

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ist das am meisten verwendete Passwort, „Passwort“ liegt auf Rang vier.


NEU


F U ND ST Ü CK

Michael Jordan, inzwischen 58, gilt laut NBA noch immer als der beste Basketballer, obwohl er schon seit 2003 nicht mehr aktiv ist.

MICHAEL JORDAN

„Nike Air 1s“-Basketballschuhe, entwickelt für Michael Jordan, den Rising Star der Chicago Bulls, 1985 „Es muss an den Schuhen liegen“, sagte Hollywood-Regisseur Spike Lee einmal über die unfassbaren Auftritte Michael Jordans. Die Wucht, die Eleganz und die Sprungkraft, die der Mann im Dress der Chicago Bulls zeigte, trugen ihm nicht zufällig den Kampfnamen „Air Jordan“ ein. Die Sneakers verhalfen auch der anfangs nur mäßig bekannten Sportartikelfirma Nike zu einem Höhenflug. Voriges Jahr kamen die signierten Treter bei einer Auktion für 560.000 Dollar unter den Hammer.

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THE RED BULLETIN

COURTESY OF SOTHEBY’S, GETTY IMAGES

Die können fliegen


© FOTO: GRANT GUNDERSON

GIGASPORT 16 MAL IN ÖSTERREICH UND IM ONLINE SHOP Graz | Klagenfurt | Villach | Brunn am Gebirge | Innsbruck | Liezen | Fohnsdorf Leoben | Oberwart | Kapfenberg/St.Lorenzen | Spittal | Lienz | Bärnbach Fürstenfeld | Bad Ischl | Wolfsberg | www.gigasport.at


DAS PH ILOS O PHEN- IN T ERV IE W

FRIEDRICH NIETZSCHE SAGT:

„Reisen im Kopf sind Selbstbetrug“

the red bulletin: Bücher lesen, die Augen schließen und die Fantasie anschmeißen. Wäre das nicht eine elegante Weise, wie man auch in pandemischen Zeiten auf Reisen gehen könnte? friedrich nietzsche: Langsam, immer schön der Reihe nach: Bücher lesen finde ich super. Ich war immer Okay, aber das ist Ihre persönliche ein großer Leser und lasse mich gerne Erfahrung und noch keine philo­ von guten Autoren in ihre Welt sophische Theorie. ­ent­führen. Augen schließen ist definitiv auch eine feine Sache – Eben doch. Genau das ist mein „Mein Leben glich dem Punkt. Denn es gibt überhaupt das muss ich sowieso recht oft, weil ich immer wieder unter keine philosophischen Theorien, eines Nomaden: ­höllischer Migräne leide. Und die nicht irgendwie mit unserer immer auf der Suche was die Fantasie betrifft, bin ich körperlichen Befindlichkeit zu – bei aller Bescheidenheit – ein tun haben. Alles, was wir den­ nach Weideplätzen ken, wurzelt in unserem Körper. echter Champion; sonst hätte ich für mein Denken.“ Deshalb schicke ich in meinem mir wohl kaum einen so schrägen Hauptwerk „Also sprach Zara­ Weisen wie Zarathustra ausden­ ken können. Aber selbst das alles zusammengenom­ thustra“ auch ein paar markige Worte an die Adresse men: Die Idee, das Reisen ins Kopfkino zu verlegen, derer, die ich „Verächter des Leibes“ nenne. ­halte ich für ausgemachten Quatsch. Kurz gesagt: Friedrich Nietzsche ist kein großer Aber wieso? Ihr Kollege Kant hat sich ja auch Fan von Kopfreisen … ­gerühmt, seine Heimatstadt Königsberg Kein Fan? Sie sind ja ein richtiger Scherzbold. nie zu verlassen und die Welt vom Schreibtisch Nein, ich halte es sogar für eine verhängnisvolle aus zu erkunden. Krankheit des Denkens, den Geist vom Leib zu Vielleicht wollte er einfach nicht auf seine Königs­ ­trennen. Sehen Sie, der Mensch ist eine Ganzheit – berger Klopse verzichten. und Reisen ohne Körper ist daher nichts anderes als eine subtile Form des Selbstbetrugs. Das ist nicht Ihr Ernst? Der Deutsche FRIEDRICH NIETZSCHE (1844–1900) wurde Doch, ist es. Ich bin nämlich zutiefst davon überzeugt, ­be­reits in ungewöhnlich jungen Jahren Professor für alte Spradass so nebensächlich scheinende Dinge wie Klima, chen in Basel. Immer wiederkehrende Migräneschübe zwangen Küche oder Kultur für unser Befinden extrem wichtig ihn dazu, seine Lehrtätigkeit aufzugeben. Von 1879 bis 1889 sind – und zwar nicht nur für unser körperliches reiste er quer durch Europa, um Orte zu finden, an denen er es ­Befinden, sondern auch für unser Denken. So vertrete aushalten konnte. Er selbst sah sich als geistiger Wanderer. ich beispielsweise die These, dass meine deutschen CHRISTOPH QUARCH, 56, ist deutscher Philosoph, Theologe, Landsleute deshalb so mürrisch sind, weil sie in ein Unternehmens-Coach und Autor zahlreicher p ­ hilosophischer falsches Klima geraten sind und sich außerdem auch Bücher. Zuletzt erschienen: „Platon und die Folgen“, Verlag J. B. Metzler, Stuttgart. noch schlecht ernähren.

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THE RED BULLETIN

BENE ROHLMANN

Wie kommen Sie denn darauf? Aus eigener Erfahrung. Wissen Sie, in meinen späteren Jahren war ich andauernd auf Reisen. Mein Leben glich dem eines Nomaden: immer auf der Suche nach guten Weideplätzen – allerdings nicht für mein Vieh, sondern für mein Denken. Dabei zog es mich vorzugsweise ins Hochgebirge, nach Sils Maria im Schweizer Oberengadin, wo ich meine größten Werke schrieb. Oder weiter in den Süden nach Nizza, Mailand, Venedig oder Ligurien. Diese Orte inspirierten mich und gaben mir eine gewisse Leichtigkeit. Vor ­allem linderten sie meine oft unerträglichen Kopfschmerzen.

DR. CHRISTOPH QUARCH

Er war zeitlebens ein Gefangener eines von Migräne gequälten Körpers. Und hätte dennoch um nichts in der Welt auf seine Leiblichkeit verzichtet. Warum? Das erklärt der große Denker Friedrich Nietzsche in unserem fiktiven Interview mit dem deutschen Philosophen Christoph Quarch .


Auf ins Gipfelglück.

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DIE HÄRTESTE HOCHSEE-REGATTA DER WELT

In 80 Tagen um den Erdball, mutterseelenallein auf einer Rennyacht. Zwischen Stürmen, Kälte, Hitze, Schlafmangel und Einsamkeit: So überleben die Skipper die VENDÉE GLOBE, den Mount Everest der Segelregatten. Text ALEXANDER MUELLER-MACHECK

CHRISTOPHE FAVREAU

IN 10 SEKUNDEN SCHRILLT DIE ALARMGLOCKE


SCHLAFEN AUF SPEED Über 80 Tage lang maximal 20 Minuten am Stück, dann reißt dich das Bord­ system aus dem Erschöpfungsschlaf. Hier im Bild: der französische Skipper Arnaud Boissières, 48.

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DIESEN AUSBLICK GIBT ES LEIDER NUR EIN EINZIGES MAL

BERNARD LE BARS/ALEA

TOM MACKINGER

So viele Konkurrenten in Sichtweite – das ist bei der Vendée Globe nur nach dem Start der Fall. Innerhalb von Stunden zerstreut sich das Feld über die Weite des Ozeans und hinter den Horizont. Ab dann bist du für Monate ganz allein unterwegs.


Les Sables, FRA

AFRIKA

SÜDAMERIKA Gough Island

Kap der Guten Hoffnung, RSA

Kap Hoorn, CHI

ANTARKTIS

Kap Leeuwin, AUS

LI

Die Teilnehmer segeln von Frankreich nach Südafrika und umrunden dann die Welt im Südmeer nördlich der Antarktis, passieren Kap Hoorn und kehren über den Atlantik zurück nach Frankreich.

EN

VORSICHT, EISBERGE! S AU

T

RA

Route Gates bzw. Checkpoints entlang der Route der Vendée Globe. Im Bereich der Antarktis halten sie die Segler in sicherer Distanz zu Eisbergen.

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VINCENT CURUTCHET

FRAUENPOWER IN DEN GEWALTEN DES ATLANTIKS Die Britin Samantha Davies, 46, unter rauen Bedingungen vor der französischen Atlantik­küste. Bereits 6 der 33 Teilnehmer sind Frauen. Sie fahren in derselben Wertung wie die Männer. Hier zählen ausschließlich Clever­ness, Können und Durchhaltevermögen.

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HAPPY BIRTHDAY!

Ihren 31. Geburtstag feierte die Französin Clarisse Crémer mit einem Kuchen im eiskalten Südmeer.

NICHT RAUCHEN – ESSEN!

Die französisch-deutsche Skipperin Isabelle Joschke, 44, schüttet Hanfsamen in ihre Hochsee-Bowl. Das gibt Kraft.

KOMMT EIN FISCHLEIN GEFLOGEN

NA DANN, PROST UND MAHLZEIT!

WENN SOGAR DAS OLIVENÖL FRIERT

Der Italiener Giancarlo Pedotes, 45, hat Olivenöl von daheim mitgenommen. Wie man deutlich erkennen kann, leidet es genauso unter der Kälte wie der Koch.

Seemannsküche ist berüchtigt, Regatta­küche traditionell ein Albtraum. „Gut“ ist alles, was sich in einen Topf schütten lässt und im Handumdrehen fertig ist.

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THE RED BULLETIN

STEPHANE LE DIRAISON/TIME FOR OCEANS, CLARISSE CREMER/BANQUE POPULAIRE X, ISABELLE JOSCHKE/MACSF, GIANCARLO PEDOTE/PRYSMIAN GROUP, ALAN ROURA/LA FABRIQUE

Der Franzose Stéphane Le Diraison, 44, hat einen fliegenden Fisch gefangen. Nein, er hat ihn nicht gegessen.


„JETZT HABT IHR MICH ZIEMLICH NACKT GESEHEN.“ Zuerst eine üble Rückenverletzung nach einer Kollision mit Treibgut. Und dann noch Hydraulik­ öl aus einer defekten Leitung, das den ­Wohn­bereich komplett versaute: Dem Schweizer Alan Roura, 28, kamen vor der Web­kamera die Tränen. Dann belegte er doch noch Platz 16.


NEPTUNS ZORN TREIBT UNS HINTER DEN HORIZONT Haushohe Wellen, Böen über 100 km/h, Eisberge und Kormorane. Mit anderen Worten: ideale Bedingungen für Extremsegler. Im Bild: der Franzose Armel Tripon, 45, auf seiner Yacht „L’Occitane en Provence“. Die Boote gehören der Imoca-Klasse an und erreichen auf Tragflügeln sagenhafte 45 km/h Topspeed.


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PIERRE BOURAS/ L‘OCCITANE EN PROVENCE


DAS KÖNNT JETZT EIN BISSERL NASS WERDEN Spritzwasser einer Welle ergießt sich über das Cockpit des Deutschen Boris Herrmann, 39. Auch im Bild: die Außen-Filliale des Bordsystems. Hier lesen die Skipper Navigationsdaten ab. Die große „24,0“ zeigt den aktuellen Bootsspeed an: 24 Knoten, rund 43 km/h. Auf dem Wasser ist das halsbrecherisch schnell.


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BORIS HERMANN/ SEAEXPLORER-YC DE MONACO


BASTELN AUF 29 METERN

Der französisch-italienische Skipper Sébastien Destremau, 56, klettert für eine Reparatur auf den Mast.

FENSTERGUCKER

Der Schweizer Alan Roura, 28, wagt einen Blick auf die Segel. Vor dem Bug das berüchtigte Kap Hoorn, die ­umstürmte Spitze Südamerikas.


BÜRO UNTER DECK

Der Deutsche Boris Herrmann, 39, fuhr um einen Podestplatz, als er im Schlaf mit einem Fischerboot kollidierte. Dennoch ­erreichte er das Ziel und Rang 5. Respekt!

FROHE WEIHNACHTEN

SEBASTIEN DESTREMAU/MERCI, ALAN ROURA/LA FABRIQUE, ANDREAS LINDLAHR, PIP HARE/MEDALLIA, ARMEL TRIPON/L‘OCCITANE EN PROVENCE, MARINE NATIONALE/DEFENSE

Pip Hare, 46, UK, freut sich über das Geschenk, das ihr „der Weihnachtsmann“ im Eismeer in die Socke steckte.

EINMAL SCHÄLEN OHNE ­AUGEN­AUSSTECHEN, BITTE

Der Franzose Armel Tripon, 45, interpretiert den Begriff Rasur deutlich radikaler als die meisten seiner Geschlechtsgenossen.

MANN ÜBER BORD!

Das Boot des 40-jährigen Franzosen Kevin Escoffier zerbrach im Sturm in einer Welle und sank. Der Skipper rettete sich mit einem Sprung auf sein Rettungsfloß und trieb acht Stunden lang zwischen fünf Meter hohen Wellen auf dem offenen Meer. Sein Landsmann Jean Le Cam, 61, fand ihn kurz nach zwei Uhr in der Nacht und zog ihn an Bord ­seiner Renn­yacht. Für diese Rettungsaktion bekam Le Cam eine Zeitgutschrift von der Renn­leitung. Der Schiffbrüchige wurde danach von einer Fregatte der französischen Marine übernommen und auf die Insel La Réunion gebracht. Auf dem Foto sehen wir, wie Escoffier zum Beiboot der Fregatte schwimmt. THE RED BULLETIN

WENN DER STURM PAUSE MACHT . .. … bleibt Zeit für tausend Aufgaben: Körperpflege, Reparaturen, Planung, Weihnachten feiern – und sein Leben retten.   33


VINCENT CURUTCHET/ALEA


Mit der traditionellen roten Leucht­fackel in der Hand lief der Franzose Yannick Bestaven, 48, nach genau 80 Tagen, 3 Stunden, 44 Minuten und 46 Sekunden auf See als Sieger über die Ziellinie der Vendée Globe im französischen Les Sablesd’Olonne – erlöst, glücklich und im Hafen endlich wieder vereint mit seiner Familie. Das legendäre Rennen um die Welt machte ihm einmal mehr klar: „Die Vendée Globe ringt uns jeden Tag ehrliche ­Anstrengung ab. Es ist hart. Es tut weh. Jeder von uns erlebte in den vergangenen Monaten Situa­ tionen, in denen er alles hinschmeißen wollte.“ ­Deshalb sagt er allen, die es bis ins Ziel schaffen:

„IHR SEID ALLE SIEGER!“   35


Gazelle & the Bear

Songs, die die Welt umarmen Wie Sängerin Ines Kolleritsch und Drummer Julian Berann zum Pop-Geheimtipp „Gazelle & the Bear“ ­wurden. Und warum ihre Musik uns das Herz erwärmt. Interview SABRINA LUTTENBERGER  Fotos PHILIPP HORAK

Ob es Liebe auf den ersten Blick war, ist schwer zu sagen. Liebe auf das erste Lied ganz sicher. Bevor Ines Kolleritsch, 25, und Julian Berann, 28, zu Gazelle & the Bear wurden, teilten sie ihre Lieblingssongs und erkannten, was ihnen gefehlt hatte: der jeweils andere. Heute sind sie nicht nur künstlerisch, sondern auch privat verbandelt – und teilen ihre Gefühle mit der ganzen Welt. Und wer sie in ihrem Studio in Wien ­besucht, erlebt zwei Musiker, zwei Menschen, die eins sind. Auch ohne große Gesten, ohne sich immer wieder zu berühren. Was spürbar ist, ist gegenseitige Bewunderung, Respekt und eine fürsorgliche Sanftheit. All das fließt auch in ihre Musik ein. Auf „Weird Shaped Clouds“, ­ihrem ersten Album, das gerade erschienen ist, lullt uns die Band mit lauschigen Liedern ein, bis uns richtig warm ums Herz geworden ist. Es ist eine Mischung aus Jazz, Hip-Hop, R ’n’ B. Einflüsse, die beide geprägt haben. Ines, die Jazz-Singer-Songwriterin, die man vielleicht auch noch als Sängerin der Indie-Pop-Band Kaiko in Erinnerung hat. Und Julian, Schlag­zeuger unter anderem für den österreichischen Electro-Pop-Sänger James Hersey oder die südafrika­ nische Sängerin Alice Phoebe Lou. Bei Gazelle & the Bear entwickeln Ines und Julian ihren ganz eigenen Sound: Er klingt sehr intim. Und überraschend vertraut.

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the red bulletin: Wenn man euch erlebt, hat man das Gefühl, ihr würdet schon ewig miteinander Musik machen. Dabei gibt es euch als Duo erst seit 2019. Wie habt ihr euch kennengelernt? Julian Berann: Ich war auf einem Konzert von Ines und sofort fasziniert. Ihre Ausstrahlung auf der Bühne war so echt, so ungekünstelt. Ihre Musik hat mich begeistert. Es hat sich angefühlt, als würde Ines die Musik, die sie macht und spielt, emotional verstehen. Ines Kolleritsch: Mah, voll schön! Dich zum ersten Mal live zu sehen war auch ein so schöner Moment. Wenn man eine Person auf so vielen Ebenen versteht, an ihr so viel aufregend findet und man diese ­Person dann als Musiker erlebt, ist das woooow. Du bist aber auch ein Sonnenschein auf der Bühne! Wart ihr also von Anfang an ­unzertrennlich? Julian: Wir haben nach dem Konzert noch ein schönes Gespräch ­gehabt. Unsere Verbindung hat mit Musik angefangen. Wir haben uns sehr viel Musik hin- und her­ geschickt. Ich war in diesem Jahr ­wenig in Österreich, viel auf Tour. Wir haben uns also nicht so oft ­gesehen, aber der Austausch war ­immer da. Im Endeffekt haben wir uns durch Musik kennengelernt. Ines: Ich hab kurz darauf den Auftrag bekommen, Musik für ein Tanztheaterstück zu schreiben. Ich wollte

das nicht allein machen und hab ­Julian gefragt. So haben wir uns auch als Musiker kennengelernt. Und das hat von Anfang an gepasst. Aus der Auftragskomposition, also der ersten Zusammenarbeit der beiden, ist die Band Gazelle & the Bear entstanden. Vielleicht weil beide von Musik besessen sind? Mit gerade einmal 16 Jahren war Julian bereits Percussionist am Burgtheater in Wien. Vor der Corona-Pause hat er als Schlagzeuger mehr als 150 Konzerte gespielt – pro Jahr. Auch Ines wusste schon früh, dass ihr Weg auf die Bühne führen würde. Einmal, auch sie war gerade 16, hat sie einfach so ans Wiener Konzerthaus geschrieben, weil sie dort mit ihrer damaligen Band Jazzbusters spielen wollte. So unterschiedlich, wie der Name Gazelle & the Bear suggeriert, sind die beiden also gar nicht. Der Name ist sowieso purer Zufall. Julian hatte eine Zeit lang einen Künstlernamen: Curly Bear. Den holte er kurzerhand aus dem Winterschlaf. Und die Gazelle ist Ines ­irgendwie vor die Füße gefallen. „Gazelle“ stand auf den Turnschuhen, die sie an diesem Tag trug. ­Fanden beide auf Anhieb gut. Ihr harmoniert unglaublich gut. Woran liegt das? Julian: Ich glaub, wir sind uns in vielen Dingen einfach sehr ähnlich. Ines: Wir sind auch gut darin, auf­ einander einzugehen. Und du bist einer der emotional intelligentesten Menschen, die ich kenne. Es ist nämlich egal, wie viel Talent man hat – wenn die Kommunikation nicht passt, klappt das Projekt nicht. Und im Kommunizieren ist Julian top! Julian: Oh, danke! Für mich kommt noch etwas dazu: Die Grundfarben, die einen Song ausmachen,

THE RED BULLETIN


„Ich war auf einem Konzert von Ines und ­sofort fasziniert.“ Drummer Julian Berann über seine erste Begegnung mit Sängerin Ines Kolleritsch

THE RED BULLETIN

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Gazelle & the Bear

„Unsere Songs sind stressfrei. Luftig. Das Glück darf kommen.“ Ines Kolleritsch über die Lieder von Gazelle & the Bear

„Mama“, die erste Single, haben die beiden unterm Sonnenschirm geschrieben. Auch das verleiht dem Album Leichtigkeit, selbst bei gedankenschweren Texten. Den ersten Lockdown im März 2020 haben Ines und Julian im Sommerhaus von Julians Mama in Ybbs an der Donau verbracht, ebenfalls eine stressfreie Zone. Dort waren sie wochenlang ­allein zu zweit. So hatten sie zwar als Musikerin und Musiker keine Auftritte, aber immer noch sich selbst.

Gazelle & the Bear

Jazz-Sängerin Ines K ­ olleritsch, 25, und Schlagzeuger Julian Berann, 28 Vor zwei Jahren haben sie ihre Band g ­ egründet, davor war Ines als Solo­künstlerin unterwegs und Julian Tourschlagzeuger für internationale Acts. Im Jänner 2021 ist ihr erstes Album „Weird Shaped Clouds“, e­ rschienen, das sie zu zweit geschrieben, aufgenommen und produziert haben.

da sind wir uns immer einig. Ich hab schon viele schöne Kooperationen in meiner Karriere gehabt, aber bei Ines ist es halt echt … Ines: Da treffen sich die musikalischen Geschmäcker noch einmal mehr als bei anderen Projekten. Wie würdet ihr die Songs auf ­eurem Album beschreiben? ines: Als ein warmes Gefühl. julian: Man soll sich von ihnen umarmt fühlen. 38

ines: Was auf dem Album zu hören ist, ist – und den Begriff verwende ich bewusst – eine Klangwolke. Sehr samtig. Mit ganz vielen schönen, ­melancholischen Noten. Es greift alltägliche Themen auf: Selbstliebe, die Beziehung mit sich selbst und zu anderen. Immer auf zwanglose Weise. Das Glück darf kommen! julian: Es sind Stimmungen dabei, nach denen man sich 2020 gesehnt hat. Etwas, was man sich gewünscht hat: die Welt zu umarmen. ines: Das ist auch so ein Ding an ­unserem Album: Es wirkt stressfrei. Luftig. Musikalisch und textlich ­bekommt alles Platz. Es drängt nicht. Die entspannte Stimmung kommt nicht von ungefähr. Einige der Songs auf „Weird Shaped Clouds“ sind im Urlaub auf Korsika entstanden.

Wie geht ihr damit um, in einem Moment darüber zu reden, wer den Geschirrspüler ausräumt, und im nächsten an einem neuen Song zu arbeiten? ines: Für mich ist das manchmal schwierig – das Umschalten von ­Mitbewohner zu Arbeitskollege. julian: Ich seh da keinen Bruch. Wir machen zu Hause was gemeinsam und teilen uns die Arbeit im Studio. Das finde ich an Gazelle & the Bear interessant, zum Beispiel einen cheesy love song zu schreiben, weil man dieses Gefühl teilt. Welche Wünsche teilt ihr für 2021? Julian: Dass wir weiter gemeinsam Musik machen. Und dass unsere ­Musik Menschen berührt und ihnen gibt, was sie gerade brauchen. Ines: Hoffentlich ein Konzert mit Publikum spielen zu können. Weißt, nur ein einziges Konzert, dann wär ich schon happy. Instagram: @gazelleandthebearmusic THE RED BULLETIN


100% FLÜÜÜGEL. 0% ZUCKER.


Oliver Masucci

„Jeder kann sich seine Realität schnitzen“ Schauspieler Oliver Masucci, 52, liebt die Extreme. Hier spricht er über den Reiz des Grenzbereichs, wie ihn Ziele inspirieren und warum Grinsen gegen Angst hilft. Text RÜDIGER STURM  Foto MARINA WEIGL

Von Rainer Werner Fassbinder bis Adolf Hitler: Oliver Masucci brilliert in exponierten Rollen. Auf Netflix ist er seit Februar in der ScienceFiction-Serie „Tribes of Europa“ zu ­sehen. Auch während des Videocalls er­leben wir ihn in einer besonderen Situation: Für einen Dreh logiert er in einem Hotel in England – wegen des Lockdowns als einziger Gast. the red bulletin: Sie tragen eine Manschette an der Hand … oliver masucci: Weil ich mir beim Downhill-Mountainbiken das Kahnbein gebrochen habe. Das wird noch eine komplizierte Operation erfordern, für die habe ich momentan aber keine Zeit, weil ich gerade einen großen Film drehe. Suchen Sie das Extreme? In „Tribes of Europa“ geht es ums Überleben nach einer Katastrophe. Ich finde es schwach, wenn jemand von einem Abgrund erzählen will, ihn aber nicht erlebt hat. Es gab Zeiten, da habe ich Extreme ausgelotet. Ich habe Nächte durchgesoffen, in alle Richtungen gelebt, auf vier Bühnen gleichzeitig gespielt. Aber als meine Kinder kamen, habe ich mich gebremst, weil ich ihnen Halt geben wollte.

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Welche Grenzsituationen haben Sie beruflich schon überstanden? Für die Theaterinszenierung „Schlachten!“ stand ich zwölf Stunden auf der Bühne – im wahrsten Sinne des Wortes. Vor dem Dreh des Films „Er ist wieder da“ hatte ich massive Angst, denn ich musste da in der Öffentlichkeit als Adolf Hitler auftreten. In einer Situation wurde ich zwei Psychologinnen als Schizophrener vorgestellt, der sich für den Führer hält. Die haben mich fünf Stunden lang therapiert. Wie haben Sie die Angst besiegt? Ich habe gelernt: Du musst einfach nur machen. Wenn du vor etwas Angst hast, dann musst du da hin­ eingehen. Ich habe gelernt, in ex­ tre­men Situationen nicht mehr zu ­denken und einfach loszulassen. Ein Beispiel, bitte. In einer Shakespeare-Inszenierung am Wiener Burgtheater musste ich einen Mono­log dreimal hintereinander vortragen – jeweils unterschiedlich interpretiert. Aber einmal ist mein Bühnenpartner nicht erschienen. Ich stand zehn Minuten alleine da – vor 1400 Zuschauern. Da war die Frage: Soll ich mich schämen und abgehen, weil ich keinen Text mehr habe? Aber ich habe einfach weitergemacht auf Fantasie-Italienisch, die Sprache aufgelöst und nur

noch „Bitzebatzebutze“ gesagt. Der ganze Saal hat vor Lachen getobt. Gibt es einen Trick, um solche ­Situationen zu meistern? Es kommt auf die Haltung an. In einer anderen Inszenierung musste ich „O sole mio“ singen. Meine Musik­lehrerin an der Schule hatte mir eingeredet, dass ich unmusikalisch sei, also war ich bei der Premiere wahnsinnig aufgeregt. In der ersten Reihe hörte ich eine Frau sagen: „O mein Gott, singt der schlecht!“ Alle guckten betreten. Kein Applaus. Jetzt hatte ich aber tags darauf die nächste Vorstellung. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Und? Ich habe mit vollem Selbstbewusstsein schlecht gesungen und ins Publikum gegrinst. So dachten alle, ich würde absichtlich so singen. Mein Gesang war so beschissen wie vorher, aber es gab einen Riesen­ applaus. Du musst also aus deinen Defiziten etwas machen, du musst sie in etwas anderes verwandeln. Das braucht Selbstbewusstsein. Das habe ich auch erst lernen müssen. In der Schule war ich als Gastarbeiterkind Außenseiter, aber ich wollte wahrgenommen werden. Das habe ich in der Schauspielerei gefunden. Jeder sollte sich fragen: Wo sehe ich mich in Zukunft? Man darf nie auf das hören, was andere über einen sagen, sondern sollte sich selbst so erfinden, wie man sich gerne haben möchte. Die Kunst besteht darin, nüchtern zu tun, was man betrunken gedacht hat, sagte Churchill – in einem Zustand also, in dem man keine Angst vor Konsequenzen in der sogenannten Realität hat. Jeder kann sich seine Realität schnitzen. Und dafür ist es hilfreich, zu kommunizieren. Geht auf die Leute zu, versteckt euch nicht! Die Sci-Fi-Serie „Tribes of Europa“ mit Masucci läuft jetzt auf: netflix.com

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„Wenn du vor etwas Angst hast, musst du da hineingehen.“ Masucci verlässt sich in schwierigen Situationen aufs Handeln.

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Christian Klien

„In der Formel 1 wirst du alle 14 Tage vor der Welt geprüft.“ Letzteres natürlich. Viele Entwicklungen, die heute in jedem ganz normalen Auto stecken, haben in der Formel 1 ihren Anfang genommen – etwa die Traktionskontrolle. (Sie sorgt dafür, dass Räder beim Anfahren nicht durchdrehen, Anm.) Du bist gegen die ganz Großen ­gefahren, an wen erinnerst du dich besonders gerne? Wenn du in die Formel 1 kommst, ist es anfangs extrem komisch, wenn du vor deinen Idolen stehst, die du gerade noch angehimmelt hast. ­Besonders gerne erinnere ich mich an Michael Schumacher – ein wahnsinnig netter, hilfsbereiter Mensch.

„Als Fahrer war ich nervöser“ ServusTV-Experte Christian Klien, 38, über Druck, Idole und worauf er bei Fahrschülern besonders achtet. Interview WOLFGANG WIESER

the red bulletin: Du feierst nach zehn Jahren dein Comeback in der Formel 1, und zwar als Experte von ServusTV. Nervös? christian klien: Als Fahrer war ich nervöser. Das Spiel kenne ich, TV ist für mich auch kein Neuland. Worauf freust du dich? Nah an der Formel 1 dran zu sein. Das ist eine extrem schnelllebige Sportart, deshalb ist kontinuier­ licher Kontakt extrem wichtig. 42

Was sieht ein Experte, was wir ­Zuschauer nicht sehen? Er erkennt die Zusammenhänge schneller, weil er – so wie ich – im Rennsport aufgewachsen ist. Die größte Faszination? Der unglaubliche Adrenalin-Rush, den du als Fahrer hast, wenn du ein Formel-1-Auto am Limit bewegst. Ist die Formel 1 retro oder ­zukunftsweisend?

Deine Erwartungen an die Saison? Dass die Teams enger zusammen­ rücken, dass es darum besonders spannend wird. Mercedes sehe ich in der Favoritenrolle, gefolgt von Red Bull und Ferrari. Wenn du nicht moderierst, was machst du dann? Ich bin als Rennfahrer bei der GT World Challenge aktiv und ­coache Fahrer. Okay, erste Stunde, ich will etwas von dir lernen. Da muss ich erst beurteilen, wie gut dein rechtes Bein ist und wie groß deine Eier sind. ServusTV hat sich bis 2023 die Formel-1TV-Rechte für Österreich gesichert. Übertragen wird abwechselnd mit dem Partner ORF. Der Saisonstart in Bahrain läuft am 28. März exklusiv bei ServusTV. Das Heimrennen am Red Bull Ring in Spielberg zeigen beide Sender. THE RED BULLETIN

STEFAN VOITL

Der ehemalige Formel-1Pilot Christian Klien analysiert bei ServusTV die Rennen der Königsklasse.

Was hat dich die Formel 1 gelehrt? Mich schnell anzupassen, Ellbogen auszufahren, für meinen Traum zu kämpfen, mit Druck umzugehen und in schwierigen Situationen den Kopf nicht hängen zu lassen. De facto wirst du alle 14 Tage vor den Augen der Welt geprüft.


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Marcel Hirscher, 32, und sein neues Motto für das gute Leben nach seiner Jahrhundert-Skikarriere:

„ Das Beste kommt noch!“ Der erfolgreichste Skirennläufer

aller Zeiten liebt sein Leben, baut seinem Sohn einen acht Meter hohen Schneemann und sammelt täglich „Yesss-Momente“ in der Natur. Er ist unter die Designer gegangen, führt das Leben eines Freiberuflers und hegt eine große Hoffnung für die Welt. Interview MICHAEL HOLZER

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IM SONNENLICHT

Marcel Hirscher – der Blick fokussiert, so wie wir ihn kennen. Und trotzdem lebt er jetzt eine neue Leichtigkeit.

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T

he red bulletin: 7 Stunden, 17 Minuten, 50 Sekunden, 40 Hundertstel: Was sagt dir diese Zeit? marcel hirscher: (Denkt länger nach.) Ähm … sagt mir schon was, aber was …? Alle Laufzeiten deiner 245 Rennen addiert. Die Nettozeit, um der beste Skirennläufer der Welt zu werden. Ach so, ja genau, das war’s! Manche Statistiken und Auswertungen habe ich schon vergessen, aber die 7 Stunden, ohne Kommastellen, die habe ich mir gemerkt. Diese 7 Stunden und dass zwi­ schen Debüt und Rücktritt 4554 Tage liegen. Wenn man diese beiden Zahlen gegenüberstellt, das ist schon schräg … Inwiefern schräg? Na ja, weil das tatsächliche Erleben über­ haupt nicht mit den Zeitangaben zusam­ menstimmt – 7 Stunden, nicht einmal ein voller Arbeitstag, aus einem ganzen Lebensabschnitt, der ja so intensiv war wie sieben Leben. Sieben Stunden, sieben Leben: Das wäre doch ein perfekter Titel, wenn dein Leben verfilmt wird. Du meinst: Wenn meine Karriere ver­ filmt wird? Ich selbst nehme das mit etwas Abstand mittlerweile anders wahr: Meine Karriere ist natürlich ein wesent­ licher Teil meines Lebens, aber sie ist halt nicht der ganze Film. Weil ja jeder Tag eine neue Szene ist und laufend wieder neues, richtig geiles Material dazukommt! Die Gleichung „Leben = Karriere“, die stimmt für mich nicht. Oder: Sie stimmt für mich nicht mehr. Solange ich gefah­ ren bin, war der Tunnelblick auf den ­Skirennsport teilweise notwendig, um den Fokus zu halten. Die Gleichung scheint der landläufigen Vorstellung zu entsprechen, dass nach so einer großen Karriere nichts Besseres mehr nachkommen kann … Die Vorstellung gibt’s leider wirklich. Mir hat vor Jahren einmal ein mehrfacher Weltmeister aus einer anderen Sportart, ein Deutscher, gesagt: „Junge, du musst jeden Moment deiner Karriere auskosten! 46

Diese Zeit geht viel zu schnell vorbei, und sie kommt nie mehr zurück.“ Das hat so sentimental geklungen, dass ich mir damals gedacht habe: „Na hawedere, wenn von Goldmedaillen so viel Wehmut übrigbleibt, dann ist vielleicht fast besser, man g’winnt erst gar keine.“ Kannst du das heute nachempfinden? Seit 16 Monaten weißt du, wie es sich anfühlt, eine große Karriere ­hinter sich zu haben … Nein, dieses Gefühl von „Shit, die beste Zeit meines Lebens ist vorbei!“ kenne ich überhaupt nicht. Mir geht’s genau um­ gekehrt: Das Beste kommt noch! Das ist mein Motto, und so lebe ich jetzt auch. Das Beste kommt noch! Ist das die Antwort auf die klassische Sport­ reporter-Frage, die in keinem Interview fehlen darf: Wie geht es dir in der Skipension? Hahaha, nein, die Antwort darauf ist: Alter, ich bin gerade erst 32 geworden, ich bin nicht in Pension – und in Ski­ pension schon gar nicht. Ich fang jetzt grad erst so richtig an! Darauf kommen wir später noch zurück. Du hast dich seit deinem Rücktritt so gut wie gar nicht öffentlich geäußert – an mangelndem Interesse liegt das ja mit Sicherheit nicht. Woran liegt es denn? An mir. Erstens bin ich eh zehn Winter lang am Wochenende durch alle Wohn­ zimmer gewedelt. Zweitens war diese ­Lebensumstellung natürlich ein wich­ tiger Prozess für mich persönlich. Und

„Der Rücktritt war, als hätte ich den Knopf ,Auf Werkseinstellung zurücksetzen‘ gedrückt.“

drittens: Wenn eine so intensive Phase zu Ende geht, dann ist wichtig, sie wirklich abzuschließen, damit sich Neues ent­ wickeln kann. Das geht viel besser, wenn man nicht dauernd darüber redet, wie nervös man vor dem zweiten Durchgang des WM-Slaloms 2013 in Schladming war. So kommst nämlich gedanklich nie aus diesem Starthäusl auf der Planai raus – und das ist ja nicht Sinn und Zweck. Wenn du diesen Prozess des Los­ lassens jetzt noch einmal im Superzeitraffer ablaufen lässt, was waren denn für dich dabei die entscheidenden Phasen? Der Rücktritt selbst war, als hätte ich in meinem Leben den Knopf „Auf Werks­ einstellung zurücksetzen“ gedrückt. Ich kannte bis dahin ja nichts anderes als ein fremdbestimmtes Athletenleben nach Excel-Listen. Der Brustpanzer war dann mal weg, und das hat sich angefühlt wie der erste Urlaubstag, nachdem man ewig durchgehackelt hat. Meine Herausforde­ rung war überhaupt nicht, dass ich nicht gewusst hätte, was ich mit meiner Zeit sinnvoll anfangen soll. Sondern: Was will ich als Erstes tun? Denn auf einmal und zum ersten Mal hatte ich unendlich viele Möglichkeiten, mein Leben und meinen Alltag zu gestalten. Aus dieser neuen Freiheit schöpfe ich extrem viel Energie. Hast du am Übergang zwischen dieser irren Ära als Ski-Superstar und dem neuen Leben als Privatmann auf Anhieb deine Ideallinie gefunden? Nein, natürlich nicht. Waren schon ein paar g’scheite Einfädler auch dabei. Egal ob beim Skifahren, Motorradfahren oder von einem Lebensabschnitt zum anderen – es ist keine Schande, wenn man bei ei­ nem schwierigen Übergang die Ideallinie nicht gleich trifft: umfallen, aufstehen, besser machen. Und Regel Nr. 1 berück­ sichtigen … Wie lautet Regel Nr. 1? Immer g’scheit besichtigen! (Lacht.) Entscheidend für mich war wirklich, mei­ ne Karriere gedanklich zu verarbeiten, zu verbuchen, zu reflektieren, die Eindrü­ cke und Erfahrungen einzuordnen. Dafür war nie Zeit. Selbständige kennen das: Es ist ja nicht so, dass man rund um die Uhr am eigenen Projekt arbeitet, aber die Birne rattert dauernd für dieses Projekt, das einem so wichtig ist. Bei mir war es THE RED BULLETIN


genauso: Ich war überhaupt nie nicht der Skirennläufer – nicht einmal im Sommer, in der Badehose am Strand. Man denkt ja: Der permanente Kick, das Adrenalin, all das, was so ein Athletenleben eben ausmacht, das muss dir doch jetzt ziemlich abgehen, nicht? Nein, wieso?! Ich habe davon jetzt mehr als früher! Ich habe viel darüber nachgedacht, was Spitzensport für mich im Kern ausmacht. Und bin draufgekommen: Heruntergebrochen sind Erfolge im Sport bestandene Bewährungsproben. Für diese „Yesss-Momente“ nimmst du vieles auf dich. Und, klar: Da war viel dabei im Skirennsport, jedes Mal mit Bestzeit ins Ziel kommen, jede Kugel, jede Medaille und Millionen winziger Meilensteine dazwischen. Der Unterschied ist: Jetzt hole ich mir meine „Yesss-Momente“ so oft und wo immer ich will. Wenn ich jetzt auf meinem Handy scrolle, ist die Galerie voller Erlebnisse und lachender Gesichter. Keine Woche verläuft so wie die andere. Und meistens sind es die Dinge, die ich für den Skisport ganz bewusst hintangestellt habe. Es gibt keine Leere nach der Karriere – es gibt eine Vielfalt und Fülle, die mich erfüllt, nach der ich mich gesehnt habe, die ich mir vor 16 Monaten aber noch gar nicht vorstellen konnte. Klingt nach der Geschichte vom Meister, der wieder Schüler wurde … Genau das! Zum Beispiel: Ich kann natürlich Ski fahren, ja. Aber wenn ich Freeriden gehe, bin ich in gewisser Weise trotzdem wieder Anfänger. Weil es dabei so vieles gibt, was ich noch nicht kann und noch nicht weiß. Und jedes Mal lerne ich was dazu. Von der richtigen Vorbereitung über die Einschätzung von Gefahren und Sicherheit bis zur Kurve, die ich fahren muss, damit man auf einem Video nicht nur eine riesige Schneewolke, sondern mich auch noch sieht. Oder noch ärger beim E ­ ndurofahren: Ein Grundbesitzer lässt den Hiasi Walkner und mich da auf einer wilden Leitn fahren, wo wir weder Menschen noch Wild stören. Zu Fuß kommst dort, ohne dich mit den Händen anzuhalten, überhaupt nicht rauf. Die Challenge ist, mit dem Motorradl raufzufahren. Ich fahr Motorrad, seit ich ein kleiner Bub war. Und trotzdem ist das ein völlig THE RED BULLETIN

„Es gibt keine Leere nach der Karriere – es gibt eine Vielfalt und eine Fülle, die mich erfüllt. Nach der ich mich gesehnt habe.“ neues T ­ errain für mich: Wenn ein paar Millimeter entscheiden, ob du diese zwei, drei Stundenkilometer Schwung z’sammbringst, um wirklich raufzukommen, oder ob dein Motorradl alle paar Meter wieder im Dreck liegt. Mehr Kick und Adrenalin geht fast nicht. Ich trink drei Liter bei so einer Session, die mir beim Helm wieder rausrinnen. Danach bin ich physisch und psychisch komplett am Limit, aber glücklich. Ich brauche keine Weltreisen oder sonst irgendwas, ich sammle diese „Yesss-Momente“. Das ist schon das gute Leben, von dem ich immer geträumt habe: Jetzt kann ich es mir endlich verwirklichen – und das Beste kommt noch. Einer deiner besten Freunde sagt: „Der Marcel ist ein neuer Mensch, weil er wieder ganz der Alte ist.“ Kannst du damit etwas anfangen? Absolut! Ein wichtiger Teil meiner persönlichen Entwicklung nach dem Rücktritt war, wieder mehr der zu werden, der ich vor und am Beginn meiner Karriere gewesen bin. Eigenschaften wieder viel mehr zum Vorschein zu bringen, die in den Hintergrund getreten sind, teilweise treten mussten, die mich aber ausmachen.

Was von dem, was dich ausmacht, musste denn in den Hintergrund treten? Hm, warte, ich such nach einem passenden Vergleich für den Skirennsport … Es muss etwas Rundes sein, wo drinnen Leute sind und rundherum auch … Was meinst du? Ein Zirkuszelt oder so? Eine Schneekugel? Eine Gondel? Nein, nein, eher so etwas wie ein Bühne, die sich dreht …Wart, ich hab’s gleich … Ein Ringelspiel? Ja! Ringelspiel ist super. So ein großes. Das ist der Skirennsport, und dort drinnen sind Verbände, Veranstalter, Werbe­ partner, Ausstatter, Medien, Athleten. Rundherum sind ein paar Millionen Menschen, die schauen dem Ringelspiel zu, weil es halt immer schon eine besondere Attraktion bei uns war. Okay? Okay … Ich bin als junger Typ von der Alm in Annaberg in dieses Ringelspiel eingestiegen und dann acht Jahre immer in der Mitte gestanden. Ich habe getan, was ich auf unserer Alm und in der H ­ otelfachschule gelernt habe – winken, lächeln und liefern. Ich wollt unbedingt alle g’scheit bedienen, gefühlt das ganze Land, den ganzen Sport. Ich habe dafür unglaublich viel bekommen, mehr, als ich jemals zu träumen gewagt hätte. Und trotzdem, so ehrlich und realistisch muss ich sein: In der Mitte dieses Ringelspiels ist auch ein bissl was von meiner Persönlichkeit liegen geblieben – Lockerheit, Leichtigkeit, Spontaneität, auch Offenheit. Und diese Persönlichkeitsanteile sammelst du jetzt alle wieder ein? Hast du schon wieder alle Tassen im Schrank? Das müssen andere beurteilen. Inzwischen fühle ich mich wieder viel mehr wie dieser junge Typ von der Alm: ein bissl älter, reifer, gelassener und sicher auch offener. Ich weiß zu schätzen, wie viel Glück ich im Leben habe – und ich weiß auch, dass das Allermeiste nicht mein Verdienst ist. Weil du dir die wesentlichen Dinge im Leben nicht verdienen kannst: super Frau, tolle Family, coole Freunde, geile Hobbys, keine Sorgen und, was dazukommt, mir tut nicht mal etwas weh – trotz fünfzehn Jahren Profisport.   47


„Super Frau, tolle Family, coole Freunde. Und mir tut nicht mal etwas weh – trotz fünfzehn Jahren Profisport.“ Spontan gefragt und weil du es vorhin erwähnt hast: Wann warst du zuletzt so richtig spontan? Ha! Unser Kleiner ist jetzt gerade ein ­Riesenfan von Schneemännern – je größer, desto besser. Vor zwei Wochen fällt mir am Abend ein: Heast, jetzt baue ich ihm einen richtigen Riesen in den Garten! Ich hab einen Freund aktiviert, dann sind wir zwei selbst wie kleine Buben mit Ausziehleitern und Schaufeln dort draußen rumgeturnt, bis um halb zwei in der Früh, mit der Stirnlampe auf. Aber so an die acht Meter wird er schon haben, der Mega-Schneemann! Fährt euer Sohn eigentlich schon Ski? Er ist jetzt fast schon im selben Alter wie du auf deinen ersten Videos … Ein bissl rumbretteln hinterm Haus tut er, aber es interessiert ihn nicht sonderlich. Er meldet sich schon, wenn’s so weit ist. Wenn nicht: auch gut. Du wirst für den Rest deines Lebens ein Nationalheld und eine Berühmtheit sein: Überwiegt da Stolz oder Sorge? Na ja, fürs Berühmtsein kann ich ja in dem Sinne nichts. Ich bin schon stolz, dass ich im Sport was z’sammbracht hab und dass das die Wertigkeit hat. Aber Sorge? Nein, die habe ich im 48

­Ringelspiel gelassen, als ich ausgestiegen bin. (Lacht.) Falco hat einst gesagt: Einmal Nummer 1 in den USA reicht für drei Generationen. Für wie viele Generationen reicht’s, wenn man acht Jahre ununterbrochen die Nummer 1 der internationalen Ski-Charts war? Das kommt auf die Inflation an. Ernsthaft: Über so etwas denke ich nicht nach. Es geht uns gut, sehr gut. Keine Geld­ sorgen haben zu müssen ist schon Luxus. Alles, was darüber hinausgeht, macht fürs gute Lebensgefühl nicht mehr so viel Unterschied, jedenfalls nicht bei uns. In Zeiten einer Pandemie und angesichts von viel allgemeiner Unsicherheit hat der wohlverdiente Wohlstand sicher noch einmal eine ganz andere Wertigkeit, oder? Ja. Mir ist bewusst, wie privilegiert ich bin, eigentlich darf ich da überhaupt nicht mitreden! Ich wohne nicht mit zwei Kindern im Homeschooling auf 50 Quadratmetern mitten in einer Stadt. Ich bin nicht auf Kurzarbeit, ich habe ­keine Jobsorgen. Diese Menschen muss man fragen, was die Corona-Krise ist, nicht mich. Ich hab Platz, ich kann raus, bei mir sind alle gesund. Das ist alles nicht selbstverständlich – dessen bin ich mir sehr bewusst. Du sagst ja, du bist nicht in Pension. Wie schaut denn dein Job-Alltag aus? Die Partnerschaften mit Red Bull, Audi, Raiffeisen und Atomic haben eine neue Qualität, seit es nicht mehr um Spitzensport, sondern um konkrete Projekte und gemeinsame Visionen geht. Ich arbeite gerne in kreativen Prozessen und Teams mit und habe wieder extrem viel Spaß daran, Content für Social Media zu produzieren. Wir sind da eine kleine Partie von Freunden, wir teilen dieselbe Be­ geisterung – mir geben die kleinen Abenteuer vor der Haustür am meisten. Man darf sich dein FreiberuflerLeben also nicht so vorstellen, dass du dich nach dem Frühstück ins Homeoffice setzt und deinen Tag in einem Endlosloop aus Videokonferenzen verbringst? Teilweise schon, wobei mir einfach richtige Treffen lieber sind. Prinzipiell THE RED BULLETIN


MARCEL IM WINTER

In seinem Element: durch den Schnee bretternd am Annaberg, mit Zeichenstift als FashionTüftler, als Freerider in Gastein und in einem Moment der Ruhe (im Uhrzeigersinn)

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schau ich, dass ich am Vormittag raus und auf den Berg komm. Jetzt im Mo­ ment mache ich meistens Skitouren, vor­ ausgesetzt, das Wetter passt halbwegs. Der ehemalige Ski-Rennfahrer ist jetzt Ski-Bergsteiger: Hat sich da bei dir an der Herangehensweise etwas geändert? Die Begeisterung für die weiße Materie ist gleich geblieben, nur der Zugang ist viel entspannter. Ich bin ein alpinis­ tischer Rookie, gehe nicht allein raus, sondern immer mit einem Profi, der sich mit Wetter und Lawinengefahr auskennt. Raufgehen tu ich gemütlich: kein Puls­ messen, keine Stoppuhr, kein Stress. Runterfahren tu ich meist sportlicher. Ich gehe rauf, um runterzufahren – und nicht um raufzugehen. Natürlich tüftle ich auch am Material rum. Drei, vier Stunden Tour reichen mir, ich mach keinen Spitzensport draus. Zum Mittag­ essen bin ich wieder daheim. Dann geh ich mit dem Kleinen und dem Hund raus, g’schaftle im Haus herum, oder ich setz mich an den Schreibtisch und arbeite an meinen Projekten – die Work-LifeBalance passt, nichts Besonderes … Nichts Besonderes? Du ziehst gerade ein internationales Startup für ein Outdoor-Label hoch: „The<Mountain>Studio“. Wie läuft das? Genau meins! Diese Art, Expertise wei­ terzugeben, taugt mir extrem. Bei Atomic fließt mein Know-how in die Skientwick­ lung ein, bei „The<Mountain>Studio“ in die Bekleidung. Lustig ist: Zu meiner aktiven Zeit habe ich die Leute mit meinem Tüftler-Wahn und meinem Perfektionismus oft zur Verzweiflung gebracht – und jetzt ist genau das mein Job! Ich weiß nicht, wie oft wir die Pro­ totypen der Kollektion schon verändert haben, jede Naht, jeden Reißverschluss, jede Funktionslage. Das war gar nicht so intensiv geplant, aber ich bin so rein­ gekippt, dass es jetzt mein Hauptjob geworden ist. Ich bin bei jedem Wetter draußen, je mehr Sauwetter, desto bes­ ser. Ich teste, gebe Feedback, teste das Neue, gebe wieder Feedback. Dein Partner ist der Schwede Stefan Engström, der ja schon Marken wie Peak Performance und J. Lindeberg zu Welterfolgen gemacht hat … 50

„Ein Mensch, ein Kasten. Dort hängt nur mehr das, was ich auch wirklich anziehe.“ Ja, Stefan kennt das Geschäft. Ich kenne ihn seit zwölf Jahren und wollte bei die­ sem Projekt unbedingt dabei sein, weil mich die Philosophie dahinter fasziniert. Was ist die Philosophie dahinter? Neues Label, fesche Outdoor-Kollektion und ein klingender Name aus dem Sport, der das alles total super findet? Genau das nicht! Schau: Wenn ich früher gesagt habe „meine Winter­ jacke“, dann war das die eine für alles, von Schule bis Skirennen. Ein Mensch, eine Jacke. Hat sie nimmer gepasst, hat sie mein Bruder gekriegt. An diese Idee von Einfachheit schließen wir mit „The<Mountain>Studio“ an: kompakte Kollektion, reduziert aufs Wesentliche, ohne Kompromiss bei der Qualität, in zeitlosem Design. Für Leute wie mich, mit 70, 80 Outdoor-Tagen am Berg, die EINE funktionelle Jacke haben wollen für alle Verhältnisse und jede Gelegen­ heit. Das ist die Philosophie dahinter. Coole Herangehensweise und sehr im Zeitgeist. Und was ist dabei dein Part: die Kompromisslosigkeit beim Material einzubringen? So kann man es sagen. Nicht weil ich viele Weltcupkugeln gewonnen habe, sondern weil ich sie auch über meine Kompromisslosigkeit beim Material gewonnen habe, bin ich in diesem Pro­ jekt. Die Realität der Branche schaut ja teilweise so aus, dass Outfits schon eigens so produziert werden, dass ihre Funktionalität bei Wärme- und Feuchtigkeits­regulierung nicht länger als maximal für zwei Saisonen hält. Es heißt Skimode, weil sie ständig wech­ selt, und sie wechselt ständig, weil eine Industrie dranhängt. Das hat mich schon

als Renn­läufer gestört: ein Haufen Zeug jedes Jahr, dass der Kofferraum kaum zugegangen ist. Aber wer, frag ich dich, braucht für jeden Sch… eine eigene Jacke? Kann jeder bei sich selbst nach­ prüfen: Mehr als eine Lieblingsjacke hat man nicht. Kästen voller Fetzen, da hat man zu den Sachen weder einen Bezug noch Verwendung dafür. Deshalb gehen wir mit „The<Mountain>Studio“ genau den entgegengesetzten Weg: Kauf dir einmal was G’scheites – und du hast es ewig! Wenn du etwas Neues haben willst, bitte bring deine gebrauchte Gar­ nitur zurück. Wir bereiten sie neu auf – und jemand anderer freut sich, wenn er sie günstiger kriegt. Echt, ihr macht ein Recycling-System für eure Outdoor-Kollektion? Ja. Materialien, Verarbeitung, Design: Wir machen weniger, das dafür hochwer­ tig und auf Langlebigkeit ausgerichtet. Ein massiver Holztisch macht auch viel mehr Freude als ein paar zusammen­ geleimte Pressspanplatten. Deine originalen ÖSV-Outfits könntest du wahrscheinlich noch teuer ver­ kaufen. Begehrte Fan-Ware! Was ist noch da aus dem Weltcup-Nachlass? Ehrlich? Kein einziges Stück, nichts mehr! Nach meiner Karriere war noch ein ganzes Zimmer voll, obwohl ich nach den Saisonen eh immer so viel ver­ schenkt habe. Dann hat’s mir gereicht – Flohmarkt for free für Freunde, der Rest in Säcke für gute Zwecke. Ein Mensch, ein Kasten. Dort hängt nur mehr das, was ich auch wirklich anziehe. Das war auch wichtig, um mit dieser Karriere ­abzuschließen. Das klingt alles so, als wäre dir Nachhaltigkeit – mir fällt jetzt kein anderes Wort ein auf die Schnelle – sehr wichtig? Augenmaß? Hausverstand? Vernunft? Der Begriff Nachhaltigkeit ist über­ strapaziert, und als Umweltapostel bin ich der Falsche, ich bin ja selbst mit 500 Kilo Material nach Amerika geflogen. Ich habe mir nie sonderlich viel dabei gedacht. Das hat sich verändert. Ich geh mit einem Stoffsackl einkaufen. Und ich lese das Kleingedruckte auf den Produk­ ten. Weil eines ist klar: Wir müssen alle ein neues Bewusstsein für den Umgang mit unseren Ressourcen entwickeln. THE RED BULLETIN


KISKA.COM Foto: R. Schedl

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ERFAHRE MEHR AUF KTM.COM Gezeigte Fahrszenen bitte nicht nachahmen, Schutzkleidung tragen und die anwendbaren Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung beachten! Die abgebildeten Fahrzeuge können in einzelnen Details vom Serienmodell abweichen und zeigen teilweise Sonderausstattung gegen Mehrpreis.


„Ich versuche, mich an ein einfaches Prinzip zu halten: das Gute mitnehmen und das Schlechte besser machen.“ MARCEL IM SOMMER

Corona, Umwelt, Klima, Energie, Armut … Alle diese Begriffe gibt es auch als zusammengesetztes Wort mit -krise. Wie geht es dir damit als Vater eines heute zweieinhalbjährigen Buben? Mich macht der Zustand der Welt schon sehr nachdenklich, und da bin ich nicht der Einzige. Die Corona-Krise zeigt uns gerade, dass wir nicht die Unverwüstbaren sind, für die wir uns teilweise halten, sondern sehr verwundbar. Ein Virus, schon steht gefühlt die ganze Welt! Vielleicht, das ist meine große Hoffnung, bringt dieser Impact auch ein Umdenken für andere ungelöste Probleme mit sich. Deine Skikarriere hat vier Bundeskanzler, eine Interimskanzlerin und acht Sportminister überdauert. Den meisten von ihnen wirst du irgendwann begegnet sein: Wie stehst du denn generell zu Politikern? Darf ich dir eine Gegenfrage stellen? Ja, klar. Drehen wir’s mal um … Wärst du gerne von Beruf Politiker? 52

Mich fragt keiner, aber: Nein! Nein? Siehst du: du nicht, ich auch nicht. Ich frag das oft – und 99 Prozent sagen sofort: Nein! Ich beneide Politikerinnen und Politiker nicht um ihren Job, jetzt schon überhaupt nicht. Nicht die in der Regierung und nicht die Bürgermeister, die beim Einkaufen gefragt werden, ob sie nicht einen Acker in Bauland umwidmen könnten. Politik ist auch ein Ringelspiel. Auf Einzelpersonen zugeschnitten, aber dass die alle eine Partei und Lobbys im G’nack haben und wie es im Hintergrund zugeht, wissen wir „ZiB“-Zuschauer nicht. Deshalb halte ich mich da mit Urteilen sehr zurück, auch wenn es mir nicht immer leichtfällt. Auf der Couch g’scheit daherreden, das ist immer einfach. Oje, jetzt mache ich mir ein wenig Sorgen um meine letzte Frage. Ich stell sie trotzdem. Angenommen – nur als Gedankenspiel –, du hättest politisch das Sagen: Wo würdest du bei der Lösung der großen Probleme ansetzen? Die einfachen Fragen immer erst ganz

am Schluss stellen: finde ich gut! (Lacht.) Wenn ich Lösungen hätte, dann hätte ich was anderes zu tun. Zu vielen Themen weiß ich zu wenig. Und über manches wundere ich mich. Zum Beispiel darüber, dass, obwohl der Hut brennt, trotzdem genug Energie für taktische Manöver übrig ist, mit denen sich die Verantwort­ lichen in der schwierigen Situation gegenseitig das Leben schwer machen. Vielleicht hat ja auch das Sinn, und ich sehe ihn halt nur nicht. Ich versuch mich an ein einfaches Prinzip zu halten: das Gute mitnehmen und das Schlechte besser machen. Das können die Kleinen im Kleinen und die Großen im Großen. Auch wenn vieles in Schieflage ist: Ich habe die Hoffnung, dass wir als Menschheit für die Probleme, die wir selbst verursachen, auch Lösungen finden können, um sie wieder in den Griff zu kriegen. Aus jedem Ringelspiel, auch wenn es sich noch so verrückt dreht, kann man auch aussteigen. Marcel Hirscher postet regelmäßig Szenen aus seinem neuen Leben auf Instagram: @marcel_hirscher THE RED BULLETIN

THOMAS RAMSTORFER/FIRST LOOK/PICTUREDESK.COM, MARKUS BERGER

Auf neuen Wegen (im Uhrzeigersinn): die 40 Meter lange Himmelsleiter am Donnerkogel empor, unterwegs mit seinem Hund Pumba, als Bike-Künstler an den Gosauseen und als Wilder auf der Maschin’ in Werfen


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„Ich bin Künstlerin, ich bin so frei“ Von London bis Los Angeles: STEFFLON DON, 29, erobert gerade die Hip-Hop-Welt. Hier erklärt die Britin, warum sie in drei Sprachen rappt, wie sie auf dem Schulhof Selbstvertrauen lernte und was sie von den Instagram-Bossen fordert. Text FLORIAN OBKIRCHER Fotos SALIM ADAM 54


Alarmstufe Rot: Stefflon Don sieht immer top aus, anscheinend sogar beim Abwasch.


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Als die britische Rapperin Stefflon Don 2016 zum ersten Mal auftauchte, drehten sich alle nach ihr um. Ihr Flow auf dem Debüt-Mixtape „Real Ting“ war nahtlos, im Text mischte sich jamaikanischer ­Dialekt mit East-Londoner Slang und ­Bezügen zum amerikanischen Hip-Hop. Im Gegensatz zur generell unauf­geregten Grundhaltung der britischen Rap-Szene war ihr Auftreten glamourös und kühn – ein kommender Superstar. Schon im November 2016 wurde sie in der BBC-Umfrage „Sound of 2017“ ­gelistet, in der es um die heißesten Newcomer des kommenden Jahres ging. Vier Monate später unterschrieb sie bei einem großen Label einen Deal für umgerechnet 1,3 Millionen Euro, und im August 2017 erreichte „Hurtin’ Me“, ihre gemeinsame Single mit dem US-Rapper French Montana, Platz sieben in den ­britischen Single-Charts. Seither hat die heute 29-Jährige, die mit bürgerlichem Namen Stephanie Allen heißt, diverse Awards kassiert und mit Künstlern wie Sean Paul, Nile Rodgers, Charli XCX, Skepta, Drake und Mariah Carey zusammengearbeitet. 2018 landete sie als erste britische Künstlerin überhaupt auf der „Freshman List“ des legendären amerikanischen Hip-Hop-Magazins „XXL“. Im Alter von fünf Jahren zog die in Birmingham geborene Tochter jamaikanischer Eltern mit ihrer Familie in die nieder­ländische Hafenstadt Rotterdam, mit vierzehn ging es dann wieder zurück nach Großbritannien, in den Londoner Bezirk Hackney. So ist Stefflon Dons ­Musik eine Mischung aus Dancehall, ­Grime, R & B und House, aus ihren ­Versen lassen sich Einflüsse von London, ­Jamaika, den ­Niederlanden und den USA ­herauslesen. In verschiedenen Kulturen aufzuwachsen habe ihren Horizont ­erweitert, e­ rklärt sie. Die vielen musikalischen Einflüsse seien gewissermaßen das Geheimnis i­ hres Erfolges. 56

the red bulletin: Sie haben unverkennbar eine East-Londoner Schnauze, aber Sie verwenden auch jamaikanischen Dialekt und a ­ merikanischen Slang. Bisweilen r­ appen Sie sogar auf Niederländisch … stefflon don: Weil ich in so einem diversen Umfeld groß geworden bin. Meine Kindheit habe ich größtenteils in Rotterdam verbracht, dort sprechen die Leute amerikanisches Englisch. Und ich bin in einem jamaikanischen Haushalt aufgewachsen. Außerdem hatte ich weiße Freunde, türkische Freunde, marok­kanische Freunde. Die Leute sind dort wirklich aufgeschlossen, also habe ich viel über ihre Kulturen und Traditionen, ihr Essen und ihre Musik gelernt. Welche musikalischen Einflüsse haben Sie aus Rotterdam mitgenommen? Die Niederlande waren ja einmal eine Kolonialmacht in Suriname (das südamerikanische Land stand zwischen 1667 und 1975 unter niederländischer Flagge; Anm.), und die surinamische Kultur ist in Rotter­dam stark zu spüren, ähnlich wie die jamaikanische in London. Die Sprache in Suriname ist eine Mischung aus Spanisch, Französisch, Niederländisch und Englisch. In Rotterdam habe ich ständig surinamische Songs gehört, und wir Kids haben auch diese SlangAusdrücke verwendet. Das scheint sich übrigens sogar auf meine Aussprache auszuwirken: Unlängst war ich in Spanien, und ein paar Einheimische dachten, ich sei eine von ihnen. Dabei spreche ich alles andere als flüssig Spanisch. Meinen Sie, dass sich das Niederländische auf Ihre Rap-Künste auswirkt? Auf jeden Fall. Wenn ich Niederländisch spreche, dann richtig schnell. Deshalb habe ich auch so eine flinke Zunge beim Rappen. Das war am Anfang meiner ­Karriere ein Riesenvorteil.

Sie sind für Ihren eklektischen Musikstil bekannt. Auf Ihrem neuen Mixtape „Island 54“ kommen Afrobeats dazu. Wäre den Produzenten lieber, Sie ­würden bei einer Sache bleiben, um Ihre Fans nicht zu überfordern? Na ja, ich finde, es gibt Künstler, die kann man auf jede Schiene setzen, ob das jetzt Latin oder Slow Jam oder Alternative ist – weil ihre Stimme wie ein Instrument ist. Die halten durch ihre Stimme so einen ganz bestimmten Sound. Ich finde, ich gehöre da dazu. Auf meiner nächsten Single spreche ich sogar Yoruba (eine Sprache, die hauptsächlich in Westafrika verbreitet ist; Anm.). Das Publikum wird schockiert sein, das ist wieder etwas ­völlig anderes. Mit diesen Dingen habe ich ­immer schon gern experimentiert. Ich bin Künstlerin, ich bin so frei. Ihr Bruder, der Rapper Dutchavelli, sagte in einem Interview über seine Rückkehr aus Rotterdam nach Großbritannien: „Ich hatte einen Akzent, viele Wörter habe ich nicht gekannt. Das hat mir die Schulzeit ruiniert.“ War das bei Ihnen auch so? Als ich zurückkam, hatte ich den eigen­ artigsten Akzent – ich war hin- und her­ gerissen zwischen Amerikanisch und ­Jamaikanisch. Den Londonern habe ich oft gesagt, ich käme aus Jamaika – aber sie haben mir nicht geglaubt: „Du bist nicht aus Jamaika! Was ist das für ein A ­ kzent?“ Das war sehr schwierig. Wie haben Sie es geschafft, akzeptiert zu werden? Gott sei Dank bin ich mit Selbstvertrauen geboren. Wenn mich die anderen THE RED BULLETIN


„Haltet euch fern von allen, die euch herunterreden, auch wenn es Freunde oder Familienmitglieder sind. Und fragt sie nicht um Rat. Man muss im Leben begreifen, dass niemand auf alles eine Antwort hat.“


„Gott sei Dank bin ich mit Selbst­vertrauen geboren. Wenn mich die anderen Jugendlichen aufziehen wollten – und das wollten sie sehr oft –, habe ich immer dagegengehalten.“


Jugendlichen aufziehen wollten – und das wollten sie sehr oft –, habe ich ­immer ­dagegengehalten. Wenn einem das ­gelingt, dann erntet man Respekt, das gilt überall im Leben. Nach einiger Zeit waren sie so verwirrt von meinem Selbst­ bewusstsein, dass sie entschieden haben, mich zu mögen. Wie können sich andere auch solches Selbstvertrauen erarbeiten? Haltet euch fern von allen, die euch her­ unterreden, auch wenn es Freunde oder Familienmitglieder sind. Meidet Leute, die euch euer Selbstbewusstsein nehmen. Oder fragt sie zumindest nicht um Rat, wenn ihr ohnehin wisst, dass nichts da­ bei herauskommt. Man muss im Leben einfach begreifen, dass niemand auf ­alles eine Antwort hat. Glaubt an euch, so schöpft ihr Selbstvertrauen! Sie selbst haben gute Ratschläge zu Beginn Ihrer Karriere bekommen, nämlich von Rapper Drake. Er hat zu ­Ihnen gesagt: „Egal was du machst, schau, dass dein Gegner Angst vor dir hat.“ Folgen Sie dieser Maxime ­immer noch? Zu hundert Prozent. Ob man Installateur oder Tischlerin oder Gamer ist, man sollte immer der Beste sein wollen. Wozu macht man es sonst? Als ich mit dem Rappen angefangen habe, war ich allzeit bereit, zu jedem Beat sofort mit einem Rap einzusteigen. Ich hatte immer genü­ gend Text parat, sodass ich alle anderen in Grund und Boden rappen konnte, die auch das Mikro ergriffen haben. Gnadenlos! Ja, das war immer schon meine Menta­ lität. Die Leute sollen meinetwegen ihre Texte umschreiben wollen. Mir ist es nämlich auch schon oft so gegangen. Ich habe andere Frauen rappen gehört und mir gedacht: „O Gott, das, was ich geschrieben habe, ist nicht so gut. Ich muss mich hinsetzen und das Zeug ­umschreiben.“ So soll es auch anderen gehen, wenn sie mich hören. Denn so führt man einen gesunden Dialog, so bringt man einander gegenseitig nach vorn. Wenn Leute einander nie heraus­ fordern, sondern immer nur hinterher­ rennen, dann stecken wir fest. So ist das jetzt schon seit geraumer Zeit. Niemand versucht, der Beste zu sein. Ich sehe viele, die sich denken: „Ach, das funk­

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„Auf Social Media geht es nur mehr darum, auf Nummer sicher zu gehen.“ tioniert, das war in den Charts – mach ich halt etwas Ähnliches.“ Woran liegt das, meinen Sie? Man wird heute als Künstler anders ­kritisiert als damals, als ich angefangen habe. Da gab es noch keine InstagramTrolle. Ich konnte ohne Angst Videos online stellen, die vielleicht nicht ganz so waren, wie ich es wollte – und ich musste das auch tun, weil ich mir nichts anderes leisten konnte. Jüngere Künstler stehen gegenwärtig noch viel stärker unter Beob­achtung, und das von Leuten, die gar keine Ahnung haben, wovon sie reden, und ihre eigenen U ­ nsicherheiten in den sozialen Medien auf andere projizieren. Plattformen wie Instagram sind für einen Mangel an Krea­tivität in dieser Künstler­generation verantwort­ lich. Selbst für die Etablierten ist es echt schwierig ­geworden, wirklich aus­ zudrücken, was sie wollen oder wie es ihnen geht. Das klingt, als hätten Sie durchaus ­Erfahrung damit. Ich habe meine Familie oft auf Snapchat aufgenommen, und ich habe immer ­offen zu allen möglichen Themen meine Meinung gesagt, was mich ein paarmal in Schwierigkeiten gebracht hat. (2018 entschuldigte sie sich für Tweets, die sie fünf Jahre davor gepostet hatte, wonach „dunkelhäutige Mädchen ihre Hautfarbe ändern“ würden, wenn sie das könnten; Anm.) Ich habe Ärger gekriegt für Sa­ chen, die ich nicht so gemeint habe, Din­ ge wurden aus dem Zusammenhang ge­ rissen. Da dachte ich mir: „Habt ihr es überhaupt verdient, zu erfahren, wer ich wirklich bin, wenn ihr einfach kleine Ein­ zelteile hernehmt und sie so zusammen­ baut, dass ich wie jemand erscheine, der ich gar nicht bin?“ So funktioniert das Internet heutzutage. Die Leute sehen dein Bild und denken: „Wo ist da etwas, was nicht stimmt? Wo ich einhaken

kann?“ Sie schauen in die Kommentare, um zu s­ ehen, welches Narrativ sich durchsetzt. Man soll gar nicht man selbst sein. Man soll nicht jemand sein, der selbständig denkt. Es geht immer nur darum, auf Nummer sicher zu gehen und anderen hinterherzurennen. Und das möchte ich gern hinter mir lassen. Gibt es eine Möglichkeit, das Internet wieder zu einem positiveren Ort zu machen? Tatsächlich habe ich mich ein paarmal mit einer Führungspersönlichkeit von ­Instagram getroffen. Dabei habe ich unter anderem angeregt, dass man die Likes zu den Kommentaren abschafft. Wie meinen Sie das? Früher konnte man Posts kommentieren, aber man konnte für den Kommentar keine Likes bekommen. Heutzutage kommentieren die Leute immer extremer und gemeiner, weil sie hervorstechen und Likes sammeln wollen. Das ist wie ein Wettbewerb, der zur Folge hat, dass du dir deinen Post anschaust und fest­ stellst, dass ein hass­erfüllter Kommentar darunter 3000 Likes hat. Das fühlt sich furchtbar an! Die Leute ver­stehen nicht, wie schädlich Instagram für uns und die nächste Generation ist. Alle fassen das Problem mit Samthandschuhen an und sagen: „Jaja, das ist schon schlimm.“ Die Leute sind deshalb extrem verunsichert, verzichten auf Kreativität und teilen kei­ ne neuen Ideen mehr. Das ist ein äußerst schwerwiegendes Problem, über das mehr gesprochen werden und wobei sich dringend etwas ändern sollte. In diesem Sinne – was ist Ihre Strategie, um bei Verstand zu bleiben? Ich habe großes Glück mit meiner Fami­ lie. Ich habe einen großes Haus gekauft, und mein (elfjähriger; Anm.) Sohn, die meisten meiner sechs Geschwister und meine Mutter wohnen bei mir. Das ist der Hauptgrund, warum mit mir alles okay ist. Und ich bin heilfroh, nicht im Social-­ Media-Zeitalter groß geworden zu sein. Daher habe ich einen Realitätssinn. Ich weiß, was es bedeutet, originell zu sein. Ich weiß, was es bedeutet, nichts darauf zu geben, was vielleicht irgendwer sagt. Das kann mir niemand nehmen. Stefflon Dons neues Mixtape „Island 54“ ist jetzt erhältlich: stefflondonofficial.com

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Ich kann GLÜCKLICH

Abheben und einfach sein – mit den Armen steuert Ski-Akrobat Noé Roth seinen Flug. Auf den folgenden Seiten beweist er für uns sein außergewöhn­liches Körpergefühl auf dem Trampolin.

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fliegen Zuerst katapultiert ihn eine Schanze zwölf bis fünfzehn Meter in die Luft, dann muss er eine harte Landung durchstehen. In den drei Sekunden dazwischen fühlt sich NOÉ ROTH, 20, in seinem Element. Trotz seiner Jugend gilt er als einer der besten Ski-Akrobaten der Welt. Text HANNES KROPIK Fotos GIAN PAUL LOZZA


„ Noé besitzt ein unglaubliches Lagegefühl in der Luft.“ Michel Roth, Noés Vater und Trainer, über das besondere Talent seines Sohnes


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er Laie traut seinen Augen nicht, der Connaisseur schnalzt mit der Zunge. Man muss schon sehr genau hinsehen, um zu erkennen, welchen Trick der ­Ski­akrobat in den Himmel zaubert. Ein Sprung etwa, den das Regelbuch als Full-Double-Full-Full kennt, besteht aus einem Salto mit einer Schraube (Full), der fließend in einen Salto mit Doppel-Schraube (Double-Full) und einen wei­teren Salto mit EinfachSchraube (Full) übergeht. Also drei gestreckte Rotationen um die Körper-Querachse, kombiniert mit vier Rotationen um die Längsachse. Siebenmal 360 Grad, gesamt 2520 Grad. In knapp drei Sekunden. Gefolgt von einer Landung, so hart wie nach einem Sprung aus dem dritten Stock. „Für mich“, sagt Noé Roth, „fühlt es sich einfach wunderschön an. Ich fliege.“

Brand gewann 1996 den Aerials-Gesamtweltcup, feierte 13 Weltcupsiege und ­triumphierte 1992 bei den Olympischen Spielen (wo Aerials allerdings nur als ­Demonstrations-Wettkampf ausgetragen wurde); Vater Michel „Misch“ Roth gewann als Aktiver zwei Weltcupspringen und ist seit 1991 Cheftrainer des Schweizer Aerials-Nationalteams. Der Papa und Coach in Personalunion weiß natürlich genau, was den 180 Zentimeter großen und 68 Kilogramm leichten Junior auszeichnet: „Noé hat das Gefühl, fliegen zu können. Er besitzt ein unglaubliches Lagegefühl in der Luft, er spürt sehr schnell und sehr exakt, wie viel ­Rotation er hat. Dieses Gespür bringen nur ganz wenige Sportler mit. Deshalb sehen bei ihm selbst äußerst komplexe Sprünge nie schwierig aus.“ Die Basis für die spielerische Leichtigkeit, mit der Noé Rotation an Rotation reiht, wurde lange vor Beginn der schu­lischen Laufbahn gelegt. „Weil meine Mama vor­ mittags arbeiten musste, bin ich immer mit meinem Papa zum Training mit­ gefahren“, erzählt Noé. Dort, in der Wassersprunganlage „Jumpin“ in Mettmenstetten bei Zürich, hatte es ihm besonders das Trampolin angetan: „Ich konnte schon sehr früh Salti ­springen und dadurch mein Flug­ gefühl entwickeln.“

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it sechs Jahren begann Noé, zusätzlich seine Fähigkeiten im Turnverein zu schärfen. „Es hat mir immer riesigen Spaß gemacht, und das hat sich bis ­heute nicht geändert. Vor Wettkämpfen bin ich nicht besonders nervös, sondern freue mich darauf, mich mit anderen messen zu dürfen.“ Seine erste Trophäe gewann Noé bereits als Kind – ohne überhaupt an einem Wettkampf teilgenommen zu haben: „Ich war damals sechs, vielleicht sieben Jahre alt und wie jeden Tag im Sommer mit meinem Vater an der Wasserschanze. Meine früheste Erinnerung an diesen Sport ist, wie ich zum ersten Mal über die kleine Schanze fahre. Da­ neben hat eine Gruppe gerade einen Wettkampf abgehalten, wer den coolsten Sprung zeigt. Sie haben mich, den kleinen Jungen, o ­ ffenbar gesehen und mir

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oé Roth aus der Schweizer Gemeinde Baar ist der neue Aerials-Überflieger. Im ver­ gangenen Winter krönte er sich – im Alter von 19 Jahren – als erster Schweizer Athlet seit Sandro Wirth 1983 zum Weltcupsieger; schon im Jahr davor hatte er an der WM in Park City in Utah Gold im Team und Einzel-Bronze geholt. Und das in einer Sportart, in der Routine ein ganz wesentliches Moment ist – doch der Juniorenweltmeister von 2018 scheint die (noch) mangelnde Erfahrung durch seine perfekten Gene für diesen Sport zu kompensieren: Mutter Colette

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GUTE GENE Noé mit seinem Vater und Trainer Michel – man ist perfekt aufeinander eingestellt.

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„ Es kommt ganz wesentlich auf das richtige Timing an.“ Noé über das entscheidende Quäntchen mehr, das einen Sprung perfekt macht

SCHWUNGVOLL

danach einen riesigen Pokal überreicht. An das Gefühl beim Sprung kann ich mich nicht mehr erinnern, aber dass ich einen Pokal gewonnen habe, hat mir gefallen. Er hat immer noch seinen Ehrenplatz in meiner Trophäensammlung.“ Vater Michel Roth kann sich ganz genau an die Anfänge ­seines Sohnes erinnern. „Wir haben ihn zwar gefördert, aber nie gedrängt. Er wollte einfach von sich aus springen und nachmachen, was er bei den Erwachsenen gesehen hat. Noé hat sich als Kind sehr viele Sprünge selbst beigebracht, indem er Bewegungsabläufe einfach ausprobiert hat. Er konnte sehr früh Dinge, die andere Kinder in diesem Alter nicht konnten – zum Beispiel den Doppelsalto am Trampolin oder Schrauben in unterschiedlichsten Variationen.“ Natürlich ist eine Verletzung nie restlos auszuschließen, dennoch hatte der ehemalige Weltklasse-Athlet nie wirklich Angst um seinen Buben: „Im Gegenteil. Ich war extrem stolz! Ich fand das cool. Seine Begeisterung hat auch in mir eine große Freude ausgelöst, denn es war ja mein Sport, mein Leben. Ich lebe in dieser Welt, seit ich sechzehn bin, und 64

habe selbst nie etwas anderes gemacht. Allerdings war ich nie so gut, wie er es jetzt schon ist.“ Die Besorgnis Außenstehender kann der Nationalcoach nachvollziehen, will die Gefahren aber richtig eingeordnet wissen: „Natürlich sieht das, was wir ­machen, extrem aus. Aber wir sind keine wilden Hunde. Wilde Hunde springen nicht lange.“

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oé ist alles andere als ein Draufgänger: „Er hat unglaublich viel Zeit und Anstrengung in seine Fähigkeiten investiert. Du springst ja nicht sofort einen Dreifachsalto mit drei Schrauben, sondern fügst wie bei einem Puzzle immer ein weiteres Teil zum Gesamtbild hinzu.“ Noé wohnt noch bei seinen Eltern. Seine Freizeit verbringt er am „Jumpin“Trainingsgelände und geht am Bungeegerät in die Luft. Wenn es ihn nach sportlicher Ablenkung gelüstet, surft er im Wavepool in Luzern oder hüpft mit seinem Skateboard in der Miniramp herum. Und natürlich kann er – auch wenn seine Disziplin ohne Schwünge auskommt – richtig gut Ski fahren.

Die Frage nach anderen Hobbys, anderen Themen, die ihn wirklich interessieren, lässt Noé lang inne­halten. Die Antwort fällt knapp und bestimmt aus: „Sport. Ja, Sport ist mein Leben.“ Und so ist es kein Wunder, dass der Bewegungsfanatiker für jede Art von ­Bürotätigkeit denkbar ungeeignet ist. Seine Kaufmannslehre beendete Noé auf nachdrücklichen Wunsch bereits im Alter von siebzehn Jahren: „Ich wollte das ja von A ­ nfang an nicht machen. Aber als Sportler hast du wenig Alternativen für eine A ­ usbildung neben dem Training. Nach einem Jahr war mir aber endgültig klar, dass ich nicht den ganzen Tag drinnen am Computer hocken und irgendwelche Statistiken bearbeiten kann.“ Dabei hatte es Noé mit seiner Lehrstelle bei der Similasan AG, Hersteller von homöopathischen Arzneimitteln, ­eigentlich sehr gut getroffen. Deren CEO Urs Lehmann war nicht nur Skirenn­ läufer und 1993 Abfahrtsweltmeister, sondern ist als Präsident des Schweizer Skiverbands auch der Chef von Noés Trainervater – und mit Conny Kissling verheiratet, die als Kollegin von Noés Mutter zwischen 1983 und 1992 zehnTHE RED BULLETIN

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Alles sieht so leicht aus – aber Noé hat unglaublich viel Zeit in seine Fähigkeiten investiert.


mal in Serie den Gesamtweltcup der Freestyle-Skifahrerinnen gewann. „Ja, unsere Familien sind befreundet, deshalb haben wir gemeinsam diskutiert und den bestmöglichen Weg gefunden“, sagt Michel Roth, der die Entscheidung seines Sohnes zum Abbruch der Lehre nicht uneingeschränkt begrüßt. Andererseits: „Bis jetzt hat noch jeder Athlet, den ich trainiert habe, gute Möglichkeiten für das Leben nach der Karriere gefunden. Dennoch haben wir gemeinsam beschlossen, dass Noé einen Teil ­seiner Einnahmen auf die hohe Kante ­legen muss, um sich später eine Aus­ bildung finanzieren zu können.“

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ktuell steht jedoch die sport­ liche Weiterentwicklung im Vordergrund. 2018 durfte Noé mit knapp siebzehn als einer der jüngsten Schweizer Athleten bei ­seinen ersten Olympischen Winterspielen in Korea Erfahrungen sammeln. Nach dem hervorragenden 16. Rang beim Debüt sind die Vorzeichen für ­Peking 2022 andere: Auch wenn sich der regierende Weltcupsieger nicht früh in eine Favoritenrolle drängen lassen will, weiß er doch um sein Potenzial. Denn schon im Sommer arbeitete er intensiv an jenem Sprung, der aktuell als schwierigster im Skizirkus gilt und der den respekteinflößenden Namen „Hurricane“ trägt: Beim diesem FullTriple-Full-Full wirbelt der Athlet mit acht Rotationen durch die Luft, wobei ­allein der zweite Salto von drei Schrauben akzentuiert wird. „Im Sommer auf der Wasserschanze kann er den Sprung bereits“, sagt Cheftrainer Michel Roth, „auf Schnee werden wir ihn aber erst in der kommenden Olympiasaison im Wettkampf zeigen.“ Noé freut sich auf die Herausforderung: „Die zusätzliche Schraube macht den Sprung natürlich schwieriger. Der Absprung muss perfekt sein, und du hast in der Luft noch weniger Zeit. Es kommt also ganz wesentlich auf das richtige ­Timing an.“ Und auf die Gewissheit, ­fliegen zu können. Noés Leben im Flug: instagram.com/noe20000

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Noé 2019 bei der WM in Park City, Utah: Gold im Team, Bronze im Einzel

Wie ein Katapult

Noé Roth erklärt die Grundlagen eines Sports, in dem er hoch hinauswill. Aerials ist seit 1994 olympisch. Noé Roth ist nicht der erste Schweizer Medaillengewinner – nicht einmal der erste in der eigenen Familie: Mutter Colette hat unter ihrem Mädchennamen Brand 1998 die Bronzemedaille geholt; vier Jahre zuvor Evelyn Leu sogar Olympiagold. Und Landsmann Andreas Schönbächler hat schon 1994 als erster Aerials-Olympionike geglänzt. Die Skiakrobatik zählt neben Moguls, Big Air, Halfpipe und Slopestyle zu den fünf Geschicklichkeitsdisziplinen, die als Freestyle Skiing zusammengefasst werden. Gesprungen werden dürfen nur im Regelbuch definierte Kombinationen aus Salti, Drehungen und Grätschen. Sie sind mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden versehen und werden von fünf Punkte­richtern nach den Kriterien Air, Form und Landing bewertet. „Bei Wettbewerben stehen je nach Anzahl der geplanten Salti unterschiedliche Schanzen zur Verfügung“, erklärt Noé. „Für den Dreifachsalto brauchst du eine Anfahrtsgeschwindigkeit von 65 bis über 70 km/h, die Rampe zieht steil hinauf und hat beim Absprung einen Radius von genau 71 Grad.“ Anders als Skispringer drücken sich die Skiakrobaten aber nicht kraftvoll vom Schanzentisch ab: „Es reicht, einfach drüber­

zufahren. Wir werden so dy­­na­ misch hinauskatapul­tiert, dass wir einen Luftstand von 12 bis 15 Metern erreichen.“ Auf Stöcke wird verzichtet, die nicht taillierten Ski sind eine Spezialanfertigung auf Carbonbasis, 150 Zentimeter lang und (ohne Bindung) pro Latte lediglich 900 Gramm leicht. Wachs ist – anders als im a­ lpinen Rennlauf – kein wesent­licher Faktor. Und: „Die Ski haben praktisch keine Kanten, weil wir ja nur geradeaus fahren und das Risiko des Verkantens minimieren wollen.“ Die Rotationen werden erst nach dem Absprung eingeleitet und mit den Armen gesteuert. Der Blick ist dabei nach Möglichkeit immer auf jenen Bereich gerichtet, in dem etwa drei Sekunden nach dem Absprung die Landung erfolgen soll. Sprünge wie den dreifachen Salto mit drei Schrauben, kurz „Full-Full-Full“ genannt, „kann man so richtig genießen“, sagt Noé Roth, „weil du ab dem ersten Salto praktisch immer den Boden siehst. Wenn du einem Salto eine zweite oder gar dritte Schraube hinzufügst, wird es schwieriger. Du siehst nicht, wo du bist, und musst auf dein Gefühl vertrauen.“

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B O U L E VARD DER HEL DEN

COCO CHANEL

DIE ERFINDUNG DES „KLEINEN SCHWARZEN“

Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit. Folge 11: Wie sich ein Mädchen aus dem Waisenhaus zur Modekönigin adelte.

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BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT MICHAEL KÖHLMEIER

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rotz der gewaltigen Revolution – ­Lebens gegen die eifrigen und eifern­den manche sagen, gerade deswegen Reporter unterliegen; sie würde, wenn – blieben die Klassenunterschiede sie anderes behauptete, nicht nur als in Frankreich länger bestehen Lügnerin dastehen und als eine, die ihren als in manchen anderen europäVater und ihre Mutter verleugnete, sie ischen Ländern, vielleicht nicht offiziell, hätte in Zukunft auch mit mächtigen dafür aber im täglichen gesellschaftliFeinden zu rechnen. Auf den Boulevard chen Umgang der Menschen miteinander. wollte und konnte sie nicht verzichten. MICHAEL KÖHLMEIER Der Vorarlberger Noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts Also wählte sie die Legende. Bestsellerautor gilt genügte es nicht, wenn allein Leistung Wenn der Name Coco Chanel fällt, als Größe unter den ­einer adeligen Herkunft entgegengehalten woran denken Sie? An zwei Dinge: deutschsprachigen wurde. Jedenfalls nicht, wenn man zur ­zweitens an das Parfum Chanel Nº 5 – Erzählern. Zuletzt Spitze der Gesellschaft gehören wollte. ­erstens aber an das „kleine Schwarze“. erschienen: „Die Gegen den Adel, der seine Abstammung Jede Frau weiß, was gemeint ist. Es Märchen“, 816 Seiten, Verlag Carl Hanser. bis auf viele Generationen ausleuchtete, ­gehört zu den größten Erfindungen der half nur die Legende, die um die VerModebranche – la petite robe noire. Dieses gangenheit den Nebel des Gerüchts hauchte. Auf schlichte Kleid ist mehr als ein Stück Stoff, es ist die Nebelschwaden ließ sich alles Mögliche projiein Begriff, ein Begriff, der sich von seiner Erfin­ zieren – tatsächlich alles Mögliche. Wer es schaffte, derin emanzipiert hat. Ich kann mir denken, es gibt sich zu einer Legende zu stilisieren, der hatte es junge Frauen, die beides kennen, Coco Chanel und geschafft, der verkehrte in der gleichen Liga wie ein das Kleid, aber nicht wissen, dass Erstere die Erfinderin von Letzterem ist. In Amerika heißt es little Marquis oder eine Marquise. black dress und wird als LBD abgekürzt. Das kleine Gabrielle Chasnel alias Coco Chanel (1883–1971) Schwarze wurde „die Uniform für alle Frauen mit hatte das sehr früh begriffen. Sie stammte nicht aus Geschmack“ genannt. Jede Frau, die etwas auf sich armen Verhältnissen, nein, aus elenden. Wo sie als hält, so habe ich erst kürzlich gelesen, hat eines in Kind lebte, dort wurde gehungert und gefroren. Die ihrem Schrank hängen, auch heute. Mutter starb, da war sie zwölf. Ihr Vater, ein Hausierer, steckte sie und ihre Schwester ins Waisenhaus. enn es Coco Chanel schon nicht gelingen Dort lernte sie nähen. Die Nonnen meinten, dieses konnte, um ihre Herkunft eine Legende zu Handwerk biete wenigstens eine geringe Chance, spinnen, dann sollte wenigstens ihre größte dass sich ein Mädchen wie sie später wenigstens Erfindung legendären Ursprungs sein. Irgendwann einen geringen Lebensunterhalt verdiente. Später merkte sie ironisch an, bei hundert Interviews schämte sich der Mode-Superstar Coco Chanel für werde sie neunundneunzigmal gefragt, wie sie auf ihre Kindheit, lange versuchte sie, ihre Biografie zu die Idee zu dem kleinen Schwarzen gekommen sei. verbergen oder wenigstens zu b ­ eschönigen. Aber die Am Anfang wollte sie sich gebildet geben und sagte, Neugierpresse hatte längst ­alles herausgefunden, die Lektüre von Tolstois Anna Karenina habe sie und Coco war durch und durch Realistin, sie wusste, sie würde im Wettstreit um die Deutung ihres darauf gebracht. Bald merkte sie, das machte sich


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B OU L EVAR D DE R HE L D E N

in der Welt der Mode nicht gut. Welche Frau wollte sich schon kleiden wie eine russische Romanfigur aus dem 19. Jahrhundert? Das 20. Jahrhundert würde das Jahrhundert Amerikas werden. Aus Ame­ rika kam der Jazz, aus Amerika kam das Geld, aus Amerika kam der inbrünstige Glaube, jeder Mensch könne es vom Tellerwäscher zum Millionär schaf­ fen. Diese moderne Interpretation des Werdegangs eines klassischen Genies war inspirierend. Daraus ließ sich eine brauchbare, das Geschäft beflügelnde Legende bauen – und nicht nur eine … Hier nun drei Legenden, wie Coco Chanel auf die Idee mit dem kleinen Schwarzen gekommen war.

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m Waisenhaus bekam die kleine Gabrielle von einer der Nonnen zu Weihnachten die Märchen von Charles Perrault geschenkt. Eine der bekann­ testen Geschichten in der Sammlung ist Cendrillon ou la Petite Pantoufle de verre. Wir finden dieses Märchen auch bei den Brüdern Grimm, dort heißt es Aschenputtel. Es ist die rührende Mär von dem armen Mädchen, das von seiner Stiefmutter ge­ demütigt wird und hinter dem Ofen in der Asche sitzt, während ihre Halbschwestern auf dem glän­ zenden Ball des Prinzen tanzen. Sie habe, erzählte Coco, ihrer älteren Schwester und den anderen Mädchen im Waisenhaus dieses Märchen erzählt, immer wieder, und habe dabei ordentlich ausge­ schmückt. Als Aschenputtel endlich in den Palast eingeladen wurde, habe sie kein passendes Kleid ­gehabt, alles, was sie besaß, waren die Fetzen, die ihr die Stiefmutter hingeworfen hatte, und die ­waren obendrein schwarz von Ruß und Asche. Da habe das arme Mädchen Nadel und Faden genom­ men und aus den Fetzen ein Kleid genäht. Für ein Ballkleid mit Schleppe und langen Ärmeln und Rüschen und ­Fältchen habe der Stoff nicht gereicht, nur ein schlichtes Kleid sei sich ausgegangen – das kleine Schwarze. Diese Version erzeugte Rührung und speiste den Hunger nach Kitsch, war aber um einen Dreh zu harmlos. Es gab Frauen und Männer, die wollten es so haben, und die sollten es auch so kriegen. Die Harmlosen allerdings gehörten nicht zur ersten Kundschaft, das kleine Schwarze war zwar schlicht, aber es betonte die Erotik, die ein Kleidungs­ stück ausstrahlen kann, auf eine Art, wie sie den anspruchs­vollen Damen bisher nicht vor Augen

Coco Chanel stammte nicht aus armen Verhältnissen, nein, aus elenden. 68

­ eführt worden war. Einer Legende, das begriff g Coco Chanel instinktiv, muss eine Gegenlegende Kontra bieten, das bringt Dynamik in die Sache, Streit, und Streit ist gut, denn er zwingt dazu, Partei zu ergreifen, und wer Partei ergreift, macht eine ­Sache zu seiner eigenen Sache und kämpft dafür.

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ie zweite Geschichte war nicht harmlos, sie ließ Skandalöses ahnen. Darum hat Coco diese Legende nie selbst erzählt, aber sie hat gezielt Gerüchte gezündet. Im Waisenhaus des Klosters Obazine erlernte ­Gabrielle das Handwerk der Näherin. Dazu ange­ leitet wurde sie von einer jungen Nonne, die unter­ schied sich von den anderen Schwestern durch ihre Schönheit und Sanftmut. Diese Frau – die in den ­Gerüchten einmal Michelle, dann Manon, dann ­Louise hieß – verliebte sich in Gabrielle und zog sie allen anderen Mädchen vor. Auch Gabrielle verliebte sich, aber ihre Gefühle waren andere als die der jungen Ordensfrau, sie genoss das Lob, sie ­genoss, wenn ihr über die Haare gestrichen wurde,­ sie g ­ enoss es, wenn sie Süßigkeiten geschenkt ­bekam. Michelle aber – nennen wir sie so – begehr­ te die erst Vierzehnjährige, und ihre Leidenschaft war umso heftiger und schmerzlicher, als sie diese Regun­gen bis dahin nicht in sich gespürt hatte. Sie war als Kind ins Kloster gesteckt worden, weil sich ihre ­Eltern g ­ etrennt und die Ehebrüche, die sie begangen hatten, wiedergutmachen wollten, indem sie ihre Tochter dem Himmel schenkten. Mit sechzehn wurde sie geweiht, nun war sie zwanzig. Wenn in i­ hrem bisherigen Leben von Liebe gespro­ chen worden war, dann von der Liebe zum Herrn Jesus Christ. Aber den gab es nicht. Oder gab es nicht mehr. Oder h ­ atte es nie gegeben. Man konnte ihn nicht berühren, und wenn man ihn berührte, berührte man den kalten Stein einer Statue. Wie konnte sich ein Mensch, der alle Sinne beisammen­ hatte, in die Figur einer bloßen Erzählung verlieben? Als die junge Nonne Gabrielle begegnete, fiel alle Jenseitigkeit von ihr ab; alle Sehnsucht nach dem Gottessohn kam ihr lächerlich vor, wenn sie das ebenso zarte wie herbe Gesicht des Mädchens sah. Sie wollte nicht mehr Nonne sein. Sie wollte Liebe, richtige Liebe. Als die beiden eines Tages allein waren – so die Legende –, habe Michelle ihre Tracht ausgezogen und sie von sich geworfen. Im Unterrock sei sie vor Gabrielle gestanden – und dieser Unter­ rock war klein und schwarz. Coco, dies beschworen ihre Freunde, habe nichts weiter zu dieser Legende beigetragen, als dass sie in einem der vielen Interviews sagte, das kleine Schwarze erinnere sie an eine Frau im Unterrock, die sie irgendwann als Kind im katholischen Wai­sen­­haus gesehen habe. Die hundert Münder des Gerüchts machten daraus die Geschichte einer verzweifelten Liebe. Gut fürs Geschäft. Dementiert

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hat Coco ­Chanel die Erzählung übrigens nie, bestätigt aber auch nicht. Die dritte Legende bildet eine Synthese von erster und zweiter. Sie ist harmlos und fromm, zugleich aber auch lasziv, in prüden Kreisen wurde sie sogar als gotteslästerlich verurteilt.

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s heißt: In der Karwoche seien die Zöglinge des Waisenhauses angewiesen worden, die Verhüllungstücher für die Kirche zu nähen. Es ist ja bis heute üblich, dass am Karfreitag und am Karsamstag die Kreuze und die Bilder um den Altar verhängt werden – und zwar mit violettem Stoff. Aus Versehen sei eine überzählige Bahn schwarz ­geliefert worden. Die habe Gabrielle versteckt. Sie war damals ein pubertierendes Mädchen, neugierig auf Abenteuer, sie habe sich gemeinsam mit anderen aus dem Waisenhaus heimlich mit Buben aus der Umgebung getroffen. Man habe sich im Dorf zu einem Ostertanzabend verabredet. Alle anderen ­hatten sogenannte gute Kleidung, nämlich solche, die man am Sonntag anzog. Gabrielle war die ­Ärmste der Armen, sie besaß nur eine Garnitur, und die war schäbig. Um sich für den Tanz schön zu

Zu einer Legende muss es eine Gegenlegende geben, das bringt Dynamik in die Sache. machen, habe sie sich aus dem überschüssigen Stoff ein Kleid genäht. Und weil erstens nur wenig Stoff übrig war, zweitens sie noch nicht gut genug nähen konnte, sie also auf jeglichen Zierrat verzichten musste, sei eben nur ein knappes, schlichtes Kleid daraus g ­ eworden – das kleine Schwarze. Wie auch immer die Wahrheit lauten mag: Das kleine Schwarze wurde zur Legende. Und dieses hübsche Ding hat sich nicht nur von seiner Erfinderin­ emanzipiert, sondern auch von den Geschichten und Gerüchten, die sich um seine Entstehung ranken – wie die Rosen um das Schloss von Dornröschen, einer fernen Verwandten von Aschenputtel.

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GUIDE Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

SAALBACH.COM/STEFAN VOITL

SÜCHTIG NACH DER ERSTEN SPUR

Tourengehen in Saalbach-Hinterglemm mit Ski-Guide Markus Mitterer. Einmal umblättern, und los geht’s!

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GUIDE Reisen

„Der Berg ist für mich kein Sportgerät. Ich genieße meine Freiheit in der Natur.“ Markus Mitterer, 43, Berg- und Skiführer in Saalbach-Hinterglemm, erzählt uns hier von seinen Lieblingsrouten:

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Erhabene Augenblicke

Wenn ich selbst am Gipfel stehe und in die Hohen Tauern hineinblicke, wenn ich den Glockner oder den Großvenediger sehe, dann ist das jedes Mal aufs Neue ein erhabener Moment. Saalbach-Hinterglemm ist ein unglaublich abwechslungsreiches Skigebiet, 2025 wird bei uns die Alpine Ski-WM

ausgetragen. Für Tourengeher gibt es zahlreiche Varianten in allen Schwierigkeitsgraden. Ohne groß nachzudenken, fallen mir sofort zehn, zwölf Gipfel ein, die sich für ausgedehnte Skitouren anbieten: Staffkogel, Schusterkogel, Stemmerkogel, Geißstein, Leitenkogel, Spielberg, Rabenkopf, Bärensteigkogel, Manlitz­ kogel, Saalkogel, Zirmkogel. Je nach ­Wetter- und Schneelage kann ich den richtigen Berg wählen. Ich weiß, die Frage kommt immer ­wieder: Wie viele Höhenmeter hast du heute gemacht? Ganz ehrlich? Es ist mir egal. Ich muss nicht jede Tour ausreizen, muss nicht immer zum Gipfel hinauf. Manchmal fahre ich ein Stück des Weges THE RED BULLETIN

HEIKO MANDL

liche Stille. Der Schnee knirscht nur, wenn es richtig kalt ist. Vögel hörst du im Winter selten. Aber manchmal treffe ich auf Gams’n und Steinböcke. Wie geschickt diese Tiere im freien Gelände klettern und herumspringen können, da werde ich richtig demütig!

HANNES KROPIK

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ch bin kein Wettkampftyp. Früher, bei Schülerrennen, habe ich versucht, möglichst unauffällig auszuscheiden. Ich wollte nie in die Nähe eines Nachwuchskaders kommen. Deshalb gehe ich heute so gerne Skitouren. Ich gleite den Hang hinauf und muss niemandem etwas beweisen. Wenn ich drei Stunden für den Aufstieg brauche, ist es gut. Wenn ich dreieinhalb Stunden unterwegs bin – wen kümmert es? Der Berg ist für mich kein Sportgerät. Ich genieße meine Freiheit in der Natur. Ich bin in Saalbach-Hinterglemm zur Welt gekommen und lebe hier seit 43 Jahren. Ich bin staatlich geprüfter Berg- und Skiführer, Mitglied der Bergrettung und betreibe mit meinem Kollegen Stefan Baumgartner die Freeride ­Skischool. Ich kann sagen, dass ich hier jeden Gipfel, jeden Hang kenne. Ich beschäftige mich gerne mit den Gegebenheiten: Wie hat sich der Schnee im Lauf der Saison entwickelt? Wie groß ist die Lawinengefahr? Wie könnte sich das Wetter auf die morgige Tour auswirken? Meine Entscheidungen führen mich im besten Fall auf einen unverspurten Hang mit richtig lässigem Powder. Am meisten genieße ich die Ruhe. Unten im Tal herrscht normalerweise richtiges Remmidemmi. Aber am Berg findest du immer wieder diese erstaun­


mit dem Lift hinauf, gehe vielleicht 400 Höhen­meter hinauf und fahre 1000 Höhen­meter hinunter. Oft habe ich nicht einmal ein Ziel vor Augen. Nein, das stimmt so nicht. Der Weg ist das Ziel. Das klingt abgedroschen, aber so ist es nun einmal: Mein Weg ist mein Ziel. Doch so schön der Weg hinauf ist: Eigentlich geht es mir um die Abfahrt. Und das beeinflusst meine Ski-Wahl. Ich bin am liebsten mit meinen 1,85-MeterLatten unterwegs, sie haben eine Mittelbreite von 95 Millimetern und einen soliden Holzkern. Das heißt, sie sind eher schwer, dafür aber auch laufruhiger und bieten mir bergab größeres Fahr­ vergnügen. Ich gehe bergauf gerne weitere Wege, wenn ich dafür bergab eine erste Line fahren kann. Wer eine Skitour gehen will, sollte, so blöd das jetzt klingt, Ski fahren können. Sonst brauchst du im Prinzip nichts.

Tourengeher stapfen nicht, sie gleiten mit sanftem Schwung den Berg hinauf. Hier eine Gruppe auf dem Weg zum Saaljoch (1875 m). Wien

Österreich Saalbach-Hinterglemm

Anreise

Unser Guide Markus Mitterer, Chef der Freeride Skischool in Saalbach THE RED BULLETIN

Mit dem Auto Die Pinzgauer Gemeinde Saalbach-Hinterglemm liegt im Salzburger Teil der Kitzbüheler Alpen. Die nächstgelegenen Flughäfen mit Shuttle-Anbindung sind jene von Salzburg und München. Von Wien aus geht es über die A1 bis zur Abfahrt Wals/Lofer, dann über die B21 nach Bad Reichenhall, die B178 bis Lofer und dann auf der B311 nach Saalfelden. Dort Richtung

Maishofen abbiegen und weiter über die L111 nach Saalbach-­Hinterglemm. Aus dem Süden führt der Weg über die A10 nach Bischofshofen und die B311 über Zell am See nach Maishofen. Mit der Bahn von München oder Salzburg über Rosenheim, Kufstein, Wörgl nach Saalbach-Hinter­glemm. Aus dem Westen: ab Innsbruck über Wörgl und Zell am See. saalbach.com

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GUIDE Reisen

Das Skigebiet Saalbach-Hinterglemm belohnt ambitionierte Tourengeher mit unverspurten Tiefschneehängen.

Jedermann auf Tour

Außer der Kondition, um drei, vier ­Stunden bergauf gehen zu können.

Perfekt gepackt

Berge erobern mit Markus Mitterer: freeride-skischool.at

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Für Anfänger und Experten: Skitouren in Saalbach-Hinterglemm

Schusterkogel oder Staffkogel FÜR FORTGESCHRITTENE Der Schusterkogel (2207 m) ist ostseitig ausgerichtet, der Staffkogel (2115 m) südseitig. In der Regel gibt es schon Spuren hinauf. Die Gipfelhänge sind mit rund 35 Grad etwas steiler und anspruchsvoller.

„Du hörst und siehst keine anderen Menschen.“ Markus Mitterer über das Tourenvergnügen

Geißstein FÜR EXPERTEN Der Geißstein (2363 m) ist der ­höchste Gipfel rund um SaalbachHinterglemm. Für diese anspruchsvolle Tour müssen die Witterungs­ bedingungen hundertprozentig passen: Die südseitige Abfahrt vom Gipfel ist extrem steil. THE RED BULLETIN

HANNES KROPIK

Stemmerkogel FÜR ANFÄNGER Vom Schwarzarchengraben mit der Westgipfelbahn zur Mittelstation, dann ein paar Schritte auf der Piste und schon wartet gutmütiges Gelände. Der westseitig ausgerichtete Weg auf den Stemmerkogel (2123 m) lässt sich einfach begehen.

SAALBACH.COM/MORITZ ABLINGER

Ich weiß, ich sollte mehr trinken. Aber mir reicht ein halber Liter warmer Tee, dazu esse ich ein paar Riegel und eine Banane. Ich bewege mich gern mit leichtem Gepäck. Mein Rucksack ist ohnehin gut gefüllt: LVS-Gerät, Sonde, Schaufel, Erste-Hilfe-Set und Biwaksack gehören zur Sicherheit auf jeden Fall hinein; dazu ein Paar Ersatzhandschuhe und eine zweite Haube, damit ich vor der Abfahrt meine verschwitzten Sachen ausziehen kann. Außerdem ist eine zweite Jacke unbedingt zu empfehlen. Du weißt ja nie, was im Gelände passiert. Im besten Fall passiert natürlich nichts. Du hörst und siehst keine anderen Menschen außer deinen Freunden oder Gästen, mit denen du unterwegs bist, und kannst die erste Spur auf einem frischen Hang ziehen. Und am Abend setzt du dich zufrieden mit einem Bierchen hin und freust dich, dass es so ein entspannter Tag am Berg war.




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GUIDE Fitness

TRAINING

Auf die Plätze!

„Ich will den Lauf für mich zu einem Erlebnis machen.“

PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL(2), MIRJA GEH FOR WINGS FOR LIFE WORLD RUN, OLIVER JISZDA FLORIAN OBKIRCHER

Am 9. Mai fällt der Startschuss für den Wings for Life World Run. Hol dir die App, wähle eine ­Strecke und werde Teil einer welt­ umspannenden Laufbewegung! Wings for Life World Run heißt: 77.103 Menschen laufen zeit­ gleich in 104 Ländern. Verbunden sind sie durch den Willen, Quer­ schnitts­lähmung heilbar zu machen – und durch eine App. Letztere gibt den Startschuss, feuert dich an und lässt es dich wissen, wenn dich das Catcher Car einholt – sprich: wenn das Rennen für dich zu Ende ist. Wo du läufst, ist deine Ent­ scheidung. Der Ultrarunner ­Christian Schiester etwa lief ­voriges Jahr in seiner Heimat­ gemeinde Mautern in der Steier­ mark. „Mir geht es gar nicht un­bedingt darum, so weit wie möglich zu kommen“, sagt er. „Ich will den Lauf für mich zu einem Erlebnis machen.“ Zur Inspiration empfehlen Schiester und zwei weitere Athleten ihre liebsten Laufstrecken in Österreich. Auf dass der 9. Mai für dich zum unvergesslichen Erlebnis wird! Beim Wings for Life World Run laufen ­Menschen in aller Welt zeitgleich für den g ­ uten Zweck. 100 Prozent der Startgelder gehen an ­Forschungsprojekte zur Heilung von Rückenmarksverletzungen. Melde dich an auf: wingsforlifeworldrun.com

THE RED BULLETIN

Christian Schiester, Ultrarunner Christian Schiester beim Training. Für den Wings for Life World Run wird er die offizielle App nutzen.

Schöner schwitzen Sportler verraten, wo sie am liebsten laufen:

Christian Schiester

ULTRALÄUFER/SEGLER Lieblingsstrecke: Gfäll­turmweg

Nadine Wallner

FREERIDERIN Lieblingsstrecke: Forstweg Sonnenkopf

Andreas Ulmer

FUSSBALLER Lieblingsstrecke: Hellbrunner Allee

Talstation

Schloss Freisaal

Gfällturm Eselsberg Hauptplatz Mautern

Bergstation

Mautern, Steiermark

Dalaas, Vorarlberg

Schloss Hellbrunn

Salzburg-Stadt, Salzburg

Info: 4 km (Hauptplatz bis zum Gfällturm), steil (800 Höhen­ meter), Asphalt, Wiese, Hohlweg

Info: 8 bis 11 km (Tal- bis Berg­ station), steil (830 Höhenmeter), Forstweg

Info: 2,8 km (Schloss Freisaal bis Schloss Hellbrunn), flach, Schotterweg

„Voriges Jahr rannte ich mit der App 4 km, aber die hatten es in sich: 800 Höhenmeter! Rauf auf den Eselsberg – ein Hoch­ plateau mit Wiesen, im Mai duf­ ten die Blumen. Dann tauchst du in den Wald ein. Von dort geht ein Hohlweg kerzengerade auf den Gipfel. Der Anstieg bringt dich fast um, aber es zahlt sich aus. Der Ausblick ist ein Traum.“

„In der Ebene oder abwärts­ laufen? Ist nichts für mich. ­Deshalb ist diese Strecke ideal: Nach dem Lauf auf den Berg fährst du mit der Gondel ins Tal. Außerdem kannst du die Stre­ cke variieren: entweder die Spitzkehren im Wald auslaufen oder steile Intervalle über die Piste hinaufjagen – ganz nach Lust und Verfassung.“

„Du läufst in der Stadt und doch in der Natur. Das liebe ich an dieser Allee. Es gibt diesen Moment, wenn du stadtaus­ wärts rennst, rechts die Bäume, im Hintergrund öffnet sich der Blick auf die Berge. Da denk ich mir jedes Mal: boah, ein Traum! Wenn ich am Ende noch nicht genug hab, laufe ich noch einige Runden im Schlosspark.“

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DYSTOPIE

Bestialisch literarisch Ein Zombie-Reißer als Gesellschaftsroman: Mit seiner „Passage“-Trilogie hat US-Autor Justin Cronin das Blut-und-Beuschel-Genre literarisch domestiziert. Text JAKOB HÜBNER

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ie heißt’s so schön: Totgesagte leben länger. Es ist noch gar nicht so lange her, da waren Zombies, Vam­ pire, Werwölfe und ihre Art­ genossen etwa so angesagt wie senffarbene KunstlederHerrenhandtaschen. Rund um die Nullerjahre kam dann aber der Weckruf. Plötzlich krochen­die Untoten quickfidel aus allen Ritzen der Unterhal­ tungsbranche. Titel wie „Resi­ dent Evil“ oder „Underworld“ ließen die Gaming- und Kino­ kassen prächtig klingeln, we­

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nig später brachte Best­sellerAutorin Stephenie Meyer mit ihrer „Twilight“-Reihe das Blut von Millionen pubertierender Mädchen in Wallung, und 2010 starteten die greinenden Fet­ zenschädel aus „The Walking Dead“ ihren Siegeszug durch die TV-Serien-Landschaft. Kurz: Das Genre erlebte (was für eine Formulierung in dem Zusammenhang!) ein großes Revival. Die neue Breitenwir­ kung beschränkte sich jedoch vorwiegend auf den kommer­ ziellen Bereich, intellektuell betrachtet vergnügten sich

die Untoten nach wie vor in ihrem angestammten Revier: also irgendwo zwischen Trivia­ lität und Trash. Das wollte Justin Cronin ­offensichtlich ändern. Und so begab sich der 1962 geborene US-Autor, der nicht nur die alt­ ehrwürdige Harvard Univer­ sity, sondern auch den nicht minder elitären Iowa Writers’ Workshop absolvierte, auf eine faszinierende literarische Mission: die „Passage“-Trilo­ gie. In den mit insgesamt rund 3000 Seiten auch rein hap­ tisch imposanten Bänden – „Der Übergang“ (2010), „Die Zwölf“ (2012) und „Die Spie­ gelstadt“ (2016) – entwirft Cronin eine postapokalypti­ sche Dystopie, die ­sowohl for­ mal (hochkomplex) als auch stilistisch (brillant) in einer ganz anderen Liga spielt, als THE RED BULLETIN

VINZ SCHWARZBAUER

GUIDE Lesestoff


Erster Absatz aus „Der Übergang“

LESETIPPS

„Bevor sie Das Mädchen Von Nirgendwo wurde – das Mädchen, das plötzlich auftauchte, Die Erste Und Letzte Und ­Einzige, die tausend Jahre lebte –, war sie nur ein kleines ­Mädchen aus Iowa und hieß Amy. Amy Harper Bellafonte.“

man das von diesem Genre erwartet. Spannung, Action und Horror kommen zwar auch bei Cronin keineswegs zu kurz, ­allerdings formieren sie sich hier vor dem Hintergrund eines klassischen Gesellschaftsromans – wobei von der Gesellschaft, wie wir sie kennen, nicht allzu viel ü ­ brig bleibt. Ausgangspunkt für Cronins düstere Zukunftsreise ist ein entlegenes Hightech-­ Labor, in dem die U. S. Army an einem streng geheimen Zuchtprogramm herumdoktert. Die Probanden: Gewaltverbrecher aus dem Todestrakt. Der Wirkstoff: ein aus dem bolivianischen Dschungel eingeschlepptes, von KillerFledermäusen übertragenes Virus. Das Entwicklungsziel: der Supersoldat, tödlich und nahezu unsterblich. Da jedoch die Zwischen­ ergebnisse des Experiments nichts Gutes erahnen lassen – sämtliche Kandidaten mutieren innerhalb kürzester Zeit zu extrem aggressiven, völlig unkontrollierbaren und hochinfektiösen Zombies – wird FBI-Agent Brad Wolgast ausgeschickt, um ein weiteres Versuchskaninchen zu besorgen: ein kleines, ebenso sonderbares wie besonderes Mädchen namens Amy. Aber noch während Wolgast leise moralische Zweifel zu plagen beginnen, kommt es zur folgenschweren Katastrophe: das Geheimlabor fliegt mit Bomben und Granaten in die Luft, die epidemischen Mutan­ten, zwölf an der Zahl, flüchten und tun das, wozu sie erschaffen wurden … Zeitsprung: Knapp hundert Jahre später haben die sogenannten Virals den Planeten THE RED BULLETIN

weitgehend übernommen. Die wenigen Menschen, die überlebt haben, verschanzen sich in technisch improvisierten Enklaven (an dieser Stelle herzliche Grüße an Mad Max) und kämpfen gegen die all­ gegenwärtige Bedrohung und dramatische Ressourcenknappheit. In einer dieser Endzeit-Kolonien reift eine Gruppe von Jugendfreunden zu einer Art paramilitärischen Truppe heran, die sich dem Kampf ­gegen die Virals stellt. Und wieder liegt die größte Hoffnung auf den zarten Schultern einer gewissen Amy … In diesen vordergründig platten Plot fräst Cronin ein ­literarisch hochkomplexes ­Labyrinth aus verschiedenen Handlungsebenen, Erzählstrukturen und Charakter­ studien. Die Wucht dieser ­Geschichte ergibt sich weniger aus dem Kampf zwischen Gut und Böse als vielmehr aus dem Zusammenspiel zwischen brachialem Setting und brillanter Sprachkunst. So ist es auch kein Wunder, dass 2019 der Versuch, Cronins vielschichtige „Passage“-­ Trilogie als TV-Serie zu adaptieren, nach nur einer Staffel eingestellt wurde. War wohl doch eine Spur zu kompliziert.

JUSTIN CRONIN „PASSAGE“-TRILOGIE Deutsch von Rainer Schmidt – 3 Bände Goldmann Verlag

Vorsicht, bissig! Düstere Spannung und schwarzer Humor aus der Gruft

SERGEJ LUKIANENKO Mit seinem „Wächter“-Zyklus avancierte Sergej Lukianenko zum erfolgreichsten russischen Fantasyautor der Gegenwart. In bisher neun Bänden entfesselt der ­promovierte Psychiater einen epischen Kampf zwischen Vampiren, Gestaltwandlern, Hexen und Magiern. Die britische Wochenzeitung „New Statesman“ brachte es auf den Punkt: „Eine atem­beraubende ­Mischung aus Dostojewski und ‚Dawn of the Dead‘!“ „Wächter der Nacht“ (Heyne)

GUILLERMO DEL TORO / CHUCK HOGAN Der mexikanische Meister­ regisseur, Oscarpreisträger („Shape of Water“), Autor und Filmproduzent Guillermo del Toro pflegt für gewöhnlich ein recht inniges Verhältnis zu ­allerhand ­Kreaturen aus der Dunkelheit. ­Besonders reiche Ernte fährt er in dem d ­ rei­teiligen ­Vampir-Gemetzel „Die Saat“ ein, das er ­gemeinsam mit seinem US-Kollegen Chuck Hogan verfasst hat. Definitiv nichts für Zartbesaitete! „Die Saat“ (Heyne)

CHRISTOPHER MOORE Wenn es um derben Wortund Wahnwitz zwischen zwei Buchdeckeln geht, ist Christopher Moore eine Klasse für sich. Sein erstes romantisches Rendezvous mit dem ­Vampirismus läuft bereits nach wenigen Seiten ­komplett aus dem Ruder, und auch die Fortsetzungen „Liebe auf den ersten Biss“ und „Ein Biss sagt mehr als tausend Worte“ erweisen sich als heimtückische Zwerchfell-Reißer. „Lange Zähne“ (Goldmann)

MAX BROOKS In diesem 2003 erschienenen Ratgeber liefert Max Brooks – übrigens der Sohn von ­Klamauk-Großmeister Mel Brooks – praktische Tipps für das „Überleben ­unter U ­ ntoten“. In sieben ­Kapiteln analysiert er nicht nur ­verschiedene Verteidigungs-, Flucht- und Angriffs­ strategien ausführlich, ­sondern stellt auch die ­gängigsten Zombie-­Arten ­sowie bewährte Anlockund Fangmethoden vor. „Der Zombie Survival Guide“ (Goldmann)

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GUIDE Tipps & Trends

Richtig gutes Zeug Handverlesene Liebhaberstücke, Tipps und Termine: Hier kommen die Empfehlungen der Redaktion. Text WOLFGANG WIESER

ENDLICH WIEDER STRAHLEN COMEBACK DES PULLUNDERS Wir wussten gar nicht, wie sehr wir sie vermisst hatten: Doch seit Kean Etro den Pullundern ein Comeback beschert hat, ist endlich wieder Grund zum ­Strahlen, zum Beispiel in zitronig frischem Neongelb. etro.com

KLAPPERN GEHÖRT ZUM GESCHÄFT DIE RÜCKKEHR DER CLOGS

SO ANZIEHEND WAR PARIS NOCH NIE

Ein Schuh für alle, die sich noch an die 1970er e­ rinnern können. Damals klapperte der Zeitgeist in Clogs durch die Straßen. Bally hat die Holzpantoffeln jetzt wieder­belebt. Man möchte beinah weinen vor so viel Retro-Glück. bally.com

DIE SKYLINE-JACKE Liebe auf den ersten Blick: Mann trägt im nächsten Winter die französische Hauptstadt – und zwar nicht nur im Herzen, sondern ­direkt am Körper. Von Stardesigner Virgil Abloh für Louis Vuitton. louisvuitton.com

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Zieh den Tod auf Carpe diem oder so Diese Uhr von Bell & Ross liebt den großen Auftritt, inklusive spektakulärer Zeichen: Wer dieses Pracht­ stück aufzieht, ver­setzt den Totenkopf in Bewegung. Was uns alle daran erinnert, unsere Zeit gut zu nutzen. bellross.com

HELL, YEAH! Das skelettierte Gehäuse (45 × 46,5 mm) ist aus mattschwarzer Keramik.

Wer bremst, gewinnt

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Smarte City-Rakete Dieses Bike hat einen E-Motor und ein Energierückgewinnungssystem, was die Reichweite auf 150 Kilometer schraubt. Außerdem lässt es sich für Öffi-Fahrten hand­ lich zusammenlegen. rocket-ebike.com

PERFEKT IM DUETT LÄSSIGER DURCHBLICK Trägt er Neon-Pullunder (linke Seite), schützt sie sich vor seiner Strahlkraft mit dem Modell „Alexandria“. Im Duett wirkt das Ensemble geradezu genial – das macht gute Laune auf der ganzen Linie. andy-wolf.com

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Das war ein Baum

WIR GEHEN WIEDER IN DIE LUFT BIKE-FESTIVAL IN WIEN Höher, weiter und – entspannter. Das Argus Bike Festival in Wien musste Pandemie-bedingt ver­ schoben werden – und zwar auf den 29. und 30. Mai. Aber dann gibt es Dirt Battle mit einigen der besten ­Rider der Welt, den Highjump-­ Contest mit Rekord-Erwartung (2019 schaffte der Innbrucker P ­ eter Kaiser 9,05 m) und die R ­ ad-Parade – zum 10. Mal geht’s quer durch die Stadt: bis in die P ­ rater Hauptallee. bikefestival.at

Wenn Rucksäcke wachsen Seine Heimat ist das schwedische Küsten­ städtchen Örnsköldsvik. Dort ist dieser Rucksack gewachsen. Denn er ist aus einem Zellulosegarn gewebt, das aus Holz gewonnen wird. fjallraven.com

BESSER DENKEN LERNEN – HOCH IN DEN ALPEN DER LEADERSHIP-WORKSHOP Wer höher oben ist, denkt klarer – inmitten der Hochkönig-Region ­liefert der Leadership-Workshop „Fifteen Seconds Alps“ neue ­Experience-Formate, virtuelle ­Sessions mit Top-Speakern und 1-on-1-Coaching (im Bild unten „­Fifteen Seconds“-Gründer Stefan Stücklschweiger). Die nächsten Termine: 11. bis 14. April, 9. bis 12. Mai., 13. bis 16. Juni. fifteenseconds.co

Zauberhafter Trick: 32 Figuren und das Spielbrett finden in einer Rolle Platz.

Taschen-Schach So genial ließ sich das Spiel noch nie einstecken Eine würdige Idee für den königlichsten Zeitvertreib von allen: Beim Crownes Chess verschwindet – ähnlich wie bei einer russischen Puppe – eine Figur in der anderen. Den Kickstarter-Hit gibt’s ab März im Handel. kickstarter.com

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FJALLRAVEN, DESIGN NEST, RADO, JOHANNES STAMCAR, NASA, BEN THOUARD/RED BULL ILLUME, FITHTEEN SECONDS/NIKI POMMER

HOLZWEG Das Material stammt aus Wäldern, deren ­Bewirtschaftung genau kontrolliert wird.


GUIDE Tipps & Trends

DIE ZEIT VERDIENT AUFMERKSAMKEIT

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WER WEISS, WIE SPÄT ES IST?

Der weltgrößte Fotowettbewerb Red Bull Illume startet Fotograf Ben Thouard hat diese Welle meisterhaft eingefangen – eines von v ­ ielen inspirierenden Bildern aus dem weltgrößten Bewerb für Abenteuer- und Action­ fotografie. Anmeldungen für 2021 sind bis 31. Juli möglich. redbullillume.com

Doch, da sind Zeiger! Dass es etwas Zeit braucht, sie zu entdecken, ist Kalkül. Trendforscherin Li Edelkoort hat diese Uhr für Rado entwickelt. Ihre Idee: Wer genau hinschauen muss, erkennt den Wert der Zeit. rado.com

SOUNDMACHINE Mit zwei Mikrofonen nimmt der Perseverance Rover die Mars-Klänge auf.

Wie klingt der Mars? Open Mic am Roten Planeten Seit der Landung des Perseverance Rovers (am 18. Februar) ist der Sound des Roten Planeten kein Geheimnis mehr. Wer in seine Klangwelt rein­hören will, klickt auf die Seite der NASA. mars.nasa.gov

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GUIDE Motorräder

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MentalMaschinen Allein und doch nicht, konzentriert und doch e­ ntspannt. Beim Aufsteigen auf diese Motorräder ist der Alltag plötzlich weit weg. Und unterwegs ­füllen Ein­drücke Herz, Hirn und Seele. Text WERNER JESSNER

Eherne Essenz HONDA CB1000R BLACK EDITION Alte Biker-Weisheit: „Hondas fahren immer.“ Im Zweifelsfall steht Funktion über Emotion. Denn worum geht es denn beim Motorradfahren? Genau: ums Fahren. Und wenn das so ­brillant fährt wie die 145 PS starke CB1000R, kommen die Emotionen ganz von selbst. In der neuen „Black Edition“ versteckt die CB ihre Talente wie ein 5-Zoll-TFT-Farbdisplay, das mit dem Handy gekoppelt Sprachbefehle versteht – ­perfekt. Viel mehr Under­ statement geht nicht; bis die erste Kurve kommt und keiner der Schönlinge mehr im R ­ ückspiegel zu sehen ist.

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uf dem Motorrad sieht man die Welt nicht nur, sondern hört und riecht sie auch. Beim Absteigen fragt man sich, wann man die nächste Dosis dieses beglückenden Stoffs haben kann. Motorradfahren ist mehr als Fortbewegung. Es ist Nahrung für den Kopf, schult Koordination wie Weitblick gleichermaßen und funktioniert als Ausdrucksmittel der eigenen Persönlichkeit. Wenn rundum Frei­heiten zu verschwinden drohen, bleibt immer noch eins: Helm auf, Bike starten, los. Ob flott oder entspannt, abenteuerlich oder gemütlich: Es gibt kein falsches Leben im richtigen. Und das hat zwei Räder.

Hubraum: 998 ccm Leistung: 145 PS Preis: ab 16.690 Euro honda.at

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Sein ohne Schein BRIXTON RAYBURN Achtung, Einstiegsdroge! Ein Bike, das nach sündteurem Custom-Bike-Umbau aussieht, nach viel Hubraum und Spielzeug für harte Jungs – ist aber ein 125er-Motorrad, das man auch mit Autoführerschein bewegen darf. Die „Rayburn“ der jungen österreichischen M ­ arke Brixton kombiniert Roadster-Look mit einem standesgemäß luftgekühlten Einzylinder-Motor. Style-Highlight: der gefederte Ledersattel. ­Geschmack ist keine Frage des Hubraums: Selbst in der Achtelliter-Klasse gibt es keinen Grund mehr, billige Plastik-Roller zu fahren. Hubraum: 125 ccm Leistung: 11 PS Preis: 2999 Euro brixton-motorcycles.com

Armbanduhr auf Rädern INDIAN FTR 1200 Viel mehr IndividualismusStatement geht nicht. Von ­Flat-Track-Racern inspiriert, stellt die US-Nobelmarke einen Power-Cruiser auf die Räder, der seinesgleichen sucht. Ein Bike, das man dank seines Drehmoments von 120 Newton­ metern jederzeit beschleunigen kann, ohne schalten zu müssen. Ein Bike, dessen wundervolle Details man in der Garage ­studieren kann, ohne überhaupt losfahren zu müssen. Ein Bike wie eine mechanische Armbanduhr – nur größer, ­seltener und emotionaler. Hubraum: 1203 ccm Leistung: 123 PS Preis: ab 16.490 Euro indianmotorcycle.com

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Reise-Rakete DUCATI MULTISTRADA V4 Gebückt, laut, unkomfortabel, unzuverlässig, aber geil? Dafür stand Ducati einst. Spätestens seitdem die Kultmarke zum VW-Konzern gehört, hat sich das gründlich geändert. Wer auf italienischen Alpenpässen genauso daheim sein will wie auf den Eselpfaden Griechenlands, ist mit der souveränen Multistrada mit ihrem 170 PS starken V4-Motor bestens ­angezogen. Modernste Elektro­ nik, elektronisch gesteuerte

Federung und überragender Windschutz sind State of the Art. Bleibt zu hoffen, dass Sie rechtzeitig zum ersten Service wieder zu Hause sind. Das ist nämlich erst bei 60.000 km fällig (Klischees über italienische Technik sind auch nicht mehr, was sie einmal waren). Hubraum: 1158 ccm Leistung: 170 PS Preis: ab 17.990 Euro ducati.com

Schwer in Ordnung BMW R 18 CLASSIC Oft reicht das bloße Wissen um die eigene Macht für ­Souveränität. Auf zwei Rädern bedeutet das: Hubraum. ­Davon hat kaum ein Bike mehr als BMWs R 18. Der wunderschön verchromte Boxermotor hat 1802 Kubik – mit einiger Wahrscheinlichkeit mehr als Ihr Auto. Das Klischee der ­„schweren Maschin’“ erfüllt die BMW mit 345 Kilo voll und ganz. Lang, tief, glänzend, ­retro, ohne ­altbacken zu wirken: Das geht nur mit dem Selbstvertrauen einer Marke, die mit der R 5 vor bereits über 80 Jahren das Vorbild für ­diesen P ­ ower-Bock gebaut hat. Hubraum: 1802 ccm Leistung: 91 PS Preis: ab 26.489,99 Euro bmwmotorcycles.com


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Um die Welt KTM 1290 SUPER ADVENTURE S Große Freiheit! Nur blöd, wenn im richtigen Leben unterwegs der Wind zerrt, der Hintern zwickt und die Knie pitschnass werden. Für die große Tour nehme man also ein Bike, das Unbill vom Fahrer fernhält, souverän ­motorisiert ist und aller Tricks mächtig, die tausend Kilo­ meter oder mehr im Sattel zur ­Freude werden lassen. Das neue KTM-­Flaggschiff hat fünf Fahr-­Modi von Regen bis Rally, 7-Zoll-­TFT-Display und 23-Liter-­ Tank für enorme Reichweite: Wer jetzt noch zu Hause bleibt, dem ist nicht mehr zu helfen. Hubraum: 1301 ccm Leistung: 160 PS Preis: ab 21.349 Euro ktm.com

Herrlich unkonventionell HARLEY PAN AMERICA Anders als die anderen: Jahrzehntelang hat Harley-Davidson diese Fahne vor sich her­­ getragen. Irgendwann begann sich die Spirale zu drehen und wurde zum Klischee. Wie befreit sich Harley aus der Falle? Indem sie ein Bike bauen, das niemand erwartet hätte. Eine Reise-Enduro. Modern. Mit 145 PS, D ­ igitalpaket, ernsthaften ­Geländekompetenzen

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und b ­ rachialer Bremsanlage. Eine Harley, die so konsequent mit Konventionen bricht, wie es nur echte Freigeister können. Wir sollten an Harley denken, wenn wir uns dabei ertappen, immer dasselbe zu tun. Hubraum: 1250 ccm Leistung: 145 PS Preis steht noch nicht fest harley-stpoelten.at

Good Vibes MOTO GUZZI V7 SPECIAL Manche Bikes kauft man wegen ihres Aussehens, andere wegen ihres Klangs, die legendäre ­V7-Serie von Moto Guzzi wegen ihrer Vibrationen. Der längs zur Fahrtrichtung eingebaute luftgekühlte V2-Motor schüttelt auf eine Art, die keinen loslässt, der ihn je probiert hat. Er stößt das Herz an. Zum 100-Jahr-Jubiläum ist das ikoni­ sche ­Aggregat auf 850 Kubik

g­ ewachsen, und als Variante „Special“ glänzt die Guzzi mit so zeitlosen Features wie ­Speichenrädern und echt ­analogen Armaturen – eine aussterbende Spezies in Zeiten der Volldigitalisierung. Hubraum: 850 ccm Leistung: 65 PS Preis steht noch nicht fest motoguzzi.at THE RED BULLETIN


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Aktuell ­erscheint The Red Bulletin in sechs Ländern. Das ­Cover unserer US-Ausgabe zeigt den Bike-Profi Justin Williams. Und der will nichts Geringeres, als das Gesicht des Rennrad-­Sports in Nordamerika zu verändern. Mehr Geschichten abseits des Alltäglichen findest du auf: ­redbulletin.com

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Gesamtleitung Alexander Müller-Macheck, Sara Car-Varming (Stv.) Chefredaktion Andreas Rottenschlager, Andreas Wollinger (Stv.) Creative Direction Erik Turek, Kasimir Reimann (Stv.) Art Direction Marion Bernert-Thomann, Miles English, Tara Thompson Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Cornelia Gleichweit, Kevin Goll Fotoredaktion Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.), Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör Digitalredaktion Christian Eberle-Abasolo (Ltg.), Lisa Hechenberger, Elena Rodriguez Angelina, Benjamin Sullivan Head of Audio Florian Obkircher Special Projects Arkadiusz Piatek Managing Editors Ulrich Corazza, Marion Lukas-Wildmann Publishing Management Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Anna Wilczek Managing Director Stefan Ebner Head of Media Sales & Partnerships Lukas Scharmbacher Head of Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger Projektmanagement Co-Publishing, B2B-Marketing & Communication Katrin Sigl (Ltg.), Mathias Blaha, Katrin Dollenz, Thomas Hammerschmied, Teresa Kronreif (B2B), Eva Pech, Valentina Pierer, Stefan Portenkirchner (Communication) Creative Services Verena Schörkhuber-Zöhrer (Ltg.), Sara Wonka, Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart Commercial Management Co-Publishing Alexandra Ita Editorial Co-Publishing Raffael Fritz (Ltg.), Gundi Bittermann, Mariella Reithoffer, Wolfgang Wieser Executive Creative Director Markus Kietreiber Projekt Management Creative Elisabeth Kopanz Art Direction Co-Publishing Peter Knehtl (Ltg.), Erwin Edtmayer, Andreea Parvu, Dominik Uhl Commercial Design Simone Fischer, Martina Maier, Alexandra Schendl, Julia Schinzel, Florian Solly, S ­ tephan Zenz Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Marija Althajm, Nicole Glaser, Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar Anzeigenservice Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.), Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailović, Sandra Maiko Krutz, Josef Mühlbacher Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.), Klaus Pleninger MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler Operations Melanie Grasserbauer, Alexander Peham, Yvonne Tremmel Projekt Management Gabriela-Teresa Humer Herausgeber & Geschäftsführer Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber

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Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 13. April 2021.

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